Die Europäisierung des Mediationsrechts in Polen: Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Umsetzung der Richtlinie 2008/52/EG in Deutschland und Polen [1 ed.] 9783428581399, 9783428181391

Das Mediationsrecht in Deutschland und Polen ist durch die Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 2008 erheb

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Die Europäisierung des Mediationsrechts in Polen: Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Umsetzung der Richtlinie 2008/52/EG in Deutschland und Polen [1 ed.]
 9783428581399, 9783428181391

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Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 13

Die Europäisierung des Mediationsrechts in Polen Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Umsetzung der Richtlinie 2008/52/EG in Deutschland und Polen

Von

Agnieszka Krysztopowicz

Duncker & Humblot · Berlin

AGNIESZKA KRYSZTOPOWICZ

Die Europäisierung des Mediationsrechts in Polen

Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 13

Die Europäisierung des Mediationsrechts in Polen Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Umsetzung der Richtlinie 2008/52/EG in Deutschland und Polen

Von

Agnieszka Krysztopowicz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 2567-5427 ISBN 978-3-428-18139-1 (Print) ISBN 978-3-428-58139-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2020 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis Dezember 2018 berücksichtigt. Zunächst möchte ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Rudolf Meyer-Pritzl ganz herzlich danken, der dieses Thema nicht nur anregte, sondern mich während des Dissertationsvorhabens auch ausgezeichnet betreute und mir ein hohes Maß an wissenschaftlicher Freiheit gewährte. Mein Interesse an der Mediation sowie an grenzüberschreitenden Sachverhalten wurde durch den bei ihm absolvierten universitären Schwerpunktbereich bereits sehr früh geweckt und begleitet mich seitdem fortwährend in meinem juristischen Alltag. Mein Interesse hat sich auf diese Weise zu einer echten Leidenschaft entwickeln können und dafür bin ich ihm sehr dankbar. Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Trunk für die äußerst zügige Erstellung der Zweitkorrektur. Ich möchte an dieser Stelle größten Dank meinen Eltern, Wiesława Stefania Diercks und Olaf Bock, aussprechen, die mich während der gesamten akademischen Laufbahn stets ermutigt haben und mir während der Erstellung dieser Arbeit einen unverzichtbaren Rückhalt gaben. Ihnen widme ich dieses Buch in tiefer dankbarer Verbundenheit. Von ganzem Herzen danke ich ebenfalls Nane Karenke, die mir in dieser Zeit immer großzügig zur Seite stand und mich in meinem Vorhaben immer bestärkte. Unsere tiefe Freundschaft bedeutet mir viel. Auch der Familie Ecker möchte ich für die bedingungslose Freundschaft danken, die mir dazu verhalf, dieses Projekt mit besonders viel Freude und Elan voranzutreiben. Mein Dank gilt ebenfalls meiner Patentante Sylwia Nasiłowska für die Unterstützung während meiner zahlreichen Studienreisen nach Polen. Ihr verdanke ich die Pflege meiner polnischen Wurzeln am meisten. Schließlich danke ich allen Kolleginnen und Kollegen an den Standorten in Stuttgart und Hamburg sowie meinen ehemaligen Studienkolleginnen und -kollegen, die mich während der Dissertationsphase durch regen Meinungsaustausch bereicherten und mein Vorhaben förderten. Durch die wissenschaftliche Mitarbeit, insbesondere am Standort Stuttgart, hatte ich das große Glück, die für die in dieser

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Vorwort

Arbeit behandelten theoretischen Rechtsfragen notwendige Praxiserfahrung zu sammeln, um sie lösungsorientiert beantworten zu können. Dem Verlag Duncker & Humblot danke ich für die freundliche Aufnahme in die Schriftenreihe. Kiel, im Oktober 2020

Agnieszka Krysztopowicz

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Der Ausgangspunkt der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Die Herangehensweise und Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Die Wahl der Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Die Besonderheit der historischen Einflüsse auf die Rechtsordnungen . . . . . . 22 3. Die Europäisierung des Mediationsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Die aufgestellten Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Schaffung von Anreizen für die Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Mediation und Berufsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Kosten der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4. Mediation und Entlastung der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 5. Mediation und Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 6. Qualitätssicherung und Professionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Erster Teil Die Grundlagen der Mediation in der Europäischen Union

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A. Die Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 21. 05. 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . 27 I. Die Grundlagen und Strukturen der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Äußere Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Innere Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Die Besonderheiten der nationalen Umsetzung im Hinblick auf die unionsrechtlichen Vorgaben der EU-Mediationsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 B. Die Entwicklung der Richtlinie 2008/52/EG und der Erlass weiterer Rechtsakte auf dem Gebiet konsensualer Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Die Vorgänger der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Das Grünbuch und die Empfehlung Rec (2002)10 des Ministerkomitees aus dem Jahr 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Der Europäische Verhaltenskodex für Mediatoren aus dem Jahr 2004 . . . . . . 36 3. Der Richtlinienentwurf vom 22. 10. 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

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Inhaltsverzeichnis 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Die ADR-Richtlinie 2013/11/EU und die ODR-Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates vom 21. 05. 2013 in Bezug auf verbraucherrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

C. Zusammenfassung des Ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Zweiter Teil Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen, ihre Grundsätze und die gelebte Praxis im Vergleich zu Deutschland

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A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Die Streitbeilegung in der DDR im Vergleich zu der Streitbeilegung in der Volksrepublik Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Der Mediationsgedanke in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Die außergerichtliche Einigung nach den Vorschriften des ZGB-DDR . . . . 46 aa) Die allgemeinen Verhaltenspflichten gemäß den Vorschriften des ZGBDDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) Die verantwortungsbewusste Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 cc) Die Mitwirkung der Mietergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 dd) Keine Rechtsordnung ohne Privatautonomie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Die Einigung nach den Vorschriften der ZPO-DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Die Aussöhnungsverhandlung in Ehescheidungssachen . . . . . . . . . . . . . . . . 51 d) Der Rechtsschutz in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 e) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Der Mediationsgedanke in der Volksrepublik Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Das obligatorische Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Die betriebliche Schiedskommsision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Andere gesellschaftliche Kommissionen und Kollegien mit Rechtsprechungscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 d) Das Sühneverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 e) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Zusammenfassung der Streitbeilegung in der DDR und in der VR Polen . . . . 60 II. Die gesetzliche Regelung der Mediation in der Rzeczpospolita Polska seit 1989

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1. Die Regelung der Mediation auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts 61 a) Der geschichtliche Hintergrund zur Mediation im Arbeitsrecht . . . . . . . . . 61 b) Das Gesetz über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht . . . . . . . . 64 aa) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 bb) Der Aufbau des Mediationsrechts im kollektiven Arbeitsrecht . . . . . . . 65 cc) Die Mediationsvorschriften des Gesetzes über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Inhaltsverzeichnis

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2. Die Mediation im Strafrecht gemäß Art. 23a des polnischen Strafverfahrensgesetzbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Die Regelung der Mediation im Strafrecht nach Art. 23a StVGB . . . . . . . . 70 b) Die Berücksichtigung der Mediation in der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . 71 aa) Die ursprüngliche Begründung für die Einführung der Verfahrenseinstellung nach Art. 59a pln. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Die Begründung der Aufhebung des Art. 59a pln. StGB . . . . . . . . . . . . 73 cc) Kritik an der Abschaffung des Art. 59a pln. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 74 dd) Der Vergleich mit dem deutschen Täter-Opfer-Ausgleich . . . . . . . . . . . 76 ee) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Die Schriftliche Belehrung über die Mediation am Beispiel des Art. 300 StVGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Die Mediation in Jugendsachen gemäß Art. 3a des polnischen JVG . . . . . . . . 80 4. Die Versöhnungssitzung in Scheidungs- und Trennungssachen gemäß Art. 436 ZVGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5. Die Mediation im polnischen Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 B. Die Mediation in Zivil- und Handelssachen in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 II. Die deutschen und polnischen Rechtsquellen der Mediation seit der Implementierung der EU-Mediationsrichtlinie in das nationale Recht – Gesetz ohne Praxis, Praxis ohne Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie . . . 95 2. Die generellen Vorschriften und ihre Einordnung in Gesetzestypen . . . . . . . . . 98 3. Die durch die Mediationsgesetze verfolgten Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 III. Die Mediationsgrundsätze und Arten der Mediation in Zivil- und Handelssachen im polnischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Die fehlende Definition der Mediation im polnischen Zivilverfahrensrecht – ein Gesetzesvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Die Grundsätze der Mediation im polnischen Mediationsrecht in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Der Grundsatz der Freiwilligkeit der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Die Freiwilligkeit der Mediation gemäß Art. 1831 § 1 ZVGB . . . . . . . . 108 bb) Die Freiwilligkeit der Parteien im Lichte der polnischen Verfassung

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cc) Das Erfordernis der Zustimmung der Parteien als Ausdruck des Grundsatzes der Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 dd) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Die Eigenverantwortlichkeit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

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Inhaltsverzeichnis c) Die Informiertheit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Die Umsetzung des Prinzips der Informiertheit der Parteien . . . . . . . . 122 bb) Die Phasen der Mediation und die drei Ebenen der Informiertheit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 cc) Die die drei Ebenen der Informiertheit der Parteien – die erste Ebene der Informiertheit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 dd) Die zweite Ebene der Informiertheit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 ee) Die dritte Ebene der Informiertheit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 ff) Gesetzes- und Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 d) Die Vertraulichkeit der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Die Besonderheiten der Vertraulichkeitsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Die Stärkung der Vertraulichkeit der Mediation in Polen durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Art. 1834 § 2 ZVGB . . . . . . . . 135 cc) Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 dd) Der Schutz der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 ee) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 e) Die Neutralität des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Die Art und der Umfang des Grundsatzes der Neutralität des Mediators 144 bb) Die Förderung der Mediation im polnischen Recht durch die Stärkung der Neutralität des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 f) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Die Initiierung der Mediation im Hinblick auf die außergerichtliche und gerichtsnahe Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Die Mediationsvereinbarung und die außergerichtliche Mediation gem. Art. 1831 ZVGB – „umowa o mediacje˛ “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Die rechtliche Einordnung der Mediationsvereinbarung und ihr Vertragstyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Die Klassifizierung des Mediationsvertrags als Prozessvertrag . . . . . . . 152 cc) Die Klassifizierung des Mediationsvertrags als materiell-rechtlichen Vertrag bzw. als Vertrag sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 dd) Abgrenzung des Mediationsvertrags von dem Mediatorvertrag – Höchstpersönlichkeit der Teilnahme an der Mediation . . . . . . . . . . . . . 158 ee) Zusammenfassung der Klassifizierung des Mediatorvertrags . . . . . . . . 163 ff) Die außergerichtliche Mediation und das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie die Qualifizierung der Mediation als unvollkommene Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 gg) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Die gerichtsnahe Mediation – „sa˛dowe skierowanie mediacji“ und die beantragte Mediation – „mediacja przez wniosek“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Die gerichtsnahe Mediation in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 bb) Die beantragte Mediation – „mediacja przez wniosek“ . . . . . . . . . . . . . 175

Inhaltsverzeichnis

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cc) Die Anordnung der Teilnahme am Informationsgespräch über die Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung und der Mediation gem. Art. 1838 § 4 ZVGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 dd) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Die Einleitung des Mediationsverfahrens gemäß Artt. 1836 f. ZVGB – „wszcze˛ cie mediacji“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 d) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 4. Die gerichtsinterne Mediation und die Güterichtermediation gemäß § 278 Abs. 5 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Das Tätigkeitsverbot des Richters als Mediator gemäß Art. 1832 § 2 ZVGB 185 aa) Der Richter als Mediator in der deutschen Zivilgerichtsbarkeit . . . . . . 187 bb) Kritik an der polnischen Begründung des Tätigkeitsverbots – Keine Kollision mit Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 cc) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Die obligatorische Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 c) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 5. Die Beendigung der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Der Abschluss der Mediation – die Abschlussvereinbarung . . . . . . . . . . . . 199 aa) Die Protokollpflicht gemäß Art. 18312 § 1 ZVGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Der Protokollant gemäß Art. 18312 § 1 ZVGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 6. Zusammenfassung der deutschen und polnischen Regelungen zu den Mediationsgrundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 IV. Die Qualitätssicherung der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Die Registrierung des Mediators durch die Eintragung in das Mediatorenverzeichnis beim polnischen Bezirksgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Der „feste“ Mediator gemäß Artt. 157a ff. pln. GVG – „stały mediator“ . . 206 b) Die Anforderungen an den festen Mediator im Zivilverfahren . . . . . . . . . . 208 c) Die Aufgaben des Präsidenten des Bezirksgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 d) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2. Die Zertifizierung des Mediators nach der ZMediatAusbV als Mittel der Qualitätssicherung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3. Die Einhaltung von Ethikstandards für Mediatoren in Polen . . . . . . . . . . . . . . 215 4. Die Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen für Mediatoren in Polen . . . . . . 217 5. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 V. Die rechtlichen Auswirkungen der Mediation auf Ansprüche der Medianden . . . 218 1. Die Beweiserhebung und -verwertung von Informationen im Zusammenhang mit dem Mediationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Der Einfluss der Mediation auf die Verjährung von Ansprüchen . . . . . . . . . . . 225 a) Die allgemeinen Verjährungsvoraussetzungen im polnischen Mediationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Der Beginn und die Unterbrechung der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

12

Inhaltsverzeichnis c) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Die Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit von Mediationsergebnissen . . . . . . . . 229 a) Das Protokoll als Anknüpfungspunkt für die Vollstreckbarkeit des Mediationsvergleichs nach Art. 18312 ZVGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 b) Die Anforderungen an den in der Mediation erzielten Vergleich . . . . . . . . . 232 c) Die Abwehrmöglichkeiten gegen die Versagung der Erteilung einer Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 d) Die Rechtskraft eines Prozessvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 e) Die Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 f) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 4. Zusammenfassung der rechtlichen Auswirkungen der Mediation auf Ansprüche der Medianden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 VI. Die ökonomische Betrachtung der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 1. Die Kosten der Mediation in Polen im Zusammenhang mit einem Gerichtsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Die Ausgangslage in Polen im Jahr 2005 vor der Mediationsreform im Jahr 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Die Gerichtskosten und die Mediationskosten seit der Mediationsreform aus dem Jahr 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2. Die Vergütung des Mediators gemäß Art. 1835 ZVGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 3. Die Förderung der Mediation durch staatliche Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Die Informationsbeschaffung für die breite Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Die staatlichen Finanzierungsprogramme zur finanziellen Förderung der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4. Die Mediationskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 VII. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

C. Zusammenfassung des Zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

Dritter Teil Die Mediation für grenzüberschreitende zivil- und handelsrechtliche Konflikte A. Die grenzüberschreitende Durchsetzbarkeit von nationalen Mediationsvergleichen

252 253

I. Die Vollstreckung des Mediationsvergleichs nach der EuVTVO . . . . . . . . . . . . . 254 II. Der Mediationsvergleich als gerichtlicher Vergleich i.S.d. Art. 2 lit. b) BrüsselIa-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 III. Der Mediationsvergleich als öffentliche Urkunde i.S.d. Art. 2 lit. c) Brüssel-IaVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

Inhaltsverzeichnis

13

IV. Der Ablauf der Vollstreckbarerklärung sowie der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . 257 V. Der Verstoß gegen den Grundsatz des ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Der offensichtliche Widerspruch, Art. 59 i.V.m. Art. 58 Abs. 1 S. 2 Brüssel IaVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Der ordre public-Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Der verfahrensrechtliche ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Der materiellrechtliche ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Der verfahrensrechtliche orde public-Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 4. Das Verbot der révision au fond . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 5. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 VI. Die Verjährungshemmung bei Beauftragung eines ausländischen Mediators – die Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Die Unabhängigkeit der Anwendung ausländischen Rechts auf die Streitigkeit von der Anwendung des Rechts auf die Mediationsvereinbarung . . . . . . . . . . 264 2. Die Anwendung ausländischen Rechts auf die in der Mediation behandelte Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 3. Das auf die Verjährungsvorschriften anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 4. Die Wirksamkeit der Verjährungshemmung bei Beauftragung eines ausländischen Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Der Tatbestand der Verjährung nach den Vorschriften des BGB im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Der Tatbestand der Verjährung nach den Vorschriften des ZGB im polnischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 5. Die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts der Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Das Tatbestandselement der Substitution und die Ersetzbarkeit der Auslandstatsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Die Gleichwertigkeit der zu substituierenden Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . 271 VII. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 B. Zusammenfassung des Dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

Vierter Teil Die Auswertung und Beantwortung der Ausgangsfrage

275

A. Die Auswertung der Ergebnisse der eingangs aufgestellten Hypothesen . . . . . . . . . . . 275 I. Schaffung von Anreizen für die Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 II. Mediation und Berufsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 III. Kosten der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 IV. Mediation und Entlastung der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 V. Mediation und Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

14

Inhaltsverzeichnis VI. Qualitätssicherung und Professionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

B. Zusammenfassung der Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Die fehlende Definition der Mediation im polnischen Mediationsrecht . . . . . . . . 278 II. Die Verankerung des Grundsatzes der Informiertheit im deutschen und polnischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Der in der Ausnahme zum Grundsatz der Vertraulichkeit der Mediation enthaltene performative Widerspruch und der logische Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 IV. Die Unanwendbarkeit von Regelungen zur obligatorischen Mediation . . . . . . . . 280 C. Die Beantwortung der Ausgangsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Abkürzungsverzeichnis ADR ADR. Arbitraz˙ i Mediacja AS-Stellen BIGFAM CRZZ Dz.U. EEJ-NET EGStVGB

Alternative Dispute Resolution ADR. Schiedsverfahren und Mediation

alternative Streitbeilegungsstellen Berliner Initiative geförderte Familienmediation Centralna Rada Zwia˛zków Zawodowych [Zentralrat der Gewerkschaften] Dziennik Ustaw [das polnische Gesetzblatt] Network for the extra-judicial settlement of consumer disputes Einführungsgesetz zum polnischen Strafverfahrensgesetzbuch (Ustawa – Przepisy wprowadzaja˛ce Kodeks poste˛ powania karnego) EU-Mediations- Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivilrichtlinie und Handelssachen v. 21. 05. 2008 FIN-NET Financial dispute resolution network FVGB Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch (Kodeks rodzinny i opiekun´czy) JVG Jugendverfahrensgesetz (Ustawa o poste˛ powaniu w sprawach nieletnich) KRP Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej [Verfassung der Republik Polen] M.P. Monitor Polski [Der polnische Monitor] MoP Monitor Prawniczy [Der Rechtsmonitor] NSZZ „SoliNiezalez˙ ny Samorza˛dny Zwia˛zek Zawodowy „Solidarnos´c´“ [Unabhändarnos´c´“ gige Selbstverwaltete Gewerkschaft „Solidarität“] PiP Pan´stwo i Prawo [Staat und Recht] pln. GVG polnisches Gerichtsverfassungsgesetz (Prawo o ustroju sa˛dów powszechnych) pln. StGB polnisches Strafgesetzbuch (Kodeks karny) pln. VwVfG polnisches Verwaltungsverfahrensgesetz (Kodeks poste˛ po-wania administracyjnego) Pos. Position (im polnischen Gesetzblatt „pozycja“ abk. mit „poz.“) PPH Przegla˛d Prawa Handlowego [Handelsrechtsblatt] PRL Polska Republika Ludowa [Volksrepublik Polen] RP Radca Prawny [Der Rechtsberater] RRa Reiserecht aktuell Sejm-Drucks. Drucksachen des Sejm der Republik Polen StVGB polnisches Strafverfahrensgesetzbuch (Kodeks poste˛ powania karnego) VgVfG polnisches Verwaltungsverfahrensgrichtsgesetz (prawo o poste˛ powaniu przed sa˛dami administracyjnymi) VRP Volksrepublik Polen, VR Polen ZGB Zivilgesetzbuch der Republik Polen (Kodeks cywilny) ZGB-DDR Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik

16 ZMediatAusbV ZPO-DDR ZVGB

Abkürzungsverzeichnis Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik Zivilverfahrensgesetzbuch der Republik Polen (Kodeks poste˛ powania cywilnego)

Einleitung Die Europäische Union hat sich „zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts […] zu erhalten und weiterzuentwickeln.“1 Zur Erreichung dieses Ziels wurde durch das Parlament und den Rat der Europäischen Union am 21. 05. 2008 die Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, kurz EU-Mediationsrichtlinie, erlassen. Aufgrund der Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie in die nationalen Rechtsordnungen der EUMitgliedstaaten, zu denen die vorliegend behandelten Länder, die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Polen, gehören, hat die Mediation im europäischen Rechtsraum an gesellschaftlicher Relevanz gewonnen und wird in der Rechtspraxis zunehmend angewendet.2 Die Mediation als alternatives Streitbeilegungsmodell zum kontradiktorischen Verfahren soll der angestrebten Weiterentwicklung des Rechts dienen, einen schnellen und kostengünstigen Zugang zum Recht garantieren sowie die Gerichte entlasten.3 Die in jüngster Zeit verstärkte Arbeit der Europäischen Union an der Förderung sogenannter Alternative-Dispute-Resolution4-Verfahren sowie die zunehmende Weiterentwicklung der Streitbeilegung im Internet durch Online-Dispute-Resolution-Verfahren5 bestätigt die Aktualität der Auseinandersetzung mit alternativen Streitbeilegungsmechanismen. Die bestbekannten Beispiele für ADR-Modelle sind neben der Mediation das Schiedsgerichts- und das Schlich-

1 Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 21. 05. 2008, ABl. Nr. L 136 v. 24. 05. 2008, S. 3, im Folgenden als EU-Mediationsrichtlinie bezeichnet. 2 Prütting, ZZP 124 (2011), S. 163. 3 Erwägungsgrund 5 der EU-Mediationsrichtlinie; Entwurf des Mediationsförderungsgesetzes v. 01. 04. 2011, BT-Drs. 17/5335, S. 11, 35 a.E.; polnischer Gesetzesentwurf v. 22. 05. 2015, Sejm-Druks Nr. 3432, S. 2, 16, 51 der Gesetzesbegründung; Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, S. 28, 36; Mahnken/Nossek, in: Ostendorf/Kluth, Internationale Wirtschaftsverträge, 2. Aufl. 2017, § 14 Rn. 41, 78; Pieckowski, Mediacje w sprawach cywilnych, S. 14; Morek, Mediacja w sprawach cywilnych, S. 3; ders., in: Gmurzyn´ska/Morek, Medjacje, 3. Aufl. 2018, S. 293; s. Sobolewski, PPH 2007, S. 34, der besagt, dass mit der Mediation große Hoffnungen bzgl. der Entlastung der Gerichte bestehen. 4 Übersetzt: Alternative Konfliktlösungsverfahren, z. B. Hehn, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 2 Rn. 37, s. dazu Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom 21. 05. 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (sog. ADR-Richtlinie), ABl. Nr. L 165 v. 18. 06. 2013, S. 63. 5 Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und Rates vom 21. 05. 2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (sog. ODR-Verordnung), ABl. Nr. L 165 v. 18. 06. 2013, S. 1.

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Einleitung

tungsverfahren.6 Die Mediation ist die tragende Säule dieser Modelle und wird zudem als ADR-Königin7 bezeichnet. In der Mediation erarbeiten die Parteien selbstständig eine eigene, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösung der Streitursache, wobei der Mediator zwischen den Parteien als neutrale Person vermittelnd tätig wird und sie durch geeignete Methoden bei der Lösungsfindung unterstützt.8 Während das Schiedsgericht gemäß seiner eigenen Verfahrensordnung9 einen Schiedsspruch ähnlich der Entscheidung eines Zivilgerichts erlässt und dem Schlichter während der Schlichtungssitzungen ebenfalls gewichtige Befugnisse eingeräumt werden,10 finden in der Mediation allein die Parteien einvernehmlich und selbstbestimmt eine Lösung für den entstandenen Konflikt. Die Kommunikation bleibt darüber hinaus „elastischer“11. Auf diese Weise wird den Parteien schneller Zugang zum Recht zu gewährt, ohne das Risiko, Rechte zu verlieren.12 Auch erhält der Mediator die Waffengleichheit der Parteien wie eine „Justitia ohne Schwert“13 und damit ohne richterliche Entscheidungsbefugnisse aufrecht. Durch diese Vorteile gegenüber kontradiktorischen Verfahren erlebt die Mediation derzeit eine Wiederentdeckung in der deutschen und polnischen Jurisprudenz.14 Trotz der vielen Einsatzmöglichkeiten und der Flexibilität stößt die Mediation in Deutschland und Polen an ihre rechtlichen und praktischen Grenzen. In Polen existierte vor dem Erlass der EU-Mediationsrichtlinie eine gesetzliche Regelung der Mediation in Zivil- und Handelssachen, sie wurde dennoch nicht im gleichen Umfang wie in Deutschland praktiziert. Dagegen fand in Deutschland im Rahmen diverser Pilotprojekte bereits eine gelebte Mediationspraxis ohne ein Mediationsgesetz statt. Daher kann die Mediation in Polen in der Zeit vor der erlassenen EU-Mediationsrichtlinie als „Gesetz ohne Praxis“ bezeichnet werden, während die 6 Für Schiedsverfahren als ADR-Verfahren Budniak-Rogala, Charakter prawny zapisu na sa˛d polubowny w poste˛ powaniu cywilnym, Breslau 2015, S. 90; A.A. Mahnken/Nossek, in: Ostendorf/Kluth, Internationale Wirtschaftsverträge, 2. Aufl. 2017, § 14 Rn. 16 a.E., die die Schiedsgerichtsbarkeit nicht als ADR-Verfahren ansehen; zur unterschiedlichen Einordnung von ADR-Verfahren in Polen Skibin´ska ADR 2016, Nr. 1, S. 71 ff. 7 Morek, in: Gmurzyn´ska/Morek, Medjacje, 3. Aufl. 2018, S. 27 a.E. 8 Mahnken/Nossek, in: Ostendorf/Kluth Internationale Wirtschaftsverträge, 2. Aufl. 2017, § 14 Rn. 14, 40; Skrzypczak, MoP 2004, S. 196 (198); Zielin´ski, Poste˛ powanie cywilne, § 23, S. 133. 9 Das Schiedsverfahren richtet sich nach §§ 1025 ff. der geltenden deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) sowie nach Art. 1154 ff. des geltenden polnischen Zivilverfahrensgesetzbuchs (ZVGB). 10 Haaß, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 7 Rn. 47. 11 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Vorbem. Art. 1831 ZVGB Rn. 2. 12 Mahnken/Nossek, in: Ostendorf/Kluth Internationale Wirtschaftsverträge, 2. Aufl. 2017, § 14 Rn. 3: einfacher Weg zum vollstreckungsfähigen Titel. 13 Leutheusser-Schnarrenberger in der Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz v. 12. 01. 2011, abrufbar unter http://www.fernuni-hagen.de/ls_schlieffen/mediation/aktuelles. shtml#akt_10, Stand: 06. 11. 2018. 14 Morek, Mediacja w sprawach cywilnych, S. 3; Herzog, S. 36 f.; Prütting, ZZP 124 (2011), S. 163.

Einleitung

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Mediation in Deutschland umgekehrt als „Praxis ohne Gesetz“ verstanden werden kann. Um den genannten Nutzen der Mediation zu ermöglichen, müssen die nationalen Gesetzgeber die bereits bestehenden Systeme berücksichtigen und mit der EUMediationsrichtlinie in Einklang bringen. Ob und inwieweit das diesbezügliche Engagement der EU über zehn Jahre nach Erlass der Richtlinie in Deutschland und Polen Erfolg gezeigt hat, gilt es zu untersuchen.

I. Der Ausgangspunkt der Untersuchung Nach der Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie durch den deutschen Gesetzgeber mit dem Mediationsförderungsgesetz vom 21. 07. 201215 verzeichnen die ersten statistischen Auswertungen zur Bekanntheit sowie zur Anwendung der Mediation in der Praxis trotz der genannten Vorzüge der Mediation eine ernüchternd magere Bilanz.16 Auch in Polen erfreut sich die Mediation nach der frühen Umsetzung des Entwurfs der EU-Mediationsrichtlinie17 keiner besonderen Beliebtheit.18 Die Mediation ist somit in Deutschland und Polen noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Während die Bereitschaft in Deutschland hoch ist, alternative Verfahren wie die Mediation auf außergerichtlichem Wege zu erproben, bleibt die Mediation in den meisten Streitigkeiten dennoch aus.19 Gmurzyn´ska führt hierzu als Begründung auf, dass die deutsche Gerichtsbarkeit großes Vertrauen sowie eine hohe Autorität bei den Bürgern genießt, sodass die Bürger aufgrund der hohen Effektivität und Professionalität der Gerichte den bereits bewährten Prozess neuen alternativen Methoden vorziehen.20 Auf polnischer Seite wird angeführt, dass die Bürger nicht genug Vertrauen haben, eine Mediation durchzuführen und mithin das 15 BGBl. I, S. 1577, zul. geändert durch Art. 135 der Verordnung v. 31. 08. 2015, BGBl. I, S. 1474 (1496). 16 Statistik des Soldaninstituts aus dem Jahr 2015, kommentiert von Kilian/Hoffmann, ZKM 2015, S. 167 (178). 17 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 22. 10. 2004 KOM (2004) 718 endg. – COD 2004/0251. 18 Niedz´wiedzka spricht über die Mediation in Polen als „Nischenthema mit hohem Wachstumspotenzial“, in: Hopt/Steffek, Mediation 2008, S. 787 (803); das Wachstumspotenzial belegen auch Statistiken zur gerichtsnahen Mediation in Zivilsachen und für vollstreckbar erklärte Mediationsvergleiche im Zeitraum von 2006 bis 2017, herausgegeben durch Informator Statystyczny Wymiaru Sprawiedliwos´ci (Statistisches Amt des polnischen Justizministeriums), abrufbar unter https://isws.ms.gov.pl/pl/baza-statystyczna/opracowania-wielolet nie/, Stand: 06. 11. 2018. 19 Mahnken/Nossek, in: Ostendorf/Kluth, Internationale Wirtschaftsverträge, 2. Aufl. 2017, § 14 Rn. 4 a.E.; Zenk S. 223, 177 Rn. 749; vgl. Kilian/Hoffmann, ZKM 2015, S. 167 (177). 20 Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 314.

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staatliche Gerichtsverfahren alternativen Streitbeilegungsmethoden vorziehen.21 Als einen wesentlichen Aspekt für die geringe Teilnahmebereitschaft wird zudem angeführt, dass sowohl in Deutschland als auch in Polen der Bürger keine staatliche Kostenhilfe für die außergerichtliche Mediation erhalte, wohingegen ihm für ein Klageverfahren in derselben Streitigkeit die Prozesskostenhilfe zugesprochen werden könne.22 Hierzu hat Polen jedoch bereits neue Vorkehrungen getroffen, um den finanziellen Nachteil gegenüber dem Gerichtsverfahren zumindest teilweise auszugleichen. Auch der Begriff „Mediator“ ist bis heute keine rechtlich geschützte Berufsbezeichnung.23 Dies stellt ein mögliches Einfallstor für mangelhafte Mediationsdienstleistungen dar. Dieser Kritik hat sich der polnische Gesetzgeber gestellt und hat am 10. 09. 2015 eine entsprechende Gesetzesnovelle, man könnte, ebenfalls wie in Deutschland, von einem Mediationsförderungsgesetz sprechen, erlassen, welche am 01. 01. 2016 in Kraft getreten ist.24 Die Novelle hat neue und ergänzende Regelungen auf dem Gebiet des Mediationsrechts, des Zivilverfahrensrechts, des Rechts über die Gerichtskosten, des Rechts über die Mediationskosten, des Gerichtsverfassungsrechts und des Steuerrechts geschaffen.25 Gesetze können, wenn sie in ihrer Wirksamkeit und Anwendbarkeit zur Lösung der angeführten Probleme beitragen, die Mediation als gleichwertiges Alternativmodell zur klassischen Klage etablieren und die Bevölkerung von der Nutzung dieser Form der Streitbeilegung neben anderen ADR-Verfahren überzeugen. Bisher hat das deutsche Mediationsförderungsgesetz seinen Zweck, nämlich die eigentliche Förderung der Mediation, jedoch weitestgehend verfehlt.26 Durch die Übernahme von neuen und geeigneteren Methoden in die deutsche Rechtsordnung, die das polnische Mediationsrecht anhand der rechtlichen Neuausrichtung aus dem Jahr 2016 bietet, kann indes der rechtliche Status quo der Mediation in Deutschland verbessert werden. Dies gilt ebenfalls vice versa für das polnische Mediationsrecht, das in der Gesetzesnovelle durch bestimmte Aspekte deutschen Rechts inspiriert wurde.27

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Franek, in: Polens Rechtsstaat am Vorabend des EU-Beitritts (Hrsg.; Classen/Heiss/ Supron´-Heidel), S. 131 (148); Morek/Rozdeiczer, in: Hopt/Steffek, Mediation 2013, S. 775 (802). 22 Morek/Rozdeiczer, in: Hopt/Steffek, Mediation 2013, S. 775 (804). 23 Morek, in: Gmurzyn´ska/Morek, Medjacje, 3. Aufl. 2018, S. 299; Niedz´wiedzka, in: Hopt/ Steffek, Mediation 2008, S. 787 (800). 24 Ustawa o zmianie niektórych ustaw w zwia˛zku ze wspieraniem polubownych metod rozwia˛zywania sporów [Gesetz zur Änderung bestimmter Gesetze im Zusammenhang mit der Förderung gütlicher Streitbeilegungsmethoden], Dz.U. v. 10. 09. 2015, Pos. 1595. 25 S. dazu insbes. Art. 1 bis 8 der Gesetzesnovelle, Dz.U. v. 10. 09. 2015, Pos. 1595; Begründung des Gesetzesentwurfs Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 4 f. 26 Kilian/Hoffmann, ZKM 2015, S. 167. 27 § 253 Abs. 3 ZPO war für das Einfügen der Nummer 3 in den Art. 187 § 1 pln. ZVGB maßgeblich, Begründung des Gesetzesentwurfs Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 26; zur Gesetzesnovelle Jankowski, MoP 2016, S. 11 (20 f.); Włos´nicka, MoP 2016, S. 1102 f.

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Auf der einen Seite ist eine umfassende rechtliche Ausgestaltung der Mediation und ihrer Folgen eine wichtige Voraussetzung für die Nutzung dieser Streitbeilegungsmethode durch die deutschen und polnischen Bürger und Unternehmen.28 Eine mangelnde rechtliche Absicherung führt insoweit zum Scheitern der Mediation, als sie durch Folgeverfahren weder schnell noch wirtschaftlich sinnvoll wäre und die Gerichte statt ent- vielmehr belastet. Insgesamt müssen alle sensiblen Bereiche des Mediationsverfahrens durch das gesetzte Recht effektiv geschützt sein, um auf potenzielle Teilnehmer attraktiv zu wirken, sodass diese das Potential der Mediation erkennen und die Mediation verstärkt zur Lösung eigener zivil- oder handelsrechtlicher Konflikte nutzen. Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass die Mediation gerade von der elastischen Ausgestaltung und der individuellen Anpassung an die Bedürfnisse der Parteien lebt.29 Dies bedeutet: Zu viele rechtliche Hürden und Vorgaben widersprechen dem Leitbild der Mediation als freiwilliges Verfahren30 und können den Mediator handlungsunfähig machen, wenn er dadurch seine geeigneten Methoden zur Durchführung der Mediation nicht mehr anwenden kann. Aufgrund des Umstandes, dass die deutschen und polnischen Mediationsmodelle gegenwärtig mithin noch nicht in erwünschter Weise zur Förderung und Verbreitung der Mediation beitragen, geht die Doktorarbeit der Fragestellung nach: Wie viel Recht verträgt die Mediation? – Durch welche rechtliche Ausgestaltung können es die Länder Deutschland und Polen ermöglichen, die Mediation dauerhaft als alternative Form konsensualer Streitbeilegung zum Klageverfahren zu etablieren?

Zur Beantwortung der Fragestellung werden im Rahmen der Arbeit ausgewählte Themenbereiche, insbesondere rechtsvergleichend, umfassend ausgewertet und vor dem Hintergrund der umgesetzten EU-Mediationsrichtlinie in Deutschland und Polen in den Kontext eines europäischen Mediationsverständnisses gebracht.

II. Die Herangehensweise und Rechtsvergleichung Die Untersuchung der Fragestellung erfolgt durch die Methode der Rechtsvergleichung. 1. Die Wahl der Rechtsvergleichung Um für aktuelle Schwachstellen des deutschen Mediationsrechts angemessene Regelungskonzepte zu finden, ist die Methodik des Rechtsvergleichs besonders gut geeignet. Denn das oberste Ziel einer Rechtsvergleichung ist eine über die reine 28 29 30

Art. 1 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie. Nach Morek, in: Gmurzyn´ska/Morek, Medjacje, 3. Aufl. 2018, S. 292. § 1 Abs. 1 MediatG; Art. 1831 § 1 ZVGB.

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Gesetzesdeskription hinausgehende Schaffung eines internationalen Dialogs über bestehende Ähnlichkeiten, Unterschiede sowie Lösungsansätze auf einem Rechtsgebiet.31 Die betriebene Ursachenforschung bietet idealerweise eine Auswertung von Gründen für festgestellte Probleme.32 Der Vorteil eines Rechtsvergleichs liegt mithin in der Fortentwicklung des Rechts durch neu eingesetzte Modelle gegen bestehende gesellschaftliche Probleme.33 Die Erforschung und Fortentwicklung solcher Modelle für das deutsche sowie polnische Mediationsrecht ist somit der Schwerpunkt der Arbeit. Hinzuzufügen ist jedoch, dass auf einen Länderbericht, der das deutsche Mediationsrecht voranstellt und eingehend untersucht, verzichtet wurde. Ziel der Arbeit ist vielmehr die Weiterentwicklung des deutschen Mediationsrechts und die deutschsprachige Ostrechtsforschung.34 Einen Überblick über das gesamte polnische Mediationsrecht im Vergleich zum deutschen (Makrovergleich) wurde nach derzeitigem Stand in der Literatur weder im Rahmen einer Doktorarbeit noch im Rahmen einer gleichwertigen Monografie behandelt. Um den Makrovergleich umfassend darzustellen, befasst sich die vorliegende Arbeit mit der Rechtsschaffung sowie der Rechtsprechung und der Rechtsdurchsetzung der Mediation und veranschaulicht diese Ebenen an konkreten Fallbeispielen. Sowohl der gesetzliche Rahmen in Polen als auch die praktischen Auswirkungen im Mediationsalltag werden hierbei mit der deutschen Rechtsposition verglichen. Auf diesem Wege werden die Vor- und Nachteile der jeweiligen Rechtsordnung am sichtbarsten gegenübergestellt. Die Arbeit dient mithin der Erforschung der Effektivität von deutschen und polnischen Regelungen des Mediationsrechts. Aus den gewonnenen Erkenntnissen werden schwache Modelle der einen Rechtsordnung durch die geeigneteren Modelle der jeweils anderen Rechtsordnung ersetzt.35 Um die Mediation in naher Zukunft effektiver fördern zu können, werden die Lösungsansätze der deutschen bzw. der polnischen Rechtsordnung hinterfragt und der Denkhorizont um die polnische bzw. deutsche Betrachtungsweise somit erweitert. 2. Die Besonderheit der historischen Einflüsse auf die Rechtsordnungen Dadurch, dass jedes Rechtssystem eines Staates einen selbstständigen Mikrokosmos von insbesondere historischen, politischen und wirtschaftlichen Faktoren 31

Zweigert/Kötz, S. 3. Müller-Chen/Müller/Widmer Lüchinger, Comparative Private Law, Rn. 5. 33 Haase, JA 2005, S. 232 (233). 34 Deren Relevanz durch das Kieler Institut für Osteuropäisches Recht spürbar ist, Geistlinger, in: 50 Jahre Institut für Osteuropäisches Recht (Trunk, Alexander/Hoffmann, Thomas), S. 41 (50). 35 Haase, JA 2005, S. 232 (233). 32

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darstellt, müssen diese Aspekte in der Arbeit mitberücksichtigt werden.36 Eine Schwierigkeit stellt insoweit die Geschichte Polens dar, als das Land über einen Zeitraum von ca. 45 Jahren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einem sozialistischen Rechtskreis angehörte und im Wesentlichen mit dem Unrechtsstaat der ehemaligen DDR vergleichbar ist.37 In ihrer Entwicklung zum Mitgliedstaat der Europäischen Union durchlebte die Republik Polen in der Rechtsstruktur gleich zwei Transformationsprozesse innerhalb kürzester Zeit: von der totalitären und kommunistischen in die freie und demokratische Rechtsordnung zum einen und einige Jahre später von einer postkommunistischen in eine EU-rechtskonforme eines wiedervereinten Europas zum anderen.38 Die rasant verlaufenden Reformen bergen trotz aller Bemühungen immer noch rechtliche Lücken, die zu Folgeproblemen führen können.39 Daher gibt es vereinzelt ungenaue und missverständliche Gesetzesregelungen, die trotz Vereinheitlichung durch den EU-Beitritt noch heute in der Rechtsordnung existieren, aber nicht mit der modernen Republik Polen in Einklang gebracht werden können.40 Im Falle, dass sich innerhalb der Arbeit eine solche Diskrepanz zusätzlich abzeichnet, ist diese entsprechend durch eine europarechtskonforme Auslegung zu lösen. Nicht nur die geschichtliche Entstehung der polnischen Rechtsordnung unterscheidet sich von der deutschen, sondern auch das Verhalten der Bürger. Die rasante Entwicklung Polens zum EU-Staat missfällt einem großen Teil der Bevölkerung, was sich deutlich in den letzten Präsidentschaftswahlen in Polen abzeichnete.41 Demzufolge wird die aktuelle politische Lage des Landes in dieser Arbeit mitberücksichtigt. Das polnische Recht hat – wie das deutsche – seine Wurzeln im römischen Recht, teilweise ist das polnische Recht an die deutsche Gesetzessystematik angelehnt.42 Die rechtsprechende Gewalt besitzt zudem einen dem deutschen ähnelnden Instanzenzug.43 Einen Unterschied stellen die juristischen Berufe der beiden Länder dar. In Polen werden neben Anwälten und Richtern auch sog. Rechtsberater („radca prawny“) und Ombudsmänner eingesetzt.44 36 Müller-Chen/Müller/Widmer Lüchinger, Comparative Private Law, Rn. 7; Zweigert/ Kötz, S. 10. 37 Zur politischen Situation Polens, die durch kontroverse Gesetzesreformen innerhalb der EU für Missbilligung sorgt Bucholc/Komornik, Osteuropa 2016, S. 79 ff. 38 Kischel, Rechtsvergleichung, § 7 Rn. 35, 38. 39 Czaplin´ski, in: The Polish Yearbook of International Law 25 (2001), 45 (54); Kischel, Rechtsvergleichung, § 7 Rn. 39; vgl. für die Reform des Richterberufs und zugleich die Forderung der Reform aller anderen juristischen Berufe zwecks Vereinheitlichung Zoll, Die Stellung des Richters in Polen, S. 67 (80). 40 Franek, in: Polens Rechtsstaat am Vorabend des EU-Beitritts, S. 131 (142, 151); anders Liebscher/Zoll, § 5 Rn. 1, 7, 12. 41 Bucholc/Komornik, Osteuropa 2016, S. 79 (88 f.). 42 Das „Vor-die-Klammer-ziehen“ des Allgemeinen Teils: Liebscher/Zoll, § 5 Rn. 8, 13; vgl. Kischel, Rechtsvergleichung, § 7 Rn. 73. 43 Liebscher/Zoll, § 17 Rn. 4, 6. 44 Liebscher/Zoll, 1. Teil Rn. 9.

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Dies erweitert das Berufsfeld des Mediators in der polnischen Mediationslandschaft. Da die EU-Vorgaben der Mediationsrichtlinie für Deutschland und Polen zudem einheitlich sind, besteht trotz der historischen und strukturellen Unterschiede keine Gefahr, zwei unvergleichbare Systeme gegenüber zu stellen. 3. Die Europäisierung des Mediationsrechts Voraussetzung für die Untersuchung der Ausgangsfrage ist zunächst eine kursorische Darstellung der Entwicklung des europäischen Mediationsrechts. Dadurch, dass die polnische Regierung den Mediationsentwurf als Vorbereitung für den EUBeitritt bereits im Jahr 2005 in das Zivilverfahrensgesetzbuch implementiert hat, ist auf den Richtlinienentwurf und den Grund der frühen Umsetzung gesondert einzugehen. Im Vergleich dazu ist die gesetzliche Regelung des deutschen Mediationsrechts nach Inkrafttreten der eigentlichen EU-Mediationsrichtlinie erst im Jahr 2012, ein Jahr nach Ablauf der Umsetzungsfrist, entstanden.45 Die Bestimmungen der Mediationsrichtlinie sollten primär nur für grenzüberschreitende zivil- und handelsrechtliche Konflikte der EU-Länder gelten.46 Den Mitgliedstaaten stand dennoch frei, die Richtlinienvorgaben auch auf die innerstaatliche Mediation zu übertragen.47 Sowohl Deutschland als auch Polen haben von dieser überschießenden Richtlinienumsetzung – wenn auch auf unterschiedliche Weise – Gebrauch gemacht.48 Bei eingehender Betrachtung der EU-Mediationsrichtlinie wird deutlich, dass sie keine konkrete Form des Mediationsverfahrens vorgibt. Sie enthält vielmehr rudimentäre Rahmenbedingungen zur Förderung der Mediation sowie grundsätzliche Begriffsklärungen.49 Es ist daher zu bedenken, dass diese Gestaltungsfreiheit in Deutschland und Polen zu unterschiedlichen rechtlichen Nuancen in den Mediationsgesetzen führen kann. 45 Die Verzögerung war auf den Streit zurückzuführen, ob das Güterichtermodell parallel zur Mediation in das Mediationsförderungsgesetz aufgenommen werden sollte, da es an einigen deutschen Gerichten als Pilotprojekt zu dem Zeitpunkt bereits erfolgreich praktiziert wurde, Beschlussempfehlung und Bericht des 6. Rechtsausschusses v. 01. 12. 2011, BT-Drs 17/8058, S. 1, 16. 46 Erwägungsgrund 8 Hs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie. 47 Erwägungsgrund 8 Hs. 2 der EU-Mediationsrichtlinie. 48 „Fast alle Mitgliedstaaten haben den Anwendungsbereich ihrer Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie über grenzüberschreitende Fälle hinaus auf nationale Fälle ausgeweitet“: Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss v. 26. 8. 2016 über die Anwendung der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivilund Handelssachen, COM (2016) 542 final, S. 5. 49 Z. B. Begriffsbestimmungen nach Art. 3 der EU-Mediationsrichtlinie sowie die sogenannten drei großen „V“, Vollstreckbarkeit nach Art. 6, Vertraulichkeit nach Art. 7 und Verjährung nach Art. 8, Schekahn, JR 2013, S. 53 ff.

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4. Der Gang der Untersuchung Die Untersuchung der Fragestellung, wie viel Recht die Mediation vertrage, wird in drei Themenbereiche gegliedert, die den Kern der Untersuchung darstellen. Es handelt sich zunächst um die Auseinandersetzung mit der EU-Mediationsrichtlinie (erster Teil). Dieser folgt der Makrovergleich zwischen dem deutschen und dem polnischen Mediationsrecht anhand eines Länderberichts (zweiter Teil). Des Weiteren wird überprüft, ob die deutschen und polnischen Mediationsvorschriften zur Durchsetzung von Ansprüchen aus einer grenzüberschreitenden Streitigkeit geignet sind (dritter Teil). Als Abschluss der vorliegenden Arbeit erfolgt eine Auswertung des Makrovergleichs (vierter Teil). In diesem Zusammenhang wird dargelegt, welchen Inhalt die Reformen der einzelnen Gesetzesnormen zum Gegenstand haben müssen, um die Mediation effektiv zu fördern. Es wird ebenfalls eine Empfehlung abgegeben, welche derzeitigen Regelungen nicht im Einklang mit den Grundsätzen der Mediation stehen und aufgegeben werden sollten. Dabei wird jeweils herausgearbeitet, inwiefern entweder Deutschland oder Polen eine zielgenauere Lösungsmethode durch seine Rechtsordnung bietet und wie diese Methode auf das jeweilige Land mit schwacher rechtlicher Regelung übertragbar sein kann. Abgeschlossen wird die vorliegende Arbeit mit der Beantwortung der Ausgangsfrage, wie viel Recht die Mediation verträgt.

III. Die aufgestellten Hypothesen Die Untersuchung leistet einen Beitrag zur Verbesserung des Mediationsrechts in Deutschland und Polen und bietet Lösungsansätze für die folgenden aktuellen Problemstellungen: 1. Schaffung von Anreizen für die Mediation Es wird erläutert, welche Anreize die Länder für die Mediation bereits schaffen und künftig schaffen müssen. Es wird geprüft, welche Anreize realistischer Weise von den Ländern geschaffen werden können, ohne den Staatshaushalt dauerhafter, übermäßiger Belastung auszusetzen. 2. Mediation und Berufsbild Die Mediation wird durch Angehörige juristischer und nichtjuristischer Berufe ausgeübt. In Polen gibt es insoweit eine Ausnahme, als ein Richter nicht als Mediator tätig werden darf. Dieses spezielle Tätigkeitsverbot bietet Anlass, zu überprüfen, ob und weshab ein Richteramt mit dem Beruf des Mediators unvereinbar ist.

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3. Kosten der Mediation Die Kosten der Mediation können sowohl durch die Streitparteien, durch den Staat sowie durch gemeinnützige Einrichtungen finanziell gefördert werden. Es wird untersucht, ob die Länder effektive finanzielle Anreize geschaffen haben und welche Aspekte zu beachten sind, damit die Mediation zur Kosteneinsparung geeignet ist. 4. Mediation und Entlastung der Gerichte Ein Argument für die Mediation als alternatives Instrument gegenüber dem Gerichtsverfahren ist die dauerhafte Entlastung der Gerichte. Zu untersuchen ist hierbei, ob die Mediation in Deutschland und Polen derart ausgestaltet wurde, dass die Gerichte dadurch effektiv entlastet werden können. 5. Mediation und Rechtsdurchsetzung Die Mediationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten eine wirksame gesetzliche Ausgestaltung der Durchsetzbarkeit der Ansprüche. Durch die Mediation muss der Lauf der Verjährungsfristen gehemmt werden, damit die Ansprüche im Falle eines gescheiterten Mediationsverfahrens einklagbar bleiben. Ob die Ansprüche der Mediationsteilnehmer nach derzeitigem Stand sowohl innerstaatlich als auch grenzüberschreitend sicher und durchsetzbar sind, ist anhand des Rechtsvergleiches zwischen dem deutschen und polnischen Recht zu erläutern. 6. Qualitätssicherung und Professionalität Damit die Mediatoren über Rechte und Pflichten innerhalb eines Mediationsverfahrens fehlerfrei informieren und den Streitparteien durch geeignete Methoden zur Lösung verhelfen können, ist die Qualität der Mediationsausbildung, innerhalb welcher das notwendige Fachwissen vermittelt wird, ein wichtiger Aspekt. Es wird im Rahmen der Untersuchung geprüft, welche Qualitätsstandards die Ausbildung in Deutschland und Polen bietet.

Erster Teil

Die Grundlagen der Mediation in der Europäischen Union Eine effektive Rechtsdurchsetzung und Rechtsprechung innerhalb der EU, insbesondere im Hinblick auf grenzüberschreitende Streitigkeiten, ist eines der Kernelemente der Europäischen Union. Ein Teil der EU-Politik beschäftigt sich daher seit der Jahrhundertwende mit dem verbesserten Zugang zum Recht mithilfe außergerichtlicher Streitbeilegungsformen.1 Auf dieser Basis wurden unterschiedliche Diskussionsrunden, wie z. B. die Tagung in Tampere, sowie andere Rahmenbedingungen2 entwickelt, um zuletzt die Mediation mithilfe einer Richtlinie in den Mitgliedstaaten zu fördern.

A. Die Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 21. 05. 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen Die Richtlinie ist neben der Verordnung ein allgemeingültiger Rechtsakt und damit das wichtigste Handlungsinstrument der Europäischen Union. Weshalb sich die Europäische Union des Rechtsakts der Richtlinie, nämlich der Richtlinie 2008/ 52/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 21. 05. 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, kurz EU-Mediationsrichtlinie, bedient hat, wird nicht ausdrücklich erörtert. Gem. Art. 288 S. 3 AEUV3 überlässt die Richtlinie den EU-Mitgliedstaaten die Wahl der Umsetzungsform sowie des -mittels. Eine Verordnung ist dagegen inhaltlich verbindlich. Sie hat gem. Art. 288 S. 2 AUEV allgemeine Geltung und gilt unmittelbar, d. h. ohne Umsetzung, in den EU-Mitgliedstaaten. Eine Verordnung trifft im Gegensatz zur Richtlinie bereits die Wahl der Form und des Mittels für das zu erreichende Ziel. Eine Verordnung hätte somit zur Folge, dass – würde die Europäische Union eine bestimmte Mediationsregelung treffen – die mitgliedstaatlichen Mediationsgesetze und sonstige Rege1

Morek, ADR 2008, 93 f.; Wendenburg, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 58 Rn. 7. 2 S. z.B. der Europäische Verhaltenskodex für Mediatoren, Erster Teil, B.I.2. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, konsolidierte Fassung, ABl. Nr. C 202 v. 07. 06. 2016, S. 1.

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1. Teil: Grundlagen der Mediation in der Europäischen Union

lungen obsolet würden, sofern diese inhaltlich von der Verordnung abweichen. Sofern eine mögliche Verordnung die rein außergerichtliche Mediation zuließe, wäre zum Beispiel die Mediation durch den Güterichter in Deutschland zurückgedrängt worden, obwohl diese auf dem besten Wege war, sich im Gefüge der Gerichtsbarkeit zu etablieren.4 Dies stünde dem Ziel der Arbeit der Europäischen Union, nämlich der Förderung von konsensualen Streitbeilegungsmethoden als Alternative zum Gerichtsverfahren, entgegen. Die Regelungen zu alternativen Streitbeilegungsmethoden hätten des Weiteren bereits in der Brüssel I-Verordnung5 aus dem Jahr 2000 Eingang finden können. Die Verordnung vereinheitlichte erstmals und weitestgehend die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen innerhalb der Europäischen Union. Doch weder damals noch heute sind ADR-Verfahren in das internationale Zivilverfahrensrecht der EU-Mitgliedstaaten eingebunden. Zum damaligen Zeitpunkt wurde die Mediation nicht als notwendiges und gleichwertiges Instrument des Zugangs zum Recht angesehen. Vielmehr haben der Rat und die Kommission in der gemeinsamen Stellungnahme zur Einführung der Brüssel I-Verordnung gesagt, alternative Streitbeilegungsmethoden stellten eine „nützliche Ergänzung“ dar, daher solle weiterhin an der Entwicklung solcher Verfahren auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechts auf Gemeinschaftsebene gearbeitet werden.6 Insbesondere wurde der Vorschlag des Parlaments bezüglich Art. 55a7 zur Brüssel I-Verordnung, wonach ein Vergleich, „der gemäß einem von der Kommission gebilligten alternativen Streitschlichtungssystem erzielt worden ist, unter den gleichen Bedingungen wie öffentliche Urkunden vollstreckbar“ sein soll, nicht angenommen. Hierzu äußerte sich die Kommission folgendermaßen: „Die Kommission kann diese Gleichstellung nicht akzeptieren, die völlig im Widerspruch zum Geist der Verordnung steht. Ein im Rahmen einer außergerichtlichen Streitschlichtung erzielter Vergleich ist wohl kaum von einer Person festgestellt worden, die mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet ist. Ein Vergleich kann daher keinesfalls einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde gleichgestellt werden.“8

4 Vgl. in Bezug auf die Attraktivität der Mediation durch den Güterichter Greger, AnwBl 2008, 570 f. 5 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. Nr. L. 12 v. 16. 01. 2001, S. 1. 6 Gemeinsame Erklärungen des Rates und der Kommission zur Brüssel I-Verordnung – Erklärung zu den Artikeln 15 und 73 abgedruckt in IPrax 2001, 259 (261). 7 Abänderung des Parlaments Nr. 14 zum Sitzungsprotokoll v. 21. 09. 2000 zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (KOM(1999) 348 – C5 – 0169/ 1999 – 1999/0154(CNS)), ABl. Nr. C 146 v. 17. 05. 2001, S. 94 (100). 8 Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. Nr. C 62 E v. 27. 02. 2001, S. 243.

A. Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments u. Rates v. 21. 05. 2008

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Insgesamt ist festzuhalten, dass sich der Rechtsakt der Richtlinie besser für die individuelle Förderung unterschiedlicher Mediationsformen in den Mitgliedstaaten als der Rechtsakt der Verordnung eignet. Darüber hinaus fehlte es zum Zeitpunkt der EU-Mediationsrichtlinie an standardisierten Verfahren und etablierten Institutionen für die Mediation, sodass von internationalen zivilverfahrensrechtlichen Regelungen, die insbesondere Mediationsvergleiche betreffen, im Rahmen der Brüssel IVerordnung abgesehen werden musste.

I. Die Grundlagen und Strukturen der Richtlinie Die EU-Mediationsrichtlinie wurde am 21. 05. 2008 erlassen und hat gem. Erwägungsgrund 2 und Art. 1 Abs. 1 die Verbesserung des Zugangs zum Recht als Ziel. Zudem soll gem. Erwägungsgrund 5 der EU-Mediationsrichtlinie die Schaffung der Möglichkeit, Streitigkeiten mittels Mediation zu lösen, dazu führen, dass der Binnenmarkt reibungsloser funktionieren kann. Die Richtlinie drückt aber auch eindeutig aus, dass die festgeschriebenen Leitgedanken für grenzüberschreitende Fälle gelten. Es ist also Sache der Mitgliedstaaten, ob sie die Regelungen derart treffen, dass sie richtlinienüberschießend auch auf nationaler Ebene gegenüber den Bürgern gelten, Erwägungsgrund 8 Hs. 2, Art. 1, Art. 2 der EU-Mediationsrichtlinie. Von den Mitgliedstaaten wird erwartet, dass sie die Mediationsdienste fördern und Bürgern einen Zugang zur Information hinsichtlich der Mediation schaffen, Erwägungsgrund 13 und 25, Artt. 1, 5, 9, 10 der EU-Mediationsrichtlinie. Insbesondere wird die Informationsbeschaffung und Kontaktaufnahme mit Mediatoren über das Internet gem. Art. 9 der EU-Mediationsrichtlinie nahegelegt. Es muss zudem hinreichend klar sein, dass zwingendes Recht, etwa in Arbeitsund Familiensachen, nicht durch die Mediation umgangen wird, Erwägungsgrund 10 bis 12 der EU-Mediationsrichtlinie. Weiterhin definiert die EU-Mediationsrichtlinie den Begriff „Mediator“ und „Mediation“ in Art. 3. Danach ist die Mediation ein „strukturiertes Verfahren“, in welchem mehrere Parteien „mit Hilfe eines Mediators auf freiwilliger Basis selbst versuchen, eine Vereinbarung über die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu erzielen“. Der Mediator ist eine „dritte Person“, die das Mediationsverfahren „auf wirksame, unparteiische und sachkundige Weise durchführt“. Insoweit sind die Richtlinienvorgaben sehr weit ausgestaltet und lassen einen großen Gestaltungsspielraum zu. Unabhängig von den Vorgaben, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, soll die Effektivität der Umsetzung der Richtlinie geprüft werden. Diese Prüfung soll sich in einem EU-internen Evaluationsbericht gem. Art. 11 der EU-Mediationsrichtlinie niederschlagen. Schließlich wurde nach Art. 12 der EU-Mediationsrichtlinie die Frist zur Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie auf den 21. 05. 2011 anberaumt. Die Richtlinie trat am 13. 06. 2008 nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 24. 05. 2008 in Kraft, s. Art. 13 der EU-Mediationsrichtlinie.

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1. Teil: Grundlagen der Mediation in der Europäischen Union

1. Äußere Rahmenbedingungen Die EU-Mediationsrichtlinie setzt Rahmenbedingungen, die nicht auf die innere Struktur der Mediation abzielen und damit auf die eigentliche Durchführung eines Mediationsverfahrens gerichtet sind (äußere Rahmenbedingungen). Dieser Umstand hängt damit zusammen, dass die EU-Mediationsrichtlinie nicht nur Regelungen zur Mediation selbst trifft, sondern die Mediation in den Mitgliedstaaten fördern soll. Die Mediation soll nämlich neben den anderen Streitbeilegungsmethoden, einschließlich des Gerichtsprozesses, gleichrangig behandelt werden und eine „echte“ Alternative darstellen. Daher soll die Mediation beispielsweise laut Erwägungsgrund 6 der EUMediationsrichtlinie kostengünstig und schnell sein. Gleichzeitig soll die Mediation individuell an die Bedürfnisse der Mediationsteilnehmer anpassbar sein, Erwägungsgrund 6, 17 der EU-Mediationsrichtlinie. Zudem muss gewährleistet sein, dass eine vor dem Mediator getroffene Einigung national und länderübergreifend durchsetzbar bleibt, Erwägungsgrund 21 der EU-Mediationsrichtlinie. Verjährungsregeln müssen so ausgestaltet sein, dass in Rede stehende Ansprüche trotz erfolgloser Mediation im Anschluss gerichtlich geltend gemacht werden können und damit durchsetzbar und vollstreckbar bleiben, Erwägungsgrund 16, 19, 20, 21, Artt. 8, 6 der EU-Mediationsrichtlinie. Die Mediation muss somit auch Verjährungsfristen wirksam hemmen bzw. unterbrechen können. Es muss bei Beginn der Mediation Rechtssicherheit herrschen, sodass laut Erwägungsgrund 15 der EUMediationsrichtlinie Rechte und Pflichten in der Mediation klar festgesetzt werden. Zur Sicherung, dass die Mediationsgrundsätze innerhalb des Verfahrens eingehalten werden, wird vorgeschlagen, dass die Mediatoren die im EU-Verhaltenskodex für Mediatoren vorgeschriebenen Standards einhalten, Erwägungsgrund 17 der EUMediationsrichtlinie. Solche Ethikkodizes sollen die Mitgliedstaaten fördern, um eine einheitliche Qualität gem. Art. 4 der EU-Mediationsrichtlinie zu schaffen. Zur finanziellen Förderung bei der Schaffung von einheitlichen Ausbildungsstandards für Mediatoren sind die Mitgliedstaaten allerdings nicht verpflichtet, Erwägungsgrund 16, 17 der EU-Mediationsrichtlinie. Sie können auf die im Inland bereits vorhandene, privatrechtliche Infrastruktur zurückgreifen, die Mediationsorganisationen und Hochschulen bereits für die Aus- und Fortbildung von Mediatoren geschaffen haben, was sich aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie mittelbar ergibt. Um die Mediation als alternative Streitbeilegungsmethode im Inland zu etablieren, müssen laut Richtlinie zunächst die entsprechenden äußeren Rahmenbedingungen erfolgreich geschaffen worden sein.

2. Innere Rahmenbedingungen Doch auch innerhalb des Mediationsverfahrens müssen die Mitgliedstaaten bestimmte Rahmenbedingungen schaffen. Hierzu erwähnt die EU-Mediationsrichtlinie zunächst die allseits bekannten Grundsätze der Mediation, namentlich die Freiwil-

A. Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments u. Rates v. 21. 05. 2008

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ligkeit der Parteien, Erwägungsgrund 13, die Vertraulichkeit in der Mediation, Erwägungsgrund 23, Art. 7 und die Unparteilichkeit des Mediators, Erwägungsgrund 17. Die Eigenverantwortlichkeit der Parteien wird mittelbar durch die Begriffsbestimmung des Art. 2 lit. a der EU-Mediationsrichtlinie aufgelistet. Bezüglich der Rolle des Mediators macht die EU-Mediationsrichtlinie keine Einschränkungen. Vielmehr können Mediatoren gem. Erwägungsgrund 12, Art. 3 lit. a S. 2 der EU-Mediationsrichtlinie auch Richter sein. Auch hinsichtlich der Art der Mediation wird den Mitgliedstaaten völliger Freiraum insoweit überlassen, als die obligatorische Mediation bzw. ein Belohnungs- oder Sanktionssystem als zulässig erachtet werden, Erwägungsgrund 12, 14, Art. 5 Abs. 2. Dazu zählt auch eine obligatorische Teilnahme an einer Informationsveranstaltung über die Mediation, Art. 5 Abs. 1 S. 2 der EU-Mediationsrichtlinie. Wie bereits bei der Schaffung der äußeren gilt bezüglich der inneren Rahmenbedingungen die Einhaltung einheitlicher Ethikstandards, um die genannten Grundsätze innerhalb der Mediation nach Erwägungsgrund 17, Art. 4 der EU-Mediationsrichtlinie gewährleisten zu können. Bezüglich der inneren Struktur des Mediationsverfahrens haben die Mitgliedstaaten darüber hinaus weitestgehenden Gestaltungsspielraum. Die Richtlinie enthält dennoch alle wesentlichen Grundsätze, die für das Verständnis und die Durchführung der Mediation unentbehrlich sind.

II. Die Besonderheiten der nationalen Umsetzung im Hinblick auf die unionsrechtlichen Vorgaben der EU-Mediationsrichtlinie Das deutsche Mediationsgesetz sowie die mediationsrechtlichen Regelungen im polnischen Zivilverfahrensgesetzbuch gelten sowohl für nationale als auch internationale Streitigkeiten. Die beiden Mitgliedstaaten haben somit in Abweichung vom eigentlichen Zweck der Richtlinie von der Freiheit Gebrauch gemacht, die Bestimmungen für interne Mediationsverfahren anzuwenden, Erwägungsgrund 8 Hs. 2 der EU-Mediationsrichtlinie. Die Vorgaben der Richtlinie haben Deutschland und Polen somit richtlinienüberschießend erfüllt. Dennoch hinterlässt die Richtlinie viele Regelungslücken, die von den Mitgliedstaaten in Eigenregie zu füllen sind. Die EU-Mediationsrichtlinie lässt zum einen völlig offen, ob und inwieweit die Mediation zulässig ist, wenn mehrere Instanzgerichte bereits mit einer Streitigkeit befasst sind. In Art. 5 Abs. 1 S. 1 der EU-Mediationsrichtlinie wird vielmehr vom Gericht gesprochen, „das mit einer Klage befasst wird“. Danach kann dieses Gericht die Parteien auffordern, an einer Mediation teilzunehmen. Angesichts des sehr weit gefassten Wortlauts kann jedes Gericht gemeint sein. Von dem Wortlaut können erstinstanzliche Gerichte, Berufungsgerichte und somit staatliche Gerichte erfasst sein, es können aber auch Schiedsgerichte gemeint sein. Die Richtlinie enthält zum anderen keine Angaben zu den Kosten des Mediators. Es wird lediglich darauf

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1. Teil: Grundlagen der Mediation in der Europäischen Union

hingewiesen, die Mediation solle eine „kostengünstige“ Alternative sein. Inwieweit sich eine Mindestvergütung oder Höchstgrenzen für die Entlohnung des Mediators in den nationalen Regelungen wiederfinden sollen, lässt die Richtlinie offen, um die Mediation kostengünstig zu erhalten. Auch berufsregelnde Maßnahmen sind nicht festgesetzt, d. h. unter welchen Bedingungen eine Person auf gar keinen Fall eine Mediationstätigkeit ausüben darf sowie unter welchen Umständen eine Person hierfür besonders gut geeignet ist. Auch wenn die Mediation aufgrund ihres höchstpersönlich zu erbringenden Charakters9 nur durch eine natürliche Person und nicht durch eine juristische, beispielsweise in Form eines Mediationsinstituts, erfolgen kann, verdeutlicht die Richtlinie nicht, dass mit „dritter Person“ in der Begriffsbestimmung des Art. 3 lit. b) der EU-Mediationsrichtlinie nur eine natürliche und keine juristische Person gemeint sein kann. Auf diese Weise bestehen trotz der umfassenden Regelungen der EU-Mediationsrichtlinie Unsicherheiten, die zum Teil weitreichende Konsequenzen für die Mediation in den EU-Mitgliedstaaten haben können, insbesondere im Hinblick auf die Vergütung des Mediators.

III. Resümee Der deutsche und der polnische Gesetzgeber haben hinsichtlich sämtlicher Richtlinienvorgaben einen weiten Umsetzungsspielraum. Alle Aspekte, die in der Richtlinie Erwähnung finden, können die Gesetzgeber auch richtlinienüberschießend auf die innerstaatliche Mediation übertragen. Sie können damit aber auch stark von den Vorgaben abweichen, sodass der grundsätzlich zu begrüßende Umsetzungsspielraum einer Rechtsvereinheitlichung und damit einer grenzüberschreitenden Durchsetzung von Ansprüchen und Mediationsvergleichen entgegenwirkt. Da die EU-Mediationsrichtlinie selbst keine konkreten Anhaltspunkte zur Art der Umsetzung und zum Umfang einzelner Angaben enthält, ist nicht zu bemängeln, dass Deutschland und Polen die Richtlinie auf unterschiedliche Weise umsetzen konnten. Diese Freiheit birgt jedoch die Gefahr, dass die Unterschiede zu einer mangelnden Effizienz der Streitbeilegungsform führen. Auch ist zu erwähnen, dass die EU-Mediationsrichtlinie nicht viel dahingehend bewirkt hat, eine ausgewogene Balance zwischen dem Gewähren von Flexibilität und Freiheit einerseits und dem verbindlichen Festlegen von Grenzen und Verboten andererseits zu schaffen, um der Mediation und den darin erzielten Vergleichen zu einer einfacheren grenzüberschreitenden Durchsetzung zu verhelfen. Die EU-Mediationsrichtlinie stellt – wie andere Richtlinien so oft auch – einen kleinsten gemeinsamen Nenner dar, der versucht, sämtliche Strukturen aller EU-Mitgliedstaaten zu vereinen und auf wenige Vorgaben zu komprimieren. Dieser kleinste gemeinsame Nenner trägt damit jedoch auch ein hohes Risiko für eine nicht optimale Entwicklung der Mediation in den Mitgliedstaaten in sich. 9

Vgl. dazu Zweiter Teil, B.III.3.a)dd).

B. Entwicklung der RL 2008/52/EG und der Erlass weiterer Rechtsakte

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B. Die Entwicklung der Richtlinie 2008/52/EG und der Erlass weiterer Rechtsakte auf dem Gebiet konsensualer Streitbeilegung Ein Einblick in die Entwicklung der EU-Mediationsrichtlinie verschafft ein besseres Verständnis für die Mediationsgesetze in Polen. Die der EU-Mediationsrichtlinie folgenden Rechtsakte legen dar, ob und inwieweit eine Anpassung der Mediationsvorschriften durch die Europäische Union zu erfolgen hat. Insbesondere werden die ADR-Richtlinie 2013/11/EU10 und die ODR-Verordnung Verordnung (EU) Nr. 524/201311 des Europäischen Parlaments und Rates vom 21. 05. 2013 in Bezug auf verbraucherrechtliche Streitigkeiten dargestellt.

I. Die Vorgänger der Richtlinie Vor Erlass der EU-Mediationsrichtlinie wurden die einzelnen in der Richtlinie enthaltenen Regelungen zunächst insbesondere durch das Grünbuch aus dem Jahr 2002, den Verhaltenskodex für Mediatoren aus dem Jahr 2004 sowie den Richtlinienentwurf aus dem Jahr 2004 veröffentlicht. 1. Das Grünbuch und die Empfehlung Rec (2002)10 des Ministerkomitees aus dem Jahr 2002 Das Grünbuch über alternative Verfahren zur Streitbeilegung im Zivil- und Handelsrecht aus dem Jahr 200212 hat 21 Fragen herausgearbeitet, mit denen sich die EU-Organe bei der Schaffung einer Mediationsrichtlinie beschäftigen sollen. Diese Fragen können in folgende Themenbereiche zusammengefasst werden: Mitgliedstaatliche Probleme hinsichtlich der Implementierung der Mediation in die nationale Rechtsordnung (Frage 1), Abgrenzung zu anderen ODR-Verfahren (Frage 3), vertragliche Klauseln zur Inanspruchnahme der Mediation (Frage 5, 6, 7, 8), Einfluss der Mediation auf die Verjährung von Ansprüchen (Frage 9), weitere Behandlung der vor dem Grünbuch erschienenen Kommissionsempfehlungen (Fragen 10, 11, 12), familienrechtliche Sondervorschriften (Frage 2, 4, 13), Ver10 Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG, ABl. Nr. L 165 vom 18. 06. 2013, S. 63. 11 Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG, ABl. Nr. L 165 vom 18. 06. 2013, S. 1. 12 Vom 19. 04. 2002, KOM(2002) 196 endgültig.

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1. Teil: Grundlagen der Mediation in der Europäischen Union

traulichkeit (Fragen 15, 16), Abschluss-Bedenkzeit der Medianden (Frage 17), Wirksamkeit von Mediationsvergleichen im EU-Ausland (Frage 18), Qualitätssicherung (Fragen 14, 19, 20), Haftung des Mediators (Frage 21). Im Hinblick auf die erste Frage wurden für die Aufnahme der Arbeit an einer Richtlinie bzw. am Grünbuch die EU-Mitgliedstaaten befragt, ob und inwieweit bereits ADR-Verfahren gesetzlich verankert und angeboten werden. Im Zuge der Befragung stellte sich heraus, dass die EU-Mitgliedstaaten keine wesentliche Normierung der Mediation oder sonstiger ADR-Regelungen vorzuweisen hatten.13 Die Republik Polen, die damals noch EU-Beitrittskandidatin war, hätte hierzu eine umfassende Stellungnahme insoweit geben können, als sie die Mediation in Strafsachen und Jugendsachen sowie im Verwaltungsrecht bereits gesetzlich verankert hatte.14 Zur Frage, wie die EU-Mediationsrichtlinie mit Online-Streitbeilegungsdiensten korrelieren soll, hat die EU-Mediationsrichtlinie lediglich im 9. Erwägungsgrund Stellung genommen, wonach die Richtlinie „dem Einsatz moderner Kommunikationstechnologien im Mediationsverfahren“ nicht entgegenstehen soll.15 Die Online-Mediation soll genau dieselben Rechte und Pflichten beinhalten wie eine gemeinsame Sitzung, bei welcher die Streitparteien und der Mediator körperlich anwesend sind. Die Handhabung vertraglicher Mediationsklauseln wurde in den Fragen 5 bis 8 diskutiert. Die Richtlinie hat den Mitgliedsstaaten diesbezüglich einen großen Gestaltungsspielraum geschaffen, da eine obligatorische Mediation ausdrücklich zugelassen wurde.16 Daher steht es den Gerichten der Mitgliedstaaten frei, den Zugang zu den Gerichten davon abhängig zu machen, ob zuvor eine Mediation durchgeführt wurde. Besondere Voraussetzungen von Verjährungsregeln zur Unterbrechung bzw. Hemmung des Fristlaufs für die Geltendmachung von Ansprüchen werden im Grünbuch in der Frage 9 behandelt. Entsprechendes gilt auch für die Vertraulichkeit (Fragen 15, 16), die Vollstreckbarkeit (Frage 18) und Qualitätssicherung (Fragen 14, 19, 20), die die EU-Mediationsrichtlinie insbesondere in den Artt. 4, 6, 7 behandelt. Die EU-Mediationsrichtlinie hat die im Grünbuch aufgeworfenen Aspekte zur Verjährung und Mediationsverfahren insbesondere in Art. 8 der EU-Mediationsrichtlinie aufgenommen. Die in den Fragen 10 bis 12 genannten Empfehlungen aus dem Jahr 199817 und 200118 haben herausgearbeitet, dass eine Normierung der 13

Grünbuch v. 19. 04. 2002, KOM(2002) 196 endgültig, S. 17 Pkt. 2.1.2. S. dazu Zweiter Teil, A.II.2., Zweiter Teil, A.II.3. und Zweiter Teil, A.II.5. 15 Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 21. 05. 2008, ABl. Nr. L 136 v. 24. 05. 2008, S. 3. 16 Erwägungsgrund 12, 14 sowie Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 21. 05. 2008, ABl. Nr. L 136 v. 24. 05. 2008, S. 3. 17 Empfehlung der Kommission vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, ABl. Nr. L 115 v. 17. 04. 1998, S. 31. 14

B. Entwicklung der RL 2008/52/EG und der Erlass weiterer Rechtsakte

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Mediation über Mindestanforderungen verfügen muss, nämlich „Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Transparenz, Effizienz und Achtung des Rechts“,19 weshalb auch die Netzwerke nationaler Organisationen wie das FIN-NET20 sowie das EU-Verbrauchernetzwerk EEJ-NET21 von den in der Empfehlung niedergelegten Grundsätzen profitierten.22 Diese Aspekte hat die spätere EU-Mediationsrichtlinie in mehrfacher Hinsicht aufgegriffen.23 Familien- und arbeitsrechtliche Sondervorschriften und Besonderheiten dürfen, wie im Grünbuch bereits erwähnt, nicht durch die Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie unterlaufen werden.24 Die im Grünbuch angesprochene Haftung des Mediators (Frage 21) sowie die Abschluss-Bedenkzeit der Medianden (Frage 17) behandelt die EU-Mediationsrichtlinie sechs Jahre später nicht. Hinsichtlich des ersten Punktes wird in Art. 7 der EU-Mediationsrichtlinie statt von der Haftung des Mediators lediglich von der Vertraulichkeit der Mediation gesprochen. Ob und nach welchen Maßstäben (Straftat, Ordnungswidrigkeit, berufsrechtliche oder rein vertragliche Pflichtverletzung) der Mediator den Parteien haften soll oder welche Folgen die Verletzung der Vertraulichkeit nach sich zieht, ist nicht durch die EU-Mediationsrichtlinie geklärt worden. Bezüglich des zweiten Punktes besagt das Grünbuch, man solle den Parteien eine Bedenkzeit zur Annahme des Mediationsvergleichs gewähren oder den Mediationsvergleich unter einen Widerrufsvorbehalt stellen, da durch diese Bedenkzeit der Einigungswille der Parteien besonders gut zum Ausdruck kommt und weitere Gerichtsprozesse, z. B. aufgrund der Anfechtung der Einigung, vermieden werden können.25 Eine solche Anerkennungs- bzw. Rücktrittsfrist blieb in der EU-Mediationsrichtlinie gänzlich unerwähnt. Die Frage 17 des Grünbuchs, in der die Abschluss-Bedenkzeit der Medianden thematisiert wird, stellt einen sehr interessanten Anhaltspunkt dar, der im Rahmen der Vollstreckbarkeit einer im Mediationsverfahren erzielten Vereinbarung gem. Art. 6 der EU-Mediationsrichtlinie hätte behandelt werden können. Es ist zu bedauern, dass die Frage 17 des Grünbuchs hinsichtlich einer Abschluss-Bedenkzeit der Medianden keinen Eingang in die der EUMediationsrichtlinie gefunden hat. Eine solche Regelung innerhalb der EU-Me18 Empfehlung der Kommission vom 4. April 2001 über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen, ABl. Nr. L 109 v. 19. 04. 2001, S. 56. 19 Grünbuch v. 19. 04. 2002, KOM(2002) 196 endgültig, S. 30 Pkt. 3.2.2. 20 Financial dispute resolution network. 21 Network for the extra-judicial settlement of consumer disputes. 22 Grünbuch v. 19. 04. 2002, KOM(2002) 196 endgültig, S. 30 Pkt. 3.2.2. 23 Beispielsweise sind zu nennen: Erwägungsgrund 18, Artt. 4, 7 der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 21. 05. 2008, ABl. Nr. L 136 v. 24. 05. 2008, S. 3. 24 Erwägungsgrund 10, 21 sowie Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 21. 05. 2008, ABl. Nr. L 136 v. 24. 05. 2008, S. 3. 25 Grünbuch v. 19. 04. 2002, KOM(2002) 196 endgültig, S. 34 Pkt. 3.2.2.2.

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1. Teil: Grundlagen der Mediation in der Europäischen Union

diationsrichtlinie hätte den EU-Mitgliedstaaten mehr Gestaltungsspielraum für eine gesetzliche Regelung einer solchen Abschluss-Bedenkzeit geschaffen. Die Empfehlung Rec (2002)10 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Mediation in Zivilsachen vom 18. 09. 200226 hat die Fragen, mit denen sich das Grünbuch befasst hat, zusammengetragen und einen Handlungsleitfaden entwickelt, wodurch die EU bei der Entwicklung von Vorschriften auf Gemeinschaftsebene untersützt werden soll.27 2. Der Europäische Verhaltenskodex für Mediatoren aus dem Jahr 2004 In ihrem Bericht an u. a. das Europäische Parlament vom 26. 08. 2016 beschreibt die Kommission, dass der Europäische Verhaltenskodex für Mediatoren bei der Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie für die Mitgliedstaaten wesensprägend war.28 Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass der Verhaltenskodex in einigen EU-Mitgliedstaaten gesetzlich vorgeschrieben und damit direkt anwendbar ist. Zum anderen haben einige Mitgliedstaaten den europäischen Kodex zum Anlass genommen, ihrerseits solche Verhaltensrichtlinien, teilweise auch für unterschiedliche Rechtsgebiete, zu kodifizieren.29 Der Europäische Verhaltenskodex für Mediatoren wurde am 02. 07. 2004 in diversen Sprachen den EU-Mitgliedstaaten zur freien Verfügung gestellt.30 Es handelt sich hierbei um eine sehr komprimierte Zusammenfassung der wichtigsten Grundsätze eines Mediationsverfahrens in vier Abschnitten. Vorangestellt wurde im ersten Abschnitt eine Skizze zu den Themen Qualifikation des Mediators, Terminvereinbarung für die Mediationssitzungen, Vergütung sowie Grundsätze für ethische Werbemaßnahmen zur Kommunikation des eigenen Mediationsangebots. Im zweiten Abschnitt werden die Grundsätze der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit thematisiert. Der dritte Abschnitt behandelt die Verfahrensmaximen der Mediation, einschließlich des Ablaufs und der Beendigung. Die Vertraulichkeit der Mediation schließt den Verhaltenskodex im vierten Abschnitt ab.

26 In engl. Fassung abrufbar unter https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?Ob jectID=09000016805e1f76, Stand: 22. 09. 2018. 27 Abschnitt B. der Empfehlung Rec (2002)10 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Mediation in Zivilsachen vom 18. 09. 2002, abrufbar unter https://search.coe.int/cm/ Pages/result_details.aspx?ObjectID=09000016805e1f76, Stand: 22. 09. 2018. 28 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Richtlinie 2008/52/EG, COM(2016) 542 final, S. 6 Pkt. 3.3.1. 29 Bericht der Kommission v. 26. 08. 2016, COM(2016) 542 final, S. 6 Pkt. 3.3.1. 30 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/civiljustice/adr/adr_ec_code_conduct_en.pdf, Stand: 03. 03. 2018.

B. Entwicklung der RL 2008/52/EG und der Erlass weiterer Rechtsakte

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Insgesamt beinhaltet der Verhaltenskodex alle wesentlichen Informationspflichten und Ethikstandards, die Voraussetzung für einen vertrauenswürdigen Einstieg in die erste Mediationssitzung sind. Durch die sehr generellen Ausführungen ist er jedoch keinesfalls als Ersatz für eine vollständige Mediationsvereinbarung anzusehen. Die Parteien müssen in der Lage sein, ihre individuellen Bedürfnisse einzubringen, ggf. Anpassungen vorzunehmen und Zusätze einzufügen, insbesondere auch, wenn Dritte an der Mediation beteiligt werden sollen. Der Verhaltenskodex selbst nimmt für sich nicht in Anspruch, eine vollwertige Alternative zur Mediationsvereinbarung zu sein. Er appelliert vielmehr an den Mediator und erinnert ihn besonders an die Pflicht, die Parteien bestmöglich über die Mediation und ihre Auswirkungen zu informieren. Daher bereichert der Europäische Verhaltenskodex für Mediatoren die übrigen Regelungen zur Verjährung, Vollstreckung und Qualitätssicherung der EU-Mediationsrichtlinie und rundet damit die Vorschriften zum europäischen Mediationsrecht ab. 3. Der Richtlinienentwurf vom 22. 10. 2004 Der Entwurf der EU-Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 200431 war für die Normierung des Mediationsrechts in Zivil- und Handelssachen – insbesondere für die Kodifizierung in Polen – wesensprägend.32 Hierzu besteht allerdings insoweit Uneinigkeit, als die endgültige Fassung des Entwurfs der EU-Mediationsrichtlinie knapp zwei Monate später veröffentlicht wurde als der erste polnische Gesetzesentwurf, durch welchen die Mediation in Zivil- und Handelssachen erstmalig kodifiziert werden sollte. Teilweise wird daher angenommen, prägend sei das Grünbuch und die Empfehlung Rec (2002)1033 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Mediation in Zivilsachen aus dem Jahr 2002 gewesen.34 Teilweise soll das Modellgesetz UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation (2002) richtungsweisend gewesen sein.35 Das UNCITRAL-Modellgesetz kann jedoch lediglich als Orientierungshilfe gedient haben.36 Angesichts der Vorarbeit in der 31 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 22. 10. 2004 KOM (2004) 718 endg. – COD 2004/0251. 32 Cioch/Nowin´ska, Poste˛ powanie cywilne, Warschau 2007, S. 142; Morek, ADR w sprawach gospodarczych, Warschau 2004, S. 157 f.; de Vries (Hrsg.), Die rechtliche Regelung der Mediation in Polen, in: Mediation als Verfahren konsensualer Streitbeilegung, S. 95 (100). 33 In engl. Fassung abrufbar unter https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?Ob jectID=09000016805e1f76, Stand: 06. 11. 2018. 34 So Pieckowski, ADR 2011, 61 (63 a.E.). 35 So Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 Rn. 5; ders., in: Gmurzyn´ska/ Morek, Medjacje, 3. Aufl. 2018, S. 291 f.; Pazdan, FS Szpunar, Krakau 2004, S. 381 (382 Fn. 7); ders., Rejent 2004, S. 9 (12). 36 Vgl. Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 354, die beschreibt, dass unterschiedliche Mediations-Organisationen den Gesetzgeber mit ihrem Know-How bei dem polnischen Gesetzesentwurf unterstützt haben. Es

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1. Teil: Grundlagen der Mediation in der Europäischen Union

Europäischen Union durch das Grünbuch und die Empfehlung Rec (2002)10 aus dem Jahr 2002, ohne die der Entwurf und die dazugehörige EU-Mediationsrichtlinie selbst nicht entstanden wären, kann diese gesamte Arbeit an der EU-Mediationsrichtlinie als wegweisend für das polnische Mediationsrecht in Zivil- und Handelssachen beschrieben werden.37 Der polnische Gesetzgeber hat sich entschieden, die Mediation in Zivil- und Handelssachen beinahe zeitgleich mit dem Beitritt zur Europäischen Union am 01. 05. 2004 gesetzlich verbindlich zu kodifizieren, ohne die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorhandene EU-Mediationsrichtlinie abzuwarten. Auf Basis des Entwurfs der EU-Mediationsrichtlinie wurde dem Sejm der Gesetzesentwurf mit der Sejm-Drucksache Nummer 3213 am 20. 08. 2004 vorgelegt.38 Das deutsche Mediationsrecht basiert dagegen auf der nachträglich entwickelten Richtlinie aus dem Jahr 2008, die der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2012 kodifiziert hat.39 Der Vergleich zwischen den nachträglichen Änderungen des Entwurfs und der endgültigen EU-Mediationsrichtlinie ist aufgrund der unterschiedlichen zeitlichen Ausgangsposition der polnischen und deutschen Umsetzung des europäischen Mediationsrechts notwendig. Auffällig ist, dass dem Entwurf der EU-Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 2004 eine Definition des Begriffs „grenzüberschreitende Streitigkeit“ noch nicht immanent war, obwohl bereits zum Zeitpunkt des Entwurfs auf die grenzüberschreitende Geltung der Mediationsvorschriften hingewiesen worden ist.40 Besonders hervorzuheben ist auch Art. 2 lit. a) UAbs. 2 des Entwurfs der EUMediationsrichtlinie, wonach eine Güterichtermediation nicht ausdrücklich für zulässig erachtet wurde. Der spätere Art. 3 lit. a) der EU-Mediationsrichtlinie beinhaltet nämlich im Vergleich zu Art. 2 lit. a) des Richtlinienentwurfs die Erlaubnis einer Güterichtermediation. Nunmehr kann gem. Art. 3 lit. a) UAbs. 2 der EUMediationsrichtlinie auch ein Richter ein Mediator unter der Einschränkung sein, dass er „nicht für ein Gerichtsverfahren in der betreffenden Streitsache zuständig ist“. Diesen Punkt vorwegnehmend: Der polnische Gesetzgeber hat sich entschieden, den Berufsrichter von der Mediation insgesamt auszuschließen, und lässt eine Güist davon auszugehen, dass diese Organisationen sich zwingend an bereits bestehenden Regelwerken, wie dem UNCITRAL Model Law 2002 orientieren mussten, weil bis zum polnischen Mediationsgesetz schlichtweg keine andere Vorlage für die Mediation in Polen vorhanden war. 37 Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 354. 38 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, abrufbar auf der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018. 39 Mediationsförderungsgesetz v. 21. 07. 2012, BGBl. I, S. 1577, zul. geändert durch Art. 135 der Verordnung v. 31. 08. 2015, BGBl. I, S. 1474 (1496). 40 S. S. 4 f. des Richtlinienentwurfs v. 22. 10. 2004 KOM (2004) 718 endg. – COD 2004/ 0251.

B. Entwicklung der RL 2008/52/EG und der Erlass weiterer Rechtsakte

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terichtermediation somit nicht zu.41 Der Entwurf der Richtlinie kann für den Ausschluss des Richters von der Mediationstätigkeit im polnischen Mediationsrecht daher ausschlaggebend gewesen sein. Auch wurde die Regelung des Art. 6 des Entwurfs der EU-Mediationsrichtlinie, die sich mit Beweisverboten über den Inhalt des Mediationsverfahrens konkret befasst hat, in der späteren Richtlinie gänzlich gestrichen. Stattdessen wurde Art. 7 in die EU-Mediationsrichtlinie eingefügt, der unter der Überschrift „Vertraulichkeit der Mediation“ die schützenswerten Inhalte des Mediationsverfahrens behandelt. Auch ist es bedauerlich, dass die Regelung des Art. 7 des Entwurfs der EU-Mediationsrichtlinie bezüglich der Hemmung der Verjährung entfallen und stattdessen der wenig aussagekräftige Art. 8 der EU-Mediationsrichtlinie in Kraft getreten ist. 4. Resümee Die Vorgänger der EU-Mediationsrichtlinie bieten einen umfassenden Einblick in die Geschichte des europäischen Mediationsrechts. Ungeachtet dessen wird dabei erkennbar, inwieweit endgültige Formulierungen und Vorgaben der EU-Mediationsrichtlinie gegenüber ihren Vorgängern nicht nur abgeschwächt, sondern auch in Ihrer Aussagekraft erheblich beeinträchtigt wurden. Dies legt die Vermutung nahe, dass sich hieraus Auswirkungen auf die unterschiedliche Interpretation der Richtlinie sowie ihrer jeweiligen gesetzlichen Umsetzungen in Deutschland und Polen ergeben haben.

II. Die ADR-Richtlinie 2013/11/EU und die ODR-Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates vom 21. 05. 2013 in Bezug auf verbraucherrechtliche Streitigkeiten Im Nachgang zur EU-Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 2008 sind zwei weitere europäische Rechtsakte gefolgt, die ADR-Richtlinie 2013/11/EU und die ODRVerordnung Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und Rates vom 21. 05. 2013 in Bezug auf verbraucherrechtlicher Streitigkeiten. Im Vergleich zur EU-Mediationsrichtlinie legen die ADR-Richtlinie sowie die ODR-Verordnung ihren Fokus ausschließlich auf Verbraucherstreitsachen und damit den B2C- sowie eCommerce-Bereich.42 Die Mediationsrichtlinie ist hingegen auf grenzüberschreitende Streitigkeiten auch im B2B-Bereich sowie zwischen zwei Nichtunternehmern anwendbar. Diese Nachfolger der EU-Mediationsrichtlinie stellen zudem ausdrücklich klar,43 dass ihre Vorgaben nicht mit den Vorgaben der EU-Mediations41 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 3 Nr. V., abrufbar auf der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018. 42 Unter „Geltungsbereich“ nach Art. 2 der jeweiligen Richtlinie und Verordnung geregelt. 43 Art. 3 der ADR-Richtlinie und Art. 3 der ODR-Verordnung.

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1. Teil: Grundlagen der Mediation in der Europäischen Union

richtlinie kollidieren. Die EU-Mediationsrichtlinie wird durch die ADR-Richtlinie und die ODR-Verordnung nicht berührt. Von der EU-Mediationsrichtlinie unterscheidet sich die ADR-Richtlinie insbesondere hinsichtlich der Einrichtung offizieller sog. alternativer Streitbeilegungsstellen, kurz AS-Stellen,44 derer es für die Mediatorentätigkeit grundsätzlich nicht bedarf. In Bezug auf die neue Möglichkeit der Online-Streitschlichtung wurde von der EU-Kommission durch Art. 5 der ODR-Verordnung zudem eine sog. OnlineStreitbeilegungsplattform, kurz OS-Plattform, eingerichtet, wonach die Anträge zur Durchführung einer Online-Streitbeilegung gebündelt über ebendiese EU-Plattform durchgeführt werden müssen. Insgesamt hat die Europäischen Union für die Verbraucher-UnternehmerStreitschlichtung eine umfassende, digitale Infrastruktur geschaffen und den Gang zum Schlichter in diesem Bereich professionalisiert. Diese Infrastruktur ist für die „B2B“-Mediation nicht geschaffen worden, ganz gleich, ob sie als Vorteil oder als Einschränkung der für das Mediationsverfahren notwendigen Flexibilität angesehen werden könnte.

C. Zusammenfassung des Ersten Teils Die alternative Streitschlichtung entwickelt sich seit Beginn der Verhandlungen über die Mediation und über andere ADR-Verfahren in Europa zunehmend weiter und wird im europäischen Rechtsraum professionalisiert. Die Mediation bleibt nicht nur Sache von Privaten, sondern erhält weitere Unterstützung durch gemeinsame europäische Rahmenregelungen und staatliche Förderung. Als prägenden, ersten Schritt in die Richtung der Professionalisierung der Mediation kann hierbei das Grünbuch über alternative Verfahren zur Streitbeilegung im Zivil- und Handelsrecht aus dem Jahr 2002 angeführt werden, auf dessen Grundlage die wichtigsten Arbeitsschritte der Europäischen Union vorangetrieben worden sind. Dadurch konnte nicht nur der Entwurf der EU-Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 2004, sondern die EU-Mediationsrichtlinie selbst alle für die Mediation relevanten Vorgaben an die Mitgliedstaaten seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 2008 weitertragen. Zudem profitieren die EU-Mitgliedstaaten von dem Europäischen Verhaltenskodex für Mediatoren aus dem Jahr 2004, der in einigen EU-Mitgliedstaaten sogar, allerdings weder in Deutschland noch in Polen, verbindlich ist. Des Weiteren haben andere Mitgliedstaaten den Europäischen Verhaltenskodex zum Anlass genommen, eigene Verhaltensrichtlinien zu entwickeln und diese bedarfsgerecht auf unterschiedliche Rechtsgebiete anzupassen. Für eine solche Vorgehensweise hat sich Polen entschieden. 44 Alle anerkannten AS-Stellen im Überblick auf der Internetseite der Europäischen Kommission unter https://ec.europa.eu/consumers/odr/main/?event=main.adr.show2, Stand: 06. 11. 2018.

C. Zusammenfassung des Ersten Teils

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Nach der Einführung der Mediation in den Mitgliedstaaten durch die EU-Mediationsrichtlinie und ihre Vorgänger blieb die europäische Entwicklung des Schlichtungsrechts begrüßenswerter Weise nicht aus. Als Alternativen zum Zivilprozess stehen dem Bürger in der Europäischen Union nunmehr die Mediation, die Verbraucherschlichtung vor einer professionellen Streitbeilegungsstelle sowie die Online-Streitbeilegung mithilfe der Plattform der EU-Kommission zur Verfügung.

Zweiter Teil

Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen, ihre Grundsätze und die gelebte Praxis im Vergleich zu Deutschland Vor dem Erlass der EU-Mediationsrichtlinie bestanden in Deutschland und Polen bereits eigene Konzepte zur Mediation. Diese eigene, nationale Fortentwicklung der Mediation hat die EU-Mediationsrichtlinie zum Teil unterbrochen. Das Mediationsrecht in Deutschland sowie in Polen wurde erst durch die EU-Mediationsrichtlinie europäisiert und damit ein Stück weit vereinheitlicht.1 Hinzu kommt, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten Gestaltungsfreiheit hinsichtlich ihrer landesspezifischen Umsetzung überließ. Auf diese Weise konnten die nationalen Gesetzgeber insoweit auf eigens gesetzten Schwerpunkten aufbauen, als die Kernvorgaben der Richtlinie dabei eingehalten wurden. Zunächst wird die Entstehung des Mediationsrechts aus historischer Sicht skizziert. Darin wird ebenfalls ein Überblick über die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Mediation aus anderen Rechtsgebieten dargelegt. Im Hauptteil werden die einzelnen Bestandteile der in Polen umgesetzten EU-Mediationsrichtlinie untersucht und die damit einhergehende Gesetzgebung auf ihre Funktionsfähigkeit und EU-Konformität überprüft. Hierbei werden Problemschwerpunkte auf die Qualitätssicherung, die Vertraulichkeit sowie die Wirtschaftlichkeit der Mediation gesetzt und mit der deutschen Umsetzung des EU-Mediationsrichtlinie verglichen. Es wird der rechtliche Rahmen einschließlich aller relevanten Normen des polnischen Mediationsrechts kritisch beleuchtet. Kern der Arbeit ist die Analyse der Mediationsgrundsätze in Deutschland und Polen einschließlich der Präsentation von Reformvorschlägen. Zudem werden die unterschiedlichen rechtlichen Akzente, die Polen in Bezug auf die außergerichtliche, die gerichtsnahe und die gerichtsinterne Mediation gesetzt hat, den deutschen Regelungen gegenübergestellt. Hierbei wird auch eine mögliche Kollision der Gesetze mit Verfassungsrecht geprüft. Erforscht wird auch, ob und inwieweit der Verfahrensablauf der Mediation von der Initiierung bis zur Beendigung rechtssicher ausgestaltet wurde.

1 Die Mediation im Zivilrecht wurde vor der Europäisierung des Mediationsrechts mit der Schlichtung („koncyliacja“) gleichgesetzt, Szuman´ski, MoP 1997, S. 60; Szurski, RP 2003, S. 96 (97 f.).

A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen

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A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen Die rechtliche Entwicklung der Mediation in Polen als alternative Form der Streitbeilegung bekam ihren ersten Impuls in den 80er Jahren durch die Proteste der Bevölkerung gegen die Missstände in der sozialistischen Diktatur und später zu Beginn der 90er Jahre durch die staatsrechtliche Transformation der Volksrepublik Polen zu einer demokratischen Republik.2 Dieser Antrieb, sich mittels Gespräche und besonderer Kommunikationsmethoden anzunähern, um eine gewaltfreie und zukunftsfähige Lösung zu entwickeln, um eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen, kann ex post als die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen betrachtet werden. Zunächst wird die Rechtslage in Polen anhand eines rechtsgeschichtlichen Vergleichs der ehemaligen sozialistischen Staatsformen der DDR mit der Volksrepublik Polen eingeleitet. Die Wurzeln bestimmter, in Deutschland und Polen geltender Mediationsnormen sind auf die kommunistischen Einflüsse der Sowjetunion zurückzuführen. Im Anschluss wird das Mediationsrecht der Rzeczpospolita Polska, d. h. der geltenden Staatsform der Republik Polen, umrissen. Hierbei wird auf das Arbeits-, Straf-, Jugendstraf-, Familien- und Verwaltungsrecht eingegangen. Diese nationalen Regelungen waren Teil des Mediationsrechts, bevor die EU-Mediationsrichtlinie erlassen wurde. Die Mediation in diesen Rechtsgebieten stellt das Mediationsrecht im weiteren Sinne dar, während die Mediation in Zivil- und Handelssachen seit der Entwicklung der EU-Mediationsrichtlinie als das Mediationsrecht im engeren Sinne bezeichnet wird.

I. Die Streitbeilegung in der DDR im Vergleich zu der Streitbeilegung in der Volksrepublik Polen Die Idee der Verlagerung der Streitbeilegung aus den Gerichtsräumen in private Räume ist keine neue Erfindung der Europäischen Union. Sie wird vielmehr seit Jahrhunderten in mannigfacher Form in Staaten mit unterschiedlichsten Staatsformen praktiziert. In totalitären Systemen wie der damaligen Volksrepublik Polen, kurz VR Polen, oder auch der Deutschen Demokratischen Republik, kurz DDR, wurden außergerichtliche Konfliktlösungsmethoden dazu genutzt, die sozialistische Idee zu propagieren und die Bürger im privaten Bereich zu kontrollieren. Eine dieser sozialistischen „ADR“-Formen in der VR Polen war die sog. „komisja pojednawcza“, d. h. die Schlichtungs- oder Einigungsstelle, welche bis heute im polnischen Arbeitsgesetzbuch in Art. 2443 fortbesteht. Während der VR Polen sollte mit solchen Schlichtungsstellen vordergründig der Anschein des Konsenses gewahrt 2

Kmieciak, Mediacja i koncyliacja w prawie administracyjnym, Krakau 2004, S. 33 f. Kodeks pracy [Arbeitsgesetzbuch] v. 26. 06. 1974, Dz.U. 1974 Nr. 24, Pos. 141; Die Schlichtungsstelle dient gem. Art. 244 Abs. 1 dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer in Bezug auf die Klärung individualarbeitsrechtlicher Streitigkeiten. 3

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

werden. Formell hatten insbesondere Arbeitnehmer Rechtsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber jedoch war der Staat, welcher sich ungern mit dem Unmut seiner Bürger konfrontiert sah. Um einer schlechten Außenwirkung entgegen zu treten und um Systemkritiker und Aufständische effektiver zu verfolgen, wurden in den Betrieben Schlichtungsstellen organisiert, in denen staatstreue Mitarbeiter beschäftigt waren. In der Rechtspraxis stellten die Einigungsstellen ein Surrogat zu staatlichen Gerichten dar und waren vielmehr eine Disziplinierungsmaßnahme für das Volk, als die Einigungsstelle tatsächlich eine Streitbeilegungsfunktion erfüllte.4 Fraglich ist, ob eine solche Form der Einigungsstellen in der DDR ebenfalls existierte. 1. Der Mediationsgedanke in der DDR Mit der Einführung eines neuen Zivilgesetzbuchs sowie einer neuen Zivilprozessordnung der DDR am 01. 01. 19765, nachdem die bis damals gültige alte Fassung der Zivilprozessordnung von 1879 außer Kraft getreten war,6 wurde von den Bürgern, wie dies zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls in der ehemaligen VR Polen war, erwartet, sich bereits vorgerichtlich mit der gütlichen Einigung auseinanderzusetzen. Die Regelungen zur gerichtlichen und außergerichtlichen Einigung fanden auf diese Weise Eingang in die Gesetzbücher der DDR. Das Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik, kurz ZGB-DDR, beinhaltete 480 Paragrafen, welche in sieben Teilen angeordnet waren. Das Bürgerliche Gesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland enthält dagegen aktuell 2385 Paragrafen in fünf Büchern.7 Die Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik, kurz ZPO-DDR, war untergliedert in sieben Teile, bestehend aus 209 Paragrafen, was im Vergleich zur geltenden Zivilprozessordnung der Bundesrepublik Deutschland,8 die elf Bücher und 1117 Paragrafen beinhaltet, einen sehr provisorischen und unvollständigen Eindruck erweckt. Allein das erste Buch der ZPO der Bundesrepublik Deutschland beinhaltet mit 252 Paragrafen mehr als die gesamte ZPO der ehemaligen DDR. Selbiges gilt für das ZGB-DDR. Eine neue Verfahrensordnung und ein neues geltendes Zivilgesetzbuch innerhalb von kürzester Zeit in allen Besatzungszonen nach dem Zweiten Weltkrieg zu erschaffen, um das Recht in den besetzten Gebieten zu vereinheitlichen und die nationalsozialistischen 4 Kmieciak, Mediacja i koncyliacja w Prämie administracyjnym, Krakau 2004, S. 33; Morawski, PiP 1993, Nr. 1, S. 12 (23). 5 Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, GBl. I 1975 Nr. 27, S. 465; Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Zivil-, Familien- und Arbeitssachen – Zivilprozessordnung der DDR v. 19. 06. 1975, GBl. I 1975 Nr. 19, S. 533. 6 Peters, Der Gütegedanke, S. 139 f.: nach Gründung galt diese mit einigen Gesetzesänderungen durch Befehl Nr. 49 der sowjetischen Militäradministration v. 04. 09. 1945 fort. 7 BGBl. I 2002, S. 42, zul. geändert durch G. v. 12. 07. 2018, BGBl. I, S. 1151. 8 BGBl. I, 2005, S. 3202, zul. geändert durch G. v. 05. 07. 2016, BGBl. I, S. 1578.

A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen

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Modifikationen der Gesetze zu beseitigen,9 wird dabei der Grund dafür gewesen sein, warum auf wesentliche Regelungen, wie beispielsweise das Mahnverfahren in der ZPO-DDR10 und das Sachenrecht im ZGB-DDR,11 weitestgehend verzichtet wurde. Im Vergleich dazu ist die heute gültige ZPO der Bundesrepublik Deutschland aus der Rechtszusammenführung der ehemaligen deutschen Bundesstaaten erwachsen12 und berücksichtigte dabei die Rechtstraditionen der deutschen Territorien und ihrer zum Teil über Jahrhunderte weiterentwickelten zivilprozessrechtlichen Vorschriften.13 Einen wesentlichen Unterschied zur ausführlichen, heute geltenden Zivilprozessordnung der Bundesrepublik Deutschland stellt der Schutz der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung dar, der in § 2 Abs. 1 ZPO-DDR als Aufgabe der Gerichte ausgestaltet war.14 Das Gericht war zudem beauftragt, die „sozialistischen Beziehungen der Bürger […] zu ihrem Staat zu festigen, das sozialistische Staatsund Rechtsbewusstsein der Bürger […] für Ordnung, Disziplin, Sicherheit und Gesetzlichkeit zu erhöhen.“15 Die Rechtsdurchsetzung bzw. die Gewährleistung materieller Einzelfallgerechtigkeit stand dementsprechend nicht im Vordergrund, was den eigentlichen Zweck eines zivilrechtlichen Verfahrens darstellt.16 Vielmehr sollte das sozialistische Rechtsbewusstsein der Bürger geprägt werden.17 Zudem spielte das sozialistische Eigentum als Grundlage der Macht der Arbeiterklasse eine entscheidende Rolle,18 sodass eine detaillierte Rechtsgestaltung der einzelnen Schuldverhältnisse und der Übertragung entbehrlich war. Dies wird am Wortlaut des § 22 ZGB-DDR insoweit besonders deutlich, als persönliches Eigentum „funktionsgebunden“ war und lediglich der Entwicklung zu sozialistischen Persönlichkeiten diente.19 Der Grundsatz der Privatautonomie, der gerade durch Vertrags- und Eigentumsfreiheit gekennzeichnet ist,20 wurde als „Eigentümerwillkür und egoisti9

So Fischer-Langosch, S. 23 in Bezug auf das Familienrecht der DDR. Buch 7, §§ 688 ff. der geltenden ZPO der Bundesrepublik Deutschland. 11 Buch 3, §§ 854 ff. des geltenden BGB der Bundesrepublik Deutschland. 12 MüKo-ZPO/Lüke, Einleitung zur ZPO Rn. 40, 44; Zöller/Vollkommer, Einleitung zur ZPO Rn. 1. 13 MüKo-ZPO/Lüke, Einleitung zur ZPO Rn. 34. 14 Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, § 2 ZPO-DDR 1.2, S. 18. 15 Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, § 2 ZPO-DDR 1.2, S. 18. 16 Ahrens, in: Humane Justiz, S. 1 (4 f.). 17 Böhme, S. 61, 131: Erziehung und Rechtspropaganda. 18 §§ 17 – 22 ZGB-DDR, Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz 1983, Vorbem. Zweiter Teil, S. 47. 19 Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz 1983, § 22 ZGB-DDR, S. 55. 20 Grundlegend hierzu Flume, BGB-AT Bd. 2, S. 1; ders., in: FS für den Deutschen Juristentag, Bd. I, S. 135 (136, 141); so auch Leenen, BGB-AT § 4 Rn. 1; Medicus/Petersen, BGB-AT Rn. 174; Wolf/Neuner, BGB-AT § 10 Rn. 27 f. 10

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

sche Interessenverwirklichung als Rechtsmißbrauch“21 stigmatisiert. Eine solche Pervertierung der Rolle des Richters als verlängerten Arm des Staates22 unterstreicht die Entindividualisierung der Bürger in der sozialistischen Diktatur der DDR.23 Die Folge dieses kollektivistischen Ansatzes wird anhand der im Zivilrecht geprägten, obligatorischen Einigung als allgemeine Verhaltenspflicht verdeutlicht. a) Die außergerichtliche Einigung nach den Vorschriften des ZGB-DDR Die vorgerichtlichen Einigungsversuche sollten gem. § 12 Abs. 2 Nr. 2 ZPODDR notwendige Angaben der Klage darstellen. Im Vergleich zum ersten Absatz mit dem Wortlaut „hat in der Klage“ war die Mitteilungspflicht nach Absatz 2 als zwingende Pflicht ausgestaltet. Eine ähnliche Regelung ist in § 253 Abs. 3 Nr. 1 ZPO (i.V.m. § 15a EGZPO) des heute geltenden Rechts der Bundesrepublik Deutschland enthalten, wonach in der Klageschrift angegeben werden soll und in besonderen Fällen sogar muss, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen ADR-Verfahrens vorausgegangen ist. Da Nummer 2 des § 12 ZPO-DDR danach fragt, „was“ zur Konfliktbewältigung unternommen wurde und „warum seine Beilegung nicht möglich war“, impliziert sie, dass ein Einigungsversuch vor Anrufung des Gerichts zwingend stattzufinden hatte.24 Anders als die heutige Regelung des § 15a EGZPO der Bundesrepublik Deutschland, die bestimmt, dass die Bundesländer einen außergerichtlichen Einigungsversuch vor Klageerhebung durch das jeweilige Landesgesetz selbst und in Einzelfällen ausdrücklich regeln dürfen, galt auf dem Gesamtgebiet der DDR vielmehr eine sozialistische Pflicht zur Regelung der zwischenmenschlichen Konflikte, um sich gegenseitig zu diszipinieren. Anderenfalls hätte der Wortlaut des § 12 Abs. 2 ZPO-DDR dahingehend gelautet, „ob“ ein Einigungsversuch stattgefunden hatte.25 Der Zwang der Bürger zur sozialistischen Disziplin und Ordnung wird außerdem durch die Formulierung weiter deutlich, dass eine „Verpflichtung zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung“26 angemahnt worden ist. Bei dem mangelhaft ausformulierten § 12 ZPO-DDR handelt es sich mithin nicht nur um juristische Ungenauigkeiten, die der mangelnden Professionalität des Gesetzgebungsprozesses geschuldet sind. Der Zwang des DDR-Bürgers zu der Regelkonformität und dem Einklang mit der Gesinnung der DDR im Alltag wurde durch die sozialistische Pflicht, einen vorgerichtlichen Einigungsversuch i.S.d. §§ 12 21 Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz 1983, § 22 ZGB-DDR, S. 56. 22 S. dazu Böhme, S. 22 f. 23 Keil, S. 171 a.E. 24 Einschränkend auf Arbeitsrechtssachen Böhme, S. 92. 25 So der Wortlaut des § 253 Abs. 3 Nr. 1 der geltenden ZPO der Bundesrepublik; vgl. Zöller/Greger, § 253 ZPO Rn. 20a; anders Wieczorek/Schütze/Assmann, § 253 ZPO Rn. 126, der von einer „Zugangsvoraussetzung“ spricht. 26 Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, § 12 ZPO-DDR 2.2, S. 39.

A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen

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Abs. 2 i.V.m. 2 Abs. 1 ZPO-DDR vorzunehmen, erst ermöglicht.27 Zusammenfassend ist zu sagen, dass §§ 12 Abs. 2 i.V.m. 2 Abs. 1 ZPO-DDR einen – wenn auch subtilen – repressiven Regelungscharakter haben. aa) Die allgemeinen Verhaltenspflichten gemäß den Vorschriften des ZGB-DDR Für die Auseinandersetzung mit einer vorgerichtlichen Einigung sah § 16 des ZGB-DDR folgendes Vorgehen vor: „[…] Dem Verlangen auf Rechtsschutz sollen eigene Bemühungen der Beteiligten um eine Beilegung des Konflikts vorausgehen.“

Diese Vorschrift ist im vierten Kapitel des Ersten Teils des ZGB-DDR unter der Überschrift „Grundsätze über das Zusammenwirken von Bürgern und Betrieben“ angesiedelt. Der Abschnitt mit insgesamt vier Paragrafen (§§ 13 bis 16 ZGB-DDR) beschrieb, wie sich Bürger und Betriebe bei der Begründung und Ausübung ihrer Rechte und der Erfüllung ihrer Pflichten zu verhalten hatten. Besondere Erwähnung fand die Begrifflichkeit der Einhaltung des „sozialistischen Zusammenlebens“ in § 13 ZGB-DDR, die neben Beachtung der Gesetze, der Berücksichtigung der gesellschaftlichen Erfordernisse und der Rücksichtnahme auf berechtigte Interessen anderer eine allgemeine Verhaltenspflicht kodifizierte. Eine weitere Rechtspflicht stellte die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 14 ZGB-DDR dar. Jede privatrechtliche Gestaltung sollte nach § 14 ZGB-DDR vom Grundsatz der sozialistischen Moral geleitet sein. Demgemäß sollten eigene Interessen mit den Interessen anderer bereits in die vorvertragliche Gestaltung einbezogen werden. Folgerichtig dürfte davon auszugehen sein, dass bei der Bildung bloßer Gedanken über eine privatrechtliche Vereinbarung ein in der DDR lebender Bürger erheblichem Druck ausgesetzt war. Eine Privatautonomie, in dem Sinne, dass der Bürger nach seinem Willen frei handeln und seine eigenen Rechtsbeziehungen selbstbestimmt regeln kann,28 d. h. auch entscheiden kann, ob er ein Schuldverhältnis mit einer dritten Person begründet oder nicht, „und zwar jeweils willkürlich ohne Angabe von Gründen“29, hat es somit in der DDR nicht gegeben. bb) Die verantwortungsbewusste Rechtsausübung Die Abschaffung des Gedankens, dass in einem sozialistischen Staat generelle Vertragsfreiheit herrscht und diese durch den Grundsatz der Privatautonomie geschützt ist, wird durch die weitere Formulierung in § 15 Abs. 2 ZGB-DDR belegt. 27

Vgl. zum Verhältnis des Rechts zur Politik der DDR Böhme, S. 29. Flume, BGB-AT Bd. 2, S. 1; ders., in: FS für den Deutschen Juristentag, Bd. I, S. 135 (136, 141); so auch Leenen, BGB-AT § 4 Rn. 1; Medicus/Petersen, BGB-AT Rn. 174; Wolf/ Neuner, BGB-AT § 10 Rn. 27 f. 29 Wolf/Neuner, BGB-AT § § 10 Rn. 28. 28

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Danach war jedes privatrechtliche Verhalten unzulässig, wenn damit „den Grundsätzen den Rechtsvorschriften oder den Grundsätzen der sozialistischen Moral widersprechende Ziele verfolgt“ i.S.d. § 15 Abs. 2 ZGB-DDR wurden. Darüber hinaus war ein Vertrag gem. § 68 Nr. 2 ZGB-DDR nichtig, wenn dessen Inhalt mit den Grundsätzen der sozialistischen Moral unvereinbar war. Welche Voraussetzungen an die sozialistische Moral zu stellen waren, wurde im Zivilgesetzbuch nicht definiert, sondern vom Gesetz vielmehr vorausgesetzt. Es findet sich lediglich eine Umschreibung des sozialistischen Gedankens in § 2 ZGB-DDR wieder, wonach das Zivilrecht die sozialistischen Gemeinschaftsbeziehungen fördert und hilft, „die von den Anschauungen der Arbeiterklasse geprägten Grundsätze der sozialistischen Moral im Verhalten und Handeln der Bürger sowie in ihren Beziehungen untereinander und mit Betrieben durchzusetzen.“ cc) Die Mitwirkung der Mietergemeinschaft Auch im Mietrecht existierte eine vorgerichtliche Einigungsstelle. Die Beilegung von Konflikten wurde durch die Mietergemeinschaft geregelt.30 Die Gemeinschaft sollte sich mit Mietern, die hinsichtlich der Wohnraummiete Pflichtverletzungen begangen hatten, „kameradschaftlich“ i.S.d. § 119 ZGB-DDR auseinandersetzen und helfen, Konflikte zu vermeiden bzw. beizulegen. Der äußeren Erscheinung nach machte die Mietergemeinschaft den Eindruck eines mediatorischen Gremiums, welches bei der Konfliktlösung zwischen dem Vermieter und dem Mieter als neutraler Pol unterstützend tätig geworden ist. Die Regelung sollte zu „klärende[n] Aussprachen bei Meinungsverschiedenheiten“31 führen, um die Konfliktursache zu ermitteln und um der Entstehung neuer Konflikte vorzubeugen. Dies entspricht auch dem Grundsatz der Mediation nach dem heutigen Verständnis. Geht man dem Zweck der Regelung jedoch weiter auf den Grund, wird deutlich, dass die Neutralität von der sozialistischen Gesellschaftsordnung gar nicht erwünscht war. Vielmehr sollte die Mietergemeinschaft „erzieherische Einflußnahme“32 auf solche Mieter ausüben, die der Entwicklung sozialistischer Verhaltensweisen entgegenstehen. Auch hier war die außergerichtliche Einigung obligatorisch, § 121 Abs. 2 ZGB-DDR. Nach dem Wortlaut der Regelung sollte der Mieter durch die Mietergemeinschaft oder ein anderes Kollektiv zu einem Verhalten „veranlasst“ werden, das „den Regeln des sozialistischen Zusammenlebens entspricht“. Der Gegensatz, der Vermieter würde seine Pflichten nicht einhalten und müsse ebenfalls zur Einhaltung dieser veranlasst werden, war hingegen nicht geregelt. Dies spricht für ein Ungleichgewicht der Kräfte zwischen dem einzelnen Bürger und der Autorität 30

Gem. § 119 ZGB-DDR im zweiten Kapitel des dritten Teils (Wohnungsmiete). Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz 1983, § 119 ZGB-DDR, S. 163. 32 Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz 1983, § 119 ZGB-DDR, S. 163, § 121 ZGB-DDR, S. 167. 31

A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen

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des Kollektivs, welches eng mit dem Vermieter zusammengearbeitet hat.33 Der Grundgedanke der Umerziehung eines Menschen zu einem regelkonformen Verhalten und damit ein Handeln, Dulden oder Unterlassen zu erzwingen, widerspricht den Prinzipien der Mediation als auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortlichkeit der Parteien basierendes Konfliktbeilegungsverfahren. dd) Keine Rechtsordnung ohne Privatautonomie? Nicht nur der Gesetzeswortlaut der untersuchten Regelungen lässt erkennen, dass die Bürger in der DDR durch diese Vorschriften der ZPO-DDR sowie des ZGB-DDR in der Ausübung ihrer rechtsgeschäftlichen, privatautonomen Handlungen erheblich eingeschränkt waren. Die Bürger wurden aufgrund der sozialistischen Herrschaft in der DDR nicht vorrangig als Individuum betrachtet.34 Mit der Privatautonomie in sozialistischen Rechtsordnungen hat sich insbesondere Flume beschäftigt.35 Die Ansicht von Flume, wonach es keine Rechtsordnung ohne Privatautonomie gibt und folgerichtig auch in einer sozialistischen Ordnung diese zwar vorhanden, aber nur sehr begrenzt ist,36 mag auf andere sozialistische Staaten zutreffen. Flumes Aussage trifft jedenfalls nicht auf die Rechtsordnung der DDR zu, denn die Formulierungen der §§ 2, 15 ZGB-DDR lassen den Schluss zu, jedes Verhalten des Bürgers unter jedem Gesichtspunkt überprüfen zu können, sobald es Anhaltspunkte geben sollte, sich auch bei dem für den Staat unbedeutendsten privatrechtlichen Handeln nicht dem sozialistischen Moralgedanken zu unterwerfen. Die Angst, ungewollt in das Licht eines Dissidenten zu rücken, dürfte die Ausübung des Grundsatzes der Privatautonomie bereits im Keime erstickt haben. Eine derartige Einwirkung auf die Entschlussfreiheit erzwingt regelkonformes Verhalten,37 anstatt bei nicht regelkonformen Verhalten korrigierend einzugreifen. Ohne die verfassungsrechtlich geschützte Handlungsfreiheit existiert auch keine Privatautonomie, wie Flume zutreffend voraussetzt.38 Diese Handlungsfreiheit ist bei der Rechtsgestaltung der DDR jedoch insoweit nicht geschützt, als gerade privatautonomes Handeln unter die Bedingung, die sozialistische Moral einzuhalten, gestellt wird. Das sozialistische Zivilrecht der DDR greift bereits bei der Frage ein, was der Einzelne denken dürfe, und zensiert, was ihm nach der sozialistischen Moral verboten ist. Das Zivilrecht der DDR geht zudem von dem Ansatz aus, der Bürger müsse sich vor dem Staatsapparat für jedes privatrechtliche Verhalten rechtfertigen, anstatt dass der Staat seinen Eingriff gegenüber dem Bürger im Einzelfall rechtfertigen 33 Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz 1983, § 119 ZGB-DDR, S. 163 f. 34 Keil, S. 171 a.E. 35 Flume, BGB-AT Bd. 2, S. 1. 36 Flume, BGB-AT Bd. 2, S. 1. 37 Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz 1983, § 2 ZGB-DDR, S. 29. 38 Flume, BGB-AT Bd. 2, S. 1; vgl. auch Kessler, FS Wolff, S. 67 (69 Rn. 9, 70 f.).

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

muss.39 Der in der DDR lebende Bürger musste stets rechtfertigen, dass er sein „privatautonomes“ Verhalten vor Eingehung einer Rechtsbeziehung sorgfältig mit den Regeln sozialistischer Moral abgewogen hatte und sein Handeln damit i.S.d. §§ 2, 15 ZGB-DDR konform gewesen ist. Durch diese Zensur hat er keine Freiheit bzgl. des Vertragsinhalts, sodass eine freie Willensentschließung bzw. -betätigung nicht vorhanden ist.40 Im Falle des in sozialistischer Hinsicht unmoralischen Verhaltens, sollte er durch eine außergerichtliche Einigungssitzung umerzogen werden. Damit existierte nach den Vorschriften des ZGB-DDR kein privatautonomes Handeln, was freilich auch die Freiheit, sich durch selbstbestimmtes Verhalten auf Einigungsgespräche einzulassen beinhaltet. Ohne den Grundsatz der Freiwilligkeit kann kein Mediationsgedanke im ZGB-DDR erwachsen. Aus diesem Grund ist die Frage, ob der Mediationsgedanke aus den besonderen Vorschriften des ZGB-DDR über die vorgerichtliche Einigung hergeleitet werden kann, zu verneinen. b) Die Einigung nach den Vorschriften der ZPO-DDR Kam es zu einem gerichtlichem Klageverfahren vor dem Kreisgericht, dem erstinstanzlichen Gericht in der DDR, nachdem der Streit nicht außergerichtlich geklärt werden konnte, wurde die mündliche Verhandlung eingeleitet. Im Rahmen der Verhandlung wurde sodann die Sach- und Rechtslage erörtert sowie über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Beilegung des Konflikts beraten.41 Gem. § 42 Abs. 2 ZPO-DDR hat das Gericht die Aussichten zur Streitbeilegung kraft Einigung von Amts wegen zu prüfen. Es hat die Parteien des Weiteren bei der Lösungsfindung zu unterstützen, durch die eine Einigung erzielt werden kann. Diese Regelung ähnelt dem § 278 Abs. 1 der heute geltenden ZPO der Bundesrepublik Deutschland, wonach das Gericht auf eine Beilegung des Rechtsstreits bedacht sein soll. Bei der Betrachtung des § 46 Abs. 1 S. 1 ZPO-DDR im Zusammenhang mit § 42 Abs. 2 ZPO-DDR ist die Einigung der Parteien jedoch auch hier den Grundsätzen des sozialistischen Rechts und mithin der sozialistischen Moral unterworfen.42 Die Parteiwillkür wird somit auch auf dem Gebiet des Prozessrechts durch kollektivistisches Gedankengut eingeschränkt. Nicht die Einzelfallgerechtigkeit steht im Vordergrund, die das Prozessrecht herzustellen hat, sondern die Wirkung der Pro39

Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz 1983, § 2 ZGB-DDR 3., S. 29: „Das Zivilrecht wirkt auf die Einhaltung der Regeln der sozialistischen Moral, indem es für ihre Verletzung rechtliche Folgen vorsieht“. 40 Dies wird aber gerade von Kessler, im Rahmen der Privatautonomie gefordert, Kessler, FS Wolff, S. 67 (70 f.): Parteiwillkür. 41 Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, Vorbem. zum vierten Kapitel des ZGB-DDR., S. 82. 42 Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, § 46 ZPO-DDR 1.1, S. 89.

A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen

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zessentscheidung auf die sozialistischen Lebensgewohnheiten und Verhaltensweisen der Gesellschaft, die das Gericht beachten muss. In § 47 ZPO-DDR war darüber hinaus die Möglichkeit geregelt, dass die Bürger bereits vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung an einen Richter herantreten konnten, um mit seiner Hilfe ihren zivil- oder familienrechtlichen Konflikt beizulegen.43 Diese Methode ähnelt dem Güterichtermodell nach § 278 Abs. 5 der geltenden ZPO der Bundesrepublik Deutschland, wonach ein nicht entscheidungsbefugter Richter zur Konfliktbeilegung herangezogen werden kann. Nichtsdestotrotz besteht zwischen den beiden Regelungen insofern ein wichtiger Unterschied, als in der ZPO-DDR ein Gerichtsverfahren dadurch von vorneherein ausgeschlossen werden soll, dass das ZGB-DDR darauf drängt, sich ohne Zustandekommen eines Gerichtsverfahrens außergerichtlich zu einigen. Die Regelung der ZPO-DDR zielt darauf ab, bereits die Entstehung eines Verfahrens zu vermeiden (Prävention), sodass vor oder nach Anhängigkeit der Klage (und damit nicht erst nach Rechtshängigkeit) eine vorgerichtliche Einigung stattfinden kann.44 Systematisch stimmt § 47 ZPODDR insoweit mit dem Konzept der vorgerichtlichen Einigung nach den Vorschriften des ZGB-DDR überein, als eine Streitbeilegung ohnehin gem. § 16 ZGB-DDR obligatorisch gewesen ist. Auf diese Weise wurde dem Richter die Kompetenz eingeräumt, als Streitschlichter ohne Prozess tätig zu werden.45 § 47 ZPO-DDR verweist zudem auf § 46 Abs. 1 ZPO, sodass die Einigung vor dem Richter erneut unter dem Vorbehalt steht, dass die Regelung der Parteien mit der sozialistischen Lebensweise konform ist. Im Gegensatz hierzu soll das Güterichtermodell nach § 278 Abs. 5 ZPO der Bundesrepublik Deutschland auf den konkreten Streitfall angepasste Einzelfallgerechtigkeit herstellen, indem das Güteverfahren von der Entscheidungszuständigkeit des Richters getrennt wird und „dadurch eine privatautonome, von der Prozesslage unabhängige Konfliktlösung (zB mittels Mediation)“46 eröffnet wird. c) Die Aussöhnungsverhandlung in Ehescheidungssachen In Ehescheidungssachen war vor der Scheidungsverkündung eine Aussöhnungsverhandlung obligatorisch durchzuführen, § 48 Abs. 1 S. 1 ZPO-DDR.47 Diese Art der mündlichen Verhandlung vor dem Kreisgericht der DDR hatte das Ziel, die 43

Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, § 47 ZPO-DDR, S. 92. 44 Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, § 47 ZPO-DDR 1. und 2., S. 92. 45 A.A. Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, § 47 ZPO-DDR 2. a.E., S. 92. 46 Zöller/Greger, § 278 ZPO Rn. 25. 47 Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, § 48 ZPO-DDR 1., S. 93; Fischer-Langosch, S. 48 f.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Ehegatten zur Fortführung der Ehe zu bewegen.48 Sie sollten gemeinsam Aussprache über den Ehekonflikt und seine Ursachen halten und die Auswirkungen auf das künftige Zusammenleben bedenken. Welche Rolle das entscheidende Gerichtskollegium dabei spielte, wird durch folgende Formulierung deutlich: „Das Gericht soll Einfluß darauf nehmen, daß die Verpflichtungen der Ehegatten kontrollierbar sind und dazu beitragen, die ehelichen Beziehungen zu stabilisieren.“49

Gleichwohl wird im nächsten Satz angedeutet, dass die genannten Verpflichtungen keine Einigungen im gerichtlichen Sinne und ebenfalls nicht vollstreckbar seien.50 Eine öffentliche Austragung von intimen Details der Ehe dürfte wohl zumindest den Zweck gehabt haben, staatlich zu überprüfen, ob einer der Ehegatten nicht im Sinne der sozialistischen Moral und Sitte innerhalb der Ehe gelebt hatte und dies zur Trennung führte. Anderenfalls müsste nicht verdeutlicht werden, dass die Verpflichtungen der Ehegatten staatlich „kontrollierbar“ i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 1 ZPODDR seien. Nur in den folgenden Ausnahmefällen wurde gem. § 50 ZPO-DDR von der Aussöhnungsverhandlung abgesehen: das einvernehmliche Scheidungsbegehren der Ehegatten und kein Vorhandensein minderjähriger Kinder (Nr. 1), das Getrenntleben der Ehegatten seit mindestens zwei Jahren (Nr. 2), der Verzicht auf die persönliche Teilnahme an der Verhandlung (Nr. 3), das Leben eines Ehegatten außerhalb der DDR (Nr. 4) und die Entmündigung eines Ehegatten oder dessen Einweisung in eine „stationäre Einrichtung für psychisch Kranke“51 für unbestimmte Zeit. d) Der Rechtsschutz in der DDR Bei Streitigkeiten auf dem Gebiet des Zivilrechts war der Zugang zu Gerichten und anderen zuständigen staatlichen Organen gem. § 16 ZGB-DDR gewährleistet. Als Ausdruck des Prinzips der „eigenverantwortlichen Gestaltung der Zivilrechtsbeziehungen“52 waren dem Bürger gesellschaftliche Pflichten auferlegt, zu denen auch der Versuch einer außergerichtlichen Beilegung des Streits gehörte.53 Bei Klageeinreichung sollte in der Klageschrift gem. § 12 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO-DDR 48 Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, § 48 ZPO-DDR 2., S. 93; Fischer-Langosch, S. 48 f. 49 Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, § 48 ZPO-DDR 2.2, S. 93. 50 Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, § 48 ZPO-DDR 2.2, S. 93. 51 Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, § 50 ZPO-DDR, S. 95. 52 Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz 1983, § 16 ZGB-DDR, S. 45. 53 Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, Einl. Rn. 17.

A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen

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enthalten sein, inwieweit sich die Parteien um eine einvernehmliche Lösung bemüht haben und welche Institutionen oder staatlichen Organe sie bei der Lösungsfindung unterstützt hatten.54 Des Weiteren waren Konflikt- und Schiedskommissionen als sog. gesellschaftliche Gerichte55 der sozialistischen Rechtspflege teilweise obligatorisch dem Klageweg vorgeschaltet,56 um die Arbeitsgerichtsbarkeit zu ersetzen.57 e) Resümee Die vorgerichtliche Einigung ist aufgrund des verpflichtenden Charakters in der DDR bereits ein Mittel zur Bevormundung gewesen und diente als Erziehungsmaßnahme, um das sozialistische Gedankengut in der Gesellschaft zu stärken. Daher ist der heutige Zwang zur Mediation mit besonderer Vorsicht zu genießen. Dies gilt insbesondere für eine obligatorisch vorgeschaltete Mediation, die gemäß den Vorgaben der EU-Mediationsrichtlinie möglich ist und im Mediationsrecht der EUMitgliedstaaten ihren Niederschlag finden kann. Auf einen Zwang zur Eingehung der Mediation sollte insgesamt verzichtet werden, da eine solche Einwirkung auf die Freiheit vor dem Hintergrund der Rechtsgeschichte der DDR politisch aufgeladen ist. Es sollten andere Maßnahmen durch die EU-Mitgliedstaaten, insbesondere durch Deutschland, bevorzugt werden, um die Bürger davon zu überzeugen, sich für das Mediationsverfahren zu interessieren. Nach der skizzenhaften Darstellung des Rechts der DDR, das die außergerichtliche Einigungsversuche zum Gegenstand hatte, zeichnet sich ab, dass der Zwang zur vorgerichtlichen Einigung missbrauchsanfällig ist. Eine zwanghafte Einigung erweckt den Anschein, das Rechtssubjekt hätte kein Recht auf ein faires, gerichtliches Verfahren, was in der DDR auch tatsächlich der Fall war. Um die vorgerichtliche Mediation in der heutigen Zeit nach dem Inkrafttreten der EU-Mediationsrichtlinie nicht zu einem reinen Instrument der politischen oder gesellschaftlichen Erziehung herabzustufen, sollte auf die obligatorische Mediation vor Klageerhebung gänzlich verzichtet werden. Ein solches Gesetz, das die obligatorische Mediation regelt, kann gegenüber der Bevölkerung ein falsches Zeichen senden, das sie an die Zeit der DDR erinnert. Der Wortlaut der §§ 12 , 2 ZPO-DDR hat besonders gut verdeutlicht, dass der Zwang zur vorgerichtlichen Einigung missbraucht wurde, um zu kontrollieren, ob das sozialistische Gedankengut bis in die Privatsphäre der Bürger durchdrang. Die Pervertierung der alternativen Streitbeilegungsmethoden, die für die Bürger der DDR obligatorisch 54

Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz 1983, § 16 ZGB-DDR 2., S. 45; Kommentar zur Zivilprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 19. 06. 1975, Ministerium der Justiz, 8. Aufl. 1970, § 12 ZPO-DDR 2., S. 39; Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, Einl. Rn. 17. 55 Hierzu eingehend Böhme, S. 22 ff. 56 Gesetz v. 11. 07. 1968 über die gesellschaftlichen Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik (Abk. GGG), GBl. Nr. 11, S. 229, Ministerium der Justiz 1976, S. 38 ff. 57 Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 336.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

waren, hat die Privatautonomie und das Recht auf ein faires Verfahren ausgehöhlt. Ein solches Problem stellt sich in der heutigen Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Vorbehaltes des Gesetzes zwar nicht, der gewährleistet, dass ein staatlicher Eingriff nicht ohne Rechtsgrundlage stattfindet. Solange sich die Bürger im Rahmen der Grenzen der Privatautonomie bewegen, hat staatliches Handeln aber gar nicht erst zu erfolgen. Einen bestehenden Anspruch einzuklagen sollte nicht mit durch Zwang erschwert und damit nicht mit „Nachgeben“ negativ konnotiert werden, denn es handelt sich um ein nach Art. 103 Abs. 1 GG grundrechtlich garantiertes Recht auf rechtliches Gehör. Mit der obligatorischen Mediation bzw. einer anderen ADR-Form vor Klageerhebung wird dieses Grundrecht degradiert. Der Bürger kann das Gefühl staatlicher Bevormundung bekommen, was zum gegenteiligen Effekt führen kann, nämlich Widerstand statt Einigungsbereitschaft. Die Mediation nach dem heutigen Verständnis soll jedoch Hemmnisse ab- und nicht aufbauen. Aus historischer Sicht sollte daher auf den Mediationszwang verzichtet werden. Daran ändert der vorgeschobene Grund der Entlastung der Gerichte nichts. Bei der heutigen Regelung der §§ 253 Abs. 3 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 15a EGZPO erscheint ihr Sinn und Zweck noch immer fraglich. Ist der Zugang zu den Gerichten (vorübergehend) gesperrt, solange nicht eine außergerichtliche Einigung versucht wurde, kann in der Bevölkerung der Anschein einer staatlichen Erziehungsmaßnahme entstehen, der auf den Einzelnen entmündigend wirkt. Dieser Einwand kann, wie bei dem repressiven Regime der DDR, durchaus berechtigt sein. Das Mediationsrecht muss so ausgestaltet sein, dass es für die Bürger frei und freiwillig ist, um eine gefährliche Rückkehr zu totalitären Zeiten bereits im Ansatz zu verhindern und den Grundstein zu einer Fortentwicklung des Rechts zu legen, das auf Zwangsmaßnahmen verzichtet und die Mediation auf eine andere Weise fördert. 2. Der Mediationsgedanke in der Volksrepublik Polen Das Zivilverfahrensgesetzbuch der Volksrepublik Polen, kurz ZVGB-VRP, unterlag im Zeitraum von 1948 bis 1990 stetiger rechtlicher Anpassung und Angleichung an das Rechtssystem der UdSSR, was insbesondere zur Verstaatlichung des gesamten Wirtschaftssektors führte.58 Die Regelungen des Zivilverfahrensgesetzbuchs aus der Zeit vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden in der Nachkriegszeit durch eine Vielzahl an Dekreten zum einen wesentlich verändert, zum anderen aber auch auf Basis des Gesetzes aus dem Jahr 193259 zu einer Gesamtausgabe eines Zivilverfahrensgesetzbuchs vereinheitlicht.60 Ausschlaggebend ist

58 Lityn´ski, Historia Prawa Polski Ludowej, S. 201; s. auch Bratus/Fleishits/Khalfina, Einleitung zur Reform des Zivilprozessrechts in der Sowjetunion durch den Obersten Sowjet der UdSSR v. 08. 12. 1961, in: Soviet civil legislation and procedure (Übers.: Sdobnikov, Yuri), Moskau um 1963, S. 9. 59 Vom 01. 12. 1932, Dz. U. 1932 Nr. 112, Pos. 934. 60 Marciniak, in: Marciniak/Piasecki, ZVGB, 7. Aufl. 2016, Einl. Rn. 3.

A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen

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insoweit das Zivilverfahrensgesetzbuch der Volksrepublik Polen vom 17. 11. 196461, als die Kodifikationskommission zu dem Zeitpunkt eine endgültige Fassung des Gesetzes einführte,62 die bis heute noch für die heutige Republik Polen gültig und ausschlaggebend ist. Aus diesem Grund wird im Folgenden besonders auf die genannte Fassung des ZVGB-VRP eingegangen. Das Gesetzbuch enthielt weder für Private noch für Unternehmen Regelungen einvernehmlicher Konfliktbeilegung in Zivilsachen, die dem europäischen Mediationsgedanken gleichstehen. De lege lata bestanden jedoch zwei Möglichkeiten, mithilfe eines Dritten eine außergerichtliche Lösung anzustreben: Einerseits durch die Einigung vor einer betrieblichen Schiedskommission, andererseits durch die Einigung vor einer staatlichen Schlichtungsorganisation gem. Art. 10 des Gesetzes über das Privatklageverfahren63.64 Im Vergleich zu den zivilrechtlichen Regelungen der DDR wurde ein der Klageerhebung zwingend vorgeschalteter Einigungsversuch somit nicht vorausgesetzt,65 im Ergebnis ersetzten die Institutionen in der VRP ein gerichtliches Verfahren. Es wurde eine außergerichtliche Einigung von den Bürgern der VRP insoweit dennoch erwartet, als die Parteien ihre Konflikte mithilfe staatlicher sozialer Institutionen, z. B. auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts, zu lösen angehalten waren.66 Die für die Zeit prägendsten Verfahren sind das obligatorische Schiedsverfahren, die betriebliche Schiedskommission und weitere Schlichtungskollegien sowie das zivilprozessuale Sühneverfahren. a) Das obligatorische Schiedsverfahren Das obligatorische Schiedsverfahren war eine kommunistische Konfliktlösungsmethode, die am Ende des Zweiten Weltkriegs durch die Ausweitung des territorialen Machtbereichs der UdSSR auf Polen im Zivilprozessrecht Eingang fand. Im Grundsatz regelte das dritte Buch des ZVGB-VRP die Schiedsgerichtsbarkeit in den Art. 695 bis 715 sowie Art. 1105 § 3.67 Gem. Art. 695, 697 ZVGB-VRP waren die Streitpartien grundsätzlich berechtigt, das Schiedsgericht oder das ständige Schiedsgericht zur Lösung eines bestimmten Konflikts anzurufen.68 Obwohl das

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Dz. U. 1964 Nr. 43, Pos. 296. Marciniak, in: Marciniak/Piasecki, ZVGB, 7. Aufl. 2016, Einl. Rn. 3. 63 Vom 02. 12. 1960, Dz. U. Nr. 54, Pos. 308, aufeghoben am 01. 01. 1970. Art. 10 eröffnete die Möglichkeit bei Delikten wie der einfachen Körperverletzung oder der Beleidigung eine Art Täter-Opfer-Augleich durchzuführen. 64 Włodyka, Organizacja wymiaru sprawiedliwos´ci w PRL, Warschau 1963, S. 193. 65 S. o. unter Zweiter Teil, A.I.1. 66 Vgl. Dalka, Sa˛downictwo polubowne w PRL, Warschau 1987, S. 17. 67 Dz.U. v. 17. 11. 1964 Nr. 43, Pos. 296, dt. Übersetzung von Royen, in: Zivilverfahrensgesetzbuch der Volksrepublik Polen, Berlin 1967, S. 214 ff. 68 Dobrzan´ski, in: Resich/Siedlecki, Kodeks poste˛ powania cywilnego – komentarz I [Einleitung drittes Buch ZVGB-VRP], Warschau 1969, Art. 695 ZVGB-VRP, S. 966 und 62

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Schiedsverfahren eine außergerichtliche Streitbeilegungsform zwischen Privaten bereits zum damaligen Zeitpunkt darstellte, die sich vertraglich hierzu verpflichteten,69 wurde das Schiedsgerichtsverfahren – anders als heute – in der VR Polen als Zwangsmethode zur Lösung von Streitigkeiten zwischen „jednostki gospodarki uspołecznionej“70, d. h. „Einrichtungen der vergesellschafteten Wirtschaft“, eingesetzt.71 Dalka spricht in diesem Zusammenhang von einer obligatorischen Streitbeilegung im Rahmen der sozialistischen Wirtschaft.72 Das obligatorische Schiedsverfahren diente in der VR Polen gem. Art. 1 des Dekrets über das staatliche Wirtschaftsschiedsverfahren73 der Umsetzung des sechsjährigen staatlichen Wirtschaftsplans zur Einführung des Sozialismus.74 Da Handelsstreitigkeiten im Laufe der Zeit durch die Verstaatlichung verschwanden, kann sogar behauptet werden, dass sich der Anwendungsbereich der Schiedsgerichtsbarkeit im sozialistischen Rechtssystem auf Null reduzierte.75 Denn das Schiedsgerichtsverfahren, das grundsätzlich bei der Bewältigung wirtschaftlicher Konflikte durchgeführt wird, räumte den Parteien im Sinne des sozialistischen Gedankenguts der VR Polen keinerlei privatautonome Befugnisse ein. Die Durchführung eines Schiedsverfahrens in seiner eigentlichen Form wurde nach Ansicht der kommunistischen Literatur als Flucht vor der staatlichen Gerichtsbarkeit angesehen und galt als Werkzeug der kapitalistischen Monopole, um Kleinbetriebe der Macht der Großunternehmen unterzuorden.76 Nach Art. 711 § 3 ZVGB-VRP konnte ein Schiedsspruch oder Beschluss abgelehnt werden, wenn dieser gegen geltendes Recht oder gegen die Grundsätze des gemeinschaftlichen Zusammenlebens in der VR Polen verstieß.77 Auch durfte gem. Art. 699 § 2 ZVGB-VRP während seiner Amtszeit kein Berufsrichter als Schiedsrichter tätig werden, da dies eine mögliche Kollision mit seinen Pflichten als Richter und Organ der staatlichen Rechtspflege bedeutete und den eigentlichen Zweck der Art. 697 ZVGB-VRP, S. 969 f.; vgl. dt. Übersetzung von Royen, in: Zivilverfahrensgesetzbuch der Volksrepublik Polen, Berlin 1967, S. 214. 69 Dalka, Sa˛downictwo polubowne w PRL, Warschau 1987, S. 15; Dobrzan´ski, in: Resich/ Siedlecki, Kodeks poste˛ powania cywilnego – komentarz I [Einleitung drittes Buch ZVGBVRP], Warschau 1969, S. 965; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Tübingen 1975, Einl. § 2, S. 44 Rn. 43 mit grds. Ausführungen in Rn. 31 – 42; Siedlecki, Zarys poste˛ powania cywlinego, Warschau 1966, S. 560. 70 Lityn´ski, Historia Prawa Polski Ludowej, S. 53. 71 Lityn´ski, Historia Prawa Polski Ludowej, S. 53. 72 Dalka, Sa˛downictwo polubowne w PRL, Warschau 1987, S. 15. 73 Dz.U. v. 05. 08. 1949 Nr. 46, Poz. 340. 74 Der staatliche Wirtschaftsplan wurde durch Gesetz v. 21. 07. 1950, Dz. U. Nr. 37, Pos. 344, eingeführt. 75 A.A. Berutowicz, Poste˛ powanie cywilne w zarysie, Warschau 1984, 1.2.7.2, S. 37, der lediglich von einer „Verengung“ des Anwendungsbereichs spricht. 76 Z. B. Berutowicz, Poste˛ powanie cywilne w zarysie, Warschau 1984, 1.2.7.1, S. 37. 77 Dalka, Sa˛downictwo polubowne w PRL, Warschau 1987, S. 132.

A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen

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Schiedsgerichtsbarkeit verfehlen konnte.78 Die Vorschrift wurde dahingehend ausgelegt, dass Richter, die ihre Tätigkeit durch einen Berufswechsel aufgaben (z. B. in die Staatsanwaltschaft, Rechtsanwaltschaft, Beamtenlaufbahn) oder in den Ruhestand gingen, von dem Tätigkeitsverbot nicht erfasst waren.79 Dies vorwegnehmend: In der Republik Polen sind Richter, die ihr Amt ausführen, auch heute von der Mediatorentätigkeit ausgeschlossen. b) Die betriebliche Schiedskommsision Durch das Dekret über die Einführung von betrieblichen Schiedskommissionen80 wurden diese Arbeitsgruppen als Einigungsstellen eingerichtet, um jeglichen innerbetrieblichen Streit zum Arbeitsausfall bzw. die Unterbrechung der Arbeit auszuschließen. Zum Wohle der sozialistischen Volkswirtschaft sollte jede Streitigkeit schnell und direkt im Betrieb mit den Streitparteien gelöst werden.81 Voraussetzung für die Aufnahme als Kommissionsmitglied waren der Abschluss des 21. Lebensjahres, Kenntnisse im Arbeitsrecht, Berufserfahrung sowie Betriebszugehörigkeit von mindestens sechs Monaten.82 Alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit der konkreten Tätigkeit im Betrieb konnten vor der Kommission verbindlich beigelegt werden und haben dadurch die staatlichen Gerichte entlastet.83 Die Kommission sollte im ersten Schritt darauf hinwirken, dass die Streitparteien zunächst selbst zur Einigung finden, bevor sie den Parteien im zweiten Schritt eine eigene Lösung auferlegte.84 Durch die betrieblichen Schiedskommissionen wurde im Laufe der Jahre ein Ungleichgewicht zwischen den Parteien etabliert, weshalb die Institution in Kritik geriet.85 Sie erschuf eine Paralleljustiz, die von der Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung sowie von dem zu großen Einfluss der Leitung des jeweiligen Betriebs auf die Streitentscheidung geprägt war.86 Dabei sollte sie unabhängig vom Arbeitgeber im Sinne der kollektiven Arbeitermasse und für das Gemeinwohl der Volkswirtschaft gem. Art. 8 Pkt. 1 des Dekrets entscheiden.87 Die betriebliche 78

Dobrzan´ski, in: Resich/Siedlecki, Kodeks poste˛ powania cywilnego – komentarz I [Einleitung drittes Buch ZVGB-VRP], Warschau 1969, Art. 699 ZVGB-VRP, S. 978; Siedlecki, Zarys poste˛ powania cywlinego, Warschau 1966, S. 566. 79 Dobrzan´ski, in: Resich/Siedlecki, Kodeks poste˛ powania cywilnego – komentarz I [Einleitung drittes Buch ZVGB-VRP], Warschau 1969, Art. 699 ZVGB-VRP, S. 978. 80 Vom 24. 02. 1954, Dz. U. 1954 Nr. 10, Pos. 35, aufgehoben am 01. 01. 1975. 81 Einleitung des Dekrets, Dz. U. 1954 Nr. 10, Pos. 35, aufgehoben am 01. 01. 1975. 82 Borkowski/Kra˛kowski, Poradnik dla zakładowych komisji rozjemczych, Waschau 1961, S. 7. 83 Borkowski/Kra˛kowski, Poradnik dla zakładowych komisji rozjemczych, Waschau 1961, S. 3. 84 Art. 7 Pkt. 1 des Dekrets v. 24. 02. 1954, Dz. U. 1954 Nr. 10, Pos. 35; Włodyka, Organizacja wymiaru sprawiedliwos´ci w PRL, Warschau 1963, S. 184. 85 Włodyka, Organizacja wymiaru sprawiedliwos´ci w PRL, Warschau 1963, S. 185. 86 Włodyka, Organizacja wymiaru sprawiedliwos´ci w PRL, Warschau 1963, S. 185. 87 Vom 24. 02. 1954, Dz. U. 1954 Nr. 10, Pos. 35.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Schiedskommission erfüllte ihre Aufgaben im Sinne der Allgemeinheit, weshalb die Mitglieder nicht vergütet wurden und die Wahrnehmung der Interessen außerhalb der Arbeitszeiten stattfand.88 c) Andere gesellschaftliche Kommissionen und Kollegien mit Rechtsprechungscharakter In bestimmten Rechts- und Arbeitsbereichen wurden weitere Schlichtungsausschüsse gebildet. Für Entschädigungsansprüche bei Personenschäden, die aufgrund eines Unfalls im Bergwerk entstanden sind, waren die Kommissionen für Schäden im Bergbau zuständig.89 Besonders markant ist, dass Kommissionsmitglied gem. § 6 der Verordnung für die Kommissionen für Schäden im Bergbau vom 21. 10. 195490 nicht werden konnte, wer Mitarbeiter des Bergbauamts, Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt war. Unabhängige Dritte, die gem. § 5 der genannten Verordnung über technische, volkswirtschaftliche Kenntnisse verfügten und auf Fragen zum Bergbauschadensrecht spezialisiert waren, konnten sich als Kommissionsmitglied qualifizieren. Sie waren gem. § 5 der genannten Verordnung verpflichtet, die ihnen als Schlichter übertragenen Aufgaben auf redliche und unparteiliche Weise zu erfüllen. Die Mitglieder erhielten gem. § 19 der genannten Verordnung eine Vergütung für die Einigungssitzung, die in einer gesonderten Verordnung geregelt wurde, sowie Auslagen ersetzt, die im Zusammenhang mit der Einigungssitzung anfielen. Des Weiteren existierte eine Schlichtungskommission beim Patentamt, die hauptsächlich mit patent- und vergütungsrechtlichen Streitigkeiten in der verstaatlichten Wirtschaft befasst war.91 Darüber hinaus wurden auch Schiedskommissionen im Sinne einer zweiten und dritten Instanz eingerichtet, die mit Ablehnungsentscheidungen oder Streitigkeiten zwischen einem Staatsbetrieb und dem zuständigen Verwaltungsapparat befasst waren.92 Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gab es eine staatliche Schlichtungsstelle: das strafverwaltungsrechtliche Kollegium.93 d) Das Sühneverfahren In den Art. 184 bis 186 ZVGB-VRP war in der ersten Fassung des ZVGB-VRP der Ablauf des Sühneverfahrens – heute dem Güteverfahren ähnelnd – kodifiziert, 88

Włodyka, Organizacja wymiaru sprawiedliwos´ci w PRL, Warschau 1963, S. 184. Art. 65 des Dekrets v. 06. 05. 1953 über das Bergrecht, Dz. U. 1961 Nr. 23, Pos. 113, aufgehoben am 16. 02. 1978. 90 Dz. U. Nr. 47, Pos. 226, aufgehoben am 01. 07. 1978. 91 Art. 123 des Gesetzes v. 31. 05. 1962 über das Erfindungsrecht, Dz. U Nr. 33, Pos. 156, aufgehoben am 01. 01. 1973; Włodyka, Organizacja wymiaru sprawiedliwos´ci w PRL, Warschau 1963, S. 191. 92 Włodyka, Organizacja wymiaru sprawiedliwos´ci w PRL, Warschau 1963, S. 192. 93 Gesetz v. 15. 12. 1951 über die Rechtsprechung auf dem Gebiet des Ordnungswidrigkeitenrechts, Dz. U. 1959 Nr. 15, Pos. 79. 89

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wonach Zivilrechtsstreitigkeiten auch bereits vor Einreichung der Klageschrift durch einen gerichtlichen Vergleich beigelegt werden konnten, Art. 184 ZVGB-VRP.94 Auch der Vergleich wurde mit Einführung des Zivilgesetzbuchs der Volksrepublik Polen, kurz ZGB-VRP, vom 23. 04. 196495 in den Art. 917 und 918 gesetzlich verankert. Gem. Art. 10 ZVGB-VRP sollte das Gericht zu jedem Zeitpunkt des Verfahrensverlaufs auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinwirken,96 sodass grundsätzlich zwischen zwei Alternativen zu unterscheiden war. Der Prozessvergleich im Rahmen eines laufenden Klageverfahrens beendete das streitige Verfahren, während der Abschluss des Sühnevergleichs nicht als Prozesshandlung qualifiziert wurde.97 Nach Lapierre handelte es sich aber bei jeder Art des Vergleichs, der mithilfe des Gerichts abgeschlossen wurde, stets um den Vergleich i.S.d. materiellen Rechts gem. Art. 917 ZGB-VRP.98 Das Verfahren wurde gem. Art. 185 § 1 ZVGB-VRP unabhängig vom Streitgegenstand durch eine Aufforderung zur Durchführung eines Vergleichsversuchs beim zuständigen Kreisgericht eingeleitet.99 Die Vergleichsverhandlung wurde im Rahmen einer öffentlichen Sitzung durch einen Richter durchgeführt, Art. 185 § 2 ZVGB-VRP. Der Inhalt der Sitzung wurde gem. Art. 185 § 3 ZVGB-VRP protokolliert und, falls es zu einem Vergleich kam, wurde der wesentliche und rechtlich wirksame Vergleichsinhalt festgehalten.100 Art. 186 ZVGB-VRP regelte hingegen die Kostentagungspflicht, wonach gem. § 1 dem Antragsteller auf Antrag des Antragsgegners die für den Einigungsversuch entstandenen Kosten auferlegt wurden, sofern dieser der Sitzung ferngeblieben ist. Verschulden spielte hierbei keine Rolle. Die Kostentragungspflicht oblag im umgekehrten Fall gem. § 2, dem Antragsgegner, der der Sitzung fernblieb.101

94 Dz.U. v. 17. 11. 1964 Nr. 43, Pos. 296, dt. Übersetzung von Royen, in: Zivilverfahrensgesetzbuch der Volksrepublik Polen, Berlin 1967, S. 15 ist insoweit falsch, als das Wort „muß“ durch „soll“ zu ersetzen ist. 95 Dz. U. 1964 Nr. 16, Pos. 93. 96 Dz.U. v. 17. 11. 1964 Nr. 43, Pos. 296, dt. Übersetzung von Royen, in: Zivilverfahrensgesetzbuch der Volksrepublik Polen, Berlin 1967, S. 67. 97 Damals h.M. Lapierre, Ugoda sa˛dowa w polskim procesie cywilnym, Warschau 1968, S. 15. 98 Lapierre, Ugoda sa˛dowa w polskim procesie cywilnym, Warschau 1968, S. 68. 99 Siedlecki, in: Resich/Siedlecki, Kodeks poste˛ powania cywilnego – komentarz I [Einleitung drittes Buch ZVGB-VRP], Warschau 1969, Art. 185 ZVGB-VRP, S. 314. 100 Siedlecki, in: Resich/Siedlecki, Kodeks poste˛ powania cywilnego – komentarz I [Einleitung drittes Buch ZVGB-VRP], Warschau 1969, Art. 185 ZVGB-VRP, S. 315. 101 Siedlecki, in: Resich/Siedlecki, Kodeks poste˛ powania cywilnego – komentarz I [Einleitung drittes Buch ZVGB-VRP], Warschau 1969, Art. 185 ZVGB-VRP, S. 316.

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e) Resümee Der Ausschluss des Berufsrichters aus unterschiedlichen außergerichtlichen Konfliktlösungsmodellen hat in Polen eine lange Tradition und ist historisch aus Modellen des obligatorischen Schiedsverfahrens, der betrieblichen Schiedskommission und anderen gesellschaftlichen Streitbeilegungsinstituten erwachsen. Die Zeit des kommunistischen Regimes sorgte in Polen für eine Rechtsangleichung an das Rechtssystem der UdSSR, was für die Streitbeilegung und damit auch für das heutige Mediationsrecht prägend ist. Prägnant für die kommunistische Zeit Polens ist zudem die Schaffung einer Paralleljustiz durch die genannten alternativen Streitbeilegungskommissionen, die Misstrauen der Bürger in den Staat schürten. Der bereits erwähnte Zwang zum Konsens in Bezug auf die außergerichtliche Einigung in der DDR weist dabei Parallelen zu den ehemaligen polnischen Schlichtungskommissionen auf. Auch bei diesen Instituten handelte es sich um ein Mittel der Bevormundung sowie der kommunistischen (Um)Erziehung, um das sozialistische Gedankengut in der Gesellschaft zu verankern. Daher ist der heutige Zwang zur Mediation sowohl in der Republik Polen als auch in der Bundesrepublik Deutschland mit besonderer Vorsicht zu behandeln. 3. Zusammenfassung der Streitbeilegung in der DDR und in der VR Polen Die kommunistischen vorgerichtlichen Einigungsstellen stellen eine Streitbeilegungsform mit zwei Gesichtern dar. Einerseits unterstützten die Schlichtungsinstitutionen in der DDR und der VR Polen das eigenverantwortliche Handeln der Bürger. Andererseits wurden die privatrechtlichen Streitbeilegungsstellen von Staats wegen dazu pervertiert, eine Paralleljustiz zu schaffen, in welcher der einzelne Bürger vom Staat bis in den privaten Raum verfolgt und kontrolliert wurde. Auf diese Weise wurden entgegen den sozialistischen Sitten- und Moralvorstellungen handelnde Systemkritiker schnell ausfindig und anschließend mundtot gemacht, gegenüber den Mitbürgern oder Kollegen stigmatisiert oder strafrechtlich verfolgt. Deshalb könnte der damalige Missbrauch des Mediationsgedankens ein Grund dafür sein, dass heute nur wenige Bürger auf die Mediation, d. h. seit der Europäisierung des Mediationsgedankens durch die Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie in der Republik Polen, zurückgreifen.

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II. Die gesetzliche Regelung der Mediation in der Rzeczpospolita Polska seit 1989 Die Mediation in der Rzeczpospolita Polska, d. h. der Republik Polen, wird überwiegend dem Privatrecht zugeordnet (Zivil-, Handels-, Familienrecht).102 Es finden sich ebenfalls gesetzliche Regelungen zur Mediation im (Jugend-) Strafverfahren als Maßnahme der sog. restorative justice103, im Streikrecht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie im Verwaltungsrecht. 1. Die Regelung der Mediation auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts Die erste gesetzliche Verankerung der Mediation im polnischen Recht fand vor der Europäisierung des Mediationsrechts auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts statt.104 Für ein besseres Verständnis, warum die Mediation im kollektiven Arbeitsrecht für Polen von wesentlicher Bedeutung ist, ist zunächst der geschichtliche Hintergrund zu beleuchten. a) Der geschichtliche Hintergrund zur Mediation im Arbeitsrecht Das Recht auf einen Zusammenschluss zu Gewerkschaften in Polen reicht zurück bis ins Jahr 1921, in dem die polnische Verfassung die Bildung von Gewerkschaften grundrechtlich garantierte, wonach alle Bürger ein Recht zur Koalition, zur Versammlung und zum Zusammenschluss zu Vereinen oder zu anderen Vereinigungen haben.105 Das polnische Streikrecht und das Recht zur Bildung von Gewerkschaften ist aber auch durch die Politik der ehemaligen Sowjetunion geprägt. Die Gegenbewegung zu Nachbarländern, die von einem faschistischen Regime geführt wurden, führte zur Etablierung von Zusammenschlüssen der Arbeitnehmer insbesondere auf dem heutigen räumlichen Gebiet der Russischen Föderation.106 Dies wirkte sich auch auf die übrigen unter der Herrschaft des kommunistischen Regimes stehenden Länder aus. Um die polnischen Arbeitnehmerrechte nach der Teilung Polens im Jahr 1939107 zu stärken sowie die schweren Folgen der Ausbeutung der Arbeitskraft während des Zweiten Weltkriegs zu kompensieren, wurde das Gesetz über das Recht 102 Federczyk, Mediacja w poste˛ powaniu administracyjnym i sa˛dowoadministracyjnym, Warschau 2013, S. 36. 103 Eingehend zum Begriff und dessen Erklärung Mannozzi, ZStW 129 (2017), 559 f. 104 Federczyk, Mediacja w poste˛ powaniu administracyjnym i sa˛dowoadministracyjnym, Warschau 2013, S. 36. 105 Verfassung der Republik Polen v. 17. 03. 1921, Dz. U. Nr. 44, Pos. 207; Liszcz, Prawo pracy, 12. Aufl. 2018, Rn. 1339. 106 Liszcz, Prawo pracy, 12. Aufl. 2018, Rn. 1338. 107 Liszcz, Prawo pracy, 10. Aufl. 2014, Rn. 1337: Aufteilung unter den Staaten des Dritten Reiches und der UdSSR.

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zur Bildung von Gewerkschaften vom 01. 07. 1949108, durch die VR Polen daher mit dem Ziel beschlossen, die Interessen der Arbeiter in der Großindustrie zu stärken.109 In der Nachkriegszeit passte der Arbeitskampf zum Zwecke der Umsetzung besserer Arbeitsbedingungen allerdings nicht in das sozialistische Weltbild des totalitären, kommunistischen Regimes, welches nach außen hin vorgab, in dem perfekt funktionierenden System gäbe es schließlich nichts zu bemängeln.110 Die gesetzliche Regelung erweckte formell den Eindruck, den Bürgern würden umfassende Rechte eingeräumt. Praktisch war das Recht auf Gründung einer Gewerkschaft jedoch mit hohen bürokratischen Auflagen, eine solche Gewerkschaft bei der zuständigen Behörde zu registrieren, belastet. Das Gesetz war für die Bürger mithin unbrauchbar und stellte eine leere Hülle dar. Vielmehr wurde die Organisation der Gewerkschaften für die Propaganda der führenden Staatspartei missbraucht.111 Das Gesetz über das Recht zur Bildung von Gewerkschaften der VR Polen bestimmte nämlich in Art. 5, dass die Gewerkschaften von einem zentralen Gewerkschaftsverband repräsentiert werden. Dieser sog. Zentralrat der Gewerkschaften, abgekürzt mit CRZZ,112 war jedoch ein Teil des sowjetischen Staatsapparates.113 Wollte man Gewerkschaftsmitglied werden, musste man dem CRZZ beitreten. Wollte man seine Arbeitnehmerrechte als Mitglied der Gewerkschaft ausüben, musste man sein Amt somit zwangsläufig stets im Sinne der Partei ausüben. Standen die Arbeitnehmerinteressen im Konflikt zu Parteiinteressen, mussten die Arbeitnehmerinteressen weichen. Zuwiderhandlungen wurden mit Strafen und Disziplinarmaßnahmen geahndet.114 Des Weiteren hatte der Streik negative Folgen für Arbeitnehmer. Gemäß Art. 64 § 1 des Arbeitsgesetzbuchs der VR Polen in der Fassung vom 26. 06. 1974115 führte die Niederlegung der Arbeit bzw. die streikbedingte Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers unmittelbar zum Erlöschen des Arbeitsvertrags. In Art. 64 § 1 S. 1 des Arbeitsgesetzbuchs der VR Polen war die Arbeitsverweigerung dahingehend konkretisiert, dass auch die freiwillige Verweigerung der Verrichtung aufgetragener Aufgaben als Arbeitsaufgabe definiert wurde. Deshalb legte der Arbeitgeber den Art. 65 § 1 S. 1 i.V.m. Art. 64 § 1 des Arbeitsgesetzbuchs der VR Polen demgemäß aus, dass der Streik ebenfalls die freiwillige Verweigerung der Verrichtung aufgetragener Aufgaben darstellte. Auf diese Weise konnten selbstverwaltete Gewerk108

Dz. U. Nr. 41, Pos. 293, aufgehoben durch Art. 55 Nr. 2 des Gesetzes v. 08. 11. 1982, Dz. U. Nr. 32, Pos. 216. 109 Liszcz, Prawo pracy, 12. Aufl. 2018, Rn. 1340. 110 Vgl. dazu Stegemann, Gewerkschaften und kollektives Arbeitsrecht in Polen, BadenBaden 2011, S. 60. 111 Florek/Zielin´ski, Prawo pracy, Warschau 1997, Rn. 420. 112 Centralna Rada Zwia˛zków Zawodowych. 113 Liszcz, Prawo pracy, 12. Aufl. 2018, Rn. 1340. 114 So Stegemann, Gewerkschaften und kollektives Arbeitsrecht in Polen, Baden-Baden 2011, S. 60 mit dem Beispiel der Dezemberstreiks von 1970 von Arbeitern, die aufgrund der Lebensmittelknappheit und Preiserhöhungen protestierten und von der Wehrmacht erschossen wurden; s. zur Krise von 1970 auch Davies, Im Herzen Europas, München 2000, S. 14, 346. 115 Dz.U. Nr. 24, Pos. 141.

A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen

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schaften insoweit gar nicht erst entstehen, als jeder Arbeitnehmer entlassen wurde, sobald die Planung oder Durchführung eines Arbeiteraufstandes bekannt wurde.116 Ex post betrachtet war das ein sehr durchdachtes, taktisches Vorgehen des kommunistischen Regimes der VR Polen, welches durch das Schüren von Ängsten und Gewaltausübung eine effektive Lähmung des Arbeitskampfes über beinahe vier Jahrzehnte erzielten konnte. In der VR Polen entstanden in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts landesweite Arbeitnehmerstreiks, die durch die nationale Gewerkschaftsbewegung der sog. „Solidarnos´c´“, die mehr Rechte und mehr Freiheit durch die Abkopplung der Gewerkschaftsstruktur von der staatlichen Verwaltung einforderten, organisiert wurde.117 Die ersten Bewegungen kamen aus dem Milieu der Werftmitarbeiter in Danzig, Stettin und Jastrze˛ bie.118 Am 31. 08. 1980 wurde in der Danziger Werft das sog. Danziger Protokoll unterzeichnet. Dabei handelte es sich um eine Vereinbarung zwischen dem Überbetrieblichen Streikkomitee unter Vorsitz von Lech Wałe˛ sa sowie der Regierungskommission, die in den Punkten 4 und 7 die Abkopplung von der CRZZ forderten, was dazu führe, dass neben der zentralisierten Staatsorganisation nunmehr andere selbstverwaltete Gewerkschaften bestehen und autonom organisiert werden durften.119 Aufgrund der hierdurch hervorgerufenen Unruhen im Land und der herbeigeführten Auflösung der CRZZ120 wurde am 12. 12. 1981 der Kriegszustand auf dem Gebiet der Volksrepublik ausgerufen.121 Die entsprechend dem Danziger Protokoll geforderten Gesetzesanpassungen an die Erlaubnis zur Gründung von Gewerkschaften wurden jedoch stets durch die Verschiebung des Inkrafttretens dieser Gesetzesnovellen verhindert. Mit dem Gesetz über das Recht der Gewerkschaften122 hat die Regierung den Gewerkschaftspluralismus zwar normiert, welches seinem Inhalt nach das Streikrecht und die Dezentralisierung der Gewerkschaften erneut rein formell förderte. Die dem Gesetz innewohnenden, aber den materiellen Regelungen widersprechenden, Übergangs- und Schlussbestimmungen lösten praktisch erneut eine Lähmung der landesweit vorherrschenden Gewerkschaftsbewegung der überbetrieblichen NSZZ „Solidarnos´c´“123 aus: Die NSZZ-Gewerkschaft war damit nach Ansicht des Staatsapparats sowie mit dem Inkrafttreten des neuen 116

Liszcz, Prawo pracy, 10. Aufl. 2014, Rn. 1391 a.E. Liszcz, Prawo pracy, 10. Aufl. 2014, Rn. 1339. 118 Niezalez˙ny Samorza˛dny Zwia˛zek Zawodowy „Solidarnos´c´“, Protokoły porozumien´ [Verständigungsprotokolle], Warschau 1981. 119 Niezalez˙ny Samorza˛dny Zwia˛zek Zawodowy „Solidarnos´c´“, Protokoły porozumien´ – Protokół porozumienia z Gdan´ska v. 31. 08. 1980 [„Verständigungsprotokoll Danzig“ bzw. ist die Bezeichnung „Danziger Abkommen“ gängig], Warschau 1981. 120 Liszcz, Prawo pracy, 12. Aufl., Rn. 1342. 121 Art. 1 des Dekret o stanie wojennym vom 12. 12. 1981 [Dekret über den Kriegszustand], Dz. U. v. 13. 12. 1981, Nr. 29, Pos. 154. 122 Ustawa o zwia˛zkach zawodowych [Gesetz über Gewerkschaften], Dz. U. v. 08. 10. 1982, Nr. 32, Pos. 216. 123 Niezalez˙ ny Samorza˛dny Zwia˛zek Zawodowy „Solidarnos´c´“. 117

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Gewerkschaftsgesetzes offiziell verboten und durfte ihre Gewerkschaftstätigkeit nicht mehr ausüben.124 Dies verdeutlicht beispielsweise Art. 52 der Übergangs- und Schlussbestimmungen des Gewerkschaftsgesetzes, wonach alle bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes eingetragenen Gewerkschaften, damit auch die NSZZ Solidarnos´c´, ihre Rechtsfähigkeit kraft Gesetzes verloren. In Art. 53 dieses Gesetzes wurde darüber hinaus die Aufnahme der Gewerkschaftstätigkeit übergangsweise bis zum 01. 01. 1985, d. h. auf ca. vier Jahre, hinausgeschoben. Die Gewerkschaften waren zudem selbst im Falle einer Neuregistrierung gem. Art. 54 insoweit mittellos, als das Gewerkschaftsvermögen mit Inkrafttreten des Gesetzes der Staatskasse zufließen musste. Auch die Straf- und Bußgeldvorschriften bedeuteten den Freiheitsentzug sowie einen finanziellen Ruin. Den Streikenden drohte bereits bei geringsten Verstößen gegen die Bestimmungen des Gesetzes gem. Art. 47 eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer hohen Geldstrafe. Das kommunistische Regime versuchte hierdurch ihre Gegner einzuschüchtern und von dem aktiven Widerstand abzuhalten. Mit den Gesetzen legitimierte die VR Polen zudem das gewaltsame Vorgehen gegen die im Untergrund handelnde Bewegung NSZZ für weitere Jahre.125 b) Das Gesetz über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht Am 23. 05. 1991, zwei Jahre, nachdem Polen im Jahr 1989 die Möglichkeit einer souveränen und demokratischen Selbstbestimmung über das „Schicksal des eigenen Vaterlandes wiedererlangte“126, entstand eine gesetzliche Regelung der Mediation auf dem Gebiet des Arbeitsrechts: das Gesetz über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht.127 Nach den massiven Streiks und Ausschreitungen, die maßgeblich zum Fall des kommunistischen Regimes in Polen unter der sowjetischen Herrschaft Russlands beigetragen hatten, entstand ein großes Bedürfnis der Regelung eines Ablaufs von Arbeitnehmerstreiks und einer zielführenden Streitbeilegung ohne Repression durch die unter dem Einfluss des kommunistischen Regimes stehenden Arbeitgeber. Es sollte einen interessengerechten und auf beiden Seiten fair gestalteten Arbeitskampf geben, der durch das Prinzip der Waffengleichheit geleitet wird.

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Davies, Im Herzen Europas, München 2000, S. 341 f. Liszcz, Prawo pracy, 12. Aufl. 2018, Rn. 1345, 1347; Das Gesetz über das Recht der Gewerkschaften v. 08. 10. 1982 wurde im 1991 durch Art. 48 des neuen Gesetzes über das Recht der Gewerkschaften v. 23. 05. 1991 und damit 9 Jahre später außer Kraft gesetzt, Dz. U. 1991, Nr. 55, Pos. 234. 126 So lautet der Beginn der Präambel der Polnischen Verfassung vom 02. 04. 1997, Dz. U. 1997 Nr. 78 Pos. 483. 127 Dz. U. 1991 Nr. 55 Pos. 236, zuletzt geändert am 20. 02. 2015, Dz. U. 2015 Nr. 0 Pos. 295. 125

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aa) Einführung Das Gesetz über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht beinhaltet zwei Zielsetzungen: Die Streitparteien sollen zu einer Verständigung geführt werden und die Zahl der Streiks soll weitestgehend einschränkt werden.128 Der Ursprung der doppelten Zweckrichtung des Gesetzes liegt in den von der Gewerkschaftsbewegung NSZZ Solidarnos´c´ organisierten Massenstreiks der 80er Jahre, welche in dem Zusammenbruch der VR Polen mündeten.129 Zuvor wurden die Bürger und insbesondere auch die für die NSZZ-Bewegung tätigen Werftmitarbeiter über mehrere Jahrzehnte von dem Staatsapparat der VR Polen sowie der Sowjetunion an der Ausübung ihrer Freiheitsrechte gehindert. Um die von der Gewerkschaftsbewegung ausgehende Macht über den Staat und die Repression des Staates auf die Bürger in der neu gegründeten demokratischen Republik für die Zukunft zu verhindern, sieht das polnische Gesetz über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht nunmehr die Mediation als gewaltfreie Methode der Konfliktlösung für Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor. bb) Der Aufbau des Mediationsrechts im kollektiven Arbeitsrecht Das Gesetz über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht ist in sechs Kapitel untergliedert. Im ersten Kapitel, dem allgemeinen Teil von Artt. 1 bis 6, beschreibt das Gesetz die am Verfahren beteiligten Parteien: die Arbeitnehmerseite einerseits, vertreten durch eine oder mehrere Gewerkschaften, und die Arbeitgeberseite andererseits, ggf. vertreten durch Arbeitgeberverbände. Beginn, Dauer und Ende der Verhandlungen sind im zweiten Kapitel (Art. 7 bis Art. 9) geregelt. Im dritten Kapitel (Art. 10 bis Art. 16) unter der Überschrift „Mediation und Schiedsverfahren“ finden sich die beiden Streitbeilegungsmodelle, die für die Beilegung des Konflikts abschließend vorgesehen sind. Eine umfangreiche Regelung des Streikrechts als ultima ratio des Arbeitskampfes stellt das vierte Kapitel (Art. 17 bis Art. 25) dar. Neben den Übergangs- und Schlussbestimmungen des sechsten Kapitels (Art. 27 bis Art. 29) sind im fünften Kapitel zudem Sanktionsbestimmungen für den Fall des Verstoßes gegen das Gesetz (Art. 26) vorgesehen. Insbesondere sind neben dem Ordnungsgeld auch Schadensersatzansprüche für die aus dem widerrechtlich geführten Streik entstandenen Schäden vorgesehen. cc) Die Mediationsvorschriften des Gesetzes über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht Das Gesetz über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht ordnet gem. Art. 10 an, dass, sofern die Verhandlungen zwischen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite kein Ergebnis geliefert haben und eine Partei ihre Forderungen wei128 129

Florek/Zielin´ski, Prawo pracy, Warschau 1997, Rn. 478. S. dazu oben unter Zweiter Teil, A.II.1.a).

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terhin aufrechterhält, die Streitigkeit unter Zuhilfenahme eines Mediators fortgeführt wird, der seine Unparteilichkeit den Parteien gegenüber garantiert. Dies bedeutet, dass die Verhandlungen130 zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf erster Stufe stehen und der Mediation vorgelagert sind. Unter der Voraussetzung, dass die Verhandlungen gescheitert sind, wird sodann auf zweiter Stufe die Mediation eingeleitet. Bei Erfolglosigkeit des Mediationsverfahrens ist gem. Art. 9 ein Protokoll zu verfassen, in dem die Streitpunkte festgehalten werden. Im Anschluss suchen beide Parteien gemeinsam einen Mediator aus, Art. 11 Abs. 1 S. 1. Art. 11 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht sieht ein Mediatorenverzeichnis vor, den der zuständige Minister für Arbeitssachen in Abstimmung mit den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften veröffentlicht.131 Des Weiteren ist geregelt, wer die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite repräsentiert, nämlich die sog. „Rada Dialogu Społecznego“, d. h. der Rat des gesellschaftlichen Dialogs. Der gesellschaftliche Dialog ist neben der Achtung der Freiheit und der Gerechtigkeit sowie der Zusammenarbeit der öffentlichen Gewalten bereits in der Präambel der polnischen Verfassung132 genannt und ist mithin für das Demokratieprinzip der Republik Polen von besonderer Bedeutung. Gegründet wurde der Rat des gesellschaftlichen Dialogs durch das Gesetz über den Rat des gesellschaftlichen Dialogs und anderer Institutionen des gesellschaftlichen Dialogs vom 24. 07. 2015.133 Der Rat ist gem. Art. 1 Abs. 1 ein Forum zur Zusammenarbeit mit Vertretern der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber sowie der Regierung, die gem. Absatz 2 einen Dialog führen, um möglichst ausgeglichene Voraussetzungen für die gesellschaftlich-wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu schaffen. Der Rat hat nach den Woiwodschaften gegliederte Unterräte, die gem. Art. 45 Abs. 1 befugt sind, einen sog. Vertreter des guten Willens („osoba z misja˛ dobrej woli“) für die Mediatorenliste für die jeweilige Region vorzuschlagen. Nach derzeitiger Regelung untersteht die Wahl eines Mediators keiner Willkür und auch nicht der Beeinflussung einer der drei Parteien. Die heutige Regelung schafft damit Transparenz und die dezentrale Struktur sorgt für eine bessere Anpassung an die regionalen Besonderheiten des Landes. Dadurch, dass der Mediator von der Arbeitnehmer-, der Arbeitgeberseite sowie der Regierung einvernehmlich bestimmt wird,134 bleibt wenig Raum, an der Neutralität des Mediators zu zweifeln. 130

Lohnrunde, Tarifgespräche, etc. Die Mediatorenliste ist nach Woiwodschaften gegliedert und online abrufbar unter http:// www.dialog.gov.pl/dialog-krajowy/rada-dialogu-spolecznego/, Stand: 19. 12. 2018. 132 Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej [Verfassung der Republik Polen] v. 02. 04. 1997, Dz.U. Nr. 78, Pos. 483. 133 Ustawa o Radzie Dialogu Społecznego i innych instytucjach dialogu społecznego [Gesetz über den Rat des gesellschaftlichen Dialogs und anderer Institutionen des gesellschaftlichen Dialogs], Dz.U. 2015, Pos. 1240. 134 Vgl. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. 45 Abs. 1 ustawa o Radzie Dialogu Społecznego i innych instytucjach dialogu społecznego [Gesetz über den Rat des gesellschaftlichen Dialogs und anderer Institutionen des gesellschaftlichen Dialogs] v. 27. 08. 2015, Dz.U. 2015 Pos. 1240. 131

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Im Falle der Uneinigkeit über die Mediatorenauswahl sieht Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht vor, dass die Vertretung der Regierung über die Wahl des Mediators entscheidet. Hierbei wird die Rolle der Regierung deutlich: Sie dient neben dem Mediator als neutrale Partei, die bei Uneinigkeit der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite unterstützend tätig wird. Sofern keine Einigung über die Mediatorenauswahl innerhalb von fünf Tagen erfolgt, entscheidet auf Antrag der Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite die Regierungsvertretung und ernennt einen geeigneten Mediator aus der Mediatorenliste. Um die Mediation effektiver und schneller zu gestalten, um Arbeitsprozesse innerhalb des Betriebs nicht zu verzögern und den Parteien die Möglichkeit einer bewussten taktischen Verzögerung zum Zeitgewinn zu nehmen, ist die Entscheidung eines Dritten135 durchaus von Vorteil. Da die Regierungsvertretung einen Mediator lediglich im Falle eines Dissenses eigentständig auswählt und damit keinen direkten Einfluss auf die Lösung der Streitigkeit selbst hat, besteht nur ein geringes Risiko, dass der Staat einen Einfluss auf den Ausgang des Streitfalls, beispielsweise zugunsten des Arbeitgebervertreters, nimmt. Die polnische Regierung entscheidet zudem nicht über die Aufnahme des Mediators in das Verzeichnis, sondern der jeweilige Unterrat, in dem die Arbeitgeberseite, die Arbeitnehmerseite und der Repräsentant der Woiwodschaft vertreten ist. Die Vergütung des Mediators ist in Art. 11 § 3 des Gesetzes über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht in der Fassung aus dem Jahr 2015 gegenüber der älteren Fassung aus dem Jahr 1991 nunmehr ausdrücklich erwähnt. Die Entlohnung sowie Auslagen werden an die Dauer der Mediation angepasst. Die Höhe des Minimalsatzes für Mediatorenvergütungen wird durch den Minister für Arbeit, Politik und Soziales in der dazugehörigen Verordnung festgelegt.136 Eine detaillierte Beschreibung der Kosten der Tätigkeit des Mediators findet sich darüber hinaus in Art. 111. Die auf diese Weise entstandenen Kosten werden gem. Art. 111 § 4 unter den Parteien gleichermaßen aufgeteilt, es sei denn, sie einigen sich auf eine andere Kostenverteilung. Das System einer solchen Kostenverteilung ist dem deutschen Arbeitsrecht insoweit nicht fremd, als der Ausschluss der Kostenerstattung durch die unterliegende Partei die Waffengleichheit wahrt. Der schwächere Partner wird nicht mit dem Kostenrisiko des anderen belastet, um zu verhindern, dass er seine Ansprüche aus Angst vor zu hoher Kostenbelastung, sollte er im Prozess unterliegen, bewusst nicht geltend macht.137 Gem. Art. 111 § 5 des Gesetzes 135 Die Mediation in Zivil- und Handelssachen sieht vor, dass das Gericht einen Mediator auswählt, sofern sich die Streitparteien uneinig sind, Art. 1839 § 1 ZVGB, Dz.U. 1964 Nr. 43 Pos. 296. 136 Rozporza˛dzenie Ministra Gospodarki i Pracy w sprawie warunków wynagradzania mediatorów z listy ustalonej przez ministra włas´ciwego do spraw pracy [Verordnung des Wirtschafts- und Arbeitsministers über die Vergütung der ins Verzeichnis des Arbeitsministers aufgenommenen Mediatoren], Dz. U. v. 08. 12. 2004, Nr. 269, Pos. 2673. 137 § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 1 Abs. 2 Nr. 4 GKG; Kalb, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, § 12a ArbGG Rn. 1.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht können die Kosten des Mediators in besonderen Fällen durch das Ministerium erstattet werden, allerdings nur in der Höhe der Vorgaben der Verordnung. Die mittellose Partei muss diesbezüglich ihre finanzielle Hilfebedürftigkeit nachweisen. Fraglich ist, welcher Mehrwert den Parteien durch die Zwischenschaltung eines Mediators entsteht,138 zumal vor der Durchführung des Mediationsverfahrens die Verhandlungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer gescheitert sind. Der Mehrwert ergibt sich aus dem Gesetz selbst: Er liegt in der Behebung der Missstände und Streitursachen durch eine nicht interessengeleitete Person und die Vermeidung eines Streiks (Art. 15), bzw. eines Schiedsverfahrens (Art. 16), da beide hohe Kosten auslösen und, je nach Unternehmensgröße, zur Insolvenz des Arbeitgebers führen können. Auch ist zu beachten, dass ein Schiedsverfahren anstatt einer Mediation die Ausübung des Streikrechts verhindern könnte, da die Entscheidung im Schiedsverfahren bindend ist. Würde ein Schiedsurteil zulasten der Arbeitnehmerseite ergehen, hätte sie keine Grundlage zur Ausübung des Streikrechts. Zur Ausübung des Streikrechts ist die Arbeitnehmerseite nur befugt, wenn die Mediation gescheitert ist, Art. 15. Das Recht auf Organisation und Durchführung eines Streiks ist darüber hinaus verfassungsrechtlich in Art. 59 Pkt. 3 S. 1 der Verfassung der Republik Polen garantiert. Zwar spricht Art. 16 Pkt. 6 des Gesetzes über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht davon, die Entscheidung des Schiedsgerichts sei für die Parteien bindend, es sei denn eine Partei habe vor Antragstellung eine Bindung an die Entscheidung abgelehnt. Müsste die Gewerkschaft bei jeder Antragstellung die Bindung an die Entscheidung ablehnen, würde dies einen Widerspruch zum Recht auf Organisation und Durchführung eines Streiks bedeuten: Es würde hiernach kein Abwehrrecht gegen den Staat mehr darstellen, sondern eine Rechtfertigung für die Ausübung des verfassungsrechtlich zugesprochenen Rechts. Die Arbeitnehmerseite und damit die Rechtssubjekte müssen sich jedoch nicht für ein ihnen zugesprochenes Recht rechtfertigen. Sie müssen sich nur rechtfertigen, wenn sie entgegen des Rechts handeln. Dies stellt auch nach polnischem Verfassungsrecht den Ausdruck des Vorbehalts des Gesetzes dar.139 Bei zeitlicher Überschreitung der terminierten Mediation ist die Möglichkeit eines einmaligen, zweistündigen Warnstreiks vorgesehen, Art. 12 des Gesetzes über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht. Dabei wird nicht an ein Verschulden der jeweiligen Partei angeknüpft. Diese Regelung soll im Falle einer nachträglich schiedsgerichtlichen Auseinandersetzung etwaige Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer ausschließen, Art. 26 des Gesetzes über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht. Die Befugnisse des Mediators sind in Art. 13 des Gesetzes über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht geregelt, wobei die Norm zunächst feststellenden 138 Dies bemängelten bereits Florek/Zielin´ski, Prawo pracy, Warschau 1997, Rn. 480 vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung. 139 Art. 31 Abs. 3 S. 1 der polnischen Verfassung; Diemer-Benedict, ZaröRV 1998, S. 214.

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Charakter hat. Er kann weitere Informationen zum bisherigen Ablauf der Verhandlungen erfragen und darf gem. Art. 13 § 2 auch vorschlagen, die Wirtschaftlichkeit und Kreditwürdigkeit der am Streit beteiligten Betriebsstätte mithilfe eines Wirtschaftsprüfers feststellen zu lassen, wenn dies die Verhandlungen fördert. Hinzuzufügen ist, dass der Arbeitgeber gem. Art. 2414 § 1 des Arbeitsgesetzbuchs verpflichtet ist, der Arbeitnehmervertretung bereits während der vor der Mediation geführten Verhandlungen alle Informationen über den ökonomischen Zustand des Betriebs zugänglich zu machen, die für die Verhandlungen entscheidend sind.140 Die erfolgreiche Mediation wird durch die von beiden Seiten unterzeichnete Abschlussvereinbarung gem. Art. 14 beendet. Im Falle, dass die Parteien die Mediation als gescheitert ansehen, wird im Beisein des Mediators ein Abschlussprotokoll über den Ablauf der Verhandlungen angefertigt, in dem auch die bis dahin erzielten Ergebnisse sowie das Scheitern der Mediation festgehalten werden. Des Weiteren werden die gegenseitigen Forderungen, die weiterhin aufrechterhalten werden, positioniert. Einer solchen Dokumentation kann die nächste Eskalationsstufe, der Beginn des Streiks gem. Art. 15 oder auch die Anrufung des Schiedsgerichts gem. Art. 16, folgen. 2. Die Mediation im Strafrecht gemäß Art. 23a des polnischen Strafverfahrensgesetzbuchs Ähnlich dem sog. Täter-Opfer-Ausgleich gem. § 46a Nr. 1 StGB im deutschen Recht sieht die den Strafprozess betreffende Vorschrift des Art. 23a des polnischen Strafverfahrensgesetzbuchs, kurz StVGB,141 als Institut der sog. restorative justice142 eine Mediation vor. Die Mediation ist dabei nicht nur im Strafverfahren,143 sondern auch im Privatklageverfahren gem. Art. 489 § 2 StVGB möglich. Als Anreizfunktion haben beide Regelungen gemeinsam, dass sie dem Täter die Möglichkeit einer Strafmilderung eröffnen. Die Strafmilderung aufgrund einer durchgeführten Mediation richtet sich im polnischen Strafrecht nach Art. 53 § 3 StGB, wonach das Gericht die positiven Auswirkungen der Mediation auf das Opfer und den Täter oder den zwischen ihnen geschlossenen Vergleich, der den entstandenen Konflikt beendet hat, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen hat (fakultative Strafmilderung).144 140 Art. 2414 des Arbeitsgesetzbuchs in der Fassung vom 26.06.17, Dz. U. Nr. 24, Pos. 141, zuletzt geändert 2015, Dz. U. 2015 Pos. 1066, 1220, 1224, 1240, 1268, 1735; krit. zu Art. 2414 des pln. Arbeitsgesetzbuchs S´wia˛tkowski, Polskie prawo pracy, 4. Aufl. 2014, Rn. 870. 141 Vom 06. 06. 1997, Dz.U. 1997 Nr. 89, Pos. 555, zul. geändert durch G. v. Dz.U. 2016 Nr. 0, Pos. 2261. 142 Morek, Beilage Nr. 20 zu MoP 2006, 14; eingehend zum Begriff und dessen Erklärung Mannozzi, ZStW 129 (2017), 559 f. 143 In der ersten Instanz kann der Vorsitzende Richter in die Mediation gem. Art. 339 § 4 StVGB verweisen. 144 Konarska-Wrzosek, in: Stefan´ski, Strafgesetzbuch Kommentar, 4. Aufl. Warschau 2018, Art. 53 Rn. 57.

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Die Mediation im Strafrecht existiert seit Inkrafttreten des Strafverfahrensgesetzbuchs im Jahr 1998145. Das Mediationsverfahren im polnischen Strafrecht war ursprünglich in Art. 320 StVGB a.F. angesiedelt. Die Mediationsnovelle im Strafrecht aus dem Jahr 2003 hob den Art. 320 StVGB a.F. auf und ersetzte ihn durch den überwiegend neu ausformulierten Art. 23a StVGB.146 Im gleichen Jahr wurde auf dessen Grundlage eine Verordnung des Justizministers über das Mediationsverfahren in Strafsachen erlassen,147 die den Ablauf des Mediationsverfahrens, die Anforderungen an den Mediator sowie die Eintragung in das vom Bezirksgericht, welches dem deutschen Landgericht entspricht, geführte Mediatorenverzeichnis regelt. a) Die Regelung der Mediation im Strafrecht nach Art. 23a StVGB Die Mediation im Strafrecht basiert auf dem Gedanken der Personalisierung des Konflikts.148 Es geht um die Übernahme der Verantwortung durch den Täter persönlich. Der Staat soll in konkreten Fällen und in einem bestimmten Umfang dem Opfer die Wahl überlassen, ob es selbst am Ausgleich für das begangene Unrecht durch den Täter mitwirkt, indem es eigenverantwortlich über eine Ausgleichslösung mit dem Täter übereinkommt, oder es die Entscheidung dem Staat überlässt. Die Mediation gem. Art. 23a StVGB ist im Allgemeinen Teil des Strafverfahrensgesetzbuchs angesiedelt. Damit ist die Vorschrift vor die Klammer gezogen und kann auf jede Lage des Strafverfahrens des Besonderen Teils des StVGB angewendet werden.149 Eingeleitet wird die Mediation auf Vorschlag des Geschädigten, des Angeklagten oder beider Parteien, Art. 23a § 1 StVGB. Die Einleitung erfolgt durch die Verweisung des Gerichts oder des Rechtspflegers, es sei denn, die Mediation soll bereits im Rahmen des vorbereitenden Verfahrens stattfinden. Im vorbereitenden Verfahren werden die Strafbarkeit des Verdächtigen, Art und Umfang der entstandenen Schäden ermittelt, Beweise gesammelt und ggf. Zeugen sowie das nähere Umfeld der Beteiligten vernommen.150 In diesem Stadium ist grundsätzlich der Staatsanwalt mit der Sache befasst, sodass er gem. Art. 23a § 1 StVGB und nicht das Gericht in die Mediation verweist. Darüber hinaus sind die Beteiligten über das Beweisverbot des Art. 178a StVGB zu belehren, welcher eine Vernehmung des Mediators als Zeugen ausschließt. Diese Norm soll die Beteiligten über das Prinzip 145 Art. 1 des Einführungsgesetzes zum polnischen Strafverfahrensgesetzbuch, kurz EGStVGB v. 06. 06. 1997, Dz.U. 1997 Nr. 89 Pos. 556; zuvor galt das Strafverfahrensgesetzbuch der VR Polen aus dem Jahr 1969, Dz.U. 19. 04. 1969 Nr. 13, Pos. 96, welches durch Art. 3§ 1 EGStVGB aufgehoben wurde. 146 D.z.U. v. 10. 01. 2003 Nr. 17, Pos. 155; zum Unterschied der alten und neuen Regelung eingehend Skrzypczak, MoP 2003, S. 354 (355 f.). 147 Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie poste˛ powania mediacyjnego w sprawach karnych v. 13. 06. 2003, Dz.U. 108, Pos. 1020; geändert durch Verordnung v. 07. 05. 2015, Dz.U. 2015 Pos. 716. 148 Vgl. Skrzypczak, MoP 2003, S. 354. 149 Morek, Beilage Nr. 20 zu MoP 2006, S. 15 a.E. 150 Art. 297 § 1 StVGB.

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der Vertraulichkeit der Mediation informieren. Zeitgleich stärkt die Informationspflicht das Vertrauen der Beteiligten in die Mediation und begünstigt die Wahrheitsfindung dadurch, dass der Sachverhalt aufgeklärt und in der Regel auch ein Geständnis erzielt werden kann. Die Dauer der Mediation ist in Art. 23a § 2 StVGB geregelt. Es handelt sich dabei um eine Soll-Vorschrift, die das Mediationsverfahren grundsätzlich auf die Dauer von einem Monat einschränkt. Durch die Ausgestaltung des Art. 23a § 2 StVGB als Soll-Vorschrift wird zum Ausdruck gebracht, dass eine Verlängerung der Dauer des Mediationsverfahrens in Absprache mit den Parteien, dem Gericht oder dem Staatsanwalt möglich ist, wenn sie sachdienlich erscheint und die Erfolgschancen der Mediation hinsichtlich einer Einigung steigern kann. Art. 23a § 3 StVGB i.V.m. § 5 der Verordnung über das Mediationsverfahren in Strafsachen151 betrifft den Ausschluss von Personen, die nicht als Mediator tätig werden dürfen. Dazu gehören Berufsrichter, Staatsanwälte und Assessoren der Staatsanwaltschaft, Schöffen, Laienrichter, Rechtspfleger und Assistenten der genannten Berufe, Beamte der Strafverfolgungsbehörden sowie alle Personen, die bereits mit der Sache befasst waren und bei denen die Besorgnis der Befangenheit besteht. Art. 23a § 4 S. 1 StVGB verfestigt den Grundsatz der Freiwilligkeit der Mediation. Die Mediation im Strafrecht wird zudem gem. Art. 23a § 7 StVGB als unparteiliches und vertrauliches Verfahren bezeichnet. Ein Mediationsverfahren wird eingeleitet, sobald dem in die Mediation verweisenden Organ (Gericht oder Staatsanwalt) oder dem Mediator die Einwilligungen des Opfers sowie des Täters zugegangen sind. Zuvor müssen die Parteien über die den Ablauf der Mediation sowie die Möglichkeit der jederzeitigen Beendigung gem. Art. 23a § 4 S. 1 StVGB aufgeklärt worden sein. Für das laufende Verfahren ist dem Mediator die Akteneinsicht gestattet, sofern die darin enthaltenen Informationen für seine Arbeit unentbehrlich sind Art. 23a § 5 StVGB. Darüber hinaus muss ein Protokoll über den Verlauf angefertigt und an die zuständige Stelle gesendet werden, um das laufende Gerichts- oder Ermittlungsverfahren abzuschließen, wenn die Mediation erfolgreich war, oder fortzusetzen, wenn die Erfolglosigkeit der Mediation festgestellt wurde, Art. 23a § 6 StVGB. b) Die Berücksichtigung der Mediation in der Strafzumessung Die Berücksichtigung der Mediation in der Strafzumessung bedeutete in der Vergangenheit zweierlei. Zum einen konnte das Gericht das Verfahren aufgrund einer erfolgreich durchlaufenen Mediation gem. Art. 59a § 1 a.F. des polnischen Strafgesetzbuchs, kurz pln. StGB, einstellen. Zum anderen kann das Gericht eine außerordentliche Strafmilderung i.S.d. Art. 60 § 2 Nr. 1 pln. StGB in Betracht ziehen, wenn in besonders begründeten Fällen bereits die niedrigste Strafandrohung 151 Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie poste˛ powania mediacyjnego w sprawach karnych v. 07. 05. 2015, Dz.U. 2015 Pos. 716.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

noch unangemessen hoch erscheint, insbesondere, wenn sich das Opfer mit dem Täter (beispielsweise im Rahmen der Mediation) versöhnte, der Täter den Schaden wieder gut gemacht hat oder eine Regelung zur Schadenswiedergutmachung zwischen den Beteiligten vereinbart wurde. Die außerordentliche Strafmilderung ist in Art. 60 § 6 Nr. 1 bis 4 pln. StGB geregelt und sieht grundsätzlich eine Verhängung der Strafe unterhalb der Grenze der niedrigsten gesetzlichen Strafandrohung vor, z. B. anstelle einer Freiheitstrafe nicht unter einem Jahr eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, oder die Verhängung einer milderen Sanktionsform, z. B. eine Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe. Während die Strafmilderung noch ihre Rechtsgültigkeit hat, ist die Verfahrenseinstellung aus besonderen Gründen gem. Art. 59a § 1 pln. StGB a.F. nicht mehr möglich. Einen besonderen Grund i.S.d. Art. 59a § 1 StGB a.F. stellte jedoch die Mediation dar. Durch die Parlamentswahlen in Polen am 25. 10. 2015 erlebte nicht nur die Politik, sondern auch das Recht einen bedeutenden historischen Einschnitt. Seit der Regierungsübernahme durch die nationalkonservative Partei Prawo i Sprawiedliwos´c´ (Recht und Gerechtigkeit), kurz PiS, zeichnet sich ein antidemokratisches152 und für die Europäische Union auch ein besorgniserregendes Bild ab,153 welches durch ein Missverhältnis zwischen der Legislative und der Judikative gekennzeichnet ist.154 Die PiS-Partei ist aufgrund der absoluten Stimmenmehrheit im Parlament in der Lage, Vorschriften ohne besondere Hindernisse aufzuheben, die nicht der nationalkonservativen Gesinnung und dem Bild, das sie von Polen zu prägen versuchen, entsprechen.155 Auf diese Weise wurde auch Art. 59a pln. StGB aufgehoben, welcher unter Mitwirkung der liberalkonservativen Partei Platforma Obywatelska (Bürgerplattform), kurz PO, entstanden war. Die am 01. 07. 2015 in Kraft getretene Regelung156 sah vor, dass erstinstanzliche Gerichtsverfahren auf Antrag des Geschädigten einzustellen seien, wenn sich der bisher nicht wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Täter mit dem Opfer versöhnte, insbesondere, wenn er im Rahmen der Mediation den Schaden oder das durch ihn verursachte Unrecht wiedergutgemacht hatte. Die Verfahrenseinstellung war nach Art. 59a § 1 pln. StGB a.F. bis zur Eröffnung der Hauptverhandlung möglich. Zudem beschränkte sich die Verfahrenseinstellung auf Vergehen, welche mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden sowie 152 Getragen durch die Verfassungskrise aufgrund der Gesetzesnovelle des polnischen Verfassungsgerichtsgesetzes Bucholc/Komornik, Osteuropa 2016, S. 79 f. 153 Factsheet der Europäischen Kommission MEMO/17/5368 v. 20. 12. 2017 über die Maßnahmen der Kommission zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Polen, nebst dazugehöriger Pressemitteilung IP/17/5367; Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/18/4341 v. 02. 07. 2018 über die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens zum Schutz der Unabhängigkeit des polnischen Obersten Gerichts. 154 Bucholc/Komornik, Osteuropa 2016, S. 79 ziehen eine Parallele zum Missbrauch der Legislative in der VR Polen; vgl. zum Machtmissbrauch der Legislative und Exekutive in der VR Polen bereits oben unter Zweiter Teil, A.I.2. und Zweiter Teil, A.II.1.a). 155 Vgl. Bucholc/Komornik, Osteuropa 2016, S. 79 f. 156 Gesetz v. 27. 09. 2013, Dz.U. 2013 Pos. 1247 m. Änd. v. 20. 02. 2015, Dz.U. 2015 Pos. 396.

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auf Vergehen aus Vermögensdelikten, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden. Das Gesetz sah weiter vor, dass bei einer Mehrheit der Geschädigten die Verfahrenseinstellung nur dann zum Tragen kommen kann, wenn der Täter die Schadenswiedergutmachung bei allen Geschädigten geleistet hat, Art. 59a § 2 pln. StGB a.F. Darüber hinaus war Art. 59a § 1 pln. StGB a.F. nicht auf solche Fälle anzuwenden, in denen eine Verfahrenseinstellung unter Berücksichtigung besonderer Umstände nicht mit dem Ziel einer Strafe in Einklang zu bringen gewesen wäre.157 aa) Die ursprüngliche Begründung für die Einführung der Verfahrenseinstellung nach Art. 59a pln. StGB Der Gesetzgeber unter der Führung der PO-Partei hatte zunächst eine lückenhafte Regelung des Art. 59a pln. StGB präsentiert, welche in der ersten Lesung insbesondere durch die Vertreter der PiS-Partei auf Ablehnung gestoßen war.158 Hiernach sah der Entwurf des Art. 59a pln. StGB die Verfahrenseinstellung für jegliche Vergehen mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.159 Das Gesetz sah auch nicht vor, dass alle Opfer zu entschädigen seien. Des Weiteren war der Wortlaut des Entwurfs des Art. 59a pln. StGB missverständlich formuliert. Dadurch war der Regelung nicht eindeutig zu entnehmen, nach welchen Kriterien das Strafverfahren trotz Vorliegens aller Voraussetzungen von der Verfahrenseinstellung ausgeschlossen wurde. Nach der Einschaltung des Sonderausschusses wurden diese Unsicherheiten jedoch insgesamt beseitigt und das Gesetz trotz des Antrags der PiS-Partei, Art. 59a pln. StGB nicht in die Gesetzesnovelle aufzunehmen, angenommen.160 bb) Die Begründung der Aufhebung des Art. 59a pln. StGB Unter der Federführung von Beata Schydło161 wurde der Artikel durch das Gesetz vom 11. 04. 2016 mit Wirkung zum 15. 04. 2016 aufgehoben.162 In der Entwurfsbe157 Z. B. aus Gerechtigskeits- oder Präventionsgründen Konarska-Wrzosek, in: Stefan´ski, Strafgesetzbuch Kommentar, 4. Aufl. Warschau 2018, Art. 59a Rn. 6. 158 Vgl. Ablehnung des Gesetzesentwurfs u. a. zur Änderung des Strafgesetzbuchs v. 07. 12. 2012, Abstimmung Nr. 3 in der 28. Sejmsitzung, abrufbar unter http://www.sejm.gov.pl/Sejm7. nsf/agent.xsp?symbol=glosowania&nrkadencji=7&nrposiedzenia=28&nrglosowania=3, Stand: 06. 11. 2018. 159 Art. 2 Nr. 1 des Gesetzesentwurfs v. 08. 11. 2012, Sejm-Drucks. Nr. 870, S. 79 f. 160 Abstimmung Nr. 30 in der 47. Sejmsitzung, abrufbar unter http://www.sejm.gov.pl/ Sejm7.nsf/agent.xsp?symbol=glosowania&nrkadencji=7&nrposiedzenia=47&nrglosowa nia=30, Stand: 06. 11. 2018; die PiS hat beantragt, Art. 59a StGB zu streichen, diesem wurde nicht entsprochen, Sejm-Drucks. Nr. 1586-A v. 28. 08. 2013, Nr. 19 zu Art. 12 Nr. 1. 161 S. Entwurfsbegründung zur Aufhebung des Art. 59a pln. StGB v. 27. 01. 2016, SejmDrucks. 207, S. 17 f. 162 Art. 28 i.V.m. Art. 7 Nr. 5 des G. v. 11. 04. 2016, Dz.U. 2016 Pos. 437, für Altfälle ist Art. 59a StGB laut Art. 26 der Gesetzesänderung weiterhin anzuwenden.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

gründung zur Aufhebung wird die Regelung als „opportunistisch-konsensual“ bezeichnet, die dem Institut der tätigen Reue nicht gerecht werde, weil sie zu weitgehend und zu mild sei.163 Zur Begründung der Gesetzesnorm wird angeführt, die Entscheidung über die Verfahrenseinstellung stelle eine relative Pflicht des Gerichts dar, die zur Folge hat, dass sich der Täter von seiner strafrechtlichen Verantwortung freikaufen und der Angeklagte die Mediation zum Zwecke der Erpressung des Opfers ausnutzen kann, um sich auf diese Weise der Bestrafung zu entziehen.164 Dadurch bestünde weiterhin die Gefahr, der Geschädigte würde den Antrag auf Verfahrenseinstellung letztendlich unter Zwang stellen. cc) Kritik an der Abschaffung des Art. 59a pln. StGB Auf der einen Seite lassen sich die Bedenken seitens der PiS-Partei zur Abschaffung des Art. 59a pln. StGB in Bezug auf den Freikauf von der strafrechtlichen Verantwortung durchaus hören. Schließlich ist das Strafverfahren kein kontradiktorisches Verfahren, in dem die Streitparteien Herren des Verfahrens sind. Den diesbezüglichen Bedenken seitens der PiS liegt durchaus die Gefahr zu Grunde, gegen das Legalitätsprinzip zu verstoßen, d. h. den indisponiblen Anspruch des Staates auf die Erteilung der Strafe durch den zwischen dem Opfer und dem Täter ausgehandelten Vergleich zu umgehen.165 Es wird dabei jedoch übersehen, dass das Entscheidungsmonopol nach Art. 59 § 3 pln. StGB a.F. weiterhin beim Staat verblieben ist. Das Gericht (bereits bei Anklage) oder die Staatsanwaltschaft (im Ermittlungsverfahren) waren schließlich nach § 3 des Art. 59 pln. StGB a.F. verpflichtet zu prüfen, ob eine Strafmilderung oder -aufhebung aufgrund der besonderen Tatumstände, beispielsweise angesichts einer Entwürdigung des Opfers bei Begehung eines Diebstahls, nicht in Betracht kam. In solchen Fällen hätten das Gericht oder die Staatsanwaltschaft trotz der Schadenswiedergutmachung eine Bestrafung anordnen können und dürfen. Somit spielte die Gefahr des Freikaufs des Täters von seiner Verantwortung in der Praxis kaum eine Rolle. Das Argument der PiS-Partei für die Abschaffung des Art. 59 pln. StGB a.F. lief somit ins Leere. Auf der anderen Seite muss dem Täterschutz Rechnung getragen werden, welcher einen Anspruch auf ein faires Verfahren hat.166 Der Tatvorwurf muss im Verhältnis zur strafrechtlichen Rechtsfolge bzw. zur Höhe des Entschädigungsanspruchs des Opfers stehen, sodass der Geschädigte die Mediation nicht als Erpressungsinstrument dazu nutzen darf, von dem Täter eine unverhältnismäßig hohe Geldsumme für die Verfahrenseinstellung zu verlangen. Ein Freikauf von der Strafe wäre somit in der Praxis ebenfalls nicht möglich gewesen. Zwar muss der Opferschutz hinreichend 163

Entwurfsbegründung v. 27. 01. 2016, Sejm-Drucks. 207 S. 17 f. Entwurfsbegründung v. 27. 01. 2016, Sejm-Drucks. 207 S. 18. 165 Zum Legalitätsgrundsatz in Deutschland, § 159 Abs. 2 StPO, in Polen, Art. 10 § 1 StVGB. 166 Vgl. Art. 6 Abs. 1 EMRK. 164

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gewährleistet sein, damit der Geschädigte nicht zu einem reinen Objekt der Strafzumessung degradiert wird, indem er lediglich als Mittel zum Zweck der Erlangung der Straffreiheit oder -milderung missbraucht wird. Letzterem kann dadurch abgeholfen werden, dass – wie bereits dargestellt – das Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft die letzte Entscheidungsinstanz ist. Dies hat § 3 des Art. 59 pln. StGB a.F. hinreichend gewährleistet. Dem Opfer wurde die Entscheidung in dem Fall abgenommen, in dem Anhaltspunkte für eine Erpressungssituation vorlagen. Dies galt ebenfalls für den übermäßigen Zwang auf den Täter, eine unverhältnismäßig hohe Entschädigung für ein Bagatelldelikt zu entrichten. Das Verfolgen unlauterer Ziele durch eine der beiden an einer Mediation beteiligten Streitparten kann dementsprechend weitestgehend ausgeschlossen werden. Doch auch die Grundsätze des rechtlichen Gehörs und der Öffentlichkeit hätten der der Verfahrenseinstellung gem. Art. 59a pln. StGB a.F. aufgrund der erfolgten Mediation entgegenstehen können. In der Mediation erhielte der Täter gerade keinen gesetzlichen Richter, der nach Recht und Gesetz entschiede. Täter und Opfer hätten vielmehr über ihre Rechte frei verhandelt. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Mediation nicht obligatorisch ist. Es besteht weder der Zwang, die Mediation durchzuführen, noch sich zu vergleichen. Die Entscheidung liegt auch im Strafrecht bei den Mediationsteilnehmern und wird durch das Gericht oder den Staatsanwalt kontrolliert. Wäre das Opfer nicht gewillt gewesen, einen Antrag auf Durchführung der Mediation zu stellen oder dem vom Täter gestellten Antrag zuzustimmen, wäre auch keine Einigung zustande kommen. Dem Täter wäre der gesetzliche Richter somit nicht entzogen worden. Dadurch, dass die Mediation und der ausgehandelte Vergleich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, das Strafverfahren dagegen öffentlich ist, hätte Art. 59a pln StGB a.F. jedoch mit dem Öffentlichkeitsprinzip kollidieren können. Dagegen ist einzuwenden, dass nicht jedes Strafverfahren öffentlich ist. Die polnische sowie die deutsche Strafprozessordnung sehen Ausnahmen vor.167 Sobald die Nichtöffentlichkeit dem Strafverfahren förderlich oder aus Opfer- bzw. Täterschutzgründen sogar unumgänglich ist, wird diese stets angeordnet. Der Kontrolle durch die Öffentlichkeit bedarf es insoweit auch nicht, als die Mediation gem. Art. 59a § 1 pln. StGB a.F. noch vor der Eröffnung der Gerichtsverhandlung hätte stattfinden können. Im Ermittlungsstadium wird die Beteiligung der Öffentlichkeit ohnehin nicht vorausgesetzt. Somit überzeugt der Freikauf von der Strafe als Argument der PiS-Regierung für die Aufhebung der Verfahrenseinstellung nicht. Art. 59a pln. StGB a.F. war aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten unbedenklich. Die Norm verstieß weder gegen höherrangiges Recht noch gegen die Strafziele. Vielmehr stärkte sie die Opferrechte, indem sie dem Opfer dazu verhalf, aus seiner Opferrolle auszubrechen und auf Augenhöhe mit dem Täter seine Interessen durchzusetzen, die in der Aufklärung des begangenen Unrechts, der Entschuldigung sowie der angemessenen Entschädigung hierfür liegen konnten. Auf diese Weise war das Opfer nicht entmündigt, sondern konnte den Umgang mit dem 167

Art. 360 f. pln. StVGB, § 171b dt. GVG.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

begangenen Unrecht selbst mitgestalten, sodass es der Genugtuungsfunktion durch ein Strafurteil nicht mehr bedurfte.168 Zudem erhielt Art. 59a pln. StGB a.F. die Funktion der Spezialprävention insoweit aufrecht, als der Täter mit dem begangenen Unrecht erneut konfrontiert wurde und sich tiefgehender mit den Ursachen und Gründen für sein Verhalten auseinandersetzen musste. Auf diese Weise konnte auch der Täter eine Verhaltensänderung für die Zukunft selbst mitgestalten. Mit der Verfahrenseinstellung nach der erfolgreich durchgeführten Mediation gem. Art. 59a pln. StGB a.F. wurde ihm somit eine „goldene Brücke“169 zurück in die Legalität gebaut. dd) Der Vergleich mit dem deutschen Täter-Opfer-Ausgleich Die Regelung der Strafrechtsmediation in Polen gleicht dem deutschen TäterOpfer-Ausgleich gem. §§ 46a StGB, 155a StPO, wonach das Gericht bei Bagatelldelikten ebenfalls die Strafe mildern kann oder von der Strafe ganz absehen kann, wenn eine Wiedergutmachung durch den Täter erfolgt ist und das Opfer entschädigt wurde. Durch die Einigungsmöglichkeit des Opfers mit dem Täter kann sich das Opfer den von ihm gewünschten Schadensersatzanspruch sichern und der Täter wird im Gegenzug für das Geständnis und die eingegangene Verpflichtung, den Schaden auszugleichen, mit der Straffreiheit „belohnt“170. Zudem dient der Täter-OpferAusgleich als kostengünstiges Sanktionensystem auch dem Interesse der Allgemeinheit.171 Das Interesse des Opfers, beispielsweise an der Wiedererlangung der Tatbeute oder der Zahlung eines Schmerzensgeldes, wird mit dem Täter-OpferAusgleich nach § 46a StGB wie auch in der polnischen Strafrechtsmediation nach Art. 23a StVGB hinreichend gewürdigt. Dem polnischen Straf- und Strafprozessrecht fehlt jedoch das Adhäsionsverfahren, von welchem insbesondere das Opfer im deutschen Strafrecht insoweit profitiert, als es seine Zahlungs-, Schadensersatz-, Unterlassungs- oder Herausgabeansprüche172 zugleich nach § 403 StPO im Strafverfahren mit geltend machen kann. Dem Geschädigten wird die Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche im deutschen Strafrecht de lege lata somit effektiver zugesichert als im polnischen Strafrecht. Hinzukommt, dass nunmehr das Absehen von Strafe nicht mehr möglich ist, da Art. 59a pln. StGB abgeschafft wurde. Bei einer erfolgreich durchgeführten Mediation besteht lediglich die Möglichkeit 168

Vgl. Gesetzesbegründung, v. 08. 11. 2012, Sejm-Drucks. Nr. 870, S. 133 Pkt. 17. Die Lehre von der „goldenen Brücke“ bezieht sich auf den Rücktritt gem. § 24 StGB, wonach die Aufgabe der Tat unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise straflos bleibt, vgl. Schumann, ZStW 130 (2018), S. 1 (2 a.E. Rn. 9). Bei der pln. Mediation oder dem dt. TäterOpfer-Ausgleich ist die Tat jedoch bereits vollendet, sodass die Lehre von der „goldenen Brücke“ nicht unmittelbar übertragen werden kann. Als kriminalpolitisches Argument kann die Lehre von der „goldenen Brücke“ als Gedanke jedoch hinzugezogen werden. 170 S. zur „goldenen Brücke“ zurück in die Legalität Zweiter Teil, A.II.2.b)cc) a.E. 171 Hoyer, in: Schiedsgerichtsbarkeit und andere Formen alternativer Streitbeilegung (Hrsg.: Trunk, Alexander/Nuutila, Ari-Matti /Nekrosˇius, Vytautas), S. 149. 172 Löwe/Rosenberg/Hilger, StPO, 26. Aufl. 2009, § 403 Rn. 10. 169

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einer Milderung der Strafe nach Art. 60 § 2 Nr. 1 pln. StGB. Der hohe Anreiz, Straffreiheit zu erlangen und das Opfer im Gegenzug angemessen zu entschädigen, macht den deutschen Täter-Opfer-Ausgleich für den Täter wesentlich attraktiver als in der polnischen Strafrechtsmediation. Zudem wird dem Opfer die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs durch das Adhäsionsverfahren im deutschen Strafrecht erleichtert. Da der Täter-Opfer-Ausgleich im deutschen Strafprozessrecht gem. § 155a StPO grundsätzlich in jedem Verfahrensstadium möglich ist, kann der durch das Opfer geltend gemachte vermögensrechtliche Anspruch im Strafverfahren gem. § 403 StPO auch während des Täter-Opfer-Ausgleichs als Indiz für die Art und den Umfang der Wiedergutmachung angesehen werden. ee) Resümee Der außer Kraft getretene Art. 59a pln. StGB a.F. war ein effektiver Ansatz zur Förderung der Mediation im Strafrecht. Auf der einen Seite stellte die Möglichkeit der Straffreiheit einen Anreiz für den Täter dar, sich auf die Mediation einzulassen, wie dies gem. § 46a StGB im deutschen Recht der Fall ist. Auf der anderen Seite setzte es den Anreiz für den Geschädigten, im Rahmen der Mediation auch über eine finanzielle Entschädigung für die gestandene Tat verhandeln zu können. Auf diese Weise konnten Folgekonflikte vermieden werden, die entweder mit der Tat selbst zusammenhingen (Konflikte psychologischer Natur) oder die angemessene Entschädigung bzw. Wiederherstellung des Zustands vor der begangenen Straftat betrafen (Konflikte wirtschaftlicher Natur). Auch greift die Begründung der PiS-Partei für die Abschaffung des Art. 59a pln. StGB a.F insoweit zu kurz, als von dem scheinbaren Problem des „Freikaufs“ von der Straftat die Rede ist. Durch den Art. 59a § 3 pln. StGB a.F. wurde entgegen der Begründung der PiS-Partei für die Abschaffung des Gesetzes gewährleistet, dass ein Freikauf von einer Straftat nicht möglich ist, da dem Gericht sowie der Staatsanwaltschaft die letzte Entscheidungskompetenz über die Verweisung in die Mediation verblieb. Diese Regelung ähnelte weitestgehend dem deutschen § 46a StGB, bei welchem rechtsstaatliche Bedenken ebenfalls ausgeräumt werden können. Das Entscheidungsmonopol wurde durch die Regelung des Art. 59a pln. StGB a.F. mithin nicht auf die Privatpersonen verlagert. Die Staatsanwaltschaft sowie das Gericht konnten jederzeit korrigierend eingreifen. Die Befürchtung, die rechtsstaatliche Bedeutung der Strafe und des Strafprozesses würde verkannt und auch die rechtsstaatliche Kontrolle abgegeben, war deshalb unbegründet. Auch geht von der Mediation im Strafprozess keine Gefahr für den Rechtsstaat aus, sodass bei erfolgreich durchgeführten Mediationsverfahren in Einzelfällen von der Strafe abgesehen werden sollte. Die Straffreiheit aufgrund einer erfolgreichen Mediation bleibt letztlich immer ein Einzelfall und kann sich aufgrund des letzten Wortes des Gerichts oder des Staatsanwalts nicht unkontrolliert fortsetzen. Die Stärkung der Rechte des Opfers und die Ermutigung zu einem selbstbestimmten Umgang mit dem erfahrenen Unrecht wurden durch die Regelung des

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Art. 59a § 1 pln. StGB a.F. geschaffen, da der Antrag auf Verfahrenseinstellung dem Geschädigten oblag. Die Abschaffung der Norm ist daher sehr zu bedauern. Um die Mediation im Strafrecht zu fördern, wäre eine Wiedereinführung des Art. 59a pln. StGB a.F. sinnvoll. Die Streichung des Art. 59a pln. StGB a.F. bedeutet die Abkehr von der Mediation als liberales und bürgerautonomes Sanktionsinstrument und gleichzeitig einen Rückschritt im Vergleich zum deutschen Strafrechtssystem, da der Täter-Opfer-Ausgleich die Opferrechte stärkt und aufgrund der erfolgten Schadenswiedergutmachung mit dem Absehen von Strafe auch den Täter begünstigt. c) Die Schriftliche Belehrung über die Mediation am Beispiel des Art. 300 StVGB Eine Besonderheit und einen Grund für die mangelnde Beteiligung an der Mediation im Strafverfahren stellt die in der Praxis aufgrund ihrer Komplexität kaum umzusetzende Belehrung des Täters und des Opfers über die Mediation dar. Die zentrale Vorschrift für die Belehrung des Täters und des Opfers über die Rechte und Pflichten ist der im polnischen Strafprozessrecht angesiedelte Art. 300 StVGB. Seit Inkrafttreten dieser Vorschrift am 01. 07. 2003173 wird bemängelt, dass die polnischen Strafverfolgungsorgane nicht hinreichend über die Möglichkeit der Mediation informieren, wenn sie den Verdächtigen und den Verletzten über ihre Rechte und Pflichten belehren.174 Art. 300 StVGB zählte im Jahr 2003 den Art. 23a StVGB, in welchem die Mediation geregelt ist, nämlich nicht neben anderen Vorschriften auf, die die Rechte und Pflichten des Verdächtigen normieren. Die Entwurfsbegründung aus dem Jahr 2012 zur Änderung des Art. 300 StVGB verfolgte den Zweck, die Mediation durch die Änderung und Ergänzung der alten Vorschriften der Praxis zugänglicher zu machen.175 Auf diese Weise sind die Organe des vorbereitenden Verfahrens des Strafprozesses, namentlich die Polizei und die Staatsanwaltschaft gem. Art. 298 § 1 StVGB, nunmehr dazu verpflichtet, den Beschuldigten und das Opfer über die Möglichkeit der Mediation und Schadenswiedergutmachung neben weiteren Verfahrensrechten aufzuklären. Auf diese Weise sollen Täter und Opfer über die Mediation als alternatives Verfahren zum Prozess frühestmöglich in Kenntnis gesetzt werden. Nach Art. 300 § 1 S. 1 StVGB soll der Beschuldigte vor der ersten Anhörung über seine Rechte, u. a. das Recht auf die Stellung eines Antrags auf die Durchführung der Mediation zum Zwecke der Versöhnung mit dem Opfer i.S.d. Art. 23a Abs. 1 StVGB, informiert werden. Art. 300 § 1 S. 2 Hs. 1 StVGB setzt eine schriftliche Belehrung voraus, dessen Erhalt der Verdächtigte (bzw. Beschuldigte) durch eine Unterschrift bestätigen soll. In der Praxis verwendet die Polizei bzw. die

173 174 175

Gesetz v. 10. 01. 2003, Dz.U. Nr. 17, Pos. 155. Vgl. Gesetzesbegründung v. 08. 11. 2012, Sejm-Drucks. Nr. 870, S. 26 f. Gesetzesbegründung v. 08. 11. 2012, Sejm-Drucks. Nr. 870, S. 16.

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Staatsanwaltschaft die in der Verordnung176 enthaltene Musterbelehrung. Diese Belehrung wiederum geht auf die Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren177 zurück. Art. 3 bis 6 sowie Art. 8 der genannten Richtlinie sieht eine schriftliche Belehrung vor, um den Beschuldigten über die Rechte aufzuklären. Da in Polen die Möglichkeit auf Durchführung einer Mediation zur Schadenswiedergutmachung nunmehr ausdrücklich zu den Rechten des Täters gehört, ist sie in der Musterbelehrung zu Art. 300 StVGB enthalten. Die zweiseitige Musterbelehrung enthält 12 Nummern, in welchen die Rechte des Verdächtigen mit der dazugehörigen Rechtsgrundlage aufgezählt und knapp erläutert werden. Die Nummer 9 der Musterbelehrung enthält das Recht auf Stellung eines Antrags zur Einleitung eines Mediationsverfahrens nach Art. 23a StVGB. Im Hinblick auf die Richtlinie mag das Schriftformerfordernis ein effektives Mittel sein, die Rechtsbehelfe zu Dokumentationszwecken den Strafverfolgungsbehörden zu überlassen. In der Praxis, insbesondere im Rahmen der vorläufigen Festnahme, wird den Verdächtigen nicht interessieren, dass eine Teilnahme an einer Mediation möglich ist. Er wird sein Hauptaugenmerk auf seine wesentlichen und gar notwendigen Rechte richten, welche Art. 8 Abs. 3 EMRK entnommen werden können, und nicht auf die Mediation. Wenn ein Strafverfahren im frühen Verfahrensstadium bereits aus Mangel an Beweisen eingestellt werden kann (Unschuldsvermutung), ist nicht zu erwarten, dass sich der Verdächtige für die Mediation entscheiden wird. Er wird sich regelmäßig für die Mediation interessieren, wenn die Beweislage erdrückend ist und die Mediation aus taktischen Gründen zur Milderung der Strafe genutzt werden könnte. Erst im späteren Verfahrensstadium ist es mithin sinnvoll zu versuchen, Straffreiheit bzw. Strafmilderung über den Weg der Mediation zu erlangen. Daher ist die Belehrung nach Art. 300 StVGB nicht geeignet, für die Mediation zu werben. Der richtige Ansatzpunkt könnte vielmehr sein, die Pflichten des Verteidigers strenger zu regulieren, wonach dieser über die Mediation eingehender aufzuklären hätte, welcher den Täter ohnehin über seine Rechte und Pflichten beraten muss. Auch ist Art. 300 StVGB nicht zu entnehmen, welche Konsequenzen eine fehlerhafte Belehrung nach sich zöge, wenn der Verdächtige nicht über das Mediationsverfahren informiert würde, oder was im Falle einer Unterschriftsverweigerung passierte. Zudem ist nicht klar, welche Folgen eine Unterzeichnung der Belehrung nach sich zöge, wenn der Beschuldigte das Schreiben inhaltlich nicht verstanden hätte oder um Zeitpunkt der Unterzeichnung vermindert schuldfähig gewesen wäre. Die gesetzliche Ausgestaltung der Schriftform der Belehrung über Rechte und Pflichten im vorbereitenden Verfahren nach Art. 300 StVGB birgt somit mehr Rechtsunsicherheiten, als sie zu reduzieren versuchte. Die gegenwärtige Ausge176 Verordnung des Justizministers über die Erstellung einer Musterbelehrung über die Rechte und Pflichten des Beschuldigten im Strafverfahren [Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie okres´lenia wzoru pouczenia o uprawnieniach i obowia˛zkach podejrzanego w poste˛ powaniu karnym] v. 11. 06. 2015, Dz.U. Pos. 893. 177 ABl. Nr. L 142 v. 01. 06. 2012, S. 1.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

staltung des Art. 300 StVGB bringt einen enormen bürokratischen Aufwand mit sich, den der einzelne Polizist als Organ des vorbereitenden Verfahrens zu bewältigen hat. Zurzeit legen fünf Verordnungen fest, wie der Verdächtige und das Opfer, je nach Verfahrensstadium und Beteiligteneigenschaft zu belehren sind.178 Hierfür sind diverse Muster vorhanden und in 26 Sprachen übersetzt.179 Aus einer fehlerhaften bzw. unvollständigen Belehrung können Beweisverwertungsverbote erwachsen und unnötigerweise zum Freispruch des Täters führen. Zu diesen Rechtsunsicherheiten trägt die Pflicht zur Information über die Mediation gem. Art. 300 StVGB bei. 3. Die Mediation in Jugendsachen gemäß Art. 3a des polnischen JVG Die Mediation im Bereich des Jugendstrafrechts wurde im Jahr 2000180 in das Jugendverfahrensgesetz181, kurz JVG, implementiert. Hierzu sieht der damals neu eingefügte und bisher unverändert gebliebene Art. 3a JVG in jeder Lage des Verfahrens eine Mediation vor. Eingeleitet wird ein Mediationsverfahren gem. Art. 3a § 1 JVG auf Initiative des Geschädigten mit Zustimmung des jugendlichen Täters, auf Initiative des jugendlichen Täters mit Zustimmung des Geschädigten oder durch einen gemeinsamen Antrag beider Verfahrensbeteiligten.182 Das Gericht darf weder die Initiative anregen noch selbst in die Mediation verweisen. Die Mediation im polnischen Jugendverfahrensrecht soll im Gefüge des JVG, das dem deutschen Jugendgerichtsgesetz nahekommt, nicht nur den Täter-Opfer-Ausgleich durchführen, um dem jugendlichen Täter die Reichweite seiner Tat vor Augen zu führen, sondern den straffällig gewordenen Jugendlichen oder Heranwachsenden183 durch Auflagen zu erziehen, ohne ihn mit einer Strafe für die Zukunft zu stigmatisieren.184 Eine Besonderheit im Vergleich zum Jugendstrafrecht in Deutschland ist die Zuständigkeit der Familiengerichte, die sich in Polen mit dem Jugendstrafrecht befassen. Dabei handelt sich um eingerichtete Kammern für Familien- und Jugendsachen an den Regionalgerichten, die den deutschen Amtsgerichten entsprechen. Die Zuständigkeit des Familiengerichts ist darauf zurückzuführen, dass sich das weit gefasste Jugendverfahrensgesetz nicht nur mit strafrechtlich relevanten Handlungen 178

Dz.U. vom 25. 06. 2015, Pos. 885; Dz.U. vom 11. 06. 2015, Pos. 874; Dz.U. vom 11. 06. 2015, Pos. 893; Dz.U. v. 03. 06. 2015, Pos. 848; Dz.U. vom 03. 06. 2015, Pos. 835. 179 Abrufbar auf der Informationsseite der polnischen Polizei unter http://isp.policja.pl/isp/ do-pobrania/8103,Wzory-pouczen-w-postepowaniu-karnym-w-26-jezykach.html, Stand: 06. 11. 2018. 180 Gesetz v. 15. 09. 2000, Dz.U. Nr. 91, Pos. 1010. 181 Ustawa o poste˛ powaniu w sprawach nieletnich [Jugendverfahrensgesetz] v. 26. 10. 1982, Dz.U. 1982 Nr. 35 Pos. 228. 182 Haak, in: Haak-Trzuskawska/Haak, Ustawa o poste˛ powaniu w sprawach nieletnich – Komentarz [Jugendverfahrensgesetz – Kommentar], Warschau 2015, Art. 3a Rn. 2. 183 Art. 1 § 1 JVG. 184 Liz˙yn´ska/Z˙ ylin´ska, ADR 2013, S. 41 f.

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von Jugendlichen und Heranwachsenden befasst. Das Gesetz dient auch der Vorbeugung des „Sittenverfalls“ („demoralizacja“), bezüglich des noch in Entwicklung stehenden jungen Menschen und soll ihm eine erzieherische Stütze auf dem Weg ins Erwachsenenalter sein.185 Nicht zu vergessen ist aber auch, dass die Mediation nicht den Jugendlichen vor Strafe schützen soll. Art. 3a JVG dient vielmehr dem Opferschutz.186 Aus diesem Grund findet die zwischen dem jugendlichen Täter und dem Opfer durchgeführte Mediation Berücksichtigung im Urteil des Familiengerichts, das Entscheidungsmonopol wird somit nicht an die Teilnehmer abgegeben, wie dies im Erwachsenenstrafrecht sowie im Zivilverfahrensrecht der Fall ist. Des Weiteren enthält Art. 3a § 3 JVG eine Verordnungsermächtigung, um die Mediation in Jugendsachen näher auszugestalten. Eine entsprechende Verordnung trat im Jahr 2001 in Kraft.187 Zweck der Verordnung ist die genaue Regulierung des Ablaufs des Mediationsverfahrens in Jugendsachen (umgesetzt in §§ 1 bis 3, 9 bis 17 der VO) sowie die Bestimmung der Schulungsstandards, welchen die Mediatoren in Jugendsachen unterliegen (§§ 4 bis 6, 8 sowie der Anhang der VO). Des Weiteren wird die Qualität der Mediation durch die Einrichtung eines Verzeichnisses von Mediatoren und Institutionen für die Mediation in Jugendsachen an den Bezirksgerichten, welche den deutschen Landgerichten entsprechen, sichergestellt (§ 7 der VO). Das Gericht entscheidet gem. Artt. 3a § 2, 21 JVG unter Zuhilfenahme des Ergebnisses der Mediation über eine geeignete Erziehungsmaßnahme. Die Berücksichtigung der Mediation im Jugendstrafrecht kann eine Antragsrücknahme bei Antragsdelikten bewirken oder sogar zur Rücknahme der Anklage bzw. der Absehung von der Klageerhebung führen.188 Dies hängst davon ab, ob die Mediation mit einer Schadenswiedergutmachung endete oder ob die Mediation nicht erfolgreich war. Das Gericht berücksichtigt die Mediationsergebnisse mithilfe eines vom Mediator erstellten Verfahrensberichts nach Art. 3a § 2 JVG. Dadurch, dass der Bericht keine subjektive Verhaltensbeurteilung der Medianden oder mögliche Rückschlüsse auf den Ablauf der einzelnen Sitzungen enthalten darf,189 wird das Gericht lediglich über das Mediationsergebnis informiert und – sofern sich die Medianden geeinigt haben – auch über den zwischen Täter und Opfer getroffenen Ausgleich. Der Ver-

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S. Präambel sowie Art. 2 des JVG. Liz˙yn´ska/Z˙ ylin´ska, ADR 2013, S. 41 (42 f.). 187 Verordnung des Justizministers über das Mediationsverfahren in Jugendsachen v. 18. 05. 2001 [Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie poste˛ powania mediacyjnego w sprawach nieletnich], Dz.U. 2001 Nr. 56, Pos. 591 nebst dazugehöriger Änderung des § 1 Nr. 5, Dz.U v. 05. 11. 2002 Nr. 193, Pos. 1621. 188 Haak, in: Haak-Trzuskawska/Haak, Ustawa o poste˛ powaniu w sprawach nieletnich – Komentarz [Jugendverfahrensgesetz – Kommentar], Warschau 2015, Art. 3a Rn. 8; Liz˙yn´ska/ Z˙ ylin´ska, ADR 2013, S. 41 (48). 189 Haak, in: Haak-Trzuskawska/Haak, Ustawa o poste˛ powaniu w sprawach nieletnich – Komentarz [Jugendverfahrensgesetz – Kommentar], Warschau 2015, Art. 3a Rn. 7; nur auf ausdrücklichen Antrag des Teilnehmers § 17 Abs. 3 der Verordnung v. 18. 05. 2001, Dz.U. 2001 Nr. 56, Pos. 591. 186

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fahrensbericht spielt somit eine rein formale und dokumentarische Rolle. Den Vergleich legt der Mediator zusammen mit dem Verfahrensbericht vor.190 4. Die Versöhnungssitzung in Scheidungs- und Trennungssachen gemäß Art. 436 ZVGB Die Mediation im Rahmen der Versöhnungssitzung im polnischen Zivilverfahrensrecht gem. Art. 436 ZVGB leitet das zweite Kapitel „Scheidungs- und Trennungssachen“ des ersten Teils des siebten Titels des ersten Buches des Zivilverfahrensgesetzbuchs ein. Danach kann das Gericht die Parteien in die Mediation verweisen, wenn der Fortbestand der Ehe aussichtsreich ist, Art. 436 § 1 S. 1 ZVGB. Auf die Mediation im Familienrecht sind die Art. 1831 ff. ZVGB, welche die Mediation im Zivilverfahrensrecht regeln, gem. Art. 436 2 ZVGB entsprechend anwendbar. Dies bedeutet, dass, obwohl das Gericht die Mediation als erfolgversprechend erachtet, eine der Parteien oder beide die Mediation aufgrund des Prinzips der Freiwilligkeit auch ablehnen können. Das Gericht kann die Möglichkeit der Mediation jedoch in jeder Verfahrenssituation gem. Art. 4452 ZVGB wieder aufgreifen, wenn dies für die Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Trennung oder Scheidung förderlich ist.191 Im Mittelpunkt stehen somit der Erhalt der Ehe oder die einvernehmliche Regelung der Scheidungsfolgen. Die Klärung, ob das Festhalten an der Ehe sinnvoll ist oder nicht, ist dagegen weder nach Art. 436 ZVGB noch nach Art. 4452 ZVGB ausdrücklicher Gegenstand der Mediation. Die Mediation in Scheidungs- und Trennungssachen zielt überwiegend darauf ab, die Ehe aufrecht zu erhalten.192 Damit sollen überwindbare Streitigkeiten beseitigt werden, wenn die Parteien grundsätzlich an der Ehe festhalten wollen, jedoch ohne fremde Hilfe nicht imstande sind, den Konflikt eigenverantwortlich für die Zukunft zu lösen. Hierbei wird die Mediation zu einem Eheherstellungsverfahren umgewandelt, das in Deutschland zusammen mit dem Verschuldensprinzip seit Inkrafttreten des 1. EheRG193 längst abgeschafft wurde. Konsequenter- und absurderweise führt eine solche Betrachtung des Art. 436 § 1 ZVGB zu einer Paartherapie auf Staatskosten, in der intime Details der Beziehung der Ehegatten besprochen werden, da im Grunde genommen die Eheprobleme der Privaten zum Problem des Staates werden. An einer solchen Einschränkung des Gegenstandes der Mediation in Trennungs- und Scheidungssachen bestehen daher ernsthafte Zweifel. Zutreffend beschreibt Bodio, dass der Sinn und Zweck der Mediation nicht mehr ist, den 190

§ 17 Abs. 4 der Verordnung v. 18. 05. 2001, Dz.U. 2001 Nr. 56, Pos. 591. Z. B. bei Streitigkeiten über das Umgangsrecht mit den gemeinsamen Kindern, über den Unterhalt Marciniak/Piasecki/Z˙ yznowski, ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 4452 ZVGB Rn. 1. 192 Zielin´ski, Poste˛ powanie odre˛ bne w sprawach małz˙ en´skich, Warschau 2010, S. 43. 193 BGBl. I v. 16. 06. 1975, S. 1421; BT-Drs. 6/2577, S. 37 f. 191

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Konflikt der Ehegatten mittels eines Vergleichs zu lösen, auch wenn sich die Parteien für eine Trennung entscheiden haben, sondern sie, und zwar unabhängig vom Streitpunkt, wieder zu vereinen.194 Selbst, wenn die zerstrittenen Ehegatten mit dem Wunsch des Eheerhalts in die Mediation gehen, die Mediationssitzungen jedoch beschließen, sich endgültig zu trennen, können die Parteien dieses Ergebnis nicht im Rahmen eines Vergleichs schließen.195 Das Zustimmen zur Scheidung kann ebenfalls nicht festgehalten werden.196 In jeglicher Hinsicht kann also das Scheitern der Ehe nicht Bestandteil eines Vergleichs im Sinne eines „agree to disagree“ werden. Grundsätzlich ist dies auch richtig, soweit es sich um gesetzliche Vergleichsverbote im Sinne der Umgehung zwingender Vorschriften handelt. Denn genauso wie im deutschen Recht gem. § 1564 BGB verbleibt das Scheidungsmonopol gem. Art. 56 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzbuchs197, kurz FVGB, bei den staatlichen Gerichten und verbietet als Ordnungsvorschrift zu Recht Privatscheidungen.198 Wäre eine Scheidung durch privaten Vergleich möglich, würde dies zu Rechtsunsicherheit führen. Ob und wann eine Scheidung zustande gekommen wäre, wäre nicht registriert. Es würde einer Mehrehe Tor und Tür öffnen und dadurch das Prinzip der Einehe im Rahmen der grundgesetzlich geschützten Institutsgarantie der Ehe i.S.d. Art. 6 GG im deutschen Recht und i.S.d. Art. 18 der polnischen Verfassung unterlaufen.199 Historisch gesehen hat die Mediation nach Art. 436 ZVGB die sog. Versöhnungssitzung in der Güteverhandlung abgelöst.200 Die Versöhnungssitzung diente dabei der Vereinigung der Parteien aufgrund eines als höherrangig angesehenen Gutes, namentlich dem Wohl der gemeinsamen minderjährigen Kinder sowie der Bedeutung des Erhalts der Ehe für die Gesellschaft.201 Diese höherrangigen Güter soll auch die Mediation schützen. An einer solch engen Auslegung des Zwecks der Mediation haben jedoch weder die Streitparteien Interesse noch ist es mit dem Grundgedanken der Mediation vereinbar. Zudem widerspricht die Zweckentfremdung der Mediation als Versöhnungssitzung dem weit auszulegenden Art. 10 S. 2 ZVGB, wonach die Parteien einen Vergleich vor dem Mediator schließen können, soweit ein solcher zulässig ist. Es ist nicht Sache der Mediation oder des 194

Jakubecki/Bodio, ZVGB-Kommentar, 7. Aufl. Warschau 2017, Art. 436 ZVGB, Rn. 4. Jakubecki/Bodio, ZVGB-Kommentar, 7. Aufl. Warschau 2017, Art. 436 ZVGB, Rn. 4. 196 Jakubecki/Bodio, ZVGB-Kommentar, 7. Aufl. Warschau 2017, Art. 436 ZVGB, Rn. 4. 197 Kodeks rodzinny i opiekun´czy, Dz.U. v. 25. 01. 1964 Nr. 9 Pos. 59. 198 Staudinger/Rauscher (2010), § 1564 BGB Rn. 1, 3; vgl. Staudinger/Löhnig (2015) § 1306 BGB Rn. 1, 4: Förderung der mongamen Ehe. 199 Verbot der Doppelehe: Art. 13 § 1 FVGB, Gromek, FVGB-Kommentar, 6. Aufl. 2018, Art. 1 Rn. 2; vgl. in Bezug auf Deutschland § 1306 BGB, § 172 StGB; bisher offen gelassen durch BVerfG, z. B. v. 30. 04. 1985 – 1 C 33/81, NJW 1985, 511 (512). 200 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 5 Nr. X., als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018. 201 Grzelin´ska, Scheidung und Trennung, Warschau 2010, S. 73 f. 195

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Mediators, die Parteien zu einen, sondern ihre Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen und eine vermittelnde Lösung an diesen auszurichten. Sofern die Ehegatten an einem Festhalten der Ehe nicht oder nicht mehr interessiert sind, was sich überdies erst im laufenden Mediationsverfahren herauskristallisieren kann, kann die Mediation die Parteien gegen ihren Willen nicht einen. Insoweit verstieße eine solche Auslegung des Art. 436 ZVGB gegen den Freiwilligkeitsgrundsatz der Mediation. Dieser Grundsatz gilt insoweit auch für die Mediation in Trennungs- und Scheidungssachen, als Art. 436 § 2 ZVGB auf die Vorschriften gem. Art. 1831 ff. ZVGB und damit auf Art. 1831 § 1 ZVGB verweist, welcher den Freiwilligkeitsgrundsatz beinhaltet. Hierbei wird der Unterschied zwischen dem deutschen und dem polnischen Scheidungsrecht besonders deutlich. Während das Zerrüttungsprinzip das deutsche Recht prägt und § 1566 BGB die unwiderlegbare Vermutung für das Scheitern der Ehe enthält, hat der Ehegatte nach den Vorgaben des polnischen Rechts kein Recht auf Scheidung. Spätestens nach drei Jahren muss das Scheitern der Ehe gem. § 1566 Abs. 2 BGB nicht mehr durch das Gericht positiv festgestellt werden,202 sodass die Scheidungsvoraussetzungen vollständig erfüllt sind. Die Scheidung der Ehe gem. Art. 56 § 3 FVGB ist dagegen trotz des Scheiterns der Ehe unzulässig, wenn der die Scheidung beantragende Ehegatte die Zerrüttung der ehelichen Lebensgemeinschaft schuldhaft verursacht hat und der andere Ehegatte der Scheidung nicht zustimmt bzw. zustimmt, die Zustimmung jedoch gegen die Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens verstieße.203 Das polnische Scheidungsrecht ist somit vom Verschuldensprinzip geleitet. Ein Recht auf Scheidung existiert im polnischen Recht mithin nicht. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 10. 01. 2017 bekräftigt, wonach auch die Europäische Menschenrechtskonvention kein Recht auf Scheidung gewährleistet.204 Im Vergleich zu den allgemeinen Regelungen des Mediationsverfahrens wird für die Mediation im Rahmen der Versöhnungssitzung gem. Art. 436 § 4 ZVGB ein ständiger Mediator durch das Gericht bestimmt, wenn die Parteien einen Mediator nicht selbst bestimmt haben. Dieser muss allerdings nach § 4 über theoretische Kenntnisse verfügen, z. B. durch einen Abschluss in Psychologie, Pädagogik, Soziologie oder Recht, oder aber er weist praktische Kenntnisse für die Durchführung einer Mediation in Familiensachen vor.

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Staudinger/Rauscher (2010), § 1566 BGB Rn. 75. Gromek, FVGB-Kommentar, 6. Aufl. 2018, Art. 56 Rn. 2 Nr. 3 Lit. b. 204 In der Individualbeschwerde Babiarz ./. Republik Polen (Nr. 1955/10), sah der EGMR die Rechte des Polen Artur Babiarz gem. Art. 8 und Art. 12 EMRK nicht durch die Entscheidungen des Bezirksgerichts Lublin und des Appellationsgerichts Lublin verletzt, welches ihm die Scheidung versagte. 203

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5. Die Mediation im polnischen Verwaltungsrecht Das Verwaltungsrecht in Polen unterscheidet, ebenfalls wie das deutsche, zwischen dem Verwaltungsverfahren als Teil der Exekutive und der Verwaltungsgerichtsbarkeit als Teil der Judikative.205 Aus diesem Grund existieren im polnischen Verwaltungsrecht zwei Arten des Mediationsverfahrens, die im Verwaltungsverfahren sowie in der Verwaltungsgerichtsbarkeit durchgeführt werden können. Im deutschen Recht ist die Mediation im Verwaltungsrecht dagegen nur in speziellen Rechtsbereichen, wie beispielsweise im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, vorgesehen.206 Zudem findet das deutsche Mediationsgesetz auf die Mediation im Verwaltungsrecht keine Anwendung.207 Die Mediation im Verwaltungsgerichtsverfahren in Polen entstand vor der Regelung der Mediation im Verwaltungsverfahren und war damit lediglich für die Judikative kodifiziert.208 Sie galt bis zum Jahr 2017 mithin nicht für Konflikte zwischen dem Hoheitsträger und dem Rechtssubjekt im vorgerichtlichen Verwaltungsverfahren. Am 01. 06. 2017 traten neue Vorschriften in Kraft, weshalb die Mediation überwiegend in einem eigenen, neu geschaffenen Kapitel 5a des Verwaltungsverfahrensgesetzes, kurz pln. VwVfG, geregelt ist.209 Die in diesem Kapitel enthaltenen Vorschriften des Art. 96a bis Art. 96n pln. VwVfG haben laut Gesetzesbegründung das Ziel, die Verwaltung an die Gesellschaft anzunähern, das Verwaltungsverfahren zu modernisieren und die verwaltungsrechtlichen Beziehungen derart zu gestalten, dass die daran teilhabenden Parteien mehr Einfluss auf eigene sowie die Gesellschaft betreffende Angelegenheiten haben.210 Die Mediation im Verwaltungsverfahren ist zudem an die Vorschriften der bereits bestehenden Mediationsnormen im polnischen Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz angelehnt.211 Die Vorschriften über die Mediation im polnischen Verwaltungsgerichtsverfahren befinden sich im achten Kapitel des dritten Teils des polnischen Verwaltungsge-

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Federczyk, Mediacja w poste˛ powaniu administracyjnym i sa˛dowoadministracyjnym, Warschau 2013, S. 70. 206 Vgl. § 25 Abs. 2 VwVfG; Holznagel/Ramsauer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 40 Rn. 71 ff. 207 Holznagel/Ramsauer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 40 Rn. 4, wobei sich die Verfasser der Ansicht anschließen, es bedürfte keiner Rechtsgrundlage für die Mediaiton im Verwaltungsrecht, s. Rn. 4 Fn. 5. 208 Vgl. Federczyk, Mediacja w poste˛ powaniu administracyjnym i sa˛dowoadministracyjnym, Warschau 2013, S.134 f., 119 f. 209 Kapitel 5a: Art. 96a–96n, Art. 35 § 5, Art. 83 § 4, Art. 263 § 1, Art. 263a, Art. 264 § 1a durch Gesetz zur Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetz sowie anderer Gesetze v. 07. 04. 2017 („Ustawa o zmianie ustawy – Kodeks poste˛ powania administracyjnego oraz niektórych innych ustaw“), Dz.U. 2017 Pos. 935. 210 So die Gesetzesbegründung v. 28. 12. 2016, Sejm-Drucks. Nr. 1183, S. 36. 211 Vgl. Gesetzesbegründung v. 28. 12. 2016, Sejm-Drucks. Nr. 1183, S. 37.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

richtsverfahrensgesetzes212, kurz VgVfG, im Abschnitt über das Mediationsverfahren und das vereinfachte Verfahren. Das Kapitel umfasst acht Artikel (Art. 115 bis Art. 122), wovon lediglich die ersten vier Artikel dem Mediationsverfahren gewidmet sind, weshalb die gesetzliche Ausgestaltung der Mediation als lakonisch bezeichnet wird.213 Die im VgVfG geregelte Mediation aus dem Jahr 2002 ist darauf zurückzuführen, dass die gesamte polnische Verwaltungsgerichtsbarkeit in Vorbereitung auf den EU-Beitritt modernisiert wurde und nach dem Zusammenbruch der VR Polen erstmals ein entsprechend den Vorgaben der polnischen Verfassung vorgesehener verwaltungsgerichtlicher Instanzenzug implementiert werden musste, der von dem Einfluss der Staatsverwaltung zu trennen war.214 Überdies wurde die Europarat-Empfehlung des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über Alternativen zum Klageverfahren zwischen Verwaltungsbehörden und Privatpersonen vom 05. 09. 2001 zum Anlass genommen, die Mediation im Verwaltungsgerichtsverfahren zu regeln.215 Neben die im Sinne der Verfassung unabhängigen Gerichte trat die Mediation im Verwaltungsgerichtsverfahren. Das Ziel der Mediation im Verwaltungsgerichtsverfahren ist konkret festgelegt und soll der Aufklärung und Erforschung tatsächlicher und rechtlicher Umstände einer Streitigkeit dienen, Art. 115 § 1 VgVfG. Des Weiteren dient das Verfahren gem. Art. 115 § 1 VgVfG der Ermittlung des Willens der Parteien, auf welche Art und Weise sie den Konflikt im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten bewältigen wollen. Die Mediation wird nach den Vorgaben des Art. 116 VgVfG durchgeführt. Auf Seiten der Verwaltungsbehörde ist eine vertretungsbefugte Person zur Sitzung zu laden, die auch im Prozess bevollmächtigt ist, rechtliche Handlungen für die Behörde vorzunehmen.216 Wird die Mediationssitzung beendet, ist gem. Art. 116 § 3 S. 1 VgVfG ein Protokoll anzufertigen, in dem die Standpunkte der Parteien, jedoch vor allem die Abrede, wie die Parteien den Konflikt zu lösen beabsichtigen, festgehalten werden. Das Protokoll wird von den Parteien und dem Leiter der Mediationssitzung nach Art. 116 § 3 S. 2 VgVfG unterzeichnet. Auf Grundlage der Mediationsabrede ist die Verwaltungsbehörde gem. Art. 117 § 1 VgVfG aufgefordert, den angefochtenen Verwaltungsakt entweder aufzuheben 212 Prawo o poste˛ powaniu przed sa˛dami administracyjnymi [Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, VgVfG], v. 30. 09. 2002, Dz.U. 2002 Nr. 153 Pos. 1270. 213 So Federczyk, Mediacja w poste˛ powaniu administracyjnym i sa˛dowoadministracyjnym, Warschau 2013, S. 195 a.E.; Kmieciak, Mediacja i koncyliacja w prawie administracyjnym, Krakau 2004, S. 158. 214 Gesetzesbegründung v. 22. 11. 2001, Sejm-Drucks. Nr. 19, S. 67 f., 73 f. Pkt. 12 zum VgVfG v. 30. 08. 2002, Dz.U. 2002 Nr. 153 Pos. 1270; vgl. Kmieciak, Mediacja i koncyliacja w prawie administracyjnym, Krakau 2004, S. 150. 215 Rec (2001) 9, abrufbar unter https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?Objec tId=09000016805e2b59, Stand: 27. 01. 2017; Federczyk, Mediacja w poste˛ powaniu administracyjnym i sa˛dowoadministracyjnym, Warschau 2013, S. 18; Kmieciak, Mediacja i koncyliacja w prawie administracyjnym, Krakau 2004, S. 150. 216 Hauser/Wierzbowski/Jagielska/Jagielski/Cherka, Beck’scher Großkommentar VgVfG, 5. Aufl. Warschau 2017, Art. 116 Rn. 2.

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oder zu ändern oder eine andere Rechtshandlung vorzunehmen oder zu beschließen, die für das konkrete Verfahren zulässig ist und in ihrem Zuständigkeits- sowie Kompetenzbereich liegt. Auf diese Weise wird der ehemalige Verwaltungsakt vollständig durch die gemeinsame Abrede ersetzt.217 Gegen die neue Entscheidung der Behörde ist gem. Art. 118 § 1 S. 1 VgVfG ein Rechtsmittel zugelassen. Es ist innerhalb von dreißig Tagen seit Zustellung oder Vornahme der Handlung der Behörde an das zuständige Woiwodschaftsverwaltungsgericht zu richten.218 Auffällig ist, dass das Mediationsverfahren öffentlich ist, die Öffentlichkeit aber nach Art. 96 VgVfG ausgeschlossen werden kann.219 Mangels eines ausdrücklichen Ausschlusses der Öffentlichkeit gilt in der verwaltungsgerichtlichen Mediation in der Konsequenz das Öffentlichkeitsprinzip gem. Artt. 10, 90 § 1 VgVfG.220 Dieser Aspekt widerspricht insoweit dem Grundsatz der Vertraulichkeit vehement, als unbeteiligte Dritte und ggf. auch die Presse an der Mediationssitzung teilnehmen können.221 Die Wahrung der Öffentlichkeit dient der Sicherstellung der Kontrolle der Bürger, das staatliche und juristische Handeln jederzeit überprüfen zu können. Es soll gar nicht erst der Eindruck entstehen, dass eine gesetzwidrige Abrede getroffen werden kann, wodurch dem Hoheitsträger Korruption vorgeworfen werden könnte.222 Diese Kontrolle durch die Öffentlichkeit ist dabei nicht nur richtig, sondern vielmehr notwendig, führt jedoch dazu, dass die Mediation im Verwaltungsgerichtsverfahren und auch im Verwaltungsverfahren gänzlich überflüssig wird und ihre Grundsätze ins Leere laufen. Am Beispiel der Mediation im polnischen Verwaltungsrecht wird die Kollision des Vertraulichkeitsgrundsatzes der Mediation mit dem Öffentlichkeitsprinzip des Gerichtsverfahrens deutlich. Wo das staatliche Handeln durch die Öffentlichkeit kontrolliert werden muss, da darf die Mediation, wenn überhaupt, allenfalls nur eingeschränkt stattfinden. Diese Problematik ist dem deutschen Verwaltungsrecht bekannt, weshalb die Mediation im deutschen Verwaltungsrecht nur in einzelnen Rechtsbereichen durchgeführt wird.223

217 Hauser/Wierzbowski/Jagielska/Jagielski/Cherka, Beck’scher Großkommentar VgVfG, 5. Aufl. Warschau 2017, Art. 117 Rn. 2; vgl. Urteil des polnischen Obersten Verwaltungsgerichtshof v. 14. 12. 2007 – I FSK 269/06. 218 Art. 118 § 1 S. 1 VgVfG, Hauser/Wierzbowski/Jagielska/Jagielski/Cherka, Beck’scher Großkommentar VgVfG, 5. Aufl. Warschau 2017, Art. 118 Rn. 1. 219 Federczyk, Mediacja w poste˛ powaniu administracyjnym i sa˛dowoadministracyjnym, Warschau 2013, S. 161. 220 Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, S. 107. 221 Federczyk, Mediacja w poste˛ powaniu administracyjnym i sa˛dowoadministracyjnym, Warschau 2013, S. 161. 222 Federczyk, Mediacja w poste˛ powaniu administracyjnym i sa˛dowoadministracyjnym, Warschau 2013, S. 193. 223 S. bereits oben sowie Holznagel/Ramsauer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 40 Rn. 2 f., 71 ff.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Daher kann bereits jetzt der Rückschluss gezogen werden, dass es sich bei der Mediation im polnischen Verwaltungsrecht nicht um eine Mediation im klassischen Sinne handeln kann, sondern dass diese Konstellation vielmehr an einen sog. „Deal“ im Strafprozess224 erinnert. Zudem wird bei der Betrachtung des Art. 115 VgVfG deutlich, dass die Einleitung des Mediationsverfahrens förmlich ist, was ebenfalls gegen die klassische und flexible Mediation spricht, die sich gerade bewusst vom komplizierten und komplexen Gerichtsverfahren abgrenzen soll. Die Parteien sind an ihre Anträge gebunden, sodass der Kläger oder das Verwaltungsorgan nach Art. 115 § 1 VgVfG lediglich bis zur Anberaumung der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Einleitung des Mediationsverfahrens stellen dürfen, anderenfalls ist der Antrag präkludiert und wird vom Gericht bereits deswegen abgelehnt.225 Eine weitere Eigentümlichkeit der verwaltungsgerichtlichen Mediation ist die Verfahrensleitung durch den Richter oder den Rechtspfleger gem. Art. 116 § 1 VgVfG. Eigentümlich ist die Situation insoweit, als dem polnischen Recht (insbesondere auf dem Gebiet des Zivilrechts) eine gerichtsinterne Mediation bzw. eine Richtermediation bereits schon nach der Rechtstradition völlig fremd ist226 und daher im Verwaltungsrecht auf erhebliche Kritik stößt.227 Zum Teil wird von einer Quasi-Mediation gesprochen oder die Bezeichnung „Mediation“ gänzlich aberkannt.228 Die Gesetzesbegründung gibt keine Auskunft darüber, weshalb ausgerechnet der Richter oder Rechtspfleger als einzig zulässige Mediatoren in Betracht kommen. Es heißt lediglich, die Mediation im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mittels eines Richters oder Rechtspflegers diene der Selbstkontrolle der Verwaltung, wodurch der Hoheitsträger sein rechtliches Handeln überdenken und den gegen den Kläger erlassenen Verwaltungsakt aufheben oder abändern kann.229 Eine Begründung für die Besetzung des Amtes des Mediators durch einen Richter oder Rechtspfleger liefern Jagielska/Jagielski/Cherka: Der Richter oder Rechtspfleger als Organ der Rechtspflege hat in der Mediation die Funktion, auf die Einhaltung des Rechts bei der erarbeiteten Lösung zwischen Hoheitsträger und Bürger zu achten.230 Wos´ sieht diesen Aspekt anders. Seiner 224

Im deutschen Strafprozessrecht handelt es sich bei dem sog. Deal um eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten gem. § 257c StPO. 225 Federczyk, Mediacja w poste˛ powaniu administracyjnym i sa˛dowoadministracyjnym, Warschau 2013, S. 161; Hauser/Wierzbowski/Jagielska/Jagielski/Cherka, Beck’scher Großkommentar VgVfG, 5. Aufl. Warschau 2017, Art. 115 Rn. 3; Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, S. 107. 226 S. o. unter Zweiter Teil, A.I.2.a) und c). 227 Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, S. 108; vgl. zur Problematik Federczyk, Mediacja w poste˛ powaniu administracyjnym i sa˛dowoadministracyjnym, Warschau 2013, S. 196 Fn. 570; Hauser/Wierzbowski/Jagielska/Jagielski/Cherka, Beck’scher Großkommentar VgVfG, 5. Aufl. Warschau 2017, Art. 115 Rn. 3. 228 Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, S. 108. 229 Gesetzesbegründung v. 22. 11. 2001, Sejm-Drucks. Nr. 19, S. 75. 230 Hauser/Wierzbowski/Jagielska/Jagielski/Cherka, Beck’scher Großkommentar VgVfG, 3. Aufl. Warschau 2015, Art. 116 Rn. 1 a.E.

A. Die Entstehung des Mediationsgedankens in Polen

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Ansicht nach hat der Verwaltungsrichter eine autoritäre Funktion und soll den Prozess gerade in sensiblen Bereichen aufgrund des Überunterordnungsverhältnisses des Hoheitsträgers zum Bürger entscheiden. Das Verhandeln über gesetzeswidrige Verwaltungsakte im Überunterordnungsverhältnis des Hoheitsträgers zum Bürger verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip.231 Durch die bestehende Regelung der Mediation im polnischen Verwaltungsrecht, insbesondere in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wird der Eindruck erweckt, die Mediation im Verwaltungsrecht sei eine Paralleljustiz hinter den verschlossenen Türen der Gerichtssäle, die aber aufgrund der ehemaligen Verschmelzung des Staatsapparates mit der rechtsprechenden Gewalt der VR Polen jedoch mit der Reform aus dem Jahr 2002 abgeschafft werden sollte.232 Die spärliche Kodifikation der Mediation im VgVfG verstärkt sogar den Eindruck, ein Surrogat zum staatlichen Gericht zu sein, in welchem der Bürger über seine Rechte verhandelt, obwohl er bereits aufgrund seiner untergeordneten Stellung zum Staat eine schwächere Ausgangsposition hat. Daran ändert auch das Belassen des Öffentlichkeitsprinzips nichts, wodurch einzig der Anschein eines öffentlichen Diskurses gewahrt wird. Aus diesem Grund sollten die Vorschriften bzgl. der Mediation in der polnischen Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der nächstmöglichen Gesetzesreform zum polnischen VgVfG gestrichen werden.

III. Resümee Die gesetzliche Regelung der Mediation in Polen unterlag einem gravierenden, politisch-historischen Wandel. Während der Mediationsgedanke in der VR Polen, wie auch in der DDR, durch die Schaffung von Schlichtungskollegien und anderen Streitbeilegungsstellen die Umgehung des Rechts der polnischen Bevölkerung auf rechtliches Gehör bezweckte und zur Abschaffung unabhängiger Gerichte beitrug, wird die Mediation seit der Existenz der Republik Polen als eine alternative Streitbeilegungsform zu den Gerichtsverfahren in unterschiedlichen Rechtsgebieten angeboten. Die Mediation auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts ist dabei als erste Kodifizierung der Mediation in Polen seit der Unabhängigkeit Polens von der UdSSR besonders hervorzuheben. Nach den massiven Streiks und Ausschreitungen, die maßgeblich zum Zerfall der VR Polen im Jahr 1989 beigetragen hatten, wurde das Gesetz über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht geschaffen. Durch die darin vorgesehene Mediation zwischen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite wird ein durch das Prinzip der Waffengleichheit geleiteter Arbeitskampf zugelassen. Die Mediation im kollektiven Arbeitsrecht der Republik Polen stellt im direkten Ver-

231 Wos´ PiP 2003, Nr. 8, S. 18 (28); a.A. Kmieciak, Mediacja i koncyliacja w prawie administracyjnym, Krakau 2004, S. 155. 232 Vgl. Morawski, PiP 1993, Nr. 1, S. 12 (23).

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

gleich zur Mediation in Deutschland eine der ältesten gesetzlichen Regelungen des Mediationsrechts dar. Die Mediation im Strafrecht und in Jugendsachen basiert auf dem Gedanken der Personalisierung des strafrechtlich relevanten Konflikts, in welchen grundsätzlich der Staat mit Sanktionen korrigierend eingreifen würde. Bei der polnischen Mediation in Jugendsachen wird jedoch auch der Schutz des Jugendlichen berücksichtigt. Aus diesem Grund gelten für diese Mediationsverfahren besondere Einschränkungen, um die erzieherische Wirkung des straffällig gewordenen Jugendlichen zu erzielen. In der Mediation im Strafrecht wurde der Gedanke der Personalisierung des Konflikts seit dem Jahr 2016 erheblich zurückgedrängt. Insbesondere hat der Gesetzgeber eine Regelung abgeschafft, die dem Täter, ähnlich dem § 46a StGB im deutschen Recht, ermöglichte, Straffreiheit zu erlangen, sofern die Mediation zwischen dem Opfer und dem Täter zu einer Wiedergutmachung geführt hatte. Mit der Abschaffung dieses Gesetzes ist die Mediation im Strafrecht weniger attraktiv geworden, sodass davon auszugehen ist, dass der Mediation im Strafrecht in Polen künftig kaum Beachtung geschenkt wird. Darüber hinaus ist die Mediation im Strafrecht durch Regelungen zur Promotion der Mediation gekennzeichnet, die in der Praxis nicht in der gewünschten Intensität umsetzbar sind. Den Strafverfolgungsorganen obliegt die Pflicht, den Täter und die Opfer mittels eines schriftlichen Informationsschreibens über die Möglichkeit der Durchführung der Mediation aufzuklären. Oftmals kommt die Mediation jedoch erst im späteren Verfahrensstadium in Betracht, nachdem der Verdächtige seine Rechte sowie die Erfolgsaussichten des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens kennt und auf Basis dieses Wissens abwägen kann, ob ihm die Mediation Vorteile verschafft. Aus diesem Grund sollten nicht die Strafverfolgungsorgane mit der Informationspflicht belastet werden. Die Mediation im Strafrecht in Polen würde effektiver gefördert, wenn anderen Rechtspflegeorganen, insbesondere dem Strafverteidiger, die Pflicht zur Aufklärung über die Mediation auferlegt würde. Die Mediation im Familienrecht in Polen kann im Rahmen der Versöhnungssitzung in Scheidungs- und Ehesachen durchgeführt werden. Dadurch, dass das polnische Scheidungsrecht auf dem Schuldprinzip und nicht wie im deutschen Recht auf dem Zerrüttungsprinzip basiert, dient die Mediation im Rahmen der Versöhnungssitzung dazu, die Ehegatten wieder zusammen zu führen. Sofern aber die besonderen Voraussetzungen der Scheidung vorliegen, kann auch die einvernehmliche Regelung der Scheidungsfolgen Gegenstand der Mediation sein. Dennoch ist das Anwendungsfeld der Mediation im polnischen Familienrecht insgesamt sehr eng begrenzt. Die Mediation wird zweckentfremdet und als Versöhnungssitzung behandelt. Die Mediation im polnischen Scheidungsrecht erinnert stark an die Aussöhnungsverhandlung in Ehescheidungssachen, die im Scheidungsrecht der DDR vor der Scheidungsverkündung obligatorisch durchzuführen war. Als echte Alternative zum Gerichtsverfahren sowie als echte Mediation kann die polnische Mediation im Rahmen der Versöhnungssitzung in Scheidungs- und Ehesachen somit nicht bezeichnet werden.

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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Die Mediation im polnischen Verwaltungsrecht ist sowohl für das Verwaltungsverfahren als auch für das Verwaltungsgerichtsverfahren gesetzlich geregelt. Insbesondere die verwaltungsgerichtliche Mediation leidet an wesentlichen Mängeln, weshalb ihr der Begriff „Mediation“ abzusprechen ist. Der Mediation in der polnischen Verwaltungsgerichtbarkeit fehlt insbesondere der Grundsatz der Vertraulichkeit. Zudem ist das Merkmal der Elastizität und Unförmlichkeit nicht gegeben. Die Mediation in der polnischen Verwaltungsgerichtbarkeit ist insoweit überflüssig, als sie das Gerichtsverfahren weder beschleunigt noch vereinfacht: Die Anträge sind förmlich, die Mediation ist nur durch einzelne Personen zugelassen und die Sitzungen sind öffentlich. Durch die bestehende Regelung der Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird der Eindruck einer Paralleljustiz erweckt, welche aufgrund der ehemaligen Verschmelzung des Staatsapparates mit der rechtsprechenden Gewalt der VR Polen jedoch mit der Reform aus dem Jahr 2002 abgeschafft werden sollte. Aus diesem Grund wird für die Abschaffung der Mediation in der polnischen Verwaltungsgerichtsbarkeit plädiert.

B. Die Mediation in Zivil- und Handelssachen in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 Die Mediation in Zivil- und Handelssachen hat in Polen seit dem EU-Beitritt im Zuge der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 für eine weitreichende Veränderung des Zivil- und Zivilprozessrechts gesorgt. Auch wenn die Europäisierung des nationalen Rechts und die Aufgeschlossenheit Polens seit dem EU-Beitritt gegenüber dem europäischen Westen derzeit durch die verfassungsrechtsfeindliche Ausrichtung des Staates einen Rückschritt erfährt und dementsprechend EU-Sanktionen gegen Polen eingeleitet wurden,233 so ist nach derzeitigem Stand das reine Zivilrecht von den durchaus als negativ zu wertenden Veränderungen im Land weitestgehend unversehrt geblieben.234 Da die Gefahr jedoch besteht, dass sich die schwindende Unabhängigkeit der Justiz im Laufe der Zeit auch im Privatrecht niederschlagen und die Rechtsprechung im Zivilprozess künftig mehr von der politischen Gesinnung als von der tatsächlichen Sachlage abhängen könnte,235 muss die zivilrechtliche Gesetzes233 Factsheet der Europäischen Kommission MEMO/17/5368 v. 20. 12. 2017 über die Maßnahmen der Kommission zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Polen, nebst dazugehöriger Pressemitteilung IP/17/5367; Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/18/4341 v. 2. 07. 2018 über die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens zum Schutz der Unabhängigkeit des polnischen Obersten Gerichts; vgl. dazu Bucholc/Komornik, Osteuropa 2016, S. 79 f. 234 Anders beispielsweise das Strafrecht, s. dazu oben unter Zweiter Teil, A.II.2.b). 235 S. dazu Zweiter Teil, A.I.2.; s. auch Bucholc/Komornik, Osteuropa 2016, S. 79, die das Rechtsverständnis der PiS-Partei mit dem in der VR Polen vergleichen; vgl. zum Machtmissbrauch der Legislative und Exekutive in der VR Polen bereits oben unter Zweiter Teil, A.I.2. und Zweiter Teil, A.II.1.a).

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

lage stets sorgfältig weiterverfolgt werden. Von diesen Ausgangsproblemen ist das deutsche Zivilrecht nach derzeitigem Stand frei und es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf Gegenteiliges, auch nicht für die Zukunft, hinweisen könnten. Aus diesem Grund ist die Betrachtung der polnischen Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie und weiterer dazugehöriger Zivilvorschriften dahingehend zu hinterfragen, ob und inwieweit der Gesetzgeber bestimmte Mediationsvorschriften und andere dazugehörige Normen mit der Absicht implementierte oder aufhob, das Verfassungsrecht zu umgehen. Als wichtigen Zeitpunkt für die nähere Betrachtung der polnischen Mediationsvorschriften im Lichte des Verfassungsrechts ist nicht das Jahr des Inkrafttretens der ersten Umsetzung des EU-Mediationsrechts im Jahr 2004 anzusehen, sondern vielmehr der Beginn des Jahres 2016. Im Januar 2016 wurde der erste Rechtsstaatlichkeitsdialog der EU-Kommission mit Polen eingeleitet, nachdem sich der Verdacht auf eine abnehmende Unabhängigkeit der Justiz verdichtete.236 Hinzuzufügen ist, dass eine Richtlinienumsetzung wie die der EU-Mediationsrichtlinie in Deutschland und Polen mit den darin enthaltenen Vorgaben bereits gewisse Einschränkungen macht, über die sich die EU-Mitgliedstaaten nicht sanktionslos hinwegsetzen können. Die Gefahr, dass sich die generelle Veränderung der justiziellen Landschaft Polens auch negativ auf die polnische Mediation in Zivil- und Handelssachen ausgewirkt hat, gilt es anhand der nationalen Gesetzeshistorie zu untersuchen. Aus diesem Grund wird nach einer Einführung das Gesetzgebungsverfahren der Mediationsvorschriften im polnischen Zivil- und Zivilverfahrensrecht dargelegt. Darauf aufbauend werden die einzelnen Mediationsvorschriften mit den Regelungen der EU-Mediationsrichtlinie verglichen. Zudem werden Vor- und Nachteile des Mediationsrechts in Zivil- und Handelssachen gegenüber der deutschen Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie herausgearbeitet. Zum besseren Verständnis wird an die einzelnen Grundsätze im Mediationsverfahren angeknüpft sowie der Verfahrensablauf der Mediation im polnischen Zivil- und Handelsrecht dargelegt. Die in der EU-Mediationsrichtlinie aufgelisteten Zielvorgaben, die sich an die Sicherung der Qualität der Mediation sowie die rechtlichen Auswirkungen der Mediation im Hinblick auf die Anspruchsdurchsetzung richten, werden ebenfalls gesondert betrachtet. Da die Mediation „kostengünstig“237 sein soll, wird auch die Wirtschaftlichkeit der Mediation in Polen untersucht.

I. Einführung Die Antworten der untersuchten Länder auf die EU-rechtlichen Vorgaben zur Mediation könnten unterschiedlicher nicht sein. Während der polnische Gesetzgeber 236 Factsheet der Europäischen Kommission MEMO/17/5368 v. 20. 12. 2017 über die Maßnahmen der Kommission zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Polen. 237 Erwägungsgrund 6 der EU-Mediationsrichtlinie.

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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bereits den unverbindlichen Entwurf der EU-Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 2004 zum Anlass nahm, die Mediation in das Zivilprozessrecht zu implementieren, ließ sich der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Vorgaben der EU-Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 2008 deutlich mehr Zeit. Erst nach etlichen Diskussionen im Rahmen der Bundestagsdebatte, insbesondere aufgrund der bei den Gerichten akzeptierten und bereits über einen längeren Zeitraum praktizierten Güterichtermediation,238 konnte sich auch der deutsche Gesetzgeber auf eine entsprechende Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie einigen. Das deutsche Mediationsgesetz trat schließlich im Jahr 2012, ein Jahr nach Ablauf der vorgegebenen Umsetzungsfrist, in Kraft. Polemisch ausgedrückt setzte die Republik Polen die Richtlinie somit deutlich zu früh, im vorauseilenden Gehorsam aufgrund der voranschreitenden EU-Osterweiterung um, während die Bundesrepublik Deutschland bei der seit mehr als einem Jahr überfälligen, bürokratischen Umsetzung aufgrund der „Überführung der gerichtsinternen Mediation in ein erweitertes Güterichterkonzept“239 säumig blieb. Sowohl die zeitliche Spanne der jeweiligen Richtlinienumsetzung in Deutschland und Polen als auch die unterschiedliche Akzentuierung des Mediationsrechts der beiden Länder, insbesondere auch der richterlichen Mediation, bietet einen Anlass zur Gegenüberstellung.

II. Die deutschen und polnischen Rechtsquellen der Mediation seit der Implementierung der EU-Mediationsrichtlinie in das nationale Recht – Gesetz ohne Praxis, Praxis ohne Gesetz Bereits vor der Implementierung der EU-Mediationsrichtlinie in Deutschland im Jahr 2012 wurden in den verschiedenen Bundesländern über mehrere Jahre hinweg zahlreiche Pilotprojekte der Mediation praktiziert. Die Konzepte der einzelnen Bundesländer variierten dabei von einer gerichtsinternen bis zu einer gerichtsnahen Mediation.240 Eine Rechtsgrundlage hierfür gab es nicht de lege lata. De lege ferenda wurde § 278 ZPO a.F. als Rechtsgrundlage angenommen, unter welchen die Befugnis des Richters zur Durchführung einer Mediation subsumiert wurde.241 In Polen dagegen existierte vor dem Erlass der EU-Mediationsrichtlinie im Jahr 2008 bereits eine gesetzliche Regelung der Mediation in Zivil- und Handelssachen, die auf dem Entwurf der EU-Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 2004 basierte. Trotz dieser früh geschaffenen Rechtsgrundlage, die im Jahr 2005 in Kraft trat,242 wurde die 238

Vgl. BR-Drs. 10/12 sowie BT-Drs. 17/8058, S. 1 unter B. BT-Drs. 17/8058, S. 17. 240 Vgl. dazu Probst, JR 2011, S. 507: Güterichtermodell in Bayern; Spindler, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Göttingen 2006, S. 7. 241 Prütting, MDR 2016, S. 965; ders., ZZP 124 (2011), S. 163 (165); Spindler, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Göttingen 2006, S. 7. 242 Die Mediation in Zivil- und Handelssachen in Polen trat erstmals am 10. 12. 2005 in Kraft, Dz.U. 2005 Nr. 172 Pos. 1438. 239

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Mediation im polnischen Zivilrecht dennoch nicht im gleichen Umfang wie in Deutschland praktiziert. In Polen fehlte es zudem an Pilotprojekten, um zu überprüfen, in welchen zivilrechtlichen Bereichen die größte Nachfrage für die Mediation besteht sowie in welchen zivilprozessualen Verfahrensstadien von der Mediation am meisten Gebrauch gemacht wird. Allerdings dienten in Polen diverse Gesetzesnormen zum Mediationsverfahren auf dem Gebiet des Strafrechts aus dem Jahr 1997, des Jugendstrafrechts aus dem Jahr 2000 und des Verwaltungsrechts aus dem Jahr 2004 als Referenz.243 Damit existierten in Polen zwar Rechtsgrundlagen, sie wurden jedoch nicht ihrer ursprünglichen Bestimmung entsprechend angewandt. Dagegen fand in Deutschland immerhin im Rahmen diverser Pilotprojekte bereits eine gelebte Mediationspraxis statt. Daher kann die Mediation in Polen in der Zeit vor der erlassenen EU-Mediationsrichtlinie als „Gesetz ohne Praxis“ bezeichnet werden, während die Mediation in Deutschland umgekehrt als „Praxis ohne Gesetz“ verstanden werden kann. Bemerkenswert an den polnischen Gesetzen ohne Praxis ist, dass auch die polnische Mediation im Strafrecht aus dem Jahr 1997, im Jugendstrafrecht aus dem Jahr 2000 und im Verwaltungsrecht aus dem Jahr 2004 ebenfalls der Europäisierung des Mediationsrechts unterlag.244 Die Mediation in Polen in genau diesen rechtlichen Sparten war durch Empfehlungen und Leitlinien der Europäischen Union inspiriert. Der deutsche Gesetzgeber hat von solchen europäischen Empfehlungen zur Mediation in den soeben erwähnten Rechtsgebieten dagegen keinen Gebrauch gemacht. Für Polen lag es, anders als für Deutschland, somit nahe, im Anschluss an die Mediationsnormen der erwähnten Rechtsgebiete auch die Mediation auf dem Gebiet des Zivilrechts auf die gewohnte Art und Weise entsprechend zu kodifizieren. Aus diesem Grund führte das europäische Mediationsrecht in Polen bereits im Jahr 2005 zur rechtlichen Verankerung des Mediationsverfahrens im Zivilprozessrecht. Die Europäisierung des Mediationsrechts in Polen erfolgte demnach in den frühen 2000er Jahren in beinahe allen Rechtsgebieten, während sich das deutsche Mediationsrecht in Zivilsachen zunächst mit der umstrittenen Auslegung des § 278 ZPO a.F. sowie vereinzelt geförderten Pilotprojekten begnügen musste. Das einzige Mediationsgesetz, das in der Republik Polen historisch gewachsen ist und sich mithin ohne den Einfluss der EU entwickelte, ist das Gesetz über die Streitbeilegung im kollektiven Arbeitsrecht aus dem Jahr 1991.245 Aus deutscher Sicht ist der Täter-Opfer-Ausgleich im Strafrecht als Mediationsform ohne den Einfluss europarechtlicher Vorgaben entstanden.246 243 Morek, Beilage Nr. 20 zu MoP 2006, S. 2; de Vries, Die rechtliche Regelung der Mediation in Polen, in: Mediation als Verfahren konsensualer Streitbeilegung, S. 95 (96 ff.). 244 S. dazu Zweiter Teil, A.II.; Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, Kap. 5, S. 114 f., 116. 245 S. dazu Zweiter Teil, A.II.1. 246 Art. 1 des Verbrechensbekämpfungsgesetzes v. 28. 10. 1994, BGBl I, S. 3186; Theune, in: Leipziger Kommentar StGB, 12. Aufl. 2007, § 46a Rn. 1: Das Gesetz basierte auf dem Entwurf eines Arbeitskreises deutscher, österreichischer und schweizer Strafrechtslehrer.

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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1. Das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie Die Umsetzung des Entwurfs der EU- Mediationsrichtlinie erfolgte in Polen durch die sog. „Komisja Kodyfikacyjna“, d. h. die Kodifikationskommission. Die polnische Kodifikationskommission ist kraft Verordnung an der Erarbeitung und Entwicklung von Gesetzesentwürfen im Zivil-, Familien- und privaten Handelsrecht beteiligt.247 Die Kommission hat mithin die erste Mediationsnovelle vom 28. 07. 2005,248 die erstmals am 10. 12. 2005 in Kraft trat, mit dem Gesetzesentwurf zur Änderung des Zivilverfahrens-, des Zivilgesetzbuchs und des Gerichtskostengesetzes in Zivilsachen vom 20. 08. 2004249 maßgeblich mitgestaltet.250 Insbesondere sah der Gesetzesentwurf die Implementierung eines neuen Abschnitts unter dem Titel „Mediacja“, d. h. die Mediation, im Zivilverfahrensgesetzbuch, mit den neu geschaffenen Artt. 1831 bis 18315, vor. Diese Vorschriften gelten bis heute fort, auch wenn sie seit Inkrafttreten im Jahr 2005 einige Änderungen erfahren haben. Im Jahr 2004, als noch nicht konkret bekannt war, wann die EU-Mediationsrichtlinie erlassen würde, stellte sich die Frage, ob die Mediation im Zivilrecht in Polen überhaupt einer Regelung bedürfe. Zu diesem Zeitpunkt lag lediglich der die EU-Mitgliedstaaten nicht bindende Entwurf zur Richtlinie vor, sodass die EU-Mediationsrichtlinie zunächst hätte abgewartet werden können. Allerdings war die Mediation im Strafrecht, in Jugendsachen, im kollektiven Arbeitsrecht sowie im Verwaltungsrecht bereits gesetzlich verankert, sodass allein die Kodifikation der Mediation in Zivil- und Handelssachen noch ausstand. Es hätte somit einer Rechtfertigung bedurft, warum ausgerechnet die Mediation in Zivil- und Handelssachen nicht gesetzlich zu verankern ist oder warum sie eine Ausnahme zur Mediation in anderen Rechtsgebieten darstellte. Aus der Gesetzesbegründung vom 20. 08. 2004 ergibt sich, dass der polnische Gesetzgeber von den Vorteilen, die die Mediation gegenüber dem Gerichtsverfahren bietet, schlichtweg überzeugt war251 und aus diesem Grund den Erlass der EU-Mediationsrichtlinie nicht abwarten wollte.252

247 § 8 Verordnung v. 22. 04. 2002 über die Organisation und Tätigkeit der Kodifikationskommission im Zivilrecht [Rozporza˛dzenie Rady Ministrów w sprawie utworzenia, organizacji i trybu działania Komisji Kodyfikacyjnej Prawa Cywilnego], Dz. U. 2002 Nr. 55, Pos. 476; Rechtsgrundlagen sind Artt. 12a, 15 des Gesetzes über den Ministerrat v. 08. 08. 1996 [ustawa o Radzie Ministrów], Dz.U. 1996 Nr. 106, Pos. 492. 248 Dz.U. v. 28. 07. 2005, Nr. 172, Pos. 1438. 249 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018. 250 Zegadło, FS Pazdan, Krakau 2005, S. 1533 (1535). 251 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 1 unter Pkt I. und S. 6 a.E., als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/ Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018. 252 Zum wesensprägenden Entwurf der EU-Mediationsrichtlinie für die polnische Mediation in Zivil- und Handelssachen s. o. unter Erster Teil, B.I.3.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Zegadło beantwortete die Frage des „Ob“ der Kodifizierung der Mediation in Zivil- und Handelssachen dahingehend, dass eine gesetzliche Regelung aufgrund der Zusammenführung des Zivilprozesses mit der Mediation sogar notwendig sei, da es sich bei der Mediation um ein Verfahren der Streitschlichtung handelt, das grundsätzlich aus dem Prozess ausgelagert ist, aber auf den Prozessverlauf dennoch Einfluss nimmt.253 Das Gericht und die Parteien müssten schließlich wissen, auf welche Art und Weise mit welchen Konsequenzen in die Mediation verwiesen wird, wenn eine Klage bereits rechtshängig ist, so Zegadło.254 Auch führte Zegadło an, dass für die Beteiligten klar sein müsse, nach welchen Kriterien der Mediator ausgewählt wird, welche Qualitätsstandards in der Mediation gelten und eingehalten werden müssen.255 Des Weiteren müsse Rechtssicherheit in Bezug auf die Durchsetzung eines Mediationsvergleichs herrschen, weshalb eine gerichtliche Bestätigung eines solchen Vergleichs in Betracht kommen könne.256 Abschließend führt Zegadło als Argument für die Implementierung der Mediation in das Zivilverfahrensgesetzbuch an, dass es nicht das erste außergerichtliche Verfahren wäre, welches in das Prozessrecht implementiert würde. Schließlich wurde bereits ein anderes ADR-Verfahren im Zivilprozessrecht geregelt, nämlich das Schiedsgerichtsverfahren.257 Daher gibt es keinen Grund, die Mediation, die ebenfalls ein alternatives Verfahren zum Gerichtsprozess darstellt, nicht zu regeln. Das Argument, alternative Streitbeilegungsformen sollten nicht ins Zivilprozessrecht implementiert werden, kann Zegadło damit entkräften. Zum einen ist die Verzahnung zwischen Mediation und Gerichtsverfahren regelungsbedürftig, sodass zivilprozessuale Normen für einen rechtssicheren Übergang in die Mediation aus dem Gerichtsverfahren und aus der Mediation in die Gerichtsverhandlung sorgen. Zum anderen sind alternative Verfahren längst Bestandteil des Prozessrechts, was durch das Schiedsgerichtsverfahren beispielhaft vorgelebt wird. Über das „Wie“ der Implementierung der Mediation in Polen bestand insoweit Einigkeit, als der frühe Entwurf der EU-Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 2004 als Grundlage dienen sollte.258 Trotz einiger gestalterischer Bedenken, insbesondere zu Mediationskosten,259 ist der durch die Kodifikationskommission erarbeitete Entwurf

253

Zegadło, FS Pazdan, Krakau 2005, S. 1533. Zegadło, FS Pazdan, Krakau 2005, S. 1533. 255 Zegadło, FS Pazdan, Krakau 2005, S. 1533. 256 Zegadło, FS Pazdan, Krakau 2005, S. 1533. 257 Zegadło, FS Pazdan, Krakau 2005, S. 1533 f. 258 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 22. 10. 2004 KOM (2004) 718 endg. – COD 2004/0251; s. dazu eingehend oben unter Erster Teil, B.I.3. 259 Z. B. in Bezug auf Art. 103 § 2 ZVGB, wonach das Gericht der obsiegenden Partei einen Teil der Gerichtskosten auferlegen kann, sofern die Partei der Mediationssitzung unentschuldigt fernblieb, so Zegadło, FS Pazdan, Krakau 2005, S. 1533 (1536). 254

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des Mediationsgesetzes im Sejm angenommen worden260 und hat das polnische Zivilverfahrensgesetzbuch mit Inkrafttreten am 10. 12. 2005261 modernisiert. Anschließend folgte sodann der Erlass der EU-Mediationsrichtlinie im Jahr 2008. Im Jahr 2012 trat sodann das deutsche Mediationsförderungsgesetz mit einem aus der ZPO ausgelagerten Mediationsgesetz in Kraft.262 Zehn Jahre nach der Einführung der Mediation in Zivil- und Handelssachen in Polen wurden die Mediationsvorschriften im Jahr 2015 nochmals reformiert und auf EU-Konformität geprüft. Im Mittelpunkt stand nicht mehr die bloße Kodifizierung der Mediation. Vielmehr wollte sich der Gesetzgeber auf die reine Förderung der Mediation durch die Änderung der bereits bestehenden Vorschriften konzentrieren. Der Gesetzesentwurf des Sejm vom 22. 05. 2015263 nimmt nunmehr ausdrücklich Bezug auf die EU-Mediationsrichtlinie und bemängelt, dass trotz des zehnjährigen Bestehens der Mediation im polnischen Zivilverfahrensgesetzbuch weniger als 1 % aller rechtshängigen Verfahren in Zivilsachen durch Mediationsvergleiche beendet werden.264 Die reformbedürftigen mediationsrechtlichen Vorschriften des Zivilverfahrensgesetzbuchs wurden im Gesetzesentwurf vom 22. 05. 2015 in der Gesetzesbegründung schriftlich sehr ausführlich erörtert, indem unterschiedliche Mediationsverbände und Schlichtungsorganisationen ihre Empfehlungen äußerten. Auch das deutsche Mediationsförderungsgesetz aus dem Jahr 2012 inspirierte den polnischen Gesetzgeber. Dies wird im polnischen Gesetzesentwurf insoweit deutlich, als auf die deutschen Mediationsnormen sowie auch auf mediationsnahe Vorschriften, wie den Absatz 3 des § 253 ZPO, in rechtsvergleichender Weise verwiesen wird.265 Der polnische Senat hat den Gesetzesentwurf des Sejm nach wenigen Änderungen angenommen, sodass am 01. 01. 2016 das polnische Mediationsförderungsgesetz266 in Kraft trat.267 Vor Erlass eines Regierungsentwurfs zum geplanten Mediationsgesetz in Deutschland wurden zum Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom 260 Überwiegend für die Gesetzesnovelle hat sich die polnische Linke (Sojusz Lewicy Demokratycznej [Bündnis der Demokratischen Linken], kurz: SLD) mit 118 von insgesamt 380 abgegebenen Stimmen ausgesprochen, s. Dritte Lesung (106. Sitzung des Sejm, Pkt. 28) v. 30. 06. 2005, Abstimmung Nr. 92, abrufbar unter http://orka.sejm.gov.pl/SQL.nsf/glosowania? OpenAgent&4&106&92 und http://orka.sejm.gov.pl/proc4.nsf/opisy/3283.htm, Stand: 13. 07. 2018. 261 Durch Gesetz v. 28. 07. 2005, Dz.U. 172, Pos. 1438. 262 Mediationsförderungsgesetz v. 26. 07. 2012, BGBl. I 2012, 1577. 263 Sejm-Drucks. Nr. 3432. 264 Sejm-Drucks. Nr. 3432, S. 1 des Gesetzesbegründung. 265 Sejm-Drucks. Nr. 3432, S. 11 des Gesetzesbegründung: Verweis auf die obligatorische Streitschlichtung in Detuschland, S. 26: Verweis auf § 253 Abs. 3 ZPO, S. 50: Verweis auf das deutsche Mediationsgesetz. 266 Streng genommen handelt es sich mehr um ein Gesetz zur Förderung alternativer Streitbeilegungsmechanismen, denn die Reform umfasst auch die Vorschriften zum Schiedsverfahren. 267 Gesetz vom 10. 09. 2015, Dz.U. 2015 Pos. 1595.

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04. 08. 2010 zahlreiche Stellungnahmen verschiedener juristischer Berufsverbände eingeholt, bevor über den von der Bundesregierung eingebrachten Regierungsentwurf in der ersten Lesung am 01. 04. 2011 beraten wurde.268 Besondere Bedenken stellten sich während des Gesetzgebungsverfahrens in Deutschland hinsichtlich der nicht vorgesehenen zusätzlichen Verjährungsregelung für das Mediationsverfahren. Sowohl nach der Vorstellung des Referentenentwurfs als auch nach der Veröffentlichung des Regierungsentwurfs konnte eine Neuregelung der Unterbrechung der Verjährung während des Mediationsverfahrens nicht durchgreifen, sodass die endgültige Gesetzesfassung lediglich einen neu ausformulierten § 203 BGB vorsah.269

2. Die generellen Vorschriften und ihre Einordnung in Gesetzestypen Die deutschen und polnischen Umsetzungsvorschriften der EU-Mediationsrichtlinie basieren auf den Grundvorgaben zur Verjährung, Vollstreckung, dem Beginn und der Beendigung der Mediation, dem Vertrauensschutz, den Kosten, der Förderung und der Qualitätssicherung der Mediation. Die die Mediation begleitenden Vorschriften sind systematisch den bereits bestehenden, allgemeinen Normen zugeordnet. Beispielsweise haben der deutsche und polnische Gesetzgeber die Verjährung der Mediation im deutschen BGB respektive dem polnischen Zivilgesetzbuch geregelt. Auch die Vollstreckung von Mediationsvergleichen richtet sich grundsätzlich nach den Vollstreckungsvorschriften der deutschen ZPO beziehungsweise dem polnischen Zivilverfahrensgesetzbuch, die Kosten der außergerichtlichen Mediation dagegen nach privatrechtlichen Regelungen, wobei die Kosten der Mediation in Polen zusätzlich durch eine Kostenverordnung reguliert werden. Etwaige Aufklärungsfehler bzw. die Haftung des Mediators richten sich im deutschen und polnischen Recht nach dem allgemeinen Schuldrecht. Wesentliche Unterschiede zwischen der deutschen und polnischen Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie liegen überwiegend in dem Rechtsbereich, in dem sich das Prozessrecht und das alternative Verfahren der Mediation überschneiden und miteinander rechtlich verknüpft werden müssen. Unstrittig hat sich der polnische Gesetzgeber bereits im Jahr 2005 dafür entschieden, die Mediation in das Zivilverfahrensgesetzbuch einzufügen. Das Verfahren der Mediation selbst sowie die Initiierung der Mediation, die Beendigung und die Vertraulichkeit, sind im eigens für die Mediation geschaffenen Abschnitt des Zivilverfahrensgesetzbuchs zu finden. Das polnische Recht ordnet die Mediation somit dem Verfahrensrecht zu. 268

BT-Drs. 17/5335 v. 01. 04. 2011, BT-Drs. 17/5496 v. 13. 04. 2011. Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. zum Regierungsentwurf v. 22. 02. 2011, S. 8 Nr. 2.6.3; a.A. Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins Nr. 58/2010, S. 5 Abschn. B. Nr. 2. 269

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Das deutsche Mediationsgesetz hingegen wurde aus der deutschen Zivilprozessordnung ausgegliedert. Dies könnte ein Anhaltspunkt dafür sein, dass es im deutschen Recht – anders als im polnischen Recht – zum Verfahrensrecht gezählt wird. Auch ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen, welchem Gesetzestyp das deutsche Mediationsgesetz entsprechen soll. Prütting spricht über das deutsche Mediationsgesetz als Berufsgesetz für den Mediator.270 Demnach ist das polnische Mediationsrecht in das Verfahrensrecht einzuordnen, wohingegen für das deutsche Mediationsrecht die Qualifikation als Berufsrecht im Sinne von Prütting naheliegend erscheint. 3. Die durch die Mediationsgesetze verfolgten Zwecke Die polnische Mediationsnovelle aus dem Jahr 2015 ist an die in der EU-Mediationsrichtlinie enthaltenen Regelungen angeglichen worden und entspricht heute ihrer Zweckrichtung nach der „Förderung“ der Mediation.271 Gleiches gilt für das deutsche Mediationsförderungsgesetz aus dem Jahr 2012, das das Mediationsgesetz beinhaltet.272 Der Fokus in Polen hat sich seit dem ersten Mediationsgesetz in Zivil- und Handelssachen aus dem Jahr 2005 verlagert.273 Im Vordergrund stand zunächst die erstmalige Einführung der Mediation in das Zivilrecht als neues und modernes ADRVerfahren.274 Mit der EU-Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 2008 und der mangelnden Nachfrage der Mediation in Zivil- und Handelssachen sah sich der polnische Gesetzgeber danach jedoch unter Zugzwang. Zum einen wurde die Richtlinienkonformität der polnischen Mediationsvorschriften aus dem Jahr 2005 erneut275 überprüft. Zudem musste er sich der Frage stellen, welche zusätzlichen Maßnahmen getroffen werden müssten, um die Mediation attraktiver zu gestalten und ihr somit zu einer breiteren Anwendung zu verhelfen. Daher fokussierte sich Polen mit der Mediationsnovelle aus dem Jahr 2015 auf die Erneuerung von Mediationsvorschriften, um die Mediation effektiver zu gestalten und zu fördern.276 Am 01. 01. 2016 270

Prütting, AnwBl 2012, S. 204 (205). Gesetzesbegründung, Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 3. 272 BT-Drs. 17/5335 v. 01. 04. 2011, S. 1. 273 S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.II.1. 274 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 2 Nr. III., als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 12.07. 2018. 275 In der Zeit zwischen der Einführung der Mediation in Zivil- und Handelssachen aus dem Jahr 2005 und der Mediationsnovelle aus dem Jahr 2015 wurden lediglich einzelne Mediationsvorschriften im Jahr 2009 und 2011 durch G. v. 17. 12. 2009, Dz.U. 2010 Nr. 7, Pos. 45, und durch G. v. 16. 09. 2011, Dz.U. 2011 Nr. 233 Pos. 1381, angepasst. 276 So die Gesetzesbegründung, Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 15 a.E.: „Celem nowelizacji jest podniesienie skutecznos´ci mediacji“ [Ziel der Novelle ist die Erhöhung der Effektivität der Mediation]. 271

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trat sodann das polnische Gesetz zur Änderung bestimmter Gesetze im Zusammenhang mit der Förderung gütlicher Streitbeilegungsmethoden in Kraft.277 In Deutschland hingegen existierte keine gesetzliche Regelung der Mediation in Zivil- und Handelssachen, bis der deutsche Gesetzgeber der Umsetzungspflicht der EU-Mediationsrichtlinie im Jahr 2012 nachgekommen ist. Das Ziel des deutschen Gesetzes wird dementsprechend bereits anhand der Namensgebung deutlich: Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung. Da es sich die EU-Mediationsrichtlinie zum Ziel gesetzt hat, die (grenzüberschreitende) Mediation in zivil- und handelsrechtlichen Konflikten zu fördern278 und hierdurch ein „ausgewogenes Verhältnis zwischen Mediation und Gerichtsverfahren“ i.S.d. Art. 1 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie zu schaffen, beruhen sowohl die aktuelle deutsche als auch die polnische Gesetzesfassung der Mediation auf dem Förderungszweck der EU-Mediationsrichtlinie. 4. Resümee Die deutschen und polnischen Rechtsquellen der Mediation seit der Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie in das nationale Recht haben einen unerschiedlichen Werdegang erfahren. In Polen wurde die Mediation dabei seit der ersten Regelung der Mediation auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechts im Jahr 2005 durch die Bürger weder wahrgenommen noch wurde sie in der Rechtspraxis entsprechend beworben, weshalb sie auch als „Gesetz ohne Praxis“ bezeichnet werden kann. Seitdem der polnische Gesetzgeber die Mediation im Jahr 2015 reformiert und sich auf Maßnahmen zur Förderung der Mediation entsprechend der EU-Mediationsrichtlinie konzentriert hat, liegt er nunmehr mit dem deutschen Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung gleich auf. Hingegen war die Nachfrage nach der Mediation im Zivil- und Handelsrecht in Deutschland aufgrund zahlreicher Pilotprojekte sehr groß, es existierten jedoch bis zur Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie im Jahr 2012 keine entsprechenden Gesetze. Im Gegensatz zu Polen wurde mithin in Deutschland vor Erlass der EU-Mediationsrichtlinie eine Mediationspraxis ohne Gesetz gelebt. Mithilfe der EU-Mediationsrichtlinie wurden die Unterschiede beider EU-Mitgliedstaaten insoweit ausgeglichen, als sowohl Deutschland als auch Polen nunmehr die Förderung der Mediation als Zielvorgabe gesetzlich verankerten und die Mediation rechtssicher ausgestalteten. Auf diese Weise ist die EU-Mediationsrichtlinie ihrem Ziel, eine Harmonisierung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten zu erreichen, 277 Ustawa o zmianie niektórych ustaw w zwia˛zku ze wspieraniem polubownych metod rozwia˛zywania sporów, Dz.U. 10. 09. 2015 Pos. 1595. 278 Erwägungsgrund 4, 7 sowie Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 21. 05. 2008, ABl. Nr. L 136 v. 24. 05. 2008, S. 3.

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vollumfänglich nachgekommen. Deutschland und Polen haben sich durch die Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie in das nationale Recht einander angenähert und den EU-Binnenmarkt weiter gestärkt.

III. Die Mediationsgrundsätze und Arten der Mediation in Zivil- und Handelssachen im polnischen Recht Die Mediation in Zivil- und Handelssachen im polnischen Recht unterlag mit der Mediationsreform aus dem Jahr 2015279 einem Strukturwandel.280 Die zentralen Vorschriften der Mediation, die Artt. 1831 ZVGB ff., standen bei der Reform aus dem Jahr 2015 weniger im Mittelpunkt als die Vorschriften zum Kostenrecht, zur Eintragung von Mediatoren in Mediatorenlisten im polnischen Gerichtsverfassungsgesetz, zur allgemeinen Qualitätssicherung und zu rechtlichen Auswirkungen der Mediation in Bezug auf die Durchsetzung von Ansprüchen der Medianden. Bevor die speziellen Vorschriften erläutert werden, erfolgt zunächst die Darstellung der Kernelemente des polnischen Mediationsrechts in Zivil- und Handelssachen: die Artt. 1831 ZVGB ff. ZVGB, welche mit der Mediationsnovelle im Jahr 2005281 erstmals in Kraft traten. Die zentralen Vorschriften über die Mediation im polnischen Zivil- und Handelsrecht sind im ersten Abschnitt, der den Titel „Mediacja“282 trägt, im polnischen Zivilverfahrensgesetzbuch, kurz ZVGB, kodifiziert. Dieser Abschnitt wurde im Jahr 2005 mit der ersten Implementierung der Mediation in Zivil- und Handelssachen eigens für die Mediation geschaffen. Der Abschnitt über die Mediation befindet sich wiederum im ersten Kapitel „Mediacja i poste˛ powanie pojednawcze“283 des zweiten Teils „Poste˛ powanie przed sa˛dami pierwszej instancji“284 des sechsten Titels „Poste˛ powanie“285 des ersten Buches „Proces“286 des ZVGB.287 Im Folgenden wird der Abschnitt über die Mediation des ZVGB im Einzelnen dargelegt. Die Definition der Mediation, die Mediationsgrundsätze, der Beginn und die Beendigung des Mediationsverfahrens mit ihren Besonderheiten werden den Regelungen der EU-Mediationsrichtlinie gegenübergestellt. Des Weiteren wird der 279

Dz.U. v. 10. 09. 2015, Pos. 1595. S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.II.1. und 3. 281 Dz.U. v. 28. 07. 2005, Nr. 172, Pos. 1438. 282 Die Mediation. 283 Mediation und Güteverfahren. 284 Verfahren vor den Gerichten erster Instanz. 285 Das Verfahren. 286 Der Prozess. 287 Das polnische ZVGB ähnelt dem Aufbaru der deutsche ZPO stark. Vor dem Ersten Buch erschneint abweichend zur deutschen ZPO im ZVGB vorab „Cze˛ s´c´ Pierwsza“, was Erster Teil bedeutet. Das Erste Buch beginnt erst mit Art. 15. Die Artt. 1 bis 14 sind unter „Tytuł wste˛ pny“, was Eingangstitel bedeutet, geregelt. 280

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Bezug zum deutschen Mediationsrecht hergestellt und an relevanter Stelle rechtsvergleichend untersucht. 1. Die fehlende Definition der Mediation im polnischen Zivilverfahrensrecht – ein Gesetzesvorschlag Das polnische ZVGB definiert nicht, was unter einer Mediation genau zu verstehen ist. Das Gesetzbuch setzt den Begriff vielmehr voraus.288 Auch in der Einleitung des ZVGB in Art. 10 ZVGB, wonach das Gericht in Deutschland gem. § 278 Abs. 5 ZPO in die Mediation verweisen darf, lässt das polnische Gesetz die Definition der Mediation oder ihre Abgrenzung zu anderen ADR-Methoden vermissen. Die EU-Mediationsrichtlinie bietet für diese Lücke insoweit keinen Anlass, als sie in Art. 3 Abs. 1 lit. a S. 1 die Mediation als „ein strukturiertes Verfahren unabhängig von seiner Bezeichnung“ definiert, „in dem zwei oder mehr Streitparteien mit Hilfe eines Mediators auf freiwilliger Basis selbst versuchen, eine Vereinbarung über die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu erzielen.“ Warum der polnische Gesetzgeber auf die Definition verzichtet hat, lässt sich den Gesetzesbegründungen aus dem Jahr 2004 und 2015 nicht entnehmen. Es fehlt indes sogar die Feststellung, dass es keiner Definition bedürfe. Die fehlende Definition im polnischen ZVGB lässt dementsprechend Raum zur Interpretation. In der polnischen Literatur wird der Begriff der Mediation unterschiedlich verstanden. Nach Jakubiak-Miron´czuk ist die Mediation ein Ansatz, einen zufriedenstellenden Vergleich zu erzielen und damit zumindest den akuten Konflikt zu beenden, indem sich die Parteien eines von allen Seiten akzeptierten, neutralen Dritten bedienen.289 Morek fügt den angesprochenen Kriterien die Aspekte der Freiwilligkeit, der Vertraulichkeit und des nicht formalisierten Verfahrens hinzu.290 Gmurzyn´ska hat für die Definition drei Kriterien herausgearbeitet, wonach es eines neutralen bzw. nicht interessenorientierten Mediators bedarf, dem keine Entscheidungsbefugnisse zukommen und das Verfahren von der Freiwilligkeit der Parteien zu der Mediation und in der Mediation getragen ist.291 Für Gmurzyn´ska umfasst der Freiwilligkeitsgrundsatz mithin die freiwillige Eingehung der Mediation und die freiwillige Durchführung des Mediationsverfahrens. Dies kommt in der Definition der Mediation von Gmurzyn´ska besonders zum Ausdruck. Sobolewski nennt drei andere Kriterien, nämlich die Wahlfreiheit, die Vertraulichkeit und das Fehlen eines 288

Z. B. Art. 1831 § 1 ZVGB: „Mediacja jest dobrowolna“ [die Mediation ist freiwillig]. Jakubiak-Miron´czuk, Alternatywne a sa˛dowe roztrzygnanie sporów sa˛dowych, Warschau 2008, S. 42. 290 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Einl. Rn. 1; so auch Jakubecki/Telenga, ZVGB-Kommentar, 7. Aufl. Warschau 2017, Art. 1831 ZVGB, Rn. 1. 291 Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 31 f. 289

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zu formalisierten Verfahrens,292 welche von der Definition der Mediation nach Gmurzyn´ska abweichen. Eine fehlende Definition kann gerade bei der noch weitestgehend unpopulären Mediation für Abgrenzungsschwierigkeiten sorgen.293 Hierzu sieht Miczek zu Recht besonders die Gefahr der fehlenden Unterscheidbarkeit zwischen dem Mediationsund dem Schlichtungsverfahren.294 Hieraus können sich Probleme in Bezug auf die Haftung des Mediators und die Vertraulichkeit des in der Mediation gesprochenen Wortes ergeben. Dadurch, dass bereits in der Literatur295 Uneinigkeit besteht, durch welches Merkmal sich die Streitbeilegungsformen voneinander unterscheiden, hätte eine umfassende Definition der Rechtsunsicherheit grundsätzlich entgegenwirken können. In der Definition von Jakubiak-Miron´czuk fehlt es beispielsweise an der Hervorhebung des Grundsatzes der Freiwilligkeit ungeachtet der Tatsache, ob das Freiwilligkeitsprinzip eng zu verstehen ist oder weit, letzteres ganz im Sinne von Gmurzyn´ska. In der Definition von Gmurzyn´ska ist dabei besonders positiv hervorzuheben, dass die Rolle des Mediators insoweit eingeschränkt wird, als diesem keine Entscheidungsbefugniss zugesprochen wird. Morek und Sobolewski heben im Gegensatz zu Jakubiak-Miron´czuk und Gmurzyn´ska den wenig formalisierten Charakter der Mediation hervor. Auch spielt der Vertraulichkeitsgrundsatz für sie in der Definition der Mediation eine entscheidende Rolle. Interessant ist die von Sobolewski genannte Wahlfreiheit der Parteien, womit er sowohl auf die weite Auslegung des Freiwilligkeitsprinzips abzielt als auch die Eigenverantwortlichkeit im Mediationsverfahren betont. Mit dem Begriff der Selbstständigkeit, der Eigenverantwortlichkeit oder der mangelnden Entscheidungsbefugnis des Mediators wäre die Definition von Sobolewski allerdings insoweit treffender gewesen, als der Begriff der Wahlfreiheit wiederum weit ausgelegt werden kann und auslegungsbedürftig ist. Den Definitionen des Art. 3 der EU-Mediationsrichtlinie sowie des § 1 des deutschen Mediationsgesetzes, kurz MediatG, sind insgesamt drei wesentliche Merkmale zu entnehmen: einen von den Medianden akzeptierten, neutralen Dritten als Mediator, auf ein Verfahren, das eine Streitbeilegung zum Ziel hat, die mittels Abschlussvereinbarung als abgeschlossen gilt und die Wahrung des Grundsatzes der Freiwilligkeit. Um die allgemein verständliche Definition einer Mediation abzurunden, ist außerdem noch der Begriff des strukturierten Verfahrens i.S.d. Art. 3 der EU-Mediationsrichtlinie sowie des § 1 MediatG bzw. der Begriff des wenig formalisierten 292

Sobolewski, PPH 2006, Nr. 2, S. 31 (32 f.). Miczek, PPH 2006, Nr. 6, S. 8 (11). 294 Miczek, PPH 2006, Nr. 6, S. 8 (11). 295 Miczek, PPH 2006, Nr. 6, S. 8 (11); Pazdan, Rejent 2004, S. 9 (13); Rajski, FS Sołtysin´ski, Posen 2005, S. 911 a.E. 293

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Verfahrens nach Morek und Sobolewski hinzuzufügen. Auch wenn aus der EUMediationsrichtlinie nicht deutlich hervorgeht, was unter einem „strukturierten“ Verfahren konkret zu verstehen ist, kann aus dem Zusammenhang zwischen der Mediation und dem Gerichtsverfahren geschlossen werden, dass es sich bei der Mediation als „strukturiertes“ Verfahren um ein Mehr zu (privaten) Verhandlungen, die keiner Struktur von außen bedürfen, handeln muss, das Mediationsverfahren aber zugleich ein Weniger zum formellen Verfahren im Gerichtprozess bedeuten muss. Gerichte sind an die strengen Vorgaben des Prozessrechts gebunden, durch welche Sanktionen bei Regelverstößen ausgelöst werden. Ein Streitfall vor Gericht kann somit unabhängig von der tatsächlichen, materiellen Rechtslage zugunsten oder zulasten einer Partei entschieden werden. Die Mediation als ein „strukturiertes“ Verfahren im Gesetzsatz zum „förmlichen“ oder „formellen“ (Gerichts-)Verfahren folgt zwar ebenfalls einem geordneten Aufbau (Beginn, Durchführung, gemeinsam geschaffene Regeln, Beendigung). Diese Struktur passt sich den Bedürfnissen der Parteien an und es erfolgen ebenfalls keine Sanktionen bei Regelverstößen, die die Partei – im Gegensatz zum Gerichtsprozess – unmittelbar an der Anspruchsdurchsetzung hindern können. Daher ist der Begriff „strukturiertes“ Verfahren mit „nicht förmlich“ oder „nicht prozessrechtlich“ gleichzusetzen. Überdies ist für eine Definition der Mediation der Begriff der Eigenverantwortlichkeit der Parteien von Bedeutung, welcher sowohl in Art. 3 der EU-Mediationsrichtlinie als auch im deutschen § 1 MediatG sowie durch Gmurzyn´ska betont wird. Zuletzt ist bezüglich einer Definition der Mediation der Grundsatz der Vertraulichkeit hervorzuheben. Auf diesen Begriff machen nicht nur Morek und Sobolewski aufmerksam. Er findet überdies in § 1 MediatG im deutschen Mediationsrecht Erwähnung. Umso enttäuschender ist es in diesem Zusammenhang, dass Art. 3 der EUMediationsrichtlinie eine Erwähnung dieses Grundsatzes vermissen lässt. Die Ableitung einer Definition der Mediation von Art. 3 der EU-Mediationsrichtlinie erscheint insgesamt wenig zielführend, insbesondere, zumal eine solche Definition unvollständig wäre. Eine rechtssichere und umfassende Definition der Mediation ist vielmehr dem deutschen Recht gem. § 1 MediatG zu entnehmen, der alle wesentlichen Grundsätze eines Mediationsverfahrens, insbesondere die Vertraulichkeit, beinhaltet. Festzustellen ist auch, dass eine Definition der Mediation ohne eine genauere Definition des Mediators bzw. seiner Stellung im Mediationsverfahren problematisch ist. Diese Annahme beruht auf dem Gedanken, dass dem Mediator keine Entscheidungsbefugnisse zukommen und die Mediation somit von der Eigenverantwortlichkeit der Streitparteien lebt. Ohne eine klare Bestimmung der Kompetenzen des Mediators kann die Mediation jedoch schnell die Gestalt eines anderen ADR-Verfahrens annehmen. Am Beispiel des Schlichtungsverfahrens soll die Problematik erläutert werden: In der Mediation begleitet der Mediator das Verfahren und führt die Parteien durch die weitestgehend von ihnen selbst organisierte Struktur. Die

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Parteien sind dabei „Herren des Verfahrens“296 und treffen eine einvernehmliche Entscheidung auf Basis ihrer eigenen Bewertung. Bei der Schlichtung als ein weiteres ADR-Verfahren ist der Streitschlichter hingegen befugt, am Ende des Verfahrens eine Bewertung der Lösung vorzunehmen oder gegebenenfalls eine Lösung selbst festzulegen.297 Dies ist dem Mediator mangels Entscheidungskompetenz unmöglich. Entsprechend ist die eingeschränkte Kompetenz des Mediators in der Definition der Mediation, wie dies § 1 Abs. 2 MediatG im deutschen Recht deutlich macht, zu verankern. Des Weiteren muss sich die Eigenverantwortlichkeit der Parteien in der Definition niederschlagen, wie dies § 1 MediatG im deutschen Recht und Art. 3 der EU-Mediationsrichtlinie verdeutlichen. Ohne die Hervorhebung der Eigenverantwortlichkeit der Parteien oder der Tatsache, dass dem Mediator keine Entscheidungsbefugnisse zukommen, ist die Mediation nicht von anderen ADR-Verfahren unterscheidbar. Nach dem Zusammentragen der wesentlichen Elemente der Mediation ist zu empfehlen, eine Definition der Mediation nach dem Vorbild des § 1 des deutschen Mediationsgesetzes auch in das polnische Recht zu implementieren. Eine solche Definition der Mediation könnte anstelle des bereits existierenden Art. 1831 ZVGB eingefügt werden. Die neue Norm würde in diesem Fall den bereits bestehenden Art. 1831 ZVGB inhaltlich ersetzen. Der Inhalt des heutigen Art. 1831 ZVGB wäre als Art. 1831a ZVGB n.F. zu bezeichnen. Eine passende Stelle für das Einfügen der Definition der Mediation wäre der Art. 1831 ZVGB insoweit, als er den Mediationsabschnitt des ZVGB einleitet und dem Gesetzesanwender somit gleich zu Beginn erläutert, für welches ADR-Verfahren die folgenden Regelungen gelten. Er würde zudem die Abgrenzung zu anderen ADR-Verfahren, wie beispielsweise zu dem Schlichtungsverfahren, erleichtern. Inhaltlich könnte der neue Art. 1831 ZVGB n.F wie folgt lauten: „Mediacja jest poufna˛, nieformalna˛ metoda˛, dzie˛ ki której strony przy pomocy neutralnej, trzeciej osoby bez uprawnienia do podejmowania decyzji da˛z˙ a˛ na bazie dobrowolnos´i i samodzielnos´ci do zakon´czenia sporu, który potwierdzaja˛ porozumieniem kon´cowym.“ „Die Mediation ist ein vertrauliches und nicht formalisiertes Verfahren, bei dem die Parteien mithilfe eines neutralen, nicht entscheidungsbefugten Dritten freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben, den sie mit einer Abschlussvereinbarung beenden.“

296 297

Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, Köln 2015, Kap. 1, Rn. 9. Haaß, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 7 Rn. 47.

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2. Die Grundsätze der Mediation im polnischen Mediationsrecht in Zivil- und Handelssachen Auf der Definition der Mediation aufbauend298 kennzeichnen die Grundsätze der Freiwilligkeit der Mediation, der Eigenverantwortlichkeit der Parteien, der Informiertheit der Beteiligen und die damit verknüpfte Vertraulichkeit der Mediation sowie das Prinzip der Neutralität des Mediators das Wesen der Mediation. Das polnische Mediationsrecht wurde in Zivil- und Handelssachen in einen eigenständigen Abschnitt des Zivilverfahrensgesetzbuchs implementiert,299 wobei für die Mediation in diesem Zusammenhang die Artt. 1831 bis 18315 des polnischen Zivilverfahrensgesetzbuchs wesentlich sind. Art. 1831 ZVGB regelt den Grundsatz der Freiwilligkeit sowie die Initiierung des Mediationsverfahrens, welcher das Mediationsverfahren mit dem rechtshängigen Gerichtsverfahren verbindet. Der Ablauf des Mediationsverfahrens und die gerichtliche Verweisung in die Mediation werden in Artt. 1836 bis 18311 ZVGB näher ausgestaltet.300 Die Beendigung des Mediationsverfahrens erfolgt nach der Vorschrift des Art. 18312ZVGB. Die Artt. 1832 bis 1833a ZVGB beschreiben den Umfang der Tätigkeit des Mediators und stellen Regeln und Verbote im Zusammenhang mit der Ausübung der Tätigkeit des Mediators auf. In Art. 1834 ZVGB werden die Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens und die rechtlichen Folgen bei Nichteinhaltung dargelegt. Art. 1835 ZVGB setzt sich mit der Vergütung des Mediators und den Kosten der Mediation auseinander.301 In den Art. 18313 bis 18315 ZVGB wird die Vollstreckung des Mediationsvergleichs behandelt. a) Der Grundsatz der Freiwilligkeit der Mediation Der Grundsatz, dass die Mediation freiwillig ist, ist im Erwägungsgrund 13 der EU-Mediationsrichtlinie verankert. Zudem findet sich der Begriff der Freiwilligkeit in der Definition der Mediation in Art. 3 lit. a) der EU-Mediationsrichtlinie wieder. In der EU-Mediationsrichtlinie wird zudem konstatiert, dass freiwillig erzielte Lösungen zwischen Streitparteien „eher freiwillig eingehalten“ werden und „eher eine wohlwollende und zukunftsfähige Beziehung zwischen den Parteien“ wahren.302 Um 298

S. o. unter Zweiter Teil, B.III.1. S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.I. und II. 300 Hinzu kommt Art. 2021 ZVGB, wonach das Gericht in die Mediaiton verweisen darf, wenn die Parteien vor Klageerhebung eine Mediaitonsabrede geschlossen haben. 301 Hinzu kommen Art. 1041 ZVGB: Kostentragung der Parteien im Rahmen der Mediation, Art. 981 ZVGB: Mediationskosten als Teil der Prozesskosten und die Rechtsverordnung zur Vergütung des Mediators: Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie wysokos´ci wynagrodzenia i podlegaja˛cych zwrotowi wydatków mediatora w poste˛ powaniu cywilnym [Verordnung des Justizministers über die Höhe der Vergütung und über die Erstattung notwendiger Kosten und Auslagen des Mediators im Zivilverfahren], Dz.U. v. 20. 06. 2016, Pos. 921. 302 Erwägungsgrund 6 der EU-Mediationsrichtlinie. 299

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die Mediation im nationalen Recht der EU-Mitgliedstaaten effektiv zu gestalten, müssen die nationalen Gesetzgeber dem Freiwilligkeitsgrundsatz eine besondere Stellung einräumen, indem sie die Freiwilligkeit der Mediation entweder in die Definition des Mediationsverfahrens einbauen, wie dies in Art. 3 lit. a) der EUMediationsrichtlinie der Fall ist, oder sie lehnen sich an den Erwägungsgrund 13 der EU-Mediationsrichtlinie an und regeln den Freiwilligkeitsgrundsatz in einer eigenständigen Gesetzesnorm. Die Freiwilligkeit der Parteien ist keine bloße Vorgabe der EU-Mediationsrichtlinie. Es ist das entscheidende Prinzip der Mediation und gleichzeitig ein Unterscheidungsmerkmal, das das Mediationsverfahren von anderen ADR-Methoden abgrenzt.303 Ohne das Einvernehmen der Parteien, sich mit dem Konflikt selbstständig zu befassen und sich auf eine Lösung verständigen zu wollen, ist die Teilnahme an der Mediation nicht erfolgversprechend.304 Dies bedeutet zum einen, dass auf die Parteien ausgeübter Zwang zur Mediation oder während der Mediation die Kooperationsbereitschaft derart schwächt, dass eine freiwillige Erfüllung der Verpflichtung nicht herbeigeführt werden kann. Zum anderen kann eine ungeregelte bzw. uferlose Freiwilligkeit ohne jeglichen Zwang zu einer mangelnden Ernsthaftigkeit führen, sodass nicht nur die Medianden, sondern auch die Gesellschaft, den Zweck und die Vorteile der Mediation grundsätzlich in Frage stellen und für erfolglos halten könnten. Damit könnte der Mediation die Existenzberechtigung gegenüber anderen ADR-Verfahren abgesprochen werden, denn sie wäre nicht nützlich, wenn sie keine verbindlichen Resultate erzielte. Die Freiwilligkeit als Prinzip der Mediation kann somit auch ad absurdum geführt werden. Schließlich möchte ein Mediationsteilnehmer keine Energie, Zeit und Geld in ein Verfahren investieren, an dessen Ergebnis sich sein Gegenüber unter Berufung auf die Freiwilligkeit nicht gebunden fühlt. Eine Form von Verbindlichkeit der Mediationsergebnisse und die Einhaltung von Pflichten innerhalb des Verfahrens schafft Vertrauen in das Mediationsinstitut bei den Medianden und ebenfalls innerhalb der Gesellschaft. Zusammengefasst birgt der Freiwilligkeitsgrundsatz der Mediation zwei Gefahren: zu viel Zwang und zu wenig Verbindlichkeit. Die erste Gefahr besteht darin, dass eine Form von Zwang die Einigungsbereitschaft der Streitparteien für die Mediation schmälert, die zweite, dass Freiwilligkeit mit Unverbindlichkeit gleichgesetzt wird. Ist die in der Mediation herausgearbeitete Einigung oder auch die Teilnahme an Mediationssitzungen unverbindlich, war der Aufwand, den die Parteien zur Lösung der Streitigkeit investiert haben, umsonst. Eine Mediation um der Mediation willen kann mithin nicht gewollt sein. Daher kann eine unverbindliche, weil freiwillige, 303 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 1; s. dazu auch Zweiter Teil, B.III.1. 304 Rakowsky, Obligatorische Mediation, S. 54, 199.

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Mediation ebenfalls zu ihrer Erfolglosigkeit führen. Der Freiwilligkeitsgrundsatz in der Mediation steht in einem Spannungsverhältnis zwischen Verbindlichkeit und Freiwilligkeit, in dem sich Zwang und Einigung gegenseitig ausschließen. Beispiel Zwei Parteien streiten um Ansprüche aus einem Vertrag. Sie entschließen sich eine Mediation durchzuführen. In der Mediation bestimmen sie gemeinsam, wann die nächste Mediationssitzung stattfinden soll. Eine Partei erscheint nicht und ist auch auf Nachfrage nicht erreichbar. Erst am nächsten Tag antwortet die Partei und teilt Gründe für das Nichterscheinen mit. Die Partei, die freiwillig den Sitzungstermin eingehalten hat, ist mit dem Verhalten des Parteigegners unzufrieden. Gefahr 1 (Zwang): Wird die gegnerische Partei aufgrund der Verfehlung (Nichteinhaltung des Sitzungstermins) sanktioniert, beispielsweise mit einer Übernahme der Kosten der verpassten Mediationssitzung, führt dies bei ihr womöglich zu einer geringeren Einigungsbereitschaft oder sogar dazu, dass sie die gegen sie verhängte Sanktion nicht erfüllt und das Mediationsverfahren endgültig einseitig beendet. Die Mediation wäre aufgrund des auf die Partei ausgeübten Drucks, regelkonform zu handeln, sowie aufgrund ihres Widerstands, die Konsequenzen für die Nichteinhaltung der vereinbarten Regelung zu tragen, gescheitert. Gefahr 2 (Unverbindlichkeit): Wird die gegnerische Partei aufgrund ihrer Verfehlung nicht sanktioniert, fühlt sich die andere Partei, welche zwar freiwillig, aber vergeblich, zur Sitzung erschienen ist, gegebenenfalls weder respektiert noch ernst genommen und wird aufgrund dessen die Fortführung der Mediation möglicherweise ablehnen. Sie könnte die Mediation ebenfalls zum Scheitern bringen. Eine gesetzliche Regelung muss diesen beiden Gefahren entgegenwirken, um zu gewährleisten, dass die Gesellschaft und Mediationsteilnehmer dem Institut der Mediation genug Vertrauen entgegenbringen, um dadurch einen aktiven Gebrauch der Mediation herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden untersucht, ob und in welchem Umfang der Freiwilligkeitsgrundsatz im polnischen Mediationsrecht diesen Gefahren entgegenwirkt. Des Weiteren wird bewertet, ob und inwieweit diese Regelung effektiv ist. aa) Die Freiwilligkeit der Mediation gemäß Art. 1831 § 1 ZVGB Der Grundsatz der Freiwilligkeit charakterisiert das Mediationsverfahren insoweit, als die Streitparteien die Verantwortung für ihre Entscheidungen selbst tragen und dem Mediator bei der Lösungsfindung keine Entscheidungs- oder Empfehlungskompetenz zukommt.305 Diesem zentralen Prinzip wurde sowohl in Deutschland in § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 MediatG als auch in Polen durch eine gesetzliche 305

Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, Köln 2015, Kap. 1, Rn. 15.

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Regelung des Art. 1831 § 1 ZVGB Ausdruck verliehen. In Polen ist der Grundsatz der Freiwilligkeit in Art. 1831 § 1 ZVGB kodifiziert und steht damit wegweisend an erster Stelle des ersten Abschnitts des ersten Kapitels des zweiten Teils des ersten Buches des ZVGB, welcher sich mit der Regelung der Mediation im polnischen Zivilverfahrensrecht befasst.306 Auch unterscheidet Art. 1831 § 1 ZVGB nicht nach Verfahrensstadium der Mediation sowie Art der Mediation. Ob die Mediation gerichtlich, gerichtsnah oder vorprozessual ist, ist für das im polnischen Mediationsrecht kodifizierte Prinzip der Freiwilligkeit irrelevant. Die Parteien dürfen sich jederzeit, ohne Begründung und ohne Konsequenzen dem Mediationsverfahren entziehen.307 Art. 1831 § 1 ZVGB lautet schlicht: „Mediacja jest dobrowolna“, d. h. „Die Mediation ist freiwillig“. Dem Prinzip der Freiwilligkeit wird im polnischen Recht eine herausragende Bedeutung zugesprochen. Diese Annahme wird durch die systematische Stellung des Prinzips im Gesetz insoweilt untermauert, als Art. 1831 § 1 ZVGB die erste wegweisende Norm im Mediationsabschnitt des ZVGB darstellt. Durch die punktuelle Betonung in Art. 1831 ZVGB, in welchem das Prinzip in § 1 als Hauptsatz allein für sich steht, wird die zentrale Bedeutung der Freiwilligkeit im polnischen Mediationsrecht zusätzlich verstärkt. Hingegen findet sich der Freiwilligkeitsgrundsatz im deutschen Mediationsgesetz an wenig prominenter Stelle als Teil der Begriffsbestimmung der Mediation des § 1 Abs. 1 MediatG wieder. Die Freiwilligkeit wird dabei neben anderen Grundsätzen aufgezählt. Der Freiwilligkeitsgrundsatz wird im deutschen Meditionsrecht des Weiteren als Aufgabe des Mediators verstanden. Dieser soll sich nämlich gem. § 2 MediatG über die freiwillige Teilnahme der Medianden am Verfahren selbst vergewissern. Der Einbau der Freiwilligkeit in die Definition der Mediation im deutschen Mediationsrecht folgt der Gestaltung des Art. 3 lit. a) der EU-Mediationsrichtlinie und ist somit genauso richtlinienkonform wie der polnische Art. 1831 § 1 ZVGB. Der Freiwilligkeitsgrundsatz im polnischen Recht ist im Gegensatz zum deutschen Mediationsrecht jedoch richtlinienüberschießend umgesetzt worden, indem der Gesetzgeber die Rolle der Freiwilligkeit der Mediation als eigenständige Norm nach Art. 1831 § 1 ZVGB ausgestaltet hat. bb) Die Freiwilligkeit der Parteien im Lichte der polnischen Verfassung Der polnische Gesetzgeber hat nicht nur den Freiwilligkeitsgrundsatz gesetzlich besonders betont und in Art. 1831 § 1 ZVGB verankert. Die Freiwilligkeit der Medianden ist darüber hinaus im Lichte der polnischen Verfassung zu betrachten.

306

S. hierzu einleitend unter Zweiter Teil, B.III. Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 1; Sychowicz, in: Marciniak/Piasecki Beck’scher Großkkommentar ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 1831 ZVGB Rn. 16; Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 1831 ZVGB Rn. 2. 307

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Zielin´ski308 betitelt die Freiwilligkeit in der Mediation als Ausfluss des Justizgewährungsanspruchs gem. Art. 45 Abs. 1 der polnischen Verfassung: Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej309. Zielin´ski meint, dass allein den Parteien die Entscheidung obliegen soll, ob und zu welchem Zeitpunkt sie sich für ein Mediationsoder ein Gerichtsverfahren entscheiden.310 Damit schließt Zielin´ski den Zwang zur Eingehung der Mediation aufgrund entgegenstehenden Verfassungsrechts, nämlich, dass das Recht zur Klage jederzeit und bedingungslos besteht, aus. Der Grundsatz der Freiwilligkeit der Mediation nach Zielin´ski ist mithin weit zu verstehen. Der Wortlaut des Art. 45 Abs. 1 KRP entspricht seinem Inhalt nach dem Art. 6 Abs. 1 EMRK.311 Wörtlich übersetzt beinhaltet Absatz 1 des Art. 45 KRP das Recht auf ein Gericht, sinngemäß übersetzt somit das Recht auf gerichtliches Gehör.312 Im Kontext mit dem deutschen Grundgesetz ähnelt Art. 45 KRP dem Justizgewährungsanspruch i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG, dem Rechtsstaatsprinzip i.S.d. Art. 20 Abs. 3 GG sowie dem Anspruch auf rechtliches Gehört gem. Art. 103 Abs. 1 GG.313 Wenn die Mediation und damit bereits die Eingehung der Mediation nach Zielin´ski freiwillig ist, stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Parteien die Freiwilligkeit zur Einleitung der Mediation vor Klageerhebung kraft vertraglicher Vereinbarung wirksam ausschließen können. Fraglich ist somit auch, ob die Parteien das Recht auf gerichtliches Gehör (vorübergehend) ausschließen können, indem sie auf die Erhebung einer Klage (freiwillig) verzichten. Eine solche Vereinbarung könnte das Recht auf gerichtliches Gehör gem. Art. 45 Abs. 1 KRP beeinträchtigen oder gar ausschließen, da die Parteien, sofern sie vor der Initiierung der Mediation Klage erheben, zunächst auf das Mediationsverfahren verwiesen werden müssten.314 Das Vorhandensein der Mediation und anderer Mo308

Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 1831 ZVGB Rn. 2. Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej [Verfassung der Republik Polen] v. 02. 04. 1997, Dz.U. 1997 Nr. 78, Pos. 483, zul. geändert durch Gesetz v. 21. 10. 2009, Dz.U. 2009 Nr. 114, Pos. 946, im Folgenden mit KRP abgekürzt. 310 Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 1831 ZVGB Rn. 2; so bereits die Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 2 Nr. III., als PDFDatei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018; zust. Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 364. 311 Safjan/Bosek/Grzegorczyk/Weitz, Beck’scher Großkommentar KRP, Bd. 1, Warschau 2016, Art. 45 KRP Rn. 10 u. 9. 312 Banaszak, et al., Rechts- und Wirtschaftswörterbuch, 2. Aufl. Warschau 2008, Bd. 1, S. 393; Błaszczak, in: Czterdziestolecie kodeksu poste˛ powania cywilnego, S. Krakau 2006, 331 (336). 313 Safjan/Bosek/Grzegorczyk/Weitz, Beck’scher Großkommentar KRP, Bd. 1, Warschau 2016, Art. 45 KRP Rn. 7, bzgl. des Rechtsstaatsprinzips versehentl. auf Art. 20 Abs. 1 GG verweisend. 314 Str., vgl. für die Schiedsgerichtsbarkeit Banaszak, Kommentar zur Verfassung Polens, Warschau 2009, Art. 45 Rn. 9; so für die obligatorische Mediation nach deutschem Recht BGH v. 23. 11. 2004 – VI ZR 336/03. 309

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delle der gütlichen Streitbeilegung schließt die Anrufung des Gerichts und dessen Kontrolle jedoch nicht dauerhaft, sondern nur für die Zeit, in welcher das Mediationsverfahren stattfindet, aus, sodass der Eingriff in Art. 45 Abs. 1 KRP eine geringe Intensität hätte und im Ergebnis kein Verstoß gegen Art. 45 Abs. 1 KRP vorliegen würde.315 Wenn die Parteien gem. Art. 1831 § 1 ZVGB freiwillig an der Mediation teilnehmen sollen, sie die Freiwilligkeit jedoch vertraglich ausschließen könnten, und sich mindestens eine Partei noch vor Einleitung des Verfahrens gegen die Mediation entschiede, so wäre es prima facie widersprüchlich, die Parteien zur Einleitung bzw. Eingehung der Mediation zu „zwingen“. Mit der Klageerhebung hätte die Partei, die sich schlussendlich gegen die Teilnahme an der Mediation entschieden hat, die Vereinbarung konkludent aufgehoben,316 denn die Partei hätte freiwillig entschieden, dass sie an dem Ausschluss der Freiwilligkeit nicht mehr festhalten will. Ein vertraglicher Ausschluss der Freiwilligkeit hätte weitreichende Folgen, wäre dadurch nicht nur die Freiwilligkeit der Einleitung der Mediation, sondern auch die Aufhebung des Ausschlusses der Freiwilligkeit abbedungen. Es ist somit nicht klar, ob und inwieweit der Freiwilligkeitsgrundsatz der Mediation im Lichte des polnischen Verfassungsrechts überhaupt eingeschränkt werden kann, da ein vertraglicher Ausschluss der Freiwilligkeit zugleich eine Verpflichtung zur Durchführung der Mediation begründen würde. Diese Verpflichtung bzw. der Zwang zur Mediation entstünde dadurch, dass das Gericht eine Klage für unzulässig erachten würde, solange nicht zumindest ein Versuch der gütlichen Beilegung unternommen worden wäre.317 Auf diese Weise bliebe den Parteien nichts anderes übrig, als sich zumindest während einer ersten gemeinsamen Sitzung mit der Streitigkeit zu befassen. Durch Sitzungsverweigerung bzw. durch das Nichterscheinen oder Schweigen würde allerdings die Mediation nicht beginnen und damit wäre auch die Zulässigkeit des Klagewegs nicht eröffnet. Durch die Verpflichtung zur vorgerichtlichen Eingehung der Mediation entsteht zudem die Gefahr, die Mediation taktisch auszunutzen, indem etwa eine Streitpartei die andere durch eine Hinhaltetaktik unter Druck setzt, Termine der Mediationssitzung absagt oder verschiebt, und dadurch die Verfahrenseinleitung verzögert.318 Oder eine der Parteien erscheint nicht zum festgelegten Sitzungstermin und unterlässt jede Kommunikation, sodass der weitere Mediationsverlauf gänzlich im Un315 Vgl. Banaszak, Kommentar zur Verfassung Polens, Warschau 2009, Art. 45 Rn. 9; so auch für die obligatorische Mediation nach deutschem Recht BVerfG v. 14. 02. 2007 – 1 BvR 1351/01: kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG sowie gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch. 316 Ein solch einseitiges Handeln könnte möglich sein, sofern die Freiwilligkeit zur Mediation den Parteien ein Gestaltungsrecht einräumt, mit dessen Erklärung sie sich von der Vertragspflicht befreien können. 317 So für die obligatorische Mediation nach deutschem Recht BGH v. 23. 11. 2004 – VI ZR 336/03. 318 Vgl. Pokrzywniak, MoP 2005, Nr. 2, S. 124 (125).

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klaren bleibt. Die das Verfahren verzögernde Partei hätte es auf diese Weise in der Hand, einseitig zu bestimmen, wann eine Klage zulässig würde, würde die Klageerhebung von einem vorhergehenden, außergerichtlichen Einigungsversuch abhängig gemacht. Im Hinblick auf Art. 45 Abs. 1 KRP hätte die verzögernde Partei das Recht auf gerichtliches Gehör in der Hand und nicht die gegnerische Partei als Grundrechtsträger. Auch der Beweis einer mangelnden Bereitschaft zur vorgerichtlichen Einigung ist nahezu unmöglich zu erbringen, wenn der Parteigegner beispielsweise schlicht schwiege. Ein Nichtvorhandensein von Tatsachen ist umständlich zu beweisen und bedarf möglicherweise anwaltlicher Beratung. Damit steigen die Kosten der Parteien, die durch eine Mediation eigentlich vermieden werden sollen. Die Partei, die klagen will, aber nicht darf, wäre von der Einigungswilligkeit der verzögernden bzw. schweigenden Partei abhängig. Sie würde durch die Abhängigkeit von der Handlung des Parteigegners handlungsunfähig.319 Somit bestehen Bedenken in Bezug auf die Waffengleichheit der Parteien bzw. ob ein faires Verfahren gem. Art. 45 Abs. 1 KRP gewährleistet wäre, wenn die Eingehung der Mediation vor Klageerhebung eine Verpflichtung darstellte. Unter diesem Aspekt bleibt es zweifelhaft, ob eine Mediation aufgrund der Wahrung des Freiwilligkeitsgrundsatzes überhaupt obligatorisch320 sein und vertraglich abbedungen werden kann. Es bleibt des Weiteren zweifelhaft, ob Art. 45 Abs. 1 KRP tatsächlich nicht verletzt wird, wenn die Mediation in Polen vor Klageerhebung obligatorisch durchgeführt werden müsste. Es sprechen bereits jetzt gewichtige, verfassungsrechtliche Argumente dafür, dass die Freiwilligkeit zur Eingehung der Mediation bzw. zu ihrer Durchführung weder gesetzlich noch vertraglich eingeschränkt werden kann. Diese Bedenken äußern Szwaja/Jasin´ska sowohl in Bezug auf die Verfassungsgemäßheit einer obligatorisch durchzuführenden Mediation mit Art. 45 Abs. 1 KRP als auch mit dem negativen psychologischen Effekt eines Zwangs zur Mediation.321 Die Autoren gehen davon aus, dass nur eine von der Mediation überzeugte Person, die ihre Entscheidung eigenständig getroffen hat und einen Nutzen der Mediation für ihre konkrete Streitigkeit sieht, das Ziel der Mediation, d. h. der Schaffung des Rechtsfriedens und der Entlastung der Gerichte, erreichen wird.322 Ein auf die Person erzeugter Druck zur Einigung in der Mediation wird dagegen ein grundlegendes Hindernis sein, die Mediation mit einem Vergleich erfolgreich zu beenden.323

319 320 321 322 323

Zur Manipulation in der Mediaion Pawlak, Rejent 2017, S: 51 (72 f.). S. dazu Zweiter Teil, B.III.b). Szwaja/Jasin´ska, MoP 2017, S. 353 (356, 358). Szwaja/Jasin´ska, MoP 2017, S. 353 (358). Szwaja/Jasin´ska, MoP 2017, S. 353 (358).

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cc) Das Erfordernis der Zustimmung der Parteien als Ausdruck des Grundsatzes der Freiwilligkeit Die Feststellung, dass die Mediation nach Art. 1831 § 1 ZVGB freiwillig ist, genügt nicht, um zu erläutern, wie ein Mediationsverfahren zustande kommt. Die Mediation soll gem. Art. 1831 § 1 ZVGB freiwillig sein. Wodurch der Freiwilligkeitsgrundsatz zum Ausdruck kommt, wird in Art. 1831 § 2 bis 4 ZVGB behandelt. Diese Norm regelt das Zustandekommen der Mediation kraft Zustimmung der Parteien und befasst sich zudem mit der Mediationsvereinbarung als privatrechtlicher Vertrag. Außerhalb des Art. 1831 ZVGB existieren zusätzlich Art. 1836 ZVGB und Art. 1838 ZVGB, die sich ebenfalls mit der Zustimmung zur Mediation und damit dem Zustandekommen des Mediationsverfahrens befassen. Für das Zustandekommen der Mediation stellt jedoch Art. 1831 ZVGB die zentrale Vorschrift dar. Gem. Art. 1831 § 2 S. 1 Alt. 1 ZVGB wird die Mediation auf Basis einer privatrechtlichen Vereinbarung oder gem. Art. 1831 § 2 S. 1 Alt. 2 ZVGB durch gerichtlichen Beschluss durchgeführt. Gem. Art. 1831 § 2 S. 2 ZVGB kommt die Mediation auch zustande, wenn eine Partei einen Antrag auf Durchführung der Mediation gestellt und die andere Partei dem zugestimmt hat.324 Gem. Art. 1831 § 4 ZVGB kann die Mediation vor Beginn des Gerichtsverfahrens oder auch während eines bestehenden Gerichtsverfahrens durchgeführt werden. Letzteres ist nur zulässig, wenn die Parteien mit der Unterbrechung des Gerichtsverfahrens einverstanden sind und weshalb der gerichtliche Beschluss im Sinne des Art. 1831 § 2 S. 1 Alt. 2 ZVGB i.V.m. Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB ergeht. Was genau unter einer Zustimmung oder dem gemeinsamen Einverständnis zu verstehen ist, lassen die gesetzlichen Regelungen allerdings offen. Verwirrend erscheint die Aussage des Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB im Zusammenhang mit den Regelungen des Art. 1831 ZVGB. Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB lautet dahingehend, dass die Mediation nicht stattfindet, wenn eine der Parteien nicht innerhalb einer Woche die Zustimmung erklärt, nachdem das Gericht die Verweisung in die Mediation vorgeschlagen hat.325 Dem Wortlaut des Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB ist nicht eindeutig zu entnehmen, welche Rechtsfolgen an das Schweigen der Partei (Ablehnung oder Annahme) geknüpft werden können.326 Morek327 hat die Problematik des Wortlauts bereits im Jahr 2005 aufgeworfen, als die erste zivilrechtliche Mediationsregelung in das polnische 324

So auch Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1831 ZVGB Rn. 24: oferta. Die sog. Offerte ist in Art. 66 ZGB geregelt und entspricht dem deutschen Angebot i.S.d. § 145 BGB. 325 Die gerichtliche Verweisung in die Mediation geschieht auf Antrag der anderen Partei, Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB. 326 Diese Problematik wirft Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 8 auf: zust. Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1831 ZVGB Rn. 32. 327 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 8.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Zivilrecht implementiert wurde. Der Wortlaut des Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB hat sich auch nach der Mediationsreform im Jahr 2015 nicht verändert.328 Nach Morek kann der Wortlaut des Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB zweierlei bedeuten: Erstens kann die doppelte Negation (nicht stattfinden, nicht zustimmen) so zu verstehen sein, dass mit Zustimmung der anderen Partei, d. h. mit einer positiven Handlung, die gerichtliche Verweisung in die Mediation erst wirksam wird.329 In diesem Fall würde die Mediation nach Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB nicht stattfinden, wenn sich die andere Partei nicht ausdrücklich mit der Verweisung des Gerichts in die Mediation einverstanden erklärt hat. Das Schweigen bzw. Unterlassen einer Handlung würde ein „Nein“ zur Verweisung in die Mediation bedeuten und demnach keine Rechtswirkung entfalten. Zweitens könnte der Wortlaut des Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB als eine Art Zustimmung mit Widerrufsvorbehalt angesehen werden,330 weshalb die Mediation mit der Verweisung des Gerichts dann zustande käme, wenn nicht innerhalb einer Woche die Zustimmung ausdrücklich abgelehnt würde.331 In diesem Fall würde die Mediation stattfinden, weil sich die andere Partei nach Ablauf der Wochenfrist nicht ausdrücklich gegen die Verweisung des Gerichts, an der Mediation teilzunehmen, gewehrt hat. Auf diese Weise würde das Schweigen der anderen Partei das Zustandekommen der Mediation auslösen. Das Schweigen bzw. Unterlassen einer Handlung würde ein „Ja“ zur Verweisung in die Mediation bedeuten. In der polnischen Literatur wird vereinzelt die Meinung vertreten, dass der Wortlaut einzelner Mediationsnormen, wie der des Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB, lediglich ausdrückt, dass eine Mediation zustande kommt, wenn beide Parteien dem Prozedere nicht widersprechen.332 Diese Meinung würde wiederum den Gedanken der Zustimmung mit Widerrufsvorbehalt stützen. Die polnische Literaturmeinung wird durch die historische Auslegung des polnischen Mediationsgesetzes untermauert, da die Gesetzesbegründung aus dem Jahr 2004 genau diesen Wortlaut „sie˛ temu nie sprzeciwia˛“ (nicht widersprechen) in Bezug auf Art. 1838 ZVGB wiedergibt.333 Der Gesetzgeber kann den Widerrufsvorbehalt, so wie er ihn in der Gesetzesbegründung am Beispiel des Art. 1838 ZVGB skizziert hat, aber nicht gewollt haben. Dies würde nämlich bedeuten, dass das Schweigen als Annahme bzw. Zustimmung gewertet würde. Dass Schweigen positive Rechtsfolgen auslösen soll, 328 Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB n.F. ist Art. 1838 § 3 S. 2 ZVGB a.F., mit der Mediationsreform fand lediglich eine Paragrafenverschiebung statt. 329 Ähnlich einer aufschiebenden Bedingung. 330 Ähnlich einer auflösenden Bedingung. 331 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 8, S. 43 f. 332 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 8; Pieckowski, Mediacja w sprawach cywilnych, Warschau 2006, S. 24. 333 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 2 Nr. IV., als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 12. 07. 2018.

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findet im polnischen Mediationsrecht der Artt. 1831 ff. ZVGB, insbesondere in den die Zustimmung zur Mediation regelnden Art. 1831 § 2 und § 4 ZVGB sowie Art. 1836 ZVGB und Art. 1838 ZVGB, keine Stütze. Bei der von Morek aufgeworfenen Frage, ob das Schweigen als Annahme bzw. Zustimmung nach Art. 1838 ZVGB zu werten sei, handelt es sich um kein echtes Problem. Doppelte Negationen sind in der Rechtssprache vollkommen üblich, sodass der Wortlaut des Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB im Ergebnis unproblematisch ist und auch keine fingierte bzw. bis zum Widerruf schwebend wirksame Zustimmungsregelung enthält. Formuliert man Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB positiv, lautet die Regelung: Die Mediation kommt zustande, wenn eine der Parteien innerhalb von einer Woche ihr Einverständnis zur Mediation auf Antrag der anderen Partei erklärt. Der Wortlaut ist mithin eindeutig und lässt keinen, wie von Morek beschriebenen, Interpretationsspielraum zu. Mithin kann der Wortlaut bereits nach grammatischer Auslegung nur so verstanden werden, dass das Schweigen der Partei nicht als Zustimmung gewertet wird und ebenfalls keine Rechtswirkung auslöst.334 Das Schweigen der anderen Partei ist mithin keine Zustimmung mit Widerrufsvorbehalt. Die Annahme, dass die Mediation nur durch ein Einverständnis bzw. eine Zustimmung der Parteien zustande kommt, bestätigt zudem die systematische Auslegung des Mediationsrechts. Dies wird durch den Wortlaut des Art. 1831 § 2 ZVGB verdeutlicht, welcher die Formulierung „przez wyraz˙enie przez strone˛ zgody na mediacje˛ “ enthält, was wörtlich übersetzt „die Mediation kommt durch die Äußerung der Zustimmung durch die Partei zustande“ bedeutet. Der Zustimmung muss damit Ausdruck verliehen werden. Einer Rechtshandlung wie der Zustimmung kann Ausdruck jedoch nur verliehen werden, wenn die Partei sie entweder ausdrücklich entäußert335 oder es sich aus dem schlüssigen Verhalten336 der Partei ergibt. Eine weitere solche Zustimmungsregelung ist darüber hinaus Art. 1831 § 4 ZVGB zu entnehmen, wonach „im Einvernehmen der Parteien“ („za zgoda˛ stron“) auch während des Gerichtsverfahrens in die Mediation verwiesen werden kann. Auch das Einvernehmen setzt eine (schlüssige) Willensbekundung der Parteien voraus. Mithin ist die Abgabe bzw. Entäußerung einer Zustimmungserklärung der Parteien stets gesetzliche und privatrechtliche Voraussetzung für das Zustandekommen der Mediation.337 Daher kann das Schweigen niemals eine Zustimmung zur Mediation nach Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB bedeuten und es kann auch keine bis zum Widerruf schwebend wirksame Zustimmung hieraus abgeleitet werden. 334

A.A. Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1838 ZVGB Rn. 13. 335 Art. 61 ZGB. 336 Art. 60 ZGB. 337 A.A. Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1838 ZVGB Rn. 13.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Zur systematischen Auslegung des Mediationsabschnitts des ZVGB kommt die systematische Auslegung des Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB im Gefüge des allgemeinen polnischen Zivilrechts hinzu. Sowohl im polnischen als auch im deutschen Zivilrecht ist das Schweigen nur im Einzelfall als Zustimmung zu werten. Daher würde eine fingierte Zustimmung zur Mediation durch bloßes Schweigen nach Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB die Regelungen des polnischen Zivilrechts unterlaufen. Das Schweigen als Annahme ist gem. Art. 69 des polnischen Zivilgesetzbuchs nur unter besonderen Voraussetzungen als rechtswirksam zu erachten.338 Dies entspricht auch dem deutschen Rechtsverständnis des Schweigens als Annahme.339 Zum einen ist das Schweigen als Annahme nach polnischem Recht dann möglich, wenn die Verkehrssitte dies zulässt, Art. 69 Hs. 1 Alt. 1 ZGB,340 und zum anderen, wenn der Vertragspartner den Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Angebotsstellers unverzüglich erfüllt, Art. 69 Hs. 1 Alt. 2 ZGB.341 Die Auslegung des Schweigens als Annahme beim Zustandekommen der Mediation entspricht aber keiner (kaufmännischen) Verkehrssitte und erfüllt die Vereinbarung nicht unverzüglich und auch nicht auf Wunsch der den Antrag stellenden Partei i.S.d. Art. 69 ZGB. Somit ist das Schweigen weder als eine ausnahmsweise zulässige Annahme i.S.d. Art. 69 ZGB zu qualifizieren noch ist eine fingierte Zustimmung mit dem Freiwilligkeitsgrundsatz vereinbar.342 Des Weiteren würde die Empfangsbedürftigkeit der Zustimmung gem. Art. 63 ZGB343 mit dem Schweigen als Annahme unterlaufen. Der Meinung von Morek und den weiteren Stimmen in der Literatur344 kann zudem entgegengebracht werden, dass eine doppelte Negation bei der Gestaltung von Gesetzesnormen üblicherweise dann verwendet wird, wenn eine Beweislastverteilung geregelt werden soll. Im Hinblick auf Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB, welcher die doppelte Negation „nicht stattfinden, nicht zustimmen“ enthält, bringt die Norm zum Ausdruck, dass die Partei, die das Zustandekommen der Mediation behauptet, darlegen und beweisen muss, dass die andere Partei der Teilnahme an der Mediation zugestimmt hat. Die doppelte Negation im Wortlaut des Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB drückt mithin eine widerlegbare Vermutung aus, dass die Mediation kraft Schwei-

338 Urteile des Obersten Gerichtshofs (Sa˛d Najwyz˙ szy) v. 24. 07. 2009 – II CSK 121/09: rein passives Verhalten genügt nicht, auch nicht für die Auslegung einer konkludenten Annahme, die schlüssiges Verhalten fordert; v. 23. 07. 2008 – III CSK 87/08. 339 MüKo-BGB/Busche, § 147 BGB, Rn. 6: negative Vertragsbegründungsfreiheit. 340 Pietrzykowski/Brzozowski, Beck’scher Großkommentar ZGB, 9. Aufl. 2018, Art. 69 ZGB, Rn. 1; Gniewek/Machnikowski, ZGB-Kommentar, 7. Aufl. 2016, Art. 69 ZGB Rn. 3. 341 Pietrzykowski/Brzozowski, Beck’scher Großkommentar ZGB, 9. Aufl. 2018, Art. 69 ZGB, Rn. 1; Gniewek/Machnikowski, ZGB-Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 69 ZGB Rn. 3. 342 A.A. Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 8. a.E.: kein Verstoß gegen den Grundsatz der Freiwilligkeit. 343 Der Inhalt des Art. 63 ZGB entspricht dem deutschen § 182 BGB. 344 S. dazu insbesondere Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1838 ZVGB Rn. 12.

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gens als abgelehnt gilt, wenn der Durchführung der Mediation nicht innerhalb einer Woche ausdrücklich oder konkludent zugestimmt wird. Dass eine Mediation zustande kommt, wenn beide Parteien dem Prozedere nicht widersprechen, ist somit insgesamt abzulehnen. Die Mediation kommt nur zustande, wenn die Parteien eine empfangsbedürftige Zustimmungserklärung abgeben. Dies bekräftigt die grammatische und systematische Auslegung des Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB. Was der Gesetzgeber im Rahmen der Gesetzesbegründung345 mit nicht widersprechen einzig gemeint haben könnte, ist allenfalls, dass die Zustimmung auch konkludent erteilt werden kann. Die herrschende Meinung in Polen lässt eine solche konkludente Erklärung der Zustimmung zur Mediation zu und verweist auf Art. 60 ZGB.346 Die Stütze für die Zulässigkeit einer konkludenten Zustimmungserklärung findet sich in der Legaldefinition der Willenserklärung („os´wiadczenie woli“) im polnischen Recht gem. Art. 60 ZGB. Nach Art. 60 ZGB kann der Wille einer Person durch jedes Verhalten („kaz˙de zachowanie“) zum Ausdruck kommen, das den ausreichenden Schluss zulässt, sie wolle sich rechtlich binden. Mithin bedarf es nicht des unmissverständlichen „ja, ich will“, sondern es genügt, wenn die andere Partei, beispielsweise dem Sitzungstermin der Mediation zustimmt oder einen Termin selbst vorschlägt, einen Mediator auswählt oder der Auswahl eines Mediators zustimmt sowie einen Mediationsvorschuss zahlt.347 Konsequent wäre, wenn der Gesetzgeber sich innerhalb des Systems der Artt. 1831 ff. ZVGB auf eine einheitliche Begrifflichkeit der Zustimmung geeinigt hätte. Dies wäre auch insoweit möglich gewesen, so Morek,348 als der Gesetzgeber in Art. 18310 § 2 a.E. ZVGB davon spricht, dass eine der Parteien eine Erklärung abgeben soll, in der sie zum Ausdruck bringt, ihre Zustimmung nicht erteilen zu wollen. Dies bedeutet, dass Art. 18310 § 2 a.E. ZVGB sogar eine ausdrückliche Ablehnungserklärung voraussetzt, wenn die Partei bestimmte, mit dem Fristablauf einhergehende Rechtsfolgen verhindern möchte. Der Wortlaut des Art. 18310 § 2 a.E. ZVGB kann in Bezug auf die Zustimmungsproblematik als Umkehrschlussargument gewertet werden: Wenn sich der Gesetzgeber der unterschiedlichen Formulierungsmöglichkeiten zur Zustimmungserklärung bewusst war, hätte er im Umkehrschluss in Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB oder auch in Art. 1831 ZVGB denselben Wortlaut verwendet wie in Art. 18310 § 2 a.E. ZVGB, wenn er gewollt hätte, dass Schweigen als Zustimmungserklärung 345

Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 2 Nr. IV., als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 12. 07. 2018. 346 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1831 ZVGB Rn. 17; Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 8. 347 Vgl. Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 8 a.E.: tatsächliche Inanspruchnahme der Mediation. 348 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 8.

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gewertet würde. Doch auch diese Ansicht von Morek349 geht fehl. In Art. 18310 § 2 a.E. ZVGB wird die Zustimmung dahingehend fingiert, dass die Partei eine Ablehnungserklärung abzugeben hat. Schweigt sie und gibt damit weder eine Ablehnungs- noch eine Zustimmungsklärung ab, so gilt das Schweigen erneut als Zustimmung. Die Vereinheitlichung des Zustimmungsbegriffs innerhalb des Art. 1831 ff. ZVGB allein am Beispiel des Wortlauts des Art. 18310 § 2 a.E. ZVGB löst das Problem, dass das Schweigen keine Zustimmung bedeuten kann, somit nicht. Eine Mediation gegen bzw. ohne den Willen einer Partei ist nach grammatischer und systematischer Auslegung des ZVGB und ZGB ausgeschlossen und muss durch ausdrückliche oder konkludente Zustimmung der Parteien erfolgen. Anderenfalls würde der Grundsatz der Freiwilligkeit der Mediation des Art. 1831 § 1 ZVGB unterlaufen, würde einer schweigenden Partei eine Zustimmung unterstellt. Da der Grundsatz der Freiwilligkeit im polnischen Mediationsrecht ohnehin sehr weit gefasst wird,350 darf den Parteien keine Rechtshandlung unterstellt werden, wenn sie schweigen. Auf diese Weise würden sie ohne den Willen zur Mediation verpflichtet werden. Der Grundsatz der Freiwilligkeit schützt somit auch die Willensbildung des Medianden. Er umfasst die Freiheit, eine Handlung vorzunehmen (Handlungswille) und sich des Inhalts seiner Erklärung bewusst zu sein – hier Abgabe der Zustimmungserklärung. Als actus contrarius schützt der Freiwilligkeitsgrundsatz aber auch das Recht zu schweigen, ohne dass eine Rechtsfolge daran geknüpft wird. Durch die Freiwilligkeit der Mediation wird somit auch die negative Handlungsfreiheit des Medianden geschützt. dd) Resümee Die Freiwilligkeit der Mediation wird im polnischen Recht als tragende Säule der Mediation verstanden. Dies hängt zunächst mit der Stellung des Art. 1831 § 1 ZVGB, der den Freiwilligkeitsgrundsatz kodifiziert, im Mediationsabschnitt des ZVGB zusammen. Als erste Norm des Mediationsabschnitts des ZVGB führt Art. 1831 § 1 ZVGB die Mediationsregeln als Generalnorm an und wird „vor die Klammer“ gezogen. Auf diese Weise gilt sie unmittelbar für die speziellen Vorschriften der Artt. 1831 § 2 ff. ZVGB sowie für das gesamte Mediationsrecht des ZVGB. Die Vorschrift genießt Allgemeingültigkeit. Des Weiteren wird der Freiwilligkeitsgrundsatz der Mediation durch Art. 45 Abs. 1 KRP der polnischen Verfassung getragen, die in Anlehnung an Art. 6 Abs. 1 EMRK, das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet. Daher muss nicht nur die Mediation für die Parteien freiwillig sein. Vielmehr darf den Parteien gem. Art. 45 Abs. 1 KRP auch nicht die Möglichkeit der 349

Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 8. So auch Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 1; einschränkend Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 364: enges Verständnis bzgl. der Freiwilligkeit der Eingehung der Mediation. 350

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Klageerhebung entzogen werden, auch wenn sie sich zunächst für die Durchführung des Mediationsverfahrens entschieden haben sollten. Damit die Mediation zustande kommt, bedarf es darüber hinaus der Zustimmungen der Parteien, die entweder ausdrücklich erklärt werden oder konkludent erfolgen können. Jegliche gesetzliche Fiktion einer Zustimmung stellt einen Verstoß gegen den Freiwilligkeitsgrundsatz dar. Aus diesem Grund sind die Zustimmungsregelungen der Artt. 1831 § 2 ff. ZVGB redaktionell missglückt. Die Art. 1831 § 2 ZVGB, Art. 1831 § 4 ZVGB, Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB sind nicht rechtssicher ausformuliert, da sie Interpretationsspielraum dahingehend zulassen, was unter der Zustimmung der Partei zu verstehen ist und welche Rechtsfolgen ein Unterlassen der Zustimmung bzw. ein Schweigen auslöst. Der polnische Gesetzgeber hätte die Anforderungen an die Zustimmung der Parteien zur Mediation und die Rechtsfolgen einer unterlassenen Zustimmung schärfer vom Schweigen oder einer Ablehnungserklärung abgrenzen müssen. Eine allgemeine Abstimmung der Zustimmungsvorschriften der Artt. 1831 § 2 ff. ZVGB untereinander würde dementsprechend zu einer höheren Rechtssicherheit des polnischen Mediationsrechts in Zivil- und Handelssachen beitragen. Es ist daher zu empfehlen, die Vorschriften im Rahmen einer weiteren Mediationsreform einander anzugleichen. b) Die Eigenverantwortlichkeit der Parteien Die Eigenverantwortlichkeit der Parteien ist ein weiteres Kernelement, das die Mediation von anderen ADR-Methoden unterscheidet. Umso überraschender ist, dass der polnische Gesetzgeber bis zur Mediationsnovelle im Jahr 2015 den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit im Gesetz nicht fixiert hat. Dabei hätte er sich einer einfachen Lösung bedienen können, indem er eine Norm mit Begriffsbestimmungen einleitend vorweggenommen und darin die wichtigsten Grundsätze zusammengefasst hätte.351 Ein Beispiel für eine solche Definition der Mediation bietet Art. 3 lit. a) der EU-Mediationsrichtlinie, welcher die wichtigsten Grundbegriffe zu einer Erklärung des Mediationsverfahrens zusammenfasst.352 Nach Art. 3 lit. a) der EU-Mediationsrichtlinie sollen die Medianden freiwillig mit Unterstützung des Mediators „selbst versuchen“, eine Lösung der Streitigkeit zu finden. Dieser Methodik hat sich der deutsche Gesetzgeber angeschlossen, indem er in § 1 Abs. 1 MediatG neben anderen für die Mediation typischen Beschreibungen den Begriff „eigenverantwortlich“ anführt. Seit Inkrafttreten der polnischen Mediationsnovelle im Jahr 2016 und dem neu eingefügten Art. 1833a ZVGB353 kann aus dessen Wortlaut der Grundsatz der Ei351

S. zum Vorschlag für eine Definition der Mediation oben unter Zweiter Teil, B.III.1. S. dazu eingehend unter Zweiter Teil, B.III.1. 353 Ustawa o zmianie niektórych ustaw w zwia˛zku ze wspieraniem polubownych metod rozwia˛zywania sporów [Gesetz zur Änderung bestimmter Gesetze im Zusammenhang mit der Förderung gütlicher Streitbeilegungsmethoden], Dz.U. v. 10. 09. 2015, Pos. 1595. 352

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genverantwortlichkeit nunmehr mittelbar entnommen werden. In Art. 1833a Hs. 1 ZVGB heißt es: Der Mediator unterstützt die Parteien („wspieranie stron“) bei der Ausarbeitung von durch die Parteien selbst entwickelten Einigungsvorschlägen („w formułowaniu przez nie propozycji ugodowych“). Die Norm beschreibt demzufolge, dass dem Mediator keine Entscheidungsbefugnisse zukommen, da er lediglich bei der Lösungsfindung unterstützend tätig wird. Zudem sollen die Teilnehmer gem. Art. 1833a Hs. 2 ZVGB nur durch Vorschläge des Mediators unterstützt werden, wenn beide Parteien mit dem Vorgehen einverstanden sind und ihn damit um Hilfe bitten. Bis auf diese Ausnahme soll der Mediator jedoch eine rein begleitende bzw. moderierende Funktion übernehmen, wobei die Medianden selbst eigene Vorschläge hinsichtlich der für sie richtigen Lösung entwickeln. Hierzu kann er sich gem. Art. 1833a ZVGB bestimmter Methoden zur Konfliktbeilegung bedienen. Art. 1833a ZVGB ähnelt seinem Wortlaut nach den deutschen Mediationsvorschriften. Konkret gemeint sind § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 3 und 6 MediatG. Dass sich der Mediator bestimmter Methoden bedient, um die Parteien durch die Mediation zu begleiten, ergibt sich im Vergleich des Art. 1833a ZVGB zum deutschen Mediationsrecht aus § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 3 S. 2 MediatG, aber auch aus § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO. In den aufgezählten deutschen Vorschriften wird dabei umschrieben, dass der Mediator nur begleitend tätig wird und die Kommunikation zwischen den Parteien fördern soll. Art. 1833a ZVGB betont, genauso wie § 2 Abs. 6 MediatG, dass die Parteien eine informierte Entscheidung treffen sollen. Art. 1833a ZVGB geht sodann weiter und normiert die Erlaubnis, den Parteien bei der Ausformulierung der selbst entwickelten Lösung helfen zu dürfen. Er darf gem. Art. 1833a ZVGB im Einvernehmen der Parteien sogar eigene Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Allerdings wird durch Art. 1833a ZVGB a.E. betont, dass diese Lösungsvorschläge für die Parteien nicht verbindlich sind. Insgesamt umschreibt Art. 1833a ZVGB, dass die Parteien Herren des Mediationsverfahrens sind und dem Mediator keine Entscheidungsbefugnisse zukommen. Aus dieser Umschreibung kann die Eigenverantwortlichkeit der Parteien in der Mediation abgeleitet werden. Der polnischen Literatur ist nicht zu entnehmen, dass das Fehlen der expliziten Nennung der Eigenverantwortlichkeit bisher bemängelt wurde. In der Kommentierung des neu eingefügten Art. 1833a ZVGB findet sich jedoch bei Antolak-Szymanski ein Hinweis auf die Stärkung des Prinzips der Eigenverantwortlichkeit durch diese Norm.354 Vor dem Hintergrund, dass das polnische Mediationsrecht bereits im Jahr 2005 in Kraft getreten ist, bevor der zuvor erwähnte Art. 3 lit. a) der EU-Mediationsrichtlinie in seiner endgültigen Fassung existierte, muss zur Verteidigung der früheren polnischen Gesetzesfassung angeführt werden, dass der Richtlinienentwurf aus dem Jahr 2004 ebendiese klare Benennung des Prinzips der Eigenverantwortlichkeit damals noch nicht vorsah. Art. 2 lit. a) des Richtlinienentwurfs, der dem Art. 3 lit. a) 354 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1833a ZVGB Rn. 2.

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der EU-Mediationsrichtlinie in ihrer endgültigen Fassung entspricht, sah lediglich vor, dass die „Streitparteien von einer dritten Partei unterstützt werden, damit sie eine Vereinbarung über die Streitschlichtung erzielen“. Signalwörter, wie „eigenverantwortlich“, „selbst“ oder „eigenständig“, kommen im Richtlinienentwurf somit ebenso wenig vor wie in der ersten Fassung der Artt. 1831 ZVGB ff. Einen Anhaltspunkt für den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit stellt Art. 18312 § 2 ZVGB dar, in dem es heißt, dass die Parteien einen Vergleich vor dem Mediator geschlossen haben. Der Wortlaut bedeutet bei äußerst wohlwollender Auslegung, dass der Mediator beim Vergleichsabschluss keine Rolle außer die eines Moderators spielt, da der Vergleich vor ihm und nicht etwa „durch“ ihn geschlossen wird, was wiederum auf die Eigenverantwortlichkeit der Parteien beim Zustandekommen des Vergleichs schließen lässt. Nichtsdestotrotz ist die Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie durch den neuen Art. 1833a ZVGB im Vergleich zur deutschen Begriffsbestimmung des § 1 MediatG nicht besonders gelungen.355 Aufgrund der besonders hohen Bedeutung, die dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Parteien in der Mediation zukommt, wäre es wünschenswert gewesen, diese durch die Verwendung entsprechender Stichwörter hervorzuheben. Die Formulierung des Art. 1833a ZVGB gibt zwar einen Anhaltspunkt für das Bestehen der Eigenverantwortlichkeit der Parteien in der Mediation, bietet jedoch keine hinreichende Grundlage. Eine einheitliche Regelung der Definition der Mediation, in welche der Begriff der Eigenverantwortlichkeit einzufügen wäre, würde dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Parteien mehr Geltung verleihen.356 c) Die Informiertheit der Parteien Die Parteien müssen, um gemäß der Definition der Mediation357 eigenverantwortlich entscheiden zu können, über die ihren Streit betreffende Sachlage informiert sein. Die Informiertheit der Parteien stellt damit ein weiteres, im Mediationsverfahren geltendes Prinzip dar. Damit die Medianden eine nachhaltige Beilegung der Streitigkeit erzielen und eigenverantwortlich handeln können, müssen sie über notwendige Informationen bezüglich der Streitigkeit sowie bezüglich des Mediationsverfahrens verfügen. Des Weiteren müssen die Parteien über die Möglichkeit informiert werden, dass sie bestimmte Informationen zur Streitigkeit bei Bedarf auch außerhalb des Mediationsverfahrens einholen und externe Personen, wie beispielsweise einen Rechtsbeistand, hinzuziehen können. Die Rolle des Mediators gewinnt bei dem Prinzip der Informiertheit der Medianden insoweit an Bedeutung, als er der erste Ansprechpartner für die Parteien ist und 355 356 357

S. zur Begriffsbestimmung der Mediation oben unter Zweiter Teil, B.III.1. S. oben unter Zweiter Teil, B.III.1. S. oben unter Zweiter Teil, B.III.1.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

sie durch die Mediation führt. Die Parteien vertrauen darauf, dass er ihnen diejenigen Informationen zur Verfügung stellt, die sie benötigen, um aufgeklärt und fundiert Entscheidungen treffen zu können. Die Informiertheit der Parteien ist demnach mit der Informationspflicht des Mediators eng verknüpft. Die mit der Informationspflicht des Mediators gleichzeitig einhergehende Frage ist, wie weit die Art und der Umfang seiner Pflichten reicht, um die Informiertheit der Parteien zu gewährleisten. aa) Die Umsetzung des Prinzips der Informiertheit der Parteien Das Prinzip der Informiertheit der Parteien ist in der EU-Mediationsrichtlinie nicht genannt. Dieses Prinzip wird insbesondere in der deutschen Literatur358 hervorgehoben, wobei ebenfalls das deutsche Mediationsgesetz dieses Prinzip nicht explizit erwähnt.359 Erstaunlicherweise ist das Prinzip der Informiertheit der Parteien nicht ansatzweise dem Wortlaut der Richtlinie zu entnehmen. Die Tatsache, dass dieser Grundsatz in der EU-Mediationsrichtlinie nicht geregelt wurde, mag darin begründet liegen, dass die EU-Mediationsrichtlinie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und ihren Fokus auf zwei Ziele legt, die die Mitgliedstaaten umsetzen sollen. Die EU-Mediationsrichtlinie ist laut Art. 1 in erster Linie zur Promotion der Mediation in den Mitgliedstaaten sowie zur Regelung der Mediation für grenzüberschreitende, nicht innerstaatliche,360 Streitigkeiten vorgesehen. Ziel ist es daher nicht, den Mitgliedstaaten ein detailliertes Regelwerk für den Ablauf eines Mediationsverfahrens vorzugeben, sondern ihnen Rahmenregelungen als Werkzeuge zur Förderung der Mediation an die Hand zu geben. Die Richtlinie soll ein Gerüst für die Förderung schaffen, auf dessen Basis die Mitgliedstaaten ein Gesetz zur Förderung grenzüberschreitender Mediation umsetzen können. Dabei achtet die EU-Mediationsrichtlinie in erster Linie darauf, dass Aspekte der Rechtssicherheit sowie Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden und „die Verfügbarkeit von Mediationsdiensten zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts“361 beiträgt. Die Richtlinie hält sich mit den Details zum Mediationsverfahren bewusst stark zurück, um den Mitgliedstaaten Umsetzungsfreiheit zu gewährleisten. Hätte der Fokus auf einem einheitlichen europäischen Mediationsverfahren gelegen, hätte sich der europäische Gesetzgeber nicht des Rechtsaktes der Richtlinie bedient, sondern der Verordnung, welche gem. Art 288 AEUV unmittelbare Geltung erlangt und für die Mitgliedstaaten allgemeingültig ist. Da sich eine Richtlinie auf das Wesentliche konzentriert und eine Ausgestaltung von Einzelfallnormen meidet, ist es möglich, dass der europäische Gesetzgeber das 358

von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, Tübingen 2008, S. 35 ff.; Horstmeier, JR 2012, S. 1 (6); Kracht, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 114 ff. 359 Kracht, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 114 Fn. 61. 360 Erwägungsgrund 8 der EU-Mediationsrichtlinie: „den Mitgliedstaaten sollte es jedoch freistehen, diese Bestimmungen auch auf interne Mediationsverfahren anzuwenden“. 361 Erwägungsgrund 5 der EU-Mediationsrichtlinie.

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Prinzip der Informiertheit der Parteien bei Erlass der EU-Mediationsrichtlinie für zu detailliert erachtet und aus diesem Grund außer Acht gelassen hat. Sollte dies der Fall gewesen sein, so bestehen gegen diese Vorgehensweise Bedenken. Auch wenn die EU-Mediationsrichtlinie naturgemäß keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, ist es dennoch möglich gewesen, sich auf andere wesentliche Mediationsgrundstätze einzulassen und diese, insbesondere in den Artt. 3 und 7, zu regeln. Damit sind diese Mediationsgrundsätze, wie etwa das Prinzip der Freiwilligkeit, der Vertraulichkeit und der Eigenverantwortlichkeit, für die Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer Umsetzung unverhandelbar geworden und mussten sich trotz Umsetzungsspielraums zwingend in der nationalen Gesetzgebung wiederfinden. Auch der Grundsatz der Informiertheit müsste ebenso unverhandelbar und gleichrangig neben den anderen, in der EU-Mediationsrichtlinie ausdrücklich erwähnten, Mediationsgrundsätzen stehen. Fehlt dieser Grundsatz, ist die Qualität der Mediation nicht gewährleistet. Im deutschen Mediationsgesetz wird der Grundsatz der Informiertheit der Parteien in § 2 MediatG zwar erwähnt, jedoch eher nebensächlich behandelt. Beispielsweise soll der Mediator gem. § 2 Abs. 6 S. 1 MediatG dafür Sorge tragen, dass die Medianden das Vergleichsergebnis „in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen“.362 Satz 2 des § 2 Abs. 6 MediatG beschreibt die Informationspflicht des Mediators über die Möglichkeit, fachliche Unterstützung beim Abschluss der Mediation einzuholen, falls sie während des Mediationsverfahrens rechtlich nicht vertreten wurden. Zusätzlich soll der Mediator nach § 2 Abs. 2 MediatG festhalten, dass „die Parteien die Grundsätze und den Ablauf des Mediationsverfahrens verstanden haben“. Die Informationspflicht des Mediators gem. § 2 MediatG im deutschen Mediationsrecht begründet zugleich das Recht der Parteien, Zugang zu Wissen zu erhalten, das sie für ihre Entscheidungsfähigkeit benötigen. In Bezug auf § 2 MediatG spricht Gläßer daher richtigerweise von der Absicherung der Selbstbestimmung der Medianden.363 In Polen war das Prinzip der Informiertheit der Parteien bislang nicht kodifiziert. Erst mit Inkrafttreten der Mediationsnovelle am 01. 01. 2016 ist ein Ansatz dieses Prinzips in der Regelung des Art. 1833a ZVGB zu erkennen. Hinzuzufügen ist jedoch, dass die Informiertheit der Parteien nicht ausdrücklich als Prinzip normiert wurde und sich einzig mittelbar aus den Informationspflichten des Mediators ergibt.364 Wie auch die deutsche Regelung des § 2 MediatG sieht die polnische Regelung des Art. 1833a ZVGB vor, dass die Parteien dem Mediator erlauben können, sie bei der Ausformulierung der Mediationsergebnisse zu unterstützen. Nach Art. 1833a ZVGB kann der Mediator, sofern Einvernehmen bei den Parteien besteht, auch eigene Lösungsvorschläge unterbreiten, welche für die Parteien jedoch nicht 362 363 364

Kracht, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 114 Fn. 61. Klowait/Gläßer, Mediationsgesetz, 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 77. S. näher dazu unter Zweiter Teil, B.III.2.c).

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verbindlich sind.365 Art. 1833a ZVGB soll ideralerweise dann zur Anwendung kommen, wenn die Parteien nicht imstande sind, selbst eine geeignete Lösungsmöglichkeit zur Beilegung ihres Konkflikts zu entwickeln.366 Der polnische Gesetzgeber hatte sich mit Art. 1833a ZVGB zum Ziel gesetzt, die Effektivität der Mediation zu erhöhen und die Bürger anzuregen, mehr Mediationsverfahren durch Vergleiche zu beenden.367 Die Unterstützung des Mediators bei der Ausarbeitung von Streitbeilegungsvorschlägen gehört demnach nunmehr zu den Methoden, die der Mediator bei der Durchführung des Mediationsverfahrens gem. Art. 1833a ZVGB anwenden kann, wenn die Parteien dies ausdrücklich erlauben. Die Gesetzesbegründung zu Art. 1833a ZVGB besagt auch, dass den Parteien durch den neuen Art. 1833a ZVGB erleichtert wird, in der Mediation eigenverantwortlich zu handeln. Denn Art. 1833a ZVGB setzt laut Angaben der Gesetzesbegründung voraus, dass die Parteien möglichst vollständige Informationen erhalten, damit sie eine Entscheidung, welche sie auch zufriedenstellt, bei „vollem Bewusstsein“ treffen.368 Hiermit ist das Prinzip der Informiertheit der Parteien Art. 1833a ZVGB zu entnehmen. bb) Die Phasen der Mediation und die drei Ebenen der Informiertheit der Parteien In Anlehnung an das fünfphasige Aufbauschema einer interessenbasierten Mediation nach Gläßer369, welches an das Modell der sechs Phasen von Kessen/Troja370 anknüpft, stellen sich je nach Phase Fragen der Parteien, wie vorzugehen ist und was die Parteien wissen müssen, um weiterhin selbstbestimmt am Mediationsverfahren teilnehmen zu können, stets mit dem Ziel einer gemeinsam ausgearbeiteten Lösung, um die Streitigkeit einvernehmlich zu beenden. Die Phasen Nummer 1 bis 3 sind bei den Verfassern gleich gestaltet. Die erste Phase beschäftigt sich mit dem Verfahrensbeginn der Mediation. Die zweite besteht in der Sachverhaltsaufklärung und der Ermittlung des Streitpunktes. In der dritten Phase werden die Interessen unterteilt und nach Priorität sortiert. Die vierte Phase des Mediationsverfahrens, nach Gläßer handelt es sich um die Phase 4a, konzentriert sich auf die Lösungssuche, während in der fünften Phase bzw. Phase 4b nach Gläßer der Fokus auf die Evaluation der Lösungsmöglichkeiten gelegt wird. Die letzte Phase ist durch die Beendigung der 365

S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.III.2.b). Gesetzesentwurf v. 22. 05. 2015, Sejm-Druks Nr. 3432, S. 15 der Gesetzesbegründung. 367 Gesetzesentwurf v. 22. 05. 2015, Sejm-Druks Nr. 3432, S. 15 der Gesetzesbegründung. 368 Gesetzesentwurf v. 22. 05. 2015, Sejm-Druks Nr. 3432, S. 15 der Gesetzesbegründung: „Strony natomiast powinny otrzymac´ jak najpełniejsza˛informacje˛ w sprawie, aby mogły podja˛c´ w pełni s´wiadoma˛ i satysfakcjonuja˛ca˛ je decyzje˛ .“ 369 Klowait/Gläßer, Mediationsgesetz, 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 82. 370 Kessen/Troja, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 14 Rn. 4 ff.; das Europäische Justizportal hat ebenfalls ein solches Modell zur Erklärung des Ablaufs der Mediation veröffentlicht, abrufbar unter https://e-justice.europa.eu/content_key_principles_ and_stages_of_mediation-383-de.do?init=true, Stand: 06. 11. 2018. 366

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Streitigkeit und des Mediationsverfahrens gekennzeichnet. Jede Phase tangiert aufgrund der verschiedenen Themen, die darin behandelt werden, unterschiedliche Informationsbereiche und löst damit Informationspflichten des Mediators aus. Die Informationspflicht des Mediators ginge allerdings zu weit, wenn er sich mit jedem noch so kleinen juristischen, technischen oder psychologischen Spezialproblem auskennen müsste, um die Parteien durch die Mediation zu führen. Der Mediator soll allparteilich, nicht allwissend sein. Eine schuldhaft herbeigeführte Unkenntnis des Mediators trotz Kennenmüssens der Sachlage und der Umstände darf nicht dazu führen, dass die Medianden nach Abschluss der Mediation über einen nicht umsetzbaren Vergleich verfügen. Hierzu sagt Gläßer zutreffend, dass eine informierte Entscheidung der Medianden die „Wirksamkeit der Mediationsvereinbarung absichter[t]“.371 Der Mediator muss somit in der Lage sein, den Parteien das Wissen über die Mediation zu vermitteln und zugleich darauf achten, dass die Parteien in jeder Phase der Mediation möglichst alle ihnen zur Verfügung stehenden Optionen ausschöpfen können.372 In einer Situation, in der die Informationskompetenz des Mediators erschöpft ist, müssen die Parteien zumindest wissen, dass und wo sie zusätzliche Informationen einholen können,373 worüber der Mediator sie entsprechend zu informieren hat. Das polnische Mediationsgesetz geht auf diese Einzelheiten jedoch nicht ein. Im deutschen Mediationsgesetz, insbesondere § 2 Abs. 6 MediatG, ist dagegen davon die Rede, dass die Parteien die Vereinbarung „in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen“ müssen. Was unter der „Kenntnis der Sachlage“ und dem „Verständnis“ i.S.d. § 2 Abs. 6 S. 1 MediatG zu verstehen ist, ist nicht definiert und daher auslegungsbedürftig. Darüber hinaus wird in Absatz 6 allein auf die Abschlussvereinbarung („im Falle einer Einigung“) abgestellt, sodass nicht klar ist, ob sich „die Kenntnis über die Sachlage“ nicht auch auf die Kenntnis über das gesamte Mediationsverfahren übertragen ließe. Der möglicherweise fehlenden Übertragbarkeit des § 2 Abs. 6 S. 1 MediatG auf das gesamte Mediationsverfahren im deutschen Recht wirkt § 2 Abs. 2 MediatG insoweit entgegen, als der Mediator sich zu vergewissern hat, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf des Mediationsverfahrens verstanden haben. Zusammenfassend beschäftigt sich Absatz 6 des § 2 MediatG mit der Informiertheit der Parteien in der Anfangsphase der Mediation und Absatz 2 des § 2 MediatG mit den äußeren Rahmenbedingungen der Mediation in der Anfangsphase der Mediation. Eine Regelung dahingehend, dass sich der Mediator auch auch zwischen Anfang und Ende der Mediation darüber vergewissern muss, dass die Parteien Zugang zu allen relevanten Informationen erhalten haben, fehlt mithin im deutschen Mediationsgesetz. Es ist festzustellen, dass das Prinzip der Informiertheit der Parteien im deutschen Mediationsgesetz insgesamt unvollständig geregelt ist. Das polnische Mediationsgesetz 371

Klowait/Gläßer, Mediationsgesetz, 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 82. Angelehnt an das Modell nach Kracht, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 117 Abbildung 2, der die „Partizipation aller am Fachwissen“ verlangt. 373 Angelehnt an das Modell nach Kracht, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 117 Abbildung 2: Weitergabe aller Informationen. 372

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

scheitert dagegen mit dem neu eingefügten Art. 1833a ZVGB bereits an der mangelnden ausdrücklichen Erwähnung der Informationsrechte der Parteien, die das deutsche Mediationsgesetz in § 2 MediatG zumindest in Bezug auf den Beginn und das Ende des Mediationsverfahrens erwähnt. Durch eine Unterteilung in die im Folgenden näher beschriebenen Kategorien hingegen kann jedoch das Informationsbedürfnis für alle Phasen der Mediation lückenlos geregelt werden. Zum einen haben die Parteien ein Recht zu wissen, was die Mediation als ADR-Institut kennzeichnet, und zum anderen, welche Informationen für die Parteien während der Durchführung der Mediation von Bedeutung sind. Mithin kann die Informiertheit der Parteien derart beschrieben werden, dass sie einen äußeren und einen inneren Kern hat und dass die Informiertheit durch die Aufklärung des Mediators erfolgt (äußere und innere Informationspflicht des Mediators). Einen solchen Versuch unternimmt auch die Regelung des § 2 MediatG. Die äußere Informationspflicht beschäftigt sich dabei mit dem Mediationsinstitut, d. h. der Methode der Streitbeilegung, an sich. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 MediatG tangiert diesen äußeren Kern der Informationspflicht des Mediators. Der innere Kern der Informationspflicht bezieht sich auf die den Parteien zur Verfügung stehenden Möglichkeiten während der Mediation. Dies kann beispielsweise § 2 Abs. 6 S. 1 und 2 MediatG entnommen werden. Auf die Phasenmodelle nach Gläßer374 und Kessen/ Troja375 übertragen, hätte der Mediator in der ersten Phase sowohl die äußere als auch die innere Informationspflicht zu erfüllen. Er müsste zunächst das Wesen der Mediation erklären sowie auch eine Einführung in die einzelnen Stadien des Mediationsverfahrens gewähren. Darüber hinaus ist es dem Mediator praktisch nicht möglich, bereits zu Beginn der ersten Phase der Mediation vorauszusehen, welche Informationen im weiteren Verlauf unter Umständen benötigt werden könnten. Naturgemäß ergeben sich Fragen und damit zusammenhängende Auskunftsrechte erst im weiteren Verlauf der Mediation, sodass der Mediator beispielsweise zu Beginn der Mediation noch nicht darüber informieren kann, ob eine bestimmte Lösung notariell beurkundet werden muss und dies extern zu prüfen wäre, insbesondere zumal er selbst zu Beginn der Mediation von den relevanten Tatsachen keinerlei Kenntnis hat. Im weiteren Verlauf der Mediationssitzungen entstehen mithin bestimmte Informationsrechte der Parteien, über die sie der Mediator aufzuklären hat und die von Fall zu Fall variieren. Von solchen, in der Zukunft liegenden Informationspflichten des Mediators ist der innere Kern der Informiertheit der Parteien betroffen. Er bezieht sich auf die private Sphäre des Mediationsverfahrens, von welchem Dritte grundsätzlich ausgeschlossen sind.376 374

Klowait/Gläßer, Mediationsgesetz, 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 82. Kessen/Troja, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 14 Rn. 4 ff.; das Europäische Justizportal hat ebenfalls ein solches Modell zur Erklärung des Ablaufs der Mediation veröffentlicht, abrufbar unter https://e-justice.europa.eu/content_key_principles_ and_stages_of_mediation-383-de.do?init=true, Stand: 06. 11. 2018. 376 Angelehnt an das Modell nach Kracht, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 117 Abbildung 2: Weitergabe aller Informationen. 375

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Aus diesem Grund kann von sog. inneren Informationspflichten des Mediators gesprochen werden. cc) Die die drei Ebenen der Informiertheit der Parteien – die erste Ebene der Informiertheit der Parteien Die Informationspflichten des Mediators sind vom Stadium des Mediationsverfahrens abhängig, da Ereignisse, die Informationspflichten auslösen können, womöglich erst in der Zukunft liegen, etwa während der Phasen der Mediation, in welchen die Lösungsmöglichkeiten zur Beilegung der Streitigkeit erörtert und bewertet werden.377 Auf diese Weise kann die Informationspflicht des Mediators nicht nur in eine äußere und eine innere Informationspflicht, sondern zusätzlich in drei zeitliche Ebenen der Informationspflichten des Mediators eingeteilt werden. Die erste Ebene der Informiertheit der Parteien fällt mit der äußeren Informationspflicht zusammen und dient der Darlegung der Informationen über das Mediationsverfahren, das den Parteien bevorsteht. Auf dieser Ebene informiert der Mediator über die Mediation, d. h. über die rechtlichen und praktischen Erwägungen hinsichtlich des Mediationsverfahrens selbst sowie die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten der Parteien. Die Bereitstellung von Information über die Folgen eines Mediationsverfahrens für den weiteren Gang der Streitigkeit gehört ebenfalls zur ersten Ebene der Informationspflicht. Der Mediator erklärt zudem den Zusammenhang zwischen Mediation und Gerichtsverfahren. Die erste Informationsebene liegt zumeist kurz vor Beginn oder mit dem Beginn der Mediation vor und dient dem informierten Einstieg der Parteien in das Mediationsverfahren. In Anlehnung an die Phasenmodelle nach Gläßer und Kessen/Troja378 würde die erste Ebene der Informiertheit der Parteien jeweils die erste Phase des Mediationsverfahrens nach Gläßer und Kessen/Troja betreffen. dd) Die zweite Ebene der Informiertheit der Parteien Auf zweiter Ebene erfolgt die Information zum Umfang der Rechte der Medianden, die ihnen im Laufe des Mediationsverfahrens zustehen. Die zweite Informationsebene dient damit der informierten Durchführung der Mediation. Damit fällt die zweite Ebene mit der inneren Informationspflicht des Mediators zusammen. Zweck der Informiertheit der Parteien auf zweiter Ebene soll ein in der Praxis umsetzbares Mediationsergebnis sein. Die Mediation soll nicht dazu missbraucht werden, ein Wissensdefizit einer Partei auszunutzen, um ein für die gegnerische Partei nachteiliges Ergebnis zu erzielen. Auch soll die Mediation Gesetz und Recht nicht umgehen. Ein Mediand könnte sein Vertrauen in die Mediation verlieren und in Zukunft keine Mediationsdienste mehr in Anspruch nehmen, würde er im Nach377 378

S. o. unter Zweiter Teil, B.III.2.c)bb). S. o. unter Zweiter Teil, B.III.2.c)bb).

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

hinein erfahren, dass er beispielsweise von der Einrede der Verjährung oder sonstigen Rechten hätte Gebrauch machen können und damit den Vergleich höchstwahrscheinlich nicht auf die in der Mediation gewählten Art und Weise zu seinem Nachteil geschlossen hätte. Darüber hinaus ist es sehr wahrscheinlich, dass der Mediand seine negativen Erfahrungen mit anderen an der Mediation Interessierten teilen würde, was wiederum zu einem negativen Meinungsbild der Mediation in der Gesellschaft im Ganzen beitrüge. Es würden sich sowohl Zweifel an der Effektivität der Mediation als auch an der Fairness des Mediationsverfahrens verbreiten. Langfristig würde die Anzahl der Mediationsteilnehmer aufgrund des fehlenden Vertrauens abnehmen. Das Vertrauen der Bürger in die Mediation kann dementsprechend nur gewonnen werden, wenn diese objektiv gut informiert sind und darauf vertrauen dürfen, dass der Mediator sie über die Möglichkeiten, etwaige Wissenslücken durch Inanspruchnahme einer geeigneten, externen Hilfe zu schließen, in Kenntnis setzt. Auf zweiter Ebene werden die Medianden darüber informiert, welche Optionen ihnen zur Verfügung stehen, um selbstständig Informationen einzuholen, sollte der Mediator hinsichtlich einzelner Fragen nicht in der Lage oder nicht befugt sein, diese selbst zu beantworten. Die zweite Ebene der Informationspflicht würde damit den Phasen 2 bis 4b nach Gläßer sowie den Phasen 2 bis 5 nach Kessen/Troja entsprechen.379 ee) Die dritte Ebene der Informiertheit der Parteien Die dritte zeitliche Ebene kann entweder als Reflex der zweiten Ebene oder als eigenständige Informationsebene verstanden werden. Es handelt sich bei der dritten Ebene um die Informiertheit der Parteien über den Vergleichsabschluss. Sollten die Medianden im Laufe der Mediationssitzung mehrere Lösungen herausgearbeitet haben und eine davon bevorzugen, sollte der Mediator die Parteien darüber informieren, dass sie die Möglichkeit haben, ihr Ergebnis durch einen Rechtsbeistand oder einen anderen Experten überprüfen zu lassen. In Bezug auf Streitigkeiten, die ein Rechtsproblem behandeln, ist es sogar sinnvoll, den Vergleichsvorschlag überprüfen zu lassen. Denn im Raum steht, ob das Ergebnis der Parteien auf die gewollte Weise überhaupt durchsetzbar ist und nicht gegen geltendes Recht verstößt. Bei Streitigkeiten, die Spezialgebiete, wie beispielsweise das Bauwesen, berühren, ist die Hinzuziehung eines Experten in vielen Fällen unumgänglich. Wenn die Parteien nicht über vertiefte Kenntnisse in Themenbereichen wie der Gebäudekonstruktion, Statik oder Elektrik verfügen (können), diese Kenntnisse für die Streitentscheidung in der Mediation jedoch entscheidend sind, kann ein Mediationsvergleich verheerende finanzielle und rechtliche Folgen haben, wenn die Parteien mit Wissensdefiziten unpraktikable Entscheidungen treffen. Daher muss der Mediator dafür sorgen, dass eine von den Parteien bevorzugte 379

S. o. unter Zweiter Teil, B.III.2.c)bb).

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Lösung sowohl realistisch als auch durchführbar ist. Dies erreicht er, indem er seine Aufklärungspflicht rechtszeitig erkennt und relevante Informationen an die Parteien weitergibt. Es besteht anderenfalls nicht nur die Gefahr, dass die konkrete Vereinbarung der Medianden praktisch und rechtlich nicht funktionieren wird. Die Europäische Union und die nationalen Gesetzgeber haben darüber hinaus kein Interesse, ADR-Methoden anzubieten und zu fördern, die zu keinen effektiven Lösungen von Streitigkeiten führen. Ohne die Informiertheit der Parteien beim Vergleichsabschluss können keine effektiven Lösungen von Streitigkeiten entstehen. An den Phasenmodellen nach Gläßer und Kessen/Troja orientiert,380 würde die dritte Ebene der Informationspflicht des Mediators vorliegend zeitlich mit der Phase 5 nach dem Phasenmodell von Gläßer sowie der Phase 6 nach dem Phasenmodell von Kessen/Troja zusammenfallen. ff) Gesetzes- und Reformvorschlag Der Grundsatz der Informiertheit der Parteien findet sich im deutschen Mediationsgesetz in § 2 Abs. 2 und 6 MediatG wieder, beschränkt sich jedoch lediglich auf die erste und dritte Ebene der Informiertheit der Parteien. Die Informationsrechte der Parteien, die sich während des Mediationsverfahrens bzw. aus den darin diskutierten Streitthemen ergeben, sind nicht geschützt. § 2 Abs. 2 MediatG lautet: „Der Mediator vergewissert sich, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf des Mediationsverfahrens verstanden haben und freiwillig an der Mediation teilnehmen.“

Um die Informationsrechte der Parteien auch während des Mediationsverfahrens zu gewährleisten, könnte § 2 Abs. 2 MediatG nach dem ersten Satz wie folgt ergänzt werden: „Er hat die Parteien während des Mediationsverfahrens insbesondere bei der Tatsachenverschaffung und Tatsachenbewertung sowie bei der Erörterung und Einschätzung der Rechtslage, zu unterstützen. Er hat die Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Rechtslage bei Bedarf durch externe Berater einschätzen zu lassen.“

Die Ergänzung bringt zum Ausdruck, dass der Grundsatz der Informiertheit der Parteien auch während des Mediationsverfahrens gilt und die damit einhergehende Informationspflicht des Mediators an die jeweilige Phase der Mediation anzupassen ist. Die Informationspflicht des Mediators muss mithin flexibel bleiben. Aus diesem Grund wird für eine Reform des § 2 Abs. 2 MediatG plädiert. Das polnische Mediationsgesetz müsste ebenfalls insoweit ergänzt werden, als Art. 1833a ZVGB den Grundsatz der Informiertheit der Parteien nicht ausdrücklich und umfassend widerspiegelt. Lediglich der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, 380

S. o. unter Zweiter Teil, B.III.2.c)bb).

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dass die Regelung mit dem Gedanken geschaffen wurde, dem Informationsbedürfnis der Parteien gerecht zu werden, um die Wirksamkeit von Mediationsvergleichen zu erhöhen.381 Entsprechend der hier erfolgten Argumentation ist zu empfehlen, dass der bisherige Wortlaut des Art. 1833a ZVGB als § 1 vorangestellt wird und diesem sodann § 2 mit dem folgenden Wortlaut folgt: „Mediator upewnia sie˛ , aby strony zrozumiały zasady i procedure˛ poste˛ powania mediacyjnego. Mediator ma wspierac´ strony w trakcie poste˛ powania mediacyjnego danymi metodami, w szczególnos´ci w ustaleniu i ocenie stanu faktycznego oraz w rozwaz˙ aniu i ocenie sytuacji prawnej spwawy. W przypadku zawarcia ugody mediator dopilnowuje, aby strony zawarły ugode˛ z pełna˛ znajomos´cia˛ faktów i zrozumiały jej tres´c´. W razie potrzeby mediator wzkazuje moz˙ liwos´c´ dokonania oceny sytuacji prawnej sprawy oraz ugody przez odpowiednia˛ trzezcia˛ osobe˛ , w szczególnos´ci radca prawnego.“ „Der Mediator vergewissert sich, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf des Mediationsverfahrens verstanden haben. Er hat die Parteien während des Mediationsverfahrens, insbesondere bei der Tatsachenverschaffung und Tatsachenbewertung sowie bei der Erörterung und Einschätzung der Rechtslage, mit den ihm zur Verfügung stehenden Methoden zu unterstützen. Im Falle einer Einigung wirkt der Mediator darauf hin, dass die Parteien den Vergleich in Kenntnis der Sachlage treffen und seinen Inhalt verstehen. Er hat die Parteien auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Rechtslage und die Vergleichsvereinbarung bei Bedarf durch einen geeigneten Dritten, insbesondere einen Rechtsanwalt, überprüfen zu lassen.“

Der Gesetzesvorschlag für Art. 1833a § 2 ZVGB n.F. orientiert sich an den Vorgaben des deutschen Mediationsrechts gem. § 2 MediatG. In dem neu zu schaffenden Wortlaut des Art. 1833a ZVGB sind alle drei Ebenen der Informiertheit der Parteien vertreten. Entsprechend soll der Mediator bei Beginn der Mediation das Verfahren und die Vorgehensweise erläutern. Während der Mediation soll der Mediator an die Situation der Parteien angepasste Informationen zur Verfügung stellen, um das Selbstbestimmungsrecht der Parteien zu gewährleisten. Um die Wirksamkeit des Vergleichs zu erhöhen und zu vermeiden, dass aus dem Mediationsverfahren Folgekonflikte entstehen, soll der Mediator den Parteien die Information zur Verfügung stellen, dass sie ihr Mediationsergebnis überprüfen lassen können, damit der Vergleich auch in der Praxis gelebt werden kann. Die Wahrung der Informiertheit der Parteien in der Mediation bietet das polnische Mediationsrecht derzeit nicht. Aus diesem Grund wird für eine Reform des Art. 1833a ZVGB plädiert. d) Die Vertraulichkeit der Mediation Die Mediation lebt von ihrer Privatheit. Während Gerichtsprozesse vom Prinzip der Öffentlichkeit getragen werden,382 ist die Mediation vertraulich und damit nicht 381

S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.III.2.c)aa). Art. 9 ZVGB, Art. 42 § 2 pln. GVG, Art. 45 Abs. 1 der polnischen Verfassung; § 169 dt. GVG; Art. 6 Abs. 1 EMRK. 382

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öffentlich. Um die Privatsphäre der Medianden im polnischen Mediationsrecht zu wahren, steht der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Mediation in Art. 1834 § 1 ZVGB. Es heißt schlicht: Das Mediationsverfahren ist nicht öffentlich. Darüber hinaus enthält Art. 1834 § 2 S. 1 ZVGB die Pflicht zur Verschwiegenheit. Gem. Art. 1834 § 2 S. 1 ZVGB haben der Mediator, die Parteien und sonstige am Mediationsverfahren teilnehmenden Personen Stillschweigen über alle Tatsachen („fakty“) zu bewahren, die sie im Rahmen der Durchführung der Mediation erfahren haben. Im deutschen Mediationsrecht ist die Vertraulichkeit ebenfalls als Verschwiegenheitspflicht in § 4 MediatG ausgestaltet. Zudem ist der Begriff der Verschwiegenheit des § 4 S. 2 MediatG – wie auch des Art. 1834 § 2 S. 1 ZVGB – umfassend formuliert und demnach weit zu verstehen. Der Mediator „und die in die Durchführung eingebundenen Personen“ müssen über „alles, was ihnen in Ausübung ihrer Tätigkeit bekannt geworden ist“, Stillschweigen bewahren.383 aa) Die Besonderheiten der Vertraulichkeitsregelungen Die in Art. 1834 § 1 ZVGB und § 4 MediatG kodifizierten Grundsätze der Vertraulichkeit der Mediation beruhen auf Art. 7 der EU-Mediationsrichtlinie, wonach die Mediatoren und andere an der Mediation beteiligten Personen keine Informationen weitergeben sollen, die sich aus oder im Zusammenhang mit einem Mediationsverfahren ergeben. Ausnahmen zu dem weit gefassten Vertraulichkeitsgrundsatz sehen sowohl die nationalen Regelungen der Art. 1834 § 2 S. 2 ZVGB und § 4 S. 3 MediatG als auch die EU-Mediationsrichtlinie vor. Art. 7 Abs. 1 lit. a) der EUMediationsrichtlinie beinhaltet die Ausnahme, dass der ordre-public-Grundsatz der Vertraulichkeit in der Mediation vorgeht und listet als Beispiele für eine unter den ordre-public-Grundsatz zu fassende Ausnahme den Schutz des Kindeswohls und die Abwendung der Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Integrität einer Person auf. Art. 7 Abs. 1 lit. b) der EU-Mediationsrichtlinie sieht die Offenlegung des Vergleichs als weitere Ausnahme in den Fällen vor, in denen der Vergleich umgesetzt oder vollstreckt werden soll. Die Wahrung der Vertraulichkeit in der Mediation ist aufgrund der aufgezählten höherrangigen Güter kein absolut geschütztes Recht der Parteien, dass gegenüber jedermann, sondern nur subjektiv gegenüber dem Teilnehmerkreis der Mediation wirkt. Die Mitgliedstaaten sind jedoch frei darin, strengere Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit gem. Art. 7 Abs. 2 der EU-Mediationsrichtlinie zu schaffen. Auffällig ist des Weiteren, dass die deutsche, die polnische Regelung sowie die EU-Mediationsrichtlinie keine zeitlichen Einschränkungen zur Dauer der Verschwiegenheitspflicht vorsehen. In Bezug auf Art. 1834 ZVGB könnte angenommen werden, das, solange die Medianden den Mediator und andere Beteiligte von der Pflicht zur Verschwiegenheit nicht entbunden haben, diese auch über den Tod hin-

383

Hartmann, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 28 Rn. 17.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

aus384 fortbesteht. In der polnischen Literatur wird angeführt, dass die Entbindung von der Schweigepflicht durch die Medianden auch nur auf einzelne Themen oder konkrete Informationen beschränkt werden kann.385 Der polnische Gesetzgeber hat sich für die Verschwiegenheitspflicht gem. Art. 1834 ZVGB als eine gesetzliche Pflicht ausgesprochen. Es bedarf zur Wirksamkeit der Verschwiegenheit somit keiner vertraglichen Vereinbarungen der Parteien untereinander. Sofern eine solche Verschwiegenheitsregelung, beispielsweise im Mediator-Medianden-Vertrag, besteht, wirkt diese im polnischen Mediationsrecht nicht konstitutiv, sondern rein deklaratorisch. Eine (schriftliche) Verschwiegenheitserklärung hat jedoch den Vorteil, dass sie an die jeweilige Streitigkeit angepasst werden kann, indem darin für die Parteien beispielsweise besonders wichtige Firmengeheimnisse aufgelistet werden, die vom Verbot der Informationsweitergabe umfasst sind, und sich die Parteien auf diese Weise ins Bewusstsein rufen, dass auch über vorgelegte, vertrauliche (Firmen-)Dokumente, Sitzungs- und Vergleichsprotokolle sowie vor- und nachträgliche Gespräche mit dem Mediator Stillschweigen zu bewahren ist. Die polnische Fassung des Art. 1834 § 2 S. 1 ZVGB bedient sich darüber hinaus des Begriffs „fakty“, d. h. Tatsachen. Es könnte daher angenommen werden, dass sich die Schweigepflicht bloß auf rein objektive Inhalte der Mediation und nicht auf andere, teils subjektive Aspekte der Wahrnehmung innerhalb der Mediation bezieht, wie etwa auf die Schilderung von Emotionen der Medianden oder des Mediators.386 Die Aussage einer Partei über ihre subjektive Wahrnehmung der anderen Partei oder des Mediators kann jedoch auch für einen späteren Prozess relevant werden, etwa um ein Verfahren gegen den anderen Medianden vorzubereiten, dessen emotionale Verfassung für einen Gerichtsprozess relevant werden kann (z. B. für die Einschätzung des Gerichts über die psychische Stabilität des Medianden als Elternteil, um während eines Sorgerechtstreits das alleinige Sorgerecht zu erhalten, die Befangenheit des Mediators darzulegen oder einen Schadensersatzanspruch gegen den Mediator durchzusetzen). Kozłowski zählt zu „fakty“ solche Informationen, die sich auf technische, technologische oder organisatorische Aussagen der an der Mediation Beteiligten beziehen.387 Er ist jedoch der Ansicht, dass diese Erklärungen nicht von der Verschwiegenheitspflicht umfasst sind und daher im Umkehrschluss auch Gegenstand 384

Vgl. zur postmortalen Verschwiegenheitspflicht Hartmann, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 28 Rn. 18. 385 A maiore ad minus-Argument Morek/Budniak-Rogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1834 ZVGB Rn. 11. 386 Ähnlich Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 2591 ZVGB Rn. 3; für eine weite Auslegung der Verschwiegenheitspflicht Marciniak/Piasecki/Cudak, Beck’scher Großkkommentar ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 2591 Rn. 1. 387 Kozłowski, ADR 2016, S. 38 (44 a.E.).

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eines späteren Schieds- oder Gerichtsverfahrens darstellen können.388 Kozłowski argumentiert, dass der Tatsachen- bzw. Faktenbegriff i.S.d. Art. 1834 § 2 S. 1 ZVGB im systematischen Zusammenhang mit § 3 des Art. 1834 ZVGB zu lesen ist. Gem. Art. 1834 § 3 ZVGB ist das Berufen auf Vergleichsvorschläge, gegenseitige Zugeständnisse oder sonstige im Mediationsverfahren gemachte Erklärungen im Rahmen eines der Mediation nachgelagerten Gerichts- oder Schiedsverfahrens unwirksam. Dies bedeutet, dass Vergleichsvorschläge, gegenseitige Zugeständnisse oder sonstige im Mediationsverfahren gemachte Erklärungen unter dem besonderen Schutz der Vertraulichkeit des Art. 1834 ZVGB stehen. Im Umkehrschluss fallen nach Ansicht von Kozłowski somit Vergleichsvorschläge, gegenseitige Zugeständnisse oder sonstige im Mediationsverfahren gemachte Erklärungen unter den Begriff „fakty“,389 andere Inhalte, wie beispielsweise technische Gutachten, aber nicht. Dem Rückschluss, den Kozłowski zieht, ist nicht zuzustimmen. Es ist zwar richtig, dass der Begriff „fakty“ nach der systematischen Auslegung des Art. 1834 ZVGB nicht eng auszulegen ist und somit nicht nur Tatsachen umfasst, sondern auch alle Informationen schützt, die in § 3 des Art. 1834 ZVGB aufgezählt werden. Legt man den Art. 1834 § 2 S. 1 ZVGB jedoch nach dem Zweck der Vertraulichkeit der Mediation aus, so ist der Schutz der Vertraulichkeit des Art. 1834 ZVGB insgesamt weit zu verstehen und umfasst auch die von Kozłowski aufgezählten „Informationen technischen, technologischen oder organisatorischen Charakters“.390 Zweck der Vertraulichkeit der Mediation ist, den Medianden ein diskretes und offenes Diskussionsklima zu schaffen, ohne dass sie fürchten müssen, die getätigten Aussagen, Geständnisse oder Offenbarungen würden im späteren Gerichtsprozess gegen sie verwendet.391 Der Grundsatz der Vertraulichkeit soll das Vertrauen der Medianden in das Mediationsverfahren stärken.392 Das polnische Mediationsgesetz spricht in diesem Zusammenhang auch von dem Mediationsgeheimnis, d. h. „tajemnica mediacji“.393 Dies verdeutlicht, wie sensibel die in der Mediation herausgegebenen Informationen sind. Demnach fallen nach der teleologischen Auslegung des Art. 1834 ZVGB auch innere Tatsachen und subjektive Aspekte der Wahrnehmung in den Schutzbereich der Norm, soweit sie in irgendeiner Weise Gegenstand der Mediation geworden sind. Diese Feststellung hat zuletzt auch der polnische Anwalts-

388

Kozłowski, ADR 2016, S. 38 (44). Kozłowski, ADR 2016, S. 38 (44). 390 A.A. Kozłowski, ADR 2016, S. 38 (44 a.E.): „informacje o charakterze technicznym, technologicznym lub organizacyjnym“. 391 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1834 ZVGB Rn. 2; Morek/Budniak-Rogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1834 ZVGB Rn. 1. 392 Kozłowski, ADR 2016, S. 38 (44). 393 Vgl. Art. 1834 § 2 S. 1 ZVGB; Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1834 ZVGB Rn. 7. 389

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gerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. 02. 2016394 getroffen. Die Pflicht zur Einhaltung der Vertraulichkeit der Mediation nach Art. 1834 ZVGB schützt nach Ansicht des polnischen Anwaltsgerichtshofs nicht nur den Informations- oder Standpunkteaustausch zwischen den Medianden, sondern das Mediationsinstitut an sich, das eine vertraute Sphäre über die Grenzen des Mediationsverfahrens hinaus garantiert.395 Daher sind Informationen, die sich auf technische, technologische oder organisatorische Aussagen der an der Mediation Beteiligten beziehen, entgegen der Ansicht von Kozłowski, stets vor der Weiterverbreitung im späteren Schiedsgerichtsoder Gerichtsprozess geschützt. Denn die Tatsache, dass diese Informationen einmal Gegenstand der Mediation waren und nicht welcher Natur sie sind, löst die Geheimhaltungsbedürftigkeit dieser Informationen und damit den Vertraulichkeitsschutz i.S.d. Art. 1834 ZVGB aus.396 Würden Informationen, die sich auf technische, technologische oder organisatorische Aussagen der an der Mediation Beteiligten beziehen, nicht in den Schutzbereich des Art. 1834 ZVGB fallen, würde der Vertraulichkeitsgrundsatz unterlaufen. Denn die Preisgabe solcher Informationen kann auch nachteilig für den Medianden sein, der sie im Vertrauen auf die damit zusammenhängende Verschwiegenheitspflicht offenbart hat. Würde der Mediand, der das Mediationsverfahren durch seine Offenheit fördert, im Ergebnis mit negativen Folgen dergestalt, dass diese in einem zukünftigen Prozess gegen ihn verwendet werden könnten, abgestraft, würde sich kaum jemand mehr auf ein Mediationsverfahren einlassen, die Nachfrage würde sinken. Das Institut der Mediation liefe ins Leere. Überdies wird in Art. 7 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie das Wort „Informationen“ und nicht „Fakten“ bzw. „Tatsachen“ verwendet. Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird das Wort „Information“ als die Kenntnis von Sachverhalten und Vorgängen bzw. das Wissen über diese bezeichnet.397 Der Begriff „Information“ ist somit bereits weiter zu verstehen als der Begriff der Tatsachen und Fakten. Der Informationsbegriff unterscheidet nicht zwischen objektiven und subjektiven Elementen, Rechtsauffassungen, Meinungen oder auch Prognosen und Vorhersagen. Bei Tatsachen dagegen handelt es sich zumindest nach dem allgemeinen deutschen Rechtsverständnis um objektiv beweisbare Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, von denen Zukunftsereignisse weitestgehend ausgeklammert sind.398 Informationen dagegen sind alle Aussagen zu einem bestehenden Sachverhalt, ohne Rücksicht darauf, ob diese dem Beweis zugänglich sind oder nicht. 394 Orzeczenie Wyz˙ szego Sa˛du Dyscyplinarnego [Entscheidung des polnischen Anwaltsgerichtshofs] v. 27. 02. 2016 – WSD 58/15, Legalis Nr. 1514869. 395 Orzeczenie Wyz˙ szego Sa˛du Dyscyplinarnego [Entscheidung des polnischen Anwaltsgerichtshofs] v. 27. 02. 2016 – WSD 58/15, Legalis Nr. 1514869. 396 I. E. Orzeczenie Wyz˙ szego Sa˛du Dyscyplinarnego [Entscheidung des polnischen Anwaltsgerichtshofs] v. 27. 02. 2016 – WSD 58/15, Legalis Nr. 1514869. 397 Vgl. Definitionen des Begriffs „Information“ aus dem technologischen Bereich DIN 44330; ISO/IEC 2382:2015. 398 Z. B. Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 12. Aufl. 2012, § 263 Rn. 10.

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Art. 7 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie gibt mit dem Begriff „Information“ mithin Aufschluss darüber, dass sowohl Tatsachen als auch Tatumstände und alle dazugehörigen Wahrscheinlichkeitsprognosen unter den Begriff der Vertraulichkeit fallen. Im Entwurf zur EU-Mediationsrichtlinie waren zudem konkrete Beispiele von Informationen, die nicht Beweisgegenstand sein dürfen, in Art. 6 Nr. 1 lit. a) bis f) aufgelistet.399 Unzulässige Themen waren demnach Ausführungen zum Zustandekommen der Mediation, Meinungen und Vorschläge der Medianden, Erläuterungen und Geständnisse, Vorschläge des Mediators, Aussagen zur Vergleichswilligkeit eines Medianden. Auch Unterlagen, die ausschließlich für die Zwecke der Mediation erstellt wurden, waren vom Beweisverbot erfasst. Um die Vertraulichkeit in der Mediation zu gewährleisten, ist der Begriff der Vertraulichkeit nach der richtlinienkonformen Auslegung entsprechend weit auszulegen. Für einen engen Tatsachenbegriff oder der engen Auslegung des Begriffs „fakty“ i.S.d. Art. 1834 ZVGB bleibt somit kein Raum. Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 1834 ZVGB dazu führt, dass das gesamte in der Mediation gesammelte Wissen eines Mediationsteilnehmers und des Mediators über das Verfahren, die Beteiligten sowie über sonstige Aspekte von der Verschwiegenheitspflicht umfasst ist. Der Begriff „fakty“ ist demnach als „informacje“, d. h. Informationen, zu lesen. Aus diesem Grund ist auch den Austausch des Wortes „fakty“ durch „informacje“ in Art. 1834 § 2 S. 1 ZVGB zu empfehlen, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Dies würde den Schutz des Grundsatzes der Vertraulichkeit und die Mediation im polnischen Zivil- und Handelsrecht fördern. bb) Die Stärkung der Vertraulichkeit der Mediation in Polen durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Art. 1834 § 2 ZVGB Die Vertraulichkeit war in der ursprünglichen Fassung des Art. 1834 ZVGB erheblich einschränkt und stieß auf Kritik, weshalb der Anwendungsbereich der Verschwiegenheitspflicht im neuen § 2 des Art. 1834 ZVGB erweitert wurde.400 Diese aus dem Jahr 2005401 stammende Regelung bezog am Mediationsverfahren teilnehmende Dritte, wie etwa den Anwalt oder ein an der Mediation teilnehmendes Familienmitglied, nicht in die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht ein. Lediglich der Mediator war gem. Art. 1834 § 2 ZVGB a.F. verpflichtet, Stillschweigen über die ihm in der Mediation bekannt gewordenen Tatsachen zu bewahren. 399 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 22. 10. 2004 KOM (2004) 718 endg. – COD 2004/0251. 400 Morek/Budniak-Rogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1834 ZVGB Rn. 5; vgl. auch Begründung des Gesetzesentwurfs zur Gesetzesnovelle v. 10. 09. 2015, Dz.U. 2015, Pos. 1595, Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 16. 401 Dz.U. v. 28. 07. 2005, Nr. 172, Pos. 1438.

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Streng genommen waren nicht einmal die Medianden gemäß der alten Fassung des Art. 1834 ZVGB in die Verschwiegenheitspflicht eingebunden.402 Sie konnten, soweit sie keine vertragliche Verschwiegenheitserklärung vereinbart hatten, alle Informationen, die sie in der Mediation über die gegnerische Partei gesammelt haben, im späteren Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren zu ihren eigenen Gunsten verwenden. In Bezug auf die fehlende Verschwiegenheit der Parteien in Art. 1834 ZVGB und sonstigen Normen des polnischen Zivilprozessrechts bedurfte es wenig überzeugender, juristischer Kunstgriffe, um eine etwaige Verschwiegenheitspflicht der Parteien zu begründen. Beispielsweise führte Morek403 an, das Mediationsverfahren könnte nach Art. 1834 ZVGB a.F. auch als Privatverhandlungen („negocjacje“) verstanden werden, sodass die im polnischen Zivilgesetzbuch kodifizierte Verschwiegenheitspflicht des Art. 721 ZGB analoge Anwendung auf das Mediationsverfahren fände.404 Gem. Art. 721 ZGB sind die Vertragsparteien nämlich grundsätzlich dazu verpflichtet, ihnen bekannt gewordene Informationen nicht an Dritte weiterzugeben oder für ihre eigenen Zwecke zu verwenden, sofern ihnen die Informationen auf vertraulicher Basis während der Verhandlungen zur Verfügung gestellt wurden. Art. 721 ZGB konnte weder auf die alte Fassung des Art. 1834 ZVGB analoge Anwendung finden noch ist Art. 721 ZGB heute auf das Mediationsverfahren gem. Artt. 1831 ff. ZVGB analog anwendbar. Es bestand bei der Ausformulierung des Wortlauts des Art. 1834 ZVGB a.F. durchaus eine planwidrige Regelungslücke, da die Gesetzesbegründung aus dem Jahr 2004 betreffend den Art. 1834 ZVGB ausdrücklich die Einbeziehung der Parteien forderte.405 Für Art. 1834 ZVGB a.F. fehlte es jedoch an einer vergleichbaren Interessenlage. Eine solche vergleichbare Interessenlage zwischen den privaten Verhandlungen und der Mediation besteht auch heute insgesamt für das Mediationsverfahren gem. Artt. 1831 ff. ZVGB nicht. Die Mediation wird durch einen neutralen Dritten begleitet, in den Verhandlungen werden dagegen die Parteien, zumeist unter Einbeziehung ihres Rechtsbeistands, allein tätig. Insbesondere unterscheidet sich die Privatverhandlung von der Mediation durch die unterschiedliche Struktur und Dynamik.406 Der Mediator kann – im Gegensatz zu Verhandlungen – in den Fällen, in denen die Dynamik zulasten einer Partei geht und Druck durch die andere Partei auf sie ausgeübt wird, die angespannte Lage der Mediation wieder auf 402 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1834 ZVGB Rn. 9. 403 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1834 ZVGB Rn. 5. 404 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1834 ZVGB Rn. 5; Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1834 ZVGB Rn. 9. 405 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 4 Nr. VII.: „Strony w poste˛ powaniu cywilnym nie be˛ da˛ tez˙ mogły powoływac´ sie˛ na okolicznos´ci ujawnione w toku mediacji abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018. 406 Morek, in: Gmurzyn´ska/Morek, Medjacje, 3. Aufl. 2018, S. 31.

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eine neutrale Gesprächsebene bringen. Diese ausgeglichene Verhandlungsdynamik ist in Verhandlungen oftmals gar nicht gewünscht. Denn in Parteiverhandlungen geht es primär um die maximale Interessendurchsetzung, in denen das gegenseitige Nachgeben möglichst genau kalkuliert und so gering wie möglich gehalten wird.407 Der Weg in der Mediation zur maximalen Interessendurchsetzung ist allerdings ein anderer. Im optimalen Fall soll das Maximum für beide Parteien erreicht werden, indem sie selbst mit Unterstützung des Mediators ein solches Maximum definieren und kreative Lösungen zur Erreichung dieses Maximums erarbeiten. Zudem bestimmen sie selbst, was ihr persönliches Maximum ist und können es so individuell anpassen. Meistens werden die Parteien automatisch freiwillig in einem der Punkte nachgeben und ihre maximale Interessengrenze anpassen, sobald sie merken, sie haben in einem anderen Streitpunkt bereits erreicht, was sie wollten und sind in der Pflicht, dem anderen einen Ausgleich zu bieten. Die Mediation ist mithin nicht mit Verhandlungen vergleichbar, sodass die analoge Anwendung des Art. 721 ZGB ausscheidet. In Art. 1834 ZVGB a.F. wurde darüber hinaus nicht geregelt, das Dritte in die Schweigepflicht eingebunden sind, sobald sie an der Mediation teilnehmen. Zumindest für Personen, deren Verschwiegenheit nicht bereits durch das Berufsrecht geregelt war,408 war die Abgabe einer zusätzlichen Vertraulichkeitserklärung der teilnehmenden Dritten notwendig, um die Vertraulichkeit der Mediation zu gewährleisten. Der Rückgriff auf konstruierte Verschwiegenheitspflichten mittels des Art. 721ZGB oder mittels externer Vereinbarungen ist mit Inkrafttreten des neu formulierten § 2 des Art. 1834 ZVGB nunmehr obsolet geworden. Der Art. 1834 ZVGB n.F. sieht die Verschwiegenheitspflicht sowohl für den Mediator als auch für die Parteien und die an der Mediation beteiligten Dritten vor. Aus diesem Grund ist die Gesetzesreform aus dem Jahr 2015 insgesamt als gelungen anzusehen und erfüllt mithin auch den Zweck, die Mediation zu fördern. cc) Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht Die in Art. 1834 ZVGB geregelte Verschwiegenheitspflicht sieht im polnischen Mediationsrecht keine Ausnahmen vor. Die Parteien können jedoch den Mediator sowie die Personen, die an der Mediation teilgenommen haben, nach Art. 1834 § 2 S. 2 ZVGB von der Schweigepflicht entbinden. Der deutsche Gesetzgeber hingegen hat in § 4 S. 3 Nr. 1 bis 3 MediatG Ausnahmen vorgesehen. Die erste Ausnahme gem. § 4 S. 3 Nr. 1 MediatG ist mit der Regelung des Art. 7 Abs. 1 lit. b) der EU-Me407 So Fisher/Ury/Patton, Harvard-Konzept, 24. Aufl. 2013, S. 24: „Der hart Verhandelnde betrachtet jede Situation als einen Willenskampf, in dem die Seite besser fährt, die die extremere Position einnimmt und die länger durchhält. Er will gewinnen.“ 408 Malczyk, in: Góra-Błaszczykowska, Online-Kommentar ZVGB, 2. Aufl. 2016, Art. 1834 ZVGB Rn. 9.

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diationsrichtlinie identisch und die zweite Ausnahme gem. § 4 S. 3 Nr. 2 MediatG fällt mit der Regelung des Art. 7 Abs. 1 lit. a) der EU-Mediationsrichtlinie zusammen.409 Die erste Ausnahme des deutschen Mediationsrechts bezieht sich auf die von der Verschwiegenheit nicht umfasste Offenlegung der im Mediationsverfahren erzielten Vereinbarung zum Zwecke der Umsetzung oder Vollstreckung dieser Vereinbarung. Die zweite Ausnahme gem. § 4 S. 3 Nr. 2 MediatG erlaubt die Offenlegung der im Mediationsverfahren erzielten Vereinbarung, wenn die Geheimhaltung den vorrangigen Gründen der öffentlichen Ordnung (ordre public) zuwiderliefe. Vorrangige Gründe der öffentlichen Ordnung werden beispielhaft in Art. 7 Abs. 1 lit. a) der EU-Mediationsrichtlinie aufgezählt und umfassen den Schutz des Kindeswohls sowie die psychische und physische Integrität einer Person als höherrangie Rechtsgüter, dem das Geheimhaltungsinteresse der Mediationsvereinbarung der Parteien weichen muss. Die dritte Ausnahme gem. § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG besagt, dass offenkundige Tatsachen oder Tatsachen, die keiner Geheimhaltung bedürfen, von der Schweigepflicht nicht umfasst sind. Es handelt sich hierbei allerdings um eine der EU-Mediationsrichtlinie nicht bekannte Regelung. Art. 7 Abs. 2 der EU-Mediationsrichtlinie lässt ganz im Gegenteil nur strengere Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten zum Schutz der Vertraulichkeit der Mediation zu. Die Lockerung der Ausnahmen ist im Umkehrschluss weder erlaubt noch gewollt. Dem Gebot des Art. 7 Abs. 2 der EUMediationsrichtlinie ist der polnische Gesetzgeber mit Erlass des Art. 1834 ZVGB vollumfänglich nachgekommen, denn er ist aufgrund der nicht kodifizierten Ausnahmen strenger als die Vorgabe der EU-Mediationsrichtlinie. Fraglich ist hingegen, ob die deutsche Regelung des § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG richtlinienkonform ist. Die Gesetzesbegründung lässt jegliche Begründung zu § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG vermissen.410 Dabei wäre insbesondere ein Aufschluss über die Formulierung der „Tatsachen, die ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen“ i.S.d. § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG, zwingend notwendig gewesen. Es stellt sich die Frage, wer entscheiden soll, was keiner Geheimhaltung bedarf: höherrangige Gesetze, die Medianden, das Gericht? Soll die Begrifflichkeit im Zusammenhang mit § 291 ZPO gelesen werden? Dagegen ist § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 1 MediatG klar zu verstehen, denn auch gem. § 291 ZPO bedürfen offenkundige Tatsachen keines Beweises. Informationen, die eine Partei während des Mediationsverfahrens erfahren hat, welche aber offenkundig sind (d. h. der Allgemeinheit geläufig sind)411, kann die Partei im späteren Prozess nicht gegen die andere Partei als Beweismittel verwenden, da sie gem. § 291 ZPO ohnehin keines Beweises bedürfen. Auch nach Hartmann412 fallen offenkundige 409 Anders BT-Drs. 17/5335 v. 01. 04. 2011, S. 17: enger gefasst als die Vorgabe der Richtlinie. 410 S. BT-Drs. 17/5335 v. 01. 04. 2011, S. 17 f. 411 Zöller/Greger, § 291 Rn. 1. 412 Hartmann, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 28 Rn. 24.

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Tatsachen nicht unter Art. 7 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie. Seiner Auffassung nach ergibt sich das allgemein Bekannte nicht erst „aus einem Mediationsverfahren“, sondern bereits aus anderen Informationsquellen.413 Dem ist zuzustimmen. Dementsprechend ist § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 1 MediatG aufgrund seiner Offensichtlichkeit zwar sinnlos, aber unschädlich. Insgesamt ist § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 1 MediatG trotz des formalen Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 2 der EU-Mediationsrichtlinie als richtlinienkonform zu bewerten. Etwas anderes gilt für § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG. Die Formulierung des § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG stellt nämlich ein Einfallstor für die Umgehung der Verschwiegenheitspflicht dar. Zudem widerspricht die Formulierung des § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG dem Verbot, eine Definition aus sich selbst zu ziehen, idem per idem. § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG soll eine Ausnahme zum Grundsatz des § 4 S. 2 MediatG darstellen, indem er lautet: „Ungeachtet anderer gesetzlicher Regelungen über die Verschwiegenheitspflicht gilt sie [die Verschwiegenheitspflicht] nicht, soweit es sich um Tatsachen handelt, die ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen“414.

Der Grundsatz des § 4 S. 2 MediatG lautet: „Alle an der Mediation Beteiligten sollen Stillschweigen über alles in der Mediation bekannt Gewordene bewahren.“

Eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht, die ihrer Bedeutung nach noch als Ausnahme ermittelt werden muss, um eine Ausnahme zu sein, ist ein logischer Fehler. § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG kann dabei auch wie folgt gefasst werden: „Die Verschwiegenheitspflicht gilt nur für Tatsachen, die geheim zu halten sind“.

Man könnte auch sagen: „Weil die Tatsachen, die nicht geheim zu halten sind, keiner Geheimhaltung bedürfen, sind sie Ausnahmen“ oder „geheim ist, was seiner Bedeutung nach der Geheimhaltung bedarf“. Der Rückschluss ist, dass eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht i.S.d. § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG eine Ausnahme ist, weil sie aussagt, sie sei eine Ausnahme. Eine Definition aus sich selbst zu ziehen, idem per idem, ist der juristischen Argumentationslehre zufolge jedoch verboten.415 Es könnte aber auch argumentiert werden, dass Alternative 2 des § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG eine Tautologie und mit Alternative 1 dementsprechend gleichzusetzen ist, sodass im Ergebnis Alternative 2 wie Alternative 1 unschädlich wäre. Dem kann jedoch der Wortlaut der Nummer 3 des § 4 S. 3 MediatG entgegenge413

Hartmann, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 28 Rn. 24. Kurz: „Die in der Mediation bekannt gewordenen Tatsachen sind nicht geheim (nicht geheim = fallen nicht unter die Verschwiegenheitspflicht), wenn sie ihrer Bedeutung nach nicht geheim sind“. 415 Krause, in: Karl Christian Friedrich, Krause’s handschriftlicher Nachlass, Göttingen 1836, § 15, S. 502. 414

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halten werden, welcher voraussetzt, dass entweder Alternative 1 oder Alternative 2 gilt. Damit impliziert § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG, dass sich die beiden Alternativen gegenseitig ausschließen (offenkundige Tatsachen ¼ 6 Tatsachen, die ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen). Die Behauptung, die Alternativen 1 und 2 des § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG seien identisch, läuft der Betonung zuwider, dass sie aufgrund des Wortes „oder“ unterschiedlich definiert und daher nie in eine Definition zusammengefasst werden können (alternativ ¼ 6 kumulativ). Die Aussage, bei den Alternativen des § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG handele es sich um eine Tautologie, ist genauso widersprüchlich wie „the cat is on the mat, but I don’t believe it“416 oder „die Mauern des Museums stürzten ein, die Räume wurden endlos“417. Diese Aussagen sowie die Aussage des § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG enthalten sog. performative Widersprüche. Eine performativ widersprüchliche Aussage liegt vor, wenn eine Behauptung, etwas zu tun, mit der Betonung einhergeht, keinen Geltungsbzw. Richtigkeitsanspruch auf die Behauptung zu erheben.418 Eine Alternative wie die des § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG, die ein „entweder oder“ enthält, basiert stets auf einer Behauptung, dass sie gilt, wenn eine andere Alternative nicht gilt, weil sich Alternativen aufgrund der unterschiedlichen Definition stets ausschließen (Betonung). Dies gilt ebenso für die Aussage, die Katze befinde sich auf der Matte (Behauptung). Diese impliziert, dass man auch daran tatsächlich glaubt, dass die Katze sich auf der Matte befindet (Betonung).419 Dasselbe Prinzip gilt für ein eingestürztes Museum. Die Aussage, dass die Räume eingestürzt sind, impliziert, dass sie auch nicht mehr betreten werden können und damit nicht endlos, sondern nicht mehr vorhanden sind.420 Das Wort „endlos“ widerspricht mithin der Aussage „nicht (mehr) vorhanden“, da das Wort „endlos“ eine Existenz voraussetzt. Als gesetzlich definiertes Beispiel eines performativen Widerspruchs ist § 118 BGB anzuführen. § 118 BGB enthält die Behauptung „ich erkläre“ und die Betonung „ich meine es nicht ernst“. Diese Aussagen fallen ebenfalls im Sinne eines performativen Widerspruchs auseinander, da im Grundsatz stets davon auszugehen 416

„Die Katze liegt auf der Matte, aber ich glaube es nicht“, Austin, How to do things with Words, S. 48 f.; dieses Beispiel greift Alexy auf und bildet den sog. Anspruch auf Richtigkeit, Theorie der juristischen Argumentation, 8. Aufl. 2015, S. 266, Fn. 11, S. 238, 138, 428 f. 417 Ecker, Andere Häfen, S. 21. 418 Austin, How to do things with Words, S. 8: „Speaking generally, it is always necessary that the tircumstantes in which the words are uttered should be in some way, or ways, appropriate, and it is very commonly necessary that either the speaker himself or other persons should also perform certain other actions, whether ,physical‘ or ,mental‘ actions or even acts of uttering further words“, s. auch Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 8. Aufl. 2015, S. 80, 428 f.; Hennig, S. 136. 419 Austin, How to do things with Words, S. 49. 420 Wobei in diesem Sinne auch die Aussage gilt, dass ein eingestürztes Museum sich selbst zu einem Relikt seiner Zeit entwickelt. Mit endlosen Räumen ist damit auch gemeint, dass das ehemalig als Museum genutzte Gebäude nunmehr zum arächolgischen Fund gehört und daher selbst als Museumsgelände angesehen werden kann.

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ist, dass jede Erklärung ernst gemeint und somit rechtlich bindend sei. Gem. § 118 BGB kann der Erklärende jedoch ausnahmsweise an der Scherzerklärung nicht festgehalten werden, diese ist nichtig. In Bezug auf § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG ist dessen Wortlaut folgendermaßen zusammenfassen, um den performativen Widerspruch noch einmal aufzuzeigen: „Ich behaupte, § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG ist identisch mit § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 1 MediatG, betone dabei aber gleichzeitig, dass sie sich unterscheiden“. Die „Verletzung“ dieser Behauptung besteht darin, dass derjenige, der die Behauptung entäußert, sie nicht vollziehen kann. Er kann sie zum einen nicht vollziehen, weil sie unlogisch ist, denn etwas Identisches kann nicht zugleich etwas Unterschiedliches sein. Zum anderen kann er sie nicht vollziehen, weil, selbst, wenn sich Alternative 2 des § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG aus sich selbst idem per idem definiert, die Aussage Alternative 2 ¼ 6 Alternative 1 Teil dieser Definition sein muss, um richtig zu sein. Die Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht i.S.d. § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG kann folglich nie einen Anspruch erheben, richtig zu sein, denn sie kann als Norm nicht vollzogen werden. Demnach ist die Norm des § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG mangels Fehlens des Anspruchs auf Richtigkeit kein Recht.421 Damit ist die Formulierung des § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG, „oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen“, kein Recht. Es bedarf keiner richtlinienkonformen Auslegung dieser Formulierung. Ein nicht vorhandenes Recht, wie dies bei § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG der Fall ist, kann keinen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 der EUMediationsrichtlinie darstellen. Die Formulierung „oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen“ ist aufgrund des performativen Widerspruchs sowie des logischen Fehlers (idem per idem) daher zwingend aus dem § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG zu streichen. dd) Der Schutz der Verschwiegenheitspflicht Um das Vertrauen der Parteien sowie der Allgemeinheit in die Mediation zu stärken, ist die Vertraulichkeit der Mediation durch Aussageverbote der an der Mediation Beteiligten zu schützen. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht kann sich auf ein noch andauerndes Mediationsverfahren negativ auswirken, er kann zudem für die Parteien nach Beendigung der Mediation erhebliche Nachteile mit sich bringen. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht kann das Vertrauen in die Person, die ein Geheimnis offenbart hat oder mit Offenbarung droht, unwiderruflich erschüttern. Dies kann Folgeprozesse nach sich ziehen, in dem entweder der Anspruch, der in der Mediation erörtert wurde, im Gerichts- oder Schiedsgerichtsprozess weiterverfolgt wird oder Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüche gegen den zur Geheimhaltung Verpflichteten durchgesetzt werden sollen. Die 421

Ähnlich Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 8. Aufl. 2015, S. 266 ff., 428 f.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht sind mannigfaltig denkbar. Das polnische Mediationsrecht hat für den Fall, dass gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen wird, in Art. 1834 § 3 ZVGB eine Regelung getroffen, die den negativen Folgen entgegenwirken soll.422 Die Norm besagt, dass die Berufung auf Vergleichsvorschläge, Angebote, die gegenseitige Zugeständnisse zum Gegenstand hatten, oder andere im Mediationsverfahren abgegebene Erklärungen unzulässig ist. Die Berufung auf solche Erklärungen führt unmittelbar zur Unwirksamkeit nach Art. 1834 § 3 ZVGB. Dies gilt gem. Art. 1834 § 3 ZVGB, soweit eine Partei ihren Anspruch im Gerichts- oder Schiedsverfahren auf solche Erklärungen stützt. Grundsätzlich sind die polnischen Gerichte, wie die deutschen Gerichte gem. § 286 ZPO, in ihrer Beweiswürdigung jedoch frei. Gem. Art. 233 § 1 ZVGB bewertet das polnische Gericht die Glaubwürdigkeit und Aussagekraft des Beweismittels nach seiner eigenen Überzeugung.423 Offenbaren die Parteien jedoch vertrauliche Informationen aus der Mediation im Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren, um etwa ihren Anspruch zu begründen, so darf das (Schieds-)Gericht diese Informationen bei seiner Entscheidungsbildung nicht berücksichtigen.424 Darüber hinaus darf der Mediator nicht als Zeuge aussagen, es sei denn, die Parteien entbinden ihn von seiner Schweigepflicht. Diese Regelung ist jedoch außerhalb der Artt. 1831 ff. ZVGB geregelt und befindet sich richtigerweise in Art. 2591 ZVGB im Abschnitt über die Zeugenaussage.425 Einem Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht wird im polnischen Mediationsrecht durch zusätzlich geregelte Schweigepflichten und Aussageverbote entgegengewirkt. Im deutschen Mediationsrecht sind die Teilnehmer der Mediation zur Verschwiegenheit verpflichtet, „soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist“, § 4 S. 1 MediatG. Der Mediator hat gem. § 4 S. 4 MediatG die Parteien jedoch über den Umfang seiner Verschwiegenheitspflicht zu informieren. Einen umfassenden Schutz bietet das deutsche Mediationsrecht für die Vertraulichkeit der Mediation nicht.

422 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 4 Nr. VII., als PDFDatei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018. 423 Postanowienie Sa˛du Okre˛ gowego w Szczecinie [Beschluss des Bezirksgerichts Stettin] v. 22. 02. 2017 – VIII Gz 44/17 http://orzeczenia.szczecin.so.gov.pl/content/$N/155515000004 027_VIII_Gz_000044_2017_Uz_2017-02-22_001, Stand: 06. 11. 2018. 424 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1834, S. 109 Rn. 13; Morek/Budniak-Rogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1834 ZVGB Rn. 12 a.E. 425 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 4 Nr. VII., allerdings mit einem redaktionellen Versehen, der statt Art. 2591 den nicht existenten Art. 259 § 2 ZVGB zitiert, als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/ Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018.

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Daher muss im deutschen Recht auf vertragliche Verschwiegenheitsvereinbarungen ausgewichen werden.426 ee) Resümee Die Vertraulichkeitsregelung im polnischen Recht ist wesentlich durch den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gem. Art. 1834 § 1 ZVGB geprägt. Die Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie erfolgte strenger als die Vorgabe des Art. 7 der EU-Mediationsrichtlinie, da das polnische Mediationsrecht im Gegensatz zur EUMediationsrichtlinie keine Ausnahmen vom Vertraulichkeitsgrundsatz vorsieht. Mit der Reform des Art. 1834 § 2 ZVGB, welcher mit dem Gesetz zur Förderung der Mediation in Zivil- und Handelssachen im Jahr 2016 in Kraft getreten ist, ist nunmehr die Verschwiegenheitspflicht erweitert worden, sodass nicht nur der Mediator, sondern alle – auch die Parteien – zur Verschwiegenheit über die in der Mediation bekannt gewordenen Informationen verpflichtet sind. Diese Gesetzesanpassung war im Hinblick auf die Sicherung der Qualität der Mediation und die Stärkung des Vertrauens in die Mediation längst überfällig. Allerdings wäre es wünschenswert, würde der polnische Gesetzgeber den Wortlaut des Art. 1834 § 2 ZVGB dahingehend anpassen, dass der Begriff „fakty“, d. h. Tatsachen, durch „informacje“, d. h. Informationen, ersetzt würde. Hierbei könnte sich der Gesetzgeber entweder an Art. 7 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie oder an dem Wortlaut der deutschen Regelung des § 4 S. 2 MediatG orientieren. Dadurch würde dem Auslegungsproblem, was unter Tatsachen zu verstehen ist, Abhilfe geschaffen. § 4 S. 2 MediatG ist insoweit besonders rechtssicher, als sich die darin enthaltene Verschwiegenheitspflicht auf alles bekannt Gewordene bezieht. Damit ist klargestellt, dass alle Informationen, die in der Mediation bekannt geworden sind, der Geheimhaltung unterliegen. § 4 MediatG birgt jedoch in Satz 3 Nummer 3 Alternative 2 einen performativen Widerspruch und kann keinen Anspruch auf Richtigkeit erheben. Es ist sogar ein Einfallstor für die Aushöhlung des Vertraulichkeitsgrundsatzes der Mediation. Die Norm ist zudem in sich logisch fehlerhaft (idem per idem). Aus diesen Gründen kann § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG kein Recht sein, sodass empfohlen wird, diese Alternative aus dem § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG entsprechend zu streichen. Die Vertraulichkeit der Mediation im polnischen Zivil- und Handelsrecht wird durch Aussageverbote geschützt. Zusätzlich haben im Gerichts- und Schiedsgerichtsprozess getätigte Äußerungen zu Inhalten aus der Mediation ihre Unwirksamkeit zur Folge und können kraft Gesetzes nicht vom Gericht berücksichtigt werden. Ein solch weitgehender Schutz liegt im deutschen Mediationsrecht nicht vor, sodass diese Schutzlücke durch vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen geschlossen werden muss.

426

Hartmann, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 28 Rn. 33 ff.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

e) Die Neutralität des Mediators Die Neutralität des Mediators stellt gem. Artt. 3 lit. b), 4 Abs. 2 sowie Erwägungsgrund 17 der EU-Mediationsrichtlinie ein Schlüsselprinzip der Mediation dar. Der neutrale Dritte soll den Parteien einen freien Raum zur Konfliktlösung schaffen, sie nicht beeinflussen, keine einseitigen Interessen vertreten und kein Interesse am Ausgang des Mediationsverfahrens haben. Diese sog. „Neutralität“ kann jedoch eine unterschiedliche Intensität erreichen, je nachdem, was im Einzelnen unter dem Begriff „Neutralität“ zu verstehen ist. aa) Die Art und der Umfang des Grundsatzes der Neutralität des Mediators „Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person“. Mit dieser Aussage wird die Definition des Mediators im deutschen Mediationsrecht gem. § 1 Abs. 2 MediatG eingeleitet. Art. 1833 § 1 ZVGB hat die Neutralität des Mediators hingegen als Soll-Vorschrift ausgestaltet. Es heißt: „Mediator powinien zachowac´ bezstronnos´c´ przy prowadzeniu mediacji.“ „Der Mediator soll seine Unparteilichkeit bei der Durchführung der Mediation bewahren.“

Die EU-Mediationsrichtlinie bedient sich ebenso wie Art. 1833 § 1 ZVGB des Begriffs „bezstronny“, d. h. unparteiisch, und nicht der Begriffe unabhängig („niezalez˙ny“) oder neutral („neutralny“), wie dies bei § 1 Abs. 2 MediatG der Fall ist. Der Wortlaut der EU-Mediationsrichtlinie beschreibt wiederum die Durchführung der Mediation, nicht etwa den Mediator, als unparteiisch427. Der Europäische Verhaltenskodex für Mediatoren vom 02. 07. 2004 wird zur Auslegung des Neutralitätsbegriffs ebenfalls hinzugezogen.428 Der Europäische Verhaltenskodex für Mediatoren spricht wiederum von der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, wobei sich die Unabhängigkeit gem. 2.1. des Verhaltenskodex auf die Person des Mediators bezieht und die Unparteilichkeit gem. 2.2. des Verhaltenskodex das Handeln des Mediators gegenüber den Parteien beschreibt.429 Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, lautet, ob und inwieweit die Begriffe Neutralität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit miteinander verbunden oder auch identisch sind. Die Begriffe „Neutralität“, „Unabhängigkeit“, und „Unparteilichkeit“ werden, wie Antolak-Szymanski feststellt, im polnischen Mediationsrecht synonym ver427

S. dazu Artt. 3 lit. b), 4 Abs. 2 sowie Erwägungsgrund 17 der EU-Mediationsrichtlinie. Morek/Budniak-Rogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1833 ZVGB Rn. 3; Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1833 Rn. 9. 429 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/civiljustice/adr/adr_ec_code_conduct_en.pdf, Stand: 06. 11. 2018. 428

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wendet.430 Weiterhin geht Antolak-Szymanski auf den Begriff der Unparteilichkeit ein und sagt, dass dieser die Wechselbeziehung zwischen dem Mediator und den Parteien wiedergibt,431 was im Einklang mit Punkt 2.2. des Verhaltenskodex steht. In Bezug auf den Begriff „Neutralität“ spricht Antolak-Szymanski davon, dass der Mediator stets als neutrale dritte Person in der Mediation angesehen wird. Will man die Neutralität des Mediators konkreter definieren, so soll der Begriff die Einstellung des Mediators zur Streitigkeit bzw. Sache bezeichnen.432 Was unter dem Begriff der „Unabhängigkeit“ zu verstehen ist, lässt Antolak-Szymanski dagegen offen. Am besten zu beschreiben wäre der Mediator im Sinne von Antolak-Szymanski folgendermaßen: Der Mediator ist neutral in der Sache (er soll kein Interesse am Ausgang der Streitigkeit haben), und unparteiisch gegenüber den Medianden (er soll allen Parteien gleichermaßen verpflichtet sein und keine von ihnen bevorzugen). Diese Sichtweise entnimmt Antolak-Szymanski insbesondere den (freiwilligen) polnischen Ethikrichtlinien, die am 26. 06. 2006 erstmals veröffentlicht wurden.433 Ihrer Ansicht nach und im Einklang mit Standard II und III der polnischen Ethikrichtlinien bezieht sich der Begriff der Neutralität auf die Streitigkeit (das Objekt der Mediation) und die Unparteilichkeit auf die Beziehung zu den Medianden (auf die Subjekte der Mediation).434 Von zwei Komponenten des Neutralitätsbegriffs im deutschen Mediationsrecht geht auch Kracht aus.435 Allerdings wird dieser in Personen- und Verfahrensneutralität aufgeteilt.436 Die erste Komponente ist die Verfahrensneutralität. Die Neutralität im Verfahren muss der Mediator nach Kracht bewahren, während er die Parteien mittels seiner Verfahrensentscheidungen, die er hinsichtlich Organisation der Mediation trifft, durch die Mediation führt.437 Die Verfahrensentscheidungen des Mediators sollen auf diese Weise keine der Parteien in irgendeiner Weise bevor-

430 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1833 Rn. 1, 6. 431 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1833 Rn. 2. 432 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1833 Rn. 3. 433 Standardy prowadzenia mediacji i poste˛ powania mediatora uchwalone przez Rade˛ [Beschluss des Rates über die Standards zur Durchführung der Mediation und zur Handlungsweise des Mediators], abrufbar unter https://ms.gov.pl/pl/dzialalnosc/mediacje/spolecznarada-ds-alternatywnych-metod-rozwiazywania-konfliktow-i-sporow/dokumenty-deklaracje/, Stand: 06. 11. 2018. 434 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1833 Rn. 8. 435 Kracht, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 30 f. 436 Die Gesetzesbegrüdung nimmt auf Krachts Neutralitätsbegriff Bezug, BT-Drs. 17/5335 v. 01. 04. 2011, S. 14: unparteiliche Verhandlungsführung und Gleichbehandlung der Parteien. 437 Kracht, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 18 f.

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teilen.438 Die erste Komponente von Kracht entspricht dem Begriff der Unparteilichkeit des Mediators nach Antolak-Szymanski. Die zweite Komponente (Personenneutralität) liegt in der Person des Mediators und seinen „objektivierbaren, persönlichen Merkmalen“439 und bezieht sich nicht auf das Objekt der Mediation wie Antolak-Szymanski dies darstellt. Es ist festzustellen, dass sich die Herleitung der Neutralität des Mediators und die die Neutralität bezeichnenden Begriffe im deutschen und polnischen Mediationsrecht unterscheiden. Sie werden nicht synonym verwendet. Allerdings führen die Herleitungen von Kracht sowie Antolak-Szymanski zum selben Zwei-KomponentenKonzept der Neutralität des Mediators. Ungeachtet der Bezeichnung und der unterschiedlichen Ausgangslage und Begrifflichkeiten, spiegeln das deutsche und polnische Mediationsrecht dennoch dasselbe Verständnis hinsichtlich des Grundsatzes der Neutralität des Mediators wider. Es ist dagegen fraglich, ob der Mediator darüber hinaus auch als unabhängig bezeichnet werden kann und die Unabhängigkeit einen Teil der Neutralität des Mediators darstellt. Der Begriff der Unabhängigkeit ist grundsätzlich einer anderen Institution vorbehalten, nämlich der Judikative, sodass die Unabhängigkeit zumeist mit dem Richter oder dem Gericht in Verbindung gebracht wird. In der polnischen Verfassung ist gem. Art. 178 Abs. 1 KRP gewährleistet, dass jeder Richter während der Ausübung des Richteramtes unabhängig bzw. unbefangen ist („niezawisły“) und nur der Verfassung und den Gesetzen unterworfen ist („podlega tylko Konstytucji oraz ustawom“). Dieses Verfassungsrecht entspricht dem deutschen Grundrecht gem. Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Die Aussage, ein Mediator solle „nur der Mediation und den Medianden unterworfen sein“, klingt im übertragenen Sinne des verfassungsrechtlichen Begriffs der richterlichen Unabhängigkeit auf den Mediator anmaßend. Bei der Mediation handelt es sich immerhin um ein privates Rechtsinstitut, auf das Grundrechte allenfalls mittelbare Drittwirkung entfalten, jedoch nicht unmittelbar übertragen werden können. Daher bleibt zu hinterfragen, ob der Grundsatz der Neutralität des Mediators auch eine „mediatorische Unabhängigkeit“ umfassen kann. bb) Die Förderung der Mediation im polnischen Recht durch die Stärkung der Neutralität des Mediators Die auf dem Entwurf der EU-Mediationsrichtlinie basierenden polnischen Regelungen zur Mediation im Zivil- und Handelsrecht aus dem Jahr 2005 sahen in Art. 183 ZVGB a.F. lediglich vor, dass der Mediator seine Unparteilichkeit bei der Durchführung der Mediation bewahren sollte.440 Mit der Mediationsreform, die auch 438 Kracht spricht insoweit von der „Indifferenz gegenüber den Parteiinteressen“, in: Haft/ Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 30. 439 Kracht, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 25. 440 S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.III.2.e)aa).

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als Gesetz zur Förderung der Mediation in Zivil- und Handelssachen bezeichnet wird, wurde die Soll-Vorschrift im Jahr 2015 um eine weitere Vorschrift ergänzt, wonach der Mediator den Parteien alle Umstände, die geeignet sind, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln, unverzüglich mitteilen muss. Mit dem neuen im Jahr 2016441 in Kraft getretenen Art. 1833 § 2 ZVGB n.F. soll die Glaubwürdigkeit des Mediators erhöht und hierdurch eine stärkere Teilnahmebereitschaft der Bevölkerung an der Mediation erzielt werden.442 Diese Offenbarungspflicht des Mediators besteht im deutschen Mediationsrecht in § 3 Abs. 1 S. 1 MediatG bereits seit 2012.443 In der dazugehörigen Gesetzesbegründung wird dargelegt, dass die Offenlegung von Umständen, die die Neutralität des Mediators beeinträchtigen könnten, auch der Selbstbestimmung der Parteien in der Mediation dient.444 Denn gem. § 3 Abs. 1 S. 1 MediatG darf der Mediator „nur dann tätig werden, wenn die Parteien ausdrücklich zustimmen“445. Solche Offenbarungspflichten dienen nicht nur der Sicherung des Grundsatzes der Neutralität,446 sondern sind ebenfalls ein geeignetes Mittel, um die Transparenz der Mediation zu stärken und durch das hinzugewonnene Vertrauen der Medianden mehr Mediationsverfahren mittels einer einvernehmlichen Einigung zu beenden.447 Der Grundsatz der Neutralität weicht in der deutschen Fassung des Mediationsgesetzes von dem Wortlaut der EU-Mediationsrichtlinie sowie des Europäischen Verhaltenskodex für Mediatoren deutlich ab, erfüllt dennoch vollumfänglich den Zweck, für eine unparteiische Verhandlungsführung und Gleichbehandlung der Parteien in der Mediation zu sorgen. Gem. § 1 Abs. 2 MediatG ist der Mediator unabhängig und neutral sowie gem. § 3 Abs. 1 S. 1 MediatG dazu verpflichtet, eine etwaige Beeinträchtigung seiner Neutralität den Parteien offen zu legen. Auch das polnische Mediationsrecht sichert die Neutralität des Mediators. Hierfür wurde Art. 1833 ZVGB durch das Inkrafttreten der Neuregelung im Jahr 2016 reformiert. Trotz der unterschiedlichen Auslegung des Neutralitätsbegriffs in der deutschen und polnischen Literatur besteht im Ergebnis Konsens. Die Neutralität besteht nämlich im Mediationsrecht beider Länder aus zwei Komponenten: Der Mediator soll kein Interesse am Ausgang der Streitigkeit haben (erste Komponente) und er soll allen Parteien gleichermaßen verpflichtet sein (zweite Komponente). Die polnische Literatur hält sich enger an die europäischen Vorgaben, wohingegen die deutsche 441

Gesetz v. 10. 09. 2015, Dz.U. 2015, Pos. 1595. Begründung des Gesetzesentwurfs zur Gesetzesnovelle v. 10. 09. 2015, Dz.U. 2015, Pos. 1595, Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 14. 443 Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung v. 21. 07. 2012, BGBl. I 1577. 444 BT-Drs. 17/5335 v. 01. 04. 2011, S. 16. 445 BT-Drs. 17/5335 v. 01. 04. 2011, S. 16. 446 Bzgl. § 3 Abs. 1 S. 1 MediatG, BT-Drs. 17/5335 v. 01. 04. 2011, S. 16; bzgl. Art. 1833 § 2 ZVGB, Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 14. 447 Malczyk, in: Góra-Błaszczykowska, Online-Kommentar ZVGB, 2. Aufl. 2016, Art. 1833 ZVGB Rn. 6. 442

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Literatur die Neutralität als Persönlichkeitsmerkmal des Mediators ansieht. Offen bleibt, ob und inwieweit die Unabhängigkeit des Mediators einen Teil des Grundsatzes der Neutralität darstellt und somit dem Begriff der Neutralität im Mediationsverfahren hinzuzurechnen ist. f) Resümee Die Zielsetzung der EU-Mediationsrichtlinie, die Mediation in den EU-Mitgliedstaaten zu fördern, beginnt bei der Regulierung der dem Mediationsverfahren innewohnenden Prinzipien. Durch die Einhaltung der entwickelten Grundsätze kann die Mediation von anderen ADR-Verfahren abgegrenzt werden und allen Teilnehmern einen bestmöglichen Schutz ihrer Interessen gewähren. Die EU-Mediationsrichtlinie hat in diesem Zusammenhang die Grundsätze der Freiwilligkeit, Eigenverantwortlichkeit, Vertraulichkeit und Neutralität in zufriedenstellender Weise herausgearbeitet und den Mitgliedstaaten Deutschland und Polen dadurch eine solide Umsetzungsgrundlage geschaffen. Mangelhaft dagegen ist der Grundsatz der Informiertheit der Parteien ausgefallen, der den Schutz der Selbstbestimmung der Medianden bezweckt. Aus diesem Grund mussten die Länder Deutschland und Polen auf bereits bestehende nationale Regelungen zurückgreifen oder es den Parteien selbst überlassen, den Informationsschutz durch vertragliche Vereinbarungen auszuweiten. Die Grundsätze der Mediation wurden im polnischen Mediationsrecht trotz einzelner Schwächen richtlinienkonform umgesetzt. In bestimmten Bereichen gehen die Regelungen über die Vorgaben der EU-Mediationsrichtlinie sogar hinaus. Als Beispiel ist die Vertraulichkeit der Mediation im polnischen Mediationsrecht gem. Art. 1834 ZVGB zu nennen, die keine Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht vorsieht. Hingegen ist die entsprechende deutsche Regelung, welche sich in § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG wiederfindet und eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht regeln soll, als misslungen zu bezeichnen. Als beispielhaft vorausgehend kann das deutsche Mediationsrecht allerdings im Hinblick auf die Normierung der Offenbarungspflicht bezüglich der Neutralität des Mediators bezeichnet werden. Dieser Anregung ist auch der polnische Gesetzgeber gefolgt und hat im Zuge der Reform des Mediationsrechts in Zivil- und Handelssachen den Art. 1833 § 2 ZVGB eingefügt, welcher nunmehr – wie das deutsche Recht ebenfalls – eine Offenbarungspflicht des Mediators vorsieht, um mögliche Zweifel an seiner Neutralität auszuräumen. Es ist festzustellen, dass der polnische Gesetzgeber mit der frühen Fassung des polnischen Mediationsrechts in Zivil- und Handelssachen aus dem Jahr 2005 noch nicht alle von der EU-Mediationsrichtlinie geforderten Voraussetzungen erfüllen konnte, da die EU-Mediationsrichtlinie in ihrer endgültigen Fassung erst im Jahr 2008 erlassen wurde. Mit dem polnischen Mediationsförderungsgesetz, das im Jahr 2016 in Kraft trat, ist der Gesetzgeber

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diesen Vorgaben nicht nur nachgekommen, sondern hat darüber hinaus die Mediation auf nationaler Ebene insgesamt deutlich gestärkt. Im deutschen Mediationsrecht wurden dagegen bereits mit der Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie starke Akzente gesetzt, um die Mediation auf nationaler Ebene zu fördern. Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang, wenn auch die noch bestehenden Schwächen des deutschen Mediationsgesetzes mit der nächsten Reform durch rechtssichere und eindeutige Gesetzesformulierungen wieder beseitigt würden. Dies würde nicht nur das Vertrauen in die Mediation stärken, sondern auch dazu beitragen, dass weniger aus dem Mediationsverfahren selbst resultierende Folgeprozesse geführt werden müssten. 3. Die Initiierung der Mediation im Hinblick auf die außergerichtliche und gerichtsnahe Mediation Die verschiedenen Arten des Mediationsverfahrens in Zivil- und Handelssachen in Polen sind in Art. 1831 § 2 ZVGB geregelt. Seit der Implementierung der Mediation in das polnische Zivilrecht im Jahr 2005 besteht diese Regelung ohne Änderungen fort. Gem. Art. 1831 § 2 ZVGB kann ein Mediationsverfahren durch eine Mediationsvereinbarung, durch einen Vorschlag des Gerichts und auf Antrag einer Partei eingeleitet werden. In Polen wird zwischen der gerichtlichen und der außergerichtlichen Mediation unterschieden.448 Allerdings ist die gerichtliche Mediation nicht als Mediation durch einen Güterichter, sondern als gerichtsnahe Mediation zu verstehen.449 Zustätzlich besteht die Möglichkeit, die Mediation gem. Art. 1831 § 2 S. 2 ZVGB i.V.m. Art. 1836 ZVGB durchzuführen, wenn eine Streitpartei einen Antrag auf Initiierung der Mediation bei einem Mediator gestellt hat.450 Insgesamt existieren somit drei Arten der Initiierung der Mediation in Polen.451 a) Die Mediationsvereinbarung und die außergerichtliche Mediation gem. Art. 1831 ZVGB – „umowa o mediacje˛ “ Die Mediationsvereinbarung, d. h. die Abrede zwischen den Streitparteien als künftige Medianden über die Durchführung der Mediation – das polnische Zivilrecht 448

Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 6, ähnlich der Mediation in Frankreich (médiation judiciaire und médiation conventionnelle); ders., in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1831 ZVGB Rn. 8. 449 Das polnische Mediationsrecht verbietet dem Berufsrichter die Tätigkeit als Mediator gem. Art. 1832 § 2 S. 1 ZVGB. 450 Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, S. 68; Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 7. 451 Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, S. 68; Pazdan, FS Szpunar, Krakau 2004, S. 381 (382); ders., Rejent 2004, S. 9 (17); a.A. Markiewicz, in: Mediacja w sprawach gospodarczych (Hrsg.: Torbus, Andrzej), S. 247; Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 6.

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spricht insoweit von dem Mediationsvertrag („umowa o mediacje˛ “) –, spielt für die Initiierung der Mediation, aber auch für weitere Kernelemente, wie die Regelung des Umfangs der Streitigkeit und der Wahl des Mediators, eine wichtige Rolle. Die gerichtsexterne Mediation452 bedeutet im deutschen Recht das zeitlich vor Klageeinreichung eingeschaltete Streitbeilegungsverfahren mittels eines nicht am Gericht tätigen Mediators.453 Insoweit deckt sich das deutsche Rechtsverständnis der außergerichtlichen Mediation mit dem polnischen. Die außergerichtliche Mediation in Polen kommt gem. Art. 1831 § 2 S. 1 ZVGB durch einen Vertrag („umowa“) zustande. Das Mediationsgesetz in Deutschland spricht in § 1 Abs. 1 MediatG davon, dass die Parteien die Beilegung des Streits freiwillig und eigenverantwortlich anstreben. Mithin hebt das Mediationsgesetz die Autonomie der Parteien deutlich hervor, indem es sie zu „Herren des Verfahrens“454 macht. Die Mediation im Sinne des § 1 Abs. 1 MediatG ist hinsichtlich der Zweckrichtung mit Art. 1831 § 2 S. 1 Alt. 1 ZVGB daher identisch. Die rechtsgeschäftliche Pflicht zur Initiierung der Mediation kann auf einzelvertraglicher Basis oder aufgrund einer Mediationsklausel in einem bereits bestehenden Vertrag zwischen den Parteien ausgelöst werden.455 Dies gilt auch für das deutsche Mediationsrecht. Oftmals ist eine vertragliche Regelung über die Durchführung der Mediation im Hauptvertrag enthalten,456 sodass sich die Parteien bereits vor der Streitentstehung oder vor der Klageeinreichung457 zur Mediation verpflichten. Diese ist entweder zwischen den Parteien individuell ausgehandelt oder als vorformulierte Mediationsklausel durch einen Vertragspartner einseitig gestellt.458 Insoweit besteht kein Unterschied zum deutschen Mediationsrecht. Bei der Gestaltung von Mediationsverträgen und -klauseln handelt es sich um eine gängige Kautelarpraxis beider Länder. Die Mediationsvereinbarung kann darüber hinaus mündlich oder konkludent geschlossen werden.459 Die Mediationsvereinbarung ist mithin nicht an die konkrete Streitentstehung gebunden, weshalb ein Vertrag über die Durchführung der Mediation vor oder auch nach der Streitentstehung sowie während des laufenden Ge452

Auch außergerichtliche oder vertragliche Mediation genannt. Weiter insoweit Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, Köln 2015, Kap. 1, Rn. 26, als dies noch bis zur Anhängigkeit der Klage möglich sein soll. 454 Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, Köln 2015, Kap. 1, Rn. 9. 455 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1831 ZVGB Rn. 16. 456 Pazdan, Rejent 2004, S. 9 (17). 457 Oder vor Einreichung der Schiedsklage, vgl. zur Med-Arb-Variante Eidenmüller/ Wagner, Mediationsrecht, Köln 2015, Kap. 11 Rn. 32 ff. 458 Vgl. zur AGB-Kontrolle solcher Klauseln nach deutschem Recht Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, Köln 2015, Kap. 2 Rn. 44 ff. 459 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1831 ZVGB Rn. 17. 453

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richtsverfahrens geschlossen werden kann.460 Die Voraussetzungen für das Zustandekommen der außergerichtlichen Mediation sind in Art. 1831 sowie Artt. 1836 bis 18310 ZVGB enthalten. aa) Die rechtliche Einordnung der Mediationsvereinbarung und ihr Vertragstyp Die rechtliche Einordnung der Mediationsvereinbarung und die daraus entstehenden Rechtsfolgen werden in der polnischen Literatur insoweit unterschiedlich beurteilt, als der Gesetzgeber bei der Schaffung der Artt. 1831 ff. ZVGB weder eine klare Zuordnung des Mediationsvertrags zum materiellen Recht vorgesehen noch auf bereits bestehende Vertragstypen verwiesen hat. Im deutschen Recht ist die Klassifizierung der Mediationsvereinbarung als ein materiell-rechtliches Schuldverhältnis, auf welches die allgemeinen Regelungen des BGB-Schuldrechts anzuwenden sind und nicht das Prozessrecht, umstritten.461 Die materiell-rechtliche Lösung wird insbesondere von Fischer462 vertreten. In Bezug auf die Mediationsvereinbarung im polnischen Zivilrecht besteht derselbe Streitstand, nämlich, ob und inwieweit der Mediationsvertrag dem Prozessrecht oder dem materiellen Recht zuzuordnen ist.463 Weiterhin ist zu beachten, dass der Vertrag zwischen den Parteien von der Vereinbarung der Parteien mit dem Mediator über die Durchführung der Mediation nach polnischem Recht insoweit rechtlich nicht getrennt bzw. unterschiedlich behandelt wird, als beide Vereinbarungen dem Art. 1831 ZVGB unterfallen.464 Genau genommen muss jedoch eine Trennung zwischen den Vertragsarten stattfinden. Im Folgenden wird daher der Mediationsvertrag (oder die Mediationsvereinbarung) von dem Mediatorvertrag getrennt behandelt. Der Mediationsvertrag bzw. die Mediationsvereinbarung zwischen den Parteien können als Klausel im Hauptvertrag neben dem Hauptvertrag bestehen. Diese Klausel wiederum ist als eigenständiger und unabhängiger Vertrag von dem Hauptvertrag zu verstehen.465 Aus diesem Grund führt auch die Nichtigkeit des Hauptvertrags nicht zur Nichtigkeit der Mediationsklausel, es sei denn, die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung einer Partei unterlag bereits zum Abschlusszeitpunkt sowohl des Haupt- als auch des Mediationsvertrags einem Nich460 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1831 ZVGB Rn. 16. 461 Zum Streitstand eingehend Fischer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 25 Rn. 16 ff. und 34. 462 Fischer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 25 Rn. 18, 34. 463 Pazdan, FS Szwaja, Krakau 2004, S. 255 (264). 464 Pazdan, Rejent 2004, S. 9 (17). 465 Pazdan, Rejent 2004, S. 9 (17); Pkorzywniak MoP 2005, S. 124 (125): Vertrag im Vertrag.

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tigkeitsgrund.466 Man könnte im weitesten Sinne von einer Fehleridentität – wie sie bei der Durchbrechung des Abstraktionsprinzips beim nichtigen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft im deutschen Zivilrecht bekannt ist – sprechen. Der Mediationsvertrag gem. Art. 1831 § 2 S. 1 Alt. 1 ZVGB könnte der Rechtsnatur eines materiell-rechtlichen Schuldverhältnisses unterliegen oder einen Prozessvertrag darstellen.467 Er könnte zudem als Mischvertrag mit einer Doppelnatur sowohl dem Prozess- als auch dem materiellem Recht zuzuordnen sein.468 In der Literatur zum polnischen Schiedsverfahrensrecht herrscht ebenfalls Streit über die Rechtsnatur einer Schiedsvereinbarung, die mit der Mediationsvereinbarung zwar nicht identisch ist, dieser jedoch ähnelt und dementsprechend in Bezug auf den Streitstand vergleichbar ist. Die Schiedsvereinbarung kann im polnischen Recht nämlich ebenfalls als ein Prozessvertrag, als eine privatrechtliche Vereinbarung kraft materiellen Rechts, als ein Mischvertrag oder als eine Vereinbarung sui generis klassifiziert werden.469 Im Folgenden werden zwei Theorien untersucht, nämlich die Klassifizierung der Mediationsvereinbarung als Prozessvertrag sowie als Vertrag sui generis. bb) Die Klassifizierung des Mediationsvertrags als Prozessvertrag Der Mediationsvertrag wird sowohl in der deutschen470 als auch in der polnischen Literatur471 vereinzelt als Prozessvertrag klassifiziert. Die Rechtsnatur des Prozessvertrags ist in der polnischen Doktrin insoweit umstritten, als ihm ein prozessrechtlicher, ein materiell-rechtlicher Charakter oder Mischcharakter zukommen könnte.472 Welche Rechtsnatur ein Prozessvertrag an sich besitzt, ist mithin ebenfalls strittig und stellt ein eigenes Thema dar,473 auf das an 466

Pkorzywniak MoP 2005, S. 124 (125 f.) nennt als Beispiel die Geschäftsunfähigkeit. Pazdan, FS Szwaja, Krakau 2004, S. 255 (264). 468 Pazdan, FS Szwaja, Krakau 2004, S. 255 (264). 469 Zum Streitstand Mazur ADR 2011 Nr. 1, S. 39 (42) m.w.N. 470 Hess, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl. 2009, § 43 Rn. 22 ff. sowie Hess/Scharma in der Erstauflage aus dem Jahr 2002, § 26 Rn. 17 ff., 64; krit. dazu Friedrich, MDR 2004, S. 481 (482 Fn. 16). 471 Weitz/Gajda-Roszczynialska, in: System prawa handlowego – Poste˛ powanie sa˛dowe w sprawach cywilnych z udziałem przedsie˛ biorców (Hrsg.: Wis´niewski, Tadeusz), Bd. 7, 2. Aufl. Warschau 2013, Kap. 8 Rn. 60; Kulski, Umowy procesowe w poste˛ powaniu cywilnym, Krakau 2006, S. 61, 65, 170, 172. 472 Kulski, Umowy procesowe w poste˛ powaniu cywilnym, Krakau 2006, S. 148 ff., 160 f. Weitz/Gajda-Roszczynialska, in: System prawa handlowego – Poste˛ powanie sa˛dowe w sprawach cywilnych z udziałem przedsie˛ biorców (Hrsg.: Wis´niewski, Tadeusz), Bd. 7, 2. Aufl. Warschau 2013, Kap. 8 Rn. 61. 473 Hierzu eingehend Kulski, Umowy procesowe w poste˛ powaniu cywilnym, Krakau 2006, S. 148 ff. 467

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dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll. Der Prozessvertrag als solcher wird im polnischen Zivilrecht jedenfalls dann angenommen, wenn die rechtlich bindenden Handlungen der Parteien als Prozesshandlungen und nicht als materiellrechtliche Willenserklärungen zu qualifizieren sind.474 Das Vorhandensein der sog. Prozesshandlung („czynnos´c´ procesowa“) wird im polnischen Zivilprozessrecht zwar in Art. 3 ZVGB insofern vorausgesetzt, als die Parteien und die Prozessteilnehmer solche Handlungen im Einklang mit den guten Sitten i.S.d. Art. 3 ZVGB vorzunehmen haben, jedoch findet ansonsten keine nähere Begriffsbestimmung statt. Auch in der polnischen Literatur existiert hinsichtlich der Definition der Prozesshandlung keine einhellige Meinung.475 Eine Prozesshandlung wird insbesondere dann angenommen, wenn nicht nur die Handlungen der Verfahrensteilnehmer, sondern auch die der Prozessorgane, relevant sind.476 Die Streitparteien können – anders als im Recht der materiell-rechtlichen Schuldverhältnisse – durch ihre Handlungen keine unmittelbaren Rechtsfolgen auslösen. Bei den Prozesshandlungen handelt es sich somit um nichtselbstständige Handlungen, da die Rechtsfolge erst durch den Akt der Gerichtsbarkeit wirksam wird und nicht durch eine Willenserklärung der Parteien.477 Auffällig ist, dass sich Prozesshandlungen grundsätzlich nur auf Handlungen beziehen, die nicht außerhalb des Zivilprozesses liegen.478 Dies träfe auf den Mediationsvertrag, der inter partes wirkt und zwischen zwei Rechtssubjekten geschlossen wird, allerdings nicht zu. Nach Weitz/Gajda-Roszczynialska479 ist diese Auslegung der Mediationsvereinbarung zu eng. Man solle sich bei der Klassifikation der Mediationsvereinbarung am Schiedsverfahrensrecht orientieren. Dafür spricht die Ähnlichkeit der Mediationsklausel bzgl. des Mediationsvertrags mit der Schiedsvereinbarung. Der Wille der Parteien, die eine solche Mediationsvereinbarung schließen, zielt nämlich auf die Abänderung der Regeln des Prozessrechts ab,480 weshalb eine solche Mediationsklausel dem Prozessrecht zuzuordnen sei.

474 Vgl. Kulski, Umowy procesowe w poste˛ powaniu cywilnym, Krakau 2006, S. 156 f.; anders Macyszyn/S´ledzikowski, ADR 2015 Nr. 3, S. 5 (13).; Weitz/Gajda-Roszczynialska, in: System prawa handlowego – Poste˛ powanie sa˛dowe w sprawach cywilnych z udziałem przedsie˛ biorców (Hrsg.: Wis´niewski, Tadeusz), Bd. 7, 2. Aufl. Warschau 2013, Kap. 8 Rn. 60: Modifikation der Prozessregeln und Disposition über bestimmte Prozessrechte. 475 Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (6 f.); Budniak-Rogala, Charakter prawny zapisu na sa˛d polubowny w poste˛ powaniu cywilnym, Breslau 2015, S. 306. 476 Macyszyn/S´ledzikowski, ADR 2015 Nr. 3, S. 5 (13). 477 Macyszyn/S´ledzikowski, ADR 2015 Nr. 3, S. 5 (14). 478 Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (11). 479 Weitz/Gajda-Roszczynialska, in: System prawa handlowego – Poste˛ powanie sa˛dowe w sprawach cywilnych z udziałem przedsie˛ biorców (Hrsg.: Wis´niewski, Tadeusz), Bd. 7, 2. Aufl. Warschau 2013, Kap. 8 Rn. 51. 480 Weitz/Gajda-Roszczynialska, in: System prawa handlowego – Poste˛ powanie sa˛dowe w sprawach cywilnych z udziałem przedsie˛ biorców (Hrsg.: Wis´niewski, Tadeusz), Bd. 7, 2. Aufl. Warschau 2013, Kap. 8 Rn. 60.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Zudem stellt die Mediationsvereinbarung gem. Art. 2021 ZVGB einen prozessualen Einwand dar, der die Verweisung des Gerichts in die Mediation vor Eröffnung des Gerichtsverfahrens ermöglicht. Nicht zuletzt ist die Mediation in Artt. 1831 ff. ZVGB im Prozessrecht angesiedelt und könnte deshalb auch nach dem reinen Prozessrecht zu behandeln sein. Damit löste die Mediationsvereinbarung prozessrechtliche Wirkungen aus und qualifizierte ihre Rechtsnatur als Prozessvertrag. Teile der polnischen Literatur, insbesondere Macyszyn/S´ledzikowski481, merken zudem an, dass bestimmte Bereiche eines Mediatorenvertrags im polnischen Prozessrecht geregelt sind. Beispielsweise besagt Art. 1835 ZVGB, dass die Tätigkeit des Mediators zu vergüten ist, es sei denn, die Parteien und der Mediator haben die Vergütung ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang wird daher angenommen, dass die Mediationsvereinbarung dem Prozessrecht einzuordnen ist und damit einen Prozessvertrag darstellt.482 Gegen die prozessrechtliche Einordnung der Mediationsvereinbarung spricht, dass prozessrechtliche Wirkungen unabhängig von der Rechtsnatur des Vertragsschlusses entstehen können. Aus diesem Grund ist die Ursache nicht mit der Wirkung zu verwechseln. Dass ein Vertragsverhältnis eine prozessrechtliche Wirkung auslöst, definiert nicht, dass das Vertragsverhältnis zwingend prozessrechtliche Voraussetzungen selbst erfüllen muss.483 Dies gilt es anhand von weiteren Anhaltspunkten erst zu beweisen. Bei diesem Argument handelt sich somit um einen Zirkelschluss. Die Mediationsvereinbarung muss gerade nicht die formalen Voraussetzungen erfüllen, die im Prozessrecht, wie beispielsweise bei der Klageerhebung, vorausgesetzt werden.484 Dies ist auch ein entscheidender Vorteil der Mediation als alternatives Streitbeilegungsverfahren gegenüber dem Gerichtsprozess. Die Medianden sollen sich nicht dem Formzwang unterwerfen. Die Mediation soll elastisch sein und an die Bedürfnisse der Parteien angepasst werden können. Auch bindet die Vereinbarung über die Durchführung der Mediation allein die Parteien (Wirkung inter partes)485 und nicht das Gericht, wenn die Parteien nicht die Zustimmung zur Einleitung der Mediation erteilen.486 Die Mediationsvereinbarung wird üblicherweise aus zeitlicher Sicht vor einer Streitentstehung zu Deeskalationszwecken geschlossen. Deshalb werden Hauptverträge um Mediationsklauseln ergänzt. Das Gericht kommt mit der außergerichtlichen Mediation nicht in Berührung, sofern die im Macyszyn/S´ledzikowski, ADR 2015 Nr. 3, S. 5 (14 f.). Macyszyn/S´ledzikowski, ADR 2015 Nr. 3, S. 5 (14). 483 Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (23); Budniak-Rogala, Charakter prawny zapisu na sa˛d polubowny w poste˛ powaniu cywilnym, Breslau 2015, S. 113. 484 Ähnliche Argumentation in Bezug auf Schiedsvereinbarungen Budniak-Rogala, Charakter prawny zapisu na sa˛d polubowny w poste˛ powaniu cywilnym, Breslau 2015, S. 503. 485 Vgl. für Schiedsvereinbarungen Budniak-Rogala, Charakter prawny zapisu na sa˛d polubowny w poste˛ powaniu cywilnym, Breslau 2015, S. 503. 486 Str., s. im Hinblick auf die gerichtliche Verweisung in die Mediation gem. Art. 2021 ZVGB, Antolak-Szymanski/Piaskowska, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. Art. 2021 Rn. 8 ff. 481 482

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geschlossenen Mediationsvergleich getroffenen Regelungen vollzogen wurden und zwischen den Parteien Rechtsfrieden eingekehrt ist.487 Diese Argumente sprechen somit gegen die prozessrechtliche Einordung von Mediationsklauseln. Auch kann gegen die Klassifizierung der Mediationsvereinbarung als Prozessvertrag eingewendet werden, dass diese – im Gegenzug zu Prozesshandlungen oder -verträgen – keine unmittelbare Auswirkung auf die Verjährung hat. Die Verjährung wird gem. Art. 123 § 1 Nr. 1 Alt. 1 ZGB durch jede Handlung vor dem Gericht („przez kaz˙ da˛ czynnos´c´ przed sa˛dem“) unterbrochen.488 Bei der Mediation wird die Verjährung durch die Einleitung der Mediation („wszcze˛ cie mediacji“) gem. Art. 123 § 1 Nr. 3 ZVGB unterbrochen und nicht bereits durch den geschlossenen Mediationsvertrag. Auch entsteht die für die Wirkung der Verjährungsunterbrechung entscheidende „Einleitung“ der Mediation, ohne dass ein Gericht eingeschaltet wird. Vielmehr erfolgt die Einleitung durch Zustellung des Antrags auf Durchführung beim Mediator und der Abschrift mit der Bestätigung, dass dieser Antrag durch den Antragsteller vorher bei der gegnerischen Partei zugestellt worden ist gem. Art. 1836 § 1 ZVGB. Auf diese Weise ist das Gericht am Mediationsverfahren nicht beteiligt und es fehlt an einem Akt der Gerichtsbarkeit im Sinne der oben dargestellten Definition der Prozesshandlung.489 Wenn es an einer Prozesshandlung fehlt, dann fehlt es mithin auch an einem prozessrechtlichen Charakter der Mediationsvereinbarung. Dass es sich bei dem Medationsvertrag nicht um einen Prozessvertrag handeln kann, wird ebenfalls dadurch belegt, dass die Dauer des Mediationsverfahrens, in das das Gericht verweisen kann, gem. Art. 18310 § 3 ZVGB ausdrücklich nicht zur Dauer des Gerichtsverfahrens gezählt wird. Das Gerichtsverfahren muss vielmehr erst wieder aufgenommen werden, Art. 18310 § 2 ZVGB. Die Mediation wird damit aus dem Prozess ausgelagert. Das Auslagern der Mediation aus dem Prozess bekräftigt zugleich den Wunsch, die Verfahrensarten voneinander zu trennen. Diese Trennung spricht daher zugleich für die Trennung materiell-rechtlicher Verträge von Prozessverträgen. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass Mediationsverträge Prozessverträge darstellen, hätte er die Mediationsdauer zur Prozessdauer zählen können. Der Gesetzgeber hat jedoch den Unterschied erkannt, weshalb die Trennung der Mediation von dem Gerichtsverfahren gegen die Einordnung eines Mediationsvertrags als Prozessvertrag spricht. Zudem kommen dem Mediator keine Prozessbefugnisse zu. Im Gegensatz zum Richter besitzt er keine Entscheidungs-, sondern vielmehr eine bloße Methodenkompetenz.

487

Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (23). Anders als im deutschen Recht wird der Lauf der Verjährungsfrist nicht durch die Zustellung der Klageschrift unterbrochen, sondern bereits durch die Einreichung der Klageschrift bei dem Gericht. Es bedarf keiner gerichtlichen Handlung, um die Hemmungsfolgen auszulösen, so Wyrok Sa˛du Apelacyjnego w Gdan´sku [Urteil des Berufungsgerichts Danzig] v. 21. 09. 2016 – I ACa 176/16. 489 So für Schiedsklauseln Budniak-Rogala, Charakter prawny zapisu na sa˛d polubowny w poste˛ powaniu cywilnym, Breslau 2015, S. 481. 488

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Insgesamt handelt es sich bei der Einleitung der Mediation um einen der Mediationsvereinbarung bzw. dem Vertragsschluss nachgelagerten Handlungsakt, was gegen die Einordnung dieser Vereinbarung als Prozessvertrag spricht. Bei der Mediationsklausel ist allein die Einleitung der Mediation entscheidend, welche die Folgen des Art. 123 § 1 Nr. 3 ZVGB auslöst. Eine Prozesshandlung wird frühestens dann vollzogen, wenn eine Streitpartei einen Anspruch einklagt und die Gegenseite bei Gericht den Einwand erhebt, es bestünde eine Mediationsvereinbarung zwischen den Parteien.490 Eine Vereinbarung bzw. eine Handlung der Partei, die keine prozessrechtliche Wirkung auslösen kann, ist damit dem Privatrecht zuzuordnen und nicht dem Prozessrecht.491 Mithin ist die Mediationsvereinbarung nicht als Prozessvertrag einzustufen. cc) Die Klassifizierung des Mediationsvertrags als materiell-rechtlichen Vertrag bzw. als Vertrag sui generis Der Mediationsvertrag könnte als ein Vertrag auf Grundlage materiellen Rechts oder auch als ein Vertrag sui generis einzustufen sein. Der Vertrag sui generis kann zweierlei bedeuten: Einerseits kann es sich dabei um einen eigenständigen Vertrag handeln, der aufgrund seiner besonderen Doppelnatur sowohl dem Prozess- als auch dem materiellen Recht zuzuordnen wäre.492 Andererseits kann damit gemeint sein, dass der Vertrag keine Doppelnatur besitzt und rein nach dem materiellen Recht zu behandeln ist, jedoch nicht den im Gesetzbuch aufgezählten Vertragstypen unterliegt, da der Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Entstehung des Gesetzbuchs die Mediation nicht bedacht hatte. In den folgenden Ausführungen wird der Fokus auf die materiell-rechtliche Form des Vertrags sui generis ohne Doppelnatur gelegt. In Bezug auf das Vertragsverhältnis zwischen den potentiellen Medianden, die einen Mediationsvertrag schließen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dieses zwei empfangsbedürftige und aufeinander gerichtete Willenserklärungen voraussetzt, die dem Recht des polnischen Zivilgesetzbuchs zuzuordnen sind.493 Ein Teil der polnischen Literatur bezeichnet ebendiese Mediationsvereinbarung als einen Vertrag sui generis.494 Im Abschnitt des ZVGB über die Mediation gem. Art. 1831 ff. ZVGB sind keine Regelungen zum Schadensersatz bzw. zur Haftung für etwaige Pflichtverletzungen 490

Diese Argumentation führt Budniak-Rogala für Schiedsklauseln an, in: Charakter prawny zapisu na sa˛d polubowny w poste˛ powaniu cywilnym, Breslau 2015, S. 481. 491 I. E. Budniak-Rogala, Charakter prawny zapisu na sa˛d polubowny w poste˛ powaniu cywilnym, Breslau 2015, S. 480 ff. bzgl. Schiedsklausel. 492 So wohl Pazdan, FS Szwaja, Krakau 2004, S. 255 (265). 493 Pazdan, FS Szwaja, Krakau 2004, S. 255 (260, 264), der für das Zustandekommen des Mediationsvertrags auf die Regelungen des ZGB, insbesondere die Auftragsvorschriften, verweist. 494 Malczyk, in: Góra-Błaszczykowska, Online-Kommentar ZVGB, 2. Aufl. 2016, Art. 1835 ZVGB Rn. 9.

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des Mediators geregelt. Nach Ansicht von Kuz´micka-Sulikowska ist dies jedoch unschädlich. Denn hierfür sind der allgemeine Teil des Schuldrechts sowie weitere Vorschriften des ZGB auf die Vereinbarung anwendbar.495 Unter Bezugnahme auf die obigen Darstellungen ist Kuz´micka-Sulikowska daher auch insoweit zuzustimmen, als sie die Mediationsvereinbarung als Vertrag sui generis einordnet.496 Błaszczak benennt zusätzlich Kriterien für die Klassifizierung der Mediationsvereinbarung als Vertrag eigener Art, dessen Vertragstyp nicht unter die gesetzlich aufgezählten Vertragstypen des ZGB zu subsumieren sind.497 Seiner Ansicht nach handelt es sich bei dem Mediationsvertrag um ein unvollkommen zweiseitiges Rechtsgeschäft in Form eines Dauerschuldverhältnisses.498 Es ist für beide Vertragsparteien verbindlich, jedoch ist es kein synallagmatisches Rechtsgeschäft.499 Die von Błaszczak bezeichnete Einordnung der Mediationsvereinbarung als Vertrag eigener Art stammt ursprünglich aus der bereits bestehenden Doktrin zur Klassifizierung einer Schiedsvereinbarung im polnischen Zivilrecht.500 Allerdings wird die Klassifizierung der Schiedsvereinbarung als ein Schuldverhältnis insoweit kritisiert, als diese Art der Vereinbarung im Gegensatz zum Dauerschuldverhältnis nach Ansicht von Budniak-Rogala nicht gekündigt werden kann und auch keine dauerhafte Leistung in Form eines Handelns erbracht wird.501 Die Ansicht von Błaszczak ist grundsätzlich begrüßenswert, denn sie wird den Prinzipien und der Elastizität des Mediationsverfahrens gerecht. Die Bedenken, die Budniak-Rogala in Bezug auf die Schiedsvereinbarung hegt, lassen sich aber durchaus auch auf die Mediation übertragen. Diese Einordnung deckt sich zudem mit dem deutschen Schrifttum. Insbesondere ist Fischer zu erwähnen, der die Vereinbarung als „atypische[n], gegenseitige[n] Vertrag und [als] ein Dauerschuldverhältnis“ einordnet.502 Die polnische und deutsche Doktrin haben mithin den lösungsorientierten Ansatz zur Frage des Rechtscharakters des Mediationsvertrags gemeinsam. Festzuhalten ist, dass der Mediationsvertrag im polnischen Recht einen materiell-rechtlichen Vertrag eigener Art darstellt, der nicht unter die bestehenden Vertragstypen des ZGB zu fassen ist.

495

Kuz´micka-Sulikowska, ADR 2008 Nr. 3, S. 73 ff., Abschnitt IV a.E. Kuz´micka-Sulikowska, ADR 2008 Nr. 3, S. 73 ff., Abschnitt V. 497 Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (26). 498 Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (26): „Umowa o mediacje˛ jest odre˛ bnym typem umowy nazwanej, uregulowanej poza Kodeksem cywilnym, jest umowa˛ dwustronnie zobowia˛zuja˛ca˛, ale niewzajemna˛, i stwarzaja˛ca˛ stosunek prawny o charakterze cia˛głym.“ 499 Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (26). 500 Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (26 Fn. 113); Budniak-Rogala, Charakter prawny zapisu na sa˛d polubowny w poste˛ powaniu cywilnym, Breslau 2015, S. 400 ff. 501 Budniak-Rogala, Charakter prawny zapisu na sa˛d polubowny w poste˛ powaniu cywilnym, Breslau 2015, S. 403. 502 Fischer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 25 Rn. 35 a.E. 496

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

dd) Abgrenzung des Mediationsvertrags von dem Mediatorvertrag – Höchstpersönlichkeit der Teilnahme an der Mediation Abzugrenzen ist der Mediationsvertrag von dem Mediatorvertrag.503 Während der Mediationsvertrag das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und künftigen Medianden regelt, ohne dass zwingendermaßen eine Mediation oder gar eine zu klärende Streitigkeit bevorsteht, handelt es sich bei dem Mediatorvertrag um das Vertragsverhältnis zwischen den Medianden und dem Mediator über die Durchführungsmodalitäten des Mediationsverfahrens. Ergänzend ist zu sagen, dass auch ein Anstellungsvertrag zwischen einem Mediator und einem Mediationszentrum bestehen kann, der ebenfalls von dem Mediations- und dem Mediatorvertrag zu unterscheiden ist, im Folgenden jedoch nicht näher behandelt wird. Die polnische Literatur trennt nicht scharf zwischen dem Mediations- und dem Mediatorvertrag. Dies scheint der Auslegung des Lebenssachverhalts geschuldet zu sein, zumal es einen Mediatorvertrag geben kann, ohne dass eine gesonderte (vorherige) Mediationsvereinbarung zwischen den Parteien vorlag, der sodann dieselben rechtlichen Folgen auslöst wie ein Mediationsvertrag mit dem Zusatz, dass ein Mediator am Vertrag mitbeteiligt ist. Diese Einschaltung des Dritten als Mediator qualifiziert den Mediationsvertrag als einen gesonderten Mediatorvertrag. Die in Art. 1831 § 2 S. 1 ZVGB enthaltene Bezeichnung „umowa o mediacje˛ “ kann sowohl den Mediations- als auch den Mediatorvertrag umfassen. Eine Unterscheidung der beiden Vertragsarten ist dennoch notwendig, um zu untersuchen, welche Rechte und Pflichten durch die Mediation zwischen den Parteien und dem Dritten als Mediator begründet werden und welche nicht. Zudem können die beiden Vertragsarten zeitlich unabhängig voneinander entstehen. Aus diesem Grund trennen die zeitliche Zäsur und die Anwendung des zum jeweiligen Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Rechts beide Verträge voneinander. Denn der Mediationsvertrag kann bereits vor Entstehung der Streitigkeit im Hauptvertrag der Parteien geschlossen worden sein, während der Mediatorvertrag mit dem durch die Parteien ausgewählten Mediator geschlossen wird, nachdem die Streitigkeit droht, vor dem Gericht geklärt zu werden.504 Wie auch auf den Mediationsvertrag sind auf den Mediatorvertrag die Regelungen zum Dauerschuldverhältnis anwendbar. Diese Klassifizierung gilt sowohl im deutschen als auch im polnischen Recht.505 Der Mediatorvertrag unterfällt allerdings nicht den als Dauerschuldverhältnis ausgestalteten konkreten Vertragstypen des bürgerlichen Rechts des BGB sowie des ZGB. Der Mediationsvertrag hat zunächst 503 Ähnlich für Schiedsverträge und Schiedsrichterverträge Hönn, in: jurisPK-BGB (Stand: 03. 09. 2018), 8. Aufl. 2017, § 675 Rn. 70. 504 Art. 1831 § 3 ZVGB sieht jedoch vor, dass bereits der Mediationsvertrag die Bezeichnung der Person des Mediators vorsehen kann. Anderenfalls kann auch das Gericht einen Mediator unter engen Voraussetzungen gem. Art. 1839 1 ZVGB bestimmen. 505 S. o. Zweiter Teil, B.III.3.a)cc).

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zum Ziel, die Parteien an die der Klage vorgeschaltete einvernehmliche Lösungsfindung in Form der Mediation zu erinnern, sollte in Zukunft überhaupt ein Streit entstehen, wohingegen der Mediatorvertrag an die konkrete Streitigkeit anknüpft und die Einleitung des Mediationsverfahrens, beginnend mit der ersten Sitzung, vorbereitet. Festzuhalten ist, dass der Mediator bei Abschluss des Mediatorvertrags mit den Parteien keinen bestimmten Erfolg, etwa die Versöhnung der Parteien und damit eine Einigung, schuldet. Er schuldet eine mangelfreie (Dienst)leistung, die in der Vermittlungs- und Kommunikationskompetenz besteht.506 Daraus ergibt sich jedoch nicht, welchem Vertragstyp ein Mediatorvertrag unterliegt. Eine Einordnung des Mediatorvertrags als Werkvertrag im deutschen Recht nach §§ 631 ff. BGB sowie im polnischen Recht nach Artt. 627 ff. ZGB scheidet jedenfalls insoweit aus, als der Mediator nicht zur Herbeiführung eines besonderen Werkerfolgs verpflichtet ist. Ein Teil der polnischen Literatur bezeichnet die Mediationsvereinbarung („umowa o mediacje˛ “) – nicht zwischen dem Mediator- und Mediationsvertrag trennend – schlicht als einen Vertrag sui generis.507 Des Weiteren wird die Vereinbarung im polnischen Zivilrecht als nicht näher bezeichneter Vertrag definiert, auf den die Vorschriften über den Auftrag entsprechende Anwendung finden.508 Sofern man auf die Vorschriften des Auftrags im polnischen Recht gem. Artt. 734 ZGB509 abstellt, sieht die polnische Literatur insbesondere die Anwendbarkeit auf den Mediatorenvertrag aufgrund des in Art. 734 § 1 ZGB enthaltenen Begriffes „czynnos´c´ prawna“, d. h. Rechtsgeschäft, als ausgeschlossen an.510 Im Gegensatz zum deutschen Auftragsrecht ist die Tätigkeit des Beauftragten in Art. 734 § 1 ZGB enger gefasst. Im deutschen Recht fallen nämlich alle Geschäftsbesorgungen unter den Begriff des Geschäfts i.S.d. § 662 BGB.511 Darüber hinaus passen die Vorschriften über den Auftrag für die Mediation im deutschen Recht nicht, da der Auftrag unentgeltlich ist und der Auftraggeber lediglich einen

506

Kuz´micka-Sulikowska, ADR 2008 Nr. 3, S. 73 ff., Abschnitt III. Malczyk, in: Góra-Błaszczykowska, Online-Kommentar ZVGB, 2. Aufl. 2016, Art. 1835 ZVGB Rn. 9, s. dazu o. unter Zweiter Teil, B.III.3.a)cc). 508 Morek, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1835 ZVGB Rn. 2; ablehnend Kuz´micka-Sulikowska, ADR 2008 Nr. 3, 73 ff., Abschnitt III; Malczyk, in: Góra-Błaszczykowska, Online-Kommentar ZVGB, 2. Aufl. 2016, Art. 1835 ZVGB Rn. 9. 509 Im deutschen Recht handelt es sich um die Vorschriften der §§ 662 ff. BGB. 510 Kuz´micka-Sulikowska, ADR 2008 Nr. 3, S. 73 ff., Abschnitt III; ähnliche Begründung Malczyk, in: Góra-Błaszczykowska, Online-Kommentar ZVGB, 2. Aufl. 2016, Art. 1835 ZVGB Rn. 9. 511 Staudinger/Martinek/Omlor (2017), § 662 BGB Rn. 20 f.: selbständige, unselbständige, wirtschaftliche, nichtwirtschaftliche, nicht zwingend rechtsgeschäftliche Tätigkeit. 507

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Aufwendungsersatz schuldet,512 §§ 662, 670 BGB. Ein Mediator dagegen erhält grundsätzlich eine Vergütung, es sei denn, er hat sich dazu bereit erklärt, die Mediationsdienste unentgeltlich zu leisten. Im polnischen Recht greift das Argument der Unentgeltlichkeit allerdings nicht, denn im polnischen Auftragsrecht trifft der umgekehrte Fall zu. Art. 735 § 1 ZGB enthält eine gesetzliche Vermutung, dass die Auftragserfüllung grundsätzlich zu vergüten ist, sofern sich die Unentgeltlichkeit weder aus dem Vertrag noch aus den Umständen ergibt. Dies wird durch Art. 1835 ZVGB bestätigt, welcher die Vergütung des Mediators ausdrücklich regelt. Gegen die Anwendbarkeit der Auftragsvorschriften auf den Mediationsvertrag spricht, dass der Beauftragte in einem Subordinationsverhältnis zum Auftraggeber gem. Art. 734 § 2 ZGB steht.513 Ein solches Über-Unterordnungsverhältnis ist mit der Rolle des Mediators nicht vereinbar. Auch im deutschen Recht ist der Auftragnehmer gem. § 662 BGB weisungsgebunden.514 Die Weisungsgebundenheit widerspricht dem Grundsatz der Neutralität der Mediation. Der Mediator wird zwar von den Parteien zum Mediator bestellt und untersteht im weiteren Sinne der Weisung, die Mediation durchzuführen. Er untersteht aber nicht ihren Weisungen, was die Methodenkompetenz anbelangt. Die Medianden sind somit Herren des Mediationsverfahrens, aber nicht des Mediators. Im Gegenteil: Er steht ihnen mit seiner besonderen Methodik und Streitbeilegungskompetenz zur Verfügung. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Gedanken des Art. 1839 § 1 ZVGB. Gem. Art. 1839 § 1 ZVGB kann ein Gericht einen Mediator für die Streitparteien auswählen, sofern diese keine Auswahl getroffen haben. Das Gericht muss bei der Auswahl beachten, dass der Mediator über ein entsprechendes Wissen und entsprechende Fertigkeiten im Rahmen der Durchführung der Mediation sowie seines Fachgebiets verfügt. Daraus kann geschlossen werden, dass die Medianden auf das Fachwissen des Mediators angewiesen sind und ihn demgemäß auch nicht weisen können. Auch wenn sie über alle den Mediationsverlauf anfallenden Problempunkte selbst entscheiden können und müssen, kennen sie den Verfahrensausgang nicht. Es fehlt somit auch an der typischen Aufgabenerfüllung, über die die Medianden keine Kontrollkompetenz besitzen. Eine Weisung würde mithin ein übergeordnetes Wissen der Medianden gegenüber dem Mediator voraussetzen, das in der Praxis nicht gegeben ist. Aus diesem Grund ist von der Übertragung der Vorschriften über den Auftrag auf den Mediatorvertrag sowohl im deutschen als auch im polnischen Recht abzurücken. Für den Mediatorvertrag als ein Dauerschuldverhältnis, das außerhalb der in den Gesetzbüchern bestehenden Vertragstypen geregelt ist, sprechen die Besonderheiten der Mediation, an die ein solcher Vertrag anzupassen ist. 512 Etwas anderes gilt für den Auftrag nach polnischem Recht, wonach im Zweifel von einer Vergütung gem. Art. 735 § 1 ZGB auszugehen ist, wenn die Unentgeltlichkeit nicht ausdrücklich vereinbart wurde oder sich die Unentgeltlichkeit aus den Umständen ergibt. 513 Zum Subordinationsverhältnis im deutschen Auftragsrecht, s. Staudinger/Martinek/ Omlor (2017), § 662 BGB Rn. 2. 514 Staudinger/Martinek/Omlor (2017), § 662 BGB Rn. 24.

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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Das Dauerschuldverhältnis wird in § 314 BGB im deutschen und Art. 3651 ZGB im polnischen Recht vorausgesetzt. Beide Normen setzen sich mit der Kündigung von nicht näher bezeichneten Dauerschuldverhältnissen auseinander. Art. 3651 ZGB besagt, dass ein Dauerschuldverhältnis innerhalb der vertraglich, gesetzlich oder nach der Verkehrssitte vorgeschriebenen Kündigungsfristen durch die Kündigungserklärung beendet werden kann. Existieren keine Kündigungsfristen, wird das Dauerschuldverhältnis unverzüglich durch die Kündigungserklärung beendet. Im deutschen Recht wird ein Dauerschuldverhältnis üblicherweise ebenfalls durch eine ordentliche Kündigung beendet. Darüber hinaus regelt § 314 BGB die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung.515 Ein Dauerschuldverhältnis setzt voraus, dass es sich um einen Vertrag handelt, der auf gewisse Zeit geschlossen ist, und dass während der Laufzeit neue Leistungs-, Neben- und Schutzpflichten entstehen und, insbesondere im deutschen Recht, eine „dauernde Pflichtenanspannung“516 erzeugt wird. Dafür, dass der Mediatorvertrag mit den Mediationsparteien im Sinne eines Dauerschuldverhältnisses auf Zeit geschlossen ist, spricht der Charakter der vom Mediator zu erbringenden Leistung. Nach Art. 18310 § 1 ZVGB kann das Mediationsverfahren in Polen bis zu drei Monate dauern und kann verlängert werden, wenn es dem einvernehmlichen Verfahrensausgang förderlich ist. Im deutschen Recht ist zwar keine zeitliche Vorgabe oder ein Richtwert für das Mediationsverfahren vorgesehen, den Phasen der Mediation ist jedoch zu entnehmen, dass mehrere Sitzungen von gewisser Dauer zur Streitbeilegung im Mediationsverfahren benötigt werden.517 Auch entstehen, insbesondere für den Mediator, neue Pflichten. Während der Laufzeit des Mediationsverfahrens ist er zur Vermittlung, Verschwiegenheit und Neutralität verpflichtet.518 Auf diese Weise erzeugt der Mediatorvertrag eine ständige Pflichtenanspannung während der Laufzeit. Dementsprechend sind die Voraussetzungen zur Einordnung des Mediatorvertrags als Dauerschuldverhältnis zunächst erfüllt. Allerdings kennzeichnen den Mediatorvertrag als Dauerschuldverhältnis weitere Merkmale, die nicht unter die Vertragstypen des BGB oder des ZGB subsumierbar sind und ihn diesbezüglich als Dauerschuldverhältnis sui generis qualifizieren. Weniger charakteristisch ist die Tatsache, dass der Mediator seine Vermittlungsleistung höchstpersönlich zu erbringen hat. Diese Höchstpersönlichkeit ist auch im Dienstvertrag oder Auftrag geregelt.519 Neu ist, dass auch die Mediationsteilnehmer, d. h. die Streitparteien, in ihrer Rolle als Medianden, an dem Mediationsverfahren höchstpersönlich, ggf. durch ihre Organmitglieder, die zur Vertretung der 515 516 517 518 519

Erman/Böttcher, 15. Aufl. Köln 2017, § 314 BGB Rn. 1. Erman/Böttcher, 15. Aufl. Köln 2017, § 314 BGB Rn. 3a. Zu den Phasen der Mediation s. o. unter Zweiter Teil, B.III.2.c)bb). S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.III.2.c) bis e). S. §§ 613, 664 BGB.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

juristischen Person oder Personengesellschaft berechtigt sind, teilnehmen müssen. Ziel der Mediation ist die Schaffung eines nachhaltigen Rechtsfriedens zwischen den Rechtssubjekten. Dieser Rechtsfrieden muss sich hierzu aber auch in der Änderung der Denkweise der betroffenen natürlichen Personen niederschlagen. Es wäre bereits gedanklich abwegig, beispielsweise den Rechtsbeistand in Vertretung der Mediationsinteressen des Medianden allein zur Mediationssitzung zu schicken, ohne dass der Mediand persönlich an der Sitzung teilnimmt.520 Die Teilnahme der Parteien an dem Mediationsverfahren ist für die ordnungsgemäße Durchführung unerlässlich und folgt aus dem Wesen der Mediation selbst.521 Daraus ergibt sich, dass eine Stellvertretung für die Vornahme von Handlungen in einem Mediationsverfahren für einen der Medianden oder auch für beide nicht möglich ist. Das Ziel der Mediation ist damit nicht nur die Schaffung eines äußeren bzw. objektiven Rechtsfriedens für die Allgemeinheit, die sich dadurch kennzeichnet, dass derselbe Streit im Gerichtsprozess nicht mehr fortgesetzt werden muss, um endgültig beendet zu werden.522 Die Mediation hat auch einen inneren bzw. subjektiven Rechtsfrieden zum Ziel, wodurch die Streitpartei kein mentales Bedürfnis mehr verspürt, Rechtsklarheit durch ein gerichtliches Urteil zu erlangen.523 Diese Art der „einhergehende[n] Akzeptanz eines interessenbasierten Ergebnisses“524 kann nur eintreten, wenn die Streitpartei die Erlebnisse der Mediation höchstpersönlich erfährt und während der Teilnahme selbst darüber reflektiert. Es gilt die Prämisse, dass die Streitpartei, die eine Lösung aufgrund des Prinzips der Eigenverantwortlichkeit nur höchstpersönlich mitentwickelt, das Mediationsergebnis besser akzeptiert und die Streitigkeit beilegt.525 Des Weiteren spricht für die Einordnung des Mediatorvertrags als Dauerschuldverhältnis sui generis, dass die Hauptleistungspflicht nur in Bezug auf die Vergütungsleistung des Mediators von diesem einklagbar ist. Die Teilnahme der Medianden, die ebenfalls eine Hauptleistungspflicht darstellt, ist dagegen aufgrund des höchstpersönlichen Charakters der Leistung weder durch den Mediator noch durch eine der Parteien, von sonstigen Dritten ganz zu schweigen, einklagbar. Ein Mediand kann zur Teilnahme an der Mediation nicht gerichtlich verurteilt werden. Bei dieser Handlung handelt es sich um eine sog. nicht vertretbare Handlung. Hierbei wird eine Parallele zum Charakter des Dienstvertrags oder der Eheschließung oder sonstigen höchstpersönlichen Rechtsgeschäften deutlich. Am Beispiel des § 613 BGB sowie § 888 Abs. 3 ZPO ist erkennbar, dass die Erbringung der 520 Vgl. in Bezug auf die Mediation im Verwaltungsrecht Hauser/Wierzbowski/Jagielska/ Jagielski/Cherka, Beck’scher Großkommentar VgVfG, 5. Aufl. Warschau 2017, Art. 116 Rn. 2. 521 Hauser/Wierzbowski/Jagielska/Jagielski/Cherka, Beck’scher Großkommentar VgVfG, 5. Aufl. Warschau 2017, Art. 116 Rn. 2. 522 Ähnlich Hennig, S. 240: formeller Frieden. 523 Ähnlich Hennig, S. 240 f.: materieller oder umfassender Frieden. 524 Hennig, S. 119 f. 525 Szwaja/Jasin´ska, MoP 2017, S. 353 (358).

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Dienstleistung nicht mit Zwang durchsetzbar ist. Hierfür sind die Schuldner auf andere Wege der verwiesen, wie beispielsweise der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs, der durch eine Pflichtverletzung begründet sein kann, oder die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Im polnischen Recht existiert eine ähnliche Regelung zu der des § 888 ZPO in Bezug auf die Durchsetzung nicht vertretbarer Handlungen, die gem. Art. 1050 ZVGB als für die Mediation prima facie in Betracht kommende Zwangsvollstreckungsmaßnahme zu qualifizieren ist.526 Wäre das Erscheinen und die aktive Teilnahme an der Mediation durch den Medianden (oder auch des Mediators) erzwingbar, so müsste diese geschuldete Verpflichtung in der Weise vollstreckt werden, dass der die Teilnahme verweigernde Mediand (oder Mediator) zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft angehalten wäre, § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO bzw. Art. 1050 § 1 ZPO. Im Hinblick auf den Mediator würde dies einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 2 GG nach deutschem Verfassungsrecht bedeuten. Er kann zur Erbringung der Vermittlungsleistung als Mediator nicht gezwungen werden. Zwangsarbeit ist verfassungsrechtlich verboten. Die Medianden leisten während des Mediationsverfahrens allerdings keine Arbeitsleistung. Dementsprechend ist die Teilnahme bzw. das Fernbleiben durch die Medianden nicht vom sachlichen Schutzbereich des Art. 12 GG umfasst. ee) Zusammenfassung der Klassifizierung des Mediatorvertrags Im Ergebnis kann auf die Ansicht von Błaszczak, die in Bezug auf den Mediationsvertrag erörtert wurde,527 auch für die Einordnung der Rechtsnatur des Mediatorvertrags zurückgegriffen werden. Für ihn sind die Mediationsvereinbarungen Verträge eigener Art, die nicht unter die Vertragstypen des ZGB zu subsumieren sind.528 Seiner Ansicht nach handelt es sich um ein unvollkommen zweiseitiges Rechtsgeschäft in Form eines Dauerschuldverhältnisses.529 Es ist für die Vertragsparteien verbindlich, jedoch ist es kein synallagmatisches Rechtsgeschäft.530 Diese Ansicht wird ebenfalls von Sobolewski vertreten, der die Unvollkommenheit der Verbindlichkeit allerdings besonders betont.531 Der Verfasser stellt die Problematik in den Kontext der Einklagbarkeit der Teilnahme durch die mediationswillige Partei, die mit der Weigerungshaltung des Gegners konfrontiert ist und diesen zur Teilnahme an der vertraglich vereinbarten Mediation zwingen will.532 526

Sobolewski, PPH 2007, S. 34 (35). Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (26); s. dazu oben unter Zweiter Teil, B.III.3.a)cc). 528 Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (26). 529 Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (26): „Umowa o mediacje˛ jest odre˛ bnym typem umowy nazwanej, uregulowanej poza Kodeksem cywilnym, jest umowa˛ dwustronnie zobowia˛zuja˛ca˛, ale niewzajemna˛, i stwarzaja˛ca˛ stosunek prawny o charakterze cia˛głym.“ 530 Błaszczak, ADR 2008 Nr. 1, S. 5 (26). 531 Sobolewski, PPH 2007, S. 34 (36). 532 Sobolewski, PPH 2007, S. 34 (35). 527

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Der Vorteil der Klassifizierung des Mediatorvertrags als ein unvollkommen zweiseitiges Dauerschuldverhältnis sui generis ist, dass alle Neben- und Schutzpflichten sowie die Vergütungspflicht des Mediators gegenüber den Medianden weiterhin erhalten und einklagbar bleiben, ohne die Prinzipien der Mediation, insbesondere die Freiwilligkeit der Mediation, zu verletzen.533 Der Ansicht, die Parteien könnten darüber hinaus eine Vertragsstrafe vereinbaren, die zu leisten ist, wenn eine der Streitparteien die Mediation treuwidrig verweigert,534 ist zu widersprechen. Wenn eine Teilnahme an der Mediation unverbindlich ist, kann sie nicht durch Nichterfüllung dieser Pflicht mit der Zahlung einer Geldstrafe erzwungen werden. Art. 483 § 1 ZGB, der die Vertragsstrafe im polnischen Zivilrecht regelt, setzt jedoch voraus, dass die Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbracht wurde. Diese Überlegung kann im Hinblick auf den Wortlaut des § 339 BGB, der dem polnischen Art. 483 § 1 ZGB ähnelt, auch auf das deutsche Recht übertragen werden. Da sich die Gesetzesregelungen zum Dauerschuldverhältnis im deutschen und polnischen Recht entsprechen, sind die Ausführungen zum polnischen Recht in Bezug auf die Klassifizierung des Mediatorvertrags als Vertrag sui generis ebenfalls auf die Mediation im deutschen Zivil- und Handelsrecht übertragbar. Mithin ist der Mediatorvertrag im deuschen und polnischen Recht als ein unvollkommen zweiseitiges Rechtsgeschäft in Form eines Dauerschuldverhältnisses zu qualifizieren, das für die Vertragsparteien verbindlich ist, jedoch kein synallagmatisches Rechtsgeschäft darstellt. ff) Die außergerichtliche Mediation und das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie die Qualifizierung der Mediation als unvollkommene Verbindlichkeit In der deutschen Literatur wird zwischen der Freiheit „in“ der Mediation und der Freiheit „zur“ Mediation unterschieden.535 Es besteht allgemeiner Konsens darüber, dass der Mediand während eines laufenden Mediationsverfahrens die Sitzungen jederzeit abbrechen kann und nicht zum Vergleichsabschluss gezwungen werden kann (Freiheit „in“ der Mediation). Problematisch ist, ob dieser Grundsatz auch für den Zwang bzw. die Freiheit „zur“ Eingehung der Mediation gilt. Der Zwang „in“ der Mediation besteht nicht, weil die Parteien durch den Grundsatz der Freiwilligkeit geschützt sind. Einzelne Gerichte lehnen aber auch den Zwang „zur“ Eingehung der Mediation ab, weil der Einigungsversuch jederzeit beendet werden könne und der zwangsweise durchzuführende Güteversuch sodann eine „bloße Förmelei“ darstelle.536 Was unter einer bloßen Förmelei zu verstehen ist, lassen die Gerichte jedoch 533

Krit. Sobolewski, PPH 2007, S. 34 (35). Sobolewski, PPH 2007, S. 34 (38). 535 Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, § 1 MediationsG Rn. 33 m.w.N. 536 OLG Frankfurt v. 12. 05. 2009 – 14 Sch 4/09, NJW-RR 2010, 788; LG Heilbronn v. 10. 09. 2010 – 4 O 259/09, ZKM 2011, 29; abl. Fischer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 25 Rn. 51. 534

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offen. Zweifel an der unzureichenden Begründung der gerichtlichen Entscheidungen sind durchaus angebracht.537 Hinter dem Begriff der bloßen Förmelei stehen allerdings ernsthafte, in Betracht kommende Verfassungsverstöße, die einen Zwang zur Mediation auslösen, weshalb den Gerichten,538 die einen solchen Zwang ablehnen, im Ergebnis zuzustimmen ist. Es ist zunächst danach zu unterscheiden, welcher Lebenssachverhalt betroffen ist. Es kommen drei Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht. Zum einen kann an den Zeitpunkt des Abschlusses der Mediationsvereinbarung angeknüpft werden (sog. Abschlusszwang). Sodann kann auf den Zeitpunkt nach dem Abschluss der Vereinbarung sowie nach der Streitentstehung, jedoch vor der Einleitung der Mediation abgestellt werden (sog. Einleitungs- oder Eingehungszwang). Zuletzt kann der Zeitpunkt der ersten anberaumten Sitzung oder des laufenden Mediationsverfahrens im Allgemeinen relevant sein (Zeitpunkt nach dem Abschluss der Mediationsvereinbarung und Mediatorvereinbarung, sog. Durchführungszwang). Der Durchführungszwang wird stets mit dem Argument abgelehnt, die Mediation sei nach dem Mediationsrecht „freiwillig“, sodass kein Mediand zum Abschluss eines Vergleichs gezwungen werden kann. Der sog. Abschlusszwang ist gegenwärtig, wenn eine sog. obligatorische Mediation, insbesondere in Form eines Gesetzes, zwingend vorgeschaltet ist.539 In diesen Fällen ist der Klageweg vorübergehend unzulässig. Erst nachdem ein Mediationsversuch unternommen wurde und dieser als gescheitert gilt, wird die Klageerhebung ermöglicht. Der sog. Einleitungsbzw. Eingehungszwang entsteht, wenn sich die Parteien vertraglich zur Durchführung einer Mediation vor der Klageerhebung einverstanden erklärt haben, eine der Parteien jedoch trotz Vereinbarung mit der Initiierung eines Mediationsverfahrens nicht mehr einverstanden ist. Im Folgenden ist von dem sog. Einleitungs- bzw. Eingehungszwang zur Mediation die Rede. Es stellt sich die Frage, ob der Einleitungs- bzw. Eingehungszwang möglich ist oder ob dieser mit den Freiheitsgrundrechten des deutschen Grundgesetzes kollidiert. Soweit sich ein Mediand nicht auf die Verletzung des Art. 12 GG berufen kann,540 wenn er zur zwangsweisen Teilnahme an der Mediation verpflichtet wurde, z. B. durch eine als unzulässig abgewiesene gerichtliche Entscheidung,541 können andere, 537

Fischer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 25 Rn. 51. OLG Frankfurt v. 12. 05. 2009 – 14 Sch 4/09, NJW-RR 2010, 788; LG Heilbronn v. 10. 09. 2010 – 4 O 259/09, ZKM 2011, 29; A.A. Fischer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 25 Rn. 51. 539 Den Ansatz, ein Zwang zur Mediation könnte in Freiheitsrechte unangemessen eingreifen hat bereits Schöbel erkannt, Schöbel, JuS 2000, 372 (374): Das subjektive Recht sichert die selbstbestimmte Freiheitssphäre des Individuums. 540 S. o. für den Mediator Zweiter Teil, B.III.3.a)dd). 541 BVerfG v. 14. 02. 2007 – 1 BvR 1351/01: kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG sowie gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch. 538

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durch das Grundgesetz geschützte Freiheitsgrundrechte des Medianden in Betracht kommen, die durch eine solche Entscheidung verletzt sein können. Davon ausgehend, dass das Ziel einer erfolgreichen Mediation ist, einen subjektiven bzw. inneren Rechtsfrieden542 der teilnehmenden Medianden zu schaffen, um Folgestreitigkeiten zu vermeiden, könnte argumentiert werden, dass der innere Rechtsfriede und die Überzeugung, diesen mittels der Mediation zu schaffen, einen Teil des vom Grundrechtsschutz umfassten Gewissens darstellt. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, wenn eine Partei davon überzeugt ist, nur ein gerichtlicher Prozess könnte sein Bedürfnis nach der inneren Rechtssicherheit befriedigen. Die Schaffung eines subjektiven bzw. inneren Rechtsfriedens liegt jeder Streitbeilegungsmethode und damit sowohl der konservativen (Rechtsprechung) als auch der alternativen (Mediation) zugrunde. Sobald eine Partei, die zuvor mit einem Vertragspartner einen Mediations- und Mediatorenvertrag geschlossen hat, sich nach der Streitentstehung dazu entschließt, von der Mediation abzurücken und ihren Anspruch einzuklagen, entsteht ein Dissens zwischen dem subjektiven Rechtsfrieden des Mediationswilligen und dem des Mediationsverweigernden. Wäre der innere Rechtsfriede in solchen Fällen verfassungsrechtlich geschützt und müsste eine der Parteien entgegen ihrer Überzeugung handeln, indem sie dazu verpflichtet wird, an der Mediation teilzunehmen, könnte dies einen Verstoß gegen die Gewissensfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 GG bedeuten.543 Die Partei müsste eine Gewissensentscheidung treffen, die ihrer inneren Überzeugung widerspricht. Eine Gewissensentscheidung ist „jede ernste sittliche, d. h. an den Kategorien von ,Gut‘ und ,Böse‘ orientierte Entscheidung […], die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so daß er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte“544. Dies ist bei der Entscheidung, die Mediation zu verweigern, sehr fraglich. Die Mediationsverweigerung müsste den „Charakter eines unabweisbaren, den Ernst eines die ganze Persönlichkeit ergreifenden sittlichen Gebots, einer inneren Warnung vor dem Bösen und eines unmittelbaren Anrufs zum Guten“545 tragen. Ein Mediationsverweigerer handelt zwar nach seiner inneren Verpflichtung. Er orientiert sich bei der Entscheidung jedoch nicht an Aspekten des Guten und des Bösen sowie an „unmittelbar evidente[n] Gebote[n] unbedingten Sollens“546, sondern vielmehr an der eigenen persönlichen Entwicklung des Selbstbewusstseins. Im Hegel’schen Sinne würde der Mediationsverweigerer moralisch, aber nicht sittlich 542

S. o. Zweiter Teil, B.III.3.a)cc). In Anlehnung an OLG Köln v. 19. 03. 1973 – 7 W 63/72, MDR 1973, 768, wobei hier eindeutig die Bekenntnis- und nicht die Gewissensfreiheit verletzt ist: Eine privatrechtlich übernommene Verpflichtung zur Teilnahme an einer religiösen Handlung kann nicht vollstreckt werden; vgl. auch OLG Frankfurt, v. 27. 08. 1979 – 20 W 395/79, Rpfleger 1980, 117: keine Pflicht zum Abschluss eines Erbvertrages aufgrund Verstoßes gegen die Testierfreiheit gem. Art. 14 Abs. 1 GG. 544 BVerfG v. 20. 12. 1960 – 1 BvL 21/60 – Kriegsdienstverweigerung – juris Rn. 30. 545 BVerfG v. 20. 12. 1960 – 1 BvL 21/60 – Kriegsdienstverweigerung – juris Rn. 31. 546 BVerfG v. 20. 12. 1960 – 1 BvL 21/60 – Kriegsdienstverweigerung – juris Rn. 28. 543

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handeln.547 Die Sittlichkeit ist nämlich die über das eigene Selbstbewusstsein hinausgehende Sphäre, die das moralische Handeln in den Kontext der Gemeinschaft stellt.548 Der (Gewissens)Entscheidung für oder gegen die Initiierung der Mediation fehlt mithin der Charakter des „sittlichen“ Gebots i.S.d. Art. 4 Abs. 1 GG. Eine Verletzung der Gewissensfreiheit durch den Zwang „zur“ Eingehung der Mediation liegt mithin nicht vor. Auch scheidet eine Verletzung der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S.1 Alt. 1 GG aus, da dem Mediationsverweigerer die Kundgabe des Werturteils, er halte nicht oder nicht mehr an der Mediation fest, da er nicht davon überzeugt sei, sie könnte Rechtssicherheit sowie Rechtsfrieden zwischen den Parteien schaffen, jederzeit möglich ist. Die negative Meinungsfreiheit ist ebenfalls insoweit nicht verletzt, als der Mediationsverweigerer zum einen die Mediationssitzung jederzeit absagen (und die damit einhergehenden Konsequenzen, z. B. in Form einer Kostentragung, akzeptieren muss) oder während der Sitzung schlicht schweigen kann. Allerdings kann die im Mediationsvertrag übernommene Verpflichtung, einen Mediatorenvertrag zur Durchführung der Mediation abzuschließen sowie die im Mediatorenvertrag übernommene Verpflichtung, am Mediationsverfahren durch persönliche Teilnahme mitzuwirken (Zwang zur Mediation), nicht nach § 888 ZPO vollstreckt werden, da es sich vorliegend um einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des zur Mediation (zwangs)verpflichteten Medianden gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG handelt.549 Grundsätzlich stellen Grundrechte Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat dar. Nach dem Lüth-Urteil des BVerfG begründen sie jedoch auch eine objektive Wertordnung, die für alle Rechtsbereiche gilt.550 Im Bürgerlichen Recht, zu dem das Mediationsrecht zählt, entfaltet sich der Rechtsgehalt der Grundrechte mittelbar durch die privatrechtlichen Vorschriften. Er ergreift – so das BVerfG – vor allem Bestimmungen zwingenden Charakters und ist für den Richter besonders realisierbar durch die Generalklauseln (sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte).551 Die 547

S. dazu Anm. § 141 Übergang von der Moralität in die Sittlichkeit, Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Berlin 1821, S. 153 f. 548 „Was der Mensch [nicht der Einzelne] thun müsse, welches die Pflichten sind, die er zu erfüllen hat, um tugendhaft zu seyn, ist in einem sittlcihen Gemeinwesen leicht zu fragen, – es ist nichts anderes von ihm zu thun, als as ihm in seinen Verhältnissen vorgezeichnet, ausgesprochen und bekannt ist“: Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Berlin 1821, S. 160 Anm. § 150. 549 In Anlehnung an OLG Köln v. 19. 03. 1973 – 7 W 63/72, MDR 1973, 768, wobei hier eindeutig die Bekenntnis- und nicht die Gewissensfreiheit verletzt ist: Eine privatrechtlich übernommene Verpflichtung zur Teilnahme an einer religiösen Handlung kann nicht vollstreckt werden; vgl. auch OLG Frankfurt, v. 27. 08. 1979 – 20 W 395/79, Rpfleger 1980, 117: keine Pflicht zum Abschluss eines Erbvertrages aufgrund Verstoßes gegen die Testierfreiheit gem. Art. 14 Abs. 1 GG. 550 BVerfG v. 15. 01. 1958 – 1 BvR 400/51 – juris – Lüth. 551 BVerfG v. 15. 01. 1958 – 1 BvR 400/51 – juris – Lüth.

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(gerichtliche) Durchsetzung privater Mediationsklauseln und -verträge ist daher im Lichte der Grundrechte, vorliegend im Lichte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der die Mediation verweigernden Streitpartei nach Art.1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG zu betrachten. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht beinhaltet drei Arten des sachlichen Schutzbereichs: die Selbstbestimmung, die Selbstbewahrung und die Selbstdarstellung. Darunter müsste der Gedanke des Medianden, die Mediation trotz vertraglicher Verpflichtung verweigern zu dürfen, fallen. Der Bereich der Selbstbestimmung ist zunächst nicht betroffen, denn es handelt sich bei der Frage, ob der Einzelne trotz eines bindenden Vertrages die Initiierung der Mediation verweigern darf, nicht um eine Frage der persönlichen Identität. Denn die „einhergehende Akzeptanz eines interessenbasierten Ergebnisses“552 kann nur eintreten, wenn die Streitpartei die Erlebnisse der Mediation höchstpersönlich erfährt und während der Teilnahme selbst darüber reflektiert. Eine Mediation kann daher allenfalls identitätsfördernd sein und der Persönlichkeitsentwicklung dienen, sie kann jedoch nicht identitätsstiftend sein. Das Recht zur Verweigerung der Mediation (kein Zwang zur Mediation) ist jedoch vom Schutzbereich der Selbstbewahrung umfasst. Die Streitpartei hat nämlich das Recht, sich nicht zu ihrem Befinden über die Streitigkeit in der Mediation zu äußern, indem sie der Mediationssitzung trotz bindenden Vertrages fernbleibt, sich zurückzieht und von der Streitpartei und dem Mediator abschirmt. Diese Erwägung basiert auf dem Gedanken zum vom BVerfG entwickelten Schutz des vertraulichen Gesprächs553 sowie des Tagebuchs554. Der Schutzbereich der Selbstbewahrung umfasst die Freiheit, Gedanken zu äußern oder für sich zu behalten. Aus diesem Grund konstatierte das BVerfG, dass „der gleiche Schutz, der für die Gedanken gilt, […] für das schriftlich mit sich selbst geführte Gespräch gelten“ muss.555 In den Schutzbereich der Selbstbewahrung und damit in das Rückzugsrecht bzw. das Recht, sich trotz vertraglicher Pflicht abzuschirmen und der Mediation fernzubleiben, ist der innere Rechtsfrieden einzubeziehen. Bei besonderer Betrachtung der Tatsache, dass die Leistung, an der Mediation teilzunehmen (sog. Durchführungspflicht), von dem Medianden nur höchstpersönlich erbracht werden kann und er vertrauliche Informationen preisgeben müsste, um eine Kommunikationsgrundlage darzubieten, damit die Mediation beginnen oder durchgeführt werden kann, müsste er durch einen Eingehungs- bzw. Einleitungszwang in der Mediation seine inneren 552

Hennig, S. 119 f. BVerfG v. 09. 01. 2006 – 2 BvR 443/02 – Einsichtsanspruch in Krankenhausunterlagen, Maßregelvollzug, NJW 2006, 1116. 554 BVerfG v. 14. 09. 1989 – 2 BvR 1062/87 – Verwertung tagebuchartiger Aufzeichnungen, Tagebuchaufzeichnung – juris. 555 BVerfG v. 14. 09. 1989 – 2 BvR 1062/87 – Verwertung tagebuchartiger Aufzeichnungen, Tagebuchaufzeichnung – juris. 553

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Gedanken entäußern, obwohl er zur Einigung und der Durchführung der Mediation nicht mehr bereit ist und die innere Gedanken- und Gefühlswelt gegenüber dem Mediator und dem Streitgegner nicht preisgeben möchte. Das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet „die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.“556 Übertragen auf den Einleitungszwang und damit den Zwang „zur“ Mediation würde die Entscheidungsfreiheit des Medianden verletzt, könnte er zur Teilnahme an einer Mediationssitzung gezwungen werden. Der innere Rechtsfrieden des Medianden und die dem immanente Befugnis, selbst zu entscheiden, welche Lebenssachverhalte in der oder vor der Mediation preisgegeben werden, fällt somit in den sachlichen Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, auf das sich der Mediationsverweigerer berufen kann, wenn er zur Teilnahme an der Mediation durch den Gegner, das Gericht oder den Mediator gezwungen wird. Das BVerfG gesteht Einschränkungen zu. Diese können „im überwiegenden Allgemeininteresse insbesondere dann erforderlich sein, wenn der Einzelne als in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen tritt, durch sein Verhalten auf andere einwirkt und dadurch die persönliche Sphäre seiner Mitmenschen oder die Belange der Gemeinschaft berührt.“557 In der Mediation stehen die Belange des Parteigegners, der einen Einigungsversuch im Rahmen der Mediation vornehmen will, den Belangen des Mediationsverweigerers gegenüber. Es ist dabei zu bedenken, dass der die Mediation Verweigernde seine Gedankenwelt mit dem Mediator und dem anderen Teilnehmer teilen müsste. Er könnte zwar in der Mediationssitzung auf die Preisgabe intimer Informationen verzichten. Wenn er jedoch weiß, dass mit der Preisgabe der Erfolg oder Misserfolg der Mediation steht und fällt, kann er bereits vor der Durchführung der Mediation auf die Einleitung dieser verzichten. Denn aus diesem Grund möchte sich die die Mediation verweigernde Partei zurückziehen. Um die Preisgabe seiner Gedanken zu vermeiden und die Intimsphäre zu schützen, möchte sie den inneren Rechtsfrieden bezüglich der Streitigkeit nicht im Rahmen einer Mediation schließen, sondern den Anspruch einklagen, ohne dass die Person persönliche Details, die zur Streitigkeit geführt haben, verraten muss. Hinzuzufügen ist auch, dass der die Mediation verweigernden Partei die Durchführung und Teilnahme an der Mediation nicht abgenommen werden kann. Es handelt sich um eine höchstpersönlich zu erbringende Leistung. Die Schaffung des inneren Rechtsfriedens als geistige Seelenruhe kann nur eintreten, wenn die Streitpartei die Erlebnisse der Mediation höchstpersönlich erfährt und während der Teilnahme selbst darüber reflektiert. Es gilt die Prämisse, dass die Streitpartei, die eine Lösung auf556 BVerfG v. 15. 12. 1983 – 1 BvR 209/83 – Volkszählung, Mikrozensus – juris Rn. 146, v. 14. 09. 1989 – 2 BvR 1062/87 – Verwertung tagebuchartiger Aufzeichnungen, Tagebuchaufzeichnung – juris Rn. 14. 557 BVerfG v. 14. 09. 1989 – 2 BvR 1062/87 – Verwertung tagebuchartiger Aufzeichnungen, Tagebuchaufzeichnung – juris Rn. 14.

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grund des Prinzips der Eigenverantwortlichkeit nur höchstpersönlich mitentwickelt, das Mediationsergebnis besser akzeptiert und die Streitigkeit beilegt.558 Eine Zwangshandlung gem. § 888 Abs. 1 ZPO würde damit in den letzten unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung des Mediationsverweigerers eingreifen. Ihm würde die Befugnis, über die Preisgabe seiner Gedanken- und Gefühlswelt zu entscheiden, mit dem Zwang zur Mediation genommen. Dem einzelnen Bürger ist eine Sphäre privater Lebensgestaltung jedoch vorbehalten, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist.559 Mit der Zwangsteilnahme der Mediation würde der innere bzw. subjektive Rechtsfrieden des Medianden mithin verletzt. Ob ein Sachverhalt dem Kernbereich zugeordnet werden kann, hängt nach der Auffassung des BVerfG davon ab, „ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt.“560 Dadurch, dass ein Mediationsvergleich und die Schaffung des Rechtsfriedens zwischen den Medianden nicht durch Zwang, sondern allein durch Freiwilligkeit erzielt werden kann, würde der die Mediation Verweigernde zum bloßen Objekt des Mediationsverfahrens degradiert, könnte er zur Teilnahme an der Mediation und damit auch an der ersten Sitzung oder gar dem Unterzeichnen eines Mediatorvertrags gezwungen werden. Ob und inwieweit ein Mediand zulässt, alternative Streitbeilegungsformen zur Lösung von Konflikten anzunehmen, betrifft somit die Sphäre seiner privaten Lebensgestaltung, erst recht, wenn er seine (intime) Gedankenwelt gegenüber dem Mediator und dem anderen Teilnehmer preisgeben muss. Der Mediationsverweigerer kann somit jederzeit – auch vor der Einleitung der Mediation – von dieser Streitbeilegungsform Abstand nehmen, sobald er merkt, dass ihm die Mediation keine Befriedigung des inneren Rechtsfriedens (mehr) verschafft und die Preisgabe intimer Informationen zu seiner Person und seines inneren Seelenlebens bedeutet. Weiß der potentielle Mediand bereits vor der Einleitung der Mediation, dass er sich persönlich über seine innere Gefühlswelt erklären soll, kann er aufgrund des Rechts auf Selbstbewahrung gem. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG trotz einer bindenden, vertraglichen Verpflichtung nicht zur Initiierung der Mediation gezwungen werden. Darüber hinaus könnte auch eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kommen, 558

S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.3.a)dd). BVerfG v. 16. 01. 1957 – 1 BvR 253/56 – Elfes – juris Rn. 33. 560 BVerfG v. 14. 09. 1989 – 2 BvR 1062/87 – Verwertung tagebuchartiger Aufzeichnungen, Tagebuchaufzeichnung – juris Rn. 19; vgl. auch BGH v. 22. 12. 2011 – 2 StR 509/10 – juris Rn. 14, wonach ein aufgezeichnetes Selbstgespräch eines sich unbeobachtet fühlenden Beschuldigten unverwertbar ist. 559

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wenn der Mediationsverweigerer trotz Ablehnung der Einleitung der Mediation seine persönlichen Daten preisgeben müsste und diese für die Einleitung der Mediation und während der Dauer beim Mediator verwendet würden. Auf Basis der obigen Ausführung ist festzustellen, dass der Zwang „zur“ Mediation gegen das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen verstößt. Da der Zwang „zur“ Mediation gegen das Grundgesetz verstößt, ist das Einklagen des vertraglichen Anspruchs des Mediationswilligen auf die Einleitung der Mediation gegen den Mediationsverweigerer nicht durchsetzbar, weil die Bereitschaft sowie die Teilnahme an der Mediation eine unvertretbare Handlung gem. § 888 Abs. 3 ZPO in entsprechender Anwendung darstellt.561 Neben Forderungen, die der Zwangsvollstreckung zugänglich sind, sind der Rechtordnung auch Verbindlichkeiten bekannt, die zwar freiwillig erfüllt, jedoch nicht gegen den Willen des Schuldners eingeklagt und durchgesetzt werden können.562 Es handelt sich dabei um sog. unvollkommene Verbindlichkeiten. Bekannte Beispiele hierfür sind Spiel- und Wettschulden gem. § 762 BGB sowie die fehlende Vollstreckbarkeit des Anspruchs auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft gem. § 1353 Abs. 1 BGB i.V.m. § 120 Abs. 3 FamFG,563 wobei es nicht auf einen bestimmten Vertragstyp ankommt.564 Ein Mediations- oder Mediatorenvertrag erfüllt dieselben Kriterien, die solche unvollkommenen Verbindlichkeiten auszeichnen.565 Kernpunkt und Wesensmerkmal des Vertrages ist die Freiwilligkeit der Parteien und ihre Übereinkunft, künftig die Mediation zum Zwecke der Streitbeilegung miteinander durchzuführen.566 Der Mediator- und Mediationsvertrag sind gegenseitig verpflichtende Verträge, durch die sich die Medianden und ggf. der Mediator unter ungewissen Bedingungen, weil die Freiwilligkeit zur einvernehmlichen Lösung zum Zeitpunkt der Streitentstehung noch gegeben sein muss, eine Mediationsteilnahme versprechen.567 Die Verpflichtung zur Eingehung und Durchführung des Mediationsverfahrens unterliegt damit nicht der Vollstreckung. Mediationsschulden sind Ehrenschulden. Die Mediationsvereinbarung kann lediglich einen Erwerbsgrund darstellen, z. B. die Vergütung des Mediators für eine zu spät abgesagte Mediationssitzung, sie kann die Pflicht zur höchstpersönlichen Teilnahme des Mediationsverweigerers an der 561

Zur entpsprechenden Anwendung des § 888 Abs. 3 ZPO andere grundrechtlich geschützten Handlungen, wie etwa die Testier- und die Bekenntnisfreiheit Zöller/Seibel, § 888 ZPO Rn. 16. 562 Staudinger/Olzen (2015), BGB Buch 2, Einl. zu § 241 Rn. 248. 563 Enger Staudinger/Olzen (2015), BGB Buch 2, Einl. zu § 241 Rn. 248, der zwischen gerichtlicher Durchsetzung und Vollstreckung unterscheidet. 564 Schulze, Naturalobligation, Tübingen 2008, S. 6 a.E. 565 S. Staudinger/Olzen (2015), BGB Buch 2, Einl. zu § 241 Rn. 249. 566 Vgl. Wahlen, in: jurisPK-BGB (Stand: 15. 10. 2016), 8. Aufl. 2017, § 1297 Rn. 1. 567 Vgl. für Spiel und Wette Staudinger/Engel (2015), Vorbem. §§ 762 – 764 BGB Rn. 6.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Mediation aber nicht begründen.568 Die Klassifizierung des Mediator- und des Mediationsvertrages als unvollkommene Verbindlichkeit hat darüber hinaus den Vorteil, dass sie zum einen den Rechten des Mediationsverweigerers vollumfänglich Rechnung trägt, ohne dass die durch Vertrag gebundenen Personen, d. h. der Mediator und der mediationswillige Mediand, auf Ansprüche aus einer gescheiterten Mediationsvereinbarung verzichten müssen. Bei einer Verletzung von Aufklärungspflichten, Verkehrssicherungspflichten sowie weiteren Nebenpflichten könnten sie Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung geltend machen.569 Bei dem Mediations- sowie dem Mediatorvertrag handelt es sich um materiellrechtliche Verträge eigener Art, die als Dauerschuldverhältnisse mit einem jederzeitigen Kündigungsrecht ausgestaltet sind. Darüber hinaus sind diese im Hinblick auf die höchstpersönliche Teilnahme an den Mediationssitzungen durch die Medianden nicht einklagbar bzw. nicht vollstreckbar, da die erzwungene Durchführung eines Vertrags zur Eingehung der Mediation gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verstößt. Aus diesem Grund sind Mediations- und Mediatorenverträge als unvollkommene Verbindlichkeiten zu qualifizieren. gg) Resümee Die außergerichtliche Mediation ist eine Art der Mediation, die entweder als Mediationsklausel im Hauptvertrag zwischen den Parteien vereinbart werden als auch einen gesonderten Vertrag darstellen kann, die die Parteien erst bei konkreter Streitentstehung schließen können. Die rechtliche Einordnung solcher Verträge ist im deutschen und polnischen Recht umstritten. Sie können sowohl dem Prozessrecht als auch dem materiellen Recht zugeordnet werden. Die Klassifizierung der Verträge als materiell-rechtliche Verträge ist vorzugswürdig, da dem Mediator keine Prozessbefugnisse zukommen, die Einleitung der Mediation nicht von einem gerichtlichen Akt abhängig ist und die Mediationsvereinbarung nicht die formalen Voraussetzungen erfüllen muss, die im Prozessrecht, wie beispielsweise bei der Klageerhebung, einzuhalten sind. Zudem löst allein der Vertrag – im Gegenzug zu Prozesshandlungen oder -verträgen – im polnischen Mediationsrecht keine unmittelbare Verjährungsunterbrechung aus. Auch ist das Mediationsverfahren aus dem Prozessrecht ausgelagert. Des Weiteren kommen zwei Arten von außergerichtlichen Verträgen über die Mediation in Betracht, nämlich der reine Mediationsvertrag zwischen den Parteien (ggf. vor der Streitentstehung) sowie der Mediatorvertrag zwischen den Parteien und dem Mediator (aufgrund einer konkreten Streitigkeit). Beide Verträge sind als materiell-rechtliche Verträge sui generis einzustufen, die als Dauerschuldverhältnisse 568 Allgm. zur Naturalobligtion Schulze, Naturalobligation, Tübingen 2008, S. 239: fehlende Zwangsbefugnisse des Gläubigers. 569 Vgl. für Spiel und Wette Staudinger/Engel (2015), § 762 BGB Rn. 8.

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mit einem jederzeitigen Kündigungsrecht ausgestaltet sind. Mediations- und Mediatorenverträge sind zudem als unvollkommene Verbindlichkeiten zu qualifizieren, weil die Verpflichtung zur Teilnahme an der Mediation aufgrund des höchstpersönlichen Charakters – ähnlich einer Klage auf Eingehung der Ehe oder Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft gem. § 120 Abs. 3 FamFG – nicht durchsetzbar ist. Der Zwang zur Einleitung einer Mediation verstößt zudem gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der die Mediation verweigernden Partei. Sie hat ein Recht, sich zurückzuziehen, der Mediation fernzubleiben und ihre Gedankenwelt nicht mit den an der Mediation beteiligten Personen zu teilen. Aus dem Rückzugsrecht resultiert auch das Recht, selbst zu bestimmen, auf welche Art und Weise der Betroffene seinen inneren Rechtsfrieden ausleben will – ob auf gerichtlichem oder außergerichtlichem Weg. Ein Zwang zur Mediation ist somit mit dem Zwang in der Mediation vergleichbar. Das Recht der die Mediation verweigernden Partei umfasst damit das Recht, trotz einer vertraglichen Vereinbarung nicht an der Mediation teilnehmen zu müssen. Kann der innere Rechtsfrieden des Mediationsverweigerers nicht durch die Mediation, sondern eine Klageerhebung befriedigt werden, würde eine Verweisung in die Mediation eine Zwangsteilnahme bedeuten und den Betroffenen in seinem Recht auf Selbstbewahrung verletzen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mediationsverweigerers stellt damit einen Grund dar, der die Abbedingung des Erfüllungszwangs rechtfertigt. Mediationsschulden sind mithin Ehrenschulden. b) Die gerichtsnahe Mediation – „sa˛dowe skierowanie mediacji“ und die beantragte Mediation – „mediacja przez wniosek“ Die Mediation kann gem. Art. 1831 § 2 S. 1 Alt. 2 i.V.m. Art. 1838 ZVGB durch einen Verweis des Gerichts erfolgen. Auch wenn diese Art der Mediation als „mediacja sa˛dowa“, d. h. Gerichtsmediation, bezeichnet wird, so ist der Begriff missverständlich. Er bedeutet nicht die Mediation durch einen Güterichter. Richter, die das Richteramt ausüben, dürfen laut polnischem Recht nicht als Mediator tätig sein. Der Ausschluss von Berufsrichtern von Schlichtungs- und Vermittlungstätigkeiten hat in Polen eine lange Tradition und verfolgt den Zweck, das Rechtsprechungsorgan von der neutralen Vermittlungsrolle zu trennen, denn diese sei mit dem Amt des Richters unvereinbar.570 Der Richter kann im polnischen Zivilverfahrensrecht allerdings eine Mediation anregen. Art. 1838 ZVGB ist daher als Befugnis des Gerichts zu verstehen, weshalb im Folgenden anstatt von der „Gerichtsmediation“ von der „gerichtsnahen Mediation“ die Rede ist. Der Entwurf des Mediationsförderungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland hat ursprünglich nicht nur die gerichtsexterne und -interne, sondern auch die gerichtsnahe Mediation vorgesehen.571 Diese wurde als ein Verfahren „während eines Gerichtsverfahrens außerhalb des Gerichts“ bezeichnet, wonach mit „außerhalb des 570 571

S. o. Zweiter Teil, A.I.2.a) und c). BT- Drs. 17/5335, S. 11.

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Gerichts“ das Gericht als Organ der Rechtspflege gemeint ist.572 Den Weg in die gerichtsnahe Mediation ebnet nunmehr gemäß der endgültigen Fassung des deutschen Mediationsförderungsgesetzes grundsätzlich § 278a ZPO, wonach sich die Parteien aufgrund gerichtlichen Vorschlags für die Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung entscheiden können. Auf diesem Wege wird der Prozess unterbrochen, er ruht, und die Parteien können einen Mediator beauftragen. Allerdings wird von der gerichtsnahen Mediation in Deutschland kaum Gebrauch gemacht. Durchgesetzt hat sich vielmehr das Güterichtermodell gem. § 278 Abs. 5 ZPO. aa) Die gerichtsnahe Mediation in Polen Das Gericht kann seit der Implementierung der Mediation in Polen im Jahr 2005 nach Art. 10 ZVGB ein Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, insbesondere der Mediation, vorschlagen, soweit ein Vergleich in der Sache zulässig ist.573 Diese Befugnis des Gerichts, in die Mediation zu verweisen, kann jedoch frühestens nach Klageeinreichung erfolgen.574 Die Verweisung ergeht durch Beschluss und ggf. auch in nicht öffentlicher Sitzung, Art. 1838 § 2 S. 1 ZVGB. Klarzustellen ist, dass nicht das Gericht über die Eingehung der Mediation entscheidet. Zur Wirksamkeit der Verweisung bedarf es allein der Zustimmung der Parteien gem. Art. 1838 § 2 S. 2 ZVGB.575 Für die Zeit des Mediationsverfahrens ordnet das Gericht das Ruhen des Verfahrens an („odroczenie“). Im weitesten Sinne entspricht Art. 1838 ZVGB der Regelung des § 278a ZPO im deutschen Zivilprozessrecht, da sich die Vorschriften bezüglich der gerichtlichen Verweisung und der Anordnung des Ruhens des Verfahrens ähneln. Mit dem polnischen Mediationsförderungsgesetz aus dem Jahr 2015 wurde die Befugnis des Richters, in die Mediation zu verweisen, erweitert. Während das Gericht noch im Jahr 2005 gem. Art. 1838 ZVGB a.F. nur einmal und nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in die Mediation verweisen durfte, ist ihm dies nach der heute geltenden Fassung des Art. 1838 ZVGB aus dem Jahr 2015 zu jeder Zeit und auch mehrmals möglich.576 Dem Vorsitzenden Richter obliegt gem. Art. 1838 § 5 ZVGB eine Prüfung, ob die Streitigkeit zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung, insbesondere der Mediation, geeignet ist. Zeitlich hat die Prüfung vor der Anberaumung der mündlichen Ver572

BT- Drs. 17/5335, S. 5, 7. Soweit das Gericht eine Chance für eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens sieht, kann es gem. Artt. 10, 184 ff ZVGB auch zunächst einen Prozessvergleich anstreben, und die Parteien auf die Möglichkeit des Vergleichs hinweisen, vgl. Turek, MoP 2005, S. 1054. 574 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1838 Rn. 2. 575 Zum Zustimmungserfordernis s. o. unter Zweiter Teil, B.III.2.a)cc). 576 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1838 Rn. 6. 573

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handlung (Art. 206 ZVGB) zu erfolgen. Bleiben Zweifel an der Geeignetheit, so kann der Vorsitzende die Parteien in einer nicht öffentlichen Sitzung anhören, Art. 1838 § 5 S. 2 i.V.m. Art. 148 § 1 ZVGB. Kommt der Vorsitzende zum Schluss, dass die Sache zur Initiierung der Mediation geeignet ist und sind die Parteien mit dem Vorgehen einverstanden, bestimmt das Gericht gem. Art. 1839 § 1 ZVGB einen Mediator, es sei denn, die Parteien haben sich auf einen Mediator geeinigt.577 Mithin wird die Mediation aus dem Gerichtsverfahren ausgelagert. Die gerichtsnahe Mediation im polnischen Mediationsrecht ist dadurch geprägt, dass die Dauer des Mediationsverfahrens, in das das Gericht verwiesen hat, gem. Art. 18310 § 3 ZVGB ausdrücklich nicht zur Dauer des Gerichtsverfahrens zählt. Das Gerichtsverfahren muss vielmehr erst wieder aufgenommen werden, Art. 18310 § 2 ZVGB. Die Dauer des Mediationsverfahrens wird durch das Gericht zunächst auf drei Monate nach Art. 18310 § 1 ZVGB bestimmt.578 Die gerichtsnahe Mediation in Polen ist somit vom gerichtlichen Verfahren abgekoppelt. Die Modalitäten der gerichtsnahen Mediation richten sich nach materiellem Recht. bb) Die beantragte Mediation – „mediacja przez wniosek“ Durch den Begriff „beantragte Mediation“ („mediacja przez wniosek“) könnte zunächst der Eindruck erweckt werden, es handle sich bei dieser Art der Mediation um eine Mediation, die beim Gericht beantragt werden muss, damit diese über eine Verweisung des Gerichts stattfinden kann. Daher könnte angenommen werden, dass es sich bei der beantragten Mediation um eine gerichtsnahe Mediation handelt. Sie ist jedoch vielmehr als eine Sonderform des Mediationsvertrags zu verstehen. Dies gibt der Wortlaut des Art. 1831 § 2 S. 2 ZVGB her, wonach der Vertrag „auch“ („takz˙ e“) durch einen Antrag auf Durchführung der Mediation geschlossen werden kann und der Parteigegner dem Antrag zustimmt. Die Parteien kommen bei der beantragten Mediation somit mit dem Gericht grundsätzlich nicht in Berührung. Die Regelung über die beantragte Mediation gem. Art. 1831 § 2 S. 2 ZVGB i.V.m. Art. 1836 ZVGB greift sowohl in den Fällen, in denen ein Mediationsvertrag bzw. eine Mediationsklausel zwischen den Parteien zuvor vereinbart war, als auch in den Fällen, in denen eine solche Vereinbarung nicht existiert.579 Sie ist nicht zwingend an anhängige bzw. rechtshängige Gerichtsverfahren oder eine Mediationsabrede gebunden,580 sodass gleichzeitig mit der beantragten Mediation auch ein Mediationsvertrag entstehen kann. 577

Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 1838 ZVGB Rn. 3. Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 1838 ZVGB Rn. 3. 579 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1831 Rn. 27. 580 Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, S. 69 und Musterantrag Nr. 15, S. 150; Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1831 ZVGB Rn. 8. 578

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Die beantragte Mediation kann insoweit als ein Bindeglied zwischen der außergerichtlichen und der gerichtsnahen Mediation angesehen werden, als sie sowohl vor Klageerhebung als auch während des Gerichtsprozesses möglich ist.581 Dies wird der Rolle der Mediation als elastisches Verfahren, das sich an die Bedürfnisse der Streitparteien anpassen kann, gerecht. Der Antrag der mediationswilligen Partei ist als Angebot („oferta“) zu verstehen, dessen Inhalt die in Art. 1837 ZVGB enthaltenen essentialia negotii beinhalten soll.582 cc) Die Anordnung der Teilnahme am Informationsgespräch über die Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung und der Mediation gem. Art. 1838 § 4 ZVGB Neu und besonders interessant sind §§ 4, 6 des Art. 1838 ZVGB, wonach der Vorsitzende Richter die Streitparteien zu einem Informationsgespräch über die Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, insbesondere der Mediation, laden kann. Die Neuregelung des Art. 1838 ZVGB basiert auf Art. 5 Abs. 1 der EUMediationsrichtlinie,583 wonach die Gerichte die Parteien zur Teilnahme an leicht zugänglichen Informationsveranstaltungen über die Nutzung der Mediation auffordern können. Die Anordnung der Teilnahme am Informationsgespräch über die Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung und der Mediation gem. Art. 1838 § 4 ZVGB könnte aufgrund der Zwischenschaltung des Gerichts im weiteren Sinne ebenfalls als ein Fall der gerichtsnahen Mediation bzw. gerichtsnahen Vorstufe zur Mediation angesehen werden. Ein Informationsgespräch kann durch einen Richter, einen Rechtspfleger, einen Gerichtsbeamten oder -schreiber sowie einen ständigen Mediator durchgeführt werden. Die Bandbreite an Personen, die über die Möglichkeiten von ADR-Verfahren informieren sollen, verwundert auf den ersten Blick. Ein ständiger Mediator oder ein Richter können nämlich die berufliche Erfahrung in die Informationsveranstaltung einfließen lassen, die ein Gerichtsbeamter oder -schreiber eventuell nicht besitzt. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die EU-Mediationsrichtlinie in Erwägungsgrund 25 vorsieht, dass der „Öffentlichkeit Informationen darüber zur Verfügung gestellt werden, wie mit Mediatoren und Organisationen, die Mediationsdienste erbringen, Kontakt aufgenommen werden kann“. Diese Informationen können alle Angehörigen des Justizdienstes zur Verfügung stellen. Die Qualität der Informationsweitergabe sollte insgesamt nicht an den Personen festgemacht werden, 581 Vgl. Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1831 Rn. 29. 582 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1831 Rn. 24, 28. 583 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1838 Rn. 33.

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sondern am Inhalt. Sobald alle Angehörigen des Justizdienstes einen einheitlichen Leitfaden verfolgen und gleiche Informationen weitergeben, können Richter von den ständigen Mediatoren, Rechtspflegern, Gerichtsbeamten oder -schreibern sogar dauerhaft entlastet werden und sich auf ihre Rechtsprechungstätigkeit konzentrieren. Die Informationsgespräche im polnischen Zivilprozessrecht ähneln sehr stark dem Verfahren nach §§ 135, 156 FamFG im deutschen Verfahrensrecht, obwohl die Informationsgespräche im polnischen Recht zum einen eine größere Reichweite haben und zum anderen auch negative Auswirkungen bei Nichtbefolgung haben können. Der Ablauf und die konkreten Modalitäten einer Informationsveranstaltung im polnischen Zivilverfahrensrecht sind in den §§ 132 ff. einer Verordnung des Justizministers aus dem Jahr 2015 niedergelegt.584 Die Grundlage für die Verordnung ist das polnische Gerichtsverfassungsgesetz. Die Verordnung regelt, dass die Informationsveranstaltung kostenlos ist (§ 135), dass die Ladung zur Teilnahme am Informationsgespräch die Belehrung über negative Folgen des Nichterscheinens enthalten muss (§ 133) sowie dass das Gespräch sowohl in den Räumlichkeiten des zuständigen Gerichts als auch außerhalb585 stattfinden kann (§ 137). Über die erfolgte Informationsveranstaltung ist durch den zuständigen Gesprächsleiter eine Gerichtsnotiz („notatka urze˛ dowa“) zu verfassen und der Gerichtsakte beizufügen (§ 139). Sind die Parteien durch einen Rechtsbeistand vertreten, so geht diesem die Ladung zu (§ 133 S. 2). Etwaige Mindestanforderungen an den Inhalt eines Informationsgesprächs sind dagegen nicht geregelt und bleiben somit Sache des jeweiligen Gerichts. Nimmt eine Partei nicht an dem obligatorischen Informationsgespräch teil, ist sie verpflichtet, die Kosten der Gegenseite zu tragen, welche dieser im Rahmen der Teilnahme an dem Gespräch entstanden sind, Art. 1838 § 6 ZVGB. Es ist allerdings nicht konkretisiert, welche Kosten im Einzelnen hinzuzählen. Wohl zählen die Fahrtkosten sowie die Kosten des Rechtsbeistands dazu, wenn der Rechtsbeistand im Einzelfall zwingend zur Herstellung der Waffengleichheit benötigt würde. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, wenn der Kostenbegriff des Art. 1838 § 6 ZVGB entweder im Rahmen der Norm näher erläutert oder auf andere Kostenbegriffe verweisen würde. Die Anordnung der Teilnahme an einem persönlichen Informationsgespräch ist eine gute Möglichkeit, mit staatlichen Zwangsmitteln und ohne Verletzung der Rechte der Parteien die Betroffenen zum Zuhören zu bewegen. Die Eingriffsintensität durch die Auferlegung der Kosten ist insoweit gering, als diese Kosten zunächst 584 Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci – Regulamin urze˛ dowania sa˛dów powszechnych [Gerichtsordnung der ordentlichen Gerichtsbarkeit] v. 23. 12. 2015, Dz.U. 2015 Pos. 2316. 585 Z. B. in den Räumlichkeiten eines Mediationszentrums, für das der ständige Mediator tätig ist.

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überschaubar bleiben. Es handelt sich schließlich um die Kosten der Partei, die vergeblich zum Gespräch erschienen ist, und nicht etwa um Prozesskosten, die einer Partei im Falle des Unterliegens aufzuerlegen sind. Auch werden die Belange der Parteien nicht in rechtsverletzender Weise berührt. Die Parteien können nach dem Informationsgespräch mitteilen, dass sie kein Interesse an der außergerichtlichen Konfliktbeilegung haben. Sie werden somit weder zum Abschluss eines Mediationsoder Mediatorvertrags oder etwa zur Initiierung einer Mediationssitzung noch zur Durchführung der Mediation gezwungen. Die Kostenauferlegung hat möglicherweise einen psychologischen Effekt, denn die zerstrittenen Parteien werden dem jeweiligen Gegner ungern finanziell entgegenkommen wollen, indem sie der Informationsveranstaltung grundlos fernbleiben. Von der Möglichkeit der Anordnung des Informationsgesprächs sollte verstärkt Gebrauch gemacht werden, sobald eine Streitigkeit mediationsgeeignet erscheint. Von dieser Regelung sollte sich das deutsche Mediationsrecht inspirieren lassen und die Teilnahme an Informationsveranstaltungen auch außerhalb des Familienverfahrensrechts und damit entweder in der ZPO im Anschluss an § 278a ZPO oder im Mediationsgesetz regeln. dd) Resümee Die gerichtsnahe Mediation und die beantragte Mediation sind eine notwendige Ergänzung zur außergerichtlichen Mediation im Gefüge der Artt. 1831 ff. ZVGB im polnischen Mediationsrecht. Da die Parteien auf diese Weise an möglichst vielen Etappen der Streitentstehung von dem Angebot der Mediation und darüber hinaus auch mehrmals Gebrauch machen können, wurden die Vorgaben der EU-Mediationsrichtlinie im polnischen Mediationsrecht zufriedenstellend erfüllt. Im Vergleich zum deutschen Recht ist im polnischen Mediationsrecht jedoch eine klare Trennlinie zu erkennen, die den Prozess von der Mediation absondert: Es existiert keine gerichtsinterne Mediation. Die Gerichte bleiben von der Mediation als ADR-Verfahren abgekoppelt und werden lediglich unterstützend tätig, indem in die Mediation verwiesen oder über die Mediation informiert wird. In Deutschland dagegen wurde das Güterichtermodell als besondere Form der Güteverhandlung implementiert, durch das diese Trennlinie aufgehoben ist. Besonders positiv hervorzuheben ist die seit der polnischen Mediationsreform im Jahr 2015 erweiterte Befugnis des Gerichts, die Parteien zur Teilnahme an einer Informationsveranstaltung über die Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, insbesondere der Mediation, zu verpflichten. Diese Regelung, die in Familiensachen auch im deutschen Recht vorgesehen ist, sollte von den Gerichten verstärkt genutzt und auf die Zivilprozessordnung ausgeweitet werden.

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c) Die Einleitung des Mediationsverfahrens gemäß Artt. 1836 f. ZVGB – „wszcze˛ cie mediacji“ Die Einleitung des Mediationsverfahrens löst bestimmte Rechte und Pflichten der Medianden und des Mediators aus, wenn die Voraussetzungen der Artt. 1836, 1837 ZVGB erfüllt sind. Während Art. 1837 ZVGB die formalen Voraussetzungen des Antrags auf Durchführung einer Mediation enthält, der schriftlich586 an den Mediator und den Parteigegner zu richten ist,587 regelt Art. 1836 ZVGB die Wirkung des Zustandekommens sowie das Fehlschlagen der Einleitung der Mediation. Art. 1836 § 1 ZVGB fordert vom Antragsteller, dass er dem Antrag auf Durchführung einer Mediation einen Nachweis über die Zustellung der Abschrift des Antrags bei dem Parteigegner beifügt. Den Antrag samt Abschrift erhält sodann der Mediator. Die Unterschrift des Antragstellers hat nach Markiewicz konstitutive Wirkung für den Antrag.588 Durch den Zustellungsnachweis bei dem Antragsgegner589 und das Schriftformerfordernis wird der Eindruck erweckt, die Mediation sei, in Anlehnung an ein Gerichtsverfahren, förmlich und weniger flexibel, was der propagierten Elastizität der Mediation widerspräche. Für die Stärkung des Vertrauens in die Mediation sind Mindestkriterien und Formalia jedoch notwendig. In der EU-Mediationsrichtlinie wird dementsprechend im Erwägungsgrund 16 betont, die Mitgliedstaaten sollen wirksame Mechanismen zur Qualitätskontrolle in Bezug auf die Erbringung von Mediationsdiensten mit allen geeignet erscheinenden Mitteln schaffen. Zu solchen Mechanismen zählen Artt. 1836 f. ZVGB. Des Weiteren muss sichergestellt sein, dass die Parteien, „die eine Streitigkeit im Wege der Mediation beizulegen versucht haben, im Anschluss daran nicht durch das Ablaufen der Verjährungsfristen während des Mediationsverfahrens daran gehindert werden, ein Gerichts- oder Schiedsverfahren hinsichtlich derselben Streitigkeit einzuleiten“.590 Daraus ist abzuleiten, dass das Interesse an der Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit höher wiegt als das Interesse an einer schnellen und elastischen Streitbeilegungsform. Aus diesem Grund dienen Artt. 1836 f. ZVGB der Schaffung von Rechtssicherheit und der damit einhergehenden Stärkung des Vertrauens in die Mediation als Alternative zum Gerichtsprozess. 586

(249).

Markiewicz, in: Mediacja w sprawach gospodarczych, (Hrsg.: Torbus, Andrzej), S. 247

587 Antolak-Szymanski/Piaskowska, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1838 Rn. 1. 588 Markiewicz, in: Mediacja w sprawach gospodarczych, (Hrsg.: Torbus, Andrzej), S. 247 (250). 589 Einschreiben, Gerichtsvollzieher, Versicherung an Eides statt des Antragstellers, Kurier oder eigenhändige Unterschrift des Gegners, das Schriftstück erhalten zu haben: AntolakSzymanski/Piaskowska, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1836 Rn. 8; Sychowicz, in: Marciniak/Piasecki, Beck’scher Großkkommentar ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 1836 ZVGB Rn. 2. 590 Art. 8 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Durch die Zustellung des Antrags an den Mediator ist das Mediationsverfahren eröffnet. Die Zustellung beim Mediator ist für die Verfahrenseröffnung konstitutiv.591 Einig ist sich die polnische Literatur, dass die Unterlagen beim Mediator vollständig eingehen müssen, um die Rechtsfolgen nach Art. 1836 §1 ZVGB, insbesondere die Verjährungsunterbrechung, auszulösen.592 Der reine Antrag ohne Zustellungsnachweis sowie fehlende essentialia negotii nach Art. 1837 ZVGB (Benennung des Parteigegners, Bezeichnung der Forderung etc.) initiiert die Mediation nicht. Art. 1836 § 2 ZVGB regelt, wann eine Mediation nicht als eingeleitet gilt und die Initiierung der Mediation fehlgeschlagen ist. Trotz des vollständigen Antrags gem. Art. 1836 § 1 ZVGB kann die Mediation in den in § 2 des Artikels genannten Fällen nicht durchgeführt werden und gilt sogar als nicht initiiert, weshalb auch dann die Rechtsfolgen nach Art. 1836 § 1 ZVGB nicht ausgelöst werden. Dies ist der Fall, wenn der Mediator die Durchführung der Mediation innerhalb von einer Woche nach Zugang des Antrags ablehnt, Art. 1836 § 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZVGB. Auch wird die Mediation nicht eingeleitet, wenn sich die Parteien nicht innerhalb von einer Woche seit Zustellung des Antrags auf Durchführung der Mediation auf einen Mediator einigen können, Art. 1836 § 2 Nr. 3 ZVGB, oder wenn der Parteigegner, der den Antrag erhalten hat, die Mediation abgelehnt hat, Art. 1836 § 2 Nr. 4 ZVGB. Letzteres gilt für den Fall, dass die Parteien zuvor keinen Mediationsvertrag geschlossen haben. Die Regelung des Art. 1836 § 2 ZVGB löste in der Vergangenheit insoweit große Bedenken aus, als der Antragsteller mit erheblicher Unsicherheit belastet war. Auch wenn er alle Voraussetzungen erfüllt hatte, musste er damit rechnen, dass insbesondere die Verjährungsfrist mit Ablehnung seines Antrags weiterläuft. Bei der Durchsetzung von Ansprüchen, bei denen die Verjährungsfrist innerhalb von wenigen Tages abzulaufen drohte, war die Klageerhebung, nicht die Einleitung der Mediation, die rechtssicherste Methode der Sicherung von Ansprüchen. Denn der Zeitpunkt, wann die Mediation eingeleitet war, war schwer bestimmbar.593 Auf diese Diskrepanz wurde der polnische Gesetzgeber aufmerksam und implementierte mit dem Mediationsförderungsgesetz im Jahr 2015 einen neuen § 3 in Art. 1836 ZVGB. Die Regelung sieht eine Fiktion der Einleitung der Mediation vor. Hierfür wird zunächst vorausgesetzt, dass ein wirksamer und vollständiger Antrag auf Durchführung der Mediation gestellt wurde. Dieser musste sodann entweder durch den Mediator oder den Parteigegner abgelehnt worden sein oder der Antrag wurde nach Ablauf einer Wochenfrist nach Zugang des Antrags von dem Mediator 591

(258).

Markiewicz, in: Mediacja w sprawach gospodarczych, (Hrsg.: Torbus, Andrzej), S. 247

592 Antolak-Szymanski/Piaskowska, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1836 Rn. 13; Sychowicz, in: Marciniak/Piasecki, Beck’scher Großkkommentar ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 1836 ZVGB Rn. 2. 593 Begründung des Gesetzesentwurfs zur Gesetzesnovelle v. 10. 09. 2015, Dz.U. 2015, Pos. 1595, Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 17.

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oder der Gegenseite unbeantwortet gelassen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann die Partei den Anspruch, der Gegenstand des Mediationsantrags war, einklagen. Art. 1836 § 3 ZVGB sieht hierfür eine Frist von drei Monaten für die Klagevorbereitung vor. Anhand eines Rechenbeispiels soll illustriert werden, wie sich die neue Rechtslage gem. Art. 1836 § 3 ZVGB auf die Streitigkeit auswirkt: Ein Gläubiger stellt am 3. September einen vollständigen Antrag auf Durchführung der Mediation, da er eine Streitigkeit über einen gekauften Gebrauchtwagen einvernehmlich beilegen möchte. Es geht um einen Anspruch auf Minderung des Kaufpreises aufgrund eines unter den Parteien strittigen Sachmangels an dem Fahrzeug (Art. 560 ZGB). Es wird unterstellt, dass die Verjährungsfrist am 5. September abzulaufen droht. Variante 1 (Wirkung des Art. 1836 § 3 Nr. 1 ZVGB) Am 6. September erhält der Antragsteller ein Ablehnungsschreiben von der Gegenseite, dass dieser kein Interesse an der Mediation habe. Variante 2 (Wirkung des Art. 1836 § 3 Nr. 2 ZVGB) Der Mediator, dem der Antrag am 4. September zugegangen ist, befindet sich im Urlaub und lässt das Schreiben unbeantwortet. Die Gegenseite, bei der die Zustellung am Vortag erfolgt ist, schweigt ebenfalls. In beiden Varianten ist der Minderungsanspruch des Antragstellers verjährt. Der Gläubiger hat in Bezug auf die Variante 1 jedoch die Möglichkeit, den Minderungsanspruch innerhalb von drei Monaten einzuklagen. Die Dreimonatsfrist beginnt am 7. September um 0.00 Uhr und endet am 6. Dezember um 24.00 Uhr. In Bezug auf die Variante 2 ist zunächst die Wochenfrist zu berechnen, die dem Mediator und dem Gegner für die Beantwortung des Antrags eingeräumt wird. Erst nach Ablauf dieser Frist beginnt die Dreimonatsfrist für die Klageerhebung zu laufen. Hinsichtlich der Beantwortungsfrist des Mediators hätte dieser seine Zustimmung oder Ablehnung bis zum 11. September erklären können. Ab dem 12. September würde die Dreimonatsfrist für die Klageeinreichung beginnen und am 11. Dezember um 24.00 Uhr enden, um die Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen, obwohl der Anspruch grundsätzlich bereits am 5. September verjährt wäre. Die Mediation würde gem. Art. 1836 § 3 ZVGB a.E. allerdings als eingeleitet gelten. Der polnische Gesetzgeber betonte in der Begründung des Gesetzesentwurfs, dass es sich nicht um eine Verlängerung der Verjährungsfrist handelt. Die Verjährungsunterbrechungsvorschrift des Art. 123 ZGB bleibt schließlich unverändert bestehen und § 3 des Art. 1836 ZVGB ist abschließend nur auf die oben genannten Fälle anwendbar.594

594 Begründung des Gesetzesentwurfs zur Gesetzesnovelle v. 10. 09. 2015, Dz.U. 2015, Pos. 1595, Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 17 f.

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Mit dem neu eingeführten Absatz ist die Berechnung im Einzelnen umständlich, jedoch rechtssicherer geworden. Der sorgfältige Gläubiger, der alle ihm obliegenden Fristen einhält und den Streitgegenstand aus seinem Einflussbereich entlässt, wird durch die Neuregelung geschützt.595 Es ist ebenfalls nicht zu bemängeln, dass Art. 1836 § 3 ZVGB keine Anwendung auf Art. 1836 § Nr. 4 ZVGB findet, wonach die Mediation nicht eingeleitet wird, wenn keine Mediationsvereinbarung zwischen den Parteien vorlag und die Gegenseite nach Erhalt des Antrags keine Zustimmung596 erteilt hat. In einem solchen Fall ist der Antragsteller nicht schutzwürdig, weil er bereits vor Einleitung des Mediationsverfahrens weiß, dass es an der notwendigen Freiwilligkeit der Gegenseite mangelt. Diese Argumentation entspricht dem deutschen Rechtsverständnis, auch wenn im deutschen Recht eine solche Regelung nicht existiert. Hierzu hat der BGH im Hinblick auf die deutsche Vorschrift des § 242 BGB entschieden, dass die Anrufung einer Gütestelle zum Zwecke der Verjährungshemmung rechtsmissbräuchlich ist, wenn der Parteigegner mitgeteilt hat, sich auf eine außergerichtliche Einigung nicht einlassen zu wollen.597 Der Gläubiger kann sich mithin auch im deutschen Recht nicht auf die Verjährungshemmung durch Einleitung eines Güteverfahrens bei rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme berufen. d) Resümee Das polnische Mediationsrecht in Zivil- und Handelssachen bietet drei Arten der Mediation an: die außergerichtliche, gerichtnahe sowie die beantragte Mediation. Eingeleitet wird die außergerichtliche und die beantragte Mediation durch einen Antrag auf Durchführung einer Mediation, der an den Mediator zu richten ist, sowie einen Nachweis über die Zustellung der Abschrift des Antrags bei dem Parteigegner. Kommt die Mediation über einen bestimmten Streitgegenstand trotz wirksamer Antragstellung nicht zustande, etwa weil der Mediator oder der Parteigegner die Mediation abgelehnt haben, so hat der Antragsteller drei Monate Zeit, eine Klage diesbezüglich zu erheben. Die Wirkungen, die die erfolgreiche Einleitung der Mediation ausgelöst hätte, dazu gehört insbesondere die Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist, bleiben auf diese Weise erhalten. Bei der gerichtsnahen Mediation entfällt die Antragstellung insoweit, als das mit der Streitsache bereits befasste Gericht die Parteien in die Mediation verweist. Das polnische Mediationsrecht enthält zudem eine Regelgung, durch die das Gericht befugt ist, die Streitparteien zur Teilnahme an einem Informationsgespräch über die Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung und der Mediation zu verpflichten, die den freiwilligen Informationsveranstaltungen im deutschen Recht in Familiensachen ähnelt. 595 Begründung des Gesetzesentwurfs zur Gesetzesnovelle v. 10. 09. 2015, Dz.U. 2015, Pos. 1595, Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 17. 596 Zum Begriff der Zustimmung s. o. Zweiter Teil, B.III.2.a)cc). 597 BGH v. 28. 10. 2015 – IV ZR 526/14 – juris Rn. 33 f.

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4. Die gerichtsinterne Mediation und die Güterichtermediation gemäß § 278 Abs. 5 ZPO Die gerichtsinterne Mediation oder das Güterichterverfahren sind Arten der Mediation, die von der EU-Mediationsrichtlinie neben der Mediation außerhalb des Gerichts anerkannt sind.598 Aufgrund des Wortlauts des Art. 1831 § 2 S. 1 ZVGB könnte angenommen werden, die Regelung sähe eine gerichtsinterne Mediation vor. Die Formulierung des Art. 1831 § 2 S. 1 ZVGB „mediacja sa˛dowa“, d. h. Gerichtsmediation, ist insoweit missverständlich, als sie nicht die Streitbeilegung durch einen Richtermediator meint, sondern die Mediation auf Anregung des Gerichts bzw. auf gerichtlichen Vorschlag.599 Die gerichtsinterne Mediation oder auch die Mediation durch einen nicht entscheidungsbefugten Richter ist im polnischen Mediationsrecht somit nicht existent. Im deutschen Mediationsrecht dagegen war bei der Schaffung des Mediationsförderungsgesetzes sowohl die gerichtsinterne Mediation als auch das Güterichtermodell im Gesetzesentwurf vom 01. 04. 2011 vorgesehen.600 Der Güterichter ist in der deutschen Gerichtsbarkeit besonders anerkannt und durch das Mediationsförderungsgesetz601 vom 21. 07. 2012 und der damit einhergehenden Neufassung des § 278 Abs. 5 ZPO nunmehr gesetzlich legaldefiniert, wohingegen die gerichtsinterne Mediation aus dem Gesetzesentwurf gestrichen wurde.602 Auch vor der Einführung des Mediationsförderungsgesetzes war ein Richter gem. § 278 Abs. 5 ZPO a.F. befugt, Einigungsgespräche zu führen. Der sog. kommissarische Richter603 i.S.d. § 278 Abs. 5 ZPO a.F. führte die Güteverhandlung in einer nicht öffentlichen Sitzung mit den Streitparteien.604 Auch ein ersuchter Richter605 konnte mit dem Sühneversuch beauftragt werden.606 Am Beispiel des Modellprojekts „Güterichter“ in Bayern aus dem Jahr 2005 hatte sich das Konzept sowohl bei den Richterkollegen als auch bei den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigen bewährt.607 Deshalb sollte das Güterichtermodell, das sich ebenfalls auf weitere Bundesländer ausweitete und in 598

Erwägungsgrund 12, Art. 3 lit. a) UAbs. 2 der EU-Mediationsricthtlinie. S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.III.3.b). 600 BT- Drs. 17/5335, S. 20. 601 BGBl. I, S. 1577. 602 BT-Drs. 17/8058, S. 1. 603 § 361 ZPO. 604 Musielak/Foerste, ZPO Kommentar, 8. Aufl. München 2011, § 278 ZPO Rn. 13; Greger, ZRP 2006, S. 229. 605 § 362 ZPO. 606 Musielak/Foerste, ZPO Kommentar, 8. Aufl. München 2011, § 278 ZPO Rn. 13; Musielak/Stadler, ZPO Kommentar, 8. Aufl. München 2011, § 362 ZPO Rn. 1; nur für die analoge Anwendung des § 278 Abs. 5 ZPO a.F. v. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, Tübingen 2008, S. 250. 607 Greger, ZRP 2006, S. 229 f. 599

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Deutschland schließlich etablierte, nicht zu einer reinen gerichtsinternen Mediation degradiert werden, zumal die Güterichtermodelle der Länder derart unterschiedlich ausgeprägt waren, dass sie nicht unter die gerichtsinterne Mediation gefasst werden konnten.608 So heißt es in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates: „Die Neufassung des § 278 Absatz 5 ZPO soll ermöglichen, die bestehenden Güterichtermodelle fortzuführen. Diese sind sowohl gerichtsintern als auch gerichtsübergreifend organisiert.“609 Bezüglich der Fassung des neuen Wortlauts über den Güterichter des § 278 Abs. 5 ZPO bestand zwischen dem Bundestag und der Bundesregierung Uneinigkeit, sodass nach mehreren Anläufen610 schließlich der Vermittlungsausschuss einen Kompromissvorschlag einreichte,611 der auch in der geltenden Fassung der ZPO Eingang fand.612 Dies ist der Grund, weshalb es in der Bundesrepublik keine andere zulässige gerichtsinterne Mediation gibt und das Güterichtermodell eine Besonderheit des deutschen Mediationsrechts bleibt.613 Obwohl die polnische Rechtstradition den sog. „se˛ dzia pokoju“614 kennt, der dem in der deutschen Gerichtsbarkeit gem. § 278 Abs. 5 ZPO praktizierenden Güterichter entspricht, hat sich das Institut jedoch nach mehr als zwei Jahrhunderten seiner Anwendung in Polen nicht durchgesetzt und wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts endgültig abgeschafft.615 Vielmehr kam es durch die Implementierung des Entwurfs der EU-Mediationsrichtlinie in das polnische Zivilverfahrensgesetzbuch bereits im Jahr 2005 zu einer gegensätzlichen Position. In der Zeit der VR Polen zeichnete sich zunehmend die Tendenz ab, einen Richter von Tätigkeiten im Zusammenhang mit Vergleichsverhandlungen auszuschließen. Die vielen Streitbeilegungsinstitute in der Zeit der VR Polen verbaten Richtern im Amt kraft gesetzlicher Regularien, eine Position des neutralen Dritten einzunehmen.616 Die Rechtstradition des Güterichters im polnischen Zivilprozess hat sich aufgrund der 608 So auch die Befürchtung der einzelnen Bundesländer weshalb die gerichtsinterne Mediation nicht eingeführt wurde, BT-PlPr17/149, S. 17838 (B); BR-Drs. 10/12, S. 3; Assmann, MDR 2016, S. 1303. 609 Vom 13. 04. 2011, BT-Drs. 17/5496, S. 2. 610 S. dazu BT- Drs. 17/5335 v. 01. 04. 2011, S. 7; BT-Drs. 17/5496 v. 13. 04. 2011, S. 2; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drs. 17/8058, S. 9 v. 01. 12. 2011. 611 BT-Drs. 17/10102, S. 2 v. 27. 06. 2012. 612 Gesetz v. 21. 07. 2012, BGBl. I, S. 1579. 613 Vgl. Assmann, MDR 2016, S. 1303. 614 Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 323. 615 Das Institut des Güterichters aus dem 19. Jh. wurde durch Art. 1 § 1 des Gesetzes vom 09. 04. 1938 über die Aufhebung der Institutionen der Geschworenengerichte und der Güterichter [Ustawa z dnia 9 kwietnia 1938 r. o zniesieniu instytucji sa˛dów przysie˛ głych i se˛ dziów pokoju], Dz.U. 1938 Nr. 24, Pos. 213 abgeschafft; Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 323. 616 Z. B. keine Schiedsrichtertätigkeit eines Berufsrichters Dobrzan´ski, in: Resich/Siedlecki, Kodeks poste˛ powania cywilnego – komentarz I [Einleitung drittes Buch ZVGB-VRP], Warschau 1969, Art. 699 ZVGB-VRP, S. 978; s. o. Zweiter Teil, A.I.2.

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sozialistisch geprägten Rechtsgestaltung gewandelt und ist bis heute erhalten geblieben. a) Das Tätigkeitsverbot des Richters als Mediator gemäß Art. 1832 § 2 ZVGB In Polen darf ein Richter seit Inkrafttreten der Artt. 1831 ff ZVGB am 10. 12. 2005617 nicht Mediator sein. Dieses spezielle Berufsverbot des Art. 1832 § 2 ZVGB erlaubt in Satz 2 lediglich dem Richter im Ruhestand als Mediator tätig zu werden. Das polnische Strafverfahrensgesetzbuch618 sowie die Verordnung über das Mediationsverfahren in Jugendsachen619 enthalten hierfür ein Berufsverbot.620 Die Gesetzesbegründung zu Art. 1832 § 2 ZVGB liefert für das Tätigkeitsverbot keinen Aufschluss. Es heißt lediglich, dass man sich auf die Lösung geeinigt habe, dass jede natürliche Person Mediator sein kann, sofern sie voll geschäftsfähig ist und ihre vollen staatsbürgerlichen Rechte genießt.621 Auch die Gesetzesbegründung zu Art. 23a § 3 StVGB liefert keine Gründe, Richter vom Beruf des Mediators auszuschließen, sondern besagt lediglich, dass sie hierdurch der bisher ausgeübten Kritik entgegenkommt,622 die bei Einführung der Mediationsnovelle im Strafverfahrensrecht im Jahr 2003 unberücksichtigt blieb.623 Im Gegensatz dazu ist die Mediation im Verwaltungsverfahren ausschließlich durch Richter und Rechtspfleger erlaubt.624 Die Betrachtung der mediationsrechtlichen Regelungen anderer Gerichtsbarkeiten in Polen liefert somit ebenfalls keine Begründung für das Tätigkeitsverbot.

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Dz.U. v. 28. 07. 2005, Nr. 172, Pos. 1438. Art. 23a § 3 des polnischen StVGB v. 06. 06. 1997, Dz.U. 1997 Nr. 89, Pos. 555, zul. geändert durch G. v. Dz.U. 2016 Nr. 0, Pos. 2261, der ebenfalls auf das Ordnungswidrigkeitenrecht entsprechend anwendbar ist, Art. 8 des Gesetzes über das Verfahren in Ordnungswidrigkeitssachen, [Kodeks poste˛ powania w sprawach o wykroczenia], Dz.U. 2001 Nr. 106, Pos. 1148, zul. geändert durch G. v. 22. 07. 2016, Dz.U. 2016 Pos. 1265. 619 § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung v. 18. 05. 2001 [Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie poste˛ powania mediacyjnego w sprawach nieletnich], Dz.U. 2001 Nr. 56, Pos. 591. 620 S. dazu Zweiter Teil, A.II.3. 621 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 3 Nr. V., als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018. 622 Gesetzesbegründung v. 08. 11. 2012, Sejm-Drucks. Nr. 870, S. 18. 623 Gesetz v. 10. 01. 2003 über die Änderung des StVGB, des Einführungsgesetzes zum StVGB, des Gesetzes über den Kronzeugen sowie des Gesetzes zum Schutz vertraulicher Informationen [ustawa o zmianie ustawy – kodeks poste˛ powania karnego, ustawy – Przepisy wprowadzaja˛ce Kodeks poste˛ powania karnego, ustawy o s´wiadku koronnym oraz ustawy o ochronie informacji niejawnych], Dz.U. 2003 Nr. 17, Pos. 155. 624 Gesetz v. 30. 08. 2002 über das Recht auf ein Verfahren vor den Verwaltungsgerichten [ustawa prawo o poste˛ powaniu przed sa˛dami administracyjnymi], Dz. U. 2002 Nr. 153 Pos. 1270. 618

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Auch wird in Art. 1832 § 2 ZVGB ausschließlich das Wort „Richter“ verwendet. Naheliegend wäre die Annahme, aufgrund der Gesetzessystematik umfasste das Berufsverbot einzig den Zivilrichter.625 Danach wären zumindest Zivilrichter vom Tätigkeitsverbot erfasst. Diese Interpretation eröffnet die Möglichkeit, dass zum einen Richter anderer Gerichtsbarkeiten vom Tätigkeitsverbot des Art. 1832 § 2 ZVGB gerade nicht ausgeschlossen wären. Dies würde dazu führen, dass ein Richter, der kein Zivilrichter ist, bei Streitigkeiten in Zivil- und Handelssachen durchaus die Rolle des Mediators einnehmen darf. Zum anderen ist auch die Auslegung dahingehend möglich, dass ebenso Schiedsrichter von der Einschränkung des Art. 1832 § 2 ZVGB nicht erfasst sind.626 Bei der Betrachtung des polnischen Rechts über die Schiedsgerichtsbarkeit, insbesondere des Art. 1170 § 2 ZVGB, der sich im Abschnitt des ZVGB über die Zusammensetzung des Schiedsgerichts befindet, fällt auf, dass dieser Artikel ebenfalls ein Tätigkeitsverbot für den Richter enthält. Weitestgehend ist der Wortlaut des Art. 1832 § 2 ZVGB mit dem des Art. 1170 § 2 ZVGB auch identisch. Art. 1170 § 2 S. 1 ZVGB spricht jedoch nicht nur von „dem Richter“, sondern von dem „staatlichen“ Richter („se˛ dzia pan´stwowy“), welcher als Berufsrichter bzw. Richter im Amt im Sinne des polnischen Gerichtsverfassungsgesetzes zu verstehen wäre.627 Dementsprechend könnte die Abweichung vom Wortlaut in Art. 1832 § 2 ZVGB entweder gewollt oder ein redaktionelles Versehen gewesen sein. Das Berufsverbot könnte damit sehr eng (nur die Zivilrichter), einschränkend (alle gesetzlichen Richter) oder weit (alle gesetzlichen Richter sowie Schiedsrichter) verstanden werden.628 In der Literatur ist dieser Streit bisher nicht entschieden.629 Einen Anhaltspunkt bietet die historische Auslegung, um den Streit zu entscheiden. Denn die sozialistische Rechtstradition hat sich in der heutigen polnischen Zivil- und Schiedsgerichtsbarkeit durchgesetzt. In der VR Polen war der Berufsrichter von der Tätigkeit als Schiedsrichter ausgeschlossen. Als Grund wurde in der Kommentarliteratur zu den schiedsgerichtlichen Normen des ZVGB-VRP angeführt, dass ein doppeltes Amt eine Kollision mit seinen Pflichten als Richter und Organ der staatlichen Rechtspflege bedeuten und den eigentlichen Zweck der Schiedsgerichtsbarkeit verfehlen würde.630 Dieser Ansatz könnte als Anhaltspunkt zur Aus625 Z. B. Art. 48 ZVGB über den Ausschluss des Richters vom Verfahren; siehe nur Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1832 ZVGB Rn. 2. 626 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1832 ZVGB Rn. 2. 627 Prawo o ustroju sa˛dów powszechnych [Gerichtsverfassungsgesetz], abgekürzt als pln. GVG v. 27. 07. 2001 in seiner zul. gültigen Fassung, Dz.U. 2015 Pos. 133. 628 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1832 ZVGB Rn. 2 spricht von einer weiten oder engen Auslegung des Begriffs „Richter“ i.S.d. Art. 1832 § 2 S. 1 ZVGB. 629 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1832 ZVGB Rn. 2. 630 S. dazu oben unter Zweiter Teil, A.I.2.; für Art. 699 § 2 ZVGB-VRP a.F.: Dobrzan´ski, in: Resich/Siedlecki, Kodeks poste˛ powania cywilnego – komentarz I [Einleitung drittes Buch

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legung des Wortes „Richter“ in Art. 1832 § 2 S. 1 ZVGB dienen. Mit der Kollision der Pflichten ist zunächst gemeint, dass die Schiedsgerichtsbarkeit dem zivilen Privatrecht und nicht dem öffentlich zugänglichen Zivilverfahrensrecht zuzuordnen ist, die Verfahren also strikt voneinander zu trennen sind. Die Parteien können sich mithin dem Schiedsverfahren kraft privatrechtlicher Vereinbarung unterwerfen. Ein Staat muss dieses Privatklageverfahren jedoch nicht gewährleisten. Wenn eine Streitpartei eine Klage bei Gericht einreicht, muss lediglich garantiert sein, dass sie gemäß der ihr im Rahmen der Verfassung zustehenden Rechte ein faires Verfahren erhält. Das Recht auf ein staatliches Verfahren ist privatrechtlich nicht abdingbar. Bekleidet ein Berufsrichter also einerseits ein öffentliches Amt und andererseits ein privates Amt, so ist die Aufrechterhaltung der Zivilrechtspflege und des damit einhergehenden Rechts auf ein faires Verfahren nicht mehr gewährleistet oder zumindest gefährdet. Das Verständnis vom Richter und seinen Befugnissen ist im polnischen Zivilverfahrensrecht ein anderes als im deutschen Recht. Gemäß Art. 178 Abs. 3 KRP darf ein Richter weder einer politischen Partei noch einer Gewerkschaft angehören noch eine öffentliche Tätigkeit ausüben, die sich mit den Grundsätzen der Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter nicht vereinbaren lässt. Nach deutschem Recht sind Richter weitestgehend frei und können Mitglied in einer Partei sein oder einem Verband angehören. Die deutsche Rechtstradition sieht keine Kollision zwischen der Rolle eines neutralen Dritten und eines Berufsrichters, solange nicht der entscheidungsbefugte Richter als Mediator eingesetzt wird, § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO. Bei Betrachtung der Gesetzeshistorie im polnischen Mediationsrecht ist festzustellen, dass es dem Gesetzgeber bei dem Berufsverbot gem. Art. 1832 § 2 ZVGB um die Trennung zwischen einem öffentlichen Amt und einem privatrechtlich gestalteten „Amt“ geht. Die strenge Trennung zwischen dem öffentlichen Amt des Richters und der privatrechtlichen Rolle des Mediators kann somit nur zu der einschränkenden Auslegung des Tätigkeitsverbotes nach Art. 1832 § 2 S. 1 ZVGB führen. Damit dürfen alle Berufsrichter jeder Gerichtsbarkeit nicht als Mediator fungieren, der Schiedsrichter dagegen kann als Mediator tätig werden. aa) Der Richter als Mediator in der deutschen Zivilgerichtsbarkeit Die Richtermediation durch einen Güterichter gem. § 278 Abs. 5 ZPO bietet Vorteile. In seiner Funktion als Rechtsprechungsorgan wird ein Richter aufgrund seiner Autorität und rechtlichen Kompetenz durch die Parteien geachtet. Die deut-

ZVGB-VRP], Warschau 1969, Art. 699 ZVGB-VRP, S. 978; Siedlecki, Zarys poste˛ powania cywlinego, Warschau 1966, S. 566.

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sche Gerichtsbarkeit genießt überdies auch im Ausland ein großes Ansehen. Sie wird als effektiv und professionell erachtet.631 Daher erscheint die gesetzliche Entwicklung zum nicht entscheidungsbefugten Richter durchaus positiv. Vor Erlass des Mediationsförderungsgesetzes632 war die Stellung der richterlichen Mediation insoweit unklar, als dass die Ermächtigungsgrundlage strittig war.633 Auch wenn § 278 Abs. 5 ZPO seit 2012 nunmehr eine Mediation durch den Güterichter ausdrücklich zulässt und mithin eine Rechtsgrundlage geschaffen wurde, bleibt das Problem der Kollision der Richteraufgaben als Rechtsprechungsorgan i.S.d. Art. 92 GG mit der Aufgabe des Richters als nicht entscheidungsbefugtem Mediator weiterhin bestehen. Eine Verbindung zwischen der Stellung des Richters als Organ der Rechtspflege und dem Mediator ist die Neutralität.634 Die Neutralität im Zusammenhang mit der richterlichen Tätigkeit ist nämlich konstituierend.635 Auch für den Mediator ist dessen Zuständigkeit für alle Streitparteien, die sogar nicht nur als Neutralität, sondern auch als Allparteilichkeit bezeichnet werden könnte,636 eine unverzichtbare Tätigkeitsgrundlage.637 Hinzu kommen die Aspekte der Fairness sowie die Mitwirkung der Parteien im Gerichtsverfahren. Bezüglich des ersteren ist sich die Forschung einig, dass ein als fair erachtetes Gerichtsverfahren die Streitparteien zum gegenseitigen Nachgeben bewegt.638 Dadurch können sie mit dem Ergebnis leben, ein für sie ungünstigeres Ergebnis im Wissen hinzunehmen, dass das Gegenüber auch Zugeständnisse gemacht hat.639 Zudem ist das faire Verfahren in Deutschland etwa durch Art. 97, Art. 101, Art. 103 GG sowie durch Art. 6 EMRK gewährleistet. In der Mediation wird der Grundsatz der Verfahrensgerechtigkeit in § 2 Abs. 3 S. 2 MediatG hervorgehoben. Somit besteht zwischen der Tätigkeit des Güterichters und der des Mediators kein Unterschied.640 631 Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 314. 632 Vom 21. 07. 2012, BGBl. I, S. 1577. 633 Zur gesamten Problematik v. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, Tübingen 2008, S. 147 ff. 634 S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.III.2.e)aa). 635 Grundlegend dazu Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, München 1993, S. 101, 104 ff.; ders., NJW 2003, S. 2193 (2197); a.A. Möllers, Gewaltengliederung, Tübingen 2005, S. 100. 636 v. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, Tübingen 2008, S. 216; vgl. auch Wortlaut des § 2 Abs. 3 S. 1 MediatG: allen Parteien gleichermaßen verpflichtet. 637 Z. B. in Bezug auf den Anwaltsmediator Henssler/Schwackenberg, MDR 1997, S. 409 (410). 638 Greger/Weber, MDR 2012, Nr. 18, S. S003 (S019). 639 Fisher/Ury/Patton, Harvard-Konzept, 24. Aufl. 2013, S. 23 f. 640 Auch wenn die Mediation durch einen Güterichter zum Gerichtsverfahren gezählt wird und das Mediationsgesetz nicht auf die Güterichtermediation anwendbar ist, Assmann, MDR 2016, S. 1303; Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, Köln 2015, Kap. 1, Rn. 26; zust. Greger, GS Unberath, S. 111 (118).

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Bezüglich der Mitwirkung der Parteien ist die Arbeitsweise des Richters mit der des Mediators ebenfalls vergleichbar. Der Anspruch der Prozessparteien, rechtliche und tatsächliche Fragen im Verfahren auszuführen und ggf. Beweisangebote zu liefern, folgt insbesondere aus Art. 6 EMRK.641 Die Mitwirkung der Parteien wird somit im Prozess besonders wertgeschätzt. Nichts Anderes gilt für die Mediation. Die Parteien führen das Mediationsverfahren in Eigenregie und treffen Entscheidungen in allen Verfahrensangelegenheiten und inhaltlichen Ausführungen eigenverantwortlich. Allein die Parteien sollen zu Wort kommen und Gehör finden.642 Dies stellt in einem Mediationsverfahren eine „unverzichtbare Voraussetzung für eine positive Verfahrensgestaltung“643 dar. Sowohl das ob als auch das wie wird somit in der Mediation durch die Parteien bestimmt. Sie können aber auch während des Prozesses einen Vergleich schließen, die Klage zurücknehmen, anerkennen oder für erledigt erklären.644 Hierfür bedarf es keiner Entscheidung des Richters und für diese Entscheidung besitzt er auch nicht die entsprechende Kompetenz. Auch wenn diese Parallelen zwischen dem Richter im Prozess und dem Richter in der Mediation bestehen, ist die dem Richter zugesprochene Entscheidungskompetenz im Prozess gewichtig. Auch hat der Richter die Pflicht, sich an Gesetz und Recht zu halten, was bedeutet, dass er von der prozessrechtlichen Verfahrensordnung nicht abweichen kann. Dies stellt einen großen Unterschied zum Mediationsverfahren dar. Die Mitwirkungsrechte der Parteien im Prozess sind eben nur so weit gefasst, wie die ZPO es erlaubt. Im Mediationsverfahren sind dagegen die Befugnisse der Parteien nahezu grenzenlos. Der Richter ist zudem gem. Art. 20 Abs. 3 GG nicht nur an Gesetz, sondern auch an Recht gebunden. Würden die Parteien eine gesetzes- oder rechtswidrige Lösung treffen wollen, dürfte ein Mediator, der kein Berufsrichter ist, dennoch bis zur Grenze der §§ 134, 138 BGB nicht eingreifen. Der Richter in der Rolle des Mediators dürfte dies konsequenterweise auch nicht. Er wird sich jedoch von seiner Rolle, die Bindung an Gesetz und Recht zu wahren, nicht lösen können. bb) Kritik an der polnischen Begründung des Tätigkeitsverbots – Keine Kollision mit Verfassungsrecht Der Ausschluss eines Richters von der Rolle als Mediator, wie dies im polnischen Mediationsrecht der Fall ist, ist berechtigt, jedoch zu streng gefasst. Die Rolle des Richters als neutraler Dritter widerspricht nicht seiner eigentlichen Funktion im Zivilprozess als Rechtsprechungsorgan. Der Prozess hat dennoch kontradiktorischen Charakter645 und lebt von der Gegensätzlichkeit der Parteien, welche auf die Ent641

Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer/Harrendorf/König, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. Baden-Baden 2017, Art. 6 EMRK Rn. 96. 642 S. o. zu Eigenverantwortlichkeit der Parteien Zweiter Teil, B.III.2.b). 643 v. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, Tübingen 2008, S. 219. 644 v. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, Tübingen 2008, S. 173. 645 Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 318; Wiater JuS 2015, 788.

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scheidungskompetenz des Richters vertrauen. Daher lässt sich der Einwand der polnischen Doktrin, die Entscheidungsbefugnis des Richters würde mit der Neutralität des Mediators kollidieren, durchaus hören. Dabei wird übersehen, dass die Parteien im Prozess es selbst in der Hand haben, das Verfahren mittels eines Vergleichs zu beenden. Dies entspricht ebenfalls dem Mediationsverfahren. Beide Verfahren weisen Parallelen auf. Während eines laufenden Gerichtsverfahrens bedarf es nicht der Erlaubnis des mit der Sache befassten Richters, um einen Vergleich zu schließen – weder im deutschen noch im polnischen Zivilverfahren. Der Vergleich ist neben der richterlichen Entscheidung somit auch ein Wesensmerkmal des kontradiktorischen Verfahrens.646 Da der Prozessvergleich sowohl im deutschen Recht gem. §§ 794 ZPO, 779 BGB647 als auch im polnischen Recht gem. Art. 184 ZVGB, Art. 917 ZGB648 möglich ist, geht das Argument, der Richter könne bzw. dürfe nicht schlichten, ins Leere. Dies gilt auch, wenn der Richter in seiner Rolle lediglich eine rein formale Frage dahingehend stellt, ob die Parteien denn überhaupt vergleichsbereit seien.649 Denn sofern sie dies bejahen, kann und muss er in der Lage sein, auf eine Einigung mittels geeigneter Methoden hinzuwirken. Wenn der Prozessvergleich zu einer Rechtsbefriedung und Rechtsverwirklichung führt, dann entspricht das neutrale Schlichten durch den Richter ebenfalls seiner Rechtsprechungsfunktion kraft Gesetzes und Rechts i.S.d. Art. 20 Abs. 3 im deutschen Recht. Dies gilt auch für das polnische Recht gem. Art. 45 KRP sowie Art. 178 Abs. 1 KRP, wonach der Richter unparteiisch, unabhängig, unbefangen und nur der Verfassung und den Gesetzen unterworfen ist.650 Nach deutschem Recht ist die Unabhängigkeit des Richters verfassungsrechtlich gem. Art. 20 Abs. 3 GG garantiert. Der Richter ist ein Rechtsprechungsorgan und damit i.S.d. Art. 97 Abs. 1 GG, § 25 DRiG nur dem Gesetz und Recht unterworfen. Er darf sich keinen Weisungen unterwerfen.651 Daher erscheint es zunächst wesensfremd, dem Richter die Entscheidungstätigkeit zu nehmen und die Rolle des neutralen, nicht entscheidungsbefugten Dritten zuzusprechen. Bei tiefergehender Betrachtung bezieht sich die Weisungsfreiheit jedoch lediglich auf seine Rechtsprechungstätigkeit. Es soll garantiert sein, dass die Parteien im Prozess vor einen 646

MüKo-ZPO/Wolfsteiner, § 794 Rn. 21. Saenger/Kindl, 7. Aufl. 2017, § 794 ZPO, Rn. 2; Musielak/Voit/Lackmann, 15. Aufl. 2018, § 794 ZPO Rn. 2; MüKo-ZPO/Wolfsteiner, § 794 Rn. 1. 648 Marciniak/Piasecki/Sychowicz, Beck’scher Großkkommentar ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 184 ZVGB Rn. 2; Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 184 ZVGB Rn. 6. 649 A.A. Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 318. 650 S. zur Funktion des Art. 45 KRP im Hinblick auf den Freiwilligkeitsgrundsatz Zweiter Teil, B.III.2.a)bb) sowie Art. 178 KRP im Hinblick auf den Neutralitätsgrundsatz Zweiter Teil, B.III.2.e)aa). 651 BVerfGE 14, 56 (69) – Gemeindegerichtsbarkeit; Maunz/Dürig/Grzeszick, Kommentar Grundgesetz, Lfg. 57 Januar 2010, Art. 20 GG Rn. 236; BeckOK-GG/Morgenthaler, 38. Edition 15. 08. 2018, Art. 97 Rn. 4. 647

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unbefangenen, gesetzes- und rechtstreu entscheidenden Richter652 treten und damit Waffengleichheit gesichert ist und der Prozess nicht durch Willkür beherrscht wird. Im Mediationsverfahren ist der Mediator und damit auch der Güterichter im deutschen Mediationsrecht dazu angehalten, lediglich den Weisungen und Entscheidungen der Parteien zu folgen. Sie sprechen im Vergleich ihr eigenes Recht. Er unterstützt sie bei der Lösungsfindung durch geeignete Methoden. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss, dass der Richter in seiner Rolle als Güterichter bzw. Mediator sein Amt als Berufsrichter gar nicht bekleidet. Es ist allenfalls eine reine Aufgabe der Gerichtsverwaltung.653 Der Richtermediator spricht somit kein Recht.654 Er ist und bleibt jedoch Richter und genießt die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit.655 Zudem kann die Güterichtertätigkeit als Teilzeitbeschäftigung verstanden werden.656 Solange ein Berufsrichter als Güterichter seine hauptamtliche Richtertätigkeit dadurch nicht gefährdet, schadet ein externes Amt wie das des Güterichters nicht.657 Die Tätigkeit der Güterichters ist mit dem Hauptamt nur unvereinbar, wenn sie zeitlich überwiegt.658 Gemäß § 40 DRiG kann ein Richter bei Vorliegen einer Genehmigung sogar als Schiedsrichter, Schiedsgutachter oder Schlichter im Rahmen einer Nebentätigkeit fungieren. Diese ist jedoch genehmigungspflichtig.659 Das Amt des Richters in Deutschland ist mithin flexibel, sodass die Tätigkeit, insbesondere als Mediator tätig zu werden, weder die Rechtsprechungstätigkeit noch die Mediation gefährdet. Diese Grundsätze und Aspekte sind auf die Mediation im polnischen Recht übertragbar. Mit Argumenten des entgegenstehenden Verfassungsrechts660 ist die Stellung des Richtermediators nicht zu entkräften. Klarzustellen ist aber auch, dass sich die polnische Rechtstradition des Tätigkeitsverbots von Berufsrichtern in Bezug auf die Durchführung der Mediation nicht in kurzer Zeit wandeln wird. Dies ist insoweit unschädlich, als das polnische Recht in Zivil- und Handelssachen ein breites

652

Vgl. zu den Einzelheiten wie die Rechtsprechungseinheit Mangoldt/Klein/Starck/ Classen, 6. Aufl. 2010, Art. 97 GG Rn. 18 ff. 653 A.A. Spindler, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Göttingen 2006, S. 11 Rn. 20 f.: „dem Bereich originärer Rechtsprechungsaufgaben noch dem Bereich der Gerichtsverwaltung zuzuordnen; für die Einordnung der Richter-Mediation als rechtsprechende Gewalt i.S.d. Art. 92 GG“; v. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, Tübingen 2008, S. 227; Greger, GS Unberath, S. 111 (117 f.). 654 BT- Drs. 17/5335, S. 20 a.E., Wimmer/Wimmer, NJW 2007, S. 3243 (3244). 655 Wimmer/Wimmer, NJW 2007, S. 3243 (3245 f.). 656 A.A. Staats, Deutsches Richtergesetz- Kommentar, Baden-Baden 2012, § 40 DRiG Rn. 2 a.E. 657 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck/Classen, 6. Aufl. 2010, Art. 97 GG Rn. 40, 36. 658 Vgl. Plädoyer von BVerwG-Präsident Klaus Rennert zur Neuorientierung des Nebentätigkeitsrechts im Jahrespressegespräch in Leipzig, Pressemitteilung des BVerwG Nr. 10/2017 v. 01. 03. 2017. 659 Greger, GS Unberath München 2015, S. 111 (118 Fn. 38). 660 S. o. dazu unter Zweiter Teil, B.III.2.e)aa).

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Angebot an Mediationsdiensten geschaffen hat und anbietet, sodass es einer Richtermediation nicht bedarf. Die Durchführung der Mediation durch einen Richter, wie dies nach deutschem Recht der Fall ist,661 kann zur Überzeugung führen, es bedürfe keiner anderen Modelle als dem des Güterichters.662 Diese Überzeugung könnte neue Streitbeilegungssysteme vom Markt verdrängen, sodass sich die Mediation im Sinne der Mediationsrichtlinie gar nicht erst etablieren kann. Dies stellt den einzigen Grund dar, weshalb in Polen nicht angestrebt werden sollte, eine gerichtsinterne Mediation oder ein Güterichtermodell einzuführen. Weder die Rechtstradition – Rechtstraditionen können sich ändern – noch das Verfassungsrecht verbieten jedoch die gerichtsinterne Mediation oder das Gütüerichtermodell. cc) Resümee Die gerichtsinterne Mediation sowie eine dem deutschen Güterichtermodell entsprechende Art des Mediationsverfahrens ist dem polnischen Recht fremd. Dies wird durch das Tätigkeitsverbot hervorgehoben, wonach ein Richter nicht Mediator sein darf. Der Ausschluss von Richtern aus Schlichtungsämtern sowie der Mediation ist nicht nur eine zivilrechtliche Besonderheit, sondern findet sich insbesondere auch in Straf- und Jugendsachen wieder. Die polnische Rechtstradition zum Ausschluss von Richtern aus Schieds- und Schlichtungstätigkeiten geht zurück bis in das Recht der VR Polen. Als Argument wird angeführt, dem Richter käme vorwiegend eine Rechtsprechungsfunktion zu, sodass er eine neutrale Rolle ohne Entscheidungsbefugnisse nicht in der gebotenen Sorgfalt ausüben könne. Seine Richteraufgaben, die verfassungsrechtlich verankert seien, würden mit der Aufgabe des Richters als nicht entscheidungsbefugtem Mediator kollidieren. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Richter Rechtsfrieden zwischen den Streitparteien schaffen soll. Ist ersichtlich, dass der Rechtsfrieden durch einen Prozessvergleich im Rahmen des Gerichtsverfahrens erreicht werden kann, ist er auch dazu aus verfassungsrechtlicher Sicht befugt und verpflichtet, den Prozess auf diese Weise zu beenden und dem Wunsch der Parteien nachzukommen. b) Die obligatorische Mediation Die obligatorische Mediation existiert im polnischen Zivilverfahrensrecht nicht. Lediglich die Mediation im kollektiven Arbeitsrecht ist einem Streik zwingend vorgeschaltet.663

661

S. dazu Zweiter Teil, B.III.4.a)aa). Gmurzyn´ska, Mediacja w sprawach cywilnych w amerykan´skim systemie prawnym, Warschau 2007, S. 318. 663 S. o. Zweiter Teil, A.II.1.b). 662

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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Im deutschen Recht dagegen können die Landesgesetzgeber gem. § 15a EGZPO selbst bestimmen, ob eine Mediation oder ein anderes Verfahren konsensualer Streitbeilegung zwingend der Klage vorzuschalten ist. Eine obligatorische Mediation wurde in der deutschen Literatur auch im Zusammenhang mit dem damals entstehenden Güterichtermodell teils angezweifelt,664 teils begrüßt.665 Es ist nicht zu verkennen, dass eine obligatorische Mediation mit dem Freiwilligkeitsgrundsatz der Parteien kollidiert. Es stellt sich dennoch die Frage, worauf der Freiwilligkeitsgrundsatz der Mediation fußt und ob eine Zwangsmaßnahme gerechtfertigt sein kann. Dass der Zwang zur Mediation in Form des Abschlusszwangs möglicherweise in Freiheitsrechte der betroffenen Parteien unangemessen eingreifen könnte, hat bereits Schöbel im Ansatz erkannt,666 jedoch nicht weiter erläutert. Der Zwang zur Mediation ist nicht nur bezüglich Einleitung der Mediation verfassungswidrig,667 sondern auch bereits in Bezug auf den Zwang zum Abschluss eines Mediationsvertrags in Form der obligatorischen Streitschlichtung. Das BVerfG hat zwar im Jahr 2007 in einem Nichtannahmebeschluss entschieden, dass eine im Landesschlichtungsgesetz i.Sd. § 15a EGZPO vorgesehene Verpflichtung zur Durchführung eines außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens vor Erhebung einer Klage vor den Zivilgerichten weder gegen Art. 19 Abs. 4 GG noch gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch verstößt.668 Dabei wurde jedoch verkannt, dass nicht nur die Verfahrensgrundrechte relevant sind, sondern ein solches Gesetz in die Freiheitsgrundrechte eingreift und damit verfassungswidrig ist.669 Zwar besagt das BVerfG, der Gesetzgeber sei nicht gehalten, nur kontradiktorische Verfahren vorzusehen und könne Anreize für eine einverständliche Streitbewältigung schaffen. Dem ist entgegenzuhalten, dass ein Zwang keinen Anreiz darstellen kann.670 Einen Anreiz bietet vielmehr das Informationsgespräch, in welchem die Streitparteien über die Mediation und andere außergerichtliche Verfahren aufgeklärt werden.671 Des Weiteren greift die getroffene Feststellung des BVerfG, die 664 Z. B. zu § 278 ZPO a.F. Musielak/Foerste, ZPO Kommentar, 8. Aufl. München 2011, § 278 ZPO Rn. 13: Verweisung von Amts wegen ist wenig sinnvoll; Risse, in: Alternative Streitbeilegung, S. 133 (138 f.). 665 Schöbel, JuS 2000, 372 (374): Eine obligatorische Streitschlichtung sollte wegen ihrer grundsätzlich einfacheren Struktur und ihres geringeren Aufwands erprobt werden. 666 Schöbel, JuS 2000, 372 (374): Das subjektive Recht sichert die selbstbestimmte Freiheitssphäre des Individuums; s. o. zum Zwang zur Mediation Zweiter Teil, B.III.a)ff). 667 S. o. dazu Zweiter Teil, B.III.a)ff). 668 BVerfG v. 14. 02. 2007 – 1 BvR 1351/01 – juris – außergerichtliches Streitschlichtungsverfahren. 669 S. o. dazu Zweiter Teil, B.III.a)ff): Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. 670 Rakowsky, Obligatorische Mediation, S. 54, 199: erzwungene Teilnahme verringert Erfolgsaussichten. 671 S. o. dazu Zweiter Teil, B.III.3.b)cc).

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Regelung belaste den Rechtsuchenden nicht unangemessen, zu kurz. Das BVerfG weist selbst darauf hin, dass die Regelung den Zugang zum Gericht erschwere und dabei – was für die Freiheitsrechte relevant ist – bei einem Scheitern des Einigungsversuchs zu Verzögerungen und höheren Kosten führe. Die Zielgruppe, an die sich die obligatorische Streitbeilegung und damit auch die Mediation richtet, sind Betroffene mit geringen finanziellen Schäden, aber möglicherweise auch geringen finanziellen Mitteln. Die Parteien, die im Rahmen einer Klageerhebung berechtigt wären, Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie anderenfalls von den Verfahrensgrundrechten nicht Gebrauch machen könnten, müssen Schlichtungskosten dagegen selbst tragen. Dessen war sich das BVerfG bei seiner Entscheidung bewusst, indem es auf die Kostenbelastung hingewiesen hat. Insoweit kann eine zwingend vorgeschaltete Mediation zu einer Kostenbe- statt -entlastung für die Parteien führen. Weiter besagt das BVerfG, dass der Gesetzgeber davon ausgehen durfte, dass es kein anderes, mindestens gleich geeignetes Mittel gab672 und eine obligatorische Streitschlichtung alternativlos sei. Dem ist zu widersprechen, da das deutsche Recht mit einem Informationsgespräch über Mediation oder eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung in etwa gleich gute, wenn nicht bessere, Aufklärungsleistung erbringen kann. Würde dies nicht nur in Familien-, sondern auch in Zivilsachen Anwendung finden, könnten die verschiedenen ADR-Modelle und die Kostenanreize den Parteien direkt gegenübergestellt werden. Solche durch das Gericht angeordneten Informationsveranstaltungen können, wie das polnische Mediationsrecht eindrücklich zeigt,673 zwingend sein, ohne zugleich in die Rechte der Parteien einzugreifen. Die Anordnung der Teilnahme am Informationsgespräch über die Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung und der Mediation erlegt der Partei Kosten der Gegenseite auf, die sie im Vertrauen auf das Erscheinen der anderen Partei aufgewendet hat, wenn die andere Partei zum Informationsgespräch unentschuldigt ferngeblieben ist. Hierbei handelt es sich um eine geringe Eingriffsintensität, bei der das wirtschaftliche Risiko kalkulierbar und hinnehmbar ist, nicht dagegen bei der obligatorischen Mediation. Allgemein kann nicht nur auf die Kostenfrage abgestellt werden, da eine obligatorische Mediation das Gesellschaftsbild negativ prägt.674 Es können weniger Präzedenzfälle vorhanden sein, die entstanden wären, um bestimmte gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen und ein gerechtes Gleichgewicht wiederherzustellen.675 Müssten beispielsweise Angestellte

672 BVerfG v. 14. 02. 2007 – 1 BvR 1351/01 – außergerichtliches Streitschlichtungsverfahren – juris Rn. 32. 673 S. o. dazu Zweiter Teil, B.III.3.b)cc). 674 Fiss, in: The Yale Law Journal, Vol. 93 (1984), S. 1073 (1076); Risse, in: Alternative Streitbeilegung, S. 133 (138). 675 Fiss, in: The Yale Law Journal, Vol. 93 (1984), S. 1073 (1076); Risse, in: Alternative Streitbeilegung, S. 133 (136 f.).

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eines Flugkonzerns676 vor Klageerhebung eine obligatorische Schlichtung oder Mediation durchführen und würde die Streitigkeit durch einen Vergleich nicht vor Gericht entschieden werden, obwohl es der ausdrückliche Wunsch der klagenden Partei gewesen wäre, so würde es an einem Maßstab für andere, ähnlich gelagerte Fälle der anderen Angestellten fehlen, die den Einzelnen ermutigen, sein Recht vor Gericht durchzusetzen. Das BVerfG betont in seiner Entscheidung, eine restriktive Auslegung von Regelungen zur obligatorischen Streitbeilegung, bei gleichzeitig erkennbarer Aussichtslosigkeit des Schlichtungsverfahrens, sei verfassungsrechtlich nicht geboten.677 Dies widerspricht der Argumentation in einer jüngeren Entscheidung des BGH678, wonach bei offensichtlich durch die Gegenseite nicht gewollter Einleitung einer ADR-Methode die Berufung auf die Hemmung der Verjährung durch den Antrag bei einer Gütestelle rechtsmissbräuchlich ist. Bei reiner Betrachtung der Begründung ist dem BGH zuzustimmen, denn in diesem Fall ist „von vornherein sicher, dass der Zweck des außergerichtlichen Güteverfahrens – die Entlastung der Justiz und ein dauerhafter Rechtsfrieden durch konsensuale Lösungen (BT-Drucks. 14/980, S. 1 und 5) – nicht erreicht werden kann, weshalb sich eine gleichwohl erfolgte Inanspruchnahme der Gütestelle als rechtsmissbräuchlich erweist.“679 Letztendlich führt die obligatorische Mediation zu einem Abschlusszwang, der gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der die Mediation verweigernden Partei verstößt.680 Dies hat das BVerfG bei seiner Entscheidung außer Acht gelassen. Jedermann hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit gemäß seinem eigenen moralischen Kompass. Dazu gehört auch das Recht, sich zurückzuziehen und die eigene Gedankenwelt für sich zu behalten (Selbstbewahrung) sowie einen inneren Rechtsfrieden mit einer Streitigkeit zu schließen, der nicht zwingend durch die Mediation, sondern auch durch die Klageerhebung erreicht werden kann.681 Damit hat Jedermann das Recht, sich selbst auszusuchen, auf welche Art und Weise er seinen subjektiven Rechtsfrieden findet. Entscheidet eine Person für sich, sie könne den inneren Rechtsfrieden nicht im Rahmen eines ADR-Modells, sondern nur durch eine Klage erreichen, so würde sie durch den Abschlusszwang entgegen den eigenen Überzeugungen handeln, die das Verfassungsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt. Bei der obligatorischen Mediation sind die Parteien gezwungen, zu den Sitzungen höchstpersönlich zu erscheinen, ihr inneres Seelenleben 676 Streitigkeiten zwischen dem Luftverkehrpersonal und der Fluggesellschaften Ryanair und Crewlink, EuGH v. 14. 09. 2017 – C-168/16 und C-169/16 – Nogueira u. a., RRa 2017, 292: Der Begriff „Heimatbasis“ ist jedoch ein wichtiges Indiz für die Bestimmung des „Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“. 677 BVerfG v. 14. 02. 2007 – 1 BvR 1351/01 – außergerichtliches Streitschlichtungsverfahren – juris Rn. 42 f. 678 BGH v. 28. 10. 2015 – IV ZR 526/14 – juris Rn. 33 f. 679 BGH v. 28. 10. 2015 – IV ZR 526/14 – juris Rn. 34. 680 S. o. dazu Zweiter Teil, B.III.a)ff). 681 S. o. dazu Zweiter Teil, B.III.a)ff).

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

und Privatinformationen zu offenbaren, um eine Informations- und Verhandlungsgrundlage für die Beilegung der Streitigkeit zu schaffen. Bei der freiwilligen Klageerhebung dagegen wäre eine solche Offenbarung nicht notwendig, da es um die reine Darlegung der den Anspruch begründenden Umstände geht und nicht um die Darlegung der psychischen Ursache der Streitentstehung. Dadurch, dass die Klageerhebung bei der obligatorischen Streitschlichtung kraft Gesetzes als unzulässig abzuweisen ist, solange die Parteien nicht wenigstens einen Nachweis eines (gescheiterten) obligatorischen Versuchs beim zuständigen Gericht vorlegen, ist die mediationsunwillige Partei darüber hinaus gezwungen, einen Vertrag mit dem Mediator und der Gegenseite einzugehen, sich an den Kosten zu beteiligen und persönlich zur ersten Sitzung zu erscheinen. Die Partei müsste entgegen ihrer Überzeugung und ihres Rechtsempfindens handeln und vertragliche Pflichten entgegen ihrem Willen eingehen. Dieser Zwang kann entsprechend § 888 Abs. 3 ZPO nicht durchgesetzt werden, weil diese Form des Zwangs zur Mediation ein Handeln gegen den subjektiven Rechtsfrieden bedeutet und gegen das von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasste allgemeine Persönlichkeitsrecht verstößt.682 Bei dem gesetzlichen Zwang zum Abschluss eines Privatvertrags in Form eines Mediations- oder Mediatorenvertrags, wie dies bei der obligatorischen Mediation i.S.d. § 15a EGZPO der Fall wäre, müsste die zum Abschluss gezwungene Partei nicht nur intime Informationen preisgeben, die, auch wenn die Gespräche vertraulich sind, nie für die Öffentlichkeit – ähnlich einem Tagebucheintrag – bestimmt waren. Die Streitpartei hat jedoch das Recht, sich nicht zu ihrem Befinden über die Streitigkeit in der Mediation zu äußern, indem sie nicht nur der Mediationssitzung fernbleibt, sich zurückzieht und von der Streitpartei und dem Mediator abschirmt, sondern indem sie gar nicht erst gezwungen wird, einen Vertrag abzuschließen, der sie zu solchen Handlungen überhaupt verpflichtet (a maiore ad minus-Argument). Diese Erwägung basiert auf dem Gedanken zum vom BVerfG entwickelten Schutz des vertraulichen Gesprächs683 sowie des Tagebuchs684. Hinzu kommt ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der die obligatorische Mediation verweigernden Partei gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht, da sie alle Angaben zu ihrer Person Dritten (z. B. dem Mediator) überlassen müsste, obwohl sie dies ggf. nicht bzw. lediglich in einem zur Klageerhebung eingeschränkten Umfang tun wollte. Darüber hinaus ist ein gesetzlicher Abschlusszwang von Privatpersonen in einem nur sehr geringen Umfang verfassungsrechtlich erlaubt oder geboten.685 Der vor682

S. o. dazu Zweiter Teil, B.III.a)ff). BVerfG v. 09. 01. 2006 – 2 BvR 443/02 – Einsichtsanspruch in Krankenhausunterlagen, Maßregelvollzug, NJW 2006, 1116. 684 BVerfG v. 14. 09. 1989 – 2 BvR 1062/87 – Verwertung tagebuchartiger Aufzeichnungen, Tagebuchaufzeichnung – juris. 685 BAG v. 02. 08. 1963 – 1 AZR 9/63 – juris Rn. 31: Arbeitskampf, Sozialleistungen, Insolvenz etc. 683

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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liegende, kraft Gesetzes ausgesprochene Kontrahierungszwang bei höchstpersönlich zu erbringenden Leistungen ist, wie dies bei der Teilnahme an der Mediation der Fall ist, weder geboten noch erlaubt. Die Vertragsabschlussfreiheit ist als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet.686 Dieses Recht kann gem. Art. 2 Abs. 1 GG nur eingeschränkt werden, soweit Rechte anderer verletzt werden oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen wird (Schrankentrias). Landesschlichtungsgesetze, die eine obligatorische Mediation vorsehen, sind Akte der verfassungsmäßigen Ordnung und müssen einen legitimen Zweck verfolgen. Dieser ist zunächst gegeben. Ziel der Gesetze ist die Entlastung der Ziviljustiz, der Beitrag zum dauerhaften Rechtsfrieden sowie eine „schnellere und kostengünstigere Lösung der betroffenen Streitigkeiten“.687 Ein solches Gesetz ist geeignet, die Zwecke zu verfolgen. Aufgrund der Möglichkeit, Informationsveranstaltungen für die Parteien anzuordnen, damit die Parteien über alternative Streitbeilegungsmodelle aufgeklärt werden, ist ein milderes und in etwa gleich geeignetes Mittel gegeben.688 Gesetze, die eine obligatorische Streitschlichtung vorsehen, sind jedoch unverhältnismäßig i. e.S. Angesichts der Möglichkeiten anderer, denselben Zweck erfüllender Förderungsmaßnahmen sowie des Interesses der mediationsverweigernden Partei an der Selbstbewahrung, der Privatautonomie und der informationellen Selbstbestimmung ist eine solch hohe gesetzgeberische Eingriffsintensität nicht angemessen. „Dem geltenden Recht ist jede Art der Zwangsschlichtung fremd“, hat das BAG in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1963 entschieden.689 „Das kommt auch darin zum Ausdruck, daß ein Einlassungszwang im Schlichtungswesen nicht besteht“, so das BAG weiter.690 Auch wenn die Doktrin des BAG auf Streitigkeiten im Tarifwesen ausgerichtet ist, ist die Argumentation vergleichbar und adaptierbar. Sie zeigt auch auf, dass gesetzlicher Abschlusszwang gegen die Privatautonomie verstößt und nur in Ausnahmefällen erlaubt ist. Die obligatorische Mediation ist jedoch kein solcher Ausnahmefall. Das jeweilige Landesschlichtungsgesetz i.V.m. § 15a EGZPO ist mithin rechtswidrig und unanwendbar. c) Resümee Die Tätigkeit des Güterichters, der nicht im Rahmen des Zivilprozesses in der betreffenden Streitsache zuständig ist, ist mit der Mediationsrichtlinie Art. 3 lit. a), Erwägungsgrund 12 sowie mit dem deutschen Grundgesetz und der polnischen 686

BVerfG v. 14. 07. 1998 – 1 BvR 1640/97 – Rechtschreibreform – juris Rn. 148, 151. BVerfG v. 14. 02. 2007 – 1 BvR 1351/01 – außergerichtliches Streitschlichtungsverfahren – juris Rn. 29. 688 S. weiter oben in diesem Abschnitt sowie unter Zweiter Teil, B.III.3.b)cc). 689 BAG v. 02. 08. 1963 – 1 AZR 9/63 – juris Rn. 30. 690 BAG v. 02. 08. 1963 – 1 AZR 9/63 – juris Rn. 30. 687

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Verfassung vereinbar. Allerdings steht die Güterichtertätigkeit aus marktwirtschaftlicher Sicht in Konkurrenz zur eigentlichen Mediation im Sinne der Richtlinie und erschwert es, den Beruf des Mediators in Deutschland langfristig zu etablieren. Auch könnte der Einsatz des Güterichters bei Bürgern, die die Mediation als geeignete Streitbeilegungsmethode für ihren Konflikt ausgewählt haben, insoweit für Missverständnisse sorgen, als der Güterichter kein Mediator im eigentlichen Sinne ist. Der Güterichter kann mediative Elemente in seine Einigungsmethoden einbringen, muss es aber nicht, § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO. Er kann für sich mehr Befugnisse, z. B. das Aussprechen von Empfehlungen oder rechtliche Erläuterungen, beanspruchen als dies dem Mediator erlaubt ist. Dies verfälscht das Bild des Mediators und sorgt möglicherweise für Enttäuschung bei den Parteien. Sobald sie, nachdem sie einen früheren Konflikt im Güterichterverfahren gelöst haben, einen gerichtsexternen Mediator in einem anderen Verfahren beauftragen, könnte ihnen die Mediatortätigkeit im Vergleich mit der Arbeit des Güterichters als minderwertig erscheinen. Sie können auf diese Weise eine falsche Vorstellung von der Mediation bekommen, weil sie zuvor die gerichtsinterne Mediation bzw. Güterichtermediation kennengelernt haben. Oder es sorgt für Enttäuschung bzw. Ernüchterung, wenn der Güterichter „zu viel tut“, sofern die Parteien zuvor lediglich die gerichtsexterne Mediation aus einem früheren Konflikt kannten. Dieses Problem besteht im polnischen Zivilverfahrensrecht nicht. Der Richter ist vom Tätigkeitsverbot erfasst, auch wenn dies im Gesetz nicht begründet ist. Die polnische Rechtskultur sieht im Gegensatz zur deutschen eine viel strengere Trennung des Richteramts von anderen Ämtern vor. Aus diesem Grund wird der Mediator in Polen in jedem Fall eine Person sein, die nicht mit besonderen öffentlichen Ämtern bekleidet ist. Dies wiederum nimmt der Entwicklung und Verbreitung der Mediation die zuvor aufgezeigte Hürde, welche in Deutschland durch das Güterichteramt entsteht. Den Ausführungen zufolge müsste das Güterichtermodell konsequenterweise abgeschafft werden, um die Mediation in ihrem ursprünglichen Verständnis weiter zu fördern. Angesichts der Uneinigkeit des Bundesrates und des Bundestages während der Entstehung des Gesetzes ist die Abschaffung jedoch utopisch und nicht wünschenswert, da sich das Güterichtermodell an vielen Gerichten bewährt hat und der Richter als Träger eines öffentlichen Amtes bei den Bürgern als besonders kompetent und vertrauenswürdig angesehen wird, weshalb die Streitparteien in Deutschland auch in Zukunft verstärkt auf das Modell des Güterichters zurückgreifen werden. Die obligatorische Mediation, die im polnischen Mediationsrecht nicht existent ist, ist in Deutschland vollends abzuschaffen. Zwar hat das BVerfG bereits festgestellt, dass ein Landesschlichtungsgesetz, welches eine zwingend vorgeschaltete außergerichtliche Einigung vor Klageerhebung vorsieht, nicht gegen Verfahrensgrundrechte verstößt. Ein solches Gesetz bzw. eine Gerichtsentscheidung, die eine Klage aufgrund einer nicht vorab durchgeführten Mediation für unzulässig erklärt, stellen jedoch einen unangemessenen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der die Mediation verweigernden Partei dar. Ein aus dem Gesetz resultierender Zwang zur Durchführung einer

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Mediation drängt den Parteien zugleich einen Abschluss eines Mediations- oder Mediatorenvertrags auf und verletzt mithin die Privatautonomie der Parteien. Das jeweilige Landesschlichtungsgesetz i.V.m. § 15a EGZPO im deutschen Recht ist mithin rechtswidrig und unanwendbar. Ein Einlassungszwang im Schlichtungswesen besteht nicht. 5. Die Beendigung der Mediation Die Beendigung der Mediation liegt gleichermaßen wie der Ablauf des Verfahrens sowie dessen Beginn in der Hand der Parteien. Der Zwang zum Abschluss eines Vergleichs und damit der Zwang in der Mediation ist aufgrund des Freiwilligkeitsgrundsatzes jedoch nicht möglich. Die Parteien können das Verfahren zu jeder Zeit abbrechen. Sofern die Mediation erfolgreich mit einer Abschlussvereinbarung endet oder ggf. mangels Vergleichsinteresses scheitert, ergeben sich unterschiedliche Wirkungen auf das Rechtsgefüge des Mediationsverfahrens. Dies bietet Anlass zur genauen Überprüfung der Beendigung der Mediation. a) Der Abschluss der Mediation – die Abschlussvereinbarung Im deutschen Recht endet die erfolgreich durchgeführte Mediation mit einem Vergleich, der gem. § 2 Abs. 6 S. 1 MediatG als „Abschlussvereinbarung“ bezeichnet werden kann. Dieser wird als Vergleichsvertrag gem. § 779 BGB qualifiziert und liegt vor, wenn „Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis besteht und der Vergleich den Streit oder die Ungewissheit im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt“691. Die Beendigung der Mediation wird im polnischen Mediationsrecht durch ein Protokoll gem. Art. 18312 ZVGB abgeschlossen. aa) Die Protokollpflicht gemäß Art. 18312 § 1 ZVGB Art. 18312 ZVGB enthält Regelungen über das Abschlussprotokoll, woraus sich ein Schriftformerfordernis insoweit ergibt, als gem. Art. 18312 § 1 ZVGB ein Protokoll anzufertigen ist. Dieses soll nach Satz 1 den Ort, die Dauer des Mediationsverfahrens, die vollständigen Namen und die Adressen der Parteien, den vollständigen Namen und die Adresse des Mediators sowie den Ausgang des Mediationsverfahrens enthalten. Nach Satz 2 wird das Protokoll vom Mediator unterzeichnet. Wird die Mediation durch einen Vergleich beendet, soll dieser gem. Art. 18312 § 2 S. 1 ZVGB im Protokoll festgehalten werden oder an das Protokoll angehängt werden. Bei erfolgreicher Mediation wird die von den Parteien erarbeitete Lösung mithin als „ugoda“, d. h. Vergleich, durch den Mediator dokumentiert.692 Kann das Protokoll nicht durch eine Partei unterzeichnet werden, so hält dies der Mediator im 691 692

Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Rn. 295. Wrzecionek, Rejent 2009, Nr. 19, S. 123.

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Protokoll fest, Art. 18312 § 2 S. 2 ZVGB. Der Mediator überreicht den Parteien sodann eine Abschrift des Protokolls, Art. 18312 § 3 ZVGB. Das Protokoll ist in jedem Fall anzufertigen, auch wenn die Mediation gescheitert ist. Es ist mithin ein förmlicher Akt, der das Mediationsverfahren abschließt. Im deutschen Mediationsrecht ist die Beendigungslage mangels gesetzlicher Regelung unklar. Aus der EU-Mediationsrichtlinie ergibt sich keine besondere Pflicht zur Protokollierung der Mediation. Diese ist jedoch insoweit vorteilhaft, als dadurch feststeht, wann die Verjährungsfristen wieder zu laufen beginnen. Das Protokoll ist mithin auch ein Mittel zur Schaffung von Rechtssicherheit. bb) Der Protokollant gemäß Art. 18312 § 1 ZVGB Wer das Protokoll zu führen hat, kann dem Gesetzeswortlaut nicht eindeutig entnommen werden. Bei der Formulierung der Protokollpflicht bediente sich der Gesetzgeber eines Reflexivpronomens mit der Folge, dass das Pronomen keiner Person zugeordnet wurde, an die sich die Protokollpflicht richtet. Ins Deutsche übersetzt würde die Formulierung im passiven Indikativ abgefasst sein und lauten: „Über den Verfahrensablauf der Mediation ist ein Protokoll anzufertigen, in welchem der Ort und die Zeit der Mediation … zu benennen sind.“ Dabei ist zu bedenken, dass grundsätzlich nur die beteiligten Parteien und der Mediator in der Mediation anwesend sind und externe Dritte nur ausnahmsweise mit Zustimmung der Parteien an der Mediation teilnehmen dürfen (Vertraulichkeit der Mediation). Daher wäre eine enge Auslegung des Wortlauts im Zusammenhang mit dem Zweck der Mediation als vertrauliches Verfahren unter Privaten durchaus sinnvoll, indem dem Mediator die Protokollpflicht übertragen würde. Allerdings ist auch eine weite Auslegung des Wortlauts angesichts des unbestimmten Personenkreises zulässig. Hierzu schweigt die Gesetzesbegründung.693 Insoweit ist sich die Literatur nicht einig, ob einzig der Mediator zur Abfassung des Protokolls berechtigt und verpflichtet wird, oder auch externe Dritte bzw. auch die Parteien vom Wortlaut erfasst werden. Als Befürworter der engen Auslegung besagt Zielin´ski, dass die Protokollpflicht allein dem Mediator obliegt.694 Die Gegenauffassung695 stellt lediglich auf die Unterzeichnungs-, nicht die Protokollpflicht des Mediators ab, welche sich aus dem Wortlaut des Art. 18312 § 1 S. 2 ZVGB ergibt. Es sei somit gleichgültig, welche Person das Protokoll verfasst hat. Vielmehr kann jeder Teilnehmer der Mediation das Protokoll führen, entscheidend sei allein, wer für den Inhalt und dessen Vollständigkeit verantwortlich 693 Vgl. zur Begründung des Art. 18312 ZVGB Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, SejmDrucks. Nr. 3213, S. 4 Nr. VIII., abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm. gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018; Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, S. 70. 694 Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 18312 ZVGB Rn. 1; ebenfalls Wrzecionek, Rejent 2009, Nr. 19, S. 123, ohne Begründung. 695 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 18312 ZVGB Rn. 1; Sychowicz, in: Marciniak/Piasecki, Beck’scher Großkkommentar ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 18312 ZVGB Rn. 3.

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ist.696 Dies sei aufgrund der Unterschrift der Mediator.697 Daher ist ihrer Auffassung nach der Wortlaut weit auszulegen, weshalb der Mediator nicht das Protokoll zwingend zu führen hat. Telenga tendiert ebenfalls zur weiten Auslegung, fordert aber zusätzlich die Einbeziehung einer dritten Person i.S. eines parteiunabhängigen Protokollanten.698 Er spricht sich dafür aus, die Vorschrift des Art. 18312 ZVGB dahingehend zu erweitern, dass auch der Protokollant, sofern dieser im Einvernehmen der Parteien den Verfahrensablauf zu protokollieren hat, de lege ferenda verpflichtet werden müsste, das Protokoll zu unterzeichnen.699 Er wendet jedoch ein, dass die Mediation kein formalisiertes Verfahren ist und die Parteien einen Protokollanten kraft Vereinbarung einsetzen können, welche sie um eine Klausel ergänzen, in der sie einen außenstehenden Protokollanten zur Abfassung des Abschlussprotokolls bestimmen.700 Kalisz/Zienkiewicz betonen, dass die Entscheidung, wie die Mediation abläuft und auf welche konkrete Weise sie beendet wird, von dem Geschick des Mediators und dem Willen der Parteien abhängt.701 Der Ablauf müsse im Einzelfall an die konkreten Bedürfnisse der Parteien optimal angepasst werden, da sie schließlich die Herren des Verfahrens sind, weshalb die weite Auslegung vorzugswürdig ist.702 Im Ergebnis spricht der Wortlaut des Art. 18312 § 1 S. 2 ZVGB und der Wille der Parteien für eine weite Auslegung der Protokollpflicht. Mithin ist der Mediator lediglich zur Unterzeichnung verpflichtet. Die Parteien können weiter bestimmen, die Protokollpflicht dem Mediator zu übertragen. Als Ergänzung ist zu erwähnen, dass Art. 18312 ZVGB keine Form des Protokolls explizit vorschreibt. Gem. Art. 18312 § 1 S. 2 ZVGB hat der Mediator allerdings das Protokoll zu unterzeichnen. Mithin ist daraus ein Schriftformerfordernis abzuleiten.703

696 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 18312 ZVGB Rn. 1; Sychowicz, in: Marciniak/Piasecki, Beck’scher Großkkommentar ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 18312 ZVGB Rn. 3. 697 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 18312 ZVGB Rn. 1; Sychowicz, in: Marciniak/Piasecki, Beck’scher Großkkommentar ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 18312 ZVGB Rn. 3. 698 Jakubecki/Telenga, ZVGB-Kommentar, 7. Aufl. Warschau 2017, Art. 18312 ZVGB, Rn. 1. 699 Jakubecki/Telenga, ZVGB-Kommentar, 7. Aufl. Warschau 2017, Art. 18312 ZVGB, Rn. 1. 700 Jakubecki/Telenga, ZVGB-Kommentar, 7. Aufl. Warschau 2017, Art. 18312 ZVGB, Rn. 1. 701 Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, S. 70. 702 Kalisz/Zienkiewicz, Mediacja sa˛dowa i pozasa˛dowa, Warschau 2009, S. 70. 703 Wrzecionek, Rejent 2009, Nr. 19, S. 123.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

b) Resümee Der erfolgreiche Abschluss einer Mediation endet im deutschen und polnischen Recht mit einem Vergleich. Im polnischen Mediationsrecht besteht jedoch eine zusätzliche Protokollpflicht, wodurch das Mediationsverfahren förmlich beendet wird. Diese Art der Beendigung der Mediation ist besonders rechtssicher, da anhand des Beendigungszeitpunkts festgestellt werden kann, wann die Verjährungsfristen zu laufen beginnen und im Falle des Scheiterns der Mediation eine Klage angestrebt werden kann. Bei erfolgreicher Mediation wird der Vergleich im polnischen Recht dem Protokoll beigefügt. Es besteht jedoch aufgrund des Wortlauts des Art. 18312 § 1 ZVGB Uneinigkeit in der Literatur, wer berechtigt und verpflichtet ist, das Protokoll anzufertigen. Angesichts der Entscheidungshoheit der Medianden obliegt ihnen die Klärung dieser Frage. Dadurch, dass der Mediator das Protokoll unterzeichnen muss, ist davon auszugehen, dass dieser das Protokoll üblicherweise anfertigen wird. Im deutschen und polnischen Recht wurde die Beendigung der Mediation durch die Gesetzgeber unterschiedlich streng geregelt. Auch wenn die EU-Mediationsrichtlinie hierzu keine Vorgaben enthält, ist eine Regulierung, zu welchem Zeitpunkt die Mediation für beendet erklärt wurde, nach dem polnischen Zivilverfahrensrecht begrüßenswert. Dadurch steht rechtssicher fest, wann die Verjährungsfristen zu laufen beginnen. Auf diese Weise kann die Partei, je nachdem, ob die Mediation gescheitert ist oder erfolgreich mit einem Vergleich abgeschlossen wurde, ihre Ansprüche weiter durchsetzen.

6. Zusammenfassung der deutschen und polnischen Regelungen zu den Mediationsgrundsätzen Die deutschen und polnischen Regelungen der Mediation in Zivil- und Handelssachen enthalten die wesentlichen Grundsätze eines Mediationsverfahrens und entsprechen den Vorgaben der EU-Mediationsrichtlinie. Dem Grundsatz der Freiwilligkeit der Parteien wird ein hoher Stellenwert beigemessen, weshalb sowohl die deutschen als auch die polnischen Regelungen dieses Prinzip explizit ausgestaltet haben. Die Eigenverantwortlichkeit und Informiertheit der Parteien in der Mediation war im deutschen Recht mit dem Mediationsförderungsgesetz aus dem Jahr 2012 im Mediationsgesetz geregelt, wohingegen der polnische Gesetzgeber diese Grundsätze mit der Reform des Mediationsrechts im Jahr 2015 stärkte. Die Umsetzung der EUMediationsrichtlinie erfolgte strenger als die Vorgabe des Art. 7 der EU-Mediationsrichtlinie, da das polnische Mediationsrecht im Gegensatz zur EU-Mediationsrichtlinie keine Ausnahmen vom Vertraulichkeitsgrundsatz vorsieht. Der Begriff der Neutralität des Mediators entspricht in der deutschen Fassung des Mediationsgesetzes nicht dem Wortlaut der EU-Mediationsrichtlinie, erfüllt dennoch vollumfänglich den Zweck, die Parteien auf eine unabhängige und unparteiische Weise durch das Mediationsverfahren zu begleiten.

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Die Arten der Mediation, die in Deutschland und Polen praktiziert werden, unterscheiden sich im Hinblick auf die gerichtsnahe und gerichtsinterne Mediation. Das polnische Mediationsrecht hat aufgrund seiner in der Zeit der VR Polen vorherrschenden Ansicht, Richter seien als Rechtsprechungsorgane für das Amt eines neutralen Dritten (in Form eines Mediators) ungeeignet, keine gerichtsinterne Mediation und keine Mediation, die dem deutschen Güterichtermodell entspricht. Gegen die Tätigkeit der Richter als Mediatoren spricht weder das Grundgesetz noch die polnische Verfassung. Ob die polnische Rechtstradition in Zukunft einen Wandel erleben und das Tätigkeitsverbot der Richter aufgehoben wird, ist dennoch fraglich. Grund hierfür ist, dass das polnische Mediationsrecht sowohl eine gerichtsnahe als auch eine beantragte Mediation vorsieht und somit kein Bedürfnis nach einer weiteren Mediationsart besteht. Die außergerichtliche Mediation erfolgt im deutschen und polnischen Mediationsrecht auf vertraglicher Basis, wobei in den Ländern Streit über die Rechtsnatur der Mediationsverträge besteht. Es handelt sich um materiell-rechtliche Verträge sui generis, die als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren sind. Des Weiteren dient die vertragliche und gesetzliche Ausgestaltung der Mediation der Schaffung eines äußeren bzw. objektiven Rechtsfriedens für die Allgemeinheit. Die Mediation in ihrer gesetzlichen oder vertraglichen Form hat auch einen inneren bzw. subjektiven Rechtsfrieden zum Ziel, wodurch die Streitpartei kein Bedürfnis mehr verspürt, Rechtsklarheit durch ein Gerichtsurteil zu erlangen. Es gilt die Prämisse, dass die Streitpartei, die eine Lösung aufgrund des Prinzips der Eigenverantwortlichkeit nur höchstpersönlich mitentwickelt, das Mediationsergebnis besser akzeptiert und die Streitigkeit beilegt. Diese höchstpersönliche Teilnahme an den Mediationssitzungen durch die Medianden ist nicht vollstreckbar, da die erzwungene Durchführung eines Vertrags zur Eingehung der Mediation gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verstößt. Aus diesem Grund sind Mediations- und Mediatorenverträge als unvollkommene Verbindlichkeiten zu qualifizieren. Die mangelnde Erzwingbarkeit zur Eingehung von Mediationsverträgen und zur Durchführung der Mediationssitzungen führt ebenfalls dazu, dass eine obligatorische Mediation nicht möglich ist. Sie kann einen inneren Rechtsfrieden nicht herbeiführen und verletzt die Freiheitsrechte, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht der die Mediation verweigernden Partei. Ein Einlassungszwang in der Mediation besteht nicht.

IV. Die Qualitätssicherung der Mediation Die Sicherung von einheitlichen Standards für das Mediationsverfahren und die Sicherung der Qualität der Ausbildung zum Mediator hat in Deutschland und Polen unterschiedliche Regelungen erfahren. Art. 4 der EU-Mediationsrichtlinie sieht

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

dabei keine einheitlichen Vorgaben zur Sicherstellung der Qualität vor. Zu den in der Richtlinie genannten Kontrollmechanismen zählen lediglich (1) die Förderung der Entwicklung und Einhaltung von freiwilligen Verhaltenskodizes sowie (2) die Ausund Fortbildung der Mediatoren. Dadurch haben die Mitgliedstaaten größtmöglichen Entscheidungsspielraum insoweit erhalten, als dass sie die Mittel und die Intensität der Qualitätssicherung frei bestimmen können. Während das deutsche Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz seit 2014 an einem Verordnungsentwurf arbeitete und die finale Fassung der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren, kurz ZMediatAusbV, mit darin geforderten 120 Präsenzstunden am 01. 09. 2017 in Kraft getreten ist,704 arbeitet das polnische Mediationsrecht dagegen mit unterschiedlichen Regelungen ohne Lehrstundenvorgaben. Es differenziert zudem zwischen den Rechtsgebieten und setzt bei den Kenntnissen des Mediators – je nach Rechtsgebiet – unterschiedliche Schwerpunkte. Im Jugendstrafverfahren wendet es konkrete und ausformulierte Standards für Mediatoren an, die sich auf die Mediation in Jugendsachen spezialisieren. Diese finden sich im Anhang zur Verordnung des Justizministers über das Mediationsverfahren in Jugendsachen, enthalten entgegen der deutschen Verordnung jedoch weder Lehrgangselemente noch zu absolvierende Präsenzzeitstunden.705 Im allgemeinen Strafverfahrensrecht im Vergleich zum Verfahren in Jugendsachen findet eine derart konkrete Angabe zur Mediationsausbildung wiederum nicht statt. Es werden vielmehr Rahmenbedingungen innerhalb der Verordnung706 gesetzt und Kenntnisse grob umschrieben und im Einzelfall durch die Rechtsprechung konkretisiert.707 Im Zivil- und Handelsrecht gibt es dagegen weder konkrete Regelungen noch Richtlinien zur Ausbildung des Mediators. Hinsichtlich der Standards für Mediatoren wird überwiegend auf den Europäischen Verhaltenskodex für Mediatoren vom 02. 07. 2004 verwiesen.708 Das polnische Recht enthält somit im Vergleich zu den deutschen Standards insgesamt eher weichere 704

Vom 21. 08. 2016, BGBl. I, S. 1994. Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie poste˛ powania mediacyjnego w sprawach nieletnich [Verordnung des Justizministers über das Mediationsverfahren in Jugendsachen], Dz.U. v. 18. 05. 2001, Nr. 56 Pos. 591. 706 Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie poste˛ powania mediacyjnego w sprawach karnych [Verordnung des Justizministers über das Mediationsverfahren in Strafsachen], Dz.U. v. 25. 05. 2015, Pos. 716. 707 Z. B. Wyrok Wojewódzkiego Sa˛du Administracyjnego w Krakowie z dnia 14. 02. 2007 r. – III SA/Kr 1330/05 [Urteil des VG Krakau v. 14. 02. 2007 – III SA/Kr 1330/05], Legalis Nr. 957488, wonach auch das Belegen eines Psychologiefachs im Rahmen der Ausbildung zum Musiklehrer für die Einhaltung der Mediationsstandards für einen Mediator im Strafrecht genügt. 708 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/civiljustice/adr/adr_ec_code_conduct_en.pdf, Stand: 06. 11. 2017; Erwägungsgrund 17 der EU-Mediationsrichtlinie; s. dazu auch Mähler/Mähler, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 31 Rn. 90; es gilt zudem die Empfehlung 2001/310/EG der Kommission vom 04. 04. 2001 über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen, ABl. Nr. L 109 v. 19. 4. 2001, S. 56; s. Erster Teil, B.I.2. 705

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Regelungen zur Sicherung der Qualität. Auf den ersten Blick passt die vom polnischen Recht favorisierte weiche Lösung zum Konzept des Mediationsverfahrens, das besonders flexibel, in der polnischen Literatur709 als elastisch bezeichnet, und individuell an die Medianden angepasst werden soll. 1. Die Registrierung des Mediators durch die Eintragung in das Mediatorenverzeichnis beim polnischen Bezirksgericht Um das Ansehen der Mediation in Polen zu erhöhen, hat der Gesetzgeber für die Mediation in Zivil- und Handelssachen im Rahmen der Mediationsnovelle aus dem Jahr 2015 eine neue Regelung im polnischen Gerichtsverfassungsgesetz geschaffen.710 Nach diesen Vorschriften sollen feste bzw. ständige („stały“), d. h. dauerhaft registrierte, Mediatoren in besondere Mediatorenlisten eingetragen werden. Die Regelung ist dem polnischen Recht insoweit nicht fremd, als Mediationslisten bereits in Art. 1832 ZVGB im Jahr 2005 ausdrücklich zugelassen wurden.711 Neu ist die Verankerung der Mediatorenlisten im polnischen Gerichtsverfassungsgesetz, kurz pln. GVG, genauer genommen in Artt. 157a bis 157 f pln. GVG im neu geschaffenen Kapitel 6a des IV. Teils des polnischen Gerichtsverfassungsgesetzes. Hinzu kommt auch die erstmals auf dem Gebiet des Zivilrechts geschaffene, auf der Ermächtigungsgrundlage des Art. 157 f pln. GVG basierende Rechtsverordnung des Justizministers über die Registrierung von festen bzw. ständigen Mediatoren und die Eintragung dieser in das von den Bezirksgerichten („sa˛dy okre˛ gowe“), die den deutschen Landgerichten entsprechen, geführte Mediatorenverzeichnis.712 Dieses Mediatorenverzeichnis existiert bei den Bezirksgerichten online und wird über einen Aushang in Gerichtsgebäuden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Um der Bevölkerung sowie insbesondere den bereits an einem rechtshängigen Streit beteiligten Parteien die Mediation zugänglicher zu machen, ist dieser Informationsaushang sogar gesetzlich geregelt. Im Kapitel 2, das sich mit der Innen- und Außenausstattung der Gerichte befasst, ist in § 10 der Verordnung des Justizministers über die Geschäftsordnung für die ordentliche Gerichtbarkeit713 das Vorhandensein von Informationstafeln geregelt. Die Vorschrift enthält die generelle Pflicht zum Aushang von Informationen über die Mediation an Informationstafeln in Ein709

Z. B. Morek, in: Gmurzyn´ska/Morek, Medjacje, 3. Aufl. 2018, S. 293. Begründung des Gesetzesentwurfs zur Gesetzesnovelle v. 10. 09. 2015, Dz.U. 2015, Pos. 1595, Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 3; Włos´nicka, MoP 2016, S. 1102 (1106). 711 Die Regelung ähnelt den die Art. 23a StVG und Art. 3a JVG begleitenden Rechtsverordnungen in Straf- und Jugendsachen. 712 Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie prowadzenia listy stałych mediatorów [Verordnung des Justizministers über die Führung von Listen von festen Mediatoren], Dz.U. v. 20. 01. 2016, Pos. 122. 713 Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci – Regulamin urze˛ dowania sa˛dów powszechnych v. 23. 12. 2015, Dz. U. 30. 12. 2015, Pos. 2316, als Rechtgrundlage dient § 41 Abs. 1 des pln. GVG. 710

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gangshallen von Gerichtsgebäuden. Der Aushang soll die Information enthalten, dass Gerichtsbesucher jederzeit Einsicht in Mediatorenlisten bei der Gerichtsverwaltung, der Geschäftsstelle oder in der jeweiligen Gerichtsabteilung erhalten können. Mit Mediatorenlisten i.S.d. § 10 der Verordnung sind Listen der sog. festen bzw. ständigen Mediatoren, Listen der Mediatoren, die von Mediationsverbänden oder Hochschulen an das jeweilige Gericht weitergereicht werden können, sowie Listen von anderen Einrichtungen oder Personen, die zur Durchführung der Mediation in Strafsachen und Jugendsachen befähigt sind, gemeint. Laut § 10 Abs. 5 der Verordnung kann die Informationstafel auch elektronisch geführt werden, weshalb die Mediatorenlisten oftmals bei den Bezirksgerichten auf ihrer Homepage online eingesehen werden können. Insbesondere Regionalgerichte („sa˛dy rejonowe“), die den deutschen Amtsgerichten entsprechen, haben unter der Rubrik „Mediacja“ einen externen Link, welcher direkt auf die Internetseite des zuständigen Bezirksgerichts weiterleitet, auf der sich die Listen und Informationen zur Mediation und zu Mediatoren befinden. a) Der „feste“ Mediator gemäß Artt. 157a ff. pln. GVG – „stały mediator“ Feste Mediatoren müssen die in Artt. 157a pln. GVG i.V.m. 1832 §§ 1, 2 ZVGB festgeschriebenen Voraussetzungen erfüllen. Insbesondere müssen sie in einem Mediatorenverzeichnis beim Bezirksgericht eingetragen sein, um die Bezeichnung „fester“ bzw. „ständiger“714 Mediator tragen zu dürfen. Die Regelung des Art. 1832 § 3 ZVGB a.F. sah bis zum Jahr 2015 vor, dass solche Mediatorenlisten nicht von den Gerichten, sondern von Nichtregierungsorganisationen, zu denen Mediations- und andere Berufsverbände überwiegend zählen,715 sowie Hochschulen in Eigenregie geführt werden, die eng mit Mediatoren zusammen arbeiten und an der Mediatorenausbildung beteiligt sind.716 Nach der Mediationsnovelle im Jahr 2015 wurde jedoch die Aufgabe, die Mediatoren als „feste“ Mediatoren einzutragen, an die Bezirksgerichte übertragen. Auch noch nach der ersten kleineren Mediationsnovelle aus dem Jahr 2011 sah Art. 1832 § 3 S. 1 ZVGB a.F. vor, dass die Mediationsorganisationen bzw. Hochschulen die Listen über feste Mediatoren selbst führen und diese sodann gem. Art. 1832 § 3 S. 1 ZVGB a.F. an die Bezirksgerichte weiterleiten.717 Seit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung muss ein Mediator ab dem 714 „Ständiger“ Mediator entspricht weitestgehend dem Wortlaut des Art. 157a pln. GVG: „stały mediator“, wobei auch der Begriff „fester“ oder „gelisteter“ Mediator treffend wäre. 715 Morek/Budniak-Rogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1832 ZVGB Rn. 28. 716 Z. B. das Mediationszentrum des Schiedsgerichts bei der „Komisja Nadzoru Finansowego“ [Kommission für Finanzaufsicht], Szyman´ski, ADR 2017, S. 45 und 48 im Finanzsektor; s. auch das größte Netzwerk des „Polskie Centrum Mediacji“ [Polnisches Mediationszentrum], abrufbar unter http://mediator.org.pl/szukam_mediatora/3/1,,/, Stand: 06. 11. 2018. 717 Art. 1832 § 3 ZVGB i. d. F. v. 16. 09. 2011, Dz.U. 2011 Nr. 233, Pos. 1381.

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01. 01. 2016 beim Bezirksgericht einen Antrag stellen,718 um als fester Mediator eingetragen zu werden und sich auch als solcher bezeichnen zu dürfen. Dadurch hat sich nicht nur die Aufgabenverteilung verlagert, sondern es wurde eine weitere Kontrollinstanz geschaffen. Bei Gericht werden alle Voraussetzungen für die Eignung eines antragstellenden Mediators zunächst geprüft. Ist der antragstellende Mediator bereits in einem Mediationszentrum tätig, erfolgt die Qualitätskontrolle über zwei Stufen. Mit der Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2015 ergeben sich nunmehr folgende vier Konstellationen bezüglich der Mediatorenbezeichnung, die zum Teil der Übergangsphase des alten Mediationsrechts in das neue geschuldet sind:719 Es gibt zum einen (1) nicht institutionalisierte Mediatoren, die also weder bei Gericht noch in Listen von Organisationen und Hochschulen registriert und beschäftigt sind (Ad-hoc-Mediatoren)720, zum anderen gibt es Mediatoren, die (2) nur bei Gericht in das Mediatorenverzeichnis eingetragen sind (feste Mediatoren). Darüber hinaus gibt es Mediatoren, die (3) sowohl über Institutionen verwaltet werden als auch beim Bezirksgericht als ständiger Mediator eingetragen sind (feste Mediatoren), und schließlich diejenigen Mediatoren, die (4) nur über Organisationen tätig sind, ohne in ein Mediatorenverzeichnis des Gerichts eingetragen zu sein, die als „bei einer Organisation gelistete“ Mediatoren bezeichnet werden können. Nach dem neuen Recht dürfen Mediatoren aber nur die Bezeichnung „stały mediator“ tragen, wenn sie bei einem oder mehreren Bezirksgerichten formell registriert sind. Nach früherer Rechtslage wären diese Mediatoren in Konstellation (3) sowie (4) als feste Mediatoren bezeichnet gewesen. Nunmehr trifft es lediglich auf die Konstellationen (2) und (3) zu. Entscheidend ist somit die Eintragung beim Bezirksgericht. Üblicherweise werden die Eintragungen der festen Mediatoren in ein Verzeichnis zusammengefasst und von den Bezirksgerichten online gestellt, vgl. Art. 157e pln. GVG. Darin werden Name, Alter, Postanschrift, Telefonnummer und E-MailAdresse, beruflicher Werdegang sowie Schulungen, Mediationsausrichtung und zuletzt die den Mediator beschäftigte Institution genannt.721 Diese Angaben entsprechen der gesetzlichen Vorgabe des Art. 157d §§ 2, 3 pln. GVG. Dies bedeutet nicht, dass diese Mediatoren zertifiziert sind und damit eine bestimmte, staatlich geregelte Mediationsausbildung abgeschlossen haben. Auch Mediatoren ohne eine besondere und speziell auf die Mediation ausgerichtete Ausbildung können registriert werden, sofern sie denn die Voraussetzungen anderweitig nachweisen kön-

718

Art. 13 der Gesetzesnovelle v. 10. 09. 2015, Dz.U. 2015, Pos. 1595. So Malczyk, in: Góra-Błaszczykowska, Online-Kommentar ZVGB, 2. Aufl. 2016, Art. 1832 ZVGB Rn. 8 a.E.; zust. Morek/Budniak-Rogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGBKommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1832 ZVGB Rn. 15; a.A. Głodowski, ADR 2016, Nr. 1, S. 19 (20): drei Mediatorengruppen. 720 So Malczyk, in: Góra-Błaszczykowska, Kompakt-Kommentar ZVGB, 2. Aufl. 2016, Art. 1832 ZVGB Rn. 8 a.E.; s. Głodowski, ADR 2016, Nr. 1, S. 19 (20). 721 Z. B. das Online-Mediatorenverzeichnis des Bezirksgerichts Danzig, abrufbar unter http://www.gdansk.so.gov.pl/lista-stalych-mediatorow, Stand 06. 11. 2018. 719

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

nen.722 Die Vorgaben des pln. GVG setzen somit keine staatliche Zertifizierung voraus. Der Mediator ist mithin auch kein Titel und keine feststehende und geschützte Berufsbezeichnung im polnischen Mediationsrecht. Art. 157a Nr. 2 pln. GVG spricht lediglich von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf die Durchführung einer Mediation. Diese Angaben zum Mediator basieren auf der Grundlage des Art. 1832 §§ 1 und 2 ZVGB, auf die Art. 157a Nr. 1 pln. GVG verweist. b) Die Anforderungen an den festen Mediator im Zivilverfahren Insbesondere in Zivilsachen darf das Gericht die Streitigkeit keiner juristischen Person oder einem Mediationszentrum zuweisen. Der Mediator muss benannt werden (vgl. Artt. 157a ff. pln. GVG) und kann somit nur eine natürliche Person sein, Art. 1832 § 1 ZVGB. Darüber hinaus muss sie voll geschäftsfähig sein. Zwar beginnt die volle Geschäftsfähigkeit nach Artt. 11 i.V.m. 10 § 1 ZGB mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. Der Mediator muss gem. Art. 157a Nr. 3 pln. GVG jedoch mindestens das 26. Lebensjahr vollendet haben. Dies gilt freilich nur für die festen Mediatoren, die beim Bezirksgericht eingetragen werden wollen. Die Wahl des Alters zur Zulassung der Eintragung erscheint dennoch willkürlich. Die Altersgrenze von 26 Jahren wird in der Gesetzesbegründung nicht erläutert. Es wird allgemein auf die Qualitätssicherung und Professionalität der festen Mediatoren verwiesen.723 Im Hinblick darauf, dass der Mediator über eine gewisse Vorbildung in Psychologie, Soziologie oder in sonstigen Bereichen sowie eine gewisse Lebens- oder Berufserfahrung verfügen sollte,724 ist mit dem Abschluss eines entsprechenden Studiums oder einer Ausbildung mit anschließender Berufstätigkeit das Alter von 26 erreicht und erscheint demgemäß als Untergrenze auch angemessen. An die polnische Staatsangehörigkeit wird – wohl aufgrund des Diskriminierungsverbots nach Art. 18 AEUV – nicht angeknüpft. Stattdessen wird in Art. 157a Nr. 4 pln. GVG auf die Kenntnis polnischer Sprache verwiesen. Wohl aufgrund der Selbstverständlichkeit in Bezug auf die Praktikabilität der Durchführung der Mediation ist die vorgeschriebene Sprachkenntnis jedoch weder näher definiert noch in der Gesetzesbegründung anderweitig erläutert. Des Weiteren wird sowohl vom festen als auch nicht registrierten Mediator erwartet, in voller Ausübung seiner bürgerlichen Statusrechte zu sein, namentlich der 722 Z. B. Wyrok Wojewódzkiego Sa˛du Administracyjnego w Krakowie [Urteil des VG Krakau] v. 14. 02. 2007 – III SA/Kr 1330/05, Legalis Nr. 957488, wonach auch das Belegen eines Psychologiefachs im Rahmen der Ausbildung zum Musiklehrer für die Einhaltung der Mediationsstandards für einen Mediator im Strafrecht genügt. 723 Begründung des Gesetzesentwurfs zur Gesetzesnovelle v. 10. 09. 2015, Dz.U. 2015, Pos. 1595, Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 13 Nr. 5. 724 Vgl. Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1832, S. 109 Rn. 6 a.E.: Lebenserfahrung als wichtiger Aspekt zur Lösung von Konflikten unterschiedlicher Art.

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Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts.725 Hinzu kommt, dass der feste Mediator nicht vorbestraft sein darf. Nach Art. 157a Nr. 5 pln. GVG wird die Registrierung verweigert, sofern der antragstellende Mediator aufgrund einer vorsätzlichen Straftat oder vorsätzlichen Steuerstraftat verurteilt wurde. Durch Unterzeichnung des Antrags auf Zulassung zum Mediatorenverzeichnis bei den Bezirksgerichten ist der Mediator zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet. Anderenfalls droht eine Strafverfolgung aufgrund einer Falschaussage nach Art. 233 § 6 pln. StGB.726 Auf die Strafbarkeit wird gem. Art. 157b § 3 pln. GVG ausdrücklich verwiesen und der Antragsteller ist ebenso entsprechend darüber aufzuklären. Dies hat eine abschreckende Wirkung zur Folge. Dennoch birgt eine bloße Erklärung insoweit Unsicherheit, als sie keinen direkten Nachweis liefert. Die Vorlage eines Auszugs aus dem staatlichen Strafregister727 könnte dieser Unsicherheit entgegenwirken. Ein Auszug kann jedoch nur bei besonderem Interesse oder von dem betroffenen Mediator persönlich beantragt werden. Der betroffene Mediator wird kaum dazu gezwungen werden können, einen Auszug aus dem staatlichen Strafregister zu beantragen und beim Bezirksgericht für die Eintragung in das Mediatorenverzeichnis selbst vorzuzeigen.728 Angesichts des abschreckend hohen Strafmaßes bzgl. des Verschweigens von Vorstrafen, über das der Mediator vor der Eintragung in die Liste aufgeklärt wird, wird es selten Fälle geben, in denen ein nicht eintragungsfähiger Mediator in die Liste eingetragen wird und ein Mediationsverfahren durchführt. Der Mediator gibt in der Mediation zudem keine eigene Stellungnahme zur Streitigkeit ab und ist ebenfalls kein Organ der Rechtspflege. Während beispielsweise bei Rechtsanwälten die Einholung eines Auszugs aus dem staatlichen Strafregister sinnvoll und notwendig ist, da sie das Recht gestalten und anwenden, sich berufsethisch verhalten und als würdig erweisen sollen, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben,729 ist die Verantwortung des Mediators ungleich geringer. Um sich der Eignung eines Mediators für die Eintragung in die Mediatorenliste als fester Mediator zu versichern, ist eine Selbsterklärung des beantragenden Mediators über das Fehlen von Vorstrafen mithin ausreichend.

725 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1832, S. 107 Rn. 7; vgl. Art. 40 pln. StGB (kodeks karny), der § 45 dt. StGB entspricht. 726 Ähnelt der falschen uneidlichen Aussage nach § 153 dt. StGB. 727 Krajowy Rejestr Karny, entspricht dem deutschen Bundeszentralregister. 728 A.A. Morek/Budniak-Rogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1832 ZVGB Rn. 3. 729 Vgl. Artt. 1, 4, 80 Prawo o adwokaturze [polnische Berufsordnung für Rechtsanwälte], Dz.U. v. 26. 05. 1982, Nr 16 Pos. 124.

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c) Die Aufgaben des Präsidenten des Bezirksgerichts Der Präsident des jeweils zuständigen Bezirksgerichts730 führt nach Artt. 157b bis e pln. GVG das Mediatorenverzeichnis, trägt geeignete Mediatoren ein, die einen Antrag gestellt haben, und streicht die festen Mediatoren aus dem Register, wenn sie die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen. Um den öffentlichen Zugang zur Mediation effektiv zu gestalten, werden die Daten der festen Mediatoren nach Art. 157e pln. GVG üblicherweise auf der Internetseite des jeweiligen Bezirksgerichts online gestellt, sodass die Liste der festen Mediatoren über den Bürgerzugang „Biuletyn Informacji Publicznej“ sowohl für die potentiellen Medianden als auch für alle anderen Gerichte abrufbar ist.731 Auf Basis des Art. 157 f pln. GVG wurde zudem am 20. 01. 2016 eine Rechtsverordnung erlassen, durch die die Bestimmungen des Mediatorenverzeichnisses näher beleuchtet werden.732 Nach der Prüfung der durch den Mediator eingereichten Unterlagen entscheidet der Bezirksgerichtspräsident über die Listeneintragung. Liegen jedoch alle Dokumente vor (§§ 5 und 6 der Verordnung) und erfüllt der Antragsteller die erforderlichen Voraussetzungen nach Art. 157a pln. GVG i.V.m. §§ 1 bis 5 der Verordnung sowie dem Anhang zur Verordnung, verbleibt dem Präsidenten kein weiterer Ermessensspielraum. Er ist verpflichtet, den Mediator als festen Mediator zu registrieren.733 Wer für die Prüfung der Eintragung zuständig ist, ist gesetzlich nicht geregelt. In § 6 der Verordnung heißt es lediglich, die Eintragung erfolge nach Prüfung der eingereichten Unterlagen, welche nach Artt. 157a f. pln. GVG Voraussetzung für die Zulassung sind. Die Bezirksgerichte können somit selbst entscheiden, wem sie die Prüfung der Unterlagen übertragen. Der Präsident des Bezirksgerichts muss es nicht zwingend sein. Er erfüllt eine formale Funktion, indem er den Mediator ins Verzeichnis aufnimmt oder ihn wieder streicht. In der Praxis wird die Verifikation der Mediatorenanträge von sog. Koordinatoren am jeweiligen Bezirksgericht durchgeführt.734 Dabei handelt es sich um einen Richter, der sowohl alle Unterlagen als auch den Antrag auf Eintragung prüft. Der Prüfungsumfang beschränkt sich jedoch auf die Vollständigkeit und Echtheit der eingereichten Unterlagen. Nur im Falle, dass ein eingetragener Mediator seine Pflichten in gravierendem Maße verletzt, kann er von

730

Es gibt 45 Gerichtsbezirke, abrufbar unter https://bip.ms.gov.pl/pl/rejestry-i-ewidencje/ lista-sadow-powszechnych/, Stand: 06. 11. 2018. 731 S. o. Zweiter Teil, B.IV.1. 732 Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie prowadzenia listy stałych mediatorów [Verordnung des Justizministers über das Führen eines Mediatorenverzeichnisses für feste Mediatoren], Dz.U. v. 28. 01. 2016, Pos. 122. 733 Głodowski, ADR 2016, Nr. 1, S. 19 (22). 734 Interview von Szymon Cydzik aus der Tageszeitung Rzeczpospolita [die Republik] v. 26. 04. 2016, abrufbar unter http://www.rp.pl/Sedziowie-i-sady/304269981-Mediatorem-sa dowym-moze-zostac-kazdy.html#ap-1, Stand: 06. 11. 2018.

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der Liste wieder gestrichen werden.735 Die Art und der Umfang der Prüfung sind aufgrund der gesetzlichen Vorgaben der Artt. 157a f. pln. GVG somit auf die rein formelle Prüfung beschränkt, da sich das Auswahlermessen auf Null reduziert, soweit der Antragsteller alle gesetzlich geforderten Dokumente in seinem Antrag eingereicht hat. Es gibt zudem eine Auswahlerleichterung, wenn der Anwärter bereits an einem anderen Bezirksgericht als fester Mediator eingetragen ist, da sein Antrag durch das andere Gericht geprüft wurde.736 Das Antragsverfahren beim Bezirksgericht ist somit einmalig. Den anderen Bezirksgerichten muss der Mediator lediglich seine allgemeinen Kontaktdaten sowie die Bewilligung über die Eintragung durch ein anderes Bezirksgericht vorlegen. Dadurch kann ein fester Mediator auch landesweit, d. h. in allen Woiwodschaften, als Mediator tätig sein. Naheliegender ist dennoch, dass der Mediator sich in dem Bezirk fest eintragen lassen wird, in dem er sein Büro hat bzw. in welchem sich die Räumlichkeiten des Mediationszentrums befinden, für welches er tätig ist. Weder durch den Wortlaut des Art. 157b § 1 pln. GVG noch durch den des § 8 der Verordnung über das Führen eines Mediatorenverzeichnisses wird klargestellt, ob der Rechtsakt der Eintragung durch den Präsidenten dem Verwaltungsrecht oder dem Zivilrecht zuzuordnen ist. Beide Regelungen sprechen lediglich von einer „verbindlichen Entscheidung“.737 Diesem Problem ist die diesbezügliche Gesetzesbegründung entgegengekommen und lässt die das polnische Verwaltungsverfahrensgesetzbuch738 sowie das polnischen Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz zur Anwendung kommen.739 Damit handelt es sich bei der Registrierung des Mediators bzw. dessen Ablehnung oder Streichung aus dem Mediatorenverzeichnis um einen Verwaltungsakt.740 d) Resümee Die Führung der Mediatorenlisten und die Registrierung von festen Mediatoren durch das polnische Gerichtsverfassungsgesetz und die dazugehörige Verordnung über die Führung eines Mediatorenverzeichnisses bei den Bezirksgerichten erhöht 735 Interview von Szymon Cydzik aus der Tageszeitung Rzeczpospolita [die Republik] v. 26. 04. 2016, abrufbar unter http://www.rp.pl/Sedziowie-i-sady/304269981-Mediatorem-sa dowym-moze-zostac-kazdy.html#ap-1, Stand: 06. 11. 2018. 736 § 7 der Verordnung v. 20. 01. 2016, Dz.U. v. 28. 01. 2016, Pos. 122. 737 „Ostateczna decyzja“, Art. 157b § 1 pln. GVG, § 8 der Verordnung v. 20. 01. 2016, Dz.U. v. 28. 01. 2016, Pos. 122. 738 Entspricht der deutschen VwGO, Kodeks poste˛ powania administracyjnego, Dz.U. 1960 Nr 30, Pos. 168. 739 Gesetzesentwurf v. 22. 05. 2015, Sejm-Drucks. Nr. 3432, S.39 der Gesetzesbegründung; Głodowski, ADR 2016, Nr. 1, S. 19 (23); vgl. auch oben zur Mediation im Verwaltungsverfahren unter Zweiter Teil, A.II.5. 740 Głodowski, ADR 2016, Nr. 1, S. 19 (23).

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das Prestige des Mediators und schafft für potenzielle Medianden einen transparenten Zugang zur Mediation und Auswahl von geeigneten Mediatoren. Aufgrund der rein formellen Prüfung der eingereichten Unterlagen durch Mediatoren, die sich als feste Mediatoren bezeichnen wollen, ist anzumerken, dass damit keine Aussage zur Eignung des Mediators im Einzelfall getroffen wird, sondern vielmehr Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Qualität der Mediation als Institut zu sichern. Bei der ZMediatAusbV im deutschen Recht wird dagegen auch eine materielle Prüfung der Eignung des Mediators vorgenommen. Auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechts in Polen bleibt es jedoch dabei: Jeder kann Mediator werden. Die materielle Prüfung der Eignung ist nicht Sache der Bezirksgerichte. Ob ein Mediator sich für die Durchführung eignet, liegt zum einen vorrangig an seiner Einstellung und seinem Charakter und zum anderen seiner Erfahrung und seinen Kenntnissen. Diese Aspekte können ohnehin nicht durch die Einreichung von Unterlagen überprüft werden. Die materielle Prüfung der Eignung eines Mediators und damit seine Bestandsaufnahme erfolgt im Mediationsverfahren selbst. Ein Indiz für Qualität bietet vielmehr die Tätigkeit des Mediators für ein Mediationszentrum oder andere Organisationen. Was die gesetzliche Regelung der Artt. 157a ff. pln. GVG schafft, ist eine erhöhte Selbstkontrolle. Durch die Rückmeldung der Teilnehmer einer Mediation reguliert sich die Liste der festen Mediatoren selbst. Bei entsprechender Kentnisnahme des Bezirksgerichts von einer etwaigen Verletzung der Pflichten des festen Mediators streicht der Präsident des Bezirksgerichts diesen von der Liste. Auf diese Weise verbleiben geeignete Mediatoren in den Mediatorenlisten. Das System der festen Mediatoren sorgt damit mittelbar für eine hohe Qualität der Mediationsdienstleistung, ohne dass die Natur der Mediation, die an die Streitparteien individuell anpassbar bleiben muss, an notwendiger Elastizität verliert. Das Institut der festen Mediatoren ist somit ein nützliches und erforderliches Instrument zur Sicherung der Qualität der Mediation im Sinne des Art. 4 der EU-Mediationsrichtlinie. Aus diesem Grund ist die polnische Qualitätssicherung durch die Mediationslisten eine sichere Methode, die anpassbar bleibt und die Wünsche und Erwartungen der Medianden dauerhaft erfüllen kann. 2. Die Zertifizierung des Mediators nach der ZMediatAusbV als Mittel der Qualitätssicherung in Deutschland Die Zertifizierung muss widerspiegeln, was einen guten Mediator ausmacht, d. h. sie muss bestätigen, dass der Mediator die Parteien umfassend über die Funktionsweise der Mediation, die Rechte der Parteien und die Pflichten des Mediators aufklären kann und darüber hinaus imstande ist, die Medianden bei ihrer Lösungsfindung zu unterstützen. Des Weiteren müssen dem angehenden Mediator Techniken zur Konfliktlösung zur Verfügung stehen und er muss außerdem darauf geschult sein, sich in jedem Konflikt neutral zu verhalten. Durch die ZMediatAusbV im deutschen Mediationsrecht soll die Qualität einer Mediationsdienstleistung anhand einer vorgegebenen Anzahl absolvierter Ausbildungsstunden messbar gemacht

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werden. Wie der polnische Gesetzgeber diesbezüglich richtig erkannt hat, ist für die Fertigkeit zur Mediations„führung“ jedoch nicht das Wissen des Mediators entscheidend, sondern vielmehr seine Persönlichkeit.741 Hinzu kommt, dass mit zunehmender Praxis mehr Erfahrung einhergeht, die der (zertifizierte) Mediator jeweils in das nächste Mediationsverfahren einbringt. Rein theoretisches Wissen ist gegenüber der Erfahrung und Persönlichkeit des Mediators somit nachrangig und sollte daher in der Mediationsausbildung keine überragende Rolle spielen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hingegen hat bei der Erstellung der ZMediatAusbV gegensätzlich gehandelt. Daher werden in der polnischen Literatur durchaus auch Stimmen laut, die die deutschen Vorschriften und die dort kodifizierten Anforderungen an die Mediatoren als übertrieben ansehen.742 Der Schwerpunkt liegt hinsichtlich der Verordnung bei der reinen Wissenserlangung. Jedoch werden auch notwendige Kenntnisse im Hinblick auf rechtliche und psychologische Aspekte in der Mediation vermittelt. Die Anzahl zu leistender Präsenzunterrichtsstunden liegt derzeit gem. § 2 Abs. 4 ZMediatAusbV bei 120 Zeitstunden. Im Entwurf einer Mediationsausbildungsverordnung der Bundesrechtsanwaltskammer aus dem Jahr 2011 waren dagegen lediglich 90 Stunden als Mindestanzahl angesetzt.743 Ein Mehraufwand von 30 Präsenzstunden ist dabei weder sachgerecht noch sind die zusätzlichen Stunden zur Qualitätssicherung im Sinne der EU-Mediationsrichtlinie erforderlich.744 Nach der in Kraft getretenen Verordnung sollen überdies keine staatlichen Prüfungsstellen errichtet werden. Jeder, der eine Ausbildung zum zertifizierten Mediator abgeschlossen hat, darf sich nach § 2 Abs. 1 ZMediatAusbV „zertifizierter“ Mediator nennen. Ohne Überprüfung oder Eintragung solcher geschützten Bezeichnungen bleibt die Missbrauchsgefahr dennoch dieselbe wie vor der Einführung der Zertifizierung. Im Falle des Missbrauchs der Bezeichnung durch einen nicht zertifizierten Mediator stehen den betroffenen Parteien nur wenige Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung: Zum einen sind sie auf eine Unterlassungsklage verwiesen, zum anderen müssten Betroffene einen kausalen Schaden beweisen, sofern sie Schadensersatzansprüche geltend machen wollen. Der Schaden könnte ein erhöhtes Entgelt für die Mediationsdurchführung darstellen, das die Medianden an den vermeintlich zertifizierten Mediator entrichtet haben. Doch die Parteien müssten beweisen, dass sie allein aufgrund der vermeintlichen Zerti741 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 3 Nr. V., als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018; zust. Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1832, S. 107 Rn. 3. 742 So z. B. Maciej Bobrowicz im Interview von Szymon Cydzik aus der Tageszeitung Rzeczpospolita [die Republik] v. 26. 04. 2016, abrufbar unter http://www.rp.pl/Sedziowie-isady/304269981-Mediatorem-sadowym-moze-zostac-kazdy.html#ap-1, Stand: 06.11.218. 743 § 2 des Entwurfs einer Verordnung über die Ausbildung zur/zum zertifizierten Mediatorin/Mediator (Mediationsausbildungsverordnung), BRAK-Stellungnahme-Nr. 33/2011, Stand: Mai 2011. 744 A.A. Rafi, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 52 Rn. 31, der auf von Mediationsverbänden geforderte Zahl von 200 Stunden verweist.

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fizierung des Mediators eine höhere Vergütung entrichtet haben. Zudem ist zu bedenken, dass sich der Schaden lediglich auf die Differenz zwischen einer üblich zu zahlenden Vergütung und der erhöhten Vergütung belaufen würde. Angesichts der Geringwertigkeit des Anspruchs wäre eine Klage wirtschaftlich nicht sinnvoll und würde Parteien von einer künftigen Inanspruchnahme einer weiteren Mediationsdienstleistung abschrecken. Dies bedeutet einerseits, dass ein Missbrauch der Bezeichnung „zertifizierter Mediator“ nach gegenwärtigem Stand der Regelung ungleich mehr Unsicherheit weckt und gleichzeitig dem Vertrauen in die Zertifizierung abträglich ist, da es keine konsequente Rechtsverfolgung oder offizielle Aberkennung der Bezeichnung „zertifizierter Mediator“ gibt. Dies hat die Literatur insoweit auch richtig erkannt, als dadurch der Begriff „Zertifizierung“ in ein falsches Bild gerückt wird, da es an einer öffentlich-rechtlichen Prüfstelle mangelt.745 Potenzielle Teilnehmer verbinden mit der Zertifizierung keine Selbstkontrolle des Mediators, sondern erwarten ein übergeordnetes Organ, das regelmäßig kontrolliert, wer einen Titel „zertifizierter Mediator“ trägt, wer keinen Titel (mehr) tragen darf und vor allem, ob die Anbieter der Zertifizierung selbst überhaupt imstande sind, eine solche Ausbildung zum zertifizierten Mediator anzubieten. Das durch die deutsche ZMediatAusbV verfolgte Ziel, die Qualität der Mediation zu erhöhen und bei Bürgern mehr Transparenz zu schaffen,746 wird mithin nicht erreicht. Dieser Aspekt hat sich auch im Evaluationsbericht der Bundesregierung niedergeschlagen, wonach die Einführung der ZMediatAusbV weder mit einer empirisch belegbaren Qualitätssicherung einhergeht noch eine positive Prognose für die Zukunft getroffen werden kann.747 Darüber hinaus erhöht sich der Bürokratieaufwand für sämtliche Mediatoren, die die Bezeichnung „zertifizierter Mediator“ tragen wollen. Bereits im Entwurf der ZMediatAusbV wurde mithilfe der Recherche des Statistischen Bundesamtes ein jährlicher Bürokratiemehraufwand von 730.000 Euro geschätzt, der damit verbunden ist, dass praktizierende Mediatoren ihre Aus- und Fortbildungsmaßnahmen gem. der Verordnung entsprechend dokumentieren müssen.748 Die Mediatoren werden 745 Vgl. Burchardt/Johnston, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 53 Rn. 44, 50; Rafi, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 52 Rn. 40, 32. 746 Verordnungsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren, Bearbeitungsstand v. 31. 01. 2014, 10:28 Uhr, Begr. A. I. S. 11. 747 Bericht der Bundesregierung v. 14. 06. 2017 über die Auswirkungen des Mediationsgesetzes auf die Entwicklung der Mediation in Deutschland und über die Situation der Aus- und Fortbildung der Mediatoren, BT-Drs. 18/13178. S. 6 f., 154. 748 Verordnungsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren, Bearbeitungsstand v. 31. 01. 2014, 10:28 Uhr, S. 2 und 12 Tabelle 1; so schon in der Stellungnahme des Bundesverbandes Mediation e.V. zum Entwurf der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren v. 22. 04. 2014, S. 5: „Eine lebenslang notwendige Dokumentation erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der fehlenden Kontrolle einen übertriebenen bürokratischen Aufwand darzustellen“, abrufbar unter http://www.bmev.de/fileadmin/downloads/mediationsge

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somit zusätzlich belastet und sind gezwungen, eine Bezeichnung – wenn auch mittelbar – zu entlohnen, die bei weitem nicht in dem hohen Maße prestigeträchtig ist, als dass der mit ihrer Hilfe eventuell erzielte Geschäftszuwachs die durch die Zertifizierung entstandenen Mehrkosten rechtfertigen würde. Außerdem gibt es keine (staatliche) Kontrolle, die regelmäßig die Einhaltung der mit der Zertifizierung in Zusammenhang stehenden Dokumentationspflichten überprüft. Allenfalls verlagert sich das Problem auf den gewerblichen Rechtsschutz, im Rahmen dessen einzelne Mediatoren oder Mediationsverbände Unterlassungsansprüche gerichtlich durchsetzen werden, um dem Missbrauch der Bezeichnung vorzubeugen. Zusammengenommen stellt es keine angemessene Entlastung der Gerichte dar, wenn durch solche Lücken im Regelungssystem der ZMediatAusbV ein rechtsunsicherer Raum für neue Streitigkeiten entsteht und mithin das Problem nicht gelöst, sondern einzig verlagert wird. Zudem wird bereits seit dem Erlass der EU-Mediationsrichtlinie im Jahr 2008 über eine gemeinsame (privatrechtliche) Prüfstelle diskutiert.749 Auf eine staatliche Prüfstelle hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Mediationsgesetzes überdies „aus Kostengründen und Gründen der Entbürokratisierung“750 verzichtet. Die ZMediatAusbV ist damit kein ausreichendes Mittel zur Sicherung der Qualität von angebotenen Mediationsdienstleistungen in Deutschland. 3. Die Einhaltung von Ethikstandards für Mediatoren in Polen Ethikstandards als eigene Kodizes für Rechtsanwälte und Rechtsberater werden seit 1998 gelebt und haben in Polen eine lange Tradition.751 Betreffend der Mediation existiert nicht nur der Europäische Verhaltenskodex für Mediatoren,752 der ebenfalls der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde,753 sondern auch ein nationaler Kodex, der am 26. 06. 2006 erstmals veröffentlicht wurde.754 Zeitlich hängt die setz/bm_stellungnahme_entwurf_verordnung_zertifizierte_mediator_2014.pdf, Stand: 06. 11. 2018. 749 Eingehend dazu Rafi, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 52 Rn. 3 ff. 750 Verordnungsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren, Bearbeitungsstand v. 31. 01. 2014, 10:28 Uhr, S. 11. 751 Z. B. Kodeks Etyki Adwokackiej [Rechtsanwaltsethikkodex], uchwała przez Naczelna˛ Rade˛ Adwokacka˛ [Beschluss des Obersten Rats der Rechtsanwälte] v. 10. 10. 1998, Nr. 2/ XVIII/98; näher dazu Koszowski, ADR 2008 Nr. 4, S. 103 f. 752 S. Erster Teil, B.I.2. 753 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/civiljustice/adr/adr_ec_code_conduct_en.pdf, Stand: 06. 11. 2018; Erwägungsgrund 17 der EU-Mediationsrichtlinie; s. dazu auch Mähler/Mähler, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 31 Rn. 90; es gilt zudem die Empfehlung 2001/310/EG der Kommission vom 04. 04. 2001 über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen, ABl. Nr. L 109 v. 19. 4. 2001, S. 56. 754 Standardy prowadzenia mediacji i poste˛ powania mediatora uchwalone przez Rade˛ [Beschluss des Rates über die Standards zur Durchführung der Mediation und zur Hand-

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Schaffung der polnischen Ethikrichtlinien mit der Aufnahme der Mediation ins ZVGB im Jahr 2005 zusammen. Darüber hinaus ist seit 2008 ein polnisches Äquivalent zum Europäischen Verhaltenskodex in Kraft getreten.755 Dieser Kodex folgt zeitlich der EU-Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 2008. Die beiden Standards aus dem Jahr 2006 und 2008 sind aufgrund eines neu einberufenen Sozialrats für Alternative Streitbeilegungsmethoden, der dem polnischen Justizminister beigeordnet ist,756 entwickelt worden.757 Der Sozialrat beschäftigt sich seit seiner Entstehung im Jahr 2005 mit der Weiterentwicklung von Qualitätskonzepten hinsichtlich der Handlungsweise der Mediatoren sowie mit entsprechenden Schulungsmaßnahmen. Der Rat hat eine wechselnde Besetzung von 12 bis 20 Interessenvertretern aus Mediationszentren und dem Justizministerium.758 Darüber hinaus können auch Dozenten, Vertreter anderer Ministerien sowie Gewerkschaftsmitglieder Teil des Gremiums sein. Der Sozialrat ist keine staatliche Einrichtung, ist aber mitunter mit Ministern besetzt. Die mit der Tätigkeit des Sozialrats verbundenen Kosten werden nur zum Teil vom staatlichen Budget übernommen, über das der Justizminister disponiert.759 Gem. § 3 Nr. 2 und 4 der Anordnung des Justizministers über die Einberufung des Sozialrats wurden dem Gremium die Aufgaben zugeteilt, die oben angeführten Standards zur Durchführung der Mediation und zur Handlungsweise des Mediators sowie einen Ethikkodex zu schaffen. Zusätzlich obliegt es dem Sozialrat gem. § 3 Nr. 3, Schulungsstandards anzubieten. In dieser Hinsicht hat die polnische Gesetzgebung ein Mittel entwickelt, das gem. Art. 4 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie die Einhaltung von Verhaltenskodizes durch Mediatoren und Mediationszentren fördert und der deutschen ZMediatAusbV im Ansatz ähnelt, jedoch viel elastischer und anpassungsfähiger ist. Zudem spricht Art. 4 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie von freiwilligen Verhaltenskodizes. Den Aspekt der freiwilligen Einhaltung solcher Standards nimmt die Präambel der Standards vom 26. 06. 2006 auf, indem in ihr betont wird, dass es sich lediglich um Leitlinien und Ratschläge handelt, aus denen keine Ansprüche hergeleitet werden können. Die Pflicht zur Einhaltung der Richtlinien ist vielmehr eine weniger strenge Selbstbindung. Die Qualitätssicherung von Verhaltensstandards in lungsweise des Mediators], abrufbar unter https://ms.gov.pl/pl/dzialalnosc/mediacje/spolecznarada-ds-alternatywnych-metod-rozwiazywania-konfliktow-i-sporow/dokumenty-deklaracje/, Stand: 06. 11. 2018. 755 Kodeks Etyczny Mediatorów Polskich [Ethikkodex für polnische Mediatoren] v. 19. 05. 2008, abrufbar unter https://ms.gov.pl/pl/dzialalnosc/mediacje/spoleczna-rada-ds-alternatyw nych-metod-rozwiazywania-konfliktow-i-sporow/dokumenty-deklaracje/, Stand: 06. 11. 2018. 756 Społeczna Rada do spraw Alternatywnych Metod Rozwia˛zywania Konfliktów i Sporów przy Ministrze Sprawiedliwos´ci. 757 Anordnung des Justizministers über die Einberufung Sozialrats für Alternative Streitbeilegungsmethoden v. 01. 08. 2005, Beschluss Nr. 55/08/DNWO. 758 § 2 der Anordnung des Justizministers v. 01. 08. 2005, Beschluss Nr. 55/08/DNWO. 759 Art. 1 Nr. 2 der „zarza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci“ [Anordnung des Justizministers] v. 10. 11. 2016, Dz. Urz. Min. Sprawiedl. Pos. 207.

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Polen stellt somit nur ein sog. soft law dar, das sich von der ZMediatAusbV im deutschen Mediationsrecht unterscheidet. Gleichzeitig wird in der Präambel der Standards vom 26. 06. 2006 betont, dass der Erfolg der Mediation als effektive ADR-Methode von der Professionalität und einem hohen Grad der Berufsethik des Mediators abhängt. Aus diesem Grund sind wesentliche ethische Pflichten in den Artt. 1831 ff. ZVGB geregelt.760 Darüber hinaus ist an die Privatautonomie der Teilnehmer und des Mediators zu denken, da die Mediationsabrede weitere individuelle Pflichten enthalten oder bereits bestehende konkretisieren und im Einzelfall auch einschränken kann. Auf diese Weise sorgen sowohl die freiwillige Selbstverpflichtung des Mediators und das Bekennen zu den Ethikrichtlinien als auch die gesetzlichen Normierungen von Mediationsgrundsätzen für eine verbindliche Einhaltung der Regeln. Zudem lässt diese Maßnahme genug Raum für eine Weiterentwicklung (Verschärfung oder Aufweichung) der die Mediatoren betreffenden Ethiknormen und einer damit zusammenhängenden Etablierung der Mediation als ADR-Instrument.761 4. Die Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen für Mediatoren in Polen Der Sozialrat für Alternative Streitbeilegungsmethoden hat neben den Standards und Verhaltensregeln für Mediatoren ebenfalls einheitliche Standards für Schulungsund Fortbildungsmaßnahmen entwickelt. Die Schulungsstandards für Mediatoren762 vom 29. 10. 2007 stellen seitdem eine Grundlage für alle Mediatoren und Ausbildungszentren in Polen dar, die sich auf zivil- und handelsrechtliche Streitigkeiten spezialisieren wollen. Derzeit wird auch an einem sog. weißen Buch der Mediation gearbeitet, das das gesamte gesammelte Wissen über die erfolgreichsten Standards und Techniken aus dem Bereich Ethik, Verfahrensstandards sowie Schulungsstandards vereint und auf den aktuellsten Stand bringt.763 Im Vergleich zur deutschen Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV) handelt es sich hierbei um soft law.

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Koszowski, ADR 2008, Nr. 4, S. 103. Koszowski, ADR 2008, Nr. 4, S. 103 (117). 762 „Standardy szkolenia mediatorów“, abrufbar unter https://ms.gov.pl/pl/dzialalnosc/ mediacje/spoleczna-rada-ds-alternatywnych-metod-rozwiazywania-konfliktow-i-sporow/dokumenty-deklaracje/, Stand: 06. 11. 2018. 763 Notatka o 6. Posiedzeniu Społecznej Rady do spraw Alternatywnych Metod Rozwia˛zywania Sporów przy Ministrze Sprawiedliwos´ci [Protokoll der 6. Versammlung des Sozialrats für Alternative Streitbeilegungsmethoden bei dem Justizminister] v. 19. 07. 2016, Punkt 2, abrufbar unter https://ms.gov.pl/pl/dzialalnosc/mediacje/spoleczna-rada-ds-alternatyw nych-metod-rozwiazywania-konfliktow-i-sporow/dokumenty-deklaracje/, Stand: 06. 11. 2018. 761

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5. Resümee Die deutsche ZMediatAusbV wird ihrem Ziel nicht gerecht, die Qualität der Mediation zu erhöhen und mehr Transparenz für einen leichteren Bürgerzugang zu schaffen. Dies ergibt sich zum einen aus der privatrechtlichen Gestaltung der Verordnung und zum anderen aus der negativen Prognose des Evaluationsberichts der Bundesregierung. Derzeit ist die Missbrauchsgefahr der Bezeichnung „zertifizierter Mediator“ mangels einer Kontrolle durch staatliche oder sonstige übergeordnete Stellen zu hoch. Die deutsche Zertifizierung nach der ZMediatAusbV trägt weder zur Kundengewinnung für Mediatoren bei, die sich zertifizierter Mediator nennen dürfen, noch ist sie mangels Überprüfbarkeit ein Qualifikationsmerkmal, auf welches sich Bürger wirklich verlassen können. Allenfalls dient die Verordnung der Schaffung einheitlicher (Mindest)standards für die Aus- und Fortbildung für Mediatoren und kann einzig im Hinblick auf diesen Aspekt als erfolgreiche Maßnahme zur Förderung der Mediation angesehen werden. Ein rein privatrechtlich organisiertes System zur Qualitätssicherung ist in diesem Zusammenhang zum Scheitern verurteilt. Das polnische Mediationsrecht in Zivil- und Handelssachen hat sich dagegen für sog. soft law entschieden, indem durch mehrere Organisationen und Zusammenschlüsse von Berufsverbänden an Ethikkodizes für Mediatoren ständig weitergearbeitet wird. In diesem Zusammenhang ist der polnische Sozialrat für Alternative Streitbeilegungsmethoden zu erwähnen, der dem polnischen Justizminister beigeordnet ist. Des Weiteren wurde im polnischen Mediationsrecht ein Mediatorenverzeichnis etabliert, das durch Bezirksgerichte geführt wird. In das Verzeichnis können Mediatoren nach einer formellen Prüfung aufgenommen werden. Sie erhalten den Titel „fester Mediator“. Im Gegensatz zur ZMediatAusbV ist der Titel zwar nicht rechtlich geschützt. Er sorgt jedoch für eine höhere Anerkennung des Mediators, da dieser eine formelle Prüfung durch das Gericht als Kontrollinstanz durchlaufen hat. Die Führung der Mediatorenlisten und die Eintragung fester Mediatoren durch das polnische Gerichtsverfassungsgesetz und die dazugehörige Verordnung über die Führung eines Mediatorenverzeichnisses bei den Bezirksgerichten sichert die Qualität der Mediationsdienstleistung und schafft einen transparenten Zugang zur Mediation und Auswahl von geeigneten Mediatoren auf eine effektivere Weise, als dies die deutsche ZMediatAusbV mangels Kontrollinstanz derzeit vermag.

V. Die rechtlichen Auswirkungen der Mediation auf Ansprüche der Medianden Die Mediation ist kein rechtsfreier Raum. Es muss gewährleistet sein, dass das in der Mediation gesprochene Wort vertraulich behandelt wird, die von der Mediation umfassten Ansprüche nicht verjähren und das Mediationsergebnis wirksam zustande kommt, gegenüber dem Schuldner durchsetzbar sowie vollstreckbar ist. Aus diesem

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Grund kann die Mediation unterschiedliche Auswirkungen auf die Ansprüche der Medianden haben. 1. Die Beweiserhebung und -verwertung von Informationen im Zusammenhang mit dem Mediationsverfahren Die Beweiserhebung und -verwertung über Informationen im Zusammenhang mit dem Mediationsverfahren, insbesondere wenn eine nicht erfolgreich durchgeführte Mediation ein Gerichtsverfahren nach sich zieht, ist ein besonders sensibler Rechtsbereich. Aufgrund des Grundsatzes der Vertraulichkeit der Mediation im polnischen Mediationsrecht gem. Art. 1824 ZVGB ergeben sich diverse Beweisverbote in Bezug auf die im Mediationsverfahren bekannt gewordenen Informationen. Darüber hinaus sind weitere Vorschriften über die Beweisaufnahme zu beachten, welche in Artt. 227 ff. ZVGB geregelt sind. Eine zentrale Vorschrift für die Stärkung des Vertrauens in die Mediation stellt Art. 2591 ZVGB dar, wonach der Mediator kein Zeuge hinsichtlich der Fakten764 sein darf, die ihm im Zusammenhang mit dem Mediationsverfahren bekannt geworden sind, es sei denn, die Parteien befreien ihn von der in Art. 1834 ZGB kodifizierten Verschwiegenheitspflicht. Art. 2591 ZVGB ist nicht wie ein für die deutsche Zivilprozessordnung typisches Zeugnisverweigerungsrecht oder Aussageverweigerungsrecht gem. §§ 383 ff. ZPO ausgestaltet.765 Das Zeugnisverweigerungsrecht im polnischen Zivilverfahrensrecht regelt Art. 261 § 1 ZVGB, wonach das Recht, das Zeugnis unbeschränkt zu verweigern, nur engen Familienangehörigen zusteht.766 Das Aussageverweigerungsrecht nach Art. 261 § 2 ZVGB hingegen bezieht sich auf die Verweigerung der Antwort auf solche Fragen, die den Betroffenen oder dessen enge Familienangehörige in die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, der Unehre oder eines empfindlichen und unmittelbaren vermögensrechtlichen Schadens bringt oder durch die Aussage ein Berufsgeheimnis offenbart werden müsste. Im Unterschied zu Art. 261 ZVGB, wonach einer Person nur in den abschließend aufgezählten Fällen das Recht zusteht, die Aussage oder Antwort auf bestimmte Fragen verweigern zu dürfen, heißt es dagegen in Art. 2591 ZVGB: „Mediator nie moz˙ e byc´ s´wiadkiem“, d. h. der Mediator darf kein Zeuge sein. Der Mediator ist dem Wortlaut nach somit weder zeugnis- noch aussageberechtigt, weil er keine Zeugeneigenschaft besitzt. Wer ebenfalls kein Zeuge sein darf, ist weiter in Art. 259 ZVGB geregelt. Die Idee des Ausschlusses des Mediators von der Zeugeneigenschaft ist somit dem

764

Zum Begriff der Faken s. o. unter Zweiter Teil, B.II.2.d)aa). §§ 383 f. ZPO, Zöller/Greger, § 383 Rn. 1a: unbeschränktes ZeugnisverweigerungsR, § 384 Rn. 1: AussageverweigerungsR. 766 Dieses Recht steht den Ehegatten, Abkömmlingen und diejenigen zu, die mit einer Partei in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind sowie Geschwistern und bei Annahme als Kind. 765

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Art. 259 ZVGB entsprungen.767 Von der Regelung des Art. 259 ZVGB sind natürliche Personen umfasst, die in ihrer Wahrnehmung eingeschränkt oder unfähig sind, ihre Wahrnehmungen zu kommunizieren, Art. 259 Nr. 1 ZVGB. Art. 259 ZVGB besagt in Nr. 2 zugleich auch, dass Soldaten und Beamte nicht Zeuge sein dürfen, wenn sie dadurch geheime Informationen preisgeben müssten, sowie Personen, die dem Berufsgeheimnis der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Polen unterliegen und ihre Aussage das Berufsgeheimnis verletzte.768 Auch gesetzliche Vertreter der Streitparteien, ganz gleich, ob die Streitparteien natürliche oder rechtsfähige juristische Personen sind, dürfen keine Zeugen i.S.d. Art. 259 Nr. 3 ZVGB sein. Dies gilt ebenfalls für Streitgenossen zur gesamten Hand gem. Artt. 259 Nr. 4 i.V.m. 73 § 2 ZVGB.769 Die Regelung des Art. 259 Nr. 2 bis 4 ZVGB hat zum Ziel, ein besonderes Geheimnis vor seiner Offenbarung und damit die Vertraulichkeit bestimmter Informationen zu schützen.770 Diesen Zweck verfolgt ebenfalls Art. 2591 ZVGB. Dadurch soll die Vertraulichkeit der Informationen im Hinblick auf das vorangegangene Mediationsverfahren gewahrt werden. Anders als in Art. 430 ZVGB, knüpfen Artt. 259 f. ZVGB nicht an die Zeugenmündigkeit771 an, d. h. die altersbedingte Fähigkeit, als Zeuge vor Gericht auszusagen. Die Regelungen richten sich an einen abschließend aufgelisteten Personenkreis, der kraft Gesetzes von der Zeugeneigenschaft grundsätzlich ausgeschlossen werden soll. Dies hängt weniger mit dem Schutz der aussagepflichtigen Person zusammen, als mit dem hohen Anspruch der Wahrheitsfindung im Rahmen des Gerichtsprozesses sowie dem Schutz sensibler Informationen im beruflichen Umfeld. Art. 2591 ZVGB knüpft aber auch nicht an das Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht des Art. 261 ZVGB an. Ganz im Gegenteil: Dem Mediator wird eine Eigenschaft entzogen und nicht ein Recht zugesprochen. Ob es sich bei 767 Flaga-Gieruszyn´ska, in: Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 2591 Rn. 1 a.E.; offengelassen und den Art. 2591 ZVGB falsch zitierend durch Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 4 Nr. VII., als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018. 768 Cudak, in: Marciniak/Piasecki, Beck’scher Großkkommentar ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 259 Rn. 6. 769 Streitgenossenschaft zur gesamten Hand („współuczestnictwo jednolite“), kann u. a. aus der notwendigen Streitgenossenschaft (Art. 72 § 2 ZVGB) resultieren, Art. 73 ZVGB beschreibt, dass grds. jeder Streitgenosse Prozesshandlungen im eigenen Namen vollzieht. Kann die Entscheidung des Gerichts jedoch nur einheitlich gegen alle Streitgenossen ergehen, wirkt die Prozesshandlung eines Streitgenossen für und gegen alle anderen Streitgenossen. Aus diesem Grund können Streitgenossen zur gesamten Hand nur als Partei nach Art. 260 ZVGB und nicht als Zeuge vernommen werden, Flaga-Gieruszyn´ska, in: Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 259 Rn. 7. 770 Krit. Flaga-Gieruszyn´ska, Rejent 1998, Nr. 1, S. 55. 771 Minderjährige, die das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sowie Abkömmlinge der Parteien, die das 17. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind nach Art. 430 ZVGB nicht zeugenmündig. Das deutsche Recht dagegen kennt keine Zeugenmündigkeit, allenfalls Eidesmündigkeit, vgl. § 393 ZPO.

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Art. 2591 ZVGB um eine Art Zeugnis(un)fähigkeit handelt, wird in der polnischen Literatur nicht diskutiert. Dagegen spricht bereits der Aspekt, dass Art. 2591 ZVGB nicht an die physischen Eigenschaften des Menschen anknüpft, z. B. die faktische Unmöglichkeit der Zeugenaussage aufgrund mangelnder Sinneswahrnehmung, sondern an die Trägereigenschaft des „Amtes“ als Mediator. Im Vordergrund steht mithin nicht das Zeugnisverbot, sondern das Zeugenverbot. Lediglich Kaczmarek bietet hierfür einen rechtsvergleichenden Ansatz. Sie besagt, dass die deutsche Zivilprozessordnung keine Beschränkung der Zeugeneigenschaft772 sowie der Zeugnisfähigkeit773 im Vergleich zum polnischen Recht vorsieht.774 Einen Unterschied macht die deutsche Zivilprozessordnung hinsichtlich der Eidesmündigkeit, nicht hinsichtlich der Zeugenfähigkeit. § 393 ZPO stellt insoweit darauf ab, ob die zu vereidigende Person bzw. der Minderjährige die Einsichtsfähigkeit besitzt, die besondere Bedeutung eines Eides zu verstehen.775 Daher vermutet § 393 ZPO unwiderleglich, dass Jugendliche unter 16 Jahren nicht eidesmündig sind. Auch die Aussage von volljährigen Personen, die eine bestimmte geistige Behinderung haben, ist nicht zu beeidigen.776 Im Gegensatz zum polnischen Zivilprozessrecht sind im deutschen Recht somit alle Personen zeugnis- und zeugenfähig, auch wenn sie nicht zwingendermaßen eidesmündig sind. Auch Geschäftsunfähige i.S.d. § 104 BGB und minderjährige Kinder können und dürfen somit als Zeuge vor Gericht aussagen. Der Zeugenbeweis im deutschen Zivilprozessrecht wird lediglich durch zwei Formen des Verweigerungsrechts, die in §§ 383 f. ZPO kodifiziert sind, eingeschränkt. Im polnischen Zivilprozessrecht gibt es dagegen aufgrund der Artt. 259 f. ZVGB eine Beschränkung der Zeugeneigenschaft. Flaga-Gieruszyn´ska fasst drei Arten der subjektiven Beschränkung des Zeugenbeweises im polnischen Zivilverfahren folgendermaßen zusammen: Zeugenausschluss kraft Gesetzes („wyła˛czenie z mocy ustawy“), das Recht zur Zeugnisverweigerung („prawo odmowy zeznan´“) sowie das Recht zur Aussageverweigerung („prawo odmowy odpowiedzi na poszczególne pytania“).777 Während Art. 261 § 2 und 3 ZVGB die Verweigerungsrechte – entsprechend den deutschen §§ 383 f. ZPO – kodifiziert, fällt Art. 2591 ZVGB wie auch Art. 259 ZVGB konsequenterweise unter den Zeugenausschluss kraft Gesetzes im Sinne von Flaga-Gieruszyn´ska, das dem deutschen Zivilverfahrensrecht fremd ist.

772

Artt. 259 Nr. 2 bis 3; 2591 ZVGB. Art. 259 Nr. 1 ZVGB. 774 Andeutungsweise Kaczmarek, Przegla˛d Prawa i Administracji 2009, Bd. LXXXI, S. 49 (50 Fn. 9). 775 Zöller/Greger, § 393 Rn. 1. 776 Zöller/Greger, § 393 Rn. 1. 777 Flaga-Gieruszyn´ska, Rejent 1998, Nr. 1, S. 41. 773

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Einen Hinweis auf eine alternative Regelung zum Zeugenausschluss, die auch im deutschen Zivilprozess trotz mangelnder Kodifizierung Geltung entfalten kann, gibt Greger wieder. Die Parteien können nämlich seiner Ansicht nach als Ausdruck der Verhandlungsmaxime in der Mediationsvereinbarung vertraglich festhalten, dass der Mediator von den Parteien weder als Zeuge benannt werden darf noch, dass „bestimmte Tatsachen […] unter Zeugenbeweis gestellt werden dürfen“778. In diesem Fall wird die Frage, ob dem Mediator ein Zeugnisverweigerungsrecht und damit eine Schweigebefugnis gem. § 383 Nr. 6 ZPO zusteht, nach der Ansicht von Greger obsolet.779 Diese Vorgehensweise würde Art. 2591 ZVGB im polnischen Mediationsrecht entsprechen. Es ist festzuhalten, dass das polnische Zivilprozessrecht ein zusätzliches Beweisverbot des Zeugenausschlusses kennt, das im deutschen Recht lediglich aufgrund vertraglicher Regelungen bekannt ist. Fraglich ist, welche Nachteile eine bereits vollzogene Beweiserhebung nach sich ziehen kann, wenn der Mediator trotz Zeugenausschlusses des Art. 2591 ZVGB im Rahmen eines nachträglichen Gerichtsverfahrens Informationen preisgibt, ohne von der Verschwiegenheitspflicht durch die Medianden entbunden worden zu sein. Zunächst konstatiert Art. 1834 § 3 ZVGB, dass eine Berufung auf Vergleichsvorschläge, Angebote, die gegenseitige Zugeständnisse zum Gegenstand hatten, oder andere im Mediationsverfahren abgegebene Erklärungen, unwirksam ist, sofern sich eine Partei im Gerichts- oder Schiedsverfahren auf solche Erklärungen zu stützen versucht. Dies hat zur Folge, dass das Gericht die Zeugenangebote hinsichtlich des Mediators bei der Beweiswürdigung und bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigen darf.780 Der Regelung des Art. 1834 § 3 ZVGB kann somit zunächst entnommen werden, dass über bestimmte Themen, die Gegenstand der Mediation waren, kein Beweis erhoben werden kann. Hierbei handelt es sich mithin um ein Beweisthemenverbot als gesetzlich festgeschriebenes Beweiserhebungsverbot. Die Rechtsfolge hierfür ist ebenfalls geregelt: Eine solche Beweiserhebung ist nach Art. 1834 § 3 ZVGB unwirksam und muss bei der Urteilsfindung unberücksichtigt bleiben. Aus diesem Grund folgt aus dem Beweiserhebungsverbot grundsätzlich auch ein Beweisverwertungsverbot. Der Beweisantrag einer Streitpartei ist demnach immer dann unzulässig und bleibt durch das Gericht von Amts wegen unberücksichtigt, wenn die Partei durch den Antrag bzw. durch das Beweisangebot einen Beweis über alle in der Mediation preisgegebenen Informationen erhebt,781 ohne dass die Parteien der Beweiserhebung zugestimmt haben. 778

Zöller/Greger, § 383 Rn. 3. Zöller/Greger, § 383 Rn. 3 und 20. 780 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1834 ZVGB Rn. 6; Morek/BudniakRogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1834 ZVGB Rn. 12. 781 Vgl. zur weiten Auslegung der Vertraulichkeitsregelung der in der Mediation preisgegebenen Informationen Zweiter Teil, B.II.2.d)aa). 779

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Des Weiteren kann auch Art. 259 ZVGB für die Rechtsfolgen des Art. 2591 ZVGB insoweit relevant sein, als dieser dem Art. 259 ZVGB entspringt und sie darüber hinaus einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Die fehlerhafte Zeugenvernehmung der Personen, die nach Art. 259 ZVGB als Zeuge kraft Gesetzes ausgeschlossen sind, stellt einen Verfahrensfehler dar.782 Auf diesen Verfahrensfehler kann sich die unterlegene Partei im Rahmen der Berufung gem. Artt. 367 ff. ZVGB als Berufungsgrund stützen.783 Nichts anderes kann für Art. 2591 ZVGB gelten. Sofern eine Partei aufgrund der ausschlaggebenden Aussage des Mediators obsiegt, müsste sich die unterlegene Partei mit Erfolg im Rahmen der Berufung bereits auf die unwirksame Vernehmung des Mediators als Zeugen berufen können. Demzufolge ist der Mediator in seiner Eigenschaft als Zeuge ein unzulässiges Beweismittel i.S.d. Art. 2591 ZVGB. Der Ausschluss des Mediators von der Zeugeneigenschaft gem. Art. 2591 ZVGB ist somit ein Beweismittelverbot, das als gesetzliches Beweiserhebungsverbot ausgestaltet ist. Sagt der Mediator als Zeuge aus, so wurde der Beweis entgegen der zwingenden Vorschrift des Art. 2591 ZVGB auf unzulässige Art gewonnen. Dieser Verfahrensfehler kann grundsätzlich zum Beweisverwertungsverbot führen, wenn die Parteien das Beweismittel nicht ausdrücklich zugelassen haben. Ob und inwieweit aus dem Beweisthemen- und Beweismittelverbot ein Verwertungsverbot folgt, hängt davon ab, ob die Parteien den Mediator von seiner Verschwiegenheitspflicht gem. Art. 1834 § 2 S. 2 ZVGB befreit haben. Daher sind die beiden Beweiserhebungsverbote als relative Beweiserhebungsverbote zu qualifizieren.784 Liegt die Entbindung von der Verschwiegenheitsverpflichtung nicht vor, so wurde der Beweis auf unzulässige Weise erhoben. Da das Verwertungsverbot an den Verstoß bei der Beweiserhebung anknüpft und der Beweis entgegen dem Willen der ehemaligen Medianden erbracht wurde, folgen aus den relativen Beweiserhebungsverboten sodann unselbstständige, relative Beweisverwertungsverbote. Wurde der Mediator nur im Hinblick auf einzelne Aspekte von der Vertraulichkeitsverpflichtung befreit, z. B. im Hinblick auf die Aussage zum Ablauf von einer bestimmten Mediationssitzung, macht er jedoch über das erlaubte Thema hinaus zusätzliche Angaben, so bezieht sich die Beweisverwertung nur partiell785 auf die Beweiserhebung. Demnach handelt es sich um ein unselbstständiges, relatives und partielles Beweisverwertungsverbot. Falls die Parteien die für die Beweiserhebung erteilte Zustimmung nachträglich zurückziehen wollen, stellt sich zudem die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt ein 782

Flaga-Gieruszyn´ska, in: Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 2591 Rn. 10. 783 Flaga-Gieruszyn´ska, in: Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 2591 Rn. 10. 784 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1834 ZVGB Rn. 16, 2591 ZVGB Rn. 3. 785 Zur partiellen Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht als argumentum a majori ad minus Morek/Budniak-Rogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 1834 ZVGB Rn. 11.

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Widerruf im Rahmen des Gerichtsprozesses zulässig ist. Hierzu gibt es zwei mögliche Anknüpfungspunkte. Zum einen könnte die Zeugenvernehmung bis zum Zeitpunkt der Durchführung der Aussage (z. B. in der mündlichen Verhandlung, bis zum Beginn der Aussagebetätigung) zurückgenommen werden.786 Zum anderen könnte man sich auf den Standpunkt stützen, dass auch die bereits getätigte Zeugenaussage des Mediators von der Verwertbarkeit ausgeschlossen werden könnte, wenn eine der Streitparteien ihre Zustimmung nachträglich widerruft.787 Vorab ist allerdings zu klären, welcher Natur die Erklärung der Parteien ist. Sowohl Art. 1834 § 2 S. 2 als auch Art. 2591 ZVGB sprechen davon, dass die Parteien den Mediator von dessen Vertraulichkeitspflicht befreien können. Streng genommen stimmen sie daher nicht der Zeugenvernehmung zu, sondern entbinden den Mediator von seiner gesetzlichen Schweigepflicht. Es handelt sich somit um eine Entbindungsbefugnis der Parteien, von der die Parteien mittels einer Schweigepflichtentbindungserklärung Gebrauch machen können. Im Umkehrschluss bedeutet das „Rückgängigmachen“ der Zeugenaussage den Widerruf der Erklärung der Entbindung von der Vertraulichkeitsverpflichtung des Mediators. Wäre die Entbindungserklärung dagegen eine Prozesshandlung, könnte sie nicht widerrufen werden. Hierzu schweigt die Kommentarliteratur. Eine Rücknahme bzw. ein Widerruf der materiell-rechtlichen Willenserklärung (Legaldefinition des Art. 60 ZGB) könnte bis zum zeitgleichen Zugang bzw. vor Zugang gem. Art. 61 S. 2 ZGB wirksam werden. Ob eine Entbindungserklärung nach polnischem Recht eine solche Willenserklärung darstellt, wird im Schrifttum ebenfalls offengelassen. Vordergründig steht im Gerichtsprozess das Rechtsverhältnis zwischen dem Zeugen (Mediator) und der Partei (ehemaliger Mediand), nicht die getätigte Entbindungserklärung als Prozesshandlung. Daher ist richtigerweise anzunehmen, dass durch den Widerruf der Entbindung von der Schweigepflicht das sensible Vertrauensverhältnis zwischen Mediator und Mediand geschützt werden soll. In diesem Zusammenhang müsste die Entbindung von der Schweigepflicht daher nicht bis zum Beginn der Aussage widerrufen werden können, sondern genauso wie im deutschen Zivilprozessrecht, ähnlich der Wirkung des § 385 Abs. 2 ZPO, bis zur Beendigung der Vernehmung und damit auch jederzeit während der Vernehmung und zwar unabhängig davon, ob die Erklärung der Entbindung gegenüber dem Gericht erfolgt ist (Prozesshandlung) oder nicht.788 Hinzuzufügen ist, dass die Parteien ebenso wie der Mediator und an der Mediation teilnehmende Dritte von dem Vertraulichkeitsgebot des Art. 1834 § 2 S. 1 ZVGB 786 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 2591 ZVGB Rn. 4. 787 Krit., nur bei Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 2591 ZVGB Rn. 4 Fn. 376. 788 BGH v. 05. 05. 1986 – III ZR 233/84; Zöller/Greger, § 385 Rn. 11; Wieczorek/Schütze/ Ahrens, § 385 ZPO Rn. 51; a.A. BayObLG v. 21. 03. 1990 – BReg 1a Z 1/90, FamRZ 1990, 1012 (1013).

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umfasst sind. Die Parteivernehmung erfolgt grundsätzlich nach Artt. 299 ff. ZVGB. Art. 1834 § 2 S. 2 ZVGB hat jedoch offengelassen, ob sich die Parteien gegenseitig von der Vertraulichkeitspflicht entbinden können. Es heißt lediglich, dass die Parteien den Mediator und andere an der Mediation teilnehmende Personen von der Pflicht entbinden können. Wenn die Medianden auch unbeteiligte Dritte von der Schweigepflicht entbinden können, dann dürfen sie erst recht der Parteivernehmung des Gegners zustimmen, wenn dies für notwendig erachtet wird. An der Mediation teilnehmende Dritte sind ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichtet und vom Beweisthemenverbot umfasst. Sie haben kein Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht nach Art. 261 ZVGB, es sei denn, sie fallen unter den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich. Gleiches gilt für den gesetzlichen Zeugenausschluss nach Art. 259, 260 ZVGB. Insgesamt ist die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes in der Mediation durch Beweisverbote sowie den Zeugenausschluss des Mediators im polnischen Mediationsrecht zufriedenstellend geschützt. 2. Der Einfluss der Mediation auf die Verjährung von Ansprüchen Durch die polnische Mediationsnovelle aus dem Jahr 2005789 wurde nicht nur das polnische Zivilverfahrensgesetzbuch um die Mediationsvorschriften der Artt. 1831 ff. ZVGB erweitert. Um die Mediation in Polen dauerhaft zu etablieren und rechtssicher zu gestalten, sollte auch das Zivilgesetzbuch um neue Verjährungsvorschriften ergänzt werden.790 Zudem sollten die Mitgliedstaaten gem. Art. 8 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie sicherstellen, dass die Streitparteien nicht durch den Ablauf von Verjährungsfristen daran gehindert werden, ihre Ansprüche vor staatlichen Gerichten oder Schiedsgerichten weiterzuverfolgen, sollte die Mediation enden oder scheitern. Somit müssen Verjährungsfristen während eines Mediationsverfahrens entsprechend gehemmt, aufgehoben oder unterbrochen werden können. a) Die allgemeinen Verjährungsvoraussetzungen im polnischen Mediationsrecht Die Verjährungsvorschriften im polnischen Mediationsrecht befinden sich im Vierten Titel des ZGB. Verjähren können auch nach polnischem Recht lediglich

789 Die Mediation in Zivil- und Handelssachen in Polen trat erstmals am 10. 12. 2005 in Kraft, Dz.U. 2005 Nr. 172 Pos. 1438. 790 Vgl. Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 1 Nr. I., als PDFDatei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018.

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Ansprüche und keine Rechte.791 Rechte sind an eine Präklusionsfrist gekoppelt, die nicht der Erhebung einer Einrede unterliegen, sondern von Amts wegen zu berücksichtigen ist.792 Eine weitere Besonderheit im polnischen Zivilrecht ist die Einschränkung des Gegenstands der Verjährung gem. Art. 117 § 1 ZGB auf rein vermögensrechtliche Ansprüche, es sei denn, das Gesetz sieht hierzu eine Ausnahme vor. Ein Anspruch ist vermögensrechtlich, wenn er einen engen wirtschaftlichen Zusammenhang zu den Interessen des Berechtigten aufweist.793 Dagegen unterliegen nichtvermögensrechtliche Ansprüche wie etwa Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gem. Art. 24 ZGB, die nach Art. 23 ZGB auf einer Verletzung eines höchstpersönlichen Rechtsguts, z. B. der Gesundheit, Freiheit, Ehre oder dem Namen, beruhen, nicht der Verjährung.794 Des Weiteren ist eine Verkürzung oder Verlängerung der Verjährung durch eine vertragliche Vereinbarung nach Art. 119 ZGB ausgeschlossen. Eine solche Vereinbarung wäre gem. Art. 58 ZGB nichtig.795 Lediglich die Fälligkeit eines Anspruchs, mit der die Verjährung gem. Art. 120 ZGB beginnt, kann rechtsgeschäftlich anders gestaltet werden, ohne dass dies mit der Regelung des Art. 119 ZGB kollidierte.796 Im deutschen Zivilrecht ist eine Änderung der Verjährung kraft Parteivereinbarung dagegen grundsätzlich möglich.797 Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt in Polen – anders als in § 195 BGB in Deutschland – gem. Art. 118 ZGB grundsätzlich zehn Jahre, es sei denn, sie ist auf wiederkehrende Leistungen798 gerichtet. Festzuhalten ist auch, dass das „gerade im Verjährungsrecht hohe Gut der Rechtssicherheit“799 aufgrund der verhältnismäßig langen Verjährungsdauer von zehn Jahren im polnischen Zivilrecht nicht so sehr geschützt wird wie im deutschen Recht. Die polnischen Verjährungsregeln unterscheiden sich mangels vertraglicher Abweichungsmöglichkeit auf der einen Seite von den deutschen Verjährungsvorschriften in ihrer Strenge. Auf der anderen Seite sind diese im Vergleich zu deutschen 791

Brzozowski, in: Pietrzykowski, Beck’scher Großkommentar ZGB, 8. Aufl. 2015, Art. 117 ZGB, Rn. 2. 792 Zoll, FS zum 25. Jubiläum der Deutsch-Polnischen Juristenvereinigung e.V., Regensburg 2015, S. 160 (161). 793 Brzozowski, in: Pietrzykowski, Beck’scher Großkommentar ZGB, 8. Aufl. 2015, Art. 117 ZGB, Rn. 1; Gniewek/Machnikowski, ZGB-Kommentar, 7. Aufl. 2016, Art. 117 ZGB Rn. 3. 794 Gniewek/Machnikowski, ZGB-Kommentar, 7. Aufl. 2016, Art. 117 ZGB Rn. 3. 795 Brzozowski, in: Pietrzykowski, Beck’scher Großkommentar ZGB, 8. Aufl. 2015, Art. 119 ZGB, Rn. 1. 796 Urteil des Obersten Gerichtshofs (Sa˛d Najwyz˙ szy) v. 30. 06. 2010 – V CSK 454/09. 797 Palandt/Ellenberger, 76. Aufl. München 2017, § 202 Rn. 3; MüKo-BGB/Grothe, § 202 BGB Rn. 4. 798 Dreijahresfrist; nach Zoll, FS zum 25. Jubiläum der Deutsch-Polnischen Juristenvereinigung e.V., Regensburg 2015, S. 160, handelt es sich um „Ansprüche aus unternehmerischen Verträgen“. 799 Eidenmüller, SchiedsVZ 2003, S. 163 (164).

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Bestimmungen insoweit unstrukturiert, als zwischen vermögens- und nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen unterschieden wird und die in Art. 117 § 1 ZGB vorgesehenen Ausnahmen im ZGB vereinzelt wiederzufinden sind.800 b) Der Beginn und die Unterbrechung der Verjährung Die Verjährung im polnischen Zivilrecht kann entweder nach Artt. 121 f. ZGB gehemmt oder nach Art. 123 ZGB unterbrochen werden. Für die Mediation ist Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB von Relevanz, der besagt, dass der Lauf der Verjährung durch die Einleitung der Mediation unterbrochen („przerywa“) wird. Die Unterbrechung der Verjährung unterscheidet sich von der Hemmung. Bei der Hemmung der Verjährung wird der zeitliche Abschnitt für den Lauf der Verjährungsfrist nicht berücksichtigt.801 In dem Moment, in dem das die Hemmung auslösende Ereignis entfällt, läuft die Frist weiter, d. h. die Zeit vor der Hemmung der Verjährung wird zu der Zeit nach der Hemmung hinzugerechnet.802 Dies bedeutet im Ergebnis, dass sich die Verjährung im Zeitraum der Hemmung im Schwebezustand befindet, d. h. fiktiv fortläuft, und für diesen Zeitraum jedoch ausgeblendet wird. Die Hemmung der Verjährung im polnischen Zivilrecht gem. Artt. 121 f. ZGB entspricht auch dem deutschen Rechtsverständnis der §§ 203 ff. BGB.803 Dieser Fiktion bedarf es bei der Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist gem. Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB allerdings nicht, da die Verjährung für den unterbrochenen Zeitraum gänzlich aufgehoben wird.804 Dies hat, anders als die Hemmung der Verjährung, zur Folge, dass die Verjährungsfrist von Neuem zu laufen beginnt und der Zeitraum vor der Unterbrechung nicht hinzugerechnet wird.805 Sobald die Mediation im polnischen Recht gem. Art. 1836 ZVGB eingeleitet wurde,806 wird der Lauf der Verjährungsfrist des Anspruchs, der Gegenstand der Mediation ist, unterbrochen. Wird die Mediation beendet,807 so beginnt die Frist für die Verjährung des Anspruchs erneut zu laufen. Die Unterbrechungswirkung der Verjährung wird durch einen Antrag auf Durchführung einer Mediation beim Mediator gem. Art. 1836 § 1 ZVGB ausgelöst.

800 Zoll, FS zum 25. Jubiläum der Deutsch-Polnischen Juristenvereinigung e.V., Regensburg 2015, S. 160 (161). 801 Gniewek/Machnikowski, ZGB-Kommentar, 7. Aufl. 2016, Art. 121 ZGB Rn. 1. 802 Gniewek/Machnikowski, ZGB-Kommentar, 7. Aufl. 2016, Art. 121 ZGB Rn. 1. 803 MüKo-BGB/Grothe, § 204 BGB Rn. 2; Staudinger/Peters/Jacoby (2014), § 204 Rn. 2. 804 Gniewek/Machnikowski, ZGB-Kommentar, 7. Aufl. 2016, Art. 124 ZGB Rn. 1. 805 Gniewek/Machnikowski, ZGB-Kommentar, 7. Aufl. 2016, Art. 124 ZGB Rn. 1, 3. 806 S. o. dazu unter Zweiter Teil, B.III.3.c). 807 S. o. dazu unter Zweiter Teil, B.III.5.a).

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Dies bedeutet zunächst, dass der Ablauf der Verjährung von der wirksam in Gang gesetzten Mediation abhängig gemacht wird.808 Die Beendigung erfolgt sowohl bei erfolgreich durchgeführter als auch gescheiterter Mediation wiederum durch ein sog. Abschlussprotokoll gem. Art. 18312 ZVGB. Für den Fall, dass der Antrag auf Durchführung der Mediation abgelehnt wird, sieht Art. 1836 § 3 ZVGB für den Antragsteller jedoch eine Schonfrist zur Durchsetzung seines Anspruchs im Wege einer Klageerhebung vor, sofern der Antragsteller seinen Anspruch nicht im Wege der Mediation geltend machen konnte. Auf diese Weise sind der Beginn sowie das Ende der Mediation im polnischen Mediationsrecht durch Artt. 1836 und 18312 ZVGB i.V.m. Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB rechtssicher ausgestaltet.809 Den Parteien können keine Nachteile entstehen und ihre Ansprüche bleiben ganz im Sinne des Art. 8 der EU-Mediationsrichtlinie vor dem Ablauf einer Verjährungsfrist gewahrt. Die deutschen Verjährungsvorschriften enthalten im Vergleich zum polnischen Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB keine ausdrückliche Regelung zur Hemmung der Verjährung aufgrund eines eingeleiteten Mediationsverfahrens. Die Hemmung der Verjährung durch die Mediation wird im deutschen Zivilrecht unter den bereits bestehenden § 203 BGB, der die Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen regelt, subsumiert.810 Zudem besteht im deutschen Mediationsrecht die Möglichkeit, einen Antrag bei einer Schlichtungsstelle, der auf die Durchführung der Mediation gerichtet ist, zu stellen, um den Lauf der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB zu hemmen.811 Sofern der Parteigegner in Deutschland kein Interesse an (Mediations)Verhandlungen über den Streitgegenstand i.S.d. § 203 S. 1 BGB hat, erhält der mediationswillige Gläubiger im deutschen Recht keine Schonfrist zur Klageerhebung entsprechend dem polnischen Art. 1836 § 3 ZVGB. Droht die Verjährungsfrist abzulaufen, ist es rechtssicherer für den Gläubiger, seine Ansprüche im deutschen Zivilrecht einzuklagen als einen Mediationsversuch zu unternehmen, da eine erfolglose Einleitung der Mediation die Verjährungsfrist gem. § 203 BGB nicht hemmt. Auch ist § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB insoweit nicht rechtssicher, als die Verjährungshemmung im deutschen Zivilrecht nur eintritt, wenn der Antrag, der bei einer Schlichtungsstelle eingegangen ist, „demnächst bekannt gegeben wird“. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu bedauern, dass keine Schonfrist für den Fall vorgesehen ist, dass der Gläubiger bei der Antragstellung alle Voraussetzungen erfüllt hat. Auf diese Weise wird das Risiko des Nichtzustandekommens der Mediation 808 Vgl. Pietrzykowski/Brzozowski, Beck’scher Großkommentar ZGB, 8. Aufl. 2015, Art. 123 ZGB, Rn. 5; Gniewek/Machnikowski, ZGB-Kommentar, 7. Aufl. 2016, Art. 123 ZGB Rn. 17. 809 S. o. dazu unter Zweiter Teil, B.III.3.c) sowie unter Zweiter Teil, B.III.5.a). 810 H.M. BT-Drs. 17/5335, S.11; Eidenmüller, SchiedsVZ 2003, 163 (165); Eidenmüller/ Wagner/Hacke, Mediationsrecht, Köln 2015, Kap. 3, Rn. 84. 811 Eidenmüller, SchiedsVZ 2003, S. 163 (165).

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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in unberechtigter Weise auf ihn abgewälzt. Aus diesem Grund ist zu empfehlen, die Schonfrist des Art. 1836 § 3 ZVGB aus dem polnischen Recht in das deutsche Recht zu übertragen. c) Resümee Die polnische Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie im Hinblick auf die Sicherung der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen durch geeignete Verjährungsvorschriften ist dem polnischen Gesetzgeber gelungen. Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB i.V.m. den Mediationsvorschriften des ZVGB schafft klare Anknüpfungspunkte, die die Unterbrechungswirkung der Verjährung auslösen und die Verjährungsfrist erneut in Gang setzen. Auf diese Weise ist derjenige, der einen Antrag auf Durchführung der Mediation stellt, nicht mit dem Risiko des Verjährungsablaufs belastet, wenn der Antrag abgelehnt wird oder die Mediation anderweitig nicht zustande kommt. Die Verjährungsvorschriften im polnischen Zivilrecht sind jedoch nur schwer durchdringbar. Die Verjährungsfristen sind zulasten der Rechtssicherheit ebenfalls zu lang bemessen. Der kollektivistische Ansatz aus der kommunistischen Zeit, den schwächeren Vertragspartner vor der einseitigen Risikoverteilung durch zwingende und unverhältnismäßig lange Verjährungsfristen zu schützen, ist überholt. Das deutsche Verjährungsrecht bietet dagegen keine rechtssichere Hemmung der Verjährung von Ansprüchen, die eine Partei im Wege der Mediation durchsetzen will. Dies liegt an der Abwälzung des Risikos auf den Antragsteller, im Falle, dass sein Antrag auf Einleitung der Mediation abgelehnt wird und die Mediation nicht i.S.d. § 203 BGB zustande kommt oder dass der Antrag nicht i.S.d. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB a.E. „demnächst bekannt gegeben“ wird. Es ist daher zu empfehlen, sich im deutschen Recht an der Schonfrist des Art. 1836 § 3 ZVGB aus dem polnischen Recht zu orientieren und eine Regelung zu schaffen, wonach die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt, auch wenn der Antrag abgelehnt wurde, obwohl der Antragsteller alles Erforderliche hierfür getan hat. 3. Die Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit von Mediationsergebnissen Um die Mediation in Deutschland und Polen langfristig zu etablieren, bedarf es wirksamer und durchsetzbarer Mediationsergebnisse. Eine Vergleichsvereinbarung, die den erfolgreichen Abschluss eines Mediationsverfahrens auszeichnet, muss Bestand haben. Ohne diese Eigenschaft ist die Mediation nicht effektiv und stellt somit als ADR-Modell keine echte Alternative zur zivilrechtlichen Klage dar. Ein Mediationsergebnis, das die Parteien zum einen für sich nicht bindend erachten und zum anderen auch nicht effektiv durchsetzen können, ist somit wertlos. Die EU-Mediationsrichtlinie erlegt gemäß Art. 6 Abs. 1 den Mitgliedstaaten auf, ein Vollstreckbarkeitssystem für Mediationsvergleiche zu schaffen. Die Erklärung

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

der Vollstreckbarkeit soll nach Art. 6 Abs. 2 der EU-Mediationsrichtlinie durch einen Antrag auf Erteilung der Vollstreckbarkeit und nicht kraft Gesetzes erfolgen. Diese Vorgaben wurden im polnischen Recht mit der Mediationsnovelle im Jahr 2005 in Artt. 18312 bis 18315 ZVGB umgesetzt. Artt. 18313 und 18314 ZVGB befassen sich mit der Wirksamkeit von Mediationsergebnissen und der Aufgabe des Gerichts, diese zu überprüfen. In Artt. 18312 § 21 ZVGB und 18315 ZVGB ist die Vollstreckbarkeit der Mediationsergebnisse geregelt. Der Gesetzgeber hat darüber hinaus im Jahr 2011812 eine neue Norm eingeführt, die der Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie diente, nämlich Art. 18312 § 21 ZVGB.813 Art. 18312 ZVGB hat bereits im Jahr 2005 aufgrund des durch den polnischen Gesetzgeber umgesetzten Entwurfs814 zur EU-Mediationsrichtlinie existiert, welche aber die in Art. 18312 § 21 ZVGB enthaltene Aussage noch gar nicht vorsah.815 Erst durch den Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 S. 1 der EU-Mediationsrichtlinie, wonach „von den Parteien“ gemeinsam oder „von einer Partei mit ausdrücklicher Zustimmung der anderen“ eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs beantragt werden kann, musste der Wortlaut des Art. 18312 ZVGB aus dem Jahr 2005 an die klare Regelung der Richtlinie aus dem Jahr 2008 angepasst werden. a) Das Protokoll als Anknüpfungspunkt für die Vollstreckbarkeit des Mediationsvergleichs nach Art. 18312 ZVGB Die Vollstreckbarkeit des Vergleichs, der im Rahmen der Mediation zustande gekommen ist, beginnt gem. Art. 18312 ZVGB mit dem Abschlussprotokoll über den Ablauf der Mediation. Darin sollen bestimmte Angaben zum Ort, zur Dauer des Mediationsverfahrens, zur Person des Mediators sowie zu den Parteien zu Beweiszwecken dokumentiert sein, Art. 18312 § 1 ZVGB. Der Mediator ist verpflichtet, das Protokoll zu unterzeichnen, da er die Richtigkeit und „Redlichkeit“ des Inhalts zu vetreten hat.816 Hingegen steht er nicht dafür ein, dass der Inhalt gänzlich vollstreckbar und rechtlich wirksam ist. Nach einer erfolgreich durchgeführten Mediation wird der zustande gekommene Vergleich entweder mitprotokolliert oder dem Protokoll als Anhang beigefügt, Art. 18312 § 2 ZVGB. Die Parteien unterzeichnen sodann den Vergleich. Durch die Unterzeichnung der Einigung erklären sich die Parteien gem. Art. 18312 § 21 ZVGB 812

Durch das Gesetz v. 16. 09. 2011, Dz.U. Nr. 233, Pos. 1381. Zielin´ski, ZVGB-Kommentar, 9. Aufl. Warschau 2017, Art. 18312 ZVGB Rn. 2 a.E. 814 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 22. 10. 2004 KOM (2004) 718 endg. – COD 2004/0251. 815 Vgl. Art. 5 des Entwurfs zur EU-Mediationsrichtlinie. 816 So Morek, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 18312 ZVGB Rn. 1 a.E.; s. dazu oben unter Zweiter Teil, B.III.5.bb). 813

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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einverstanden, dass eine der Parteien einen Antrag auf Erteilung der Vollstreckbarkeit des Vergleichs bei Gericht stellen kann. Der Mediator hat die Parteien gem. Art. 18312 § 21 ZVGB darüber zu unterrichten. Ist eine der Parteien körperlich nicht in der Lage, mit ihrer Unterschrift gegenzuzeichnen, wird die Unfähigkeit im Protokoll, ähnlich anderer Vorschriften des ZVGB, durch den Mediator vermerkt.817 Die Parteien erhalten zudem jeweils eine Abschrift des Protokolls, Art. 18312 § 3 ZVGB. Das Protokoll ist somit ein Beweis dafür, dass die Mediation stattgefunden hat.818 Nach der beendeten Mediation reicht der Mediator das Mediationsprotokoll samt Einigung bei Gericht gem. Art. 18313 § 1 ZVGB ein. Die Einreichung ist für den Mediator allerdings erst verpflichtend, wenn ein Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs bei Gericht durch einen der Medianden gestellt wurde. Vor der polnischen Mediationsnovelle gestaltete sich die Einreichung der Mediationsprotokolle als eine erhebliche Belastung für die Gerichte. Der Wortlaut des Art. 18313 § 1 ZVGB a.F. aus dem Jahr 2005 verpflichtete den Mediator zur unverzüglichen Vorlage jedes Vergleichs beim zuständigen Gericht, auch wenn dies nicht erforderlich war. Im nächsten Schritt war das Gericht dafür zuständig, eine Titelausfertigung zu erteilen bzw. zu verwehren.819 Unabhängig davon, ob die Parteien den Vergleich freiwillig und damit ohne vollstreckbaren Titel durchgeführt oder möglicherweise nach der Einigung in der Mediation sogar Abstand von der Vollstreckung genommen haben, musste sich das Gericht gem. Art. 18313 § 1 ZVGB a.F. dennoch mit der Vollstreckbarkeit des Vergleichs befassen. Zum Zwecke der Entlastung der Gerichte sowie der Erleichterung der Arbeit der Mediatoren wurde die Regelung im Jahr 2015 dahingehend geändert, dass nur noch auf konkreten Antrag der Partei die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs geprüft und beantragt werden soll.820 Zudem wurde die anlasslose Weitergabe von Daten über die Mediationsteilnehmer an die Gerichte von den Medianden als Verletzung der Prinzips der Vertraulichkeit empfunden.821 Durch die Neufassung des Art. 18313 § 1 ZVGB werden die Daten nunmehr vertraulich behandelt und die Medianden bleiben bis zur Abwicklung des Mediationsverhältnisses weiterhin „Herren des Verfahrens“822.

817 Eingehend dazu Morek, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 18312 ZVGB Rn. 4. 818 Das Protokoll hält nicht den Inhalt der einzelnen Mediationssitzungen fest: Ołdakowski, ADR 2010 Nr. 3, S. 75, 79; zust. Morek, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 18312 ZVGB Rn. 5.1. 819 Vgl. Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 4 Nr. IX., als PDFDatei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018. 820 Begründung des Gesetzesentwurfs zur Gesetzesnovelle v. 10. 09. 2015, Dz.U. 2015, Pos. 1595 Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 25 Nr. 17. 821 So die Gesetzesbegründung v. 10. 09. 2015, Dz.U. 2015, Pos. 1595, Sejm-Drucks Nr. 3432 v. 22. 05. 2015, S. 25 Nr. 17. 822 Zur deutschen Begrifflichkeit Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, Köln 2015, Kap. 1, Rn. 9.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

Gem. Art. 18313 § 1 ZVGB n.F. soll der Mediator das Protokoll auf Wunsch eines der Medianden beim zuständigen Gericht einreichen. Die Zuständigkeit richtet sich dabei nach den allgemeinen und besonderen Zuständigkeitsvorschriften, Art. 18313 § 1 ZVGB a.E. Durch die geltende Regelung muss der Mediator selbst prüfen, welches Gericht für die Vollstreckbarerklärung des Vergleichs zuständig ist. Für juristische Laien ist die Begründung der richtigen Zuständigkeit insbesondere dann schwierig, wenn keine konkreten Rechtsnormen bezüglich der Ansprüche der Parteien im Rahmen der Mediation geprüft werden, die eine besondere Zuständigkeit des Gerichts begründen könnten. Daher sind diesbezüglich geringe Anforderungen an den Prüfungsumfang des Mediators bzgl. der Zuständigkeit des Gerichts zu stellen. Er sollte im Falle einer Einreichung beim unzuständigen Gericht keine Konsequenzen tragen müssen, da das Gericht das Protokoll ohnehin gem. Art. 200 ZVGB von Amts wegen an das zuständige Gericht weiterleitet.823 Bei strenger Auslegung des Wortlauts des Art. 18313 § 1 ZVGB geht sogar die Partei auf das Gericht zu, bevor der Mediator zur Weiterleitung des Mediationsergebnisses aufgefordert wird, indem die Partei zunächst einen Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel stellt.824 Sodann fordert das Gericht den Mediator dazu auf, das für die Titelerteilung relevante Protokoll im Original einzureichen. Es ist jedoch auch möglich, dass das Abschlussprotokoll sowohl den Vergleich als auch den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel enthält.825 In diesem Fall obläge dem Mediator weiterhin die Wahl des zuständigen Gerichts. Sofern die Mediation nicht vor dem Gerichtsprozess stattgefunden hat, sondern die Streitigkeit erst aufgrund eines rechtshängigen Prozesses mit Einverständnis der Parteien in die Mediation verlagert wurde, kommt § 2 des Art. 18313 ZVGB zur Anwendung. Da das Gericht den Prozess unterbricht, um die Durchführung der Mediation zu ermöglichen, muss das Gericht spätestens bei der Beendigung der Mediation erfahren, ob der Prozess durch den Mediationsvergleich beendet werden kann oder weitergeführt werden muss. b) Die Anforderungen an den in der Mediation erzielten Vergleich Der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich ist relevant für das Gericht und die Erteilung der Vollstreckungsklausel, Artt. 18314 f. ZVGB. Diese Vorschriften schließen nicht das Mediationsverfahren ab, sondern den gesamten Abschnitt des

823 Morek/Budniak-Rogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 18313 ZVGB Rn. 4 a.E. 824 So auch Morek, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 18314 ZVGB Rn. 2. 825 Wis´niewski, in: System prawa handlowego – Poste˛ powanie sa˛dowe w sprawach cywilnych z udziałem przedsie˛ biorców (Hrsg.: Wis´niewski, Tadeusz), Bd. 7, 2. Aufl. Warschau 2013, Kap. 8 Rn. 84.

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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polnischen Zivilprozessrechts über das Mediationsverfahren. Zudem ist das Verfahren über die Erteilung der Vollstreckungsklausel für die Parteien kostenlos.826 Zunächst wird zwischen der außergerichtlichen und der gerichtsnahen Mediation unterschieden. Dies bedeutet für die gerichtsnahe Mediation, dass der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zum bestehenden Prozess gehört und nach Art. 126 §21 ZVGB wie ein weiterer (Prozess)Schriftsatz zu behandeln ist.827 Für die gerichtsexterne Mediation beginnt dagegen ein neues Verfahren, das dem deutschen Klauselerteilungsverfahren der ZPO ähnelt. Dieses Verfahren ergibt sich im polnischen Mediationsrecht aus dem Wortlaut des Art. 18314 § 2 Hs. 2. ZVGB. Danach bestätigt das Gericht das im Vergleich festgehaltene Mediationsergebnis in nicht öffentlicher Sitzung. Erscheint ein Fall komplex und sollen die Parteien hierzu angehört werden, kann das Gericht nach der Ansicht von Morek entgegen dem Wortlauts des Art. 18314 § 2 2. Hs. ZVGB einen Termin zur öffentlichen Verhandlung gem. Art. 766 ZVGB i.V.m. Art. 148 § 2 ZVGB anberaumen.828 Dies erscheint vor dem Hintergrund insoweit notwendig, als das Gericht zur Versagung der Erteilung der Vollstreckungsklausel gem. Art. 18314 § 3 ZVGB befugt ist. In der mündlichen Verhandlung erhalten die Parteien sodann die Chance, zum Vergleich und ggf. zu den Versagungsgründen Stellung zu nehmen. Das mit dem Verfahren über die Erteilung der Vollstreckungsklausel befasste Gericht ist nicht zur Überprüfung des Vergleichs in der Sache befugt, da der Katalog der Versagungsgründe in Art. 18314 § 3 ZVGB abschließend ist.829 Das Gericht ist jedoch befugt, zu entscheiden, ob es die Vereinbarung ganz oder teilweise („w całos´ci lub w cze˛ s´ci“) für nicht vollstreckbar erklären kann sowie ob bestimmte Klauseln der Vereinbarung bereits erfüllt wurden und damit ohnehin nicht mehr vollstreckbar sind.830 Bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel hat das Gericht die gem. Art. 783 § 2 ZVGB i.V.m. der Verordnung über die Wortlautbezeichnung der Vollstreckungsklausel831 genannte Formulierung zu verwenden.832 Wenn der Vergleich ganz oder zum Teil gegen geltendes Recht (Art. 18314 § 3 Alt. 1 ZVGB), gegen die Regeln 826 Antolak-Szymanski/Piaskowska, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 18314 ZVGB Rn. 5. 827 Morek, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 18314 ZVGB Rn. 2. 828 Morek, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 18314 ZVGB Rn. 3. 829 Postanowienie Sa˛du Apelacyjnego w Poznaniu [Beschluss des Berufungsgerichts Posen], v. 14. 01. 2014 – I ACz 2163/13, Legalis Nr. 775706. 830 Postanowienie Sa˛du Apelacyjnego w Poznaniu [Beschluss des Berufungsgerichts Posen], v. 16. 10. 2012 – I ACz 1593/12, Legalis Nr. 726360. 831 Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie okres´lenia brzmienia klauzuli wykonalnos´ci v. 05. 04. 2012, Dz.U. v. 23. 04. 2012, Pos. 443. 832 Morek, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 18314 ZVGB Rn. 7; Ähnlichkeit zum deutschen § 725 ZPO.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

des gesellschaftlichen Miteinanders833 (Art. 18314 § 3 Alt. 2 ZVGB) verstößt oder der Vergleich zur Umgehung des Gesetzes (Art. 18314 § 3 Alt. 3 ZVGB) dienen soll, unverständlich (Art. 18314 § 3 Alt. 4 ZVGB) oder widersprüchlich (Art. 18314 § 3 Alt. 5 ZVGB) ist, hat das Gericht die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu versagen. Art. 18314 § 3 Alt. 1 und Alt. 2 ZVGB ähneln dem Verstoß gegen das gesetzliche Verbot gem. § 134 BGB sowie dem Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 BGB im deutschen Recht. Im Hinblick auf Art. 18314 § 3 Alt. 4 und 5 ZVGB wird die Unverständlichkeit der Vereinbarung dann angenommen, wenn der Inhalt dem durchschnittlichen Empfänger bei objektiver Betrachtungsweise nicht klar ist und er deshalb nicht imstande ist, den Vertrag durchzuführen.834 Des Weiteren ist der Vergleich in sich widersprüchlich, wenn selbst bei einer wohlwollenden Auslegung der einzelnen Regelungen des Vergleichs der Versuch der Vertragsdurchführung scheitert.835 Es findet somit stets eine ergänzende Vertragsauslegung nach Art. 65 § 2 ZGB statt,836 um der in der Mediation protokollierten Vereinbarung zum Erfolg zu verhelfen. Die gerichtliche Überprüfung des Vergleichs stellt einerseits eine Einschränkung der Privatautonomie dar, dient andererseits dem Schutz des öffentlichen Interesses bzw. der öffentlichen Ordnung, um zu verhindern, dass die Regeln des gesellschaftlichen Miteinanders nicht durch das Privatrecht unterlaufen werden.837 Das Interesse an der Aufrechterhaltung der Privatautonomie ist mit dem Interesse an der Durchsetzung der grundlegenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen in einen angemessenen Einklang zu bringen. Nach der Ausgestaltung des Art. 18314 § 3 ZVGB wird der Schutz der Durchsetzung der grundlegenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen zum Schutz des Bürgers vor sich selbst.838 Anstatt einer verpflichtenden Prüfung der Ablehnungsgründe durch das Gericht hätte die Norm des Art. 18314 § 3 ZVGB auch dahingehend ausgestaltet werden können, dass der Antragsgegner eine Einwendung gegen die Klauselerteilung aus den in Art. 18314 § 3 ZVGB genannten Gründen hätte selbst erheben müssen, nachdem die Zustellung des vollstreckbaren Titels spätestens mit Beginn der Zwangsvollstreckung erfolgt

833

Ähnelt dem Verstoß gegen die guten Sitten des deutschen Zivilrechts. Wis´niewski, in: System prawa handlowego – Poste˛ powanie sa˛dowe w sprawach cywilnych z udziałem przedsie˛ biorców (Hrsg.: Wis´niewski, Tadeusz), Bd. 7, 2. Aufl. Warschau 2013, Kap. 8 Rn. 85. 835 Vgl. Wis´niewski, in: System prawa handlowego – Poste˛ powanie sa˛dowe w sprawach cywilnych z udziałem przedsie˛ biorców (Hrsg.: Wis´niewski, Tadeusz), Bd. 7, 2. Aufl. Warschau 2013, Kap. 8 Rn. 85. 836 Art. 65 § 1 ZGB regelt die Auslegung von reinen Willenserklärungen und entspricht somit dem dt. § 133 BGB, wohingegen Art. 65 § 2 ZGB den dt. §§ 133, 157 BGB entspricht. 837 Wis´niewski, in: System prawa handlowego – Poste˛ powanie sa˛dowe w sprawach cywilnych z udziałem przedsie˛ biorców (Hrsg.: Wis´niewski, Tadeusz), Bd. 7, 2. Aufl. Warschau 2013, Kap. 8 Rn. 84. 838 Vgl. zur Einschränkung der Selbstbestimmung der Bürger durch den Staat oben unter Zweiter Teil, A.I.2. und Zweiter Teil, A.II.2.b)cc). 834

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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ist.839 Eine solche Vorschrift würde zur Entlastung der Gerichte beitragen, da die Gerichte keine aufwendige Prüfung im Rahmen der Klauselerteilung durchzuführen hätten, sondern ihr Augenmerk auf evidente Rechtsverstöße richteten. Festzuhalten ist, dass die Prüfung der Versagungsgründe durch das Gericht unangemessen in die Vertragsfreiheit eingreift. Die Erteilung sowie die Ablehnung der Vollstreckbarerklärung gem. Art. 18314 § 3 oder § 2 ZVGB ergeht durch Beschluss.840 Mit der Entscheidung des Gerichts werden den Parteien Verteidigungsmöglichkeiten eröffnet. c) Die Abwehrmöglichkeiten gegen die Versagung der Erteilung einer Vollstreckungsklausel Wurde die Erteilung einer Vollstreckungsklausel nach Art. 18314 § 3 ZVGB abgelehnt, kann die Partei eine Beschwerde in zweiter Instanz gem. Art. 394 § 1 Nr. 10 ZVGB einlegen. Die Beschwerde wurde eigens für das Klauselverfahren für Mediationsvergleiche geschaffen.841 Die Parteien können jedoch auch vorsorgen und bereits vor Einleitung des Klauselverfahrens und damit vor Beginn der Zwangsvollstreckung andere Klagearten in Erwägung ziehen. Die Verteidigungsrechte des Schuldners sind nicht durch das Mediationsrecht abschließend geregelt. Stellt der Schuldner nach Abschluss der Mediationsvereinbarung fest, dass der Vollstreckbarerklärung der Mediationsvereinbarung die Versagungsgründe des Art. 18314 § 3 ZVGB entgegenstehen, kann er eine negative Feststellungsklage842 gem. Art. 189 Alt. 2 ZVGB erheben. Der Kläger kann bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses eine gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder eines Rechts gem. Art. 189 ZVGB verlangen. Sofern der Schuldner eine Zwangsvollstreckung fürchtet und einer der in Art. 18314 § 3 ZVGB genannten Gründe seiner Ansicht nach vorliegt (Vorliegen eines Feststellungsinteresses), kann er im Wege der Klage nach Art. 189 Alt. 2 ZVGB dies mithin gerichtlich feststellen lassen. Bei Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zwischen den ehemaligen Medianden würde der Mediationsvereinbarung die Grundlage entzogen und damit auch die Zwangsvollstreckung unmöglich gemacht.

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Ähnlich des Art. 45 der Brüssel-Ia-VO. Art. 18314 § 2 Hs. 2 ZVGB; Postanowienie Sa˛du Apelacyjnego w Poznaniu [Beschluss des Berufungsgerichts Posen], v. 14. 01. 2014 – I ACz 2163/13, Legalis Nr. 775706; Postanowienie Sa˛du Apelacyjnego w Poznaniu [Beschluss des Berufungsgerichts Posen], v. 16. 10. 2012 – I ACz 1593/12, Legalis Nr. 726360; De Vries, Die gesetzliche Regelung der Mediation in Deutschland, in: Mediation als Verfahren konsensualer Streitbeilegung, S. 85 (105). 841 Vgl. Gesetzesentwurf v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 9 Nr. X., als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018, jedoch ohne Begründung. 842 Vgl. § 256 dt. ZPO; Zöller/Greger, § 256 Rn. 2. 840

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

d) Die Rechtskraft eines Prozessvergleichs Sind alle Voraussetzungen erfüllt und wurde der Mediationsvergleich gem. Art. 18314 ZVGB vom Gericht mangels Vorliegens von Versagungsgründen bestätigt, hat der Mediationsvergleich die Rechtskraft eines Prozessvergleichs, Art. 18315 § 1 S. 1 ZVGB. Überdies stellt das gerichtlich bestätigte Protokoll gem. Art. 18315 § 1 S. 2 ZVGB einen Vollstreckungstitel dar, da es mit einer Vollstreckungsklausel versehen wurde. Satz 1 des Art. 18315 § 1 ZVGB beschreibt die reine Wirkungskraft und betont die Gleichheit der beiden Arten des Vergleichs, der sowohl materiellrechtliche als auch prozessrechtliche Rechtsfolgen auslöst.843 Satz 2 dagegen dient der praktischen Rechtsfolge, um den Vergleich zwangsweise vollstrecken zu können. e) Die Vollstreckungsabwehrklage Wie im deutschen Recht ist auch mit Beginn der Einleitung der Zwangsvollstreckung eine Vollstreckungsabwehrklage möglich. Im polnischen Recht richtet sich diese nach Art. 840 ZVGB. Diese Klageart hat allerdings eine viel weitreichendere Wirkung als die des deutschen Vollstreckungsabwehrrechts, denn nicht nur Einwendungen, die im deutschen Recht gem. § 767 ZPO nachträglich entstanden sind, können gem. Art. 840 ZVGB entgegengehalten werden.844 Die zu § 767 ZPO äquivalente Vorschrift stellt lediglich Nr. 2 des Art. 840 § 1 ZVGB dar, die sich, genauso wie die deutsche Vollstreckungsabwehrklage, auf die nachträglich entstandenen Einwendungen konzentriert. Der Schuldner der zu vollstreckenden Ansprüche aus der Mediationsvereinbarung kann jedoch auch nach Art. 840 § 1 Nr. 1 ZVGB Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Klauselerteilung – ähnlich der deutschen Vorschrift des § 733 ZPO – geltend machen sowie das Bestehen des Rechtsverhältnisses, auf dem die Zwangsvollstreckung beruhen soll, anzweifeln. Anders als im deutschen Recht kann der Schuldner nicht nur formelle Fehler der Klauselerteilung, sondern auch die materiellen Voraussetzungen, die den Rechtsgrund der Vollstreckung darstellen, rügen. Diese Klage nach Art. 840 § 1 Nr. 1 ZVGB ist lediglich gegen vollstreckbare Entscheidungen unzulässig. Da die Entscheidung durch ein Gericht im Wege eines kontradiktorischen Verfahrens getroffen wird, findet dort bereits die Überprüfung des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen statt. Eine doppelte gerichtliche Prüfung der gerichtlichen Entscheidung wäre somit insoweit systemwidrig, als hierfür schließlich spezielle Rechtsmittel normiert sind,845 die durch eine solche Regelung im Zwangsvollstreckungsabwehrrecht unterlaufen würden. Da der Mediationsvergleich durch einen gerichtlichen Beschluss mit einer Klausel versehen 843

Morek/Budniak-Rogala, in: Marszałkowska-Krzes´, ZVGB-Kommentar, Warschau 2017, Ed. 18, Art. 18315 ZVGB Rn. 1. 844 Dies wäre ein Fall des Art. 840 § 1 Nr. 2 ZVGB. 845 Vgl. apelacja [Berufung] nach Artt. 369 ff. ZVGB, zaz˙ alenie [Beschwerde] nach Artt. 394 ff. ZVGB.

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wird, stellt er eine gerichtliche Entscheidung dar. Dementsprechend kann Art. 840 § 1 Nr. 1 ZVGB nur dann zur Anwendung kommen, wenn rein formelle Fehler beanstandet werden. f) Resümee Die Vollstreckbarkeit des Mediationsvergleiches soll einen effektiven (grenzüberschreitenden) Rechtsschutz bieten und die Gerichte entlasten. Prima facie betrachtet, werden die Gerichte durch das in Polen eingeführte nationale Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 18314 ZVGB zunächst belastet, da ihnen die Prüfungsplicht des Mediationsvergleichs obliegt. Eine Prüfung des Mediationsvergleichs und dessen Vollstreckbarerklärung ist jedoch weniger zeitintensiv als die Vorbereitung, Durchführung und ggf. Urteilsbegründung derselben Streitigkeit. Dies gilt auch für die Ablehnung der Vollstreckbarerklärung, da diese sich nur auf die aufgelisteten Rechtsverstöße beschränkt. Daher setzen die in Polen eingeführten Vollstreckungsvorschriften nicht nur die Vorgaben der EU-Mediationsrichtlinie effektiv um, sondern bieten eine konsequent durchdachte und leicht zugängliche Vollstreckungsmethode für den Bürger an, der von den Vorschriften erheblich profitiert. Aus rechtlicher Sicht erscheint die Gestaltung der Vollstreckbarkeit von Mediationsvergleichen im polnischen Zivilverfahrensrecht als attraktiv und damit als eine echte Alternative zum Prozess. Empfehlenswert wäre eine andere Ausgestaltung der Geltendmachung von Versagungsgründen nach Art. 18314 § 3 ZVGB. Derzeit ist das Gericht zur Prüfung verpflichtet, sobald ein Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel gestellt wurde. Um der Vertragsfreiheit mehr Geltung zu verschaffen, sollte die Geltendmachung von Versagungsgründen als Einwendung des Schuldners gegen die Vollstreckung ausgestaltet werden. Begrüßenswert ist, dass das polnische Recht ausreichende Abwehrmöglichkeiten gegen die gerichtliche Versagung der Erteilung einer Vollstreckungsklausel bietet. Auf diese Weise bleiben Gläubiger- und Schuldnerrechte in der Vollstreckung hinreichend geschützt. 4. Zusammenfassung der rechtlichen Auswirkungen der Mediation auf Ansprüche der Medianden Die Durchführung eines Mediationsverfahrens wirkt sich rechtlich auf die in der Mediation erörterten Ansprüche aus. Die Einleitung der Mediation unterbricht im polnischen Recht den Lauf der Verjährungsfristen und der erzielte Vergleich kann durch eine vom Gericht erteilte Vollstreckbarerklärungsklausel die Rechtskraft eines Prozessvergleichs erlangen. Im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Vertraulichkeit in der Mediation ist zu erwähnen, dass das polnische Mediationsrecht ein Beweisthemenverbot als gesetzlich festgeschriebenes Beweiserhebungsverbot vorsieht, um das gesprochene Wort und die in der Mediation genannten Informationen zu schützen. Eine Beweiserhebung über den Mediationsgegenstand ist unwirksam

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

und muss bei der Urteilsfindung unberücksichtigt bleiben. Auch der Mediator darf nicht als Zeuge aussagen, es sei denn, die Parteien haben ihn von der Schweigepflicht entbunden. Die Frage, ob dem Mediator ein Zeugnisverweigerungsrecht und damit eine Schweigebefugnis gem. § 383 Nr. 6 ZPO im deutschen Recht zusteht, kann dagegen stets dann dahinstehen, wenn die Parteien die Zeugeneigenschaft vertraglich ausschließen. In diesem Fall entfaltet der Zeugenausschluss dieselbe Wirkung wie der gesetzliche Ausschluss des Mediators als Zeuge im polnischen Recht.

VI. Die ökonomische Betrachtung der Mediation Die Mediation bietet in vieler Hinsicht Kostenanreize und kann damit eine kostengünstige außergerichtliche Streitbeilegung sein. So lautet die Kernaussage des 6. Erwägungsgrundes der EU-Mediationsrichtlinie. Bezüglich der Kosten der Mediation oder einer Pflicht zur Gewährung einer staatlichen Kostenhilfe enthält die Richtlinie keine weiteren Angaben. Zudem wird die Einführung der Mediation in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten nicht aus EU-Finanzmitteln gefördert. Zuschüsse sind jedoch nicht ausgeschlossen, werden aber gesondert für einzelne Projekte über das EU-Programm „Justiz“ vergeben.846 Aus dem Wortlaut des Erwägungsgrundes 17 der EU-Mediationsrichtlinie wird überdies deutlich, dass die Mitgliedstaaten insoweit ohnehin nicht besonders dazu angeregt werden, die Mediation mithilfe von staatlichen Finanzmitteln zu fördern, als Staaten bei der Umsetzung nicht verpflichtet wurden, solche Fördermittel bereitzustellen. Die Mediation wird dennoch damit beworben, sie sei ein alternatives Mittel zum Gerichtsprozess und sowohl für den „small-claims“-Bereich847 als auch für eine Nutzung im Zusammenhang mit komplexen und prestigeträchtigen Großkonflikten geeignet.848 Für eine Nutzung im Zusammenhang mit Großkonflikten wird angeführt, dass, je aufwändiger die Streitigkeit aufzuklären ist und je höher das Risiko des Unterliegens im Prozess wiegt, wodurch mit dem Streitwert auch die Gerichts- und Vergütungskosten des Rechtsbeistands für die Parteien steigen, desto stärker seien die Parteien zu einer außergerichtlichen Einigung und damit zur Mediation bereit.849 Daher stelle die Mediation eine kostengünstige Alternative zur gerichtlichen Auseinandersetzung dar. Ob und inwieweit sich dieser Aspekt auch im deutschen und polnischen Recht widerspiegelt, ist näher zu untersuchen. Im polnischen Zivilrecht wurden Gerichts- und Prozesskosten mit Bezug zum Mediationsverfahren in unterschiedlichen Regelungen des Zivilverfahrensgesetzbuchs und des Gerichtskostengesetzes normiert. Hinzu kommt die Verordnung des 846 Bericht der Kommission v. 26. 8. 2016 über die Anwendung der Richtlinie 2008/52/EG, COM (2016) 542 final, S. 3 Fn. 4, 7 a.E., 12. 847 Morek/Rozdeiczer, in: Mediation (Hrsg. Hopt/Steffekt), Oxford 2013, S. 775 (794). 848 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Vorbem. Art. 1831 ZVGB Rn. Rn. 11, S. 38. 849 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Vorbem. Art. 1831 ZVGB Rn. 11, S. 39.

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Justizministers über die Höhe der Vergütung und über die Erstattung notwendiger Kosten und Auslagen des Mediators im Zivilverfahren.850 Treffen die Parteien eine eigene Vergütungsvereinbarung mit dem Mediator, leiten sich diverse Ansprüche aus diesem Vertrag ab. Wird die außergerichtliche Mediation über ein Mediationszentrum geführt, erklären sich die Parteien im Regelfall mit dem Preisverzeichnis der Institution einverstanden.851 Die Kosten der Mediation sind somit an unterschiedlichen Parametern zu messen. Da im polnischen Recht eine Richtermediation ausgeschlossen ist, ist eine Kostenregelung im Rahmen einer gerichtsinternen Mediation nicht vorhanden, sondern für die gerichtsnahe und -externe Mediation kodifiziert. Im deutschen Recht dagegen sind die Kosten der Mediation durch einen Güterichter in den Prozesskosten mit enthalten, da das Verfahren vor dem Güterichter als Bestandteil des Gerichtsprozesses verstanden wird.852 Die deutschen und polnischen Mediationskostenregelungen unterscheiden sich mithin bereits durch die Art des Mediationsverfahrens, das in den Ländern angeboten wird. Auch ist ein Blick auf die staatlichen Instrumentarien der Kostentragung der Mediation, wie etwa den Förderprogrammen und der Kostenhilfe, notwendig. 1. Die Kosten der Mediation in Polen im Zusammenhang mit einem Gerichtsprozess Bei weitem Verständnis des Begriffs „Kosten“ entstehen diese streng genommen bereits dann, sobald die Parteien ihre Zeit für die Mediation aufwenden und im Zuge dafür Tätigkeiten (z. B. arbeitsvertragliche Verpflichtungen) aufgeben, die sie in dieser Zeit erledigen könnten. Auch Fahrtkosten und andere Auslagen kommen hinzu. Daher ist vorab festzuhalten, dass eine Mediation niemals kostenlos sein kann. Die Anpreisung der Mediation als kostengünstige Alternative wird somit weniger mit einer weiten Auslegung des Kostenbegriffs in Zusammenhang gebracht als mit dem Vergleich zwischen den Kosten des Mediationsverfahrens und den Kosten eines entsprechenden Gerichtsverfahrens, das angestrengt werden müsste, um ein Ergebnis für dieselbe Streitigkeit zu erzielen. Die Mediationskosten werden somit stets im Vergleich zu anderen Verfahren dargestellt: Sie sollen geringer sein als im Gerichtsprozess, Schiedsverfahren, Gutachterverfahren oder in anderen alternativen Streitbeilegungsmethoden. Ob und in welcher Höhe die Mediation Kosten verursachen kann, ist eine Frage der gesetzlichen Regelung und vertraglichen Vereinbarung.

850 Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie wysokos´ci wynagrodzenia i podlegaja˛cych zwrotowi wydatków mediatora w poste˛ powaniu cywilnym [Verordnung des Justizministers über die Höhe der Vergütung und über die Erstattung notwendiger Kosten und Auslagen des Mediators im Zivilverfahren], Dz.U. v. 20. 06. 2016, Pos. 921. 851 Morek, Mediacja i arbitraz˙ , Warschau 2006, Art. 1835 ZVGB Rn. 1. 852 Buschmann, AnwBl 2013, S. 508 (509): kostenlose gerichtsinterne Mediation.

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a) Die Ausgangslage in Polen im Jahr 2005 vor der Mediationsreform im Jahr 2015 Die Kosten der Mediation zählten über zehn Jahre seit Inkrafttreten der Art. 1831 ff. ZVGB im Jahr 2005 nicht zu den notwendigen Gerichtskosten. Der Gesetzgeber betonte dies bereits bei der Schaffung des Art. 1835 ZVGB.853 Gem. Art. 1835 S. 1 ZVGB hatte und hat der Mediator einen Vergütungs- und Erstattungsanspruch, es sei denn, er hat sich mit der vergütungslosen Durchführung der Mediation einverstanden erklärt. Weiter besagt S. 2, dass die Kosten für die Vergütung und die Erstattung weiterer Kosten und Auslagen die Parteien tragen. Insgesamt hat sich die Rechtslage zur Vergütung des Mediators seit 2005 nicht geändert. In der alten Fassung des polnischen Gerichtskostengesetzes in Zivilsachen, kurz pln. GKG, aus dem Jahr 2005 war eine Regelung enthalten, die die Mediationskosten von Gerichtskosten trennte. Zu Gerichtskosten zählten auch bereits damals schon Auslagen sowie Gebühren, Art. 2 pln. GKG. Art. 41 pln. GKG a.F. besagte hierzu jedoch ausdrücklich, dass Mediationskosten weder Gerichtsgebühren darstellten noch zu den gerichtlichen Auslagen zählten.854 Damit war klargestellt, dass die Mediationskosten von den Parteien selbst zu tragen sind, da sie aus dem polnischen Gerichtskostengesetz ausgelagert wurden. Auf diese Weise sind Mediationskosten rein privatrechtliche Ausgaben der Parteien, auch wenn das Mediationsverfahren nach Klageeinreichung stattgefunden hat und die Streitigkeit bei Gericht ohnehin anhängig war. Zwar wurde die Mediation durch die Schaffung der Artt. 1831 ff. ZVGB strukturell in das Zivilverfahrensrecht eingebunden, in finanzieller Hinsicht stellte das Mediationsverfahren aufgrund seiner Ausgliederung aus dem Gerichtskostengesetz jedoch einen Fremdkörper im polnischen Zivilverfahren dar. Diese Diskrepanz führte zur Belastung der Parteien mit den Kosten des Mediationsverfahrens, auch wenn dieses im Rahmen eines laufenden Prozesses auf Antrag des Gerichts durchgeführt werden sollte (gerichtsnahe Mediation). In der Gesetzesbegründung wurde nicht erläutert, weshalb eine Ausgliederung der Mediationskosten aus dem Gerichtskostengesetz sinnvoll oder notwendig erscheint. Es wurde allgemein darauf verwiesen, dass nunmehr Kostenanreize für die Mediation geschaffen wurden und der Fiskus durch eine staatliche Mediationskostenhilfe nicht belastet ist.855 Grundsätzlich stand und steht eine Trennung zwischen den Kosten der Mediation und den Gerichtskosten im Einklang mit den Vorgaben der EUMediationsrichtlinie. Sie sieht auch heute keine verbindliche finanzielle Förderung

853 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 6 Nr. XI., als PDF-Datei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018. 854 S. Art. 4 des Gesetzes v. 28. 07. 2005, Dz.U. 2005 Nr. 172 Pos. 1438. 855 Gesetzesbegründung v. 20. 08. 2004, Sejm-Drucks. Nr. 3213, S. 5 f. Nr. XI., als PDFDatei abrufbar unter der Archivseite des Sejm unter http://orka.sejm.gov.pl/Druki4ka.nsf, Stand: 06. 11. 2018.

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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der Mediation in den Mitgliedstaaten vor, auch nicht in Verbindung mit einem bestehenden Zivilprozess. Die Ungleichbehandlung in der Finanzierung wertete die Mediation in den Augen der Bürger ab. Dass das nationale Mediationsangebot seit dem Jahr 2005 in Polen kaum wahrgenommen wurde, schlug sich auch in den entsprechenden Statistiken nieder. Ein Jahr nach Inkrafttreten der polnischen Umsetzung des Entwurfs der EUMediationsrichtlinie fanden im Jahr 2006 an den Regionalgerichten856 gerade einmal knapp 400 gerichtsnahe Mediationsverfahren, die durch die Anregung des Gerichts im Rahmen eines rechtshängigen Prozesses durchgeführt wurden, statt. Die Zahl verdoppelte sich sechs Jahre später und stieg schließlich im Jahr 2016 auf ca. 1.600 durchgeführte gerichtsnahe Mediationsverfahren an.857 Der Anstieg kann zum Teil auf die Bereitstellung von Informationen über die Mediation für die breite Öffentlichkeit zurückzuführen sein, aber auch auf die jüngst in Kraft getretene Kostenerleichterung für die Parteien. b) Die Gerichtskosten und die Mediationskosten seit der Mediationsreform aus dem Jahr 2015 Mit der Mediationsreform traten am 01. 01. 2016 neue Regelungen in Kraft,858 die der Mediation zu größerem Erfolg verhelfen und den Zugang zur Mediation – auch in finanzieller Hinsicht – verbessern sollten. Die Reform wurde dazu genutzt, Art. 41 pln. GKG a.F. aufzuheben. Diese Norm wiederum war ausschlaggebend dafür, dass die Mediation aus dem Gerichtskostenwesen gänzlich ausgeschlossen wurde. Der neue Art. 5 Abs. 1 Nr. 11 pln. GKG sieht nunmehr vor, dass Mediationskosten, die infolge der Verweisung in die Mediation durch das Gericht entstehen, zu den Auslagen und damit gem. Art. 2 pln. GKG zu den Gerichtskosten zählen. Die Mediationsreform aus dem Jahr 2015 in Polen bedeutete nicht nur einen erheblichen Vorteil für Anspruchsberechtigte der Prozesskostenhilfe, sondern auch für den Mediator. Zum einen werden die Mediationskosten nunmehr gem. Art. 5 Abs. 1 Nr. 11 i.V.m. Art. 101 f. pln. GKG ganz oder teilweise durch die Staatskasse getragen, sodass einkommensschwache Streitparteien, die sich im laufenden Prozess für eine gerichtsnahe Mediation entscheiden, Prozesskostenhilfe sowohl für das Gerichts- als auch das Mediationsverfahren erhalten. Zum anderen wird die für ein laufendes Mediationsverfahren angefallene Vergütung vorläufig von der Staatskasse

856

Regionalgerichte entsprechen den deutschen Amtsgerichten. Wydział Statystycznej Informacji Zarza˛dczej, Departament Strategii i Funduszy Europejskich Ministerstwa Sprawiedliwos´ci (Abteilung des Statistischen Amtes der polnischen Verwaltung, Justizministerium für Strategie und Europäische Fonds), abrufbar unter https://ms. gov.pl/pl/dzialalnosc/mediacje/publikacje-akty-prawne-statystyki/ sowie Informator Statystyczny Wymiaru Sprawiedliwos´ci (Statistische Informationsseite der Justiz) https://isws.ms. gov.pl/pl/baza-statystyczna/opracowania-wieloletnie/, jeweils Stand 06. 11. 2018. 858 Gesetz v. 10. 09. 2015, Dz.U. Pos. 1595. 857

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

getragen, ähnlich der Vergütung für durch das Gericht bestellte Sachverständige.859 Auf diese Weise müssen Mediatoren nicht mehr fürchten, ihre Vergütung gerichtlich geltend machen zu müssen. Solange die Beendigung der Verfahren (sowohl des Prozesses als auch der Mediation) ungewiss ist, lastet das Prozesskostenrisiko nicht länger auf dem Mediator, sondern wird durch die Staatskasse getragen. Die Möglichkeit der Gewährung einer Prozesskostenhilfe eröffnet auch den Parteien, die eine Mediation zur Streitbeilegung für vorzugswürdig erachteten, diese aber aus eigenen finanziellen Mitteln nicht bestreiten konnten, nunmehr die Möglichkeit der Nutzung der Mediation als alternatives Streitbeilegungsmodell zum Gerichtsverfahren. Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Nr. 11 pln. GKG umfasst unstreitig die gerichtsnahe Mediation. Es heißt, dass zu den gerichtlichen Auslagen die Kosten der Mediation gehören, die aufgrund der Verweisung des Gerichts (Art. 1838 ZVGB) durchgeführt wurde. Verstärkt wird dies durch Art. 981 § 1 ZVGB, wonach Mediationskosten zu Gerichtskosten zählen, wenn das Gericht in die Mediation verwiesen hat. Die Mediationskosten werden im Falle eines Vergleichs überdies gem. Art. 1041 ZVGB gegeneinander aufgehoben. Die vorgerichtliche Mediation, die beispielsweise aufgrund einer vertraglichen Deeskalationsklausel im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens durchgeführt wird, ist allerdings weder von der Regelung des Art. 981 ZVGB noch des Art. 5 Abs. 1 Nr. 11 pln. GKG erfasst. Hierbei verweist nämlich nicht das Gericht in die Mediation, sondern die Parteien organisieren diese ohne Mithilfe des Gerichts auf eigenverantwortliche Weise. Damit fehlt das Einfallstor des Art. 5 pln. GKG in die Regelung der Prozesskostenhilfe nach Art. 110 f. pln. GKG. Mithin ist auch eindeutig die außergerichtliche Mediation nicht von der Prozesskostenhilfe abgedeckt. c) Resümee Die Kosten der gerichtsnahen Mediation in Polen zählen zu Gerichtskosten und sichern einkommensschwachen Parteien Prozesskostenhilfe für die Mediation zu. Dies hat nicht nur einen Vorteil für die Medianden, sondern auch für den Mediator, dessen Vergütung vorläufig durch die Staatskasse, ähnlich der Vergütung für durch das Gericht bestellte Sachverständige, getragen wird. Vor Inkrafttreten der polnischen Mediationsreform aus dem Jahr 2015 gestaltete sich die Kostenverteilung insoweit anders, als in der Mediationsnovelle aus dem Jahr 2005 noch keine Übernahme der Kosten für jegliche Art der Mediation vorgesehen war. Die Neuregelung des Kostenrechts im polnischen Mediationsrecht dient der Förderung und Stärkung der Mediation. Die positive Entwicklung spiegelt sich daher zum Teil auch in der steigenden Anzahl der Teilnahmen an der Mediation wider.

859

S. 43.

Gesetzesentwurf v. 22. 05. 2015, Sejm-Druks Nr. 3432, Art. 8 der Gesetzesbegründung

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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2. Die Vergütung des Mediators gemäß Art. 1835 ZVGB Dem Mediator steht eine Vergütung zu, es sei denn, er hat eingewilligt, die Mediation vergütungsfrei durchzuführen, Art. 1835 S. 1 ZVGB. Darüber hinaus kann er Erstattung von Kosten und Auslagen verlangen, die aus der Durchführung der Mediation erwachsen sind. Dadurch, dass die Mediationsvereinbarung in der Regel konkrete Bestimmungen zur Vergütung sowie zu weiteren entscheidenden Merkmalen des Mediationsverfahrens enthält, folgt der Vergütungsanspruch dem Grunde nach aus der Vereinbarung selbst860 und zwar unabhängig von der Rechtsnatur der Vereinbarung.861 Die Höhe der Vergütung ist der polnischen Vergütungsverordnung für Mediatoren zu entnehmen. Die Vergütungsverordnung für Mediatoren862 regelt Höchst- und Mindestvergütungssätze für den Mediator, der aufgrund einer gerichtlichen Initiierung für die Parteien als Mediator tätig geworden ist. Art. 981 § 4 ZVGB stellt diesbezüglich die entsprechende Rechtsgrundlage dar, wonach Regelungen über die Höhe der Vergütung sowie der Kosten und Auslagen im Rahmen der Verordnung zu treffen sind. Bei der Schaffung des Regelwerks wurde zusätzlich in Betracht gezogen, um welche Art der Streitigkeit es sich handelt (u. a. familien-, erb- oder kaufrechtliche Sache), welcher Streitwert ausschlaggebend ist, wie effektiv bzw. erfolgversprechend das eingeleitete Mediationsverfahren ist und welche notwendigen Kosten hierfür anfallen. Seit ihrem Inkrafttreten am 10. 12. 2005 wurde die Vergütungsverordnung in den Jahren 2012 und 2016 reformiert.863 Die mit der Reform im Jahr 2016 einhergehenden Neuerungen betrafen hauptsächlich die Anhebung der Vergütungssätze der Mediatoren. Dennoch wird die Vergütungsverordnung für Mediatoren aufgrund der Benachteiligung gegenüber anderen Berufen, der lückenhaften Regulierung und einer möglichen Kollision mit höherrangigem Recht kritisiert.864 Nach § 2 Pkt. 1 der polnischen Vergütungsverordnung für Mediatoren beträgt die Vergütung des Mediators nunmehr 1 % der Höhe des Streitwerts bei Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur. Sofern die 1 %-Grenze unter- oder überschritten wird, beträgt die minimale Vergütung 150,00 PLN (Stand 2005: 30,00 PLN) und die maximale 2.000,00 PLN (Stand 2005: 1.000,00 PLN) für das in seiner Gesamtheit 860 Malczyk, in: Góra-Błaszczykowska, Online-Kommentar ZVGB, 2. Aufl. 2016, Art. 1835 ZVGB Rn. 9. 861 Vgl. zur Rechtsnatur von Mediationsvereinbarungern unter Zweiter Teil, B.III.3.b)aa). 862 Rozporza˛dzenie Ministra Sprawiedliwos´ci w sprawie wysokos´ci wynagrodzenia i podlegaja˛cych zwrotowi wydatków mediatora w poste˛ powaniu cywilnym [Verordnung des Justizministers über die Höhe der Vergütung und über die Erstattung notwendiger Kosten und Auslagen des Mediators im Zivilverfahren], Dz.U. v. 20. 06. 2016, Pos. 921. 863 Vgl. ursprüngliche Verordnung i. d. F. v. 30. 11. 2005, Dz.U. 2005, Nr. 239 Pos. 2018 und erste Änderung i. d. F. v. 25. 01. 2012, Dz.U. 2012, Pos. 148; s. dazu Golak, ADR 2018, Nr 1, S. 5 f. 864 Golak, ADR 2018, Nr. 1, S. 5 (11 f.).

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

durchgeführte Mediationsverfahren.865 Für Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur, deren Streitwert allenfalls durch Schätzung zu ermitteln ist, sowie für Streitigkeiten nichtvermögensrechtlicher Art wird die Vergütung nach Sitzungen abgerechnet, vgl. § 2 Pkt. 2 der polnischen Vergütungsverordnung. Für die erste Sitzung erhält der Mediator 150,00 PLN (Stand 2005: 60,00 PLN) und für jede weitere 100,00 PLN (Stand 2005: 25,00 PLN).866 Neu ist, dass dem Mediator auch bei Streitigkeiten nach § 2 Pkt. 2 der polnischen Vergütungsverordnung eine Vergütungsgrenze auferlegt wird. Insgesamt darf die Vergütung des Mediators für das Mediationsverfahren, in das die Streitparteien im Rahmen eines Gerichtsprozesses verwiesen wurden, nicht höher sein als 450,00 PLN für alle Sitzungen. Natürlich ist die Höhe der Vergütung signifikant gestiegen. Während ein Mediator im Jahr 2005 für vier Sitzungen gerade einmal 135,00 PLN867 abrechnen konnte, sind dies seit 2016 nunmehr 450,00 PLN. Dies wird in der Literatur durchaus auch begrüßt.868 Die Vergütung des Mediators in der gerichtsnahen Meditation in Polen, die an die Vergütungsverordnung gekoppelt ist, wird aufgrund der starren Höchstgrenzen jedoch nicht mit der Vergütung im Rahmen der außergerichtlichen Mediation mithalten können, die der Mediator mit den Parteien frei aushandeln kann. 3. Die Förderung der Mediation durch staatliche Finanzierung Um die Mediation in einer Rechtsordnung langfristig etablieren zu können, müssen mentale Barrieren abgebaut werden,869 denen durch Beratungsleistungen und Informationsveranstaltungen über die Mediation entgegengewirkt werden kann. Vorteilhaft ist in diesem Zusammenhang die Beratung durch Rechtsanwälte, die ihre Mandanten über die Möglichkeit der Mediation unterrichten können.870 Dies bedeutet, dass Anreize für die Wahl der Mediation nicht nur für den Endverbraucher, sondern auch für den Rechtsbeistand geschaffen werden müssen, wie dies zutreffend in Erwägungsgrund 25 der EU-Mediationsrichtlinie festgestellt wurde. Auch im Falle von bereits bei Gericht anhängigen Gerichtsverfahren können sich Möglichkeiten auftun, das Verfahren mit einem (außergerichtlichen) Vergleich zu

865 Vgl. ursprüngliche Verordnung i. d. F. v. 30. 11. 2005, Dz.U. 2005, Nr. 239 Pos. 2018 und aktuelle Verordnung, Dz.U. v. 20. 06. 2016, Pos. 921. 866 Vgl. ursprüngliche Verordnung i. d. F. v. 30. 11. 2005, Dz.U. 2005, Nr. 239 Pos. 2018 und aktuelle Verordnung, Dz.U. v. 20. 06. 2016, Pos. 921; s. auch Adamus, MoP 2011, S. 533 (535). 867 Bei Mediationsverfahren mit Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur, dessen Streitwert nicht zu ermitteln ist, sowie für Streitigkeiten nichtvermögensrechtlicher Art, § 2 Pkt. 2 der Vergütungsverordnung. 868 Vgl. Antolak-Szymanski/Piaskowska, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 981 ZVGB Rn. 40 a.E. 869 Miczek, PPH 2006, S. 8 (10). 870 Miczek, PPH 2006, S. 8 (10).

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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beenden. Aus diesem Grund können polnische Zivilgerichte die Teilnahme an Informationsveranstaltungen über die Mediation anordnen.871 Insbesondere kann eine finanzielle Unterstützung dabei einen entsprechenden Anreiz schaffen, um Interessierte von der Inanspruchnahme der Mediation zu überzeugen. Es ergeben sich insoweit zwei Richtungen, in die die Förderung der Mediation gehen kann. Zum einen wird die Mediation durch die Bereitstellung entsprechender Informationen gestärkt, zum anderen sorgen finanzielle Anreize dafür, dass die Erprobung der Mediation für potenzielle Streitparteien attraktiv wird. Während ersteres in der EU-Mediationsrichtlinie durch „soll“-Formulierungen angeordnet wird und damit als Appell an die Mitgliedstaaten beinahe verpflichtend wirkt,872 wird eine finanzielle Förderung weder besonders empfohlen noch hervorgehoben.873 a) Die Informationsbeschaffung für die breite Öffentlichkeit Die Informationsbeschaffung ist im Mediationsrecht der Republik Polen mannigfaltig geregelt. Über die Einbindung der Gerichte bis hin zu einzelnen Berufsgruppen und Gütestellen spiegelt die Informationsbeschaffung in Polen das gesetzliche Leitbild der EU-Mediationsrichtlinie wider. Die Geschäftsordnung für die ordentliche Gerichtsbarkeit sowie das polnische Gerichtsverfassungsgesetz enthalten verbindliche Regelungen für die Zugänglichmachung von Informationen rund um die Mediation für die breite Öffentlichkeit durch die Gerichte. Dies geschieht sowohl in den Gerichtsgebäuden vor Ort als auch im Internet,874 somit ganz im Sinne der Artt. 9 f. der EU-Mediationsrichtlinie. Eingebunden sind auch private Institutionen, Mediationsverbände, Hochschulen sowie alle sonstigen Nichtregierungsorganisationen, die Mediationsleistungen anbieten. Auch Angehörige von Rechtsberufen bewerben die Mediation aktiv, auch wenn sie nicht kraft der jeweiligen Berufsordnung zur öffentlichen Informationsbereitstellung verpflichtet sind. Als Beispiel für die Bereitstellung entsprechender Informationen ist das Mediationszentrum der polnischen Rechtsanwaltskammer in Handelssachen „Centrum Mediacji Gospodarczej przy Krajowej Izbie Radców Prawnych“875 anzuführen. Bereits auf der Internetseite der Rechtsanwaltskammer ist eine virtuelle Darstellung von Vorteilen der Mediation gegenüber einem Gerichtsverfahren zu sehen. Die Animation wirbt mit Statistiken und zählt weiter auf, dass die Mediation im Vergleich zum Gerichtsprozess in Polen fünf Mal günstiger und 13 Mal 871 872 873 874 875

S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.III.3.b)cc). S. dazu Erwägungsgrund 13, 25 sowie Artt. 9, 10 der EU-Mediationsrichtlinie. Vgl. dazu Erwägungsgrund 17 der EU-Mediationsrichtlinie. S. oben unter Zweiter Teil, B.IV.1. Abgekürzt mit CMG KIRP.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

schneller ist, zu 50 % mit einem Vergleich endet und dass die Verpflichtungen aus dem Vergleich zu 90 % ohne Beauftragung eines Gerichtsvollziehers und damit freiwillig erfüllt werden.876 Auch werden Informationsveranstaltungen und Konferenzen staatlich gefördert und sind über die Internetseite des Justizministeriums abrufbar.877 Durch europäische Fördermittel wurde zudem seit dem Jahr 2015 und damit seit der Mediationsnovelle eine neue Kampagne in Polen ermöglicht, die die Bezeichnung „Du hast ein Recht auf Mediation“ trägt. b) Die staatlichen Finanzierungsprogramme zur finanziellen Förderung der Mediation In Deutschland zählt lediglich die Mediation durch einen Güterichter zu den Gerichtskosten,878 die gerichtsnahe – wie dies im polnischen Mediationsrecht der Fall ist – und die außergerichtliche dagegen nicht. In Berlin ist ein Modellversuch im Jahr 2016 zu diesem Themengebiet gestartet worden, durch welchen Verfahrenskostenhilfeberechtigten eine kostenlose gerichtsexterne Mediation angeboten werden kann. Bekannt unter dem Namen BIGFAM879 bietet das Pilotprojekt bei Streitigkeiten von Eltern, also nicht in allgemeinen Zivil-, sondern in familienrechtlichen Trennungskonflikten, bis zu zehn kostenlose Sitzungsstunden mit einem Mediator zur Lösung der Unterhaltssache oder der Probleme bzgl. des Umgangsrechts mit den gemeinsamen Kindern.880 Gefördert wird die Studie durch die Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung.881 Die Pilotstudie wird zudem zu Wissenschaftszwecken genutzt. Sie soll „empirische Erkenntnisse über Kosten, Akzeptanz und Nachhaltigkeit familiengerichtlicher und alternativer Streitbeilegung in Sorge- und Umgangsrechtsstreitigkeiten bei Trennung und Scheidung“ liefern.882 Das Förderprogramm steht im Einklang mit § 7 S. 1 MediatG, wonach rechtssuchenden Personen, denen Prozesskostenhilfe für ein Gerichtsverfahren zugutekäme, die Mediationskostenhilfe im Rahmen einer Studie grundsätzlich gewährt werden kann. Bislang ist das Berliner Projekt in der Bundesrepublik 876 Internetseite des Mediationszentrums CMG KIRP, abrufbar unter http://mediacje.kirp. pl/, Stand: 06. 11. 2018. 877 Ministerstwo Sprawiedliwos´ci – Departament Strategii i Funduszy Europejskich – pełnia˛cy role˛ Operatora Programu, abrufbar unter https://www.mediacja.gov.pl/, Stand: 06. 11. 2018. 878 S. dazu oben unter Zweiter Teil, B.III.4.a). 879 Berliner Initiative geförderte Familienmediation, abrufbar unter www.big-familienme diation.de, Stand: 06. 11. 2018. 880 Hamkens, FamRB 2016, S. 329 f. 881 Hamkens, FamRB 2016, S. 329. 882 Greger, Abschlussbericht i.A. des Bundesministeriums der Justiz, Mediation und Gerichtsverfahren in Sorge- und Umgangsrechtskonflikten, Januar 2010, S. 7 unter A., abrufbar unter https://www.reinhard-greger.de/zur-person/forschungen/, Stand: 06. 11. 2018.

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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einmalig. Es bleibt zunächst abzuwarten, ob die Ergebnis der Studie zu einer gesetzlichen Neuregelung für Streitigkeiten in Familiensachen führen werden. Des Weiteren gilt es abzuwarten, ob auch andere Bundesländer zustimmen werden und die Kostenhilfe für die Inanspruchnahme der Mediation auch auf das allgemeine Zivilrecht ausgeweitet werden kann. c) Resümee Die Mediation wird im Hinblick auf die Kostenbelastung der Parteien in Deutschland und Polen zu wenig gefördert. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass die EU-Mediationsrichtlinie keine finanzielle Unterstützung für die Parteien oder den Mediator vorsieht. Es gibt dennoch Möglichkeiten, Studien und Pilotprojekte zu finanzieren, sei es – wie in Deutschland – durch die kommunale Verwaltung, sei es – wie in Polen – durch europäische Fördermittel. Besonders wichtig ist gem. den Vorgaben der EU-Mediationsrichtlinie die Förderung der Mediation durch die Informationsbeschaffung für die breite Öffentlichkeit. Der polnische Gesetzgeber hat die europäischen Vorgaben hierzu erfüllt. Eine Schnittstelle für die Verbreitung von Informationen über die Mediation sind die Gerichte, die die Mediation in den Gerichtsgebäuden als auch im Internet bewerben. Zur weiteren Berufsgruppe, die für die Mediation wirbt, gehören außerdem Anwälte. 4. Die Mediationskostenhilfe Die Mediationskostenhilfe beschreibt ein zur Prozesskostenhilfe parallellaufendes staatliches Verfahren zur finanziellen Unterstützung von Personen, die die Kosten für ein Mediationsverfahren aufgrund ihrer Lebenssituation zum Zeitpunkt der Streitigkeit ganz oder zum Teil nicht aufbringen können. Die Gewährung der Mediationskostenhilfe wird vom Gericht auf Antrag eingeleitet und sodann über die Bewilligungsvoraussetzungen entschieden. In sämtlichen EU-Mitgliedstaaten besteht ein solches Förderungsverfahren.883 Da die Mediation in unterschiedlichen Stadien einer Streitigkeit eingeleitet werden kann, ist zwischen der gerichtsexternen, gerichtsnahen und der gerichtsinternen Mediation zu unterscheiden. Eine staatliche Mediationskostenhilfe ist in Deutschland nicht vorhanden. Lediglich der Berliner Modellversuch BIGFAM bietet eine Mediationskostenhilfe für die gerichtsexterne Mediation an.884 In Polen ist die Einbeziehung der gerichtsnahen Mediation in die Prozesskostenhilfe zu begrüßen. Eine umfassende Mediationskostenhilfe, die die gerichtsexterne bzw. vertragliche Mediation einschließt, fehlt genau wie im deutschen Recht auch. Somit ist zunächst festzuhalten, dass sowohl das deutsche als auch das pol883 So Mähler/Mähler, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 31 Rn. 82: u. a. in den Niederlanden, sowie in Österreich, Frankreich, Italien. 884 Hamkens, FamRB 2016, S. 329 f.; s. hierzu Zweiter Teil, B.VI.5.b).

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

nische Mediationsrecht eine sichere Grundlage für die Mediation bieten, die allerdings stets eine Verbindung zum Prozess voraussetzt und damit erst nach Einleitung des Gerichtsverfahrens stattfindet. Zum Mediationsverfahren, dass erst nach Einleitung des Gerichtsverfahrens stattfindet, gehört in Deutschland die Güterichtermediation. Im Rahmen eines bestehenden Prozesses zählt diese Mediation zu den Prozesskosten und wird durch die für den Prozess bewilligte Prozesskostenhilfe abgedeckt. Eine gerichtsinterne Mediation wird in Polen zwar nicht angeboten, jedoch stellt die gerichtsnahe Mediation einen Teil den Gerichtskosten nach Art. 5 Abs. 1 Nr. 11 pln. GKG dar, wenn sie auf Vorschlag des Gerichts dem rechtshängigen Gerichtsverfahren nachgelagert ist. Wurde für diesen Prozess bereits die Prozesskostenhilfe gewährt, erstreckt sich diese – wie dies ebenfalls bei der deutschen Güterichtermediation der Fall ist – auch auf die Mediation. Somit wird die gerichtsnahe Mediation in Polen durch die Prozesskostenhilfe abgedeckt. Anders gestaltet sich der Fall im Hinblick auf die gerichtsexterne und gerichtsnahe Mediation in Deutschland. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Förderung durch eine staatliche Kostenhilfe, wie dies bei der Güterichtermediation der Fall ist. Im polnischen Mediationsrecht gestaltet sich die Problematik insoweit ähnlich, als die gerichtsexterne Mediation mangels Anhängigkeit eines Gerichtsverfahrens von der Prozesskostenregelung der gerichtsnahen Mediation nicht profitiert. Allerdings enthält das polnische Mediationsrecht einen anderen Kostenanreiz, der die Inanspruchnahme der außergerichtlichen Mediation attraktiver gestalten soll. Art. 981 § 2 ZVGB besagt, dass die Kosten der außergerichtlichen Mediation ausnahmsweise in die Gerichtskosten einfließen können. Voraussetzung dafür ist, dass das Mediationsverfahren vor der Klageerhebung eingeleitet wurde und gescheitert ist oder die Vollstreckbarerklärung des Vergleichs durch das Gericht abgelehnt wurde. Des Weiteren muss die Klageerhebung gem. Art. 981 § 2 ZVGB innerhalb von drei Monaten nach dem Scheitern der Mediation oder der Ablehnung durch das Gericht erfolgen. Auf diese Weise bekommen die Parteien einen Teil der Mediationskosten erstattet, indem die Gerichtsgebühr für die erhobene Klage verringert wird. Ein solches finanzielles Entgegenkommen durch den polnischen Gesetzgeber hat zwar nicht dieselbe Tragweite wie eine Mediationskostenhilfe. Sie hat jedoch den Vorteil, dass nicht nur bedürftige Parteien, sondern vielmehr alle (ehemaligen) Mediationsteilnehmer von der Regelung profitieren. Es gibt keinen triftigen Grund, eine Mediationskostenhilfe nicht auch für die Fälle der außergerichtlichen Mediation anzubieten. Dies gilt sowohl für das deutsche als auch das polnische Recht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb die gerichtsnahe Mediation in Deutschland nicht genauso gefördert werden sollte, wie dies bei der Güterichtermediation der Fall ist. Das Beispiel BIGFAM zeigt auf, dass es lediglich zu einer Kostenverschiebung und nicht zu höheren Gesamtkosten für den Staat kommt. Die Kostenhilfe für die außergerichtliche Mediation würde ebenfalls bewilligt, wenn anstatt einer Mediation ein Gerichtsprozess angestrebt würde. Die

B. Mediation in Polen seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004

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Kosten würden mithin auch ohne die zusätzliche Auswahlmöglichkeit der Mediation entstehen. Insbesondere hebt Greger in seinem Abschlussbericht aus dem Jahr 2010 die Kostenvorteile der Mediation gegenüber einem Gerichtsprozess hervor. Für ihn sei das „Risiko eines erfolglosen Mediationsversuchs“ kein Argument gegen die finanzielle Förderung der Mediation, denn ein beendeter Prozess in einer Instanz kann „häufig Folgeverfahren nach sich ziehen“.885 Der Gesetzgeber hat dabei, wie das Beispiel des Pilotprojekts BIGFAM zeigt, die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen für eine Mediationskostenhilfe anzupassen, um vorzubeugen, dass sich die Mediationskostenhilfe nicht zu einem Einfallstor für unberechtigte und zu hohe staatliche Zuschüsse entwickelt. Die von Greger genannten Vorteile können ohne Einschränkungen auf das polnische Mediationsrecht übertragen werden. Demnach sollte die Mediationskostenhilfe für die außergerichtliche Mediation in Polen zum Tragen kommen. Insgesamt sprechen weder staatlich-finanzielle Aspekte gegen die Mediationskostenhilfe noch stellt der Gerichtsprozess unter Akzeptanz- und Nachhaltigkeitsgesichtspunkten gegenüber der Mediation die bessere Wahl dar.

VII. Resümee Das Regelungsgefüge des polnischen Mediationsrechts gewährleistet alle Mediationsgrundsätze und sichert den Parteien die Durchsetzung ihrer Ansprüche, sei es durch eine effektive Vollstreckung des Mediationsvergleichs, sei es durch eine wirksame Verjährungsunterbrechung, die für die Erhebung der Klage nach dem Scheitern eines Mediationsverfahrens von großer Bedeutung ist. Auch bei ökonomischer Betrachtung der Mediation ist insbesondere die gerichtsnahe Mediation in Polen für die Bürger attraktiv ausgestaltet. Verbesserungsbedarf besteht sowohl in Deutschland als auch in Polen bei der nicht vorhandenen Mediationskostenhilfe für eine außergerichtliche Mediation. Hiervon würde nicht nur der Mediationsteilnehmer profitieren, sondern auch der Staat. Da für einen Gerichtsprozess Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und im Rahmen des Gerichtsprozesses die Kosten für die Mediation übernommen werden können, kommt es de lege lata zu einer Kostenverschiebung. Diese kann vermieden werden und es können Gerichtskosten gespart werden, wenn die Mediation vor einer Klageerhebung durch staatliche Unterstützung gefördert würde. Verbesserungsbedürftig ist darüber hinaus die Zertifizierung des Mediators nach deutschem Recht, da sie der Sicherung der Qualität der Mediation nicht förderlich ist. Nach dem Leitbild des polnischen Rechts sollte vielmehr an diejenigen Mediatoren angeknüpft werden, die sich aufgrund der Ein885 Greger, Abschlussbericht i.A. des Bundesministeriums der Justiz, Mediation und Gerichtsverfahren in Sorge- und Umgangsrechtskonflikten, Januar 2010, S. 115 unter H.III., abrufbar unter https://www.reinhard-greger.de/zur-person/forschungen/, Stand: 06. 11. 2018.

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2. Teil: Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen

haltung von Verhaltenskodizes sowie der regelmäßigen Durchführung von Mediationsverfahren besonders bewährt haben und in bei Gerichten geführten Mediationsverzeichnissen eingetragen sind. Da die Mediatoren stark von der mündlichen Weiterempfehlung abhängig sind, eignet sich soft law für die Qualitätsscherung der Mediationsleistung am besten. Eine Selbstregulierung in Verbindung mit geringem staatlichen Einfluss in Form einer gesetzlich vorgeschriebenen Registrierung bei Angehörigen der Rechtsberufe ist daher empfehlenswerter als die starre Vorgabe zur Ableistung einer Ausbildung mit anschließender Zertifizierung. Des Weiteren gibt es je nach Art des Mediationsverfahrens und des Verfahrensstadiums unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die finanzielle Förderung der Mediation im deutschen und polnischen Recht. Während die Kosten der gerichtsnahen Mediation vom polnischen Gerichtskostengesetz umfasst sind und zu Gerichtskosten gezählt werden, fehlt eine ähnliche Regelung in Bezug auf die gerichtsnahe Mediation in Deutschland. Es erscheint jedoch nicht sachgerecht, die gerichtsnahe Mediation in Deutschland nicht in gleichem Maße finanziell zu fördern wie die Güterichtermediation. Die fehlende Kostenregelung in Deutschland kann darin begründet liegen, dass keine Vergütungshöchst- und Mindestgrenzen für Mediatoren vorliegen, die eine gerichtsnahe Mediation durchführen. Eine entspreche Regelung existiert dagegen im polnischen Recht im Rahmen einer Vergütungsverordnung für Mediatoren. Es wäre zu empfehlen, die beiden Arten der Mediation in Deutschland im Hinblick auf das Kostenrecht zu vereinheitlichen. Auf diese Weise wäre die gerichtsnahe Mediation von der Prozesskostenhilfe erfasst. Des Weiteren ist die polnische Kostenregelung als finanzieller Anreiz für die Teilnahme an der Mediation begrüßenswert, die eine Rückerstattung eines Teils der Kosten einer gescheiterten Mediation vorsieht, wenn im Anschluss an die Mediation eine Klage erhoben wird. Dieser Kostenanreiz ist jedoch nicht ausreichend, um die Mediation neben dem Gerichtsverfahren dauerhaft zu etablieren. Aus diesem Grund sollten nicht nur der polnische, sondern auch der deutsche Gesetzgeber jeweils ein nationales Konzept erarbeiten, das eine Mediationskostenhilfe für die außergerichtliche Mediation vorsieht. Eine Orientierung bietet dafür das Berliner Pilotprojekt BIGFAM, die eine außergerichtliche Lösung von Konflikten mit bis zu zehn kostenlosen Sitzungsstunden fördert.

C. Zusammenfassung des Zweiten Teils Die Mediation in Zivil- und Handelssachen hat sich seit dem EU-Beitritt Polens und der erlassenen EU-Mediationsrichtlinie durch ihre gesetzliche Verankerung im Zivilverfahrensrecht etabliert. Das polnische Mediationsrecht in Zivil- und Handelssachen hat ein komplexes und ausdifferenziertes Regelungsgefüge, was die Mediation einerseits flexibel hält und andererseits die notwendige rechtliche Struktur schafft, um die Ansprüche der Parteien wirksam durchzusetzen. Sie unterscheidet sich jedoch von der Mediation im deutschen Recht zum einen durch die

C. Zusammenfassung des Zweiten Teils

251

Art der gesetzlichen Verankerung und zum anderen durch eine andere Schwerpunktsetzung. Während das deutsche Recht ein durchdachtes und effektives Güterichtermodell anbietet, ist die gerichtsnahe Mediation in Polen besonders attraktiv. Das polnische Mediationsrecht aus dem Jahr 2015 hat die Vorgaben der EU-Mediationsrichtlinie effektiver umgesetzt als das deutsche Mediationsförderungsgesetz aus dem Jahr 2012. Dies liegt an der rechtssicheren Ausgestaltung der Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfristen und der ausgeglichenen Kostenverteilung sowie dem leicht zugänglichen Vollstreckbarerklärungsverfahren für Mediationsvergleiche. Der rechtliche Rahmen der Mediation in Polen eignet sich daher besser für die Förderung der Mediation in der Europäischen Union.

Dritter Teil

Die Mediation für grenzüberschreitende zivil- und handelsrechtliche Konflikte Der Bedarf von ADR-Modellen in Polen stieg in den 1990er Jahren aufgrund der Überlastung der Wirtschafts- und Handelskammern der Gerichte, welche die rechtshängigen Verfahren nicht in einer angemessenen Verfahrensdauer abschließen konnten.1 Die Überlastung der Gerichte behinderte das Wachstum in Polen erheblich und lähmte den Wirtschaftsverkehr durch die hohen Verluste der polnischen Unternehmen.2 Der wirtschaftliche Aufschwung sollte durch die Stabilisierung der Demokratie im Land und die verstärkte Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgen, weshalb ein EU-Beitritt Polens angestrebt wurde. Seit dem 01. 05. 2004 ist die Republik Polen ein Mitglied der Europäischen Union und hat sich im Beitrittsabkommen zur Übernahme des Besitzstands der EU verpflichtet,3 weshalb alle Rechtsakte der Europäischen Union für Polen bindend sind. Besonders relevant für grenzüberschreitende Streitigkeiten zwischen Deutschland und Polen ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12. 12. 2012, kurz Brüssel Ia-VO.4 Die Brüssel Ia-VO kommt zur Anwendung, sofern der Inhalt einer im Mediationsverfahren erzielten Vereinbarung in Deutschland oder Polen vollstreckt werden soll. Laut Erwägungsgrund 20 der EU-Mediationsrichtlinie sollen solche Vergleiche in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden können. Für das auf die Streitigkeit anzuwendende Recht ist darüber hinaus die Rom I-VO5 zu berücksichtigen.

1

Miczek, PPH 2006, S. 8 (9). Miczek, PPH 2006, S. 8 (9). 3 Calliess/Ruffert/Cremer, EUV/AEUV-Kommentar, 5. Aufl. München 2016, Art. 49 EUV Rn. 6; s. zum Umfang des „acquis“: den 7. und 8. Erwägungsgrund der Stellungnahme der Kommission zu den Beitrittsanträgen Bulgariens und Rumäniens v. 22. 02. 2005, ABl. Nr. L 157 v. 21. 06. 2005, S. 3. 4 ABl. Nr. L 351 v. 20. 12. 2012, S. 1. 5 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. Nr. L 177 v. 4. 7. 2008, S. 6. 2

A. Durchsetzbarkeit von nationalen Mediationsvergleichen

253

A. Die grenzüberschreitende Durchsetzbarkeit von nationalen Mediationsvergleichen Findet eine grenzüberschreitende Mediation am Sitz einer der Parteien in Deutschland oder Polen statt und endet diese erfolgreich mit einem Vergleich, wirft dies Fragen zur Durchsetzbarkeit und Vollstreckbarkeit des nationalen Vergleichs im EU-Ausland auf. Zum einen stellt sich die Frage, ob der Vergleich einzig im Erlassstaat materiellrechtlich wirksam ist und es zu seiner Vollstreckung im Ausland weiterer Voraussetzungen bedarf oder ob ein solcher Mediationsvergleich bereits mit seinem Abschluss eine EU-weite Wirkung erlangt. Diesbezüglich ist wiederum sicherzustellen, dass die entsprechenden Vergleichsklauseln nicht nur hinreichend bestimmt sind, sondern dass sie darüber hinaus auch nicht gegen den Vorbehalt des ordre public verstoßen. Es stellt sich zudem die Frage, nach welchen Maßstäben der Mediationsvergleich im EU-Ausland effektiv vollstreckbar gemacht werden kann sowie welches Recht zur Anwendung kommt. Die EU-Mediationsrichtlinie hat in diesem Zusammenhang, insbesondere im Hinblick auf den ordre-public-Vorbehalt, in den Erwägungsgründen 19 und 20 auf die Regeln des europäischen Zivilverfahrensrechts hingewiesen. Der Inhalt der schriftlichen Mediationsvereinbarung soll dementsprechend grundsätzlich in allen EU-Mitgliedstaaten vollstreckbar gemacht werden können. Nur aufgrund nationalspezifischer gesetzlicher Ausnahmen soll die Vollstreckbarkeit abgelehnt werden können. Weitere Vollstreckungserleichterungen für Mediationsvergleiche sind bedauerlicherweise weder in der EU-Mediationsrichtlinie noch in der Brüssel Ia-VO enthalten.6 In einem grenzüberschreitenden Konflikt innerhalb der Europäischen Union, der außergerichtlich durch ein Mediationsverfahren beendet wird, findet die Brüssel-IaVO7 Anwendung, wonach das mit der Vollstreckung des Mediationsvergleichs befasste Gericht seine Zuständigkeit zunächst prüft. Während das Gericht eine Vollstreckung auf Basis ausländischer Gerichtsentscheidungen sowie öffentlicher Ur6

Abänderung des Parlaments Nr. 14 zum Sitzungsprotokoll v. 21. 09. 2000 zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (KOM(1999) 348 – C5 – 0169/ 1999 – 1999/0154(CNS)), ABl. Nr. C 146 v. 17. 05. 2001, S. 94 (100), der Vorschlag des Parlaments bezüglich Art. 55a zur Brüssel I-Verordnung, wonach ein Vergleich, „der gemäß einem von der Kommission gebilligten alternativen Streitschlichtungssystem erzielt worden ist, unter den gleichen Bedingungen wie öffentliche Urkunden vollstreckbar“ sein soll, wurde nicht angenommen. S.o Erster Teil, A. 7 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. Nr. L 351 v. 20. 12. 2012, S. 1.

254

3. Teil: Mediation für grenzüberschreitende Konflikte

kunden auch ohne ein Vollstreckbarerklärungsverfahren einleiten wird, muss bei Mediationsvergleichen, die weder gerichtliche Vergleiche i.S.d. Art. 2 lit. b) Brüssel-Ia-VO noch öffentliche Urkunden i.S.d. Art. 2 lit. c) Brüssel-Ia-VO darstellen, zwingend ein solches Exequaturverfahren eingeleitet werden. Diesbezüglich hat der europäische Gesetzgeber jedoch eine Alternative vorgesehen: die EuVTVO.8

I. Die Vollstreckung des Mediationsvergleichs nach der EuVTVO Auch wenn die EuVTVO einen sehr engen Anwendungsbereich hat, da sie lediglich für unbestrittene Forderungen gilt, bietet sie eine schnelle und effektive grenzüberschreitende Vollstreckung eines Mediationsvergleichs. Vorwegzunehmen ist, dass diese Verordnung im Gegensatz zur Brüssel Ia-VO keine Überprüfungsmöglichkeit des Vergleichs im Zweitsaat vorsieht. Aus diesem Grund kann der Vollstreckungsschuldner kein Anerkennungs- oder Vollstreckungsversagungsverfahren einleiten. Er kann auch nicht auf eine ordre-public-Kontrolle im Vollstreckungsstaat hinwirken. Dieser Schuldnerschutz ist dagegen nach Art. 58 f. Brüssel Ia-VO für öffentliche Urkunden und gerichtlich gebilligte Mediationsvergleiche stets zugänglich. Vielfach wird angeführt, die EuVTVO sei nach Inkrafttreten der Brüssel Ia-VO obsolet geworden.9 Mit der Neuregelung durch die Brüssel Ia-VO sei das Exequaturverfahren abgeschafft worden und eine einfache Vollstreckung im Zweitstaat möglich.10 Die der Brüssel Ia-VO immanenten Vollstreckungsschutzvorschriften verlangsamen die Vollstreckung jedoch noch zusätzlich, sodass ein europäischer Vollstreckungstitel für öffentliche Urkunden gem. Art. 25 EuVTVO, die Ansprüche über Geldforderungen zum Gegenstand haben, noch immer eine sinnvolle Alternative darstellt.11

8

Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, ABl. Nr. L 143 v. 30. 04. 2004, S. 15. 9 So MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 58 Brüssel Ia-VO Rn. 16; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/ Mäsch, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl. 2015, Art. 58 Brüssel Ia-VO Rn. 8. 10 MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 58 Brüssel Ia-VO Rn. 16; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/ Mäsch, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl. 2015, Art. 58 Brüssel Ia-VO Rn. 8. 11 E. Peiffer/M. Peiffer, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, 52. EL September 2016, Art. 58 Brüssel Ia-VO Rn. 16.

A. Durchsetzbarkeit von nationalen Mediationsvergleichen

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II. Der Mediationsvergleich als gerichtlicher Vergleich i.S.d. Art. 2 lit. b) Brüssel-Ia-VO Ein gerichtlicher Vergleich i.S.d. Art. 2 lit. b) Brüssel-Ia-VO ist ein Vergleich, der entweder „von einem Gericht […] gebilligt“ oder „im Laufe des [Gerichts]verfahrens geschlossen“ wurde. Die erste Alternative impliziert, dass ein förmliches Bestätigungsverfahren eines Vergleichs vor einem Gericht stattgefunden hat. Zudem ergibt sich aus der Betrachtung beider Alternativen, dass die erste auf außergerichtliche Vergleiche und damit auf innerhalb der gerichtsexternen und gerichtsnahen Mediation geschlossene Vergleiche Anwendung findet, während die zweite Alternative auf reine Prozessvergleiche, wie sie beispielweise in einer Güteverhandlung geschlossen werden, anwendbar ist.12 Nach polnischem Recht fällt der während des Prozesses vor dem Gericht geschlossene Prozessvergleich in den Anwendungsbereich des Art. 2 lit. b) Brüssel-IaVO und stellt in diesem Zusammenhang einen Vollstreckungstitel nach Art. 777 Abs. 1 Nr. 1 ZVGB dar. Anders gestaltet sich die Subsumtion des Mediationsvergleichs unter Art. 2 lit. b) Brüssel-Ia-VO. Dies ist insoweit wichtig, als vor einem Mediator geschlossene Vergleiche in Polen eine Art nationales Vollstreckbarerklärungsverfahren durchlaufen. Nach Art. 18314 ZVGB wird auf Antrag eines Medianden das Verfahren eingeleitet und auf die Vollstreckbarkeit durch das Gericht geprüft.13 Ist der Mediationsvergleich gesetzeskonform, wird er durch einen Gerichtsbeschluss für vollstreckbar erklärt.14 Dementsprechend erhält er gem. Art. 18315 § 1 ZVGB dieselbe rechtliche Wirkung wie ein vor dem Gericht geschlossener Vergleich. Die Artt. 18314 f. ZVGB unterscheiden nicht zwischen der gerichtsexternen und der gerichtsnahen Mediation. Dies erleichtert die Durchsetzung von außergerichtlich geschlossenen Vergleichen, sodass Parteien, die sich vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens im Rahmen der außergerichtlichen Mediation geeinigt haben und die Vollstreckbarerklärung des Mediationsvergleichs beantragen, dieselben Vorzüge genießen, wie dies bei der Schließung eines Vergleichs im Rahmen der gerichtsnahen Mediation der Fall wäre. Aus diesem Grund ist der polnische Mediationsvergleich, der die Rechtskraft eines Prozessvergleichs nach Art. 18315 § 1 S. 1 ZVGB erhält, ein Vergleich, der vom prüfenden Gericht gebilligt wurde. Er stellt mithin einen gerichtlichen Vergleich i.S.d. Art. 2 lit. b) Alt. 1 Brüssel-Ia-VO dar. Dies bedeutet, dass er nach Artt. 59 i.V.m. 58 Brüssel Ia-VO im EU-Ausland vollstreckt werden kann, ohne im Zweitstaat ein gesondertes Exequaturverfahren 12

Vgl. hierzu § 160 Abs. 3 ZPO; Art. 158 § 1 ZVGB. S. dazu oben Zweiter Teil, B.V.3. 14 Antolak-Szymanski/Piaskowska, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 18314 ZVGB Rn. 8; i.E. auch Art. 18315 ZVGB Rn. 6. 13

256

3. Teil: Mediation für grenzüberschreitende Konflikte

durchlaufen zu müssen. Mithin fügt sich die polnische Regelung sehr effektiv und rechtssicher in das von der EU-Mediationsrichtlinie vorgebrachte Konzept, der grenzüberschreitenden Vollstreckung von Mediationsvergleichen ein.

III. Der Mediationsvergleich als öffentliche Urkunde i.S.d. Art. 2 lit. c) Brüssel-Ia-VO Aus deutscher Sicht gestaltet sich die (grenzüberschreitende) Vollstreckung eines deutschen Mediationsvergleichs komplizierter, denn ein nationales Vollstreckbarerklärungsverfahren, welches dem polnischen Vollstreckbarerklärungsverfahren für Mediationsvergleiche ähnelt, existiert nicht. Aus diesem Grund ist die Einordnung des deutschen Mediationsvergleichs als gerichtlicher Vergleich i.S.d. Art. 2 lit. b) oder als öffentliche Urkunde i.S.d. Art. 2 lit. c) Brüssel-Ia-VO nicht einfach festzustellen. Demzufolge ist auch nicht klar, unter welchen Voraussetzungen ein nach deutschem Recht geschlossener Mediationsvergleich nach Art. 58 f. Brüssel-Ia-VO im EU-Ausland vollstreckt werden kann. Der Entwurf des deutschen Mediationsförderungsgesetzes sah, ähnlich der Regelung des Art. 18314 ZVGB, in § 796d ZPO-E15 ein Verfahren für die Vollstreckbarerklärung der Mediationsvereinbarung zunächst vor. Dieses Verfahren sollte insbesondere gleichwertig zur Vollstreckbarerklärung im Rahmen eines Anwaltsvergleichs sein, weshalb es sich in das System der § 796a bis c ZPO einfügte.16 Nach § 796d ZPO-E wäre eine zwischen den Medianden geschlossene, privatrechtliche Vereinbarung nach dem durchlaufenen Vollstreckbarerklärungsverfahren ohne die Einschaltung von Anwälten oder Notaren auf effektive und kostengünstige Weise durchsetzbar.17 Allerdings wurde der damalige Entwurf des § 796d ZPO aus dem Jahr 2011 unter pauschalem Verweis auf bereits bestehende Vollstreckungs- und Vollstreckbarerklärungsmöglichkeiten verworfen.18 Trotz der Vorteile19 des § 796d ZPO-E gegenüber den bisherigen Regelungen der §§ 794 ff. ZPO lehnte der Gesetzgeber unter Bezugnahme auf den Evaluationsbericht nach § 8 MediatG auch im Jahr 2017 eine „Sonderregelung zur Vollsteckbarmachung von Mediations(ergebnis)-vereinbarungen“ weiterhin ab.20 15

BT-Drs. 17/5335, S. 7, s. Art. 3 Nr. 7. BT-Drs. 17/5335, S. 21: „Dabei lehnt sich die Vorschrift weitgehend an die bereits bestehende Regelung des Anwaltsvergleichs (§§ 796a bis 796c ZPO) an.“ 17 Wentzel, Internationale Mediation, Berlin 2016, S. 171. 18 BT-Drs. 17/8058, S. 21, kritisch dazu Wentzel, Internationale Mediation, Berlin 2016, S. 158. 19 A.A. Herzog, S. 76, die das Untätigbleiben des Gesetzgebers zur Vollstreckbarkeit von Mediationsergebnissen als positiv bewertet. 20 Bericht der Bundesregierung v. 14. 06. 2017 über die Auswirkungen des Mediationsgesetzes auf die Entwicklung der Mediation in Deutschland und über die Situation der Aus- und Fortbildung der Mediatoren, BT-Drs. 18/13178, S. I, Nr. 4. 16

A. Durchsetzbarkeit von nationalen Mediationsvergleichen

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Aus diesem Grund wird die grenzüberschreitende Vollstreckung von Mediationsvergleichen nach deutschem Recht de lege lata untersucht. Hierfür sind die §§ 794 ff. ZPO relevant. Eine Möglichkeit für die Vollstreckbarerklärung des Mediationsvergleichs bieten die Regelungen zur Vollstreckbarerklärung im Rahmen des Anwaltsvergleichs (§ 796a f. ZPO) sowie vor einem Notar (§ 796c ZPO). Des Weiteren kommt die Vollstreckbarerklärung des Mediationsvergleichs durch eine durch die Landesjustizverwaltung eingerichtete oder anerkannte Gütestelle (vgl. § 794 Nr. 1 Alt. 2 ZPO) in Betracht.21 Der Anwaltsvergleich erhält ebenso wie jeder andere privatrechtliche Vergleich die Qualität der öffentlichen Urkunde nach Art. 2 lit. c) Brüssel-Ia-VO, wenn er vor einem Notar für vollstreckbar erklärt wird und somit nach Art. 58 Brüssel-Ia-VO vollstreckt werden kann.22 Auch vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle gem. § 15a EGZPO für vollsteckbar erklärte Vergleiche sind nach Art. 58 Brüssel-Ia-VO zu vollstreckende, öffentliche Urkunden. Mithin handelt es sich bei den nach deutschem Recht zustande gekommenen Mediationsvergleichen nicht um gerichtlich gebilligte Vergleiche, sondern um öffentliche Urkunden nach Art. 2 lit. c) Brüssel-Ia-VO. Lediglich der Mediationsvergleich der im Rahmen der gerichtsinternen Mediation oder vor einem Güterichter gem. § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO geschlossen und im Anschluss gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO durch das deutsche Gericht aufgenommen wurde, stellt einen gerichtlich gebilligten Vergleich dar.

IV. Der Ablauf der Vollstreckbarerklärung sowie der Vollstreckung Fällt der in Deutschland ergangene Vergleich in den Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO, ist er automatisch in Polen vollstreckbar, sofern er die Kriterien der Artt. 36 ff. Brüssel Ia-VO erfüllt. Dies gilt gleichermaßen für den umgekehrten Fall. Zu klären ist, nach welchen Vorschriften der Brüssel Ia-VO der Vergleich zu qualifizieren ist. Kodifiziert ist die automatische Vollstreckbarkeit für den gerichtlichen Vergleich in Art. 59 Brüssel Ia-VO, für die öffentliche Urkunde in Art. 58 Abs. 1 Brüssel Ia-VO oder für die Entscheidung in Artt. 36 Abs. 1, 39 Brüssel IaVO.23 Rein privatschriftliche Vergleiche, zu denen die Mediationsvergleiche zählen, fallen dagegen aus dem Anwendungsbereich heraus und müssen ein Exequaturverfahren durchlaufen. Diese Vorgehensweise deckt sich insoweit mit der Regelung des Art. 6 der EU-Mediationsrichtlinie. 21

Eingehend dazu Wentzel, Internationale Mediation, Berlin 2016, S. 100 f. Staudinger, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl. 2015, Art. 2 Brüssel Ia-VO Rn. 29 f, Art. 58 Brüssel Ia-VO Rn. 6. 23 S. zu den Legaldefinitionen Art. 2 Brüssel Ia-VO. 22

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3. Teil: Mediation für grenzüberschreitende Konflikte

Der noch in der Entwurfsfassung diskutierte Art. 55a-E Brüssel Ia-VO, wonach ein Vergleich, der im Rahmen eines von der EU gebilligten alternativen Streitschlichtungssystems geschlossen wurde, unter gleichen Bedingungen wie eine öffentliche Urkunde vollstreckbar sein sollte, ist nie in Kraft getreten.24 Für den Fall, dass der Anwendungsbereich für Artt. 36 ff. Brüssel Ia-VO eröffnet ist, bedarf es lediglich der Vorlage des Vergleichs, der ausgestellten Vollstreckbarkeitsbescheinigung sowie ggf. einer Übersetzung.25

V. Der Verstoß gegen den Grundsatz des ordre public Bei der Anerkennung und Vollstreckung von Mediationsvergleichen sind Besonderheiten des deutschen und polnischen Rechts zu beachten. Einen Unterschied zwischen der Richtlinienumsetzung im deutschen und polnischen Mediationsrecht stellt das in § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO implementierte Güterichterverfahren dar, das dem polnischen Mediationsrecht fremd ist. Bei der Wahl eines Mediators ist im polnischen Recht darauf zu achten, dass eine Mediation durch einen Richter nur zulässig ist, wenn dieser bereits im Ruhestand ist und sein Richteramt mithin formell nicht mehr ausübt, Art. 1832 § 2 ZVGB. Die Mediation durch einen Güterichter in Polen ist somit im Gegensatz zu Deutschland bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen. Gesetzt den Fall, ein deutscher Käufer hätte aufgrund einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung in Deutschland geklagt und im Rahmen des Prozesses sei mithilfe des Güterichters ein Vergleich mit dem polnischen Verkäufer erzielt worden, welcher ebenfalls für vollstreckbar erklärt wurde, ist die Frage zu stellen, ob ein solcher „gerichtlicher Vergleich“ im Sinne des Art. 2 lit. b) Alt. 2 Brüssel Ia-VO26 gegen den ordre-public-Grundsatz im Sinne des Art. 59 i.V.m. Art. 58 Abs. 1 S. 2 Brüssel Ia-VO verstößt, wenn dieser Vergleich in Polen am Sitz des polnischen Verkäufers vollstreckt werden soll. Denn schließlich wurde der Vergleich vor einem Richtermediator geschlossen, was in Polen einen nichtigen Vergleich zur Folge hätte, da er den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderläuft.27 Es ist fraglich, ob eine Vollstreckung des Vergleichs in Polen aus diesen Gründen versagt werden könnte.

24

Abänderung des Parlaments Nr. 14 zum Sitzungsprotokoll v. 21. 09. 2000 zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (KOM(1999) 348 – C5 – 0169/ 1999 – 1999/0154(CNS)), ABl. Nr. C 146 v. 17. 05. 2001, S. 94 (100); vgl. oben unter Erster Teil, A. 25 Vgl. Art. 53 i.V.m. Anhang I, Art. 60 i.V.m. Anhang II sowie Art. 57 Brüssel Ia-VO. 26 Vgl. hierzu Staudinger, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl. 2015, Art. 59 Brüssel-Ia-VO Rn. 6. 27 Vgl. zu der Rechtsfolge vor einer Person als Mediator, die den Anforderungen des Art. 1832 ZVGB nicht entspricht Sychowicz, in: Marciniak/Piasecki, Beck’scher Großkkommentar ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 1832 ZVGB Rn. 19.

A. Durchsetzbarkeit von nationalen Mediationsvergleichen

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Die Zwangsvollstreckung in Polen aus dem in Deutschland gebilligten gerichtlichen Vergleich wird gem. Art. 59 i.V.m. Art. 58 Abs. 1 S. 2 Brüssel Ia-VO nur dann nicht eingeleitet, wenn sie der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Mitgliedstaats, mithin Polen, offensichtlich widersprechen würde. Als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung könnte der Vergleichsabschluss vor dem Güterichter als Richtermediator gewertet werden. Der deutsche Güterichter ist zwar nicht in demselben streitigen Verfahren entscheidungsbefugt gewesen,28 dennoch ist er aber als Berufsrichter in anderen Verfahren als Rechtsprechungsorgan tätig. Im polnischen Recht ist ein solcher Berufsrichter von der Tätigkeit als Mediator gesetzlich ausgeschlossen, Art. 1832 § 2 S. 1 ZVGB. Im Gegensatz zum deutschen Recht war der polnische Gesetzgeber bei Ausschlusskriterien für Mediatoren sehr restriktiv, indem er einen Richterausschluss gesetzlich ausdrücklich regelte. Aus diesen Gründen hätte ein Richtermediator möglicherweise nicht eingesetzt werden dürfen. 1. Der offensichtliche Widerspruch, Art. 59 i.V.m. Art. 58 Abs. 1 S. 2 Brüssel Ia-VO Unabhängig von der Tatsache, dass der ordre-public-Verstoß nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und lediglich als ultima ratio in Betracht kommt,29 muss es sich bei dem gebilligten Güterichtervergleich um einen offensichtlichen Widerspruch i.S.d. Art. 58 Abs. 1 S. 2 Brüssel Ia-VO gegen die Grundwerte des polnischen Rechts handeln. Dieser Widerspruch ist dann offensichtlich, wenn der im EU-Ausland gebilligte Vergleich „gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des [Vollstreckungsstaats] stünde“30. Das deutsche Güterichtererfahren müsste aufgrund des polnischen Richterausschlusses von der Mediatorentätigkeit offensichtlich der Regelung des Art. 1832 § 2 S. 1 ZVGB widersprechen. Dadurch, dass der Wortlaut insoweit eindeutig ist, handelt es sich bei der streitbefangenen Norm um einen wesentlichen Rechtsgrundsatz, der Vergleiche vor einem Richtermediator nicht hinnimmt, während der Vergleich vor einem Güterichter im Gegensatz zur polnischen Rechtsordnung in Deutschland gem. § 278 Abs. 5 ZPO erlaubt ist. Damit kann ein offensichtlicher Widerspruch i.S.d. Art. 58 Abs. 1 S. 2 Brüssel Ia-VO zunächst angenommen werden. 28

§ 278 Abs. 5 S. 1 ZPO. EuGH v. 02. 06. 1994 – C-414/92 Rn. 21 – Solo Kleinmotoren/Boch; EuGH v. 28. 03. 2000 – C-7/98 – Krombach/Bamberski Rn. 21; EuGH v. 28. 04. 2009 – C-420/07 Rn. 55 – Apostolides/Orams. 30 Leible, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl. 2015, Art. 45 Bruessel-Ia-VO Rn. 10. 29

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3. Teil: Mediation für grenzüberschreitende Konflikte

2. Der ordre public-Verstoß Des Weiteren muss der Vergleich vor dem Güterichter gem. Art. 58 Abs. 1 S. 2 Brüssel Ia-VO einen Verstoß gegen einen polnischen verfahrensrechtlichen oder einen polnischen materiellrechtlichen ordre public bedeuten. a) Der verfahrensrechtliche ordre public Dadurch, dass der streitgegenständliche Richterausschluss im polnischen Mediationsrecht zum einen bereits systematisch in das ZVGB eingefügt wurde, könnte der Ausschluss des Richters als Rechtsprechungsorgan von der Tätigkeit des Mediators verfahrensrechtlich eingeordnet werden. b) Der materiellrechtliche ordre public Zum anderen kann die Wertevorstellung des Richterausschlusses gem. Art. 1832 ZVGB insoweit auch materiellrechtlich qualifiziert werden, als sie beschreibt, welche Voraussetzungen der Mediator zu erfüllen hat, um den Titel „Mediator“ im Sinne des ZVGB tragen zu können. Die Norm regelt damit das Mediationsrecht auch inhaltlich. Aus dieser Sicht könnte die Norm ebenfalls materiellrechtlich zu qualifizieren sein. c) Stellungnahme Der materiellrechtlichen Einordnung des Art. 1832 ZVGB kann entgegengehalten werden, dass die Norm innerhalb der eigenen Vorschrift in mehreren Paragrafen auf sämtliche Normen des ZVGB verweist und damit stets im systematischen Zusammenhang mit dem gesamten ZVGB zu lesen ist. Überdies verweist Art. 1832 ZVGB auch auf Vorschriften über den festen Mediator und Mediatorenlisten, die im polnischen Gerichtsverfassungsgesetz niedergelegt sind. Die Vorschriften regeln nicht den inhaltlichen Ablauf der Mediation, sondern stellen Rahmenbedingung für ein Mediationsverfahren zur Verfügung, dienen mithin dem reinen Verfahrensrecht. Eine der Rahmenbedingungen ist die Zulassung und der Ausschluss bestimmter Berufsgruppen für die Mediatorentätigkeit. Bei dem Ausschluss des Richters von der Mediatorentätigkeit handelt es sich demnach um eine Vorschrift, die im Gefüge des Verfahrensrechts verankert ist. Die Gesamtschau weist somit einen engen Zusammenhang des Art. 1832 § 2 S. 1 ZVGB zum polnischen Verfahrensrecht auf. Dementsprechend ist der Gegenstand des Verstoßes dahingehend zu qualifizieren, dass er auf den polnischen verfahrensrechtlichen ordre public zu beziehen ist.

A. Durchsetzbarkeit von nationalen Mediationsvergleichen

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3. Der verfahrensrechtliche orde public-Verstoß Der Vergleich vor dem Güterichter müsste einen Verstoß gegen den polnischen verfahrensrechtlichen ordre public darstellen. Allein eine Abweichung31 vom zwingend vorgeschriebenen polnischen Verfahrensrecht kann einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nicht begründen. „Es bedarf vielmehr nachweisbarer Verstöße gegen elementare verfahrensrechtliche Garantien.“32 Der Verstoß gegen die polnische öffentliche Ordnung ist „im Hinblick auf das Verfahren als Ganzes und anhand sämtlicher Umstände zu beurteilen“33. Deswegen muss das Verbot des Art. 1832 § 2 S. 1 ZVGB derart elementares Prozessrecht darstellen, in das durch die Zulassung einer Zwangsvollstreckung aus einem Güterichtervergleich auf unzumutbare Weise eingegriffen würde. Dadurch, dass Art. 1832 § 2 S. 1 ZVGB aufgrund der Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie ergangen ist, obliegt es grundsätzlich der polnischen öffentlichen Ordnung zu bestimmen, ob ein Verfahren vor einem deutschen Güterichter als europarechtskonform zu beurteilen ist. Die polnische Norm des Art. 1832 ZVGB weist nämlich aufgrund des Umstands, dass sie der Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie dient, Gemeinschaftsbezug auf, weshalb der polnische Richterausschluss von der Mediatorentätigkeit im Lichte der Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie zu betrachten ist. Das Verbot des Richtermediators kann in diesem Zusammenhang keinen Verstoß bedeuten, wenn der entscheidungsbefugte Richter aus polnischer Sicht zwar mit dem neutralen Mediatorenamt unvereinbar erscheint,34 das Gemeinschaftsrecht im Zuge der Richtlinienumsetzung jedoch keine Bedenken gegen einen Berufsrichter als Mediator hat. Der Verstoß gegen einen polnischen ordre public ist deswegen erst gegeben, wenn zugleich ein Verstoß gegen die Grundwerte eines europäischen Rechtsakts, mithin Art. 3 lit. a) UAbs. 2 der EU-Mediationsrichtlinie, feststellbar ist. Zu klären ist zunächst, ob sich der Richterausschluss nach dem Recht des Mitgliedstaats richtet, der den gerichtlichen Vergleich vor dem Güterichter gebilligt hat, oder ob er als vollstreckungsrechtliche Norm der lex fori anzusehen und damit nach polnischen Maßstäben zu beurteilen ist.

31 Vgl. Leible, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl. 2015, Art. 45 Bruessel-Ia-VO Rn. 15. 32 Leible, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl. 2015, Art. 45 Brüssel-Ia-VO Rn. 15. 33 EuGH v. 02. 04. 2009 – C-394/07 Rn. 40 – Gambazzi/DaimlerChrysler Canada. 34 Zur Vereinbarkeit des Richteramts mit der Tätigkeit als Mediator s. Zweiter Teil, B.III.4.a).

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3. Teil: Mediation für grenzüberschreitende Konflikte

Wie bereits dargestellt, knüpft der Richterausschluss – ebenso wie § 278 ZPO – an das Verfahrensrecht an. Der Richterausschluss könnte so gesehen dem Vollstreckungsrecht zuzuordnen sein. Dies würde jedoch bedeuten, dass er sich nach der lex fori und damit nach polnischem Recht richtet. Dies wiederum würde bedeuten, dass der der im Güterichterverfahren geschlossene Vergleich nichtig wäre.35 Die Mediation durch einen Richter ist jedoch – entgegen der polnischen Regelung – gem. Art. 3 lit. a) UAbs. 2 und Erwägungsgrund 12 der EU-Mediationsrichtlinie ausdrücklich erlaubt. Die Wertevorstellung des polnischen Rechts ist mithin restriktiver als die europäische Wertevorstellung, welche die Mediatorentätigkeit eines Richters für zulässig erachtet. Das deutsche Güterichtermodell steht damit grundsätzlich im Einklang mit dem europäischen Recht. Dies gilt auch für die Voraussetzungen, unter denen der Güterichter prinzipiell tätig werden darf. Das deutsche Güterichtermodell stünde demzufolge nur dann nicht im Einklang mit europäischem Recht, wenn einem deutschen Güterichter in der Streitsache, in der er die Mediation einerseits durchführt, andererseits auch eine Entscheidungs- und Rechtsprechungsbefugnis zukäme. Nur eine derart durchgeführte Güterichtermediation verstieße gegen das Grundprinzip des Art. 3 lit. a) UAbs. 2 der EU-Mediationsrichtlinie, wonach der Richtermediator nicht für ein Gerichtsverfahren in der betreffenden Streitsache zuständig sein darf. Nach § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO ist eine Kollision beider Ämter ausdrücklich ausgeschlossen. Der Güterichter besitzt keinerlei Entscheidungsbefugnis in derselben Sache und ist „nicht […] in der betreffenden Streitsache zuständig“, was dem Wortlaut des Art. 3 lit. a) UAbs. 2 Hs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie entspricht. Der Richterausschluss im polnischen Recht führt dazu, dass die Vollstreckbarkeit des Vergleichs, der in Deutschland vor dem Güterichter geschlossen wurde, unwirksam würde. Eine solche Einschränkung der Wirksamkeit ausländischer Güterichtervergleiche ist allerdings nach dem Recht des Vollstreckungsstaats (Art. 1832 § 2 ZVGB) insoweit mit europäischem Recht unvereinbar, als die Vollstreckung des Vergleichs vor dem Güterichter gem. Art. 59 Brüssel Ia-VO auch in anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar sein muss, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Es gilt der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung. Anderenfalls würde das europäische Verfahrensrecht durch nationale Regelungen unterlaufen. Dadurch, dass die EU-Mediationsrichtlinie, im Gegensatz zur einer europäischen Rechtsverordnung, inhaltlich nicht in allen ihren Teilen zwingend verbindlich ist,36 sondern den Mitgliedstaaten die Gestaltung der Mediation und damit auch die Frage der Zulassung der Berufsrichter zum Mediatorenamt freiwillig überlässt, kann die zulässige Durchführung der Mediation durch einen Güterichter im Rahmen des 35

Vgl. zu der Rechtsfolge vor einer Person als Mediator, die den Anforderungen des Art. 1832 ZVGB nicht entspricht Sychowicz, in: Marciniak/Piasecki, Beck’scher Großkkommentar ZVGB, 7. Aufl. Warschau 2016, Art. 1832 ZVGB Rn. 19. 36 Art. 288 AEUV.

A. Durchsetzbarkeit von nationalen Mediationsvergleichen

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deutschen Zivilprozessrechts nicht dazu führen, dass sie in anderen Ländern nicht anerkannt oder vollstreckt werden kann. Zutreffend führt Gössl bei der Lösung einer ähnlichen Problematik aus: „Zwar bleibt jedem Mitgliedstaat selbst überlassen, auf welche Weise sichergestellt wird, dass diese Mindestanforderungen gegeben sind. Allerdings darf ein Mitgliedstaat nicht in Frage stellen, ob die Prüfung in einem anderen Mitgliedstaat nach seinem Verständnis ausreichend ist. Dies ergibt sich aus dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens in die Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten.“37 Dieser Grundsatz findet sich zudem in der Theorie von der Wirkungserstreckung wieder.38 Diese besagt, dass dem Güterichtervergleich in Polen dieselben Wirkungen zukommen wie in Deutschland und ist dabei ebenso auf den Umfang des polnischen odre public zu übertragen. Zum polnischen odre public gehört daher auch aufgrund der Gleichwertigkeit der deutschen Rechtsordnung mit der polnischen die Gleichrangigkeit des § 278 ZPO mit Art. 1832 § 2 ZVGB. Ein Vergleich, der vor einem Güterichter in Deutschland geschlossen wurde, ist mithin in Polen anzuerkennen und zu vollstrecken. 4. Das Verbot der révision au fond Die Nichtanerkennung des deutschen Güterichtervergleichs in Polen missachtet überdies das sog. Verbot der révision au fond. Eine Überprüfbarkeit des Güterichtervergleichs ist europarechtlich nach den Vorschriften der Artt. 58 Abs. 2 UAbs. 2 i.V.m. 52 Brüssel Ia-VO, welche nicht nur auf öffentliche Urkunden, sondern auch auf Vergleiche über Art. 59 Brüssel Ia-VO Anwendung finden, nicht zulässig. Jeder Vollstreckungsstaat darf und muss davon ausgehen, dass der Ursprungsstaat das Unionsrecht bei Abschluss des Vergleichs beachtet hat. Das Verbot der révision au fond ist Ausdruck des vom EuGH entwickelten Vertrauensgrundsatzes für den europäischen Justizraum.39 Daher kann der in Deutschland ergangene Vergleich hinsichtlich des Verfahrensablaufs und des Vergleichsabschlusses durch polnische Gerichte nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden.40 5. Resümee Der Güterichtervergleich ist das Ergebnis eines europarechtskonformen Verfahrens und ist in anderen Mitgliedstaaten anerkennungs- und vollstreckungsfähig. Ein Verstoß gegen den polnischen ordre public-Grundsatz liegt nicht vor. Der Gü37

Gössl, MDR 2017, S. 251 (253 a.E.). Vgl. EuGH v. 28. 04. 2009 – C-420/07 Rn. 66 – Apostolides/Orams; Leible, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl. 2015, Art. 36 Bruessel-Ia-VO Rn. 3. 39 Zöller/Greger, Art. 52 Brüssel Ia-VO Rn. 2; Nagel/Gottwald, IZPR, 7. Aufl. Köln 2013, § 16 Rn. 7. 40 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl. Köln 2015, Rn. 2911. 38

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terichtervergleich ist richtlinienkonform und damit trotz des Verbots des Art. 1832 § 2 ZVGB durch polnische Gerichte anzuerkennen und zu vollstrecken. Überdies ist der Vergleich im Hinblick auf sein Zustandekommen aufgrund des Verbots der révision au fond in der Sache selbst nicht nachprüfbar. Daher müssen die Vollstreckungsbehörden sowie die für die Vollstreckung zuständigen Gerichte in Polen den vor dem deutschen Gericht gebilligten Güterichtervergleich umsetzen.

VI. Die Verjährungshemmung bei Beauftragung eines ausländischen Mediators – die Substitution Im Falle einer drohenden Verjährung von (vertraglichen) Ansprüchen aus einer grenzüberschreitenden, deutsch-polnischen Streitigkeit kann die Frage des anwendbaren Rechts in Bezug auf die Verjährungsvorschriften eine entscheidende Rolle für die Durchsetzbarkeit und Vollstreckung der Ansprüche spielen. 1. Die Unabhängigkeit der Anwendung ausländischen Rechts auf die Streitigkeit von der Anwendung des Rechts auf die Mediationsvereinbarung Wird ein Mediator in Deutschland von einem in Polen ansässigen Anspruchsinhaber beauftragt, etwa weil der Vertragspartner seinen Sitz in Deutschland hat, stellt sich die Frage, ob sich die auf die Ansprüche anwendbaren Verjährungsvorschriften nach deutschem oder polnischen Recht richten. Denkbar ist in dieser Konstellation, dass ein in Deutschland ansässiger Mediator beauftragt wurde, um bei einer Streitigkeit aus dem Vertragsverhältnis zwischen zwei Unternehmern, einem polnischen Verkäufer und einem deutschen Käufer, zu vermitteln. Festzustellen ist zunächst, dass die Mediationsvereinbarung zwischen dem in Deutschland beauftragten Mediator und dem in Polen ansässigen Medianden von dem Vertrag zu trennen ist, den der in Polen ansässige Mediand mit dem in Deutschland ansässigen Vertragspartner geschlossen hat. Diese Frage der auf die Ansprüche anwendbaren Verjährungsvorschriften stellt sich somit unabhängig von der Prüfung des auf den bloßen Mediationsvertrag anzuwendenden Rechts. Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass für das Rechtsverhältnis zwischen Mediator und Parteien ein anderes Recht gilt als für den Vertrag zwischen den Streitparteien. Im Folgenden wird das auf den Mediatorvertrag anwendbare Recht vorangestellt. Hierzu ist zunächst anzumerken, dass für alle nach dem 17. Dezember 200941 geschlossenen Verträge die Rom I-VO42 zeitlich anwendbar ist. Des Weiteren ist die

41

Art. 28 Rom I-VO: zeitlicher Anwendungsbereich.

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räumliche Anwendbarkeit der Rom I-VO gegeben, da die beiden Vertragsparteien ihren Sitz in Deutschland (Mediator) und Polen (Mediand) haben.43 Einziger Problempunkt könnte insoweit die sachliche Anwendbarkeit sein, als die mit dem Mediator geschlossene Vereinbarung keine zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeit i.S.d. Art. 1 Rom I-VO darstellen könnte. Nach Art. 1 Abs. 2 lit. e) Rom I-VO gilt die Verordnung nicht für Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, unter die eine Mediationsvereinbarung zumindest prima facie wegen der Sachnähe fallen könnte. Der Unterschied zwischen der Mediationsvereinbarung und einer Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarung liegt zum einen darin, dass die Mediation – im Gegensatz zum Schiedsgericht oder staatlichen Gericht – die Entscheidungsbefugnis nicht an einen Dritten abgibt. Zum anderen liegen für die Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarung besondere Regelungen der Brüssel Ia-VO vor.44 Für die Mediation bliebe eine Auslegung der Rechtsanwendung gemäß der europäischen Vorschriften gänzlich aus, wenn diese weder der Rom I-VO noch der Brüssel Ia-VO unterfiele, obwohl es sich um ein vertragliches Schuldverhältnis sui generis handelt, auf das die zivilrechtlichen Vorschriften jedoch grundsätzlich Anwendung finden.45 Dem Ausschluss des Art. 1 Abs. 2 Rom I-VO kann der Vertrag mit dem Mediator mithin nicht unterfallen. Dementsprechend gibt es keinen sinnvollen Einwand, warum eine Mediationsvereinbarung nicht in den Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO fiele.46 Dementsprechend ist die Rom I-VO auch sachlich auf den Mediationsvertrag anwendbar. Ist der Mediator in Deutschland ansässig und verrichtet er seine Tätigkeit überwiegend in Deutschland sowie in deutscher Sprache, ist davon auszugehen, dass sich der Mediatorvertrag somit auch nach deutschem Recht gem. Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO richtet. Dies gilt aufgrund der weiten Auslegung des in der Vorschrift enthaltenen Dienstleistungsbegriffs, wonach auch unentgeltliche Leistungen sowie freie Berufe als Dienstleistung zu qualifizieren sind.47 Wenn die Mediationsvereinbarung als eigenständiger Vertrag sui generis betrachtet wird, in dem der Mediator seine mediativen Methoden zur Unterstützung der Streitbeilegung in Mediationssitzungen einsetzt, ist darin die Erbringung einer (entgeltlichen) Leistung für die 42

Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. Nr. L 177 v. 4. 7. 2008, S. 6. 43 Art. 2 Rom I-VO: räumlicher Anwendungsbereich, aufgrund des loi uniforme genügt grundsätzlich bereits nur eine am Rechtsstreit beteiligte in einem EU-Mitgliedstaat ansässige Person. 44 Z. B. Art. 23 Brüssel Ia-VO: Ringe, in: jurisPK-BGB (Stand: 01. 03. 2017), 8. Aufl. 2017, Art. 1 Rom I-VO Rn. 39. 45 S. dazu oben Zweiter Teil, B.III.3.a). 46 Staudinger/Magnus (2016), Art. 1 Rom I-VO Rn. 76. 47 Staudinger/Magnus (2016), Art. 4 Rom I-VO Rn. 40.

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Medianden im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO zu sehen. In diesem Fall ist mithin an das deutsche Recht objektiv anzuknüpfen. 2. Die Anwendung ausländischen Rechts auf die in der Mediation behandelte Streitigkeit Die obigen Ausführungen vorausgeschickt, kann auf die in der Mediation behandelte Streitigkeit zwischen dem deutschen Käufer und dem polnischen Verkäufer polnisches Recht Anwendung finden, obwohl auf die Mediationsvereinbarung selbst deutsches Recht anzuwenden ist. Ausgehend von der räumlichen, zeitlichen und sachlichen Anwendung der Rom I-VO auf das Vertragsverhältnis zwischen den Unternehmern ist weiterhin die Kenntnis erforderlich, ob eine Rechtswahl wirksam vereinbart wurde, Art. 3 Rom IVO. Sofern diese nicht vorliegt und keine vorrangige Anknüpfung nach Artt. 5 bis 8 Rom I-VO gegeben ist,48 ist somit an den subsidiären Art. 4 Rom I-VO anzuknüpfen.49 Im vorliegenden Fall ist das Recht des Verkäufers mit Sitz in Polen gem. Art. 4 Abs. 1 lit. a) Rom I-VO ausschlaggebend, sodass eine aus dem Kaufvertrag resultierende Streitigkeit dem polnischen Zivil- und Handelsrecht unterliegt. Stellt der Verkäufer einen Antrag auf die Durchführung der Mediation bei einem in Deutschland ansässigen Mediator, ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsordnungen im Hinblick auf die Mediation an sich sowie die in der Mediation behandelte Streitigkeit auseinanderfallen. Darüber hinaus besteht die Frage, ob der polnische Verkäufer seinen Anspruch aufgrund der drohenden Verjährung durch seine Antragstellung bei einem „deutschen“ Mediator oder einer anderen deutschen Gütestelle wirksam hemmen konnte. 3. Das auf die Verjährungsvorschriften anwendbare Recht Der Geltungsbereich des auf den Kaufvertrag zwischen dem polnischen Verkäufer und dem deutschen Käufer anzuwendenden Rechts erstreckt sich nach Art. 12 Abs. 1 lit. d) Rom I-VO auch auf die Verjährungsvorschriften. Der Kaufvertrag unterliegt dem polnischen Recht. Damit richten sich der Verjährungsbeginn, die Dauer der Verjährungsfrist und die daraus entstehenden Rechtsfolgen nach polnischem Recht. Da der polnische Verkäufer jedoch einen in Deutschland ansässigen Mediator beauftragt hat, stellt sich weiterhin die Frage, ob die Verjährungshemmung seiner Ansprüche, auf die polnisches Recht anzuwenden ist, bei Anrufung eines deutschen und damit ausländischen Mediators wirksam ist, obwohl das polnische und damit inländische Recht auf die Verjährung anwendbar ist. 48

Vgl. Art. 4 Abs. 1 Hs. 1 Rom I-VO. Vorliegend wird rein aus praktischen Gründen unterstellt, die Parteien haben nur den Ausschluss der CISG wirksam vereinbart, vgl. Art. 25 Rom I-VO, auch wenn die CISG keine Regelungen zur Verjährung enthält. 49

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4. Die Wirksamkeit der Verjährungshemmung bei Beauftragung eines ausländischen Mediators Bei Beauftragung eines nach deutschem Recht tätigen Mediators durch einen polnischen Verkäufer ist fraglich, ob die Verjährung der Ansprüche bei Beauftragung dieses Mediators wirksam gehemmt werden kann. Dies ist insoweit problematisch, als Artt. 1831 ff. ZVGB keinerlei Aussage hierzu treffen und die EU-Mediationsrichtlinie bezüglich der Verjährungsvorschriften eine Mindestharmonisierung von den Mitgliedstaaten fordert.50 Art. 8 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie besagt in diesem Zusammenhang lediglich, dass die Streitparteien nicht an der nachträglichen Rechtsverfolgung ihrer Ansprüche durch den Ablauf der Verjährungsfristen gehindert werden dürfen. a) Der Tatbestand der Verjährung nach den Vorschriften des BGB im deutschen Recht Die Frage der wirksamen Verjährungshemmung ist dann zu bejahen, wenn der Tatbestand der Verjährungshemmung auch durch die Beauftragung eines ausländischen Mediators erfüllt werden kann. Nach dem deutschen Recht kann die Verjährung bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 203 f. BGB gehemmt werden.51 Dabei ist zu unterscheiden, ob bei einer staatlich anerkannten Gütestelle im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB der Antrag auf die Durchführung der Mediation eingereicht werden soll oder ob es sich um eine „private Gütestelle“52 gem. § 203 BGB, d. h. einen freiberuflich tätigen und nicht bei der staatlich anerkannten Gütestelle angestellten Mediator, handelt, bei der der Antrag auf die Durchführung der Mediation eingereicht werden soll. Im ersteren Fall muss ein Antrag sowie dessen baldige Bekanntgabe i.S.d. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB a.E. vorliegen. Dabei unterscheidet § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB zwischen der Antragstellung bei einer „staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle“ (lit. a)) und der Antragstellung bei einer „anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird“ (lit. b)). Im zweiten Fall bedarf es des Einlassens des Gegners zur Sache,53 was der Hemmung durch Aufnahme von Verhandlungen nach § 203 BGB entspricht. Eine eigenständige und weniger auslegungsbedürftige sowie explizit auf die Mediation ausgerichtete Regelung existiert im deutschen Recht nicht. Dies wurde bei der Implementierung der EU-Mediationsrichtlinie durch die folgende Erklärung 50 51 52 53

S. hierzu Erwägungsgrund 24 und Art. 8 der EU-Mediationsrichtlinie. S. dazu oben Zweiter Teil, B.V.2. Riehm, NJW 2017, S. 113 (116). Riehm, NJW 2017, S. 113 (116).

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begründet: „Im Hinblick auf die Verjährung besteht kein Regelungsbedarf. Denn die Verjährung ist […] dann gehemmt, wenn zwischen den Parteien Verhandlungen über den Anspruch […] schweben; eine Mediation stellt eine solche Verhandlung dar […] so sind eine Mediation, aber auch Gespräche über den Vorschlag, eine Mediation einzuleiten, als Verhandlungen im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Schlägt zum Beispiel eine Partei eine Mediation vor und die Gegenpartei signalisiert, den Vorschlag zu prüfen und das Ergebnis der Prüfung mitzuteilen, ist die Verjährung nach § 203 BGB gehemmt.“54 b) Der Tatbestand der Verjährung nach den Vorschriften des ZGB im polnischen Recht In das polnische Recht wurde im Gegensatz zum deutschen Recht eine eigene Regelung bezüglich der Hemmung der Verjährung kraft Einleitung eines Mediationsverfahrens eingeführt.55 Diese ist in Verbindung mit den zivilprozessrechtlichen Mediationsnormen, insbesondere des Artt. 1836 f. ZVGB zu lesen. Nach Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB beginnt die Verjährungshemmung mit der Einleitung des Mediationsverfahrens („wszcze˛ cie mediacji“). Was unter der Einleitung des Mediationsverfahrens i.S.d. Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB zu verstehen ist, ist in Art. 1836 § 1 sowie in Art. 1837 ZVGB geregelt.56 Zwei Voraussetzungen sind disbezüglich zu erfüllen. Der Mediator muss zum einen einen hinreichend individualisierten Antrag an den Mediator stellen.57 Dem Antrag muss zum anderen der Nachweis der Absendung der Abschrift des Antrags an den Gegner beigefügt werden. Im Gegenzug zu den deutschen Verjährungsvorschriften beginnt die Hemmung der Verjährung nach polnischem Recht, sobald der Antragsteller alle in Artt. 1836 f. ZVGB genannten, klar geregelten und transparenten Voraussetzungen erfüllt hat. Er muss sich nicht, wie im deutschen Recht, auf die in der Literatur und Rechtsprechung der für § 203 BGB entwickelten Grundsätze vertrösten lassen oder darauf vertrauen, dass der Antrag gem. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB a.E. „demnächst“ bekannt gegeben wird. 5. Die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts der Substitution Durch das Rechtsinstitut der Substitution kann geklärt werden, „ob ein ausländisches Rechtselement den Tatbestand eines inländischen erfüllen und ein dort

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BT-Drs. 17/5335, S. 11. S. dazu oben Zweiter Teil, B.V.2.a). 56 Gniewek/Machnikowski, ZGB-Kommentar, 7. Aufl. 2016, Art. 123 ZGB Rn. 18. 57 Angaben zur hinreichenden Individualisierung sind Art. 1837 ZVGB geregelt. Darüber hinaus bestehen Antragsentwürfe, die lediglich ausgefüllt werden müssen und bereits alle wesentlichen Merkmale enthalten. 55

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vorausgesetztes inländisches Rechtselement ,ersetzen‘ kann.“58 Die Substitution setzt somit die Ersetzbarkeit dieser Auslandstatsache voraus und fordert von dem ausländischen Element eine Gleichwertigkeit zum inländischen Element.59 Da der polnische Verkäufer die Mediation in Deutschland einleiten möchte, obwohl das polnische Verjährungsrecht, d. h. Artt. 1836 f. ZVGB i.V.m. 123 ZGB, für die Ansprüche aus dem Kaufvertrag anzuwenden ist, ist insoweit mithilfe der Substitution auszulegen, ob die Einreichung des Antrags auf Durchführung der Mediation bei einem in Deutschland und nach deutschem Recht tätigen Mediator dieselben verjährungshemmenden Wirkungen des Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB entfaltet und damit die im Inland zwingend vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllen kann. a) Das Tatbestandselement der Substitution und die Ersetzbarkeit der Auslandstatsache In vielen Streitfällen kann bereits ein Tag genügen, um eine Verjährungsfrist verstreichen zu lassen, womit die Ansprüche aufgrund der Einrede der Verjährung nicht mehr durchsetzbar wären. Am Beispiel des in Polen ansässigen Verkäufers, der die Streitigkeit bzgl. seiner Ansprüche mit dem in Deutschland ansässigen Käufer vor einem in Deutschland ansässigen Mediator lösen möchte, wäre für den Verkäufer relevant, ob und inwieweit er den Lauf der Verjährungsfrist seiner Ansprüche durch eine in Deutschland durchgeführte Mediation wirksam hemmen bzw. unterbrechen kann. Müsste der polnische Verkäufer seine Ansprüche in einem Gerichtsverfahren durchsetzen, etwa weil die besagte in Deutschland eingeleitete Mediation gescheitert ist oder vom Gegner abgelehnt wurde, so könnte sich der beklagte Käufer im laufenden Verfahren auf die Verjährung der Ansprüche des Klägers mit der Behauptung berufen, dass der Verkäufer den Mediator nicht wirksam beauftragt habe, weil er, um die Unterbrechungswirkung der Verjährungsfrist des Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB auszulösen, einen Mediator in Polen hätte beauftragen müssen und nicht in Deutschland. Denn die Verjährung der Ansprüche aus dem Kaufvertrag wird gem. Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB i.V.m. Art. 1836 § 1 ZVGB durch den Eingang des Antrags bei dem (polnischen) Mediator unterbrochen.60 Dies hätte zur Folge, dass der Verkäufer nicht gesetzeskonform gehandelt hätte und sein Anspruch nur dadurch gescheitert wäre, dass er sich an den „falschen“ Mediator gewandt hätte. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die polnische Verjährungsregelung allein das Element „polnischer“ Mediator voraussetzt. Aus diesem Grund ist die konkret zu substituierende Auslandstatsache des deutschen und polnischen Verjährungsrechts vorliegend zu benennen. Damit der Lauf der Verjährungsfrist wirk58

Gössl, MDR 2017, S. 251 (252). Gössl, MDR 2017, S. 251 (252). 60 Vorliegend wird unterstellt, dass der polnische Verkäufer als Antragsteller alle übrigen Voraussetzungen gegenüber deutschen Mediator wirksam erfüllt hat. 59

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3. Teil: Mediation für grenzüberschreitende Konflikte

sam unterbrochen werden kann, muss die Auslandstatsache, d. h. das Einreichen des Antrags auf Durchführung der Mediation bei einem deutschen Mediator, unter die polnische Tatsache „dore˛ czenia mediatorowi wniosku“, d. h. Eingang des Antrags bei dem Mediator, subsumierbar sein und es muss damit eine generelle Ersetzbarkeit des Mediators vorliegen, sodass es auf die Nationalität des Mediators nicht ankommt. Der Wortlaut der polnischen Verjährungsvorschriften erwähnt die Pflicht zur Beauftragung eines „polnischen“ Mediators nicht explizit. Allerdings wird insbesondere von festen Mediatoren gem. Art. 157a Nr. 4 pln. GVG erwartet, dass sie über Kenntnisse polnischer Sprache verfügen.61 Dies deutet zunächst darauf hin, dass Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB i.V.m. Art. 1836 ZVGB nur polnischsprachige und damit allein in Polen ansässige Mediatoren erfassen könnte. Die polnischen Verjährungsvorschriften sollen in erster Linie Rechtssicherheit schaffen. Die Kenntnisse polnischer Sprache werden nur bei sog. festen Mediatoren vorausgesetzt, d. h. denjenigen, die sich in ein Mediatorenverzeichnis des Bezirksgerichts eintragen lassen wollen.62 Die Voraussetzung polnischer Sprachkenntnisse schafft Rechtssicherheit für eine in Polen durchgeführte Mediation dadurch, dass der feste Mediator i.S.d. Art. 157a Nr. 4 pln. GVG mit nationalen und damit polnischen Gerichten in der Gerichtssprache effektiv kommunizieren muss. Der in Polen tätige bzw. der unter die polnischen Mediationsvorschriften der Artt. 1831 ff. ZVGB fallende Mediator muss jedoch nicht zwingend die polnische Staatsangehörigkeit besitzen.63 Des Weiteren ist nach Art. 18 AEUV jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Der Mediator ist auch nicht verpflichtet, sich beim Bezirksgericht als fester Mediator eintragen zu lassen. Dementsprechend sind polnische Sprachkenntnisse für einen nach Artt. 1831 ff. ZVGB tätigen Mediator zwar erwünscht, aber nicht zwingend. Damit muss der nach Artt. 1831 ff. ZVGB tätige Mediator erst recht nicht seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder gar seinen Wohnsitz in der Republik Polen haben. Mithin ist festzuhalten, dass im polnischen Mediationsrecht kein Zwang zur Beauftragung eines polnischstämmigen Mediators besteht und auch ein deutschstämmiger Mediator grundsätzlich tätig werden kann. Der Zweck des Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB liegt somit in der Unterbrechung der Verjährungsfrist durch die Einleitung der Mediation bei einem Mediator, der in Deutschland oder Polen ansässig sein kann. Nach der teleologischen Auslegung der polnischen Verjährungsvorschriften bedarf es für die wirksame Unterbrechung der Verjährungsfrist mittels Mediation keiner sog. Inlandstatsache. Auch aus systematischer Sicht besteht kein Zwang zur Beauftragung eines polnischstämmigen Mediators, da Art. 123 ZVGB auch bezüglich übriger Unterbrechungsmöglichkeiten der Verjährungsfrist keine Inlandstatsachen fordert. Art. 123 61

S. oben dazu unter Zweiter Teil, B.IV.1. S. oben dazu unter Zweiter Teil, B.IV.1. 63 Antolak-Szymanski/Piaskowska/Antolak-Szymanski, Mediation im Zivilverfahren – Kommentar, Warschau 2017, Art. 1832 ZVGB Rn. 8; s. auch bzgl. Verweis auf Art. 18 AEUV unter Zweiter Teil, B.IV.1.b). 62

A. Durchsetzbarkeit von nationalen Mediationsvergleichen

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§ 1 Nr. 1 ZGB spricht beispielsweise von „der Klageerhebung“ oder auch von „dem Schiedsgericht“ und nicht von der in Polen erhobenen Klage oder des in Polen eingeleiteten Schiedsgerichtsverfahrens. Nach der systematischen Auslegung des Art. 123 ZGB ist zu betonen, dass nicht rein polnische Verfahren die Verjährungsfrist wirksam unterbrechen können. Für die Klageerhebung können insbesondere nicht allein die polnischen Gerichte ausschlaggebend sein, da es im internationalen Rechtsverkehr zu einem Auseinanderfallen vom Gerichtsstand (internationale Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts) und dem auf die Streitigkeit anwendbaren Recht kommen kann. In Art. 123 § 1 Nr. 1 ZGB kann die Verjährung jedoch nur durch die Vornahme der „richtigen“ Prozesshandlung gehemmt werden.64 Richtig ist eine Prozesshandlung dann, wenn sie nicht nur im Einklang mit den nationalen Vorschriften, sondern vielmehr mit den vorrangigen, internationalen Regelungen steht, zu denen die Rom I-VO und die Brüssel Ia-VO zählen. In Bezug auf die Beauftragung eines deutschen Mediators für polnische Rechtsstreitigkeiten ist Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB unionsrechtskonform auszulegen. Ziel der genannten Vorschrift ist die Umsetzung des Art. 8 Abs. 1 der EU-Mediationsrichtlinie. Es soll demgemäß gewährleistet sein, dass „die Parteien, die eine Streitigkeit im Wege der Mediation beizulegen versucht haben, im Anschluss daran nicht durch das Ablaufen der Verjährungsfristen während des Mediationsverfahrens daran gehindert werden, ein Gerichts- oder Schiedsverfahren hinsichtlich derselben Streitigkeit einzuleiten.“ Würde Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB allein auf inländische Mediatoren abstellen, würde dies aus unionsrechtskonformer Sicht einen Verstoß gegen Art. 8 der EU-Mediationsrichtlinie und im Ergebnis auch einen Verstoß gegen Art. 47 GRCh65 bedeuten, da dem polnischen Verkäufer das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf entzogen würde. Auf Basis der teleologischen, der systematischen sowie der EU-konformen Auslegung ist eine Substituierbarkeit des Tatbestandselements „dore˛ czenia mediatorowi wniosku“, d. h. Eingang des Antrags bei dem Mediator, i.S. des Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB i.V.m. Art. 1836 § 1 ZVGB durch einen ausländischen Mediator zu bejahen. Die polnischen Regelungen erfordern keine Inlandstatsachen. b) Die Gleichwertigkeit der zu substituierenden Elemente Der ausländische – vorliegend in Deutschland ansässige – Mediator müsste funktionsäquivalent zum inländischen (nach polnischem Recht tätigen) Mediator, von dem Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB i.V.m. Art. 1836 § 1 ZVGB spricht, sein. Diese

64 65

Gniewek/Machnikowski, ZGB-Kommentar, 7. Aufl. 2016, Art. 123 ZGB Rn. 1. Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C Nr. 326 v. 26. 10. 2012, S. 391.

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3. Teil: Mediation für grenzüberschreitende Konflikte

Funktionsäquivalenz66 bzw. Gleichwertigkeit ist gegeben, wenn der ausländische Mediator – im hiesigen Fall der deutsche Mediator – nach Vorbildung und Stellung eine der Tätigkeit des polnischen Mediators entsprechende Funktion ausübt und für die Einleitung des Mediationsverfahrens bestimmte Regeln beachtet, sodass die Einhaltung der tragenden Grundsätze des polnischen Verjährungsunterbrechungsrechts durch einen Mediator gesichert wird. Dann schadet es auch nicht, wenn der deutsche Mediator keine genaue Kenntnis von dem polnischen Mediationsrecht hat. Zwar unterscheidet sich die Einleitung der Mediation im deutschen und polnischen Recht, beispielsweise in dem in Art. 1836 § 1 ZVGB geforderten Nachweis der Zustellung der Antragsabschrift an den Antragsgegner. Die Einleitung des Mediationsverfahrens ist jedoch unabhängig von der eigentlichen Tätigkeit des Mediators, sodass dieser Unterschied unbeachtlich ist. Entscheidend ist vielmehr, dass sowohl das polnische als auch das deutsche Recht den Lauf der Verjährung aufgrund eines eingeleiteten Mediationsverfahrens unterbrechen. Überdies wird eine Gleichwertigkeitsprüfung insoweit erleichtert, als die Vorschriften über das Mediationsverfahren in Deutschland und Polen der EU-Mediationsrichtlinie nebst dazugehörigen Entwürfen entstammen. Eine Funktionsäquivalenz ist automatisch gegeben, sobald ausländische Staaten dieselbe Richtlinie endgültig in ihr nationales Recht implementieren.67 Durch das Mediationsgesetz nebst dazugehöriger Verjährungsvorschriften wurden die Anforderungen an den Mediator und das Mediationsverfahren erfüllt.68 Aus diesem Grund kann ein Gericht in der Republik Polen, auch wenn es die Mindestanforderungen der EU-Mediationsrichtlinie für nicht ausreichend erachten sollte, die deutschen Regelungen bzgl. der Einleitung der Mediation in Deutschland nebst dazugehöriger Verjährungsvorschrift hinsichtlich ihrer Funktion in der Sache nicht nachprüfen. Zutreffend sagt daher Gössl, dass dies „sich aus dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens in die Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten“69 ergibt. Überdies lägen aber die Voraussetzungen vor, da der nach deutschem Mediationsrecht handelnde Mediator gleichwertig mit dem nach polnischem Mediationsrecht handelnden Mediator ist. Der deutsche Mediator erfüllt dieselben Neutralitäts-, Informations- und Verschwiegenheitsplichten wie der polnische, vgl. Artt. 1831 § 1, 1833 § 1, 1834 ZVGB, §§ 3 f. MediatG. Beide Staaten gehen zudem von einem wesensgleichen Verständnis aus, was unter einem Mediator zu verstehen ist, nämlich, dass er als neutrale, dritte, natürliche Person, bestimmte Methoden im Rahmen des Verfahrens anwendet, um die Parteien bei der Ausarbeitung ihrer Lösungsfindung zu unterstützen, vgl. Art. 1832 § 1, 1833a ZVGB, § 1 Abs. 2 MediatG.

66 67 68 69

Vgl. BGH v. 17. 04. 2002 – XII ZR 182/00 – juris Rn. 12. Gössl, MDR 2017, S. 251 (253). Vom 21. 07. 2012, BGBl. I, S. 1577. Gössl, MDR 2017, S. 251 (253).

A. Durchsetzbarkeit von nationalen Mediationsvergleichen

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Mithin fällt der in Deutschland beauftragte Mediator unter die polnischen Verjährungsregeln des Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB i.V.m. Art. 1836 § 1 ZVGB.

VII. Resümee Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten innerhalb der Europäischen Union richtet sich das Verjährungsrecht nach dem Recht, das auf die dazugehörigen Ansprüche anwendbar ist. Der polnische Verkäufer kann, auch wenn sich seine Ansprüche nach polnischem Recht richten, einen in Deutschland ansässigen und nach deutschem Mediationsrecht handelnden Mediator beauftragen und mit der Einleitung der Mediation in Deutschland zugleich die Unterbrechung der Verjährung nach Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB i.V.m. Art. 1836 § 1 ZVGB wirksam auslösen. Da auf die Ansprüche des polnischen Verkäufers, die er gegenüber dem deutschen Käufer geltend machen möchte, das polnische Recht anzuwenden ist, erscheint die Beauftragung des in Deutschland ansässigen Mediators zunächst insoweit nicht möglich, als das polnische Mediationsrecht in erster Linie für polnische Mediationsverfahren ausgestaltet wurde und damit in Polen tätige Mediatoren in den Anwendungsbereich einbezieht. Die Einleitung der Mediation nach Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB i.V.m. Art. 1836 § 1 ZVGB, die die Verjährungsunterbrechung auslöst, verlangt jedoch nicht zwingend die Einschaltung eines polnischen Mediators. Dies ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der teleologischen und systematischen Auslegung des Gesetzes. Der in Art. 123 § 1 Nr. 3 ZGB i.V.m. Art. 1836 § 1 ZVGB verlangte Tatbestand des „Mediators“ ist durch den Tatbestand des in Deutschland tätigen Mediators mithin substituierbar. Das Amt des Mediators in Polen ist mit dem des Mediators in Deutschland ebenfalls gleichwertig. Sollte die Mediation in Deutschland zwischen dem polnischen Verkäufer und dem deutschen Käufer scheitern oder trotz der Einleitung nicht zustande kommen, so kann der deutsche Käufer im Rahmen eines nachfolgenden Gerichtsprozesses die Einrede der Verjährung nicht erfolgreich mit der Begründung erheben, dass der polnische Verkäufer die Mediation vor einem falschen Mediator eingeleitet hat. Damit kann die nach polnischem Recht laufende und zu bemessende Verjährungsfrist durch einen in Deutschland ansässigen Mediator wirksam unterbrochen werden. Der Beispielfall zeigt auf, dass die Sicherung von Ansprüchen bei grenzüberschreitenden Konflikten elementar ist. Dazu ist die Ermittlung des anwendbaren Rechts relevant, da sich die nationalen Verjährungsvorschriften nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht richten. Wird die Mediation in einem EU-Land beansprucht und von den Vorschriften des auf den Vertrag anwendbaren Rechts abgewichen, kann das Institut der Substitution zur Anwendung kommen. Die deutschen und polnischen Mediationsvorschriften unterscheiden sich hinsichtlich der Regelung der Verjährung, vermögen dennoch aufgrund der Substituierbarkeit des Tatbestands des Mediators und der Einleitung der Mediation die Verjährung von ausländischen Ansprüchen wirksam zu hemmen bzw. zu unterbrechen. Aus diesem Grund können

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3. Teil: Mediation für grenzüberschreitende Konflikte

Ansprüche aus deutsch-polnischen Streitigkeiten wirksam gesichert werden. Dies bedeutet, dass die polnische Partei einen in Deutschland ansässigen Mediator zur Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist beauftragen kann. Dies gilt gleichermaßen für eine in Deutschland ansässige Partei, die die Mediation in Polen einleitet.

B. Zusammenfassung des Dritten Teils Das polnische Mediationsrecht bietet aufgrund eines eigens für Mediationsvergleiche geschaffenen, nationalen Vollstreckbarerklärungsverfahrens eine sichere und effektive Vollstreckung im EU-Ausland. Da der Mediationsvergleich die Rechtskraft eines polnischen Prozessvergleichs erhält und damit Art. 2 lit. b) Alt. 1 Brüssel-IaVO unterfällt, ist er entsprechend in Deutschland nach Artt. 59 i.V.m. 58 Brüssel IaVO zu vollstrecken, ohne ein gesondertes Exequaturverfahren durchlaufen zu müssen. Dies gestaltet sich für den deutschen Mediationsvergleich problematischer, da dieser einen rein privatrechtlichen Vergleich darstellt, der zunächst zu beglaubigen ist, um als öffentliche Urkunde nach Art. 58 Brüssel-Ia-VO vollstreckt zu werden. Dies löst für die Parteien höhere Kosten aus und kann mehr Zeit in Anspruch nehmen. Auch wenn sich die beiden Mediationsgesetze in Deutschland und Polen zum Teil erheblich voneinander unterscheiden, so ergeben sich keine Vollstreckungsschwierigkeiten. Insbesondere am Beispiel der Güterichtermediation, die im polnischen Mediationsrecht nicht existiert, liegt kein ordre-public-Verstoß vor, wenn ein vor dem Güterichter geschlossener Vergleich in Polen vollstreckt werden soll. Zudem kann eine in Deutschland eingeleitete Mediation die Unterbrechung der Verjährung nach polnischem Recht wirksam herbeiführen, da die Tätigkeit des Mediators nach deutschem Recht mit der des Mediators nach polnischem Recht gleichwertig und damit substituierbar ist. Die grenzüberschreitende Durchsetzbarkeit deutscher und polnischer Mediationsvergleiche ist somit rechtssicher möglich.

Vierter Teil

Die Auswertung und Beantwortung der Ausgangsfrage Die Auswertung der Ergebnisse des Länderberichts und die Beantwortung der Ausgangsfrage sind wie folgt zusammenzufassen:

A. Die Auswertung der Ergebnisse der eingangs aufgestellten Hypothesen Im Folgenden werden die Ergebnisse des erstellten Länderberichts zusammengetragen und ausgewertet.

I. Schaffung von Anreizen für die Mediation Das polnische Mediationsrecht schafft finanzielle Anreize zur Förderung der Mediation in Zivil- und Handelssachen. Besonders hervorzuheben sind die teilweise Erstattung von Gerichtskosten für die Inanspruchnahme der außergerichtlichen Mediation vor einem Klageverfahren und die Übernahme der Prozesskostenhilfe für die gerichtsnahe Mediation. Solche Kostenanreize setzen den Staatshaushalt keiner dauerhaften und übermäßigen Belastung aus, da lediglich eine teilweise Kostenerstattung erfolgt. Auch die gerichtliche Anordnung der Teilnahme an Informationsgesprächen über die Mediation und die Eintragung von festen Mediatoren in Gerichtsverzeichnisse mit der dazugehörigen Bereitstellung dieser Listen für die breite Öffentlichkeit fördert die Mediation, um mentale Barrieren bei den Bürgern abzubauen. Das deutsche Mediationsrecht sollte an den polnischen Kostenanreizen ausgerichtet werden und ebenfalls Kostenerleichterungen für die Inanspruchnahme der außergerichtlichen Mediation einführen sowie die Teilnahme an Informationsgesprächen verpflichtend machen.

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4. Teil: Auswertung und Beantwortung der Ausgangsfrage

II. Mediation und Berufsbild Das Richteramt ist mit der Tätigkeit des Mediators vereinbar. Es gibt keinen Anlass, die beiden Berufe zu trennen, wie dies durch den gesetzlichen Ausschluss des Richters nach polnischem Recht der Fall ist. Die deutsche Güterichtermediation durch einen nicht entscheidungsbefugten Richter ist ein gelungenes Beispiel für die Vereinbarkeit des Richtersamtes als Rechtsprechungsorgan mit dem Berufsbild des Mediators. Ausschlaggebend ist, dass auch der Richter in seiner Funktion als Rechtsprechungsorgan sowohl im deutschen als auch im polnischen Recht dem Gesetz und Recht unterworfen ist. Zur Rechtsetzung gehört auch die Schaffung des Rechtsfriedens zwischen Streitparteien im Wege einer einvernehmlichen Lösung. Zwar hat ein Gerichtsprozess einen kontradiktorischen Charakter. Die Parteien haben es jedoch in der Hand, wann und auf welche Weise das Verfahren zu beenden ist. Der Richter muss als Organ der Rechtspflege dem Wunsch der Parteien nachkommen und auf eine Einigung hinwirken, wenn sie einen Vergleich einem Urteil vorziehen. Insoweit überschneidet sich die Tätigkeit des Richters mit der Tätigkeit des Mediators. Auch wenn das polnische Recht eine lange Tradition zum Ausschluss des Richters von Schlichtungsaufgaben aufrechterhält, ist dennoch zu empfehlen, von dieser Rechtstradition abzurücken.

III. Kosten der Mediation Die Kosten der Mediation werden im deutschen und polnischen Recht im Wege der Prozesskostenhilfe durch die Staatskasse getragen. Dies gilt jedoch einschränkend für die gerichtsnahe Mediation in Polen und die Güterichtermediation in Deutschland. Die Kostenhilfe sollte am Beispiel von dem erwähnten Berliner Pilotprojekt auch auf die außergerichtliche Mediation ausgeweitet werden. Die Mediationskostenhilfe führt lediglich zu einer Kostenverschiebung und keiner -belastung. Es werden insoweit Folgeprozesse vermieden, als außergerichtlicher Rechtsfrieden geschaffen wird. Auf diese Weise müssen weniger Gerichts- und Rechtsanwaltskosten durch den Staat getragen werden. Eine Mediationskostenhilfe in Deutschland und Polen ist mithin eine sinnvolle Ergänzung zur Förderung der Mediation. Die Ausweitung der Prozesskostenhilfe auf die außergerichtliche Mediation ist in Deutschland und Polen durchzuführen, damit die Mediation sowohl für den Bürger als auch für den Staat zu Kosteneinsparungen führt.

IV. Mediation und Entlastung der Gerichte Die Mediation kann die Gerichte dauerhaft entlasten, wenn weniger Streitfälle mit dem Gericht in Berührung kommen, die ohnehin zur einvernehmlichen Beilegung geeignet sind, oder wenn die Gerichte effektiv in die Mediation im Rahmen einer

A. Auswertung der Ergebnisse der eingangs aufgestellten Hypothesen

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gerichtsnahen Mediation oder einer Güterichtermediation verweisen können. Die Mediation darf und soll jedoch nicht die Gerichtsbarkeit dauerhaft ersetzen. Aus diesem Grund muss das Gericht als Schnittstelle zwischen Bürgern und Mediatoren erhalten bleiben, um die Informationsbeschaffung für die breite Öffentlichkeit zu sichern. Zwar muss dafür zunächst eine Organisationsstruktur geschaffen werden, die die Gerichte anfangs belastet. Sie ist jedoch eine Investition für die Zukunft, um mehr für die Mediation geeignete Fälle in die Mediation zu verweisen. Beispielhaft kann die Registrierung der Mediatoren durch eine Eintragung im Mediatorenverzeichnis bei polnischen Gerichten angeführt werden, über die die Gerichte informieren und für die Mediation werben.

V. Mediation und Rechtsdurchsetzung Die durch den polnischen Gesetzgeber eigens für die Mediation geschaffenen Verjährungs- und Vollstreckungsregelungen dienen einer effektiven Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Medianden. Auch im Falle des Nichtzustandekommens der Mediation verbleibt den Medianden die Möglichkeit der Klageerhebung, ohne dass sie den Ablauf der Verjährungsfristen fürchten müssen. Darüber hinaus können Mediationsvergleiche nach polnischem Recht nach einer formellen gerichtlichen Prüfung für vollstreckbar erklärt werden, sodass sie die Rechtskraft eines Prozessvergleichs erhalten. Auf diese Weise können sie problemlos in anderen EU-Staaten anerkannt und vollstreckt werden. Die Ansprüche sind durch das polnische Mediationsrecht sowohl innerstaatlich als auch grenzüberschreitend sicher und durchsetzbar. Empfehlenswert wäre, eine rechtssichere Regelung im deutschen Verjährungsrecht für die Mediation zu gestalten, da die Ansprüche mangels wirksamer Einleitung eines Mediationsverfahrens zu verjähren drohen. In Deutschland trägt der mediationswillige Antragsteller das Risiko für einen zu spät bekannt gegebenen Antrag oder die Ablehnung des Antrags auf Einleitung der Mediation durch den Mediator oder die Gegenseite. Um einen Anreiz für eine stärkere Teilnahme an der Mediation zu schaffen, sollte der deutsche Gesetzgeber dem polnischen Recht ähnelnde Maßnahmen ergreifen und die Verjährungsvorschriften anpassen. Dadurch würden die Ansprüche der Mediationsteilnehmer innerstaatlich und grenzüberschreitend sicher und durchsetzbar.

VI. Qualitätssicherung und Professionalität Die Sicherung der Qualität von Mediationsdienstleistungen kann durch soft law erreicht werden, wenn eine freiwillige Selbstverpflichtung der Mediatoren bezüglich der Einhaltung von Verhaltenskodizes für Mediatoren mit staatlicher Kontrolle verbunden wird. Auf diese Weise bleibt die Durchführung der Mediation einerseits flexibel, andererseits können bei Anzeichen von Mängeln Gegenmaßnahmen er-

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4. Teil: Auswertung und Beantwortung der Ausgangsfrage

griffen werden. Im polnischen Recht werden Mediatoren, die sich in ein beim polnischen Bezirksgericht geführtes Mediationsverzeichnis eintragen lassen wollen, formell überprüft und ein einberufener Sozialrat für Alternative Streitbeilegungsmethoden, der dem polnischen Justizminister beigeordnet ist, entwickelt Schulungsmaßnahmen und arbeitet an einem sog. Weißbuch der Mediation, das das gesamte gesammelte Wissen über die erfolgreichsten Standards und Techniken zusammenfasst. In Deutschland dagegen hat der Evaluationsbericht zur Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren gezeigt, dass ein starrer Schulungsrahmen allein nicht dazu geeignet ist, die Qualität von Mediationsdienstleistungen sicherzustellen. Jeder, der eine Ausbildung zum zertifizierten Mediator abgeschlossen hat, kann den Titel „zertifizierter“ Mediator tragen – zumal der einfache Begriff „Mediator“ gar nicht geschützt wird. Mangels unabhängiger Prüfungsstelle oder eines dafür vorgesehenen Registers ist die Missbrauchsgefahr einer unberechtigten Titelnutzung groß und bleibt entweder folgenlos oder muss gerichtlich durchgesetzt werden. Dies widerspricht einer effektiven Qualitätssicherung und schafft darüber hinaus weitere Streitfälle, die zu Folgeprozessen führen und die Gerichte be- statt entlasten können.

B. Zusammenfassung der Reformvorschläge Im Rahmen der Untersuchung wurden Reformvorschläge gemacht, die im Folgenden zusammengefasst werden.

I. Die fehlende Definition der Mediation im polnischen Mediationsrecht Nach dem Zusammentragen der wesentlichen Elemente der Mediation ist zu empfehlen, eine Definition der Mediation nach dem Vorbild des § 1 des deutschen Mediationsgesetzes auch in das polnische Recht zu implementieren. Eine solche Definition der Mediation könnte anstelle des bereits existierenden Art. 1831 ZVGB eingefügt werden und wie folgt lauten: „Mediacja jest poufna˛, nieformalna˛ metoda˛, dzie˛ ki której strony przy pomocy neutralnej, trzeciej osoby bez uprawnienia do podejmowania decyzji, da˛z˙ a˛ na bazie dobrowolnos´i i samodzielnos´ci do zakon´czenia sporu, który potwierdzaja˛ porozumieniem kon´cowym.“ „Die Mediation ist ein vertrauliches und nicht formalisiertes Verfahren, bei dem die Parteien mithilfe eines neutralen, nicht entscheidungsbefugten Dritten, freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben, den sie mit einer Abschlussvereinbarung beenden.“

B. Zusammenfassung der Reformvorschläge

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II. Die Verankerung des Grundsatzes der Informiertheit im deutschen und polnischen Recht Der Grundsatz der Informiertheit der Parteien findet sich im deutschen Mediationsgesetz in § 2 Abs. 2 und 6 MediatG wieder, beschränkt sich jedoch lediglich auf die erste und dritte Ebene der Informiertheit der Parteien. Um die Informationsrechte der Parteien auch während des Mediationsverfahrens zu gewährleisten könnte die Norm wie folgt ergänzt werden: „Er hat die Parteien während des Mediationsverfahrens insbesondere bei der Tatsachenverschaffung und Tatsachenbewertung sowie bei der Erörterung und Einschätzung der Rechtslage, zu unterstützen. Er hat die Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Rechtslage bei Bedarf durch externe Berater einschätzen zu lassen.“

Die polnischen Mediationsregelungen müssten ebenfalls insoweit ergänzt werden, als Art. 1833a ZVGB den Grundsatz der Informiertheit der Parteien nicht ausdrücklich und umfassend widerspiegelt. Es ist zu empfehlen, dass der bisherige Wortlaut des Art. 1833a ZVGB als § 1 vorangestellt wird und diesem sodann § 2 mit dem folgenden Wortlaut folgt: „Mediator upewnia sie˛ , aby strony zrozumiały zasady i procedure˛ poste˛ powania mediacyjnego. Mediator ma wspierac´ strony w trakcie poste˛ powania mediacyjnego danymi metodami, w szczególnos´ci w ustaleniu i ocenie stanu faktycznego oraz w rozwaz˙ aniu i ocenie sytuacji prawnej spwawy. W przypadku zawarcia ugody mediator dopilnowuje, aby strony zawarły ugode˛ z pełna˛ znajomos´cia˛ faktów i zrozumiały jej tres´c´. W razie potrzeby mediator wzkazuje moz˙ liwos´c´ dokonania oceny sytuacji prawnej sprawy oraz ugody przez odpowiednia˛ trzezcia˛ osobe˛ , w szczególnos´ci radca prawnego.“ „Der Mediator vergewissert sich, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf des Mediationsverfahrens verstanden haben. Er hat die Parteien während des Mediationsverfahrens insbesondere bei der Tatsachenverschaffung und Tatsachenbewertung sowie bei der Erörterung und Einschätzung der Rechtslage mit den ihm zur Verfügung stehenden Methoden zu unterstützen. Im Falle einer Einigung wirkt der Mediator darauf hin, dass die Parteien den Vergleich in Kenntnis der Sachlage treffen und seinen Inhalt verstehen. Er hat die Parteien auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Rechtslage und die Vergleichsvereinbarung bei Bedarf durch einen geeigneten Dritten, insbesondere einen Rechtsanwalt, überprüfen zu lassen.“

III. Der in der Ausnahme zum Grundsatz der Vertraulichkeit der Mediation enthaltene performative Widerspruch und der logische Fehler Die Formulierung des § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG stellt ein Einfallstor für die Umgehung der Verschwiegenheitspflicht dar. § 4 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 MediatG soll eine Ausnahme vom Grundsatz des § 4 S. 2 MediatG darstellen, indem er lautet:

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4. Teil: Auswertung und Beantwortung der Ausgangsfrage

„Ungeachtet anderer gesetzlicher Regelungen über die Verschwiegenheitspflicht gilt sie [die Verschwiegenheitspflicht] nicht, soweit es sich um Tatsachen handelt, die ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen“.

Die Formulierung „oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen“ ist aufgrund des performativen Widerspruchs sowie des logischen Fehlers (idem per idem) daher zwingend aus dem § 4 S. 3 Nr. 3 MediatG zu streichen.

IV. Die Unanwendbarkeit von Regelungen zur obligatorischen Mediation Gesetze, die eine obligatorische Streitschlichtung vorsehen, sind unverhältnismäßig i. e.S. Angesichts der Möglichkeiten anderer, denselben Zweck erfüllender Förderungsmaßnahmen sowie des Interesses der mediationsverweigernden Partei an der Selbstbewahrung, der Privatautonomie und der informationellen Selbstbestimmung ist eine solch hohe gesetzgeberische Eingriffsintensität nicht angemessen. Dem geltenden Recht ist jede Art der Zwangsschlichtung fremd. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass ein Einlassungszwang aufgrund der höherrangigen Privatautonomie im Schlichtungswesen nicht besteht. Die obligatorische Mediation nach dem jeweiligen Landesschlichtungsgesetz i.V.m. § 15a EGZPO ist rechtswidrig und unanwendbar.

C. Die Beantwortung der Ausgangsfrage Die eingangs gestellte Frage Wie viel Recht verträgt die Mediation? – Durch welche rechtliche Ausgestaltung können es Deutschland und Polen ermöglichen, die Mediation dauerhaft als alternative Form konsensualer Streitbeilegung zum Klageverfahren zu etablieren?

ist wie folgt zu beantworten: Die Mediation bedarf einer übergeordneten und unabhängigen Prüfstelle für die Sicherstellung einer konstanten Qualität von Mediationsdiensten, die durch eine gesetzliche Normierung zu erreichen ist. Gesetze müssen darüber hinaus geschaffen werden, um die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen, die Gegenstand eines Mediationsverfahrens sind, zu gewährleisten. Hierzu zählen Vorschriften zur wirksamen Hemmung oder Unterbrechung von Verjährungsfristen und der Ausfertigung vollstreckbarer Mediationsvergleiche. Auch müssen die Mediationsgrundsätze rechtlich verankert werden, um Rechte und Pflichten der Mediationsteilnehmer zu benennen. Die Schaffung von Kostenanreizen durch Kostenerstattungsvorschriften fördert die Mediation ebenfalls. Durch die polnische Mediationsreform aus dem Jahr 2015 wurden viele dieser Aspekte berücksichtigt und angepasst, während die deutsche

C. Die Beantwortung der Ausgangsfrage

281

Mediationsreform bislang ausgeblieben ist. Die Untersuchung leistet einen Beitrag zur Fortentwicklung des Mediationsrechts und dient mit den entwickelten Gesetzesund Reformvorschlägen der Förderung der Mediation in Deutschland und Polen.

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Stichwortverzeichnis Abschlussvereinbarung 69, 103, 105, 125, 199 ADR-Richtlinie 18, 33, 39 f. ADR-Verfahren 18, 20, 28, 34, 40, 46, 104 ff., 148, 178 Anspruch 26, 32, 54, 58, 65 ff., 76 f., 92, 104, 132, 142, 171, 180 f., 213, 218 ff., 225 ff., 254 Antrag 40, 59, 72, 80, 88, 113, 149 ff., 175 ff., 228, 270 Anwalt 23, 57, 112, 130, 134 ff., 209, 215, 244, 256 f., 276 Arbeitsrecht 35, 55 f., 61 ff., 89, 192 Ausbildung 26, 30, 204 ff., 212 ff., 278 Berufsrichter 38, 56, 60, 71, 185 ff., 259, 261 Beweis 112, 135, 142, 219 ff. Bezirksgericht 70, 81, 205 ff., 270, 278 Dauerschuldverhältnis 157 ff., 173, 203 DDR 23, 43 ff., 60 ff., 89 Dritte 29, 32, 37, 47, 55, 58, 67, 87, 102, 127, 135 ff., 158, 189, 225, 265, 278 Durchführung 21, 30, 40, 68, 93, 111, 147, 161, 179, 204, 237, 266 Durchsetzbarkeit 26, 229, 253, 264, 274, 277, 280 Ehe 51 ff., 82 ff., 173 Eigenverantwortlichkeit 31, 49, 103, 103 f., 119 ff., 162, 170, 203 – Grundsatz der 119 ff. Eintragung 70, 205 ff., 275 Erwägungsgrund 29 ff., 107, 179, 197, 245, 252, 262 Ethikrichtlinien 145, 216 ff. EU-Mediationsrichtlinie17 ff., 28 ff., 42, 92 ff., 179, 200, 265 – Entwurf 37 ff. EU-Mitgliedstaaten 17, 28, 34 ff., 95, 253

Faktenbegriff 131 ff. Familiensachen 29, 84, 178, 182, 247 Förderung 100, 122, 147, 244 ff., 280 Formvorschrift 201 Freiwilligkeit 84, 102, 107 ff., 193 – Grundsatz der 106 ff. Geheimhaltung 138 ff., 141, 280 Gerichtskosten 20, 239 ff. Gerichtsverfahren 20, 95, 106, 155, 219, 269 Gesetzesbegründung 88, 95, 99, 117, 124, 130, 136, 138, 185, 200, 208, 240 Gewerkschaft 26, 38, 252 ff., 277 Grenzüberschreitend 28, 51, 252 ff. Güterichter 28, 38, 51, 93, 149, 174, 183 ff., 248 ff., 276 Gütestelle 182, 195, 257, 266 f. Handelssachen 17, 27 f., 37 f., 91 f., 95 ff., 246 Historische Entwicklung 22 ff., 33 ff., 61 ff., 72, 89, 187 Höchstpersönlichkeit 32, 158 ff., 196 f., 203 Information 80, 127 ff., 206 Informationsgespräch 176 ff., 182, 193 ff. Informationspflichten 123, 125 ff. Informationsveranstaltung 31, 176 ff. Informiertheit 124 ff., 127 ff. – Ebenen der 124 ff. – Grundsatz der 121 ff. Inkrafttreten 24, 40, 53, 64, 70, 78, 95, 120, 137, 147, 185, 206, 240 ff., 254 Jugendsachen

80 ff.

Käufer 258, 264, 266, 269, 273 Klageerhebung 46, 53 ff., 81, 110 f., 154, 156, 173 ff., 181 ff., 194 ff., 228 ff., 271

Stichwortverzeichnis Kollektives Arbeitsrecht siehe Arbeitsrecht Kündigung 161, 163 Mediand 128, 134, 162 ff., 225, 264 f. Mediation – Abschluss 123 ff., 159, 165 f., 178, 193 ff., 228, 231 ff. – Außergerichtliche 20, 43, 50 ff., 96, 149 ff., 172, 182, 238 ff., 276 – Beantragte 175 ff. – Beendigung 71, 98, 106, 124, 199 ff., 242 – Beginn 179 ff. – Definition 38, 102 ff. – Gerichtsexterne 248 f. – Gerichtsinterne 183 ff. – Gerichtsnahe 149 ff., 173 ff. – Klausel 151 ff., 201 – Kosten 26, 67, 106, 239 ff., 177 – Obligatorische 31, 55 ff., 165, 192 ff. – Recht 24 ff., 61, 65, 92 ff., 203 – Reform 101, 114, 119, 147, 178, 240 ff., 280 – Regelungen 279 – Sitzung 36, 83, 107, 126, 172, 203 – Standards 215 ff. – Teilnahme 171 – Vereinbarung 37, 113, 150 ff. – Verfahren 87 ff., 106 ff. – Vergleich 128 ff., 155, 170, 233 ff., 253 ff., 274 – Vergütung 32, 36, 58, 67, 106, 154, 160, 171, 214, 238 ff. – Vertrag 149 ff. – Vorschriften 25, 33, 92, 226 ff., 270 Mediationsgesetz 31, 85, 93 f., 97 ff., 123 ff., 150, 178, 272 Mediationskostenhilfe 247 ff. Mediator, fester 206 ff. Mediatorausbildung siehe Ausbildung Mediatorenverzeichnis 66, 70, 205 ff. Mediatorvertrag 151, 264 ff. Mitgliedstaaten siehe EU-Mitgliedstaaten Neutralität 144 ff., 160 ff., 188, 202 – Grundsatz der 144 ff.

295

Öffentlichkeit 75, 87, 131, 143, 205, 245 ff., 276 Ordre Public 131, 138, 253, 258 ff., 274 Persönlichkeitsrecht 164, 167 ff., 195 ff. Praxis 18, 42, 74, 93 ff. Privatautonomie 45, 47, 49 f., 54, 197 f., 234, 280 Protokoll 66, 71, 86, 199 ff., 230 Prozess siehe Gerichtsverfahren Prozesshandlung 59, 153, 155, 224, 271 Prozesskostenhilfe 20, 194, 241 ff., 246 ff., 275 f. Qualitätssicherung 277

26, 37, 98, 101, 203 ff.,

Rechtsanwalt siehe Anwalt Rechtsfrieden 155, 162 ff., 193 ff. Rechtssicherheit 30, 96, 122, 135, 166 f., 179, 200, 226, 270 Rechtstradition 88, 184, 186 f., 191 f., 203, 276 Révision au fond 263 ff. Richter siehe Berufsrichter Richtlinie siehe EU-Mediationsrichtlinie Scheidung 82 ff., 246 Schiedsverfahren 55 f., 68, 142, 179, 187, 222, 239, 271 Schweigen 111 ff., 162, 167 Selbstbestimmung 64, 130, 147 f., 168 f., 196 ff. Soft Law 217, 277 Strafsachen 69 ff. Streitbeilegung siehe ADR-Verfahren Streitigkeit siehe ADR-Verfahren Streitparteien siehe Mediand Substitution 264 ff. Täter-Opfer-Ausgleich 69, 76 ff. Tatsachenbegriff 112, 126, 129 ff., 222, 269, 280 Unabhängigkeit 35 f., 89 ff., 144 ff., 190 f., 264 UNCITRAL 37 f.

296

Stichwortverzeichnis

Unparteilichkeit siehe Neutralität Unvollkommene Verbindlichkeit 165, 171 Verfügungsgeschäft 152 Vergleich 121 ff., 155, 174, 178, 184 ff., 199 ff., 229 ff., 253 ff., 274 ff. Verhaltenskodex 33, 36 ff., 144 ff., 204, 215 Verhandlungen 65 ff., 104, 136 f., 228, 268 Verjährung – Beginn 227 ff. – Ende 181 – Fristen 179 ff., 227 ff., 266 ff. – Hemmung 34, 39, 195, 227 ff., 264 ff. – Unterbrechung 227 ff. – Vorschriften 228, 264, 266 ff. Verkäufer 258, 264 ff. Verordnung – Brüssel-Ia-VO 253 ff., 274 – Mediationsausbildung 204, 212 ff. – ODR 33, 39 f. – Rom I-VO 253, 265 ff. – Vergütungsverordnung 243 ff. Verschwiegenheitspflicht 131, 135 ff., 219 ff., 279 f.

Versöhnungssitzung 82 ff. Vertraulichkeit 103, 143, 219 – Grundsatz der 131 ff. Verwaltungsrecht 85 ff. Verwaltungsverfahren 85 ff., 185 Verweisung in die Mediation 70, 77, 106, 113 f., 154, 174 ff., 241 Volksrepublik Polen 43, 54 ff. Vollstreckbarkeit 229 ff. Vollstreckung 235 ff., 253 ff., 277 Widerspruch

143, 259 ff., 279

Zertifizierung 208, 212 ff., 250 Zeuge 142, 219 ff. Zivilsachen 36, 55, 94 ff., 194, 208, 240 Zustimmung 80, 113 ff., 154, 174, 181, 200, 223, 230 Zwang – Abschluss 165 f., 195 ff. – Durchführung 165 – Eingehung 164 f. – Einleitung 165, 168 Zwangsvollstreckung siehe Vollstreckung