Einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Vollstreckbarkeit: Gemeinsamkeiten und Wertungswidersprüche [1 ed.] 9783428472871, 9783428072873

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Einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Vollstreckbarkeit: Gemeinsamkeiten und Wertungswidersprüche [1 ed.]
 9783428472871, 9783428072873

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STEFAN VOGG

Einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Vollstreckbarkeit

Schriften zum Prozess recht Band 101

Einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Vollstreckbarkeit Gemeinsamkeiten und Wertungswidersprüche

Von Stefan Vogg

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Vogg, Stefan: Einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Vollstreckbarkeit : Gemeinsamkeiten und Wertungswidersprüche / von Stefan Vogg. - Berlin : Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zum Prozessrecht ; Bd. tOl) Zugl.: Univ., Augsburg, Diss., 1991 ISBN 3-428-07287-1 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-07287-1

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 1991 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen worden. Sie wurde inhaltlich im Mai 1991 abgeschlossen. Herzlich danken möchte ich meinem verehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Wilhelm Dütz, an dessen Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Prozeßrecht in Augsburg ich seit 1986 tätig bin, für seine stets vorhandene Bereitschaft zum Gespräch und für die vielen sachkundigen Ratschläge, die ich gerne aufgegriffen habe. Herrn Prof. Dr. Helmut Köhler danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Dank schulde ich auch Fräulein Brigitte Bradatsch, die das Manuskript sehr sorgfältig erstl;!l\t und betreut hat. Für anregende Diskussionen und vielfältige Unterstützung danke ich Frau Gudrun Ziegler, Frau Beatrix Jahnel und Herrn Stephan Rotter. Besonderen Dank möchte ich aber an dieser Stelle meinen Eltern Doris und Josef Vogg sagen, die mich nun schon 29 Jahre vor allem moralisch aber auch wirtschaftlich unterstützt haben. Ihnen widme ich dieses Buch. Augsburg, im August 1991

Stefan Vogg

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung

A. Thematische Einführung B. Untersuchungsgegenstand C. Thematische Abgrenzung D. Vergleichbarkeit E. Praktische Bedeutung F. Begriffliches I. Allgemeines

11. Einstweilige Verfügungen G. Gang der Untersuchung § 2 Geschichtliche Grundlagen

A. Entwicklung bis zur Reichs-Civilprozeßordnung vom 30. Januar 18n I. Vorläufige Vollstreckbarkeit 11. Einstweiliger Rechtsschutz 1. Arrest 2. Einstweilige Verfügung 3. Zwischenergebnis III. Ergebnis B. Weitere Entwicklung C. Ergebnis § 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen

A. Garantie eines vorläufigen Gerichtsschutzes

I. Garantie umfassenden Gerichtsschutzes 11. Garantie wirksamen Gerichtsschutzes 1. Grundsätzliches 2. Zeitlich wirksamer Gerichtsschutz III. Ergebnis B. Materielle Grundrechte I. Verfahrensdimension der materiellen Grundrechte 11. Verhältnis zur rechtsstaatlichen Garantie auf umfassenden, wirksamen Gerichtsschutz C. Inhaltliche Vorgaben für den vorläufigen Gerichtsschutz I. Funktion des vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes im zivilprozessualen Rechtsschutzsystem

17 17 19 20 21 22 24 24 26 27 29 29

29 31 31 33 35 35 36 37 38 39 39 41 41 42 43 44 44 45 46 47

8

Inhaltsverzeichnis

1. Funktion des Zivilprozesses 2. Funktionen des vorläufigen Rechtsschutzes a) Rechtsschutzfunktion b) Funktion der Zwischenzeitüberbrückung c) Verhältnis der beiden Funktionen zueinander

47 49 49 51 51

11. Rechtsstaatliche Garantie wirksamen Gerichtsschutzes

52

111. Grundrechtsunmittelbarer wirksamer Rechtsschutz

54

1. Bedeutung der grundrechtsunmittelbaren Garantie wirksamen Rechtsschutzes 2. Konkretisierungen des Gebots ausgewogenen Rechtsschutzes

54

57

IV. Ergebnis

58

D. Rechtsanwendung

58

§ 4 Vorläufiger Rethtsschutz und materielles Rerht A. Verfassungsrechtliche Anforderungen B. Vorläufige Vollstreckbarkeit C. Einstweiliger Rechtsschutz

60 60

62 63

I. Allgemeines

63

11. Regelungsverfügung (§ 940)

64

1. Meinungsstand a) Regelungsbedürftiges Rechtsverhältnis b) Möglicher Anspruch c) Besseres Recht 2. Geschichtliche Grundlagen 3. Stellungnahme a) Grundsatz b) Gemeinschaftsverhältnisse D. Ergebnis

64 64 64 65 65 68 68 71

72

A. Verfassungsrechtliche Anforderungen

74 74

B. Vorläufige Vollstreckbarkeit

76

§ 5 Materielles Kerht und Beweis

C. Einstweiliger Rechtsschutz

TI

I. Glaubhaftmachung

78

11. Glaubhaftmachung im einstweiligen Rechtsschutz

1. Maßstab a) Herrschende Meinung

79

b) Stellungnahme

80

2. Gegenstand D. Ergebnis

79 79

82 84

Inhaltsveneichnis

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes

A. Verfassungsrechtliche Anforderungen B. Vorläufige Vollstreckbarkeit C. Einstweiliger Rechtsschutz

I. Gesetzgeberische Wertungen 11. Normenstruktur 111. Interessenabwägung l. Meinungsstand 2. Stellungnahme a) Auslegung aa) Wortlaut bb) Geschichte, Bedeutungszusammenhang, Regelungszweck cc) Wertungswidersprüche dd) Folgerungen ee) Andere Ansätze b) Verfassungsrechtliche Ausstrahlungswirkung c) Zwischenergebnis 3. Folgeprobleme D. Ergebnis E. Beweis § 7 Maßnahmen

9

86 86 87 91 92 93 95 95 96 97 97 98 100 102 104 104 107 lOS 109 110 111

A. Verfassungsrechtliche Anforderungen B. Vorläufige Vollstreckbarkeit C. Einstweiliger Rechtsschutz I. Allgemeines l. Arrest

111

2. Einstweilige Verfügung 11. Vorwegnahmeverbot 1. Problemstellung 2. Stellungnahme a) Gesetzliche Anknüpfung b) Auslegung aa) Wortlaut bb) Geschichte ce) Wertungswidersprüche dd) Verfassungsrechtliche Ausstrahlungswirkung c) Zwischenergebnis 3. Konsequenzen D. Ergebnis E. Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung

115

112 114 114 115 117

118 120 120 l21 121 122 124 125 127 128 128 129

10

Inhaltsverzeichnis

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

A. Verfassungsrechtliche Anforderungen B. Vorläufige Vollstreckbarkeit I. Funktion 11. Systematik 1. Dreiteilung a) Differenzierung zwischen § 708 und § 700 b) Differenzierung zwischen § 708 Nm. 1 bis 3 und § 708 Nm. 4 bis 11 c) Zwischenergebnis 2. Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls C. Einstweiliger Rechtsschutz I. Systematik

11. Sicherheitsleistung des Gläubigers 1. Allgemeines 2. Abwägungsmaterial 3. Zwischenergebnis III. Abwendungsbefugnis des Schuldners 1. Arrest 2. Einstweilige Verfügung a) Zielvorstellungen des Gesetzgebers b) Wertungswidersprüche c) Folgerungen d) Zwischenergebnis D. Ergebnis § 9 Verhältnis der vorläurlgen Vollstreckbarkeit zum einstweiligen Rechtsschutz

A. Verfassungsrechtliche Anforderungen

B. Einfach-gesetzliche Regelung C. Ergebnis

§ 10 Arbeitsgerichtsbarkeit A. Besonderheiten bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit I. Grundsätzliche Unterschiede 11. Sachgerechtigkeit 1. Wertungen 2. Stellungnahme

a) Berücksichtigung von Parteiinteressen b) Wertungswidersprüche c) Folgerungen

131 131 132 132 133 134 134 137 138 138 141 141 142 142 145 148 148 148 149 150 150 151 153 153 154 154 156 159 160 160 160 161 162 162 163 164 165

Inhaltsverzeichnis

aa) Auslegung bb) Verstoß gegen das Grundgesetz ce) Teleologische Reduktion

B. Ergebnis

11

165 165 166 168

Zusammenfassung in Thesen

169

Literaturveneichnis

173

Abkürzungsverzeichnis a.A. abgedr. abI. Abs. abw. AcP a.E. AiB

AK

allg. Alt. a.M. Anm. AöR ArbG ArbGG Art. Aufl. AuR ausführl.

anderer Ansicht abgedruckt ablehnend Absatz abweichend Archiv für CiviIistische Praxis am Ende Arbeitsrecht im Betrieb Alternativkommentar allgemein Alternative anderer Meinung Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Auflage Arbeit und Recht ausführlich

bzw.

Bundesarbeitsgericht bayerisch Betriebs-Berater Band Beilage Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bremisches Polizeigesetz Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württembergisches Polizeigesetz beziehungsweise

CPO

Civilprozeßordnung

DB DDR ders. DGVZ

Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik derselbe Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung

BAG bay. BB Bd. Beil. Berl.ASOG BetrVG BGB BGBI. BGH BGHZ Brem. PG BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BWPG

14

Abkürzungsverzeichnis

d.h. DNotZ DRiZ DStR DVBI.

das heißt Deutsche Notarzeitung Deutsche Richterzeitung Das deutsche Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt

EGGVG Einr. Einl. ESVGH

EzA

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Einführung Einleitung Entscheidungen des hessischen und württembergisch-badischen Gerichtshof Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

f., ff. FamRZ FGG FGO Fn.

folgend(e) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Fußnote

GG GK GRUR

Grundgesetz Gemeinschaftskommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

Halbbd. Hess.SOG h.M.

Halbband Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung herrschende Meinung

i.d.R i.d.S. insbes. i.S.d. i.V.m.

in der Regel in diesem Sinne insbesondere im Sinne des (der) in Verbindung mit

JA jew. JR Jur.Büro JuS JZ

Juristische Arbeitsblätter jeweils Juristische Rundschau Das juristische Büro Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzcitung

krit. KSchG

kritisch Kündigungsschutzgesctz

lAG

Landesarbeitsgericht Lindermaier-Möhring Landessozialgericht

JW

LM

LSG MDR MEPolG Mot. MRK m.w.N.

Monatszeitschrift für Deutsches Recht Musterentwurf eines einheitlichen Polizcigesctzes Motive Konvention zum Schutze der Menschenrechte \l.nd Grundfreiheiten mit weiteren Nachweisen

Abkürzungsverzeichnis

Nachw. Nds.SOG

15

NJW NJW-RR Nr(n) NVwZ NWPG NZA

Nachweis(e) Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Entwurf einer Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes von 1870 Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report der NJW Nummer(n) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälisches Polizeigesetz Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

OLG OLGZ OVG

Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Oberverwaltungsgericht

PAG PreußE Prot.

Polizeiaufgabengesetz Entwurf einer Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den Preußischen Staat von 1864 Protokolle

RCPO RdA Rdnr(n) RG RGBI. RGZ RhPf. PVG RPfleger Rspr. RT-Drucks.

Reichs-Civilprozeßordnung in der Fassung vom 30.1.1877 Recht der Arbeit Randnummer(n) Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz Der deutsche Rechtspfleger Rechtsprechung Reichtags-Drucksache

S. s. SAE SeuffA SGb SGG SHLVwG sog. Sp. s. u.

Seite/Satz siehe Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Seufferts Archiv Sozialgerichtsbarkeit Sozialgerichtsgesetz Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein sogenannt(e) Spalte siehe unten

u. usw.

und und so weiter

VBIBW VersR VerwArch VGH vgl. Vorbem. VVDStRL

Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Versicherungsrecht Verwaltungsarchiv Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vorbemerkung(en) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz

NE

VwGO VwVfG

16

Abkürzungsverzeichnis

weit.

weiter(e)

z.B.

zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Ziffer(n) zitiert Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zustimmend Zeitschrift für ZivilprozeB

ZfA ZGR Ziff. zit.

ZPO ZRP

zust.

ZZP

§ 1 Einleitung A. Thematische Einführung

Zur Durchsetzung eines materieUen Rechts im Wege der ZwangsvoUstreckung bedarf es eines Titels. Ein solcher ist auch ein Urteil im Zivilprozeß, vgl. § 704 Abs. 11. Aber erst wenn ein Urteil formeUe Rechtskraft (§ 705) erlangt, ist die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel nicht nur vorläufig möglich. FormeUe Rechtskraft eines Urteils setzt voraus, daß gegen dieses kein Rechtsmittel mehr stattfmdet, z. B. bei Revisionsurteilen des BGH oder bei Berufungsurteilen eines Landgerichts (§ 545 Abs. 1), oder daß in den anderen Fällen die Rechtsmittel- bzw. Einspruchsfrist ohne Einlegung eines statthaften Rechtsbehelfs abgelaufen ist2• Bis zur formell rechtskräftigen Entscheidung einer Streitsache besteht ein möglicherweise langjähriger Zustand der Rechtsgefährdung und Rechtsunsicherheit 3• Dieser Zustand beginnt mit der tatsächlichen Entstehung des Rechtsstreits, setzt sich durch die klageweise Geltendmachung des materiellen Rechts fort und dauert bis zur Durchfechtung des Rechtsstreits durch eventuell drei Instanzen an. Auch die sich daran anschließende ZwangsvoUstreckung verläuft oftmals schleppend4 • Zur Überbrückung dieses Zeitraums stehen im deutschen Zivilprozeßrecht der einstweilige Rechtsschutz, insbesondere die §§ 916 ff., und die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen, insbesondere die §§ 708 ff., zur Verfügun~. Gerade das Rechtsinstitut der vorläufigen VoUstreckbarkeit ist, wie ein Blick auf benachbarte Rechtsordnungen zeigt, rechtspolitisch keine selbstverständliche Lösung. So gibt es in Österreich und der Schweiz nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten der "vorläufigen 1

Paragraphen ohne besondere Bezeichnung sind solche der ZPO.

Vor Ablauf der Frist führt auch ein wirksamer Rechtsbehelfsvenicht (§§ 514, 566; 338, 2 346) zur formellen Rechtskraft eines Urteils, vgl. ThonuJS/Putzo, § 705 Anm. 3b. 3 4

5

Baur, S. 11; vgl. auch Mädrich, S. 1. Vgl. Baur/Stümer, Rdnr. 834; Morbach, S. 7; Piehler, S. 199.

Vgl. Dütz, NZA 1986, 210; zur Zwischenzeitüberbrückung durch die §§ 916 Cf. s. SchiJken, S. 59; Leipold, S. 83 ff.; Thiele, S. 10; Hencke/, AcP 174 (1974),106; löchardi, JZ 1978, 492; ausdrücklich zum einstweiligen Rechtsschutz vgl. auch BVerfGE 46, 166 (178); zu § 123 VwGO s. Finkelnburg/Jank, Rdnr. 137. 2 Vogg

18

§ 1 Einleitung

Vollstreckung", die mit den Regelungen der §§ 708 ff. nicht vergleichbar sind6• In der ehemaligen DDR wurde mit Gesetzesänderung7 vom 19.6.1975 die vorläufige Vollstreckbarkeit abgeschafft8• Sowohl der einstweilige Rechtsschutz als auch die vorläufige Vollstreckbarkeit dienen dem Schutz des Gläubigers9• Verzögerungsbedingte Nachteile bis zur Rechtskraft eines Urteils sollen auf ein erträgliches Maß reduziert werdenlO• Im Spannungsfeld zu den Gläubigerinteressen stehen die Schuldnerinteressen; Maßnahmen nach den §§ 916 ff. bzw. 708 ff. hemmen die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des als Verpflichteten noch nicht feststehenden Schuldners11 • Der Gesetzgeber muß daher in den jeweiligen Regelungskomplexen einen Interessenausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner vornehmen12. Dabei hat er sich unterschiedlicher gesetzlicher Techniken und Anknüpfungspunkte bedient. Jeweils aber wollte der Gesetzgeber nur vorläufige Regelungen treffen; die §§ 704 ff. ermöglichen eine vorläufige Befriedigung13, während die §§ 916 ff. nach der gesetzgeberischen Vorstellung nur zur vorläufigen Sicherung14 führen sollten. Aus dem bisher Gesagten leitet sich die Idee zu der vorliegenden Arbeit ab: Wenn sowohl der einstweilige Rechtsschutz als auch die vorläufige Vollstreckbarkeit den Zeitraum bis zur formell rechtskräftigen Entscheidung überbrücken sollen, dem Gläubigerschutz dienen, die Schuldnerinteressen berücksichtigen und jeweils nur vorläufige Regelungen zulassen, dann ist die Frage nach gemeinsamen Grundlagen und wertungsmäßigen Widersprüchen zu stellenl5 . Dies gilt umso mehr, als die §§ 717 Abs. 2, 945 ähnliche, verschuldensunabhängige Risikohaftungsregelungen enthalten, die bei unberechtigtem Maßnahmenvollzug in der vor6 7

8 9

Rosenberg/Gaul/Schilken, S. 141.

Gesetzblatt I, s. 533. Dazu Brunner, NJW 1977, 181.

Vgl. BaumbachjLauterbach/Albers/Hartmann, Ein\. §§ 708 bis 720, Anm. 1 A; Brox/WaIker, Rdnr. 1492. 10

Stein/JoIIQS/Münzberg, § 708 Rdnr. 1, vor § 916 Rdnr. 1.

11

Vgl. Rosenberg/Gau//Schilken, S. 710.

12 Vgl. Brox/Walker, Rdnr. 51; Rosenberg/Gau//Schilken S. 710; SteinjlOIlQS/Grunsky, § 708 Rdnr. 1. 13 SteinjlollQS/Münzberg, § 708 Rdnr. 4. 14 Vgl. MotRCPO, Hahn 11/1, S.47O. 15 Dagegen hält Baumgänel eine solche Untersuchung für "wenig ergiebig", vgl. AcP 168 (1968), S. 402; ähnlich Wenzel, MDR 1967, S. 890.

B. Untersuchungsgegenstand

19

läufigen Vollstreckbarkeit bzw. im einstweiligen Rechtsschutz anwendbar sindl6 . B. Untersuchungsgegenstand Die vergleichende Untersuchung von einstweiligem Rechtsschutz und vorläufiger Vollstreckbarkeit soll wertungsmäßige Abweichungen zwischen den Normenkomplexen der §§ 916 ff. und der §§ 708 ff. aufzeigen, die auf ihre sachliche Rechtfertigung überprüft werden. Vorgelagert wird schon auf die innere Ausgewogenheit der Regelungsbereiche einzugehen sein, wobei insbesondere auch gesetzliche Lücken behandelt werden. Es sollen die jeweiligen Regelungstechniken, gesetzgeberischen Wertungen und Zielvorstellungen bei einstweiligem Rechtsschutz und vorläufiger Vollstreckbarkeit betrachtet und miteinander verglichen werden. Dabei wird auch zum Problem des Nebeneinander von vorläufigem und einstweiligem Rechtsschutz Stellung genommen 17• Im Vordergrund der Untersuchung steht die Rolle des materiellen Rechts als Grundlage beider Institute. Geprüft wird insbesondere, ob bei § 940 ein materieller Anspruch als Basis des einstweiligen Rechtsschutzes notwendig ist. Der mit der Bedeutung des materiellen Rechts eng verknüpften Frage nach der Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache soll ebenfalls nachgegangen werden. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit sind auch die Interessenkonstellationen der Parteien. Wie hat der Gesetzgeber die unterschiedlichen Interessen von Gläubiger und Schuldner gewichtet? Hat der Gesetzgeber insbesondere jeweils eine gerechte Verteilung des Fehlentscheidungsrisikos18 im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Maßnahmen vorgenommen? Gibt es Interessenabwägungen im konkreten Einzelfall oder hat der Gesetzgeber die Interessenkonstellationen schon abschließend bewertet? Die Verwendung ähnlicher Instrumentarien, wie die Sicherheitsleistung (§§ 7fY) ff., 921 Abs. 2, 936), die Abwendungsbefugnis (§§ 711 ff., 923, 939) und die Glaubhaftmachung (§§ 714 Abs. 2, 920 Abs. 2), legen die Vermutung nahe, daß sie nach ähnlichen Kriterien Verwendung fmden. Dieser Vermutung soll ebenso nachgegangen werden. Bei der Behandlung all dieser Fragen sind auch historische Bezüge und verfassungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen. 16

Vgl. BroxjWalker, Rdnr. 1562; s. auch Häsemeyer, S. 81 ff.

17 18

Vgl. Stein/!onas/Grunsky, vor § 935 Rdnr. 18, § 935 Rdnr. 14. Vgl. Grunsky, JuS 1976, 280; SCHOCH, S. 47 ff.

20

§ 1 Einleitung

c. Thematische Abgrenzung Die Untersuchung ist schwerpunktmäßig im Bereich der §§ 708 ff. und §§ 916 ff. angesiedelt. Eine vertiefte Darstellung von einstweiligem und vor-

läufigem Rechtsschutz aus anderen Rechtsgebieten19 (ArbGG, FGG, VwGO, FGO, SGG, BVerfGG) erschien nicht sinnvoll, einmal aufgrund der Umfänglichkeit, zum anderen sind die Interessenkonstellationen nicht ohne weiteres vergleichbar, es geht z. B. im öffentlichen Recht nicht nur um den Ausgleich privater Interessen, sondern hier treffen private auf öffentliche Interessen. Auch sind die gesetzlichen Instrumentarien teilweise unterschiedlich; so wird im Verwaltungsrecht häufig durch behördlichen Verwaltungsakt entschieden, für den zunächst die Regelung des § 80 VwGO gilt, so daß die Gefahr bei einem direkten Vergleich besteht, daß die Konturen der zivilprozessualen Regelung verwischt werden würden. Außerdem beschränkt z.B. § 167 Abs. 2 VwGO die vorläufige Vollstreckung von Urteilen aus Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen auf die Kostenentscheidung; ein sinnvoller Vergleich zur umfänglicheren zivilprozessualen Regelung in den §§ 708 ff. ZPO ist daher gar nicht möglich. Soweit es aber für das Verständnis der zivilprozessualen Regelung notwendig bzw. vorteilhaft ist, werden diese Rechtsgebiete (ArbGG, FGG, VwGO, FGO, SGG, BVerfGG) in die Argumentation mit einbezogen. Am Schluß dieser Abhandlung sollen die beim Vergleich von §§ 708 ff. und §§ 916 ff. gefundenen Ergebnisse auf ihre Relevanz für die der zivilprozessualen Regelung verwandten Bestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes (§§ 62, 85) geprüft werden. Selbst innerhalb der §§ 708 ff., 916 ff. können nicht alle Fragen behandelt werden. Im Vordergrund der Untersuchung der §§ 708 ff., 916 ff. stehen die tatbestandlichen Voraussetzungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit bzw. des einstweiligen Rechtsschutzes sowie der jeweilige Maßnahmeninhalt einschließlich Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis. Verfahrensfragen können nur am Rande behandelt werden. Der Vollzug der Maßnahmen beider Institute wird gänzlich aus der Betrachtung ausgenommen.

19

Vgl. dazu SteinjJofIQS/Grunsky, vor § 916 Rdnr. 48; vor § 935 Rdnm. 2, 5 CC., 62, 63;

BaUT, S. 3, 11 Cf.

D. Vergleichbarkeit

21

D. Vergleichbarkeit

Einen Vergleich von einstweiligem und vorläufigem Rechtsschutz würden die bisher angeführten Gemeinsamkeiten der beiden Rechtsinstitute2O, insbesondere die Funktion der Zwischenzeitüberbrückung, allein nicht sinnvoll machen. Es bedarf auch eines zumindest sich teilweise deckenden Anwendungsbereichs; denn nur wenn der gleiche Fall und damit dieselben materiellen Interessen der Parteien beiden Normenkomplexen unterliegen, können gemeinsame Grundlagen und Wertungswidersprüche aufgezeigt werden. Die §§ 708 ff. regeln die vorläufige Vollstreckbarkeit. Basis sind Endurteile (vgl. § 704 Abs. 1), die einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, also grundsätzlich Leistungs- oder Haftungsurteile, keine Feststellungs- oder Gestaltungsurteile21 • Ausgenommen sind zudem Urteile in Ehe- und Kindschaftssachen (§ 704 Abs. 2) und Urteile, die mit der Verkündung rechtskräftig werden, vgl. § 704 Abs. 122 . Beim Arrest geht es um die Sicherung der Zwangsvollstreckung "wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergehen kann" (§ 916), also um Leistungs- und Haftungsansprüche. Da Gegenstand einer einstweiligen Verfügung nach § 935 nur Rechte einer Partei sein können, die der realen Durchsetzung fähig sind und die nicht dem Arrest unterfallen, kommen für diese einstweilige Verfügung nur Ansprüche auf Individualleistungen in Betracht23• Feststellende einstweilige Verfügungen werden von der h. M. nicht anerkannt24 . Auch beim einstweiligen Rechtsschutz gibt es für Ehe- und Kindschaftsangelegenheiten speziellere Vorschriften, vgl. §§ 620 ff., 641d25 • Es läßt sich daher feststellen, daß jedenfalls diejenigen materiellen Rechte, die unter die §§ 708 ff. fallen, auch von dem Anwendungsbereich der §§ 916 20

vgl. § 1 A.

21 BroxjWaJker, Rdnr.57. 22 Zwar werden auch Urteile, durch die ein Arrest angeordnet oder bestätigt oder eine

einstweilige Verfügung erlassen wird, nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt. Jedoch sind diese von selbst vorläufig VOllstreckbar, vgi. TlwmasjPutzo, § 704 Anm. 3 c; BroxjWaJker, Rdnr.56. 23

Steinjlonas/Grunsky, § 935 Rdnr. 2.

Vgl. BroxjWaJker, Rdnr. 1595; Dütz, BB 1980, 534; Leipold, S. 150; ders., 'Z:zJ> 90 (1977),258 ff.; Jauernig, 'Z:zJ> 79 (1966), S. 325; a. A. Stein/Jonas/Grunsky, vor § 93S Rdnr. 60; SemJer, BB 1979, 1535; Morbach, S. 106 f.; s. auch Rosenberg/GauJ/Schilken, S. 785.

24

25 Vgl. Steinjlonas/Grunsky, vor § 935 Rdnr. 5, auch zu der Frage, ob die §§ 620 ff., 641d legis specialis zu den §§ 935 ff. sind, oder ob man für den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung das Rechtsschutzbedürfnis verneint.

22

§ 1 Einleitung

ff. erfaßt werden. Damit ist ein Vergleich der Normenkomplexe sinnvoll möglich. Inwieweit auch andere Fallgestaltungen dem einstweiligen Rechtsschutz unterliegen, insbesondere inwieweit bei § 940 ein materielles Rechts als Grundlage für den einstweiligen Rechtsschutz verzichtbar ist, wird noch zu behandeln sein26 . E. Praktische Bedeutung Der einstweilige Rechtsschutz gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Die Zahl der Verfahren nimmt stark zu27. Dazu beigetragen hat auch die Erweiterung des Anwendungsbereichs im Laufe der Zeit28 ; genannt werden muß hier vor allem die sog. "Befriedigungs- oder Leistungsverfügung", die durch Rechtsprechung und Lehre herausgebildet wurde, ohne daß die gesetzlichen Grundlagen sich verändert hätten29. In manchen Rechtsgebieten, vor allem im Wettbewerbsrecht, hat der einstweilige Rechtsschutz das Hauptverfahren faktisch fast ganz ersetzt3O• Die Gründe für diese Entwicklungen sind vielfältig31 ; maßgebend ist insbesondere die zunehmende Dauer des Hauptverfahrens32 . Der Gesetzgeber konnte sich trotz frühzeitiger Forderungen nach einer klaren, den praktischen Erfordernissen entsprechenden Neuregelung des Rechts der einstweiligen Verfügung33 bisher nicht zum Handeln entschließen34 • Dieses gesetzliche Regelungsdeflzit wird nicht nur im Zivilprozeßrecht, sondern auch in anderen Rechtsgebieten beklagt35 • Das hat dazu geführt, daß sich die Entwicklung des einstweiligen Rechts26

Siehe schon § 1 B.

27 Dazu Leipold, S.4 Cf.; Mantzourani.Tschaschnig, S. 1. So stieg der Anteil von Verfahren des Arrestes und der einstweiligen Verfügung an den Landgerichten von 7,6 % für das Jahr 1983 auf 8,4 % für das Jahr 1984, vgI. Morbach, S. 1. 28 Vgl. Baur, BB 1964,608 ff. 29

Vgl. vor allem Schilken, Die Befriedigungsverfügung, 1976; Steinjlonas/Grunsky, vor

§ 935 Rdnrn. 31 ff.; Baur, BB 1964, 608 f.; Jauemig, UP 79 (1966), S. 336 ff.

30 Vgl. Steinjlonas/Grunsky, vor § 916 Rdnr.3; Stellungnahme, GRUR 1972, S. 354 mit Zahlenbeispielen; Leipold, S. 12; Teplitzky, S. 351; U/rich, GRUR 1985, S. 201; Ahrens, S. 241. 31

Zu zivilisationsbedingten, psychologischen und sozialen Gründen vgl. Baur, S. 4 ff.

32 Steinjlonas/Grunsky, vor § 916 Rdnr. 3; Leipold; S. 11; Baumgärtel, AcP 168 (1968), S. 401; Heinze, RdA 1986, S. 273; s. auch schon Schulte, S. 10.

33

Vgl. Blomeyer, UP 65 (1952), S. 52 ff.

34 Die Vorschläge der 1964 eingesetzten Kommission für das Zivilprozeßrecht wurden vom Gesetzgeber nicht übernommen, vgI. Bericht, S. 213 ff.; vgI. auch Teplitzky, S. 352. 35

Schoch, S. 60 Cf. mit weit. Nachw.

E. Praktische Bedeutung

23

schutzes in den verschiedenen materiellen Rechtsgebieten teilweise verse1bständigt hat und jeweils eigene Gesetzmäßigkeiten aufgestellt wurden, um den besonderen Interessenkonstellationen Rechnung zu tragen36• Damit verbunden ist ein Verlust an Systematik37, den auch die Rechtsprechung nicht aufhalten kann; denn zum einen fehlt wegen § 545 Abs. 2 die "prägende Kraft"38 des BGH, zum anderen entscheiden die Gerichte immer nur den ihnen vorliegenden Fall, so daß der Blick für das Ganze oftmals in den Hintergrund rückt 39• Mit der Herausbildung prozessualer Teilsysteme geht der normative Bezug immer mehr verloren; dies birgt die Gefahr der Entstehung starrer Regeln für jedes Rechtsgebiet, ohne daß die gesetzlichen oder gar die verfassungsrechtlichen Vorgaben genügend beachtet würden4O• Anders verhält es sich bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit. Zwar kommt auch ihr aufgrund der immer länger währenden Verfahrensdauer wachsende Bedeutung zu; aber die §§ 708 ff. weisen einen hohen Grad an Systembildung auf l und sind vom Gesetzgeber oftmals nachgebessert bzw. den Erfordernissen der Zeit angepaßt worden42• Die Literatur hat sich ausführlich dem einstweiligen Rechtsschutz gewidmet, um die gesetzgeberischen Defizite auszugleichen43. Ein Vergleich mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit wurde selten vorgenommen44 • Diese Lücke soll die vorliegende Arbeit schließen. Durch das Aufzeigen gemein36 vgl. Piehler, S. 1 f.; Teplitzky, S. 3S4 Cf.; Stellungnahme, GRUR 1972, S. 353. Für das Verwaltungsrecht vgI. Schach, S. 36, 69. Dementsprechend wird auch bei DunkJ/Moeller/Baur/Feldmeier/Wetekilmp, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, der einstweilige Rechtsschutz im Zusammenhang mit den verschiedenen Sparten des Zivilrechts behandelt. 37 Vgl. Schilken, S. 15.

38 39

40 41

In Anlehnung an Redekerjv.Oertzen, § 80 Rdnr. 1.

Schack, S. 69 ff. Vgl. Schach, S. 87. Vgl. Baur, S. 13.

42 Zu den wichtigsten Gesetzesänderungen vgI. RGBt. 1898, S. 543 Cf.; RGBI. 1910, S. 769 f., RGBI. 1924 Teil I, S. 146; BGBt. 1976 Teil I, S. 3295 f. 43 Hingewiesen sei hier nur auf BaUT, BB 1964,607 ff.; Jauernig, 'Z» 79 (1966), S. 321 Cf.; Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, 1971; Minnerop, Materielles Recht und einstweiliger Rechtsschutz, 1973; Schilken, Die Befriedigungsverfügung. 1976; Piehler, Einstweiliger Rechtsschutz und materielles Recht, 1980; Morbach, Einstweiliger Rechtsschutz in Zivilsachen, 1988. 44 Am ausführlichsten noch Baur, Studien zum einstweiligen Rechtsschutz, 1967. Siehe aber auch Dütz, BB 1980, S. 538; Schilken, S. 130.

24

§ 1 Einleitung

samer Grundlagen und wertungsmäßiger Widersprüche zwischen den beiden Instituten soll ein Beitrag zur Lösung einzelner Probleme und zur Harmonisierung beider Normkomplexe45, wo dies nötig ist, geleistet werden. Natürlich können damit nicht alle Sachprobleme in den verschiedenen Rechtsgebieten gelöst werden. Aber dies ist kein durchgreifendes Argument gegen allgemeine Systematisierungsversuche46 ; denn jedenfalls können diese den behandelten Instituten schärfere Konturen geben und zur Vereinheitlichung beitragen47• Allerdings müssen die durch das geltende Recht vorgegebenen Unterschiede beider Rechtsinstitute akzeptiert werden. F. Begrimiches I. Allgemeines

Die gesetzliche Überschrift über den §§ 916 ff. lautet "Arrest und einstweilige Verfügung"; diese Begriffe tauchen auch im Gesetzestext auf, vgl. nur §§ 916, 917 und §§ 935, 940. Der Begriff "einstweiliger Rechtsschutz" erscheint dort nicht, vielmehr handelt es sich hierbei um eine Sammelüberschrift, die sich für Arrest und einstweilige Verfügung in Rechtsprechung und Literatur herausgebildet hat48, wobei "einstweilig" in Anlehnung an die einstweilige Verfügung für den nicht endgültigen Charakter der Maßnahmen steht49 • Der Begriff "Rechtsschutz" ist in den §§ 916 ff. weder erwähnt noch defmiert. Arrest und einstweilige Verfügung sind aber anerkanntermaßen Realisierungsformen des verfassungsrechtlichen Gebots wirksamen Rechtsschutzes50• Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist unmittelbar in den §§ 704 Abs. 1, 708 ff. genannt und daher ein gesetzlicher Begriff. "Vorläufig" bezeichnet auch

45 Mit der Einführung des § 720a durch die Vereinfachungsnovclle vom 3.12.1976 (BGB\. 1976 Teil I, S. 3296) wurde schon eine gesetzliche Parallele zwischen der vorläufigen Vollstreckbarkeit und dem Arrest geschaffen, vgl. Brox/WaIker, Rdnr. 69. 46 So aber Piehler, S. 17. 47 So auch Baur, S. 7; Sclwch, S. 37 f. 48 Vgl. nur Minnerop, S. 51; Piehler, S. 17; Rosenberg/GauljSchilken, S. 769; Schilken, S. 15. 49 S. o. § 1 A.; ausführt. dazu Ahrens, S. 282 Cf. 50 Vgl. MaunzjDürig/Schmidl-Apmann, Art. 19 Abs. 4, Rdnm. 273 ff.; Leipold, S. 2; Dütz, Gutachten, S. 13; Henckel, AcP 174 (1974), 98 Cf. Näheres s. u. § 3.

F. Begriffliches

25

hier die fehlende Endgültigkeit der Maßnahme51 , während man unter der Vollstreckbarkeit die Zulässigkeit des nichtrechtskräftigen Urteils als Vollstreckungstitel versteht52 • Auch die §§ 704 Abs. 1, 708 ff. stellen sich als einfach-rechtliche Normierung des verfassungsrechtlichen Gebots wirksamen Rechtsschutzes d~3. Da "vorläufig" und "einstweilig" für dasselbe, nämlich die fehlende Endgültigkeit der Maßnahmen stehen, sind sie beliebig austauschbar54 • Dies wird durch die geschichtliche Entwicklung bestätigrS5• Auch ist für Arrest und einstweilige Verfügung anerkannt, daß diese Vollstreckungstitel vorläufig vollstreckbar sind, ohne daß die vorläufige Vollstreckbarkeit besonders ausgesprochen werden müßteS6• Es lassen sich damit die vorläufige Vollstreckbarkeit nach den §§ 708 ff., Arrest und einstweilige Verfügung nach den §§ 916 ff. unter den Oberbegriff des einstweiligen oder vorläufigen Rechtsschutzes fassen. In der vorliegenden Arbeit wird der Oberbegriff "vorläufiger Rechtsschutz" verwendet, da der Terminus "einstweiliger Rechtsschutz" schon durch die §§ 916 ff. besetzt isrS7• Aus dieser Zusammenfassung unter einem gemeinsamen Sammelbegriff dürfen aber keine Rückschlüsse auf die gesetzgeberische Ausgestaltung der Normenkomplexe in einer bestimmten Weise gezogen werden; denn maßgebliche Richtschnur

51 52

53 54

S. o. § 1 A.; MotRCPO, Hahn 11/1, S. 421. Vgl. Gmelin, S. 13, 14; Furtner, S. 1. S. §3.

So auch BaUT, S. 4, der vom "vorläufigen, einstweiligen Rechtsschutz" spricht; Schellhammer, Rdnm. 1589 ff., der Arrest und einstweilige Verfügung unter dem Stichwort "vorläufiger Rechtsschutz" behandelt. Im Ergebnis auch Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, der auf S. 1 vom vorläufigen Rechtsschutz spricht. Für das Verwaltungsrecht s. Schach, S. 157. 55 So wurde in den H 645 ff. (708 ff. heutiger Fassung) des Entwurfs einer allgemeinen Civilprozeßordnung für die deutschen Bundesstaaten, Hannover, 1866, die Redewendung "einstweilen vollstreckbar" verwendet, vgl. DahJmanns, Band 2, S. 229 f.. In den §§ S68 Abs. 1, 572 ff. (= H 704 Abs. 1, 708 ff. heutiger Fassung) des Entwurfs einer deutschen Civilprozeßordnung, Berlin, 1871, wurde dann der Terminus "vorläufig vollstreckbar" verwendet ohne daß inhaltlich etwas anderes gemeint war, vgl. DahJmanns, Band 2, S. 399 ff. 56

Vgl. BroxjWaJker, Rdnm. 1534, 1653.

57

Schach, S. 157 f., bevorzugt für den Bereich des Verwaltungsrechts die Wendung

"vorläufiger Rechtsschutz" als angeblich allgemeineren, gesetzlich nicht verwendeten Begriff; allerdings übersieht er den Zusammenhang von §§ SO, 123 VwGO mit den §§ 167, 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; auch im Verwaltungsrecht gibt es eine vorläufige Vollstreckbarkeit.

§ 1 Einleitung

26

für die gesetzlichen Regelungen sind die verfassungsrechtIichen Vorgaben, die aber keine bestimmte Gestaltung vorschreiben58 • Wesentlicher Unterschied zwischen den §§ 708 ff. und den §§ 916 ff. ist das Vorliegen eines Urteils im Falle der vorläufigen Vollstreckbarkeit. Deswegen spricht man diesbezüglich auch von sekundärem oder nachgeschaltetem einstweiligen Rechtsschutz, während die §§ 916 ff. als primärer oder vorgeschalteter einstweiliger Rechtsschutz bezeichnet werden59 • Aber auch aus dieser Terminologie dürfen keine Schlüsse auf die Ausgestaltung beider Institute gezogen werden6O • Daher werden im folgenden weiter die gängigen Begriffe einstweiliger Rechtsschutz für die §§ 916 ff. und vorläufige Vollstreckbarkeit für die §§ 708 ff. verwendet; zusammengefaßt werden beide Rechtsinstitute unter dem Oberbegriff "vorläufiger Rechtsschutz". 11. Einstweilige Verfügungen

Der Gesetzgeber hat die einstweilige Verfügung in den §§ 935, 940 ZPO geregelt. Bestimmte Bezeichnungen entsprechend den verschiedenen Paragraphen hat er nicht gewählt; es ist jeweils nur von einstweiligen Verfügungen die Rede61 • Dennoch hat sich bis heute eine Dreiteilung in Sicherungsverfügung (§ 935), Regelungsverfügung (§ 940) und Leistungs- oder Befriedigungsverfügung herausgebildet62 • Auch in dieser Abhandlung wird die dargestellte Terminologie verwendet, nicht nur weil sie gebräuchlich ist, sondern auch weil zumindest die Unterscheidung zwischen Sicherungs- und Regelungsverfügung durch den gesetzlichen Aufbau vorgegeben ist und unterschiedliche Voraussetzungen erforderlich zu sein scheinen63 und weil dadurch gewisse Sachverhalte kurz bezeichnet werden können. Allerdings ist die Abgrenzung der drei Verfügungsarten nahezu unmöglich und vieles ist

58 59 60

61

Vgl. Dütz, Gutachten, S. 13; Leipold, S. 2 Fn. 4. Baur, S. 9 ff., hat diese Terminologie eingeführt; s. auch Finkelnburg/Janlc, Rdnr. 15.

Vgl. Klemp, DStR 1974, 444; Sclwch, S. 1070. Dies gilt für den gesamten Bereich von §§ 935 bis 945.

62 Vgl. vor allem Jauemig, UJ> 79 (1966), S. 320 ff.; Brox/WaIker, Rdnr. 1579; Baur/Stümer, Rdnm. 899, 900; Wleczorek/Schütze, § 935, A; Morbach, S. 78 ff.; Zimmermann, § 935 Rdnr. 1; ZöllerjVollkommer, § 935 Rdnr. 2; abI. Minnerop, S. n ff.; Leipold, S. 114, unterscheidet nach Sicherungs-, Abwehr- und Angriffsverfügungen. 63

Vgl. Schilken, S. 123.

G. Gang der Untersuchung

27

im einzelnen umstritten64 • Letztlich ist das Bedürfnis nach Begriffsbildungen im Bereich der einstweiligen Verfügung aus der mangelhaften gesetzlichen Ausgestaltung65 dieser Materie zu erklären. Die terminologischen Festlegungen dürfen aber auch hier66 nicht zu Rückschlüssen auf Voraussetzungen, Grenzen und Ausgestaltung der einstweiligen Verfügung führen67• Maßgebend dafür sind allein die §§ 935 ff. bzw. etwaige methodisch fundierte Erweiterungen oder Einschränkungen. Die Sicherungsverfügung (§ 935) wird als Gegenstück zum Arrest, der die Sicherung von Geldforderungen bezweckt, begriffen; sie soll entsprechendes bei Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind, leisten68• Daher wird sie auch als Grundform der einstweiligen Verfügung bezeichnet69• Bei der Regelungsverfügung (§ 940) wird nicht auf den Individualanspruch sondern auf ein streitiges Rechtsverhältnis abgestellt70 und die Rechtsfriedensfunktion betont71. Die Leistungs- oder Befriedigungsverfügung, deren rechtliche Einordnung umstritten ist72, wird so genannt, weil sie nicht nur sichernde Funktion hat, sondern regelmäßig zu einer endgültigen, vollständigen Befriedigung des Gläubigers führt73• G. Gang der Untersuchung Die Untersuchung wird normvergieichend vorgenommen. Dies soll helfen, die den §§ 708 ff. und §§ 916 ff. zugrundeliegenden Wertungen herauszuarbeiten. Daneben macht diese Methode auch deutlicher, ob einzelne 64

Vgl. BroxjWaJker, Rdnr. 1579 ff., insbes. Rdnm. 1590, 1596; Steinjlonas/Grunsky, vor

§ 935, Rdnr. 29 ff.; &ur/StünJer, Rdnr. 899; Minnerop, S. 77 ff.; SchiJken, S. 122 ff. 65

S.§l E.

66

S. schon § 1 F I.

67 So zutreffend auch BroxjWalker, Rdnr. 1590; Heinze, RdA 1986,275. Auch Jauemig, Der zulässige Inhalt einstweiliger Verfügungen, 'ZZJ' 79 (1966), S. 321 ff. wollte wohl, wie schon der Titel des Aufsatzes andeutet, nur inhaltliche Abgrenzungen innerhalb der einstweiligen Verfügung damit kennzeichnen, nicht aber das Bestehen dreier verschiedener Verfügungsarten behaupten. Vgl. auch Morbach, S. SO. Abzulehnen ist die Meinung, die mit der Begriffsbildung auch die jeweiligen Erlaßvoraussetzungen festlegen will, vgI. dazu PiehJer, S. 27.

68 69

Luckscheiter, S. 38; Steinjlonas/Grunsky, vor § 935 Rdnr. 1. Morbach, S. 79.

70

Steinjlonas/Grunsky, vor § 935 Rdnr. 1.

71 72

Steinjlonas/Grunsky, vor § 935 Rdnr. 29.

73

Vgl. Schüken, insbes. S. 50 ff.; Luckscheiter, S. 42 f.

BroxjWaJker, Rdnr. 1590.

28

§ 1 Einleitung

Problemlösungen aus dem einen Bereich auch in den anderen Bereich übertragbar sind. Nach einer kurzen Darstellung der geschichtlichen Grundlagen beider Institute ist deren verfassungsrechtliche Seite näher zu untersuchen. Im Anschluß daran werden die Voraussetzungen von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz jeweils gegenübergestellt. Dann sind die jeweiligen Maßnahmeninhalte einschließlich Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis zu behandeln. Im weiteren ist das Verhältnis der vorläufigen Vollstreckbarkeit zum einstweiligen Rechtsschutz darzustellen. Am Ende dieser Abhandlung sollen die beim Vergleich von den §§ 708 ff. und den §§ 916 ff. gefundenen Ergebnisse auf ihre Relevanz für das ArbGG (§§ 62, 85) geprüft werden.

§ 2 Geschichtliche Grundlagen Durch die Untersuchung der historischen Wurzeln der vorläufigen Vollstreckbarkeit und des einstweiligen Rechtsschutzes soll geklärt werden, ob beide Institute in Beziehung zueinander entstanden sind bzw. eine einheitliche Entwicklung genommen haben 1. A. Entwicklung bis zur Reichs-Civilprozeßordnung vom 30. Januar 1877

Die RCPO beendete als einheitliche Kodifikation für das gesamte deutsche Reich die Rechtszersplitterung, die wegen der Geltung des gemeinen Civilprozeßrechts und der vielen partikularen Prozeßordnungen bestand2. I. Vorläufige Vollstreckbarkeit

Der Entwurf der Reichs-Civilprozeßordnung vom 29.10.1874 fand hinsichtlich der Vollstreckbarkeit von Urteilen zwei verschiedene Systeme als geltendes Recht in Deutschland vor3. Das gemeine Recht in Deutschland setzte für die Vollstreckbarkeit eines Urteils grundsätzlich dessen Rechtskraft voraus4 • Allerdings wurden einige Ausnahmen gemacht, insbesondere mit römisch-rechtlichen Ursprüngen im Besitzprozeß5, nach Reichsgesetzen im Wechselprozeß6 und soweit dem Gläubiger ein "damnum irreparabile"7, d. h. ein unersetzlicher Nachteil, drohte. Die Vollstreckungsfähigkeit eines Urteils wurde entweder erst nachträglich infolge eines Vollstreckungsgesuchs durch den "Exekutionsrichter" (Vollstreckungsrichter) geprüft8, oder aber der Richter erster In1

2 3 4

5 6 7 8

Vertiefend wird auf einzelne geschichtliche Aspekte später noch eingegangen.

HeUwig, Lehrbuch 1, S. 8; Rosenberg/Schwab, S. 24 ff. Gmelin, S. 16; MotRCPO, Hahn lI/I, S. 421. Wetzeli, S. 724; Endemann, S. 903, 981. Endemann, S. 903. WetzelI, S. 725. Endemann, S. 903. Vgl. MotRCPO, Hahn li/I, S. 421.

§ 2 Geschichliche Grundlagen

30

stanz betrieb nach Erlaß des Urteils, z. B. im Wechselprozeß, ohne Rücksicht auf einen Rechtsbehelf des Schuldners die Vollstreckung mit oder ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers9• Jedenfalls aber war eine dem Urteil eingefügte Erklärung der vorläufIgen Vollstreckbarkeit dem gemeinen deutschen Prozeßrecht fremd lO• Nach dem französischen Code Napoleon de procedure civi~ der bis zum 1.10.1877 auf dem linken Rheinufer galt ll, und der bayerischen Prozeßordnung vom 29.4.1869, die dem französischen Recht weitgehend gefolgt ist 12, war die Vollstreckung eines Urteils in der Regel schon vor Rechtskraft möglich 13. Nach französischem Recht konnte ein Urteil zum einen vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist vollstreckt werden, wenn 8 Tage nach der Zustellung verstrichen waren. Die Zulassung der "execution provisoire" (vorläufige Vollstreckbarkeit) unter bestimmten Voraussetzungen im Urteil bewirkte nun zum anderen, daß das Urteil auch nach Einlegung des sonst suspendierenden Rechtsbehelfs und vor Ablauf der 8 Tage vollstreckt werden konnte I4 . Die deutschen Partikularrechte und auch die RCPO hielten in der Mehrheit entsprechend dem gemeinen Recht an der Vollstreckungsvoraussetzung der Rechtskraft für den Regelfall fest I5 ; denn ein anfechtbares Urteil könne ohne unnatürliche Fiktion noch nicht als dermitive Entscheidung angesehen werden, weshalb es nicht angemessen erscheine, die zwangsweise Vollstrekkung des Urteils als Regel aufzustellen I6 . Vom französischen Recht übernahmen einige deutsche Partikularrechte und die RCPO die vorläufige Vollstreckbarkeitserklärung im Urteil17, um sich die Kenntnis des Instanzrichters vom Streitstand zu Nutze zu machen sowie einen zweiten Prozeß über 9

Vgl. Seuffen, § 708 Anm. 1; WetzeU, S. 725.

10

Seuffen, 9. Auß., § 708 Anm. 1; MotRCPO, Hahn lI/I, S. 421; Endemann, S. 981.

11

Hellwig, Lehrbuch I, S. 15.

12 13

Hellwig, Lehrbuch I, S. 15; MotRCPO, Hahn lI/I, S. 421.

14

Vgl. Gmelin, S. 16; MotRCPO, Hahn lI/I, S. 421.

Seuffen, 9. Auß., § 708 Anm. 1.

15 Vgl. §§ 597, 598 RCPO; dazu MotRCPO, Hahn lI/I, S. 421 mit Nachw. und S. 427; Wach, Reichs-Civilprozeßordnung, S. 220; s. auch Rosenberg/GauI/Sc~n, S. 141. 16

MotRCPO, Hahn lI/I, S. 425.

17 Seuffen, 9. Auß., § 708 Anm. 1; vgl. auch Blomeyer, Zivilprozeßrecht, Vollstreckungsverfahren, S. 5.

A. Entwicklung bis zur Reichs-CPO

31

die vorläufige Vollstreckbarkeit zu vermeidenl8 ; vor allem aber wurde die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit durch die Befürchtung bestimmt, die Parteien könnten nach der Ausweitung der Berufungsmöglichkeiten in der RCPO die erste Instanz als bloße "Versuchsstation" betrachten und ihr gesamtes Angriffs- und Verteidigungsmaterial erst in der zweiten Instanz vortragen; es sollte eine schleunige Erledigung der Streitsache erreicht werden l9 . Dies bedeutet, daß im Vordergrund bei der Normierung der vorläufigen Vollstreckbarkeit in der RCPO das Interesse der Allgemeinheit an einer funktions- und leistungsfähigen Rechtspflege stand2O• Es ist daher zumindest vom historischen Ursprung her unrichtig, wenn die vorläufige Vollstreckbarkeit als von der ZPO im Interesse des Gläubigers vorgesehene Maßnahme bezeichnet wird21 . Im Ergebnis stellt sich die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit in der RCPO als Kompromißlösung zwischen dem gemeinen deutschen Recht und dem französischen Recht dar. Einerseits sollte entsprechend dem gemeinen Recht die Vollstreckung vor Rechtskraft die Ausnahme sein, andererseits sah die RCPO wie das französische Recht eine dem Urteil einzufügende Erklärung über die vorläufige Vollstreckbarkeit vor. 11. Einstweiliger Rechtsschutz Arrest und einstweilige Verfügung sollen zunächst getrennt dargestellt werden, um dann Verbindungen aufzuzeigen.

1. Arrest Das römische Recht kannte zwar Mittel zur vorläufigen Sicherung künftiger Vollstreckung; diese waren aber mit dem Arrest nicht vergleichb~2. Als historische Wurzeln des Arrrestes werden zwei sich unabhängig vonein-

18

MotRCPO, Hahn 11/1, S. 421.

19 Vgl. vor allem ProtRCPO, Hahn 11/1, S. 798; es handelt sich dabei um eine Äußerung des maßgeblich an der Entstehung und inhaltlichen Ausgestaltung der RCPO beteiligten von Amsberg, dazu Schubert, 1. Halbbd., S. 9, 10; s. auch MotRCPO, Hahn 11/ 1, S. 428. 20 S. dazu auch MotRCPO, Hahn 11/1, S. 427 f.; ProtRCPO, Hahn 11/2, S. 1164; Gmelin, S. 17; SteinjlonasjMünzberg, § 708 Rdnr. 1. 21 Etwa Baumbach/f.Auterbach/Albers/Hartmann, Einf. §§ 708 bis 720, Anm. 1 A; s. auch Brox/WaIker, Rdnr. 53. 22

Dazu näher Endemann, S. 492; Wach, Arrestprozeß, S. 1, 81 ff.

§ 2 Geschichliche Grundlagen

32

ander entwickelnde Verfahren angesehen23• Einmal ist die "eigenmächtige Pfändung" nach langobardischem Recht anzuführen24 • Dabei handelte es sich zunächst um ein Selbsthilferecht, zu dem ein Gläubiger nach dreimaliger, erfolgloser Mahnung befugt w~, das aber in der weiteren Entwicklung dem einzelnen aberkannt wurde; der Staat zog die Befugnis zu Sicherungsmaßnahmen an sich26• Zum anderen wird als Wurzel des Arrestes ein Institut des gemeinen deutschen Rechts bezeichnet, das aus der "Unrechtsreaktion" gegen zahlungsunfähige oder flüchtige Schuldner ("Diebe") entstand27 und sich kasuistisch fortentwickelte28• Auch hierbei handelte es sich zunächst um ein Recht zur Selbsthilfe, das der Staat im weiteren Verlauf dem einzelnen entzog29• In der Rezeption trafen diese zwei Institute aufeinander und überlagerten sich30• Erst im 18. Jahrhundert wurde aus der Kasuistik der Arrestgründe das abstrakte Merkmal der "Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung der Rechtsverfolgung" herausgebildet31 . Zu dieser Zeit hatte der Arrest vor allem noch den Zweck der Begründung eines inländischen Gerichtsstandes32 • Der Zweck der Anspruchssicherung gewann jedoch immer mehr an Bedeutung33• Aber erst mit der Einführung des § 24 RCPO (§ 23 ZPO) entfiel die gerichtsstandsbegründende Funktion des Arrestes völlig34; es blieb für den Arrest nach der RCPO allein die Aufgabe der Sicherung der Zwangsvollstreckung35 • Bezweckt wurde der Schutz des Gläubigers; bestimmend für die RCPO war also der Gedanke der Verwirklichung materieller Gerechtigkeit36• 23 24

2S 26 27

Wenngleich hier noch einiges ungeklärt ist, vgI. Leipold, S. 63 und Schilken, S. 108 f. So Hellwig, System 2, S. 439; Rohmeyer, S. 22; Wach, Arrestprozeß, S. 2. Vgl. Wach, Arrrestprozeß, S. 2 ff., 19 ff. mit weiteren Einzelheiten.

Schilken, S. 108; Rohmeyer, S. 22; Wach, Arrestprozeß, S. 35. Vgl. Rosenberg/GauljSchilken, S. TI1; Leipold, S. 63.

28

Vgl. RosenbergjGauljSchilken, S. TI1.

30 31

Rosenberg/GauljSchilken, S. TI1.

32

KußmauI, S. 11.

33 34

Vgl. KußmauI, S. 12 mit Nachw.

29

35

36

Leipold, S. 63. Schilken, S. 109.

MotRCPO, Hahn 11/1, S. 154,410; KußmauI, S. 247 Cf. Vgl. MotRCPO, Hahn 11/1, S. 471. Vgl. dazu auch Schilken, S. 109.

A. Entwicklung bis zur Reichs-CPO

33

2. Einstweilige Verfügung Die Aufgabe der Sicherungsverfügung (§ 935), nämlich die Sicherung von Ansprüchen, die nicht auf eine Geldleistung gerichtet sind, wurde früher vom Arrest bzw. dessen Vorläufem37 miterledigt38. Als Wurzeln der Regelungsverfügung (§ 940) werden teilweise die dem Mandatsprozeß entspringenden39 provisorischen Verfügungen des gemeinen deutschen Prozesses angeführt4O• Andere bezeichnen das Institut des "possessorium summarissimum" als Vorläufer der Regelungsverfügung41 ; in Besitzstreitigkeiten konnte der Richter für die Dauer des eigentlichen Verfahrens nach summarischer Prüfung den Besitzstand regeln und gegen Beeinträchtigung schützen42• Wenngleich das Verhältnis von den provisorischen Verfügungen zu dem "possessorium summarissimum" noch nicht ganz geklärt ist43, erscheint es ähnlich wie beim Arrest44 angebracht, beide Institute als Vorläufer der Regelungsverfügung zu bezeichnen45 • In § 823 S. 1 des Entwurfes einer Prozeßordnung für die preußischen Staaten von 1864 (PreußE) erfolgte erstmals in einem Partikulargesetzgebungsvorhaben die Unterscheidung zwischen "Sicherstellung eines Rechts" und "vorläufiger Ordnung eines streitigen Rechtsverhältnisses" durch "einstweilige Anordnung..46. Durch die Alternative der "vorläufigen Ordnung eines streitigen Rechtsverhältnisses" sollte auch das "possessorium summarissimum" erfaßt werden, vgl. § 205 PreußE47• Der Entwurf einer Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes von 1870 (NE) trennte schließlich den Arrestprozeß (§§ 692 bis 728 NE) und die einstweiligen An37

Vgl. § 2 A. 11. 1.

38 Rohmeyer, S. 22; Schilken, S. 109; Rosenberg/Gaul/Schilken, S. 771; HeUw;g, System 2, S.454. 39

40 41

42 43

44

45

Rosenberg/Gaul/SchiJken, S. 771; SchiJken, S. 110. Leipold, S. 73. Rohmeyer, S. 24; Hobbeling, S. 46. Rohmeyer, S. 25; WetzeU, S. 324 Cf.

Vgl. Leipold, S. 75 Fn. 35. S. § 2A. 11.1.

So auch SchiJken, S. 110 ff.; Rosenberg/Gaui/SchiJken, S. 771; s. auch KußmauJ, S. 277 f.; Leipold, S. 74. 46 KußmauJ, S. 217 f. 47 KußmauJ, S. 219. 3 Vogg

34

§ 2 Gcschichliche Grundlagen

ordnungen (§§ 729 bis 740 NE); betont wurde diese Trennung noch durch jeweils eigene Überschriften. Die Regelungen des NE waren damit die entscheidende Vorlage für die RCP048, obwohl in der RCPO auf eine eigene Überschrift für die einstweilige Verfügung verzichtet wurde; der Wortlaut von RCPO und NE ist im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes weitgehend identisch. Damit läßt sich auch erklären, warum die MotRCPO für Arrest und einstweilige Verfügung sehr kurz gehalten sind. Die Trennung zwischen Sicherungsverfügung und Arrest wurde schon in den partikularen Kodiftkationen der deutschen Staaten im 18. und 19. Jahrhundert eingeleitet und schließlich durch die RCPO reichseinheitlich vollzogen49; insofern von einer Neuschaffung der Sicherungsverfügung durch die RCPO zu sprechenso, erscheint verfehlf1• Allerdings ist die Trennung nicht vollständig durchgeführt worden, so sind nach wie vor viele Arrestvorschriften gem. § 936 auf die einstweilige Verfügung anwendbar. Mit der Sicherungsverfügung verfolgte der RCPO-Gesetzgeber für nichtgeldwerte Ansprüche denselben Zweck wie mit dem Arrest für geldwerte Ansprüche52 ; allein die Sicherung der Zwangsvollstreckung sollte gewahrt werden, es ging also um den Schutz des Gläubigers, letztlich um materielle Gerechtigkeit. Zur Feststellung der gesetzgeberischen Motive bei der Normierung der Regelungsverfügung in der RCPO muß auf die Protokolle zum NE zurückgegriffen werden, da dieser Entwurf maßgeblich den RCPO-Gesetzgeber beeinflußte53• Danach war sich die Kommission beim NE einig, "daß auch die Fälle der interimistischen Regelung eines Zustandes, z. B. des Besitzstandes, der Alimentationspflicht, Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Gastwirt und Gast, Baustreitigkeiten usw., nach ähnlichen Grundsät-

48 vgl. MotRCPO, Hahn lI/I, s. 470; s. dazu auch KußmauI, S. 224 ff.; Schilken, S. 65, 73 u. 75. Ungenau ist daher der pauschale Verweis auf die "neueren deutschen Prozeßordnungen und Entwürfe" und die "Bestimmungen des französischen Rechts über das Refere-Verfahren" in den MotRCPO, Hahn lI/I, S. 4n. 49 Rohmeyer, S. 22; Schi.lken, S. 109; Rosenberg/GauljSchi.lken, S. 771; vgJ. auch ProtNE, Schubert Bd. 3, S. 1240.

SO 51

52 53

HeUwig, System 2, S. 453; Minnerop, S. 53. Vgl. auch Rohmeyer, S. 20. Dazu § 2 A. 11. 1.

Leider wird in den ProtNE nicht der Gang der Diskussion nachgezeichnet, so daß nicht klar wird, welche Erwägungen zur Einigkeit der Kommission in diesem Punkt geführt haben; allgemein zu diesem Problem der ProtNE vgJ. KußmauI, S. 222 FD. 5.

A Entwicklung bis zur Reichs-CPO

35

zen zu behandeln seien" wie die Sicherungsver~. Auch bei § 940 geht es um den Schutz der privaten Interessen des Gläubigers vor Nachteilen55 • Zwar ist in § 940 auch von der "Verhinderung drohender Gewalt" die Rede, jedoch steht dieser "Friedensschutz" innerhalb des Privatrechts56 nicht im Vordergrund57• Es zeigt sich, daß die §§ 935, 940 ZPO eine getrennte geschichtliche Entwicklung haben, so daß ihre terminologische Trennung in Sicherungs- und Regelungsverfügung zumindest historisch begründet ist. Nichts ist damit ausgesagt darüber, ob diese einstweiligen Verfügungen auch heute noch von inhaltlich verschiedenen Voraussetzungen abhängen58• 3. Zwischenergebnis Arrest und Sicherungsverfügung haben gemeinsame geschichtliche Wurzeln. Dagegen beruht die Regelungsverfügung auf anderen historischen Quellen. Verknüpft werden alle drei Institute durch den Gedanken der materiellen Gerechtigkeit, d. h. der Schutz privater Interessen, insbesondere das Sicherungsinteresse des Gläubigers, steht im Vordergrund.

111. Ergebnis Trotz der Gemeinsamkeiten von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschut;9 hat der RCPO-Gesetzgeber keine Verbindungen zwischen den beiden Normkomplexen hergestellt, z. B. wurde das Verhältnis beider Rechtsinstitute zueinander nicht normiert. Auch in den Protokollen zur RCPO fmden sich keine Hinweise, daß der Gesetzgeber Zusammenhänge erkannt oder gar diskutiert hätte. Dafür sind wohl zwei Gründe bestimmend gewesen: Einmal sind die historischen Quellen der Rechtsinstitute verschieden, zum anderen standen unterschiedliche Zwecksetzungen bei der Normierung im Vordergrund: Während bei der vorläufigen Voll54

55

ProtNE, Schubert 3, S. 1242; s. näher dazu § 4 C.II. 2. Vgl. Leipold, S. 86; s. auch § 4 C. 11..

56 Baur, S. 29; Baur/StünJer, Rdnr. 911; ThomasjPulzo, § 940 Anm. 1; ZölIer/Vollkommer, § 940 Rdnr. 4; BownbachjLauterbach/Albers/Hartnumn, § 940 Anm. 1, Faecks, N2'A 1985, Beil. 3, S. 15. 57 S. auch § 4 C. 11. 3. a). 58 59

S. dazu schon § 1 F. 11.

S.§1A

§ 2 Geschichliche Grundlagen

36

streckbarkeit das Interesse der Allgemeinheit an einer funktions- und leistungsfähigen Rechtspflege überwog, wurde beim einstweiligen Rechtsschutz der Gedanke der materiellen Gerechtigkeit besonders betont60• B. Weitere Entwicklung Der einstweilige Rechtsschutz wurde vom Gesetzgeber seit Erlaß der RCPO bis heute nur wenig verändert, so daß viele Normen inhaltlich noch in der ursprünglichen Fassung der RCPO fortgelten: §§ 917 bis 920, 923, 926, 928, 930,934 bis 937, 939, 940, 944. Dies hatte zur Folge, daß dieser Normenkomplex der ZPO den praktischen Erfordernissen im Laufe der Zeit nicht mehr entsprach und daher von Rechtsprechung und Lehre weiterentwickelt wurde61 ; insbesondere die sog. Leistungs- oder Befriedigungsverfügung62 ist ein Ergebnis dieser Entwicklung. Die Gemeinsamkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit63 wurden bei der Diskussion einer Fortentwicklung der §§ 916 ff. wiederum kaum gesehen bzw. beachtet64 • Die Regelungen in der RCPO zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sind nach Erlaß der RCPO noch mehrmals nachgebessert bzw. den Erfordernissen der Zeit angepaßt worden6S • Dadurch weisen die §§ 708 ff. heute im Gegensatz zu den §§ 916 ff. einen hohen Grad an Systembildung auf6 und bedürfen scheinbar keiner Erweiterungen über das Gesetz hinaus. Der Gesetzgeber hat aber auch bei seiner Fortentwicklung der vorläufigen Vollstreckbarkeit die Gemeinsamkeiten mit dem einstweiligen Rechtsschutz kaum beachtet; immerhin wurde mit der Einführung des § 720a durch die Vereinfa-

60 61

Zum ganzen s. § 2 A I. u. 11. V gl. schon § 1 E.

62

Dazu § 1 F. 11.

64

Aber Baur, Studien zum einstweiligen Rechtsschutz; Schilken, S. 130; Dülz, BB 1980,

63

S.§IA

538; ders., DB 1980, 1070.

65 Zu den wichtigsten Gesetzesänderungen vgI. RGBI. 1898, S. 543 Cf.; RGBI. 1910, S. 769 f.; RGBI. 1924 Teil I, S. 146; BGBI. 1976 Teil I, S. 3295 f. 66

S. schon § 1 E.

C. Ergebnis

37

chungsnovelle vom 3.12.197667 eine gesetzliche Parallele zwischen der vorläufigen Vollstreckbarkeit und dem Arrest geschaffen68 •

c. Ergebnis Der RCPO-Gesetzgeber hat die Gemeinsamkeiten69 zwischen vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz nicht gesehen und daher die Rechtsinstitute nicht aufeinander abgestimmt. Auch in der Folgezeit spielten diese Gemeinsamkeiten bei der Fortentwicklung beider Normenkomplexe kaum eine Rolle. Dies bestätigt die Berechtigung der Frage nach gemeinsamen Grundlagen und Wertungswidersprüchen70, denen unter Umständen durch eine andere Auslegung der Normen abgeholfen werden kann.

67 68 69

70

BGBI. 1976 Teil I, S. 3296. Vgl. BroxjWalker, Rdnr. 69. Vgl. § 1 A.

Dazu schon § 1 A

8.

E.

§ 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen Vorläufige Vollstreckbarkeit und einstweiligen Rechtsschutz im Zivilprozeß gab es schon lange vor Entstehung des Grundgesetzesi. Dies ist wohl auch der entscheidende Grund dafür, daß sich Rechtsprechung und Literatur bisher wenig mit deren verfassungsrechtlichen Grundlagen auseinandergesetzt haben2. Während aber bei den §§ 916 ff. die verfassungsrechtlichen Vorgaben noch ansatzweise behandelt werden3, fmden sich zu den §§ 708 ff. kaum Diskussionsbeiträge4. Es stellt sich die Frage, ob aus dem Grundgesetz bestimmte qualitative Anforderungen an vorläufige Vollstreckbarkeit und einstweiligen Rechtsschutz abzuleiten sind; verlangt das Grundgesetz gar eine ganz bestimmte Ausgestaltung beider Institute? Je konkreter die verfassungsrechtIichen Vorgaben sind, um so weniger Spielraum bleibt dem Gesetzgeber bei der Normierung und den Gerichten bei der Auslegun~. Soweit die bestehenden einfach-rechtlichen Gesetze den Anforderungen des Grundgesetzes nicht genügen, kommt eine Ergänzung unter unmittelbarem Rückgriff auf die Verfassung in Betracht6• Zunächst ist zu klären, ob überhaupt verfassungsrechtlich ein vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz, zu

1

S. dazu schon § 2.

2 Grundlegend jedoch Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, S. 115 CC.; ders., Gutachten, S. 6 CC. In anderen Rechtsgebieten findet eine eingehendere Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen zumindest des einstweiligen Rechtsschutzes statt; zum Verwaltungsrecht s. insbes. Schoch, S. 121 CC., 184 CC., 990 CC. jew. mit weit. Nachw.; zum sozialgerichtlichen Verfahren s. insbes. BVerfGE 46, 166 = NJW 1978, 693 = DVBI. 1978, 172 = JuS 1979, 138; Plagemann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verfahren vor den Sozialgerichten; Lemmer, Die einstweilige Anordnung im Sozialgerichtsverfahren; Heinze, NZA 1984,305 Cf.; Barton, NU 1985, 721 Cf. 3 Vgl. Leipold, S. 2; Schilken, S. 20; Heinze, RdA 1986, 274; Stein/Jonas/Grunsky, vor § 916 Rdnr. 1. 4

Aber Dütz, DB 1980, 1070 C.

5 Vgl. Schoch, S. 994. Speziell zur Bindung der Rechtsprechung an Grundrechte s. Stem, 1II/1, § 75. 6 Vgl. BVerfGE 46,166 CC.; BVerwGE 33, 42 Cf.; Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 414; Maunz/Dürig/Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 273; v.Münch/Hendrichs, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 52; Baumbachj'I.AJ4lerbach/Albers/Hanmann, § 29 EGGVG Anm. 3.

A. Garantie eines vorläufigen Gerichtsschutzes

39

dessen einfach-rechtlichen Ausprägungen der einstweilige Rechtsschutz und die vorläufige Vollstreckbarkeit gehören7, garantiert ist. A. Garantie eines vorläurIgen Gerichtsscbutzes

Dabei ist vorrangig der Frage nachzugehen, ob die Betroffenen einen verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruch auf umfassenden gerichtlichen Schutz haben. I. Garantie umfassenden Gericbtsscbutzes Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen, Art. 19 Abs. 4 GG. Diese Norm garantiert also nach ihrem Wortlaut Gerichtsschutz nur gegenüber Akten von Trägern der öffentlichen Gewalt; für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten ist keine ausdrückliche verfassungsrechtliche Zuweisung in den Aufgabenbereich der Rechtsprechung vorgesehen. Zwar sieht die Organisationsnorm des Art. 95 Abs. 1 GG die ordentliche Gerichtsbarkeit vor, durch die herkömmlich auch die Zivilsachen erledigt werden8. Aber diese Einrichtung besagt nur, daß dieser Gerichtsbarkeit überhaupt Angelegenheiten in Zivilsachen übertragen werden müssen; der genaue Umfang der Übertragung ist daraus nicht zu ersehen9• Das Fehlen einer dem Art. 19 Abs. 4 GG entsprechenden ausdrücklichen Regelung für das Privatrecht hat historische Gründe lO: Bei Erlaß des GG wurde der uneingeschränkte Gerichtsschutz im Privatrecht als bereits gegeben unterstellt. Es erscheint daher undenkbar, daß der Verfassungsgeber auf privatrechtlichem Gebiet unvollendet gelassen haben soll, was bereits bei Erlaß der Reichsjustizgesetze von 1879 als rechtsstaatliches Ziel nahezu erreicht war, während er gleichzeitig einen ausgedehnten gerichtlichen Verfassungs- und Verwaltungsrechtsschutz eingeführt hat, was es selbst in der Weimarer Reichsverfassung nicht annähernd gab 11 • Soweit umfassender Gerichtsschutz auch im Privatrecht auf die Zurückdrängung der Selbsthilfe zur Durchsetzung des Rechts und der damit notwendig ver7

8 9

S. § 1 F. I. Wolf, S. 22. Wolf, S. 22.

10 Ausführt. DÜIZ, Gerichtsschutz, S. 99 ff.; Baur, JZ 1965, 164; Wolf, S. 22; vgI. auch BVerfGE 8, 197 (207); 22,49 (TI C.). 11

DÜIZ, Gerichtsschutz, S. 111.

§ 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen

40

knüpften Gewährung staatlichen Rechtsschutzes12 zurückgeführt wird13, kann dem in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden, denn auch behördlicher Rechtsschutz ist staatlicher Rechtsschutz14• Heute ist anerkannt, daß es einen grundgesetzlich garantierten öffentlichrechtlichen Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz auch im Privatrecht gibt15 • Umstritten bleibt die genaue verfassungsrechtliche Grundlage16; im Vordergrund der neueren Diskussion stehen aber das Rechtsstaatsprinzip 17 und die materiellen Grundrechte18, hierbei vor allem die Art. 14 Abs. 1 u. 2 Abs. 1 GG 19• Zu berücksichtigen ist, daß nur aus historischen Gründen auf eine ausdrückliche Regelung umfassenden Gerichtsschutzes im Privatrecht verzichtet wurde. Auch fordert ein aus den materiellen Grundrechten abgeleitetes Gebot wirksamen Rechtsschutzes nicht notwendigerweise Gerichtsschutz, es kann auch behördlicher Rechtsschutz genügen20• Zudem gibt es bei nur einfach-gesetzlichen Rechtsbeeinträchtigungen, die keine Grundrechtsverletzungen darstellen, keine Garantien, wenn das Gerichtsschutzgebot aus den Grundrechten abgeleitet wird21 • Problematisch sind auch die verschiedenen Grundrechtsschranken, die keinen einheitlichen Mindeststandard des Gerichtsschutzes gewährleisten und die vielfältige Dispositio-

12

Vgl. dazu schon § 2 A. 11. 1.

Heinze, RdA 1986, 274; Stein/lonas/Grunsky, vor § 916 Rdnr. 1; Maunz/Dürig!Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 16; Morbach, S. 8; Habscheid, 'ZZP 96 13

Vgl.

(1983),307.

14

Dütz, Gerichtsschutz, S. 60.

15 DÜlZ, Gutachten, S. 6; Neumann, S. 138; SlÜrner, Aufklärungspflicht, S. 31 C.; BeTUÜJjWeber, 'ZZP 96 (1983), 292; Habscheid, 'ZZP 96 (1983), 307; Stein/lonas/Schumann, EinI. Rdnr. 210; Rosenberg/Schwab, S. 13; Morbach, S. 8; krit. Zöllner, AcP 1990, 482. 16 Zum Meinungsstand s. DÜlZ, Gutachten, S. 6 CC.; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 32 CC.; Rosenberg/Schwab, S. 13 C.; Wolf, S. 264. 17 Grundlegend dazu Dütz, Gerichtsschutz, S. 56 CC. (115); ders., Gutachten, S. 6 CC. mit weit. Nachw.; Maunz/Dürig!Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnm. 15 CC.; Wolf, S. 24; Heinze, RdA 1986, 274; Leipold, S. 2; BeTUÜJjWeber, ZZP 96 (1983),292. 18 Vgl. BVerfGE 35, 348 (361 f.); 37, 132 (145 ff.); 49, 244 (251); 53, 352 (357 Cf.); Vollkommer, Gedächtnisschrift für Bruns, S. 205 ff.; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 39 C.; Lorenz, NJW 19n, 870; ders., AöR 105 (1980), 628 Cf.; Schoch, S. 1010 f.; AK-GG-Wa.s:rermann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 20; Hill, JZ 1981, 807 f. 19 Vgl. SlÜrner, Aufklärungspflicht, S. 40. 20

Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG Rdnr. 388.

21

Vgl. AK-GG-Wa.s:rermann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 20.

A Garantie einei vorläufigen Gerichtsschutzes

41

nen des Geset7gebers zulassen22• Daher erscheint es angebracht, das Gebot umfassenden Gerichtsschutzes aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten. Im Zusammenhang mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit und dem einstwelligen Rechtsschutz interessiert im weiteren vor allem die Ausgestaltung des Rechtsschutzes; zu erörtern sind die verfassungsmäßigen Anforderungen an die Wirksamkeit des Gerichtsschutzes. 11. Garantie wirksamen Gerichtsschutzes 1. Grundsätzliches Die Wirksamkeit des Rechtsschutzes wurde vornehmlich im öffentlichen Recht anband des Art. 19 Abs. 4 GG diskutiert23• Jedoch ist kein Grund dafür ersichtlich, daß die Anforderungen, die Art. 19 Abs. 4 GG diesbezüglich stellt, sich wesentlich von denen unterscheiden sollten, die für den Gerichtsschutz in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten zu stellen sind24; ein nur theoretisch bestehender, tatsächlich aber wirkungsloser Rechtsschutz wäre auch für das Privatrecht in Wahrheit gar kein Rechtsschutrs. Deshalb hat sich auch für den Rechtsschutz in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten die Ansicht durchgesetzt, daß er echten Wirksamkeitsanforderungen zu entsprechen hat26. Das Bundesverfassungsgericht hat dies bisher allerdings nicht allgemein sondern nur in Verbindung mit verschiedenen Grundrechten, denen es eine verfahrensrechtliche, auf tatsächlich wirksamen Rechtsschutz gerichtete Komponente entnimmt, ausgesprochen27• Da es sich aber um ein Gebot des Rechtsstaatsprinzips handelt, muß es für den ganzen pri-

22

Vr). Schoch, S. 1012.

23 Vr). nur die Kommentare zum Grundgesetz: MaunzjDürig/Schinidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG Rdnr. 5; Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG Rdnm. 383 ff.; v.MünchjHendrichs, Art. 19 GG Rdnr. 40; AK-GG-Wa.s:sennann, Art. 19 Abs. 4 Rdnm. 16 f.; s. auch Smid, Rechtsprechung, S. 111 ff.; ders., Richterliche Rechtserkenntnis, S. 34 ff. 24 Vr). MaunzjDürig/Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 17; Dütz, Gutachten, S. 8 ff.; ders., Gerichtsschutz, S. 115 ff.

25

Vr). Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 383.

Vr). Dütz, Gutachten, S. 9; grundlegend ders., Gerichtsschutz, S. 115 ff.; Stein/lonas/Schumann, Ein\. Rdnr. 514; SteinjlonasjLeipold, vor § 914 Rdnr. 3; StüTner, Festschrift für Baur, S. 649; Lorenz, NJW 1977, 870; Wolf, S. 266; Schumann, Ln! 96 (1983), 162 f.; Benda/Weber, Ln! 96 (1983), 294 ff.; Habscheid , ZZP 96 (1983), Jm. 27 Vr). BVerfGE 35,348 (361 f.); 37, 132 (145 Cf.); 49, 220 (225); Wolf, S. 260. 26

42

§ 3 Verfassunprcchtliche Grundlagen

vatrechtlichen Bereich gelten28• So hat auch das Bundesverfassungsgericht in den entschiedenen Fällen jeweils den Zusammenhang zum Rechtsstaatsprinzip hergestellt. Diese Tendenz der "Parallelisierung" des Gerichtsschutzes in öffentlich-rechtlichen und in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten wird durch die allgemein geltenden Rechtsschutzstandards, z. B. Art. 97,103 Abs. 1, 101 Abs. 1 GG und einige ungeschriebene Grundsätze, wie denen der Fairneß und der Waffengleichheit, gefördert29• Dies gestattet es auch, auf die Rechtsprechung und die Literatur zu Art. 19 Abs. 4 GG zurückzugreifen, soweit nicht ausnahmsweise eine andere Behandlung bestimmter Streitpunkte im Privatrecht erforderlich ist. Generell kann man sagen, daß wirksamer Rechtsschutz eine richterliche Entscheidung zur Hauptsache nach uneingeschränkter Wahrheits- und Rechtsprüfung in angemessener Zeit garantiert3O• Im folgenden soll nun geklärt werden, ob vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz, für den der einstweilige Rechtsschutz und die vorläufige Vollstreckbarkeit einfach-rechtliche Ausprägungen sind, überhaupt verfassungsrechtlich garantiert wird. Inwieweit spezielle verfassungsrechtliche Vorgaben für die Ausgestaltung im einzelnen bestehen, ist hier noch nicht Gegenstand der Untersuchung. 2. Zeitlich wirksamer Gerichtsschutz Aus dem Prinzip der Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes ergeben sich verschiedenste Folgerungen31 ; der vorläufige Rechtsschutz steht jedoch vor allem mit der zeitlichen Dimension des Gerichtsschutzes in Verbindung; ein überlanges gerichtliches Verfahren kann die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes erheblich beeinträchtigen32 • Insbesondere droht die Gefahr, daß irreversible Tatsachen vor der Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache33 bzw. vor der zwangsweisen Durchsetzung dieser Entscheidung durch Vollstreckung eintreten. Damit aber bliebe selbst ein 28 Dütz, Gerichtsschutz, S. 115 ff.; Stein/lolUJS/Sclumlann, Einl. Rdnr. 514; s. auch Finkelnburg/Jank, Rdnr. 2.

29 Vgl. MaunzjDürig/Schmidt-Aßmonn, Art. 19 Abs. 4 Rdnrn. 17 ff.; s. auch Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 383; Rosenberg!Schwab, S. 6 f. 30 Dütz, Gutachten, S. 8; s. auch Finkelnburg/Jank, Rdnr. 3.

31

32

33

Vgl. Dütz, Gerichtsschutz, S. 115 ff. Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 422; Dütz, Gerichtsschutz, S. 123 ff.

Schoch, S. 184; Neumonn, S. 142; Baur, S. 11; Henckel, AcP 174 (1974), 106; Grunsky, Grundzüge, S. 131.

A Garantie eines wrläurJgeD Gerichtsschutzes

43

vollständiges Obsiegen des Klägers faktisch wirkungslos; der verfassungsrechtliche Anspruch auf umfassenden Gerichtsschutz würde lediglich eine mehr oder weniger formale Gewährleistung darstellen34• Dies stünde aber im Widerspruch zum Gebot des wirksamen Gerichtsschutzes, der ja gerade die Wirkungslosigkeit des Rechtsschutzes verhindern will. So ist heute auch für den Bereich des Privatrechts anerkannt, daß der verfassungsmäßig garantierte Gerichtsschutz in zeitlicher Hinsicht wirksam zu sein hat35 • Genau hier fmdet der vorläuftge Rechtsschutz seinen Plat~. Wo wirksamer Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren nicht in angemessener Zeit erlangt werden kann, muß vorläuftger gerichtlicher Rechtsschutz möglich sein, denn die rechtsstaatliche Gerichtsschutzgarantie gewährleistet dem Rechtsschutzsuchenden die Rechtsschutzform, die eine Verwirklichung des subjektiven Rechts sicherstellt37• Somit ist die Einrichtung eines vorläuftgen gerichtlichen Rechtsschutzes ein verfassungsrechtliches Gebot38• Es ergibt sich eine verfassungsrechtlich vorgegebene zeitliche Verknüpfung von Hauptsacherechtsschutz und vorläuftgem Rechtsschutz: Der vorläuftge gerichtliche Rechtsschutz muß eine streitige Rechtsposition für die Dauer des Rechtsstreits gegen ihre Entwertung allein durch Zeitablauf sichern, die endgültige Entscheidung des Rechtsstreits ist dem Hauptverfahren vorbehalten39• III. Ergebnis

Die verfassungsrechtliche Garantie vorläuftgen gerichtlichen Rechtsschutzes ergibt sich aus der rechtsstaatlichen Garantie umfassenden und wirksamen Gerichtsschutzes.

34

Dütz, Gutachten, S. 10.

35 Dütz, Gutachten, S. 10; s. auch Woif, S. 260; Kloepfer, JZ 1979, 211 ff., insbes. 215; Benda/Weber, ZU 96 (1983), 299; BVerfGE 35, 348 (362); 37, 132 (148). 36

Vgl. Schoch, S. 185; Finkelnburg/Jank, Rdnm. 1,5.

37 DÜIZ, Gerichtsschutz, S. 130; s. auch NeunuJIUI, S. 139. 38 Vgl. Schoch, S. 185; TrzoskaJik, JZ 1983,422; Hamann, DVBI. 1984, 1205 f.; Donner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 412 ff.; BVerfGE 35, 263 (274); 53, 30 (53); lAG München EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 35 mit zust. Anm. v. Dütz; MaunzjDürigjSclunidtAßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 273; Martem, DVBI. 1985, 543; Wolf, S. 260; Lorenz, Rechtsschutz, S. 137; Bauer, Gerichtschutz als Verfassungsgarantie, S. 97 f. 39 Vgl. Schoch, S. 187; Henckel, AcP 174 (1974), S. 106.

§ 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen

44

B. Materielle Grundrechte Es stellt sich die Frage, welche grundsätzliche Bedeutung die materiellen Grundrechte für den vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz haben, nachdem sie als Grundlage der Garantie umfassenden Gerichtsschutzes abzulehnen waren4O• I. Verfahrensdimension der materiellen Grundrechte Auch aus den materiellen Grundrechten wurde in neuerer Zeit ein Gebot wirksamen Rechtsschutzes abgeleitet41 • Vor allem das Bundesverfassungsgericht hat mehrmals betont, daß wirksamer Rechtsschutz ein wesentliches Element der materiellen Grundrechte selbst ist42 • Inzwischen wird diese Rechtsprechung durch die Literatur unter der schlagwortartigen Bezeichnung Grundrechtsverwirklichung und -sicherung durch Organisation und Verfahren zusammengefaßt und als eigenständige Grundrechtsfunktion bezeichnet43• Das neue an der Aussage, daß aus materiellen Grundrechtsbestimmungen besondere Anforderungen für die Verfahrensgestaltung folgen, ist, daß es nicht um Grundrechtsschutz gegen den Staat sondern durch den Staat geht44 und zwar auch im gerichtlichen Verfahren45 • Materielle Grundrechtspositionen dürfen nicht durch unzureichende Verfahren entwertet werden, sie müssen vielmehr verfahrensmäßig abgesichert sein. An der Beeinflussung des vorläufigen Rechtsschutzes durch Grundrechte kann daher nicht gezweifelt werden46• Dies gilt insbesondere für zivi1rechtliche Streitigkeiten, für die Art. 19 Abs. 4 GG nicht anwendbar ist; so hat hier auch das

40

vgl. § 3A. I.

41 Vgl. Finkelnburg, Fcstgabe Bundesverwaltungsgericht, S. 178 ff.; Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, insbes. S. 12.7 ff.; Schumann, 'Z:zJ? 96 (1983), 154 ff., 160 ff. u. 170; Benda/Weber, 'Z:zJ? 96 (1983), 298 f. 42 BVerfGE 24, 367 (401); 51, 324 (343 ff.); 52, 214 (219 ff.); 56, 216 (242 ff.); speziell zum Privatrecht s. BVerfGE 35,348 (361 f.); 37, 132 (148); 46, 325 (333 ff.); 49, 220 (225).

43 Hesse, Rdnm. 359, 339; Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 57 ff.; Belhge, NJW 1982, 1 Cf.; Häberle, WDStRL 30 (1972), 86 ff. u. 121 ff.; Stern, 111/1, S. 953 ff., insbes. 96S ff.; DÜlZ, DB 1980, 1070; Rosenberg/Schwab, S. 6 f.; MaunzjDürig/Papier, Art. 14 Rdnr.47; s. dazu krit. Schach, S. 1009. Vgl. zusammenfassend auch BVerfGE 53,30 (69 ff. abw. Meinung der Richter Simon und Heußner). 44 Stern, III/1, S. 976. 45 Stern, III11, S. 977. 46 Schach, S. 1007.

B. Materielle GNndrechte

45

Bundesverfassungsgericht die besondere Rolle der materiellen Grundrechte betont47• 11. Verhältnis zur rechtsstaatIicben Garantie auf umfassenden, wirksamen Gericbtsscbutz Zur Bestimmung der genaueren Bedeutung der materiellen Grundrechte für den vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz muß das Verhältnis der letztlich auf dem Rechtsstaatsprinzip beruhenden Garantie umfassenden und wirksamen Gerichtsschutzes48 zum Gebot wirksamen Rechtsschutzes aus den materiellen Grundrechten untersucht werden. Diese Konstellation tritt nicht nur für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten auf, sie wird gerade für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten diskutiert, für die sich die Garantie umfassenden Gerichtsschutzes ausdrücklich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergibt49• Es kann daher auch auf die einschlägige Rechtsprechung und Literatur dazu zurückgegriffen werden, da eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt isfO. Art. 19 Abs. 4 GG wird als "formelles Hauptgrundrecht" bezeichnef l . Dessen Garantie eines umfassenden Gerichtsschutzes gewinnt bei seiner Umsetzung Form und Farbe erst durch den Bezug auf das jeweils verletzte subjektive Recht52• Die materiellen Grundrechte geben dem allgemeinen Gebot umfassenden Gerichtsschutzes das Ziel vor: Es geht um die Sicherung der materiellen Rechte selbsf3• Nichts anderes kann für privatrechtliche Streitigkeiten gelten; die rechtsstaatliche Gerichtsschutzgarantie begründet keine materiellen Rechtspositionen, sondern setzt sie voraus; insoweit wirkt sie sich im materiell-rechtlich vorgegebenen Rahmen als

47 48 49

S. o. § 3 A. 11. 1. S. § 3A.1., 11.

Wobei in der öffentlich-rechtlichen Literatur teilweise behauptet wird, daß es dieses Aufeinandertreffen im Privatrecht nicht gebe, vgl. Schoch, S. 1010; Lorenz, AöR 105 (1980), 647; ders., JURA 1983, 394 ff. Dies rührt daher, daß die Autoren die Garantie umfassenden Gerichtsschutzes im Privatrecht nicht auf das Rechtsstaatsprinzip stützen.

50 Zur "ParallelisieNng" der Garantie des Gerichtsschutzes in bürgerlich-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten s. schon § 3 A. 11. 1. 51 Vgl. MaunzjDürig/Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 21; Schmidl-Aßmann, NVwZ 1983, 3 f.; Stern, Festschrift für Ule, S. 361 f.; SChoch, S. 1012. 52

Donner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG Rdnr. 387.

53

MaunzjDürig/Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 21; Lorenz, AöR 105 (1980), 635

ff.; Schoch, S. 189.

§ 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen

46

Realisierungssicherung aus54• Die formale rechtsstaatliche Garantie umfassenden und wirksamen Gerichtsschutzes sichert daher gerade die gerichtliche DurchsetzbarkeirS5 und fixiert unabhängig von bestimmten Ausprägungen des materiellen Rechts56 einen Mindeststandard für die Wirksamkeit des Rechtsschutzes57, während das Rechtsschutzelement der materiellen Grundrechte erst bei der Ausgestaltung des Verfahrens zum Tragen komm~, worauf im folgenden noch einzugehen sein wird.

c. Inhaltliche Vorgaben für den vorläufigen Gerichtsschutz Zu untersuchen ist, ob aus der rechtsstaatlichen Garantie umfassenden und wirksamen Rechtsschutzes sowie aus dem Gebot wirksamen Rechtsschutzes, das den materiellen Grundrechten entnommen wird, konkrete inhaltliche Konsequenzen für die einfach-rechtliche Ausgestaltung des vorläufIgen gerichtlichen Rechtsschutzes abgeleitet werden können. Insbesondere bedarf der Konkretisierung, was unter dem Mindeststandard zu verstehen ist, den das rechtsstaatliche Gebot wirksamen Rechtsschutzes fIXiert, und was darüber hinaus aus den materiellen Grundrechten abzuleiten isrS9• Nicht näher behandelt werden die allgemeinen verfassungsrechtlichen Rechtsschutzstandards, wie z.B. die Art. 97, 101 Abs. 1, 103 Abs. 1 GG60• Zunächst muß aber der funktionelle Gesamtrahmen aufgezeigt werden, in dem der vorläufIge Rechtsschutz steht, da die Funktion auch die Ausgestaltung mitbestimmt.

54 Grundlegend Düa, Gerichtsschutz, S. 125 Cf.; ders., Gutachten, S. 15; Lorenz, Rechtsschutz, S. 261.

55 Vgl. Lorenz, NJW 1m, 870; ders., JURA 1983, 395 Cf.,. s. auch Stern, I, S. 839 C. Vgl.

auch schon § 3 A. I. 56 57 1012.

Vgl. Dütz, Gerichtsschutz, S. 127. Vgl. MaunzjDürig/Schmidt-AßI7IQ1UI, Art. 19 Abs. 4 Rdnm. 14, 23. s. auch SChoch, S.

58

Vgl. Lorenz, JURA 1983, 397; Donner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 432; Schoch, S. 1012; s. auch BVerfGE 49,252 (256 C.); s. auch Finkelnburg/lanJc, Rdnr.4. 59 Zu dieser Konstellation s. schon § 3 B. 11.

60

Vgl. dazu schon § 3 A. 11. 1.

C. Inhaltliche Vorgaben für den vorläufigen Gerichtsschutz

47

I. Funktion des vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes im zivilprozessualen Rechtsschutzsystem Es wurde schon dargestellt, daß zwischen vorläufigem gerichtlichen Rechtsschutz und Hauptsacherechtsschutz eine verfassungsrechtlich vorgegebene, zeitliche Verknüpfung besteht61 : Der vorläufige Rechtsschutz soll eine streitige Rechtsposition für die Dauer des Verfahrens gegen ihre Entwertung allein durch Zeitablauf sichern, während die endgültige Entscheidung des Rechtsstreits dem Hauptverfahren vorbehalten ist. Es besteht also zwischen vorläufigem und Hauptsacherechtsschutz eine funktionale Beziehung. Um die zu konkretisieren, sind zunächst die Zwecke des Zivilprozesses im allgemeinen zu behandeln62 •

1. Funktion des Zivilprozesses Es entspricht heute der h. M., daß primärer Zweck des Zivilprozesses der Schutz subjektiver Rechte ist63 . Wenn einerseits eine Rechtsordnung subjektive Rechte gewährt, andererseits aber Selbsthilfe zur DurchsetZUDg dieser Rechte weitgehend verbietet, muß sie dem einzelnen staatlichen Schutz zuteil werden lassen64 • Dies geschieht im privatrechtlichen Bereich durch den Zivilprozeß. Verfassungsrechtlich abgesichert wird dies durch die rechtsstaatliche Garantie umfassenden Gerichtsschutzes im Privatrecht, die wie Art. 19 Abs. 4 GG im öffentlichen Recht, Individualrechtsschutz garantiert, d. h. der Gerichtsschutz setzt am subjektiven Recht des einzelnen an65 . Eine Bestätigung auf einfach-rechtlicher Ebene gibt das allgemein anerkannte Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses des einzelnen für eine Klage auch über die Fälle der §§ 256, 259 hinaus66 •

61 62

63

Vgl. § 3 A. 11. 2. Vgl. Leipold, S. 83.

Vgl. Grunsky, Grundlagen, S. 3; SteinjJonas/Schumann, Eint. Rdnr. 7; Rosenberg/Schwab, S. 3; Schilken, S. 102 f.; Lorenz, AöR 105 (1980), 644; Schumann, 'ZZP 96 (1983), 153; Benda/Weber, 'ZZP 96 (1983), 287; Habscheid, 'ZZP 96 (1983), 306 f.; a. A. etwa Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 64, wonach der Zivilprozeß ein Verfahren zur Rechts-

ausübung biete, sein Zweck also die Rechtsausübung sei.

64

SteinjJonas/Sclwmann, Eint. Rdnr. 7; Grunsky, Grundlagen, S. 1 ff.

65 VgJ. dazu Dütz, Gerichtsschutz, S. 11, 125 ff.; s. auch Maunz/Dürig/Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnm. 8, 11; Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 25. 66

S. dazu Rosenberg/Schwab, S. 548 ff.

48

§ 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen

Umstritten ist, ob es noch weitere Zwecke des Zivilprozesses gibt67• So wird auf die Bewährung der objektiven Rechtsordnung als weiteren Zweck des Zivilprozesses verwiesen68• Daran ist richtig, daß der Schutz subjektiver Rechte auch der Bewährung des objektiven Rechts dient69• Jedoch ist dies nur eine Wirkung des Individualrechtsschutzes nicht sein Zie170 • Der einzelne Rechtsschutzsuchende ist nicht zugleich "Prozeßstandschafter für das objektive Recht" 71. Dafür spricht auch die Dispositionsmaxime, nach der Einleitung und Durchführung des Verfahrens in den Händen der Parteien liegt72• Deshalb ist die Bewährung der objektiven Rechtsordnung als Prozeßzweck abzulehnen, es handelt sich um einen bloßen Reflex. Teilweise wird auch auf die Rechtsfriedensfunktion des Zivilprozesses verwiesen73. Es gehöre zu den Aufgaben des Zivilprozesses, die zwischen den Parteien gestörte Ordnung wiederherzustellen und eine Regelung anzustreben, die dem Rechtsfrieden zwischen den Parteien dient; deutlich zeige sich dies bei den Normen zu Rechtskraft und Beweislast und in der Institution des Zivilprozesses selbst74. Zu bedenken ist jedoch, daß die rechtsstaatliche Garantie umfassenden Gerichtsschutzes im Privatrecht auch Wirksamkeitserfordernissen unterliegen muß75 ; das heißt auch, daß richterliche Erkenntnis nach Ausschöpfung eines gegebenen Instanzenzuges nicht mehr in jedem Fall in Frage gestellt werden darf, also ihre Beständigkeit gesichert werden muß. Damit aber ist die Einführung der Rechtskraft ein Postulat wirksamen Rechtsschutzes76. Gleiches gilt für die Beweislastregelungen, denn auch sie sind ein Instrument dafür, dem subjektiven Recht in angemessener Zeit zur Geltung zu verhelfen. Insgesamt stellt sich die Rechtsfrie-

67 68

69 70

71 72

S. allgemein zu diesem Problem Jauemig, JuS 1971, S. 329 Cf. Gaul, AcP 168 (1968), 46 f. mit weit. Nachw.

Stein/lonasjSchumann, Einl. Rdnr. 10. Rosenberg/Schwab, S. 3; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 52. Grunsky, Grundlagen, S. 5. Vgl. Stein/lonasjSchumann, Einl. Rdnr. 10.

73 Stein/lonasjSchumann, Einl. Rdnm. 11 Cf.; s. auch Sax, 'Zll67 (1954), 32 ff.; Schönke, Das Rechtsschutzbedürfnis, S. 11 ff.; Pawlowski, 'ZllSO (1967), 361 Cf. 74

75

76

Vgl. Stein/lonasjSchumann, Einl. Rdnm. 11 f., 14.

S. § 3 A. 11. 1. Vgl. Dütz, Gerichtsschutz, S. 120 Cf.

C. Inhaltliche Vorgaben für den vorläufigen Gerichtsschutz

49

densfunktion des Zivilprozesses heute77 daher nur noch als Reflex der Garantie wirksamen Rechtsschutzes dar. Eine eigenständige Funktion des Zivilprozesses ist sie nicht78• Es ist also festzustellen, daß der eigentliche Zweck des Zivilprozesses im Schutz subjektiver Rechte liegt. Die Bewährung des objektiven Rechts und die Wiederherstellung des Rechtsfriedens sind nur Reflexe dieses Zwekkes79• 2. Funktionen des vorläufigen Rechtsschutzes In der Literatur werden bei der Frage nach der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes die verschiedensten Formulierungen gewähltso. Im folgenden werden die Funktionen aus der Verfassung entwickelt und konkretisiert. a) Rechtsschutzfunktion Die verfassungsrechtliche Legitimation des vorläufigen Rechtsschutzes aus der rechtsstaatlichen Garantie wirksamen Gerichtsschutzes wurde schon aufgezeigt81. Entscheidend ist, daß ein überlanges gerichtliches Hauptsacheverfahren die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes erheblich beeinträchtigen kann; der vorläufige gerichtliche Rechtsschutz muß eine streitige Rechtsposition für die Dauer des Rechtsstreits gegen ihre Entwertung allein durch Zeitablauf sichern, bis eine endgültige Entscheidung des Rechtsstreits im Hauptverfahren getroffen werden kann82 . Daraus aber ergibt sich eine den Hauptsacherechtsschutz ergänzende Funktion83; der vorläufige Rechtsschutz ist Teil des zivilprozessualen Gesamtsystems. Er ist damit aber auch den gleichen Zwecken wie der Zivilprozeß verpflichtet84• 77 Anderes mag bei der Einführung eines geordneten ProzeBverfahrens gegolten haben, vgI. Grunsky, Grundlagen, S. 3. 78 Vgl. im Ergebnis auch Grunsky, Grundlagen, S. 3 f.; Rosenberg/Schwab, S.3; SlÜrner, Aufklärungspßicht, S. 54; Gaul, AcP 168 (1968), 57 ff. 79 A. A. insbes. Leipold, S. 83, der sich aber mit dem Streit um die Zwecke des Zivilprozesses nicht auseinandersetzt. SO Vg1. die nur auf §§ 935 ff. bezogenen Aufzählungen bei Morbach, S. 8 ff.; Ahrens, S. 282 ff.

81 S.§3A.1I. 82 S. §3A. 11. 83

84 4 Vogg

Im Ergebnis auch Morbach, S. 8. Im Ergebnis auch Leipold, S. 83.

50

§ 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen

Dazu wurde oben schon ausgeführt, daß der Zweck des Zivilprozesses heute im Schutz der subjektiven Rechte liegt8S. Somit dient der vorläufige Rechtsschutz, dem Begriff gemäß86, Rechtsschutzzwecken. Da die endgültige Entscheidung der Hauptsache verfassungsrechtlich grundsätzlich dem Hauptverfahren vorbehalten ist87 und im vorläufigen Rechtsschutz keine endgültige Verwirklichung des materiellen Rechts erfolgen soll, besteht die konkrete Rechtsschutzfunktion des vorläuftgen Rechtsschutzes darin, daß der Streitfall für die Entscheidung in der Hauptsache so offenzuhalten ist, daß das Hauptsacheverfahren noch wirksamen Rechtsschutz gewähren kann88, die Schaffung irreparabler Tatsachen bis zur Hauptsacheentscheidung soll verhindert werden89 • Bezogen auf die "Offenhaltefunktion" des einstweiligen Rechtsschutzes wird die Ansicht vertreten, daß dieses Rechtsschutzverfahren nicht der Sicherung des materiellen Rechts diene, sondern daß es eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern und im status quo halten wolle90• Diese Meinung ist abzulehnen91 • Gerichtsschutz ist keine von den materiellen (Grund-)Rechten abgehobene Kategorie, sondern der Schutz des materiellen Rechts ist gerade sein Zweck92 . Dementsprechend wurde auch beim Zivilprozeß der Schutz subjektiver Rechte als Zweckbestimmung dargelegt93. Nimmt man hinzu, daß, wie eben aufgezeigt wurde, der vorläufige Rechtsschutz, zu dem auch der einstweilige Rechtsschutz gehört, gleichen Zwecken wie der Zivilprozeß verpflichtet ist, so kann es bei der "Offenhaltefunktion" nur um die Sicherung der Durchsetzung des materiellen Rechts gehen und nicht um die Sicherung eines prozessualen status quo; zumal auch die in den Grundrechten

8S 86 87

S. § 3 C. I. 1.

SChoch, S. 152.

S. § 3 A. 11. 2.

88 VgJ. Stein/Jonas/Grunsky, vor § 916 Abs. 1 Rdnr. 3; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 273. 89

VgJ. Finlrelnburg/Jank, Rdnr. 5; BVerfGE 35, 263 (274); 35, 382 (402); 67,43 (58).

90

Heinze, RdA 1986,274; ders., NZA 1984,306; ders., OB 1985, 125; Banon, NZA 1985,

724.

91 92

93

So auch mit ausführl. Begr. für das Verwaltungsrecht Schoch, S. 188 ff. VgJ. Schoch, S. 189; s. auch schon § 3 B. 11.

S.§3C.I.1.

C. Inhaltliche Vorgaben für den vorläufigen Gerichtsschutz

51

angelegte Garantie wirksamen Rechtsschutzes94, die bei der Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes von maßgeblicher Bedeutung ist95 , eine Orientierung am subjektiven Recht erfordert. b) Funktion der Zwischenzeitüberbrückung Bis zur formell rechtskräftigen Entscheidung einer Streitsache besteht ein möglicherweise langjähriger Zustand der Rechtsgefährdung und Rechtsunsicherheit, beginnend mit der tatsächlichen Entstehung des Streits über die klageweise Geltendmachung des materiellen Rechts bis zur Durchfechtung durch eventuell drei Instanzen. Daran kann sich dann noch eine schleppende Zwangsvollstreckung anschließen. Der vorläufIge Rechtsschutz dient der Überbrückung dieses Zeitraums96• Bestätigt wird dies durch die verfassungsrechtlichen Ausführungen, wonach gerade eine zeitlich funktionale Verknüpfung zwischen vorläufigem Rechtsschutz und Hauptsacherechtsschutz zur verfassungsrechtlichen Garantie eines vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes führt 97• Da die Hauptsache offenzuhalten ist, also nicht endgültig entschieden werden soll, ist eine Interimsregelung98 nötig, bis eine endgültige Entscheidung erfolgt. c) Verhältnis der beiden Funktionen zueinander Die Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes, die Entscheidungsfähigkeit der Hauptsache offenzuhalten, um das subjektive Recht zu sichern, kann nicht durch Verzicht auf jegliche Maßnahmen erreicht werden; es muß eine Regelung für die Zeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung erfolgen. Das Verhältnis der beiden Funktionen zueinander läßt sich daher zunächst so beschreiben: Die "Offenhaltefunktion" ist der primäre Zweck des vorläufIgen Rechtsschutzes, während die Funktion der Zwischenzeitüberbrückung als notwendige Folge der "Offenhaltefunktion" mehr die Ausgestaltung des vorläufIgen Rechtsschutzes betrifft. In diesen beiden Funktionen ist aber

94

95 96

s. § 3 B. I. S.§3B.II.

Darauf wurde schon unter § 1 A. hingewiesen. Leipold, S. 84, sieht in der Zwischenzeitüberbrückung den einzigen Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes. 97 98

S. § 3 A. 11. 2; Finkelnburg/Jank, Rdnr. 137. Schoch, S. 192.

§ 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen

52

schon ein Konflikt angelegt99; erkennt man die Notwendigkeit einer Zwischenzeitregelung an, dann ist ein völliges Offenhalten des Streitfalls bis zur endgültigen Entscheidung nicht ohne weiteres möglich; vorläufige Maßnahmen sind oftmals nicht mehr rückgängig zu machen, sondern beeinträchtigen das materielle Recht. Besonders deutlich wird dies bei U nterlassungsansprüchen. Wird ein solcher Anspruch durch vorläufigen Rechtsschutz gesichert, so führt dies während des zu regelnden Zwischenzeitraums zur Befriedigung des Gläubigers; wird der vorläufige Rechtsschutz verweigert, führt dies bezogen auf die Zwischenzeit zum endgültigen Rechtsverlust1OO• Festzuhalten ist, daß dieser Konflikt der Funktionen in der Verfassung angelegt ist. Ihn aufzulösen ist Aufgabe des Gesetzgebers. Auf was er dabei zu achten hat, wird noch zu behandeln sein. 11. Rechtsstaatliehe Garantie wirksamen Gerichtsschutzes Es wurde schon festgestellt, daß die rechtsstaatliche Garantie wirksamen Gerichtsschutzes einen vorläufigen Gerichtsschutz einschließt101 ; es besteht insoweit ein Auftrag an den Gesetzgeber zur Normierung dieser Materie102• Nun ist zu untersuchen, welche konkreten inhaltlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes aus der rechtsstaatlichen Garantie wirksamen Gerichtsschutzes folgen. Jedenfalls ist Zurückhaltung bei der Herleitung ganz bestimmter Rechtsschutzfolgen aus verfassungsmäßigen Fundamentalaussagen geboten103• Die rechtsstaatliche Garantie wirksamen Gerichtsschutzes ist nicht mit beliebigen Maximalforderungen in Sachen Rechtsschutz auffüllbar; nicht alles, was im Bereich des Rechtsschutzes rechtspolitisch wünschenswert oder machbar erscheint, ist deshalb bereits verfassungsrechtlich geboten104• Daher hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes einen großen Spielraum lOS • 99

vgl. dazu auch Schoch, S. 156, 192 f.

100 Vgl. BroxjWaJker, Rdnr. 1596. 101 Vgl. § 3 A. n., III. 102 103 104 lOS

Vgl. Dütz, Gutachten, S. 13; Finkelnburg/Jank, Rdnr. 2. Vgl. Dütz, Gutachten, S. 13; Stümer, Festschrift für Baur, S. 649 f., 666. Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 386.

Vgl. MaunzIDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnm. 14, 17; Dütz, Gutachten, S. 13; Wolf, S. 267; Leipold, S. 2; Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 386.

c. Inhaltliche Vorgaben für den wrläufigen Gerichtsschutz

53

So ist es verfassungsrechtIich nicht entscheidend, mit welcher Technik das materielle Recht gesichert wird, vielmehr muß sich jede Regelung nur am Erfolg messen lassen; der einfach-gesetzlich vorgesehene vorläufige Rechtsschutz muß so rechtzeitig sein, daß von einem wirksamen Rechtsschutz gesprochen werden kann106. Soweit in diesem Sinne das einfach-gesetzlich vorgesehene Verfahren den vorläufigen Rechtsschutz rechtzeitig ermöglicht, ist verfassungsrechtlich jedes Mittel recht107. Der Gesetzgeber kann aber auch durch die Einführung bzw. Erweiterung von vorbeugenden Klagen und Klagen auf künftige Leistung die Notwendigkeit vorläufigen Rechtsschutzes einschränken, wenn dadurch schon der Hauptsacherechtsschutz rechtzeitig gewährt wird108. Für das schon in den Funktionen des einstweiligen Rechtsschutzes angelegte Problem der Irreparabilitäten109 ist der rechtsstaatlichen Garantie wirksamen Rechtsschutzes keine Lösung zu entnehmen, da sie als "formelles Grundrecht"110 keine materiellen Kriterien für eine Risikoverteilung zwischen den Parteien vorgibt 111 • Inhaltlich ableitbar ist aus dem rechtsstaatlichen Gebot wirksamen Rechtsschutzes die Festlegung auf den Individualrechtsschutz; es geht um den Schutz der mit dem einzelnen Menschen verbundenen Rechtsstellung. Dies ergibt sich für Art. 19 Abs. 4 GG aus seinem Wortlaut112. Gleiches gilt aber für den privatrechtlichen Bereich, wie schon bei der Herleitung der rechtsstaatlichen Garantie umfassenden Gerichtsschutzes gezeigt wurde113. Daher fällt Rechtsschutz, der nicht subjektiv-rechtlich ausgerichtet ist, nicht unter die verfassungsrechtliche Garantie umfassenden Gerichtsschutzes, obgleich ein solcher Rechtsschutz zulässig ist, wenn er den subjektiv-rechtli-

106 Vgl. MaunzjDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 274. S. dazu auch schon § 3

A. 11. 2.

107 Vgl. MaunzjDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 275. 108 Vgl. Dütz, Gutachten, S. 13; s. auch MaunzjDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4

Rdnr. 278; Finkelnburg/Jank, Rdnr. 20.

109 S. § 3 C. I. 2. c). 110 Vgl. § 3 B. 11. 111 Vgl. Schoch, S. 1005.

3.

112 Vg1. MaunzjDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 8; Finkelnburg/Jank, Rdnr. 113 Vgl. § 3A. I.

§ 3 Verfassungsn:chtliche Grundlagen

54

ehen Rechtsschutz nicht beeinträchtigt114. Auch muß ein solcher Rechtsschutz bei der Ausgestaltung die materiellen Grundrechte beachten115. Zusammenfassend ist zu sagen, daß dem rechtsstaatlichen Gebot wirksamen Gerichtsschutzes, abgesehen von der subjektiv-rechtlichen Ausrichtung116, keine konkreten Vorgaben, die über die Zielvorgabe eines wirksamen vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes hinausgehen, für die Ausgestaltung des vorläufIgen Rechtsschutzes entnommen werden können117. Dies liegt vor allem daran, daß aus der rechtsstaatlichen Garantie wirksamen Rechtsschutzes selbst keine materiellen (Grund-)Rechte ableitbar sind 118• Daran schließt sich die Frage an, welche Anforderungen an den vorläufigen Gerichtsschutz aus der grundrechtsunmittelbaren Garantie wirksamen Rechtsschutzes folgen. 111. Grundrechtsunmittelbarer wirksamer Rechtsschutz

Es wurde schon früher darauf hingewiesen, daß die grundrechtsunmittelbare Garantie wirksamen Rechtsschutzes für die Ausgestaltung des vorläufigen Gerichtsschutzes besondere Bedeutung hat, während die rechtsstaatliche Garantie wirksamen Gerichtsschutzes nur einen Mindeststandard sichert119• Das Verhältnis beider Garantien soll an dieser Stelle noch vertieft werden, um dadurch die Bedeutung des grundrechtsunmittelbaren Gebots wirksamen Rechtsschutzes deutlicher zu machen. 1. Bedeutung der grundrechtsunmittelbaren Garantie wirksamen Rechtsschutzes

Früher wurde im Zusammenhang mit der Forderung nach tatsächlich wirksamem Rechtsschutz zumeist von Effektivität des Rechtsschutzes gesprochen120• Für diese Begriffsbildung gibt es historische Ursachen: Sie 114 115

Vgl. MaunzjDürig/Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 9. Vgl. Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 432.

116 S. ausführlich noch § 4. A. 117

Vgl. Schoch, S. 1000; s. auch schon § 3 D. 11., wo auf den Charakter des rechtsstaatlichen Gebots wirksamen Rechtsschutzes als Mindestverbürgung hingewiesen wurde. 118 119

S. § 3D. 11.

Vgl. § 3 D. 11., C. 11.

120 Vgl. nur die Nachw. bei Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 383.

c. Inhaltliche Vorgaben für den vorläufigen Gerichtsschutz

55

wurde anband des Art. 19 Abs. 4 GG für das klassische zweipolige Verwaltungsverhältnis entwickelt, in dem sich Staat und einzelner Bürger als Parteien mit ungleich verteilter Macht gegenüberstehen. Dort wurde zur Herstellung der Chancengleichheit zwischen den Parteien einem effektivem im Sinne von extensiven Gerichtsschutz das Wort geredet121 • Diese Vorstellung im öffentlichen Recht hat sich aber gewandelt, als die Probleme im mehrpoligen Verwaltungsverhältnis deutlich wurden. Hier geht es nicht mehr nur um das primäre Rechtsverhältnis zwischen Behörde und Antragsteller, sondern, etwa bei Nachbar- und Konkurrentenklagen, auch um die dadurch mitgestalteten Beziehungen zu Dritten122• Eine Optimierung des Rechtsschutzes für den Antragsteller kann in solchen Fällen zur Verletzung materieller (Grund-)Rechte bei Dritten führen l23; dies widerspricht dem Grundsatz, daß eine Verfassungsnorm so auszulegen ist, daß anderen Verfassungsnormen und grundsätzen kein Abbruch getan wird l24 • Auch nimmt man dem Gesetzgeber entgegen dem Willen des Verfassungsgebers jeden Spielraum bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzes, wenn man effektiven Rechtsschutz mit optimalem Rechtsschutz verwechseln würde125 • So ist die Ansicht, die Rechtsschutzgarantie sei extensiv auszulegenl26, abzulehnen. Vielmehr sind alle betroffenen Verfassungsnormen und -grundsätze, insbesondere also auch die materiellen Grundrechte, insgesamt zur bestmöglichen Wirksamkeit zu führen 127• Daher setzt sich im öffentlichen Recht immer mehr die Terminologie durch, bei Art. 19 Abs. 4 GG vom wirksamen statt vom effektiven Rechtsschutz zu sprechen, um die historisch bedingten Mißdeutungen des Wortes "effektiv" zu vermeiden128• Somit hat die Besinnung auf die materiellen (Grund-)Rechte den Blick dafür geschärft, worum 121 122

123 157. 124

Vgl. MaunzjDürig/Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnm. 3,5.

MaunzjDürig/Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 3; Schoch, S. 1135. MaunzjDürig/Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 3; vgl. auch Schoch, S. 153 Fn.

S. dazu MaunzjDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnm. 4, 5; BVerfGE 60,253 (267); BVerwG NJW 1984, 189; Schmidl-Aßmann, NVwZ 1983,1. 125 Vgl. Donner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 386; s. auch Lorenz, AöR 105 (1980), 636; Schenke, Rechtsschutz, S. 160 ff.; Dülz, Gutachten, S. 15. 126 Vgl. AK-GG-Wassermann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 16; v.MangoldljKJein, Art. 19 Anm. VII; Rohmeyer, S. 150 mit weit. Nachw. 127 MaunzjDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 5. 128 Vgl. MaunzjDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 5; Schoch, S. 153 Fn. 157. Dieser neueren Terminologie wurde hier schon vom Beginn an gefolgt, da sich daran keine

§ 3 Verfassungsrechtlicbe Grundlagen

56

es in Art. 19 Abs. 4 GG und in der rechtsstaatlichen Garantie wirksamen Gerichtsschutzes für das Privatrecht geht, nämlich um die Wirksamkeit des materiellen Rechts durch Rechtsschutzl29• Desweiteren wurde auch am Beispiel des mehrpoligen Verwaltungsverhältnisses deutlich, daß zwei verschiedene materielle (Grund-) Rechtspositionen bei der Gewährung wirksamen vorläufigen Rechtsschutzes zum Ausgleich gebracht werden müssen. Es gilt, was eben schon gesagt wurde; beide materiellen (Grund-)Rechtspositionen sind auszugleichen und zur bestmöglichen Wirksamkeit zu führen l30; es besteht also für den Geset7geber die Verpflichtung zu ausgewogenem Rechtsschutzl3l . Da es in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten immer um die Ausgleichung mindestens zweier privater und gegensätzlicher Interessen geht, besteht diese Verpflichtung zu ausgewogenem Rechtsschutz gerade auch im Privatrecht. Zusammenfassend ist zu sagen, daß die grundrechtsunmittelbare Garantie wirksamen Rechtsschutzes einerseits das Verständnis der rechtsstaatlichen Garantie wirksamen Rechtsschutzes gefördert hat; es geht hierbei um die Wirksamkeit des materiellen Rechts durch Rechtsschutz. Andererseits muß der vorläufige Gerichtsschutz im Privatrecht ausgewogen sein, da immer mindestens zwei materielle (Grund-)Rechtspositionen auszugleichen sind; insoweit handelt es sich bei dem Gebot beiderseitiger Interessenausgleichung um ein allgemeines Prinzip des vorläufigen Gerichtsschutzes132•

inhaltlichen Folgerungen knüpfen und der Begriff "wirksam" auch für den bürgerlich-rechtlichen Bereich treffender ist als der Begriff "effektiv". 129 Vgl. Schoch, S. 1015; Lorenz, AöR 105 (1980), 638 f.

130 Hesse, Rdnm. 317 ff., bezeichnet diese Ausgleichung als praktische Konkordanz. Vgl. MaunzjDürig/Schmidt-AßmtU/II, Art. 19 Abs. 4 Rdl1m. 4, 273, 275; MaunzjDürig/Papier, Art. 14 Rdnm. 53, 54; BVerfGE 37,132 (140); 25, 112 (117 ff.); 58, 300 131

(335).

132 Im Ergebnis ebenso, aber ohne verfassungsrechtliche Fundierung Dütz, BB 1980, 538; ders., DB 1980, 1070.

C. Inhaltliche Vorgaben für den vorläufigen Gerichtsschutz

57

2. Konkretisierungen des Gebots ausgewogenen Rechtsschutzes

Es ist zu untersuchen, inwieweit die Zielvorgabe eines ausgewogenen Rechtsschutzes sich umsetzen läßt in konkrete Anforderungen an den vorläufigen Gerichtsschutz. Wie schon aus der rechtsstaatlichen Garantie wirksamen Gerichtsschutzes133, so läßt sich auch aus dem grundrechtsunmittelbaren Gebot ausgewogenen Rechtsschutzes keine bestimmte Sicherungstechnik für das materielle Recht ableiten; so ist es nicht unausgewogen, wenn vorläufiger Rechtsschutz nicht automatisch mit Einlegung eines Rechtsbehelfs greift l34 . Daher ist z. B. die aufschiebende Wirkung des § 80 Abs. 1 VwGO nicht durch die Verfassung garantiertl35 . Auch die Normierung des vorläufigen Gerichtsschutzes im Privatrecht durch zwei normtechnisch so verschieden ausgestaltete Regelungskomplexe wie die §§ 708 ff. und die §§ 916 ff. ist daher verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich. Die teilweise Funktionsidentität beider Institutel36 zieht nicht notwendigerweise eine Konstruktionsidentität nach sich. Zudem kann die funktionale Gemeinsamkeit von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz konstruktiv unterschiedliche gesetzliche Ausformungen der Rechtsinstitute nicht nivellieren137• Die Zweiteilung des vorläufigen Gerichtsschutzes im Privatrecht ist entwicklungsgeschichtlich bedingtl38 und auf der Basis des geltenden Rechts zu akzeptieren139• Verfassungsrechtlich entscheidend ist der Regelungserfolg, nicht die Sicherungstechnik14O• Für das in den Funktionen des einstweiligen Rechtsschutzes angelegte Problem der Irreparabilitäten141 bedeutet das Gebot ausgewogenen Rechtsschutzes zunächst, daß der Gesetzgeber bei der Normierung eine Abwägung und Gewichtung der Interessen vornehmen muß. Jedoch darf keine Schutztechnik für das materielle Recht des Gläubigers gewählt werden, die gegen133

Vgl. § 3 C. 11.

134

Vgl. MaunzjDürig/Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 274.

135

Vgl. Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 413; Schoch, S. 1118 ff.; Lo-

renz, JURA 1983,400; Bettermann, OVBI. 1976, 65. 136 S. grundlegend 1 3 C. I. 2.; s. aber auch § 6. 137

Vgl. zum öffentlichen Recht Schoch, S. 1072 f.

138 S.12. 139

Zur Rechtslage in anderen Staaten s. 1 1 A.

140 S. schon § 3 C. II. 141

S. § 3 C. I. 1. c).

§ 3 Verfusungsrechtliche Grundlagen

58

sätzliche Positionen der anderen Partei schematisch beeinträchtigtl42; vielmehr sind deren Interessen in ausgewogener Weise Rechnung zu tragen. Hierzu können auch ersatzrechtliche Vorschriften wie die §§ 945, 717 beitragen l43. Zusammenfassend ist auch bei der Garantie grundrechtsunmittelbaren wirksamen Rechtsschutzes festzuhalten, daß sich die Zielvorgabe eines ausgewogenen Rechtsschutzes nicht zu detaillierten Vorgaben verdichten läßt. IV. Ergebnis Weder aus der Funktion des vorläufigen Gerichtsschutzes noch aus der rechtsstaatlichen Garantie wirksamen Gerichtsschutzes und ebensowenig aus der Garantie ausgewogenen Rechtsschutzes lassen sich detaillierte inhaltliche Konsequenzen für die Ausgestaltung des vorläufigen Gerichtsschutzes ableiten. Allerdings konnten der verfassungsmäßige Rahmen der einfach-gesetzlichen Regelung und bestimmte Zielkonflikte, die der Gesetzgeber zu lösen hat, aufgezeigt werden l44 . Er hat sich dabei an die Direktiven des Bundesverfassungsgerichts zu halten, das die Regelungen zweckgerichtet, geeignet und angemessen sowie für den Rechtsschutzsuchenden zumutbar sein müssenl45 . Inwieweit der Gesetzgeber im vorläufigen Rechtsschutz der ZPO dieser Aufgabe gerecht wurde, wird noch zu behandeln sein.

D. Rechtsanwendung Die aufgezeigten verfassungsrechtlichen Grundlagen des vorläufigen Gerichtsschutzes binden aber nicht nur den Gesetzgeber gem. den Art. 1 Abs. 3,20 Abs. 3 GG sondern auch die Rechtsprechungl46, die gem. Art. 20 Abs. 3 GG darüber hinaus das einfache Recht beachten muß. Für die Rechtsprechung gewinnt diese Konstellation besondere Bedeutung bei der Auslegung von einfach-rechtlichen Normen; es muß hierbei dem Verfassungsrecht zur 142 Vgl. MaunzjDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 275. 143 Vgl. MaunzjDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 275. 144 Auf diese Ausführungen wird in den weiteren Paragraphen dieser Schrift zurückzu-

kommen sein. Was bisher nur angedeutet werden konnte, ist dann im direkten Bezug zu den einfachrechtlichen Normen noch zu konkretisieren.

145 Vgl. BVerfGE 60,253 (269). 146 Vgl. MaunzjDürig/Herzog, Art. 20 VI Rdnm. I, 15,24; BendafWeber, 'z:n? 96 (1983),

288f.

]).~huanwendung

59

Geltung verholfen werden147• Die verfassungsorientierte Auslegung und Konkretisierung verschiedener Regelungselemente des vorläufigen Rechtsschutzes ist Teil der systematischen Gesetzesinterpretationl48• Diese verfassungsorientierte Auslegung, die durch den Vorrang des Verfassungsrechts vor dem einfachen Recht notwendig ist149, wird im weiteren zu beachten sein.

147

Vgl. Maunz/Dürig/Herzog, Art. 20 VI Rdnr. 27. Schoch, S. 1008; s. auch Larenz, Allgemeiner Teil, S. 82 ff. 149 Vgl. Larenz, Allgemeiner Teil, S. 79; s. auch Schumann, ZZP 96 (1983), 145.

148

§ 4 Vorläufiger Rechtsschutz und materielles Recht Der Erlaß vorläufiger gerichtlicher Maßnahmen bedarf bestimmter Voraussetzungen, die für den zivilprozessualen Bereich in den §§ 708 ff. und den §§ 916 ff. normiert wurden. Es stellt sich die Frage nach den Verknüpfungen der vorläufigen Maßnahmen mit dem materiellen Rechtl; ist ein materieller Anspruch notwendige Voraussetzung für die vorläufigen Anordnungen? Falls dies zu bejahen ist, kann man vom vorausprüfenden bzw. materiell-akzessorischen vorläufigen Rechtsschutz sprechen; verneint man diese Frage, vielleicht auch nur für bestimmte Bereiche, rechnet man diese Maßnahmen zum offenen vorläufigen Rechtsschut?, bei dem eine Anordnung losgelöst vom materiellen Recht aufgrund einer Abwägung der Parteiinteressen erfolgen so1l3. Zunächst ist zu untersuchen, ob und welche verfassungsrechtlichen Anforderungen in dieser Frage zu beachten sind. A. Verfassungsrechtliche Anforderungen

Mehrfach wurde schon darauf hingewiesen, daß zwischen vorläufigem gerichtlichen Rechtsschutz und Hauptsacherechtsschutz eine verfassungsrechtlich vorgegebene, zeitliche Verknüpfung besteht4 : Dcr vorläufige Rechtsschutz soll eine streitige Rechtsposition für die Dauer des Verfahrens gegen ihre Entwertung allein durch Zeitablauf sichern, während die endgültige Entscheidung des Rechtsstreits dem Hauptverfahren vorbehalten ist. Es besteht also zwischen vorläufigem und Hauptsacherechtsschutz eine funktionale Beziehung. Der eigentliche Zweck des Zivilprozesses liegt im Schutz subjektiver Rechte5. Da der vorläufige gerichtliche Rechtsschutz den gleichen Zwecken wie der Hauptprozeß verpflichtet ist, dient auch er dem Schutz subjektiver Rechte durch das Offenhalten der Entscheidungsfähig-

1

2

Vgl. Baur, S. 17; Leipold, S. 52 ff.; Minnerop, S. 51 ff.; Grunsky, JuS 1976, 281.

Diese Tenni:Jologie wurde von Leipold, S. 52 ff., geprägt; ders., ~ 90 (19TI), S. 266 ff.; vgI. dazu auch Däubler/Colneric, Rdnm. 1314 ff.; Luckscheiler, S. 43 ff.; Minnerop, S. 80 f. 3 4

5

Vgl. Leipold, S. 53f.

S. § 3 A. 11. 2. u. C. I. S.§3C.I.1.

A. Verfassungsrechtliche Anforderungen

61

keit für das Hauptsacheverfahren6• Diese "Offenhaltefunktion" bezweckt gerade die Sicherung des materiellen Rechts und nicht die Sicherung einer zukünftigen oder gegenwärtigen prozessualen Rechtsstellung7• Das rechtsstaatliche Gebot umfassenden und wirksamen Gerichtsschutzes garantiert einen subjektiv-rechtlich ausgerichteten vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz8; es geht um die Wirksamkeit des materiellen Rechts einer natürlichen oder juristischen Person durch Rechtsschutz. Den Blick dafür geschärft hat auch die grundrechtsunmittelbare Garantie wirksamen Rechtsschutzes9. Schon aus dem bisher Gesagten folgt, daß der vorläufige Gerichtsschutz aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben subjektiv-rechtlich ausgerichtet sein muß; der vorläufige Rechtsschutz bedarf also in der Regel einer materiellen Basis. Dafür spricht auch das verfassungsrechtliche Gebot ausgewogenen Rechtsschutzes10, denn die Ausgleichung gegensätzlicher materieller Rechte kann am gerechtesten vorgenommen werden, wenn man sich am materiellen Recht orientiert. Insofern ist es vom Ansatz her abzulehnen, wenn die Ansicht vertreten wird, daß die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens bei der Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Gerichtsschutzes grundsätzlich außer Betracht bleiben können11. Jedoch ist einzuräumen, daß eine Prüfung des materiellen Rechts nicht soweit gehen darf, daß die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gefährdet wird12• Daher hat der Gesetzgeber im Rahmen des ihm eingeräumten Spielraums einen grundsätzlichen Ausgleich zwischen Schnelligkeit des Rechtsschutzes und Berücksichtigung des materiellen Rechts vorzunehmen. Ansatzpunkte für den Gesetzgeber fmden sich sowohl beim Nachweis der zu subsumierenden Tatsachen als auch bei der Intensität der Rechtsprüfung durch den Richter. An der grundsätzlich subjektiv-rechtlichen Ausrichtung des vorläufigen Gerichtsschutzes ändert dies nichts. Allerdings ist darüber hinaus Rechtsschutz, der nicht subjektiv-rechtlich ausgerichtet ist, verfassungsrechtlich zulässig, 6 7 8 9 10

11

S. § 3 C. I. 2. a). S. § 3 C. I. 2. a). S.§3C.1I. S. § 3 C. III. 1. S. dazu § 3 C. III. 1.

So aber Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 416; Leipold, S. 2AJ7 Cf.; s. auch TsclUra/Schmitt Glaeser, Rdnr. 559.

12

Vgl. Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 416; Maunz/Dürig/Schmidl-

Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 276.

62

§ 4 Vorläufiger Rechtsschutz und materielles Recht

wenn er den subjektiv-rechtlichen Rechtsschutz nicht beeinträchtigt13. Von der Garantie umfassenden Gerichtsschutzes wird ein solcher objektiv-rechtlicher Rechtsschutz jedoch nicht erfaßt l4•

Es ist daher festzuhalten, daß die Verfassung grundsätzlich einen materiell-akzessorischen vorläufIgen Gerichtsschutz fordert. In bestimmten Grenzen ist auch ein sog. offener Rechtsschutz möglich. Der grundsätzlichen Entscheidung der Verfassung für einen materiell-akzessorischen vorläufigen Gerichtsschutz ist bei Auslegung und Anwendung der Gesetze Rechnung zu tragen, soweit nicht der Gesetzgeber deutlich die Normierung eines offenen Rechtsschutzes zum Ausdruck bringt. Mit dieser grundsätzlichen Ausrichtung des vorläufigen Gerichtsschutzes auf das materielle Recht ist aber noch nicht gesagt, daß nicht zusätzlich eine Abwägung der Parteünteressen notwendig ist. Das Gebot ausgewogenen Gerichtsschutzes scheint dies sogar zu fordern15. Darauf wird noch zurückzukommen sein. B. Vorläufige Vollstreckbarkeit Es stellt sich die Frage, inwieweit für Anordnungen nach den §§ 708 ff. ein subjektives Recht vorausgesetzt ist 16. Die vorläufIge Vollstreckbarkeit knüpft zwar gem. § 704 Abs. 1 formell nur an das Vorliegen eines Endurteils an. Jedoch liegt einem vollstreckungsfähigem Endurteil die gerichtliche Feststellung eines Leistungs- oder Haftungsanspruchs zugrunde17. Es entscheidet sich nach materiellem Recht, ob sich aus den vom Kläger behaupteten und bewiesenen Tatsachen die von ihm beantragte Rechtsfolge ergibt; das Gericht hat nur die Wahl zwischen einem ja oder nein, aber keine echte Gestaltungsbefugnis18. Somit ist festzuhalten, daß es für die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit zunächst der gerichtlichen Fest-

13

S. § 3 C. 11.; MaunzjDürig/Schmidl-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 9.

14 S. § 3 C. 11. 15

Vgl. § 3 C. III. 1. u. 2.

16 Die vorläufige Vollstreckung der Prozeßkosten bleibt unberücksichtigt. 17 S. § 1 D.; vgI. auch TlwnuJS/Putzo, § 704 Anm. 1; Zöller/Srober, § 704 Rdnr. 2. Zum

Problem des Nachweises des materiellen Rechts durch den Kläger s. § 5.

18 Baur,S.18.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

63

stellung eines subjektiven Rechtes bedarfl9• Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist dem materiell-akzessorischen vorläufigen Gerichtsschutz zuzurechnen.

c. Einstweiliger Rechtsschutz Auch für die Maßnahmen nach den §§ 916 ff. ist die Rolle des subjektiven Rechts als Grundlage des vorläufigen Gerichtsschutzes zu untersuchen. I. Allgemeines § 916 Abs. 1 bestimmt, daß der Arrest "wegen einer Geldforderung oder

wegen eines Anspruchs", "der in eine Geldforderung übergehen kann", stattfmdet. Daraus läßt sich die Notwendigkeit eines subjektiven Rechts als Basis des Arrestes entnehmen. Gleiches gilt auch für § 935, der eine drohende Vereitelung oder Erschwerung "des Rechts einer Partei" erfordert, denn darunter fallen Ansprüche auf Individualleistungen20• Auch für die Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung ist, unabhängig von der umstrittenen normativen Grundlage21 , anerkannt, daß ihr jedenfalls ein materiell-rechtlicher Anspruch zugrundeliegen muß22• Allerdings gilt dies nur dann, wenn man nicht die zeitweise befriedigenden Regelungsverfügungen, z. B. bei der vorübergehenden Regelung der Nutzungsberechtigung an einer gemein~chaftlichen Einrichtung, zu den Leistungsverfügungen zählt23, sondern den Anwendungsbereich der Regelungsverfügung auch für solche Fälle eröffnet ansieht, in denen mit der Aufhebung der Verfügung ohne weiteres der alte Rechtszustand wieder eintritt24• Es ist somit festzustellen, daß auch beim einstweiligen Rechtsschutz, soweit er bisher untersucht wurde, ein materieller Anspruch Grundlage jeder

19

Mißverständlich Baur, S. 18, 23.

20 S. § 1 D., Stein!JoTUJS/Grunsky, § 935 Rdnr. 2; Zimmermann, § 935 Rdnr. 7; vgI. zur historischen Auslegung auch Schilken, S. 65 ff. 21 S. § 1 F. 11.; Schilken, S. 50 ff.; BroxjWalker, Rdnr. 1614; Brox, JA 1982, 224; Woller, AiB 1986, 83; Dütz, BB 1980, 537. 22 Vgl. BroxjWalker, Rdnr. 1615; lauernig, Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, S. 160 f.; Morbach, S. 89 f.; Dütz, BB 1980,537; OLG Frankfurt, BB 1982, 274. 23 So aber Baur/Stürner, Rdnr. 920; Stein!JOTUJS/Grunsky, vor § 935 Rdnr. 31; s. auch Schilken, S. 135 ff. Auf diesen Streit wird noch zurückzukommen sein.

24 BroxjWalker, Rdnm. 1590, 1596; s. auch lauernig, Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, S. 159 f.; OLG Frankfurt, BB 1982, 274.

64

§ 4 Vorläufiger Rechtsschutz und materielles Recht

Anordnung ist. Auch insoweit kann man daher von einem materiell-akzessorischem vorläufigen Gerichtsschutz sprechen25 • 11. RegelungsverfUgung (§ 940) Bei § 940 ist die materielle Basis umstritten. Es ist in dieser Vorschrift weder von Rechten noch von Ansprüchen die Rede; vielmehr heißt es dort, daß einstweilige Verfügungen auch "in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig" sind.

1. Meinungsstand Im wesentlichen werden hierzu drei Meinungen vertreten. a) Regelungsbedürftiges Rechtsverhältnis Eine insbesondere im arbeitsrechtlichen Schrifttum weit verbreitete Ansicht besagt, daß bei § 940, anders als bei § 935, ein materiell-rechtlicher Anspruch nicht nötig sei für den "Verfügungsanspruch", es genüge vielmehr ein regelungsbedürftiges Rechtsverhältnis26• b) Möglicher Anspruch Die h. M. im zivilprozessualen Schrifttum geht davon aus, daß die vorzunehmende Schlüssigkeitsprüfung sich nicht an einem konkreten Anspruch sondern an dem Rechtsverhältnis zu orientieren hätte; demnach sei zu prüfen, ob die vom Antragsteller vorgetragenen Tatsachen das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses ergäben, aus dem ihm ein Anspruch erwachsen könne27• Nach dieser Meinung muß im Zeitpunkt der Antragstellung und der Ent25 A. A. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes; diese Ansicht konnte sich jedoch nicht durchsetzen, vgI. nur Grunsky, 'z:zJ> 8S (1972), 363; ders., NJW 1979, 89 Fn. 22; Renck, NJW 1972, 1409; Luclcscheiter, S. 47; Minnerop, S. 81; Däubler/Colneric, Rdnm. 1314 ff.; Dütz, BB 1980,534. 26 Vgl. GK-KSchG-Wolf, Grunds. Rdnr. 480; DietzjRjchardi, BetrVG, § 102 Rdnr. 269; Hueck, KSchG, Ein!. Rdnr. 13Oe; Reuter, SAE 1978, 249; Richardi, JZ 1978, 492 f.; s. auch Schulte, S. 68; LAG Niedersachsen, OB 1986, 1129. Auch zu § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO wird dies teilweise vertreten, vgI. die Nachw. bei Finkelnburg/Jank, Rdnm. 182 ff. 27 Vgl. Stein/Jonas/Grunsky, § 940 Rdnr. 3; ZölIerjVoll/commer, § 940 Rdnr. 2; BaumbachjLauterbach/Albers/Hartmann, § 940 Anm. 2; Grunsley, Grundzüge, S. 138; ders., JuS 1976, 279; Minnerop, S. 64; Olderog, NZA 1985, 759; OLG Koblenz, NJW-RR 1986, 1039; s. auch Blomeyer, 'z:zJ> 81 (1968), 38; StahlhackejPreis, Rdnr. 1320.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

6S

scheidung des Gerichts ein glaubhaft gemachter Anspruch nicht vorliegen28 • Nicht einmal die Möglichkeit eines zum Entscheidungszeitpunkt bestehenden Anspruches sei notwenmg29; vielmehr gehe es um die Sicherung, möglicherweise auch erst künftig entstehender Ansprüche. Nur soweit es ausgeschlossen erscheine, daß ein Anspruch entsteht und daß der Gläubiger in dem zur Hauptsache geführten Prozeß obsiegt, fehle der "Verfügungsanspruch"JO. c) Besseres Recht Manche Autoren fordern als "Verfügungsanspruch" des § 940 ein Rechtsverhältnis und einen Anspruch (im weitesten Sinne) daraus31 • Für beides muß der Antragsteller Tatsachen vortragen und glaubhaft machen. Es erscheint angebracht, vom "besseren Recht" statt vom (materiell-rechtlichen) Anspruch (im weitesten Sinne) zu sprechen, um zum Ausdruck zu bringen, daß auch Rechtsgüter wie der Besitz und die Ehre für den "Verfügungsanspruch" des § 940 genügen, soweit sie nur das Begehren des Antragstellers stützen32; letztlich ist zu prüfen, ob der Antragsteller besser berechtigt ist als der Antragsgegner33• 2. Geschichtliche Grundlagen Zunächst sind die geschichtlichen Grundlagen des § 940 zu untersuchen, um Aufschluß über den gesetzgeberischen Willen bei der Normierung der RCPO zu erhalten. Als Wurzeln der Regelungsverfügung (§ 940) sind die provisorischen Verfügungen des gemeinen deutschen Prozesses und das In-

28 vgI. Tlw17UlS/Putzo, § 940 Anm. 2; ZöllerjVo/lkommer, § 940 Rdnr. 2; BaumbachjLamerbach/Albers/Hartmann, § 940 Anm. 2. 29 VgI. Olderog, NZA 1985, 759. 30

VgI. Grunsky, JuS 1976, 279; OLG Koblenz, NJZ-RR 1986, 1039; RG SeuffA 52, 119;

Hobbeling, S. 86; s. auch Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S. 693. 31 VgI. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S 693; Wenzel, MDR 1967, 892; Baumgärtel, AcP 168 (1968), 403; Dütz, BB 1980, 534; BroxjWaJker, Rdnr. 1591; Morbach, S. 88 f.; Güthe, zn> 24 (1898),366 ff.; Heinze, DB 1985, 126; ders., RdA 1986, 275; mit Einschränkungen auch Baur, S. 28 ff.; Baur/Stürner, Rdnr. 914; aus der älteren Literatur s. Merkei, S. 222 ff. 32

VgI. BroxjWaJker, Rdnr. 1591; Morbach, S. 89; Baur/Stümer, Rdnr. 912.

33 Eine ähnliche Wertung kommt in § S05 zum Ausdruck; das bessere Recht soll bevorzugt befriedigt werden, vgI. Tlw17UlSjPutzO, § SOS Anm. Ib. Vergleichbares gilt für § 771, s. Stein/lonos/Münzberg, § 771 Rdnm. 14,46,51. 5 Vogg

66

§ 4 Vorläufiger Rechtsschutz und materielles Recht

stitut des "possessorium summarissimum" anzuführen34• Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, daß die provisorischen Verfügungen nur die Bescheinigung des Verfügungsgrundes voraussetzten, nicht aber die Bescheinigung eines zu sichernden Rechts oder Anspruchs35 • Für das Institut des "possessorium summarissimum" ist dagegen anerkannt, daß die vorläufige Besitzregelung in Anwendung des materieUen (Besitz-)Rechts ergin~. Somit ist diesen geschichtlichen QueUen keine eindeutige Vorgabe zu entnehmen. Daher sind die partikularen Kodifikationen der deutschen Staaten im 19. Jahrhundert näher zu untersuchen. Es wurde schon ausgeführt, daß der Entwurf einer Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes von 1870 (NE) die entscheidende Vorlage für die Normen des einstweiligen Rechtsschutzes in der RCPO war37. In den Kommissionssitzungen zum NE wurde zunächst beschlossen, eine dem heutigen § 935 entsprechende Regelung aufzunehmen, dagegen "vorläufig" von der Normierung "von den Fällen der interimistischen FeststeUung streitiger Zustände abzusehen,,38. Erst in einer späteren Sitzung machte der zuständige Referent wieder darauf aufmerksam, daß die "bezüglich der einstweiligen Verfügungen gefaßten Beschlüsse nicht erschöpfend seien,,39. Die Kommission wurde sich in ihren Beratungen "einig40, daß auch die Fälle der interimistischen Regelung eines Zustandes, z. B. des Besitzstandes, der Alimentationspflicht, Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Gastwirt und Gast, Baustreitigkeiten usw., nach ähnlichen Grundsätzen zu behandeln seien.41. Daher wurde eine § 940 entsprechende Normierung in § 740 Abs. 1 NE vorgenommen42 . Da ja "ähnliche Grundsätze" gelten soUten, verzichtete man auf eine genaue Abgrenzung zwischen § 740 NE (entspricht § 940) und § 729 NE (entspricht § 935), vielmehr lautete § 740 Abs. 2 NE konsequent: "Auf diese Anordnun34 35

36

37 38 39 40

s. § 2 A. 11. 2. Vgl. Leipold, S. 72 ff. mit weit. Nachw. Vgl. Roluneyer, S. 23 ff. mit weit. Nachw.; s. auch Leipold, S. 76. S. § 2 A. 11. 2.; s. auch Schilken, S. 75 ff. Vgl. ProtNE, Schuhen 3, S.

1214 ff.

Vgl. ProtNE, Schuhen 3, S. 1240.

Leider wird in den ProtNE nicht der Gang der Diskussion nachgezeichnet, so daß nicht ganz klar wird, welche Erwägungen zur Einigkeit der Kommission geführt haben; allg. zu diesem Problem der ProtNE vgI. Kußmaul, S. 222 Fn. 5.

41 42

ProtNE, Schuhen 3, S.

1242; s. dazu auch PiehJer, S. 27. 1242.

Vgl. ProtNE, Schuhen 3, S.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

67

gen emden die Bestimmungen der §§ 719 bis 737 entsprechende Anwendung". Ausdrücklich also sollte § 729 NE mit seiner Ausrichtung auf das subjektive Recht entsprechend auf § 740 Abs. 1 NE anwendbar sein. Dies deutet zumindest darauf hin, daß die materielle Rechtslage bzw. die bessere Berechtigung des Antragstellers auch bei § 740 Abs. 1 NE nicht ohne Belang sein sollte43. § 736 des Entwurfs einer deutschen CPO von 1871, der vom Preußischen Justizministerium bearbeitet wurde, stimmt fast wörtlich mit § 740 Abs. 1 NE überein44 • Lediglich § 740 Abs. 2 NE wurde ersatzlos gestrichen. In der Begründung des Entwurfs heißt es unter der Überschrift §§ 731 bis 73645 , also bezogen sowohl auf die Sicherungsverfügung als auch auf die Regelungsverfügung, "einstweilige Verfügungen ... bezwecken ... die Sicherung eines individuellen Streitgegenstandes.46. Ausdrücklich ist ferner noch angeführt, "unter den Zweck der Sicherung eines individuellen Streitgegenstandes fällt in weiterem Sinne auch die Regelung eines einstweiligen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, insofern die vorauszusetzende Notwendigkeit einer solchen Regelung die Gefahr einer Erschwerung für die Verwirklichung des Rechts einer Partei in sich schließt.47. Also auch in diesem Entwurf wird eine Beziehung zwischen Regelungsverfügung und einem bestimmten (lides") subjektiven Rechts des Antragstellers hergestellt48• Bei diesem Verständnis von § 736 des Entwurfs wurde auch § 740 Abs. 2 NE überflüssig, da er nur noch Selbstverständliches enthielt.

In den Beratungen des Entwurfs durch eine vom Bundesrat eingesetzte Kommission blieb der § 736 unbeanstandet49. Er wurde daher im zweiten Entwurf einer deutschen CPO von 1872 als § 751 unverändert übernommenSO, ebenso als § 764 in den dritten Entwurf von 187451 . In der Begründung des dritten Entwurfs wurde auf diese Vorschrift nicht mehr ausdrück43 44

Unklar Schi/ken, S.

75 Cf., ohne allerdings auf § 740 Abs. 2 NE einzugehen.

Die Abweichungen sind unbedeutend.

45 § 731 des Entwurfs entspricht dem § 935, § 736 des Entwurfs dem § 940. Vgl. Begründung des Entwurfs, S. 496, abgedr. in: Dahlmanns, Bd. 2, S. 752. 47 Vgl. Begründung des Entwurfs, S. 498, abgedr. in: Dahlmanns, Bd. 2, S. 754. 46

48

49 SO 51

Vgl. auch Heinze, OB 1985, 126; ders., RdA 1986, 275. Vgl. Protokolle, Schubert,

1. Halbbd., S. 418 f.

Vgl. Zweiter Entwurf, Schubert, 2. Halbbd., S. 692. Vgl. Dritter Entwurf, Hahn

11/1, S. 98.

68

§ 4 Vorläufiger Rechtsschutz und materielles Recht

lich eingegangenS2• Auch in den Protokollen der Reichstagskommission fmdet sich keine inhaltliche Diskussion über die Regelungsverfügung, so daß sie schließlich als § 819 (= § 940) Eingang in die RCPO fand. Bei Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung des § 940 spricht folglich vieles dafür, daß der Gesetzgeber keine einstweilige Verfügung ohne zumindest summarische Prüfung der besseren Berechtigung des Antragstellers wollte. Im weiteren ist zu untersuchen, ob dieses Zwischenergebnis durch zusätzliche Argumente erhärtet werden kann. 3. Stellungnahme a) Grundsatz Der Wortlaut des § 940 legt den Schluß nahe, daß als "Verfügungsanspruch" ein regelungsbedürftiges Rechtsverhältnis genügf3. Aber die Regelung des streitigen Rechtsverhältnisses ist kein Selbstzweck54 • Auch die geschichtliche Grundlegung hat gezeigt, daß man sich bei der Auslegung des § 940 nicht auf den reinen Wortlaut beschränken dares. In der Diskussion der materiellen Berechtigung des Antragstellers im Rahmen der einstweiligen Verfügung nach § 940 wird häufig auf die "Friedensschutzfunktion" dieser Norm hingewiesen56; es gehe hier weniger um den Schutz privater Rechte als vielmehr um eine Befriedung im öffentlichen InteresseS7• Diese Ansicht läßt sich historisch erklären58: Im 13. Jahrhundert bedienten sich Adelige in Besitzstreitigkeiten zum Teil nicht der bereits bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten, sondern zogen aufgrund des alten Fehderechts gegeneinander zu Felde. Deswegen begannen die Richter, die Verfahren von sich aus zu eröffnen und den Besitzprozeß schnell zu entS2 Vgl. MotRCPO, Hahn 11/1, s. 477 f.

S3 54

Vgl. Hobbeling,

s. 25.

Heinze, OB 1985, 126.

SS S.§4C.1I.2.

56 Vgl. Baur, S. 29; Baur/Stümer, Rdnr. 911; ThomasjPutzo, § 940 Anm. 1; ZölIerjVollkommer, § 940 Rdnr. 4; BaumbachjI.Aulerbach/Albers/Hartmann , § 940 Anm. 1; Faecks, NZA 1985, Beil. 3, S. 15; Ho/J'mmln, AuR 1968, S. 48 f.; Hösl, S. 7; Scllulle, S. 67. S7 Vgl. BaumbachjLauterbach/Albers/Hartmann, § 940 Anm. 1; Ho/J'mmln, AuR 1968, 48 f.; Baur, S. 34; s. auch Luckscheiter, S. 39.

58

Ausführlich zur geschichtlichen Entwicklung Rohmeyer, S. 23 ff. m.w.N.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

69

scheiden. Im weiteren entwickelte sich das Institut des "possessorium summarissimum", das wiederum ein Vorläufer der heutigen Regelungsverfügung isrS9• Aus der historischen Entwicklung ergibt sich aber nur, daß der Grund für die Einführung des neuen Verfahrens eigenmächtige Störungen des öffentlichen Friedens durch Privatgewalt waren(IJ. Das heißt aber nicht, daß die materiellen Positionen der Beteiligten in dem Verfahren keine Rolle gespielt hätten. Das Gegenteil ist der Fall; für das Institut des "possessorium summarissimum" ist anerkannt, daß die vorläufige Besitzregelung in Anwendung des materiellen (Besitz-)Rechts erging61. Konsequent dazu ist der normative Anknüpfungspunkt für die "Friedensschutzfunktion" des § 940, das Tatbestandsmerkmal der "Verhinderung drohender Gewalt", dogmatisch nicht auf der Ebene des "Verfügungsanspruchs" sondern beim "Verfügungsgrund" einzuordnen. Insofern ist die Aussage, es ginge in § 940 weniger um den Schutz privater Rechte sondern mehr um eine Befriedung im öffentlichen Interesse, dazu angetan, falsche Schlüsse hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen für eine Regelungsverfügung hervorzurufen62 • Die Friedenssicherungsfunktion des § 940 ist keine Besonderheit im zivilprozessualen Gefüge, sondern deckt sich mit der Funktion des Hauptprozesses63; sie ist ein Reflex des primären Zweckes des Zivilprozesses, das subjektive Recht zu schützen64• Dieses Ergebnis wird noch dadurch bestätigt, daß ein Gericht § 940 ohnehin nicht anwenden darf, wenn kein Antrag gestellt ist, mag der Rechtsfriede noch so gefährdet sein65 • Auch wäre es ungerecht, wenn einer Privatperson nach § 945 Schadensersatzpflichten auferlegt würden, obgleich eine "rechtspolizeiliche Maßnahme" losgelöst vom materiellen Recht erging66•

59 (IJ

61

62 63 64 65

S. § 2 All. 2. u. § 4 C. 11.2. Vgl. Rohmeyer, S. 27.

S.§4C.II.2. Vgl. Leipold, S. 85; MinMrop, S. 63 f.; Dütz, BB 1980, 534. S. dazu § 3 C. I. 1.

S. § 3 C. I. 1. u. 2. a).

Vgl. Grunsky, Grundzüge, S. 138; Wenzel, MDR 1967, S. 892; Luclcscheiler, S. 40; s. auch Hobbeling, S. 28 f. 66

Vgl. Brändel, S. 38; Luclcscheiter, S. 40; s. auch Blomeyer, 7»81 (1968), 39 Fn. 65.

70

§ 4 Vorläufiger Rechtsschutz und materielles Recht

Zu berücksichtigen ist zudem, daß auch das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Erkenntnisverfahren ist67• Im zivilprozessualen Bereich gibt es anders als nach dem FGG keine Regelung durch ein Gericht ohne Rücksicht auf die bestehende materielle Rechtslage68 • Eine Abweichung vom System hätte besonders betont werden müssen69 ; dies ist bei § 940 nicht geschehen. Als Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes im allgemeinen ist die Funktion der Sicherung, daß der Kläger nach obsiegendem Abschluß des Hauptprozesses sein Recht noch tatsächlich realisieren kann, anerkannt7o . Dann besteht aber kein Grund, dieses "angebliche" Recht nicht auch im einstweiligen Rechtsschutz zu berücksichtigen und zwar unter dem Gesichtspunkt, ob der Antragsteller jetzt schon die "bessere" Rechtsposition hat. Dies gilt um so mehr, als hier eine rechtsstaatliche Komponente Beachtung fmden muß; denn eine einstweilige Verfügung ohne Prüfung der materiellen Rechtslage könnte zu erheblichen, nicht mehr behebbaren Schädigungen der Rechtspositionen von Antragsteller oder Antragsgegner führen, obwohl der eine oder der andere möglicherweise "besser berechtigt" ist71. Es ist nicht zu verkennen, daß bei summarischer Prüfung die Gefahr einer Fehlentscheidung größer ist als im Hauptprozeß72• Einer gerechten Risikovertcilung73 zwischen den Beteiligten entspricht es jedoch, wenn die einstweilige Verfügung nach § 940, wie die einstweilige Verfügung nach § 935 und der gesamte vorläufige Rechtsschutz74, am materiellen Recht ausgerichtet wird75 ; dies gilt umso mehr, als diese Lösung des Problems im Einklang mit der Regelvorstellung des Grundgesetzes steht, wonach der vorläufige Rechtsschutz

67 Vgl. Baur, S. 29; Leipold; S. 18 f.; Schilken, S. 52 ff.; Wenzel, MDR 1967, 891; Mädrich, S. 5; Hobbeling, S. 210; Schulte, S. 9 ff.; a. M. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S. 683, 697 ff. 68 Vgl. Leipold, S. 18 f.; Grunsky, Grundzüge, S. 138. 69

S. auch § 4 A.

Vgl. SteinjJonasjGrunsky, vor § 916 Rdnr. 1; DäublerjColneric, Rdnr. 1317; s. auch § 3 C. I. 2. a). 71 Vgl. BroxjWalker, Rdnr. 1591; BAUR, S. 29. 72 Vgl. PiehIer, S. 29; Leipold; S. 13; AlbG Bielefeld, NZA 1986, 98. 73 S. dazu auch Grunsky, JuS 1976, 280; grundlegend auch Sclwch, S. 892 ff. 74 S. § 4 B. u. C. I. 75 Vgl. B1omeyer, Zivilprozeßrecht, S. 694; s. auch Finkelnburg/lanlc, Rdnr. 200. 70

C. Einstweiliger Rechtsschutz

71

grundsätzlich subjektiv-rechtlich orientiert sein muß76• Nachdem weitgehend unbestritten ist, daß die §§ 935, 940 einander überschneidende Anwendungsbereiche haben77, erscheint eine abweichende Rechtsprüfung auch kaum vertretbar78•

Es ist daher festzuhalten, daß man nur dann zu sachgerechten, systematisch korrekten und dem gesetzgeberischen Willen entsprechenden Ergebnissen kommt, wenn man als "Verfügungsanspruch" für § 940 ein "besseres Recht" des Anspruchstellers fordert. b) Gemeinschaftsverhältnisse Auch bei "Gemeinschaftsverhältnissen" ist eine Ausnahme davon nicht angebracht79; § 940 kann dort ebenfalls seiner Zweckbestimmung gemäß angewandt werden. Zunächst ist festzustellen, daß solche Differenzierungen systemwidrig sind und sich nicht aus dem Gesetz ergeben. Soweit auf den rechtspolizeilichen Charakter der einstweiligen Verfügung nach § 940 abgestellt wirdSO, ist dem schon nach dem oben Gesagten81 nicht zu folgen. Darüber hinaus sind Polizei- und Sicherheitsrecht einerseits und einstweiliger Rechtsschutz andererseits strikt zu trennen. Bei den §§ 935 ff. geht es ausschließlich um die Sicherung privater Interessen82• Für eine Ausnahme besteht kein unabweisbares Bedürfnis; in Notfällen greift das Polizei- und Sicherheitsrecht der Bundesländer ein83• Zwar gilt in den Bundesländern grundsätzlich der Subsidiaritätsgrundsatz, den § 1 Abs. 2 MEPoIG84 ausdrücklich so formuliert: "Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach

76

S. §4A.

77 Vgl. Leipold, S. 101 f. m.w.N.; Minnerop, S. 58 f.; Hobbeling, S. 28; MantzouraniTsclulschnik, S. 68 ff.; Grunsky, Grundzüge, S. 139; ders., JuS 1976, 279; Thomas/Putzo, § 935 Anm. 1 c; a. A. Schilken, S. 122; für § 123 VwGO auch Finkelnburg/Jank, Rdnm. 208 ff. 78 Vgl. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S. 693. 79 So aber Baur, S. 30 ff.; Baur/Stümer, Rdnr. 914; UUmann, S. 7. 80 Vgl. Baur, S. 30 ff.; Baur/Stümer, Rdnr. 914. 81 S. § 4 C. II. 3. a). 82 Vgl. Wenzel, MDR 1967, 891; Baumgärtel, AcP 168 (1968),403; Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S. 693; Leipold, S. 84 ff.; s. auch Finkelnburg/Jank, Rdnr. 200. 83

Vgl. Grunsky, JuS 1976, 279; SteinIJonas/Grunsky, § 940 Rdnr. 3; Morbach, S. 88 f.

84

S. dazu DrewsjWacke/VogeljMartens, S. 238.

§ 4 Vorläufiger Rechtsschutz und materielles Recht

72

diesem Gesetz nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde .8S. Damit ist der Schutz ausschließlich privater Rechte nur in sehr beschränktem Umfang möglich. Aber dieser Subsidiaritätsgrundsatz gilt bei der Abwehr von Gefahren für private Rechte und Rechtsgüter nur dann, wenn die Gefahr ausschließlich privatrechtswidrig ist86• Folglich ist der polizeiliche Aufgabenraum eröffnet, soweit ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wie Leben, Gesundheit usw., das auch private Rechte sichert, bedroht wird87• Dies ist immer der Fall, wenn z. B. ein Mieter von der Benutzung wirklich lebenswichtiger Einrichtungen ausgeschlossen wird88• Es zeigt sich, daß der Betroffene in Notfällen nicht rechtlos steht, da er gegenüber der Polizei einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung hat, weil seine Interessen betroffen sind. Welche Maßnahmen die Polizei ergreift, steht in ihrem Ermessen. Die polizeiliche Maßnahme darf sich auch ausnahmsweise gegen einen Nichtstörer richten89• Geht man für das obige Beispiel mit der h. M. davon aus, daß sich die Störereigenschaft nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung unter Berücksichtigung wertender Einschränkungen beurteilt90 und kommt man daher wegen des fehlenden Nachweises der Pflichtwidrigkeit zur Nichtstörereigenschaft des Vermieters, so kann dennoch von Seiten der Polizei eine Anordnung an den Vermieter ergehen91 • D. Ergebnis Ein materieller Anspruch bzw. eine "bessere Berechtigung" des Antragstellers ist zwingende Voraussetzung jedes vorläufIgen Rechtsschutzes im zi-

8S Vgl. auch Art. 2 Abs. 2 Bay.PAG, § 2 Abs. 2 BW PG, § 4 Abs. 2 BeriASOG, § 1 Abs. 2 Brem.PG, § 3 Hess.SOG, § 1 Abs. 3 Nds.SOG, § 1 Abs. 2 NW PG, § 1 Abs. 2 RhPf.PVG, § 175 SH LVwG; s. hierzu DrewsjWackejVogeljMartens, S. 238. 86 87

Vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 35.

88

Ein von Baur gewähltes Beispiel zur Stützung seiner Ansicht, vgI. Baur, S. 30.

89

Vgl. König, Bay. Polizeirecht, S. 37.

Vgl. 10 Bay.PAG; zu vergleichbaren Vorschriften in anderen Bundesländern s. DrewsjWackejVogeljMartens, S. 331 ff. 90

Vgl. DrewsjWackejVogeljMartens, S. 310 ff.

91 Soweit die allgemeine Sicherheitsbehörde rechtzeitig Maßnahmen ergreifen kann, ist diese für eine solche Anordnung zuständig, vgI. z. B. Art. 3 Bay. PAG. Zu vergleichbaren Vorschriften in anderen Bundesländern s. DrewsjWackejVogeljMartens, S. 118.

D. Ergebnis

73

vilprozessualen Bereich; es bestehen insoweit grundsätzlich keine Unterschiede zwischen der vorläufIgen Vollstreckbarkeit und dem einstweiligen Rechtsschutz. Dieses Ergebnis entspricht auch der Regelvorstellung des Grundgesetzes.

§ 5 Materielles Recht und Beweis Nachdem gerade ausgeführt wurde, daß vorläufIger Rechtsschutz im Zivilrecht einer materiellen Grundlage bedarf1, stellt sich nun die Frage, welche Anforderungen das Gesetz an den Nachweis der materiellen Berechtigung des Antragstellers bzw. Klägers stellt. Aus der Sicht der Gerichte ist nach der Prüfungsintensität im gerichtlichen vorläufIgen Rechtsschutz zu fragen2• Bevor auf die einfach-rechtlichen Regelungen eingegangen wird, sollen zunächst die verfassungsrechtlichen Anforderungen untersucht werden. Bei der Behandlung der einfach-rechtlichen Regelungen geht es dann vor allem um eine Gegenüberstellung von Vollbeweis (§ 286) und Glaubhaftmachung (§ 294) in inhaltlicher Hinsicht3 • A. Verfassungsrechtliebe Anforderungen Es wurde schon ausführlich dargestellt, daß die Verfassung einen subjektiv-rechtlicb ausgerichteten Rechtsschutz gebietet4• Allerdings war einzuräumen, daß eine Prüfung des materiellen Rechts nicht soweit gehen darf, daß die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gefährdet wird5 . Daher hat der Gesetzgeber im Rahmen des ihm eingeräumten Spielraums einen grundsätzlichen Ausgleich zwischen Schnelligkeit des Rechtsschutzes und voller Berücksichtigung bzw. Prüfung des materiellen Rechts vorzunehmen. Ansatzpunkte für den Gesetzgeber finden sich sowohl beim Nachweis der zu subsumierenden Tatsachen als auch bei der Intensität der Rechtsprüfung durch den Richter6•

1

2

S.§4D.

Zu dieser im öffentlichen Recht aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes dominierenden Fragestellungvgl. Schoch, S. 1629 ff.; s. dazu auch Grawm, DVBI. 1983,978. 3 Zu verfahrensmäßigen Unterschieden s. etwa Rosenberg/Schwab, S. 684 f. 4 S. §4A. 5 S. § 4 A.; vgl. insbes. auch Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 416; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 276; Habscheid, ZZP 96 (1983), 314 f.

6

S. §4A.

A. Verfassungsrechtliche Anforderungen

75

Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes, bei dem ein schneller Zugriff entscheidend ist, grundsätzlich die Glaubhaftmachung7 des Verfügungs- bzw. Arrestanspruchs genügen läßt (§§ 936,920 Abs. 2), zumal die abschließende Feststellung des subjektiven Rechts beim einstweiligen Rechtsschutz gerade nicht Ziel des Verfahrens ist8• Auch der Verzicht auf die Glaubhaftmachung des materiellen Anspruchs gemäß den §§ 921 Abs. 2 S. 1, 936 ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn bei der notwendigen gerichtlichen Ermessensentscheidung berücksichtigt wird, daß ein solcher Verfügungserlaß aufgrund der grundsätzlichen Entscheidung der Verfassung für einen subjektiv-rechtlichen vorläufigen Gerichtsschutz nur ausnahmsweise gewährt werden kann9• Die verfassungsrechtliche Garantie wirksamen Gerichtsschutzes erfordert eine richterliche Entscheidung zur Hauptsache nach uneingeschränkter Wahrheits- und Rechtsprüfung in angemessener ZeitlO• Damit im Einklang steht, was die allgemeine Meinung für den Beweis einer Tatsache im Hauptprozeß (vgl. § 286) ohne Rücksicht auf die Beweislast fordert, nämlich einen für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, daß er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschalten11 • Gerade auch wegen des schnell zugreifenden einstweiligen Rechtsschutzes ist eine sorgfältigere Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen für ein Urteil, an das die vorläufige Vollstreckbarkeit gemäß den §§ 708 ff. anknüpft, im Regelfall12 möglich und geboten. Der Gesetzgeber hat sich daher für höhere Beweisanforderungen im Hauptprozeß entschieden. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß der vorläufige Rechtsschutz grundsätzlich phasenverschoben gewährt wird. Da der einstweilige Rechtsschutz dem schnellen Zugriff dient, hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf das Erfordernis des Vollbeweises verzichtet und die Glaubhaftmachung des materiellen Rechts genügen lassen. Die später einsetzende 7 8 9 10 11

12

s. dazu näher § 5 C. Vgl. Morbach, S. 37; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, S. 151. S. dazu schon § 3 C. 11. u. § 4 A S. § 3 A 11. 1.; Dütz, Gutachten, S. 8; Finkelnburg/Jank, Rdnr. 3. BGHZ 53, 245 (256); ThomasjPutzo, § 286 Anm. 2 a. Zu den Ausnahmen s. § 5 B.

76

§ 5 Materielles Recht und Beweis

vorläuftge Vollstreckbarkeit hängt von Urteilen ab, für die grundsätzlich der Vollbeweis angetreten werden muß, soweit die zu subsumierenden Tatsachen umstritten sind. Dies ist nicht nur verfassungsrechtlich zulässig sondern vielmehr geboten, da geringere Anforderungen aufgrund des frühzeitig möglichen einstweiligen Rechtsschutzes im RegelfaU nicht mehr geeignet, angemessen und für die Betroffenen zumutbar wären l3. B. Vorläufige Vollstreckbarkeit Es ist nun zu untersuchen, welche Anforderungen das Gesetz in der vorläufigen Vollstreckbarkeit an den Nachweis der materiellen Berechtigung des Klägers stellt. Die vorläufige Vollstreckbarkeit knüpft in den §§ 708 ff. an ein Urteil an. Für das zivilprozessuale Urteilsverfahren gilt, daß die Parteien ihre streitigen, erheblichen Behauptungen voll beweisen müssen. Bewiesen ist eine streitige Tatsache erst, wenn objektiv eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Wahrheit der Parteibehauptung besteht und subjektiv das Gericht von der Wahrheit überzeugt ist, vgl. § 286 Abs. 1 S. 114• Jedoch ist nicht in aUen FäDen ein Vollbeweis des Klägers notwendig; Ausnahmen können sich aus bestimmten prozessualen Regelungen ergeben. So kann der Beklagte z. B. gemäß § 3IJ7 den Anspruch des Klägers anerkennen, der Kläger kann auf die Klage gemäß § 306 verzichten; die wirkliche materielle Rechtslage spielt dann jeweils keine Rolle mehr. Dies ist Ausdruck des Dispositionsgrundsatzes, der im Zivilprozeß Geltung beansprucht l5 . Weitere Ausnahmen vom Erfordernis des Vollbeweises bringt der Verhandlungsgrundsatzl6• So müssen tatsächliche Behauptungen einer Partei, die vom Gegner zugestanden (§ 288) oder nicht bestritten werden (§ 138 Abs. 3), vom Gericht ohne weitere Nachprüfung dem Urteil zugrundegelegt werden17• Darüber hinaus sind offenkundige, d. h. aUgemeinkundige und gerichtskundige, Tatsachen gemäß § 291 nicht beweisbedürftigl8 . 13 14 15

Vgl. zu diesem Maßstab für gesetzliche Regelungen schon § 3 C. IV. Schellhammer, Rdnm. 507, 551; s. auch schon § 5 A.

Vgl. ausführlich BaUT, Zivilprozeßrecht, Rdnm. 36 Cf.; Jauemig, Zivilprozeßrecht, S. 69 Cf.; Zeiss, Rdnm. 170 ff. 16 Vgl. BauT, Zivilprozeßrecht, Rdnm. 40 ff.; Jauemig, Zivilprozeßrecht, S. 71 ff.; Zeiss, Rdnm. 174 ff. 17

Vgl. BaUT, Zivilprozeßrecht, Rdnr. 41.

18

Vgl. dazu näher Thom4SjPutzO, § 291 Anm. 1.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

77

Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß der Kläger im Hauptprozeß für sein materielles Recht den Vollbeweis führen muß, soweit nicht bestimmte prozessuale Regelungen eine Ausnahme davon vorsehen.

c. Einstweiliger Rechtsschutz Auch für den einstweiligen Rechtsschutz ist die Frage zu klären, welche Anforderungen es in der ZPO hinsichtlich des Nachweises der materiellen Berechtigung des Antragstellers gibt. Die §§ 936, 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 verlangen für den Regelfall des einstweiligen Rechtsschutzes Glaubhaftmachung des Arrest- bzw. Verfügungsanspruchs l9• Unstreitig handelt es sich bei der Glaubhaftmachung um eine Erleichterung der Beweisführung im Vergleich zum Hauptsacheverfahren2O ; keinesfalls kann daher ein den § 286 vergleichbarer Vollbeweis im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gefordert werden21 • Allerdings ist die genaue Festlegung des Wahrscheinlichkeitsgrades umstritten. Auch wird die Meinung vertreten, daß nach den §§ 920 Abs. 2, 921 Abs. 2, 936 nicht nur Tatsachen sondern auch rechtliche Behauptungen glaubhaft gemacht werden können22• Auf beide Probleme wird im folgenden eingegangen23, zunächst beschränkt auf § 29424, dann unter Berücksichtigung der §§ 920 Abs. 2, 921 Abs. 2, 93615• 19 Ein ausnahmsweiser Verzicht auf eine Glaubhaftmachung ist unter den Voraussetzungen des § 921 Abs. 2 S. 1 möglich. S. ferner §§ 885 Abs. 1 S. 2, 899 Abs. 2 S. 2 BGB. 20 Vgl. Morbach, S. 37; Mantzourani-Tschaschnig, S. 77; Ulrich, GRUR 1985, 207; BrilI, BB 1965, 753. 21 Vgl. Dütz, DB 1978, Beil. 13, S. 13; Zöller/Stephan, § 294 Rdnr. 1; BaumbachjLauterbach/Albers/Hartmann, § 294 Anm. 1 A; SteinjJolUJSjLeipold, § 294 Rdnr. 6; Pieh/er, S. 28 f.; BGH VersR 1976,928 f.; BGHZ 93,300 (306); s. auch schon Seuffen, 4. AuH., § 266 Anm. 2; Schulte, S. 10; Hellwig, System I, S. 678. 22

V g1. Leipold, S. 64 ff.

23 Nicht näher untersucht wird die Problematik der Beweislast im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Mit der h. M. wird hier die Ansicht vertreten, daß in einem solchen Verfahren vom Antragsteller grundsätzlich nur das zu beweisen ist was er als Kläger auch im Hauptsacheverfahren zu beweisen hat. S. dazu näher BroxjWalker, Rdnr. 1512; Baur, S. 39 ff.; Baur/Stürner, Rdnr.848; SteinjJonas/Grunsky, § 920 Rdnr. 10; Dütz, NZA 1986, 213; ders., BB 1980,541; Osder, MDR 1968, 715; Teplitzky, JuS 1981, 124 f.; Ulrich, GRUR 1985,207; lestaedl, GRUR 1981, 155; Morbach, S. 39; Luckscheiter, S. 54; ManlZOurani-Tschaschnig, S. 77; Baur, BB 1964, 612; Piassmann, NJW 1966, 958; a. M. OLG Düsseldorf FamRZ 1980, 158; Hirtz, NJW 1986, 112 f. Zum Meinungsstreit der Beweislastverteilung beim einstweiligen Rechtsschutz ohne vorheriges mündliches oder schriftliches Verfahren s. etwa SteinjJolUJS/Grunsky, § 920 Rdnr. 11; BroxjWalker, Rdnr. 1512. 24 S.§5C.1. 15

S.§5C.1I.

§ 5 Materielles Recht und Beweis

78

I. Glaubhaftmachung Die ZPO fordert Glaubhaftmachung in vielen Fällen, z. B. §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 2, 805 Abs. 4, 920 Abs.~. § 294 befaßt sich speziell mit der Glaubhaftmachung. Der Begriff der Glaubhaftmachung wird aber in § 294 Abs. 1 gesetzlich nicht defIniert. Er ist vom RCPO-Gesetzgeber dem Norddeutschen En~7 (§ 334 NE) entnommen worden und steht entwicklungsgeschichtlich in einer Linie mit dem gemeinrechtlichen Begriff der Bescheinigung28. Schon dieser war in seinen Anforderungen umstritten29• Der Gesetzgeber hielt wohl deswegen eine gesetzliche Dermition "für entbehrlich und überdies für bedenklich"30. In der Begründung des dritten Entwurfs einer RCPO heißt es, der Entwurf fordere "in zahlreichen Fällen, namentlich in Fällen, in denen durch die beantragte Entscheidung den Rechten des Gegners nicht präjudiziert wird, statt eines Beweises die Glaubhaftmachung der zur Begründung des Antrags dienenden tatsächlichen Behauptungen"31. Damit kommt einmal zum Ausdruck, daß die Glaubhaftmachung eine erleichterte Beweisführung im Vergleich zum Hauptsacheverfahren darstellt32. Zum anderen wird deutlich, daß sich die Glaubhaftmachung in § 294 nur auf Tatsachen beziehen kann, nicht auf rechtliche Behauptungen33. Welcher Wahrscheinlichkeitsgrad für die Glaubhaftmachung ausreicht, läßt das Gesetz offen; auch den MotRCPO läßt sich unmittelbar nichts entnehmen. Es entspricht heute aber der allgemeinen Meinung jedenfalls generell für § 294 Abs. 1, daß eine überwiegende Wahrscheinlichkeit notwendig ist34 •

26

Ausführlich Stein/lollQSjLeipold, § 294 Rdnr. 2; IJaumbachjLaulerbachjAlbers/Han-

mann, § 294 Anm. 1 B. 27 S. dazu näher § 2 A. 11. 2.

28 Vgl. KußmauI, S. 251; s. auch Merlrel, S. 137. 29 Vgl. Wach, Der Arrestprozeß, S. 131 ff.; WetzeN, S. 302 Cf.; Leipold, S. 66 Cf. m.w.N. 30 MotRCPO, Hahn 11/1, S. 281; s. auch KußmauI, S. 252; Leipold, S. 66. 31 MotRCPO, Hahn 11/1, S. 281. 32 S. schon § 5 C. 33 Vgl. im Ergebnis auch BaumbachjLaulerbach/Albers/HartnUltIII, § 294 Anm. 1 C;

SteinjlollQSjLeipold, § 294 Rdnr. 6, aber auch Fn. 8; Thomos/Putzo, § 294 Anm. 1; Schoch, S. 1639; HeiMe, RdA 1986, 276; Dütz, DB 1978, Beil. 13, S. 14; s. auch Leipold, S. 65.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

79

Es ist daher für § 294 Abs. 1 zweierlei festzustellen: Es können nur Tatsachen glaubhaft gemacht werden. Für die Glaubhaftmachung ist unabhängig von den FaUkonstellationen überwiegende Wahrscheinlichkeit notwendig; man könnte daher von einem statischen Beurteilungskriterium sprechen. Insofern ist die Situation bei der Glaubhaftmachung derjenigen beim Vollbeweis35 vergleichbar. 11. Glaubhaftmachung im einstweiligen Rechtsschutz

Es stellt sich die Frage, ob das eben zu § 294 allgemein gefundene Ergebnis auch für den einstweiligen Rechtsschutz unter Berücksichtigung der §§ 920 Abs. 2, 921 Abs. 2, 936 bestätigt werden kann. 1. Maßstab

Zunächst ist zu untersuchen, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad für die Glaubhaftmachung im einstweiligen Rechtsschutz zu fordern ist. a) Herrschende Meinung Vorherrschend ist die Meinung, daß im einstweiligen Rechtsschutz die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Verfügllngsanspruchs zu verschärfen seien, wenn dem Antragsgegner bei Erlaß der einstweiligen Verfügung Nachteile drohen, die weit über die hinausgehen, die für den Antragsteller bei Abweisung des Verfügungsgesuchs entstehen. Je gravierender der Eingriff sei, um so wahrscheinlicher müsse es sein, daß er zurecht erfolgt, d. h., daß der Antragsteller in der Hauptsache obsiegt; umgekehrt gelte für die Position des Antragstellers, daß die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs um so geringer seien, je dringender der Antragsteller auf die beantragte Maßnahme angewiesen sei36 • Diese Ansicht verknüpft also bei der Prüfung der Glaubhaftmachung Wahrscheinlichkeits34 vgl. BaumbachfLauterbach/Albers/Hartmann, § 294 Anm. 1 A; SteinjlonasjLeipold, § 294 Rdnr. 6; Zöller/Stephan, § 294 Rdnr. 1; Hinz, NJW 1986,111; JesUledr, GRUR 1981,155; Dütz, DB 1978, Beil. 13, S. 13; delli., NZA 1986, 219; Engelken, DNotZ 1977, 587 Fn. 17; BrilI, BB 1965, 753; Lippen, NJW 1976, 882; BGH VelliR 1986,59 u. 463 je m.w.N; siehe auch Schoch, S. 1645; Erichsen, Jura 1984, 648; Finkelnburg/Jank, Rdnr. 294; Menger, VerwArch 56 (1965), 193. 35 S. dazu § 5 A. und B. 36 Vgl. Steinjlonas/Grunsky, § 935 Rdnr. 9; BaUT, S. 34, 57; ders., BB 1964, 607 CC.; Baur/Stümer, Rdnr. 921; Grunsky, JuS 1976, 282; Heinze, S.49; delli., RdA 1986, 276; Alten-

§ 5 Materielles Recht und Beweis

80

grad und Interessenabwägung. Regelmäßig wird diese Auffassung nicht auf die Leistungsverfügung beschränkt, sondern beansprucht Geltung für den gesamten einstweiligen Rechtsschutz, also auch für die Regelungs- und die Sicherungsverfü~7 sowie für den Arrest38• Gestützt wird diese Meinung, soweit die Autoren sich überhaupt mit der rechtlichen Fundierung näher auseinandersetzen, auf die §§ 920 Abs. 2, 921 Abs. 2, 93639; man könne im einstweiligen Rechtsschutz für den Grad der Wahrscheinlichkeit kein festes Maß angeben4O• b) Stellungnahme Die h. M. ist abzulehnen. Für die Einordnung des Problems muß an das zu § 294 Gesagte erinnert werden: Glaubhaftmachung im Sinne dieser Norm ist entsprechend dem Vollbeweis (§ 286) statisch zu defInieren; unabhängig von den Fallkonstellationen ist überwiegende Wahrscheinlichkeit zu fordern41 • Soll nun von diesem allgemein anerkannten Grundsatz abgewichen werden, muß sich dies ausdrücklich bzw. durch Auslegung ermittelbar aus den Vorschriften des einstweiligen Rechtsschutzes ergeben42• Herangezogen werden von der h. M. insoweit die §§ 920 Abs. 2, 921 Abs. 2, 93643; insbesondere die Bedeutung des § 921 Abs. 2 wird betont44• Jedoch stützt keiner der angeführten Paragraphen die herrschende Meinung. § 920 Abs. 2 defIniert den Begriff der Glaubhaftmachung nicht; vielmehr ist zur Ausfüllung des Begriffes der § 294 heranzuziehen. Insoweit gilt das zu § 294 Ge-

darf, Rdnr. 48; Däubler/Colneric, Rdnr. 1326; Jeswedt, GRUR 1981, 155; Baumbach/lAuterbach/Albers/Hartmann, § 920 Anm. 2 A, a; Morbach, S. 38; Jauemig, 'Zll 79 (1966),338 Fn. 49; Baumgärtel, AcP 168 (1968), 403; PiehIer, S. 36 f.; Neumann, S. 143; Hobbeling, S. 177 f.; Heckelmann, AuR 1970,176; Lippen, NJW 1976, 882 Fn. 5; Reinheimer, FamRZ 1969, 390; Schuler, NJW 1959, 1801; OLG München NJW 1958, 1880; OLG Bamberg. OLGZ 1971,439; LAG Hamm, NZA 1984, 131. 37 38 39 40 41

42 43 44

Vgl. Steinjlonas/Grunsky, § 935 Rdnr. 9. Vgl. Morbach, S. 38 f. m.w.N.

Vg1. Morbach, S. 38. V g1. Morbach, S. 38.

S. § 5 C. I. Dies wird auch von Vertretern der h. M. teilweise eingeräumt; vgI. Morbach, S. 38.

S. § 5 C. 11. 1. a). V g1. Morbach, S. 38.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

81

sagte45 • Auch dem § 921 Abs. 2 kann kein Argument für die h. M. entnommen werden; denn darin wird ebenfalls an den Begriff der Glaubhaftmachung angeknüpft, ohne daß sich für eine Maßstabsvariabilität der Glaubhaftmachung auch nur irgendwelche sprachlichen Ansatzpunkte finden. Es spricht vielmehr die systematische Konzeption der Norm dagegen; es werden die Begriffe Glaubhaftmachung, Anordnung und Sicherheitsleistung gerade für die Fälle, daß keine Glaubhaftmachung bzw. obwohl eine Glaubhaftmachung vorliegt, in eine Ordnung zueinander gebracht. Dies macht aber nur Sinn, wenn der Maßstab der Glaubhaftmachung statisch verstanden wird; denn zieht man die Nachteilsabwägung schon zur Glaubhaftmachung, bleibt kaum mehr Abwägungsmaterial für die in § 921 vorgesehenen Ermessensentscheidungen. Geht man dagegen von einem festen Wahrscheinlichkeitsmaßstab aus, dann kann in die richterliche Ermessensentscheidung neben der Nachteilsabwägung auch ein höherer oder niedrigerer Grad der Wahrscheinlichkeit, als ihn die Glaubhaftmachung erfordert, eingehen. Dies entspricht auch dem Willen des RCPO-Gesetzgebers, wonach § 921 Abs. 2 gerade deswegen normiert wurde, um einer "übertriebenen Ängstlichkeit" des Richters entgegenzuwirken46• Man wollte also mit der Möglichkeit des Sicherbeitsleistungserfordernisses gerade verhindern, daß ein Richter zu hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung stellt. Die Glaubhaftmachung soUte daher unabhängig von einer Nachteilsabwäguog möglich sein; ein Bezugspunkt der Nachteilsabwägung ist die Sicherheitsleistuog47• Durch die Ermessenseinräumung an den zuständigen Richter ist im Falle des § 921 Abs. 1 S. 1 das "Ob" der Anordnung, im Falle des § 921 Abs. 1 S. 2 das "Ob" der Sicherheitsleistung variabel; eine Variabilität der Glaubhaftmachung ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Eine solche Variabilität ist auch vor dem Hintergrund der rechtsstaatlichen Forderung, daß Gesetze hinreichend klar gefaßt sein müssen48, nicht wünschenswert; einem Bürger fiele es schwer, sich ein Bild von seiner Rechtslage zu machen.

45 46 47 48 6 Vogg

S.§5C.I. Vgl. MotRCPO, Hahn 11/1, S. 473 C, siehe auch KußmauI, S. 254. Dazu näher § 6 C. III. u. § 8. S. dazu allgemein MaunzjDürig/Herzog, Art. 20 Rdnr. 63.

t 5 Materielles Recht und Beweis

82

Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Glaubhaftmachung auch im einstweiligen Rechtsschutz statisch aufzufassen ist im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit49• Wie im Hauptverfahrenso, so ist auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Anerkenntnis, Verzicht und Vergleich möglich51 ; in diesen Fällen ist eine Glaubhaftmachung nicht mehr erforderlich. 2. Gegenstand Gegenstand der Glaubhaftmachung im einstweiligen Rechtsschutz sind nach ganz h. M. nur tatsächliche Behauptungen. Dies entspricht dem schon allgemein zu § 294 Gesagten52• Auch aus den §§ 920 Abs. 2, 921 Abs. 2, 936 läßt sich nichts anderes ableiten. Soweit daher für den einstweiligen Rechtsschutz vertreten wird, daß sich die Glaubhaftmachung nicht nur auf tatsächliche Behauptungen beziehe, sondern auch hinsichtlich der rechtlichen Prüfung eine Glaubhaftmachung ausreichend sei53, ist dies mit der ganz h. M. abzulehnen54 • Die Mindermeinung geht davon aus, daß es für eine Anordnung im einstweiligen Rechtsschutz genügt, wenn das Gericht aufgrund einer überschlägigen Prüfung zu dem Ergebnis kommt, daß der Bestand des materiellen Rechts jedenfalls möglich ist. Diese Möglichkeit müsse sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen wie auch hinsichtlich der rechtlichen Würdigung zu bejahen sein55 • Die Mindermeinung stützt ihre Ansicht zunächst auf den Wortlaut des § 920 Abs. 2, wonach der "Anspruch"

49 Im Ergebnis auch DÜIZ, DB 1978, Beil. 13, S. 13; ders., BB 1980, 541; Menger, VerwArch 56 (1965),193; Finkelnburg/Jank, Rdnm. 174,204,294.

SO 51 52

53

S.§5B. Vgl. Stein/lonas/Grunsky, vor § 935 Rdnr. 19. S.§5C.I.

Grundlegend Leipold, S. 64; s. auch Schlosser, JURA 1984, 361, 36S f.; Hobbeling, S. 327 Fn. 532; Schenke, S. 347; PestakJzza, JuS 1978, 313; Schmidt, SGb 1980, 513; Holzinger, S. 40 ff. 54 Vgl. Stein/lonas/Grunsky, § 920 Rdnr. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 920 Anm. 2 Ab; Hinz, NJW 1986, 111; Zöller/Vollkommer, § 920 Rdnr. 8; Morbach, S. 40 f.; Schilken, S. 117 ff.; Amens, S. 287; ThomasjPutzo, § 920 Anm. 2; Rkter, JZ 1973, 40; Brox/Walker, Rdnr. 1511; Mantzourani.Tschaschnig, S. 78; Luckscheiter, S. 46; Baumgärtel, AcP 168 (1968), 403; Grunsky, ZZP 8S (1972), 359 ff.; Wenzel, NZA 1984, 114; Heinze, DB 1985,127; ders., RdA 1986, 276; Schach, S. 1639; Erichsen, JURA 1982, 95; ders., JURA 1984, 647; Bender, VBIBW 1986, 323 Fn. 23.

55

Vgl. Leipold, S. 94.

c. Einstweiliger Il«htsschutz

83

"glaubhaft" zu machen sei. Jedoch gibt es in den §§ 805 Abs. 4 S. I, 605 Abs. 2, 815 Abs. 2 S. 1 vergleichbare Formulierungen56, für die es völlig unstreitig ist, daß nur bezüglich der tatsächlichen Behauptungen Glaubhaftmachung möglich ist. Auch die Materialien zur ZPO sprechen für die ganz herrschende Meinung, wenn es in der Begründung zu § 921 Abs. 2 heißt, der Arrest könne gegen Sicherheitsleistung bewilligt werden, "auch wenn die Angaben des Gläubigers über den Arrestanspruch und Arrestgrund nicht glaubhaft gemacht sind.57. Zusammenfassend ist also festzustellen, daß sich die normativen Anforderungen an die Prüfungsintensität im einstweiligen Rechtsschutz nicht von denen im Hauptsacheverfahren unterscheiden58; das Gericht muß die Rechtslage auf der Grundlage der unbestrittenen, offenkundigen, zugestandenen oder glaubhaft gemachten Tatsachen vollständig überprüfen. Dies steht auch im Einklang mit den aus der Verfassung abgeleiteten Funktionen des einstweiligen Rechtsschutzes59, der Rechtsschutz- und der Zwischenzeitüberbrückungsfunktion; bei beiden Funktionen steht letztlich das materielle Recht und damit die materielle Rechtslage im Vordergrund6O • Erst wenn die Schnelligkeit und damit die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gefährdet wird, sind Abstriche bei der Orientierung an der materiellen Rechtslage verfassungsrechtlich erlaubt61 • Der Gesetzgeber hat dieses grundsätzliche Problem62 bei der Frage des Nachweises des materiellen Rechts im einstweiligen Rechtsschutz so gelöst, daß für die zu subsumierenden Tatsachen Glaubhaftmachung genügt; eine vom Grundsatz "da mihi factum, dabo tibi ius.63 abweichende zusätzliche Regelung hat er jedoch nicht getroffen64•

56

s. dazu auch Schilken, S. 118; Morbach, S. 41; Ritter, JZ 1973, 40.

57 MotRCPO, Hahn 11/1, S. 473 f.; s. dazu ausführlich und übeneugend Schilken, S. 117 Cf.; a. M. Leipold, S. 65. 58 Vgl. Schach, S. 1640; Ritter, JZ 1973, 40; Schilken, S. 118; Ahrens, S. 287; Erichsen, JURA 1984, 649 f.; Heinze, DB 1985, 127; ders., RdA 1986, 276. 59 s. dazu § 3 C. I. 2. 60 S. §4A. 61 62 63 64

S. §4A.

S. dazu §5A. Vgl. Menger, VelWArch 56 (1965),193. Vgl. im Ergebnis auch Schilken, S. 119; Däubler/Colneric, Rdnr. 1326.

§ 5 Materielles Recht und Beweis

84

Davon zu trennen ist das Problem für die Richter, unter Zeitdruck sorgfältig genug die materielle Rechtslage auf der Basis der summarisch ermittelten Tatsachengrundlage zu prüfen6S• Es handelt sich insoweit um ein faktisches Phänomen, das nicht von der gesevlichen Pflicht zur umfassenden rechtlichen Würdigung des Sachverhalts entbindet66• Abzulehnen, da es dafür keine dogmatische Fundierung gibt, ist daher die verbreitete Ansicht, daß bei schwierigen Rechtsfragen oder bei besonderer Eilbedürftigkeit, die Schlüssigkeit nicht mit der gleichen Genauigkeit zu prüfen sei wie im Prozeß der Hauptsache67• Schließlich hat ein Richter bei der heute viel beklagten Arbeitsbelastung68 auch im Hauptsacheverfahren nicht grenzenlos Zeit zur Rechtsfmdung69• Hier sind Abstriche bei der Schnelligkeit des einstweiligen Rechtsschutzes zu machen70, zumal eine Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes oftmals einen längeren Zeitraum überbrücken muß71 und dadurch weitreichende Folgen haben kann72. D. Ergebnis Sowohl der Vollbeweis (§ 286) im Hauptverfahren, das regelmäßig zu einem Urteil führt, an das die vorläufige Vollstreckbarkeit anknüpft, als auch die Glaubhaftmachung (§ 294) im einstweiligen Rechtsschutz sind statisch im Hinblick auf den notwendigen Wahrscheinlichkeitsgrad zu defmieren; während für den Vollbeweis eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit notwendig ist, reicht für die Glaubhaftmachung überwiegende Wahrscheinlichkeit aus. Es können nur tatsächliche Behauptungen bewiesen bzw. glaubhaft gemacht werden, niemals rechtliche Ausführungen. Die rechtliche Prüfung des Ver-

6S

vgl. Grunsky, Zll' 8S (1972), 362.

66 So auch Schoch, S. 1641; Schilken, S. 117; Stern, JuS 1981, 343; Teplitzky, JuS 1980, 883; Wenzel, MDR 1967, 892; Heinze, S. 49. 67 So aber BroxjWaJker, Rdnm. 1631, 1615; Stein/Jonos/Grunsky, § 935 Rdnr. 6, § 916 Rdnr. 4, § 940 Rdnr. 3; Grunsky, 'Z:n? 8S (1972), 362; Baur, S. 28 ff., insb. S. 34; Baur/Stümer, Rdnr. 921; Habscheid, NJW 1973, 376; Bender, VBIBW 1986, S. 323 Fn. 23; s. auch Piehier, S. 31; FinJrelnburgjJank, Rdnm. 200, 311. 68 S.§1E. 69 Vgl. Schoch, S. 1641. 70 Vgl. Sc~n, S. 119; DiWbier/Colneric, Rdnr. 1325. 71 72

S. § 1 A und § 3 C I 2 b.

Vgl. Stern, JuS 1981, 343.

D. Ergebnis

85

fügungsgerichts deckt sich mit der im Hauptprozeß; lediglich die tatsächlichen Grundlagen unterliegen anders als im Normalverfahren einer nur summarischen Prüfung73.

73

Vgl. Dütz, BB 1980, 534 u. 537; Wenzel, MDR 1967, 892.

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes Es wurde schon entwickelt, daß ein materieller Anspruch bzw. eine "bessere Berechtigung" des Antragstellers zwingende Voraussetzung jeden vorläufigen, zivilprozessualen Gerichtsschutzes istl . Insoweit bestehen grundsätzlich keine Unterschiede zwischen der vorläufigen Vollstreckbarkeit und dem einstweiligen Rechtsschutz. Nun ist zu fragen, welche weiteren Voraussetzungen der Gesetzgeber für die vorläufige Sicherung bzw. vorläufige Durchsetzung des materiellen Rechts vor dem Eintritt der Rechtskraft eines Urteils im Hauptsacheverfahren aufgestellt hat. Dabei ist vor allem auch auf die hinter den §§ 708 ff., 916 ff. stehenden gesetzgeberischen Wertungen einzugehen: Welche Parteiinteressen rechtfertigen nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Regelungen zum einstweiligen Rechtsschutz und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit? Spielen Interessen der Allgemeinheit eine Rolle? Es ist auch zu prüfen, in welchem Verhältnis die Rechtsinstitute der vorläufigen Vollstreckbarkeit und des einstweiligen Rechtsschutzes zueinander stehen. Möglicherweise lassen sich aus einer feststellbaren Beziehung Rückschlüsse auf die Auslegung bestimmter Tatbestandsmerkmale ziehen. Zunächst ist zu untersuchen, ob und welche verfassungsrechtlichen Anforderungen in der Frage der weiteren Veraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes zu beachten sind. A. Verfassungsrechtliche Anforderungen

Generell kann man sagen, daß der verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz wirksamen Gerichtsschutzes im Privatrecht2 eine richterliche Entscheidung zur Hauptsache nach uneingeschränkter Wahrheits- und Rechtsprüfung in angemessener Zeit garantiert3• Wo wirksamer Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren nicht in angemessener Zeit erlangt werden kann, muß vorläufiger Gerichtsschutz möglich sein; dies gebietet die 1 2

3

S. §4. S. dazu § 3 A. I. und 11. 1. S. § 3A. 11.1.

B. Vorläufige Vollstreckbarkeit

87

rechtsstaatliche Garantie wirksamen Gerichtsschutzes4 • Es ergibt sich also eine verfassungsrechtlich abgesicherte zeitliche Verknüpfung von Hauptsacherechtsschutz und vorläufigem Gerichtsschutz: Der vorläufige gerichtliche Rechtsschutz muß eine streitige Rechtsposition für die Dauer des Rechtsstreits gegen ihre Entwertung allein durch Zeitablauf sichern; die endgültige Entscheidung des Rechtsstreits erfolgt durch rechtskräftigen Abschluß des Hauptverfahrens5• Es läßt sich also feststellen, daß die rechtsstaatliche Garantie wirksamen Gerichtsschutzes nur einen Mindeststandard vorläufigen Gerichtsschutzes sichert6; nur in den Ausnahmefällen, in denen die Entwertung der materiellen Rechtsposition durch Zeitablauf droht, ist der vorläufige Gerichtsschutz verfassungsrechtlich garantiert. Dies schließt aber eine weitergehende Regelung des Gesetzgebers nicht aus. Da bei der Ausgestaltung des vorläuftgen Gerichtsschutzes im Privatrecht zwei verschiedene materielle (Grund-)Rechtspositionen der Parteien zum Ausgleich gebracht werden müssen, gewinnt hierbei das grundrechtsunmittelbare Gebot ausgewogenen Gerichtsschutzes besondere Bedeutung; beide Rechtspositionen der Parteien sind zur bestmöglichen Wirksamkeit zu führen7. Eine bestimmte Regelungstechnik ist jedoch verfassungsrechtlich nicht vorgeschrieben8 • Jedenfalls aber darf keine Gesetzgebungstechnik zum Schutz des materiellen Rechts durch den Gesetzgeber gewählt werden, die gegensätzliche Positionen der anderen Partei schematisch beeinträchtigt; vielmehr ist allen Parteünteressen in ausgewogener Weise Rechnung zu tragen9• B. Vorläufige Vollstreckbarkeit

Zunächst sind die Regelungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf weitere Voraussetzungen neben der urteilsmäßigen Feststellung des subjektiven Rechts zu untersuchen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit knüpft gem. § 704 Abs. 1 ganz formal an das Vorliegen eines Endurteils, in dem das 4

5 6

7 8 9

S.§3A. 11. 2. S. § 3 A. 11. 2. und C. I. 2. S. § 3 B. 11. und C. 11. S. ausführlich § 3 C. III. 1. und 2.; § 4 A. S. § 3 C. 11. und III. 2. S. § 3 C. III. 2.; MaunzjDürig/Sclunidt-Aßmann, Art. 19 Ab,. 4 Rdnr. 275.

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichts5chutzes

88

subjektive Recht des Klägers festgestellt wird lO, an. Zwar muß das Gericht die vorläufige Vollstreckbarkeit gem. § 704 Abs. 1 ausdrücklich im Urteilstenor anordnen, damit das Urteil auch wirklich vorläufig vollstreckt werden kann. Dies erfolgt jedoch gemäß den §§ 708, 709, 711 S. 1 von Amts wegen 11 und entspricht dem Regelfall; nur ausnahmsweise ist ein Ausspruch gem. § 704 Abs. 2 verboten oder erübrigt sich, weil das Urteil auch ohne eine solche Erklärung sofort vollstreckt werden kann, bzw. scheidet insoweit aus, als eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil nicht in Betracht kommt12• Es ist daher festzuhalten, daß grundsätzlich neben der urteilsmäßigen Feststellung des subjektiven Rechts keine weiteren Voraussetzungen für den Ausspruch der vorläufIgen Vollstreckbarkeit erfüllt sein müssen. Es stellt sich nun die Frage, welche Wertungen den Gesetzgeber zu dieser Regelung veranlaßt haben. Zur Beantwortung ist nochmals kurz darzustellen, was an anderer Stelle schon ausführlich aufgezeigt wurde13: Der RCPOGesetzgeber wollte eine Vollstreckung vor Rechtskraft nur in Ausnahmefällen zulassen, da ihm eine regelmäßige vorzeitige Vollstreckung unangemessen erschien. Bestimmend für die Einführung der vorläufigen Vollstreckbarkeit war die Befürchtung, die Parteien könnten die erste Instanz als bloße "Versuchsstation" betrachten und ihr gesamtes Angriffs- und Verteidigungsmaterial erst in der zweiten Instanz vortragen. Man kann also sagen, daß im Vordergrund bei der Normierung der vorläufigen Vollstreckbarkeit das Interesse der Allgemeinheit an einer funktions- und leistungsfähigen Rechtspflege standl4 • Dies erklärt aber nur die Einführung des Rechtsinstituts der vorläufigen Vollstreckbarkeit, nicht aber den Umstand, daß keine weiteren Voraussetzungen, die dem Arrest- bzw. Verfügungsgrund im einstweiligen Rechtsschutz vergleichbar sind, erfüllt sein müssen l5 • Weithin wird heute bei der 10

S. §4 B.

11 Vgl. BroxjWalker, Rdnr. 54. Unterbleibt ein Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit, ist das Urteil durch das Prozeßgericht gemäß den §§ 716, 321 auf Antrag zu ergänzen. 12

S. dazu näher BroxjWaIker, Rdnm. 55 f.

13

S. ausführlich § 2 A. I.

14

S. dazu insbesondere auch MotRCPO, Hahn 11/1, S. 427 f.; ProtRCPO, Hahn 11/2, S. 1164; Gmelin, S. 17; Stein/lonasjMünzberg, § 708 Rdnr. 1; das Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Rechtspflege ist durch das Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlich legitimiert und gesichert, vgI. BVerfGE 51,324 (343). 15

Zum Problem der Sicherheitsleistung s. § 8.

B. Vorläufige Vollstreckbarkeit

89

Frage nach dem Sinn der vorläufIgen Vollstreckbarkeit auf das Gläubigerinteresse an der Vermeidung von Aufschubgefahren verwiesen16• Dies ist zwar zutreffend, gilt jedoch für den gesamten vorläufIgen Gerichtsschutz im Privatrecht17, also auch für den einstweiligen Rechtsschutz. Unbeantwortet bleibt auch dabe~ warum der Gläubiger, der sich auf ein Urteil stützen kann, anders als der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz keine weiteren Voraussetzungen erfüllen muß. Soweit der Grund rein formal im Vorliegen einer autoritativen Entscheidung eines Gerichts gesehen wird 18, kann dem nicht zugestimmt werden. Dies beschreibt nur die gesetzgeberische Systematik, ohne daß darin eine innere Rechtfertigung der Regelung zu erkennen wäre. Entscheidend ist, daß der Gläubiger bis zum Erlaß des Urteils in der Regel sein materielles Recht, das Basis jeden vorläufIgen Gerichtsschutzes ist19, gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 hat voll beweisen müssen, soweit nicht aus prozessualen Gründen im Gesetz Ausnahmen vorgesehen sind20• Daraus folgt, der innere Grund für die Privilegierung der vorläufigen Vollstreckbarkeit gegenüber dem einstweiligen Rechtsschutz liegt in der höheren Richtigkeitsgewähr auch eines noch mit Rechtsmitteln angreifbaren Urteils im Hauptsacheverfahren gegenüber dem Arrest bzw. der einstweiligen Verfügung, selbst wenn in diesem summarischen Verfahren ein Urteil gemäß den §§ 922 Abs. 1,936 nach mündlicher Verhandlung ergeht. Schon bei den Diskussionen über die vorläufIge Vollstreckbarkeit in der RCPO ging es um die Richtigkeitsgewähr von Urteilen21 • Allerdings geben diese Ausführungen für die vorliegende Fragestellung nichts her, da sie sich nicht auf das Verhältnis von vorläufiger Vollstreckbarkeit zum einstweiligen Rechtsschutz beziehen; deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede hat der RCPO-Gesetzgeber nicht gesehen und daher nicht diskutiert22• Nun ist zu untersuchen, ob die vorläufIge Vollstreckbarkeit nach einem noch mit Rechtsmitteln angreifbaren Urteil im Hauptsacheverfahren einen Ausnahme- oder den Regelfall darstellt. Ursprünglich war die vorläufIge 16

Vgl. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, Volistreckungsverfahren, S. 29; Brox/Walker, Rdnr.

53; Stein/Jo1/QSjMünzberg, § ~ Rdnr. 1. 17

18 19

20 21

22

S. allgemein dazu § 1 A und § 3 C. I. 2. Vgl. BauT, S. 9 Cf. S.§4. S. § 5 B. und D.; s. auch Finken, S. 117. Vgl. MotRCPO, Hahn 11/1, S.427; ProtRCPO, Hahn 11/1, S. 796 Cf. S.§2C.

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes

90

Vollstreckbarkeit nur für Ausnahmefälle geplant23, jedoch wurde dem Gläubiger die Möglichkeit eingeräumt, auf Antrag durch das Erbieten von Sicherheitsleistung gern. § 650 RCPO den Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit zu erlangen. Dies führte in der Folgezeit dazu, daß der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit die Regel wurde. Dem wurde 1924 durch eine Gesetzesänder~, nämlich des damaligen § 710, Rechnung getragen: Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung erfolgte im Regelfall von Amts wegen ohne notwendige Antragstellung. Diese Regelung entspricht dem heutigen § 7(1) S. 1. Verfassungsrechtlich ist eine so weitgehende Zulassung der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht erforderlich; es ist darin aber auch kein Verstoß gegen die Verfassung zu erblicken2S• Zusammenfassend ist festzuhalten, daß bestimmend für die Einführung der vorläufigen Vollstreckbarkeit das Allgemeininteresse an einer funktionsund leistungsfähigen Rechtspflege war. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit erfordert neben dem Vorliegen eines Endurteils nicht die Erfüllung weiterer Voraussetzungen. Diese vom einstweiligen Rechtsschutz abweichende Regelung ist auf die höhere Richtigkeitsgewähr eines Urteils im Hauptsacheverfahren zurückzuführen. Näher zu behandeln ist noch, inwieweit die Regelungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit den Anforderungen der verfassungsrechtlichen Garantie ausgewogenen vorläufigen Gerichtsschutzes26 entsprechen. Die wichtigste Folgerung aus der Garantie ausgewogenen vorläufigen Gerichtsschutzes ist, daß der Gesetzgeber keine Schutztechnik für das materielle Recht wählen darf, die gegensätzliche Positionen der anderen Partei schematisch beeinträchtigt27. Diesen Anforderungen ist in den §§ 708 ff. Rechnung getragen worden; von einer vorläufigen Vollstreckbarkeit eines Urteils ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers (§§ 708 Nr. 1 bis 3, 710) über differenzierte Regelungen (§ 708 Nr. 4 bis 11, 711, 7(1), 712 Abs. 1 S. 1) bis zur Abwendung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung des Schuldners (§ 712 Abs. 1 S. 2) sind je nach Interessenlage viele Gestaltungen möglich. 23

24 2S 26

S.§2A.I. RGD\. 1924 Teil 1, S. 146.

S.§6A. S. § 6A.

27 S. § 3 C. III. 2. u. § 6 A.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

91

c. Einstweiliger Rechtsschutz Bei den §§ 704 Abs. 1, 708 ff. reicht die urteilsmäßige Feststellung des materiellen Rechts, dessen Tatsachengrundlage in der Regel gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 voll zu beweisen ist, für den Maßnahmenerlaß aus28• Im einstweiligen Rechtsschutz sind dagegen neben der Glaubhaftmachung einer zumindest besseren materiellen Berech~ des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner noch weitere Voraussetzungen für den Maßnahmenerlaß notwendig; diese Voraussetzungen werden unter den Begriffen Arrest- bzw. Verfügungsgrund zusammengefaßt3O• Im weiteren sind die Arrest - bzw. Verfügungsgründe des einstweiligen Rechtsschutzes genauer zu untersuchen. Gemäß § 917 Abs. 1 findet der dingliche Arrest statt, "wenn zu besorgen ist, daß ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde"31. Der persönliche Arrest fmdet gemäß § 918 nur statt, "wenn er erforderlich ist, um die gefährdete Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu sichern". Eine einstweilige Verfügung nach § 935 ist zulässig, "wenn zu besorgen ist, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte". Gemäß § 940 sind einstweilige Verfügungen zulässig, "sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint". Für die Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung, deren rechtliche Einordnung umstritten ist32, werden in Rechtsprechung und Lehre fallgruppenartige VerfügungsgrÜßde herausgebildet, die höhere Anforderungen für den Antragsteller stellen, als die §§ 935, 940 vorsehen33.

28

29

S.§4B.,§5B.u.§6B. S.§4C.u.§5C.

30 Vgl. etwa BroxjWaIker, Rdnm. 1496 ff., 1581, 1592, 1616. Zu der Frage, ob der Arrrestbzw. Verfügungsgrund im Rahmen der Zulässigkeit oder der Begründetheit zu prüfen ist, s. Blomeyer, ZZP 81 (1968), 20 ff.; Morbach, S. 26 f.; Hobbeling, S. 285 f.; PiehIer, S. 28; SteinjlofUlS/Grunsky, § 917 Rdnr. 2; Schilken, S. 124 ff.

31 § 917 Abs. 2 regelt einen Spezialfall, der für die Systematik ohne Bedeutung ist. 32 S. schon § 1 F. 11. 33 Vgl. Morbach, S. 95; BroxjWaIker, Rdnr. 1616; Stdn/JofUlS/Grunsky, vor § 935 Rdnm.

31 ff.; Baur/Stümer, Rdnm. 920 ff.; ZöUerjVolllwmmer, § 940 Rdnm. 6 ff.

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichlsschutzes

92

I. Gesetzgeberische Wertungen

Es stellt sich nun die Frage, welche Wertungen des Gesetzgebers hinter den Erfordernissen der Arrest- bzw. VerfügungsgrÜDde stehen. So wie der RCPO-Gesetzgeber eine (vorläufIge) Vollstreckung von Hauptsacheurteilen vor Rechtskraft nur in Ausnahmefällen zulassen wollte34, so wollte er auch den einstweiligen Rechtsschutz nur ausnahmsweise "zur Sicherung der Zwangsvollstreckung" gewährenlS • Nur wenn die Voraussetzungen eines Arrest- bzw. Verfügungsgrundes vorliegen, ist die Notwendigkeit der Sicherung des Arrest- bzw. Verfügungsanspruchs vor Abschluß des Hauptsacheverfahrens dargetan. Gemäß den §§ 708 ff. sollte die befriedigende Zwangsvollstreckung erst nach Abschluß eines Hauptsacheverfahrens vorläufIg möglich sein, da erst dann eine entsprechende Richtigkeitsgewähr für die Entscheidung besteht. Im einstweiligen Rechtsschutz ist das Risiko einer Fehlentscheidung größer als im Hauptsacheverfahren36• Denn zum einen bestehen geringere verfahrensmäßige Garantien37, insbesondere kann eine mündliche Verhandlung gemäß den §§ 921 Abs. 1, 937 Abs. 2 unterbleiben. Zum anderen muß die Tatsachengrundlage des materiellen Rechtes nur im Hauptverfahren regelmäßig gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 voll bewiesen werden38, während gemäß den §§ 921 Abs. 2, 936 im einstweiligen Rechtsschutz Glaubhaftmachung39 ausreicht. Endgültig darf die Zwangsvollstreckung erst durchgeführt werden, wenn eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, vgl. § 704 Abs. 1 Alt. 1. Der Ausnahmecharakter des einstweiligen Rechtsschutzes ist anders als bei der vorläuftgen Vollstreckbarkeit40 durch das Erfordernis des Arrest- bzw. Verfügungsgrundes bis heute gewahrt. Einstweiliger Rechtsschutz wird nur in solchen Fällen gewährt, in denen die Entwertung der materiellen Rechtspositionen vor Abschluß des Hauptsacheverfahrens droht. Damit ist insoweit den verfassungsrechtlichen Min-

34 lS 36

s. §6 B. und §2A. I. Vg1. MotRCPO, Hahn 11/1, S. 470; s. auch § 2 A. 11.

Vgl. Grunsky, JuS 1976, 280; ders., JuS 1977, 220; ders., 'ZZJ? 85 (1972), 360 f.; Stein/lonas/Grunsky, vor § 9lS Rdnr. 32; Leipold, S. 87 f; ausführlich Schoch, S. 892 ff. 37 vgl. etwa BroxjWaJker, Rdnm. 1504 Cf.; Rosenberg/GauJ/Schilken, S. m ff. 38 39

40

S. dazu schon § 6 B. S.§SC.II. S.§6B.

c. Einstweiliger Rechtsschutz

93

destanforderungen genügt41. Während die vorläufige Vollstreckbarkeit im Anschluß an ein nicht rechtskräftiges Endurteil in der Hauptsache dem Regelfall entspricht42, stellt eine Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes aus dogmatischer Sicht nach wie vor die Ausnahme dar. Die vorläufige Vollstreckbarkeit begünstigt daher aus diesem Blickwinkel den Gläubiger, während der einstweilige Rechtsschutz mit dem Erfordernis weiterer Voraussetzungen neben der besseren materiellen Berechtigung des Antragstellers insoweit den Schuldner im Ansatz besser stellt. Dies rechtfertigt sich aus der höheren Richtigkeitsgewähr eines Endurteils im Hauptsacheverfahren, die es erlaubt, auf das Erfordernis weiterer Voraussetzungen für die vorläufige Vollstreckbarkeit zu verzichten43. Nicht zu verkennen ist, daß sich die Aussage, die vorläufige Vollstreckbarkeit begünstige den Gläubiger, während der einstweilige Rechtsschutz den Schuldner begünstige, nur auf die in § 6 dieser Arbeit behandelten weiteren Voraussetzungen für die Anordnung vorläufigen Gerichtsschutzes bezieht. Unberücksichtigt bleibt zunächst, da es eine andere Ebene des Vergleichs von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz betrifft, daß im Bereich der vorläufigen Vollstreckbarkeit für den Regelfall gemäß § 709 S. 1 eine Sicherheitsleistung des Gläubigers zwingend vorgesehen ist, während die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Gläubigers im einstweiligen Rechtsschutz gemäß den §§ 921 Abs. 2, 936 im Ermessen des Gerichts steht44 •

11. Normenstruktur Zunäcltst ist eine Einordnung der Arrest-und Verfügungsgründe in die Normenstruktur der §§ 916 ff. vorzunehmen, um damit die dogmatische Grundlage für weitere Ausführungen zu bestimmten Problemen der Arrestbzw. Verfügungsgründe zu legen. Rechtsnormen sind zweigliedrig aufgebaut. Sie bestehen aus Tatbestand und Rechtsfolge; ist der Tatbestand erfüllt, so tritt die Rechtsfolge ein45 . Der Arrest- bzw. Verfügungsgrund ist auf der Tatbestandsebene angesiedelt. Da es Ermessen nur auf der Rechtsfolgenseite ("Ob", "Wie"), nie auf 41 s. §6A. 42 S.§6B. 43 S.§6B. 44

S. dazu § 8 C. 11.

45 Maurer, S. 98; s. auch lATenz, Methodenlehre, S. 240 ff.

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes

94

der Tatbestandsebene geben kann46, ist die Ansicht47, daß ein Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, ob ein Verfügungsgrund vorliegt, abzulehnen. Vielmehr handelt es sich bei solchen Tatbestandsmerkmalen wie Z.B. "vereitelt oder wesentlich erschwert..48 und "wesentliche Nachteile..49 um unbestimmte RechtsbegriffeSO. Das bedeutet, daß es trotz der beschränkten inhaltlichen Unbestimmtheit dieser Tatbestandsmerkmale aus rechtlicher Sicht nur eine zutreffende Entscheidung geben kann51 . Zweifelhaft kann in Grenzfällen sein, was richtig ist, zumal oft Wertungen und umfängliche Abwägungen verschiedenster Kriterien notwendig sind52. Jedenfalls trifft das Gericht, wenn es das Vorliegen eines Arrest- bzw. Verfügungsgrundes bejaht oder verneint, keine Ermessens- sondern eine Rechtsentscheiduni3. Teilweise wird die Ansicht vertreten, es handele sich bei den unter den Begriffen Arrest- bzw. Verfügungsgrund zusammengefaßten Tatbestandsmerkmalen um unbestimmte Rechtsbegriffe, bei denen die Gerichte einen gewissen, voll nachprüfbaren Beurteilungsspielraum hätten54 • Diese Ansicht ist abzulehnen. Die Einräumung eines Beurteilungsspielraums bedeutet inhaltlich, daß nur eine begrenzte Nachprüfung der vorinstanzlichen Entscheidung stattfmdef5. Grundsätzlich besteht bei unbestimmten Rechtsbegriffen kein Beurteilungsspielraum56; dies gebietet schon die Verfassung57. Nur wenn nach Sinn und Zweck der jeweils anwendbaren materiell-rechtlichen Norm eine nur begrenzte Nachprüfung erfolgen soll, 46 Vgl. Kopp, VwVfG, § 40 Rdnr. 3; DülzjVogg, Anm. zu BAG SAE 1989, 224; Vogg, Anm. zu BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 61; s. auch Sleinjlonas/Grunsky, § 917 Rdnr. 4 u. § 935 Rdnr. 14. 47

48

49

Vgl. Baumbach/Lauterbach/AlbersfHartmann, § 935 Anm. 2 C.

S. §§ 917 Abs. I, 935. S. § 940.

so Vgl. Steinjlonas/Grunsky, § 917 Rdnr. 4; ZöllerjVollkommer, § 935 Rdnr. 11. 51 Krit. dazu Rieble, NJW 1991, 66. 52 Vgl. dazu allgemein Maurer, S. 109 f.; s. auch Vogg, Anm. zu BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 61. 53 S. auch Finkelnburg/Jank, Rdnr. 169; ferner Redeker, ZRP 1983, ISO. 54 Vgl. Sleinjlonas/Grunsky, § 917 Rdnr. 4 u. § 935 Rdnr. 14; ZöllerjVollkommer, § 935 Rdnr.ll.

55

Vgl. Kopp, VwVfG, § 40 Rdnrn. 30, 32.

Vgl. Kopp, VwVfG, § 40 Rdnr. 30; Nipperdey, DB Vogg, Anm. zu BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 61. 56

57

1980, 1645; ZUseher,

Vgl. MaunzjDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnrn.

DB

191 ff. m.w.N.

1984, 1400;

C. Einstweiliger Rechtsschutz

95

ist ein Beurteilungsspielraum gegeben58• Es ergeben sich aus der Gesetzgebungsgeschichte der RCPO bzw. der ZPO keine Anhaltspunkte dafür, daß eine nur begrenzte Nachprüfbarkeit des Arrest- bzw. Verfügungsgrundes gewollt war. Auch ist die Annahme eines voll überprüfbaren Beurteilungsspielraums ein Widerspruch in sich59• Es ist daher festzustellen, daß die Tatbestandsmerkmale der Arrest- bzw. VerfügungsgrÜDde unbestimmte Rechtsbegriffe sind, deren Subsumtion von der nächsten Instanz voll nachgeprüft werden kann. Ein Beurteilungsspielraum für die Gerichte besteht nicht. III. Interessenabwägung Auf der Basis dieser dogmatischen Feststellungen soll nun die umstrittene Frage behandelt werden, ob eine Abwägung der Interessen von Antragsteller und Antragsgegner Bestandteil der Arrest-und Verfügungsgründe ist oder neben diesen eine weitere Voraussetzung des einstweiligen Rechtsschutzes darstellt oder überhaupt nicht als weitere Voraussetzung des einstweiligen Rechtsschutzes angesehen werden kann. 1. Meinungsstand Regelmäßig wird die Notwendigkeit einer Interessenabwägung im Zusammenhang mit dem Verfügungsgrund60 in Lehrbüchern nicht erwähnt61 ; lediglich im vertiefenden Schrifttum fmden sich dazu Stellungnahmen62 • 58

Vgl. Kopp, VwVfG, § 40 Rdnr. 33; Vogg, Anm. zu BAG EzA § 40 BetrVG 1m Nr. 61.

59 Ein grundsätzliChes Mißverständnis des Beurteilungsspielraums läßt sich weithin im Privatrecht feststellen; s. dazu Vogg, Anm. zu BAG EzA § 40 BetrVG 1m Nr. 61. 60 Zur Interessenabwägung im Rahmen der Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs s. § 5 C. 11. 1. a). 61 Vgl. Schellhammer, Rdnrn. 1598, 1623 f.; Brox/WaIker, Rdnrn. 1496 ff., 1581, 1592; Jauemig, Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, S. 150 f., 158 ff.; s. auch Baur/Stümer, Rdnrn. 839, 906, 915, 922. 62 S. etwa Schilken, S. 126 ff.; Leipold, S. 52 ff.; Morbach, S. 90 f.; Hobbeling, S. 82 ff., 275 ff.; Mantzourani-Tschaschnik, S. 68; Piehler, S. 29, 204; Luckscheiter, S. 55 ff.; DäubIer/Colneric, Rdnrn. 1319 ff.; Minnerop, S. 65; Grunsky, RdA 1986, 202; ders., ZZP 8S (1972), 363; ders., NJW 1979, 89 Fn. 22; Stein/Jonas/Grunsky, § 940 Rdnr. 12; Zöller/Vollkommer, § 940 Rdnr. 4; BaumbachjLauterbachjAlbersjHartmann, § 940 Anm. 1; Jauemig, NJW 1975, 1419; Dütz, BB 1980, 539; ders., N7A 1986, 213; Brändel, S. 99 ff.; Rohmeyer, S. 154 f.; Woller, AiB 1986, 83; Gattung, S. 33 ff.; Domdor[, S. 33 f. Aus der Rspr. s. etwa OLG München, NJW 1965, 2161; LAG Rheinland-Pfalz, N7A 1986, 264 ff. Zum öffentlichen Recht vgI. Finkelnburg/Jank, Rdnrn. 169 ff.

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes

96

Diese Ausführungen beinhalten aber selten63 ein umfassendes, dogmatisch fundiertes Konzept zur Interessenabwägung im einstweiligen Rechtsschutz. Überwiegend wird bezogen auf bestimmte Arten von einstweiligen Verfügungen bzw. auf bestimmte Arten von Ansprüchen, insbesondere Unterlassungsansprüchen, die im einstweiligen Rechtsschutz gesichert werden sollen, die Notwendigkeit einer Interessenabwägung behandelt. Dabei gibt es innerhalb der Meinungen, die eine Interessenabwägung für den einstweiligen Rechtsschutz fordern, Unterschiede nach Umfang und tatbestandlicher Anknüpfung der Interessenabwägung. So wird von einer Mindermeinung, teilweise ohne Nennung eines tatbestandlichen Anknüpfungspunktes64, teilweise bezugnehmend auf das Tatbestandsmerkmal "vereitelt oder wesentlich erschwert..65, die Möglichkeit einer Interessenabwägung auch für § 935 vertreten. Mehrheitlich erachtet man jedoch nur für die Regelungs- und die Befriedigungsverfügung eine Interessenabwägung für notwendig66• Als tatbestandliche Anknüpfungspunkte in § 940 werden die "wesentlichen Nachteile,,67 oder der Begriff "nötig,,68 angesehen. Teilweise betrachtet man Verfügungsgrund und Abwägung als verschiedene Voraussetzungen; der Verfügungsgrund betreffe allein die gefährdete Rechtsposition des Antragstellers, während die anschließende Interessenabwägung dann die Seite des Antragsgegners miteinbeziehe69. 2. Stellungnahme Es ist festzuhalten, daß niemand für die ArrestgrÜBde bzw. neben ihnen eine Interessenabwägung fordert. Daher sind die Ausführungen zur Interes63 Leipold, S. 83 ff., bietet zwar ein solches Konzept, jedoch geht er von einem besonderen Verständnis des einstweiligen Rechtsschutzes aus; danach gäbe es gern. §§ 935 ff. materiell-akzessorische und offene, von einer Intercssenabwägung abhängige Verfügungen. Diesem Verständnis des einstweiligen Rechtsschutzes konnte hier nicht gefolgt werden, s. § 4. S. aber auch Schilken, S. 126 Cf.; Finkelnburg/Jank, Rdnm. 169 Cf.; Hobbeüng, S. 82 ff., 275 Cf.

64

Vgl. Hobbeling, S. 82 ff.

65 Vgl. Dütz, BB 1980, 538; ders., NZA 1986, 213; a. A. Schilken, S. 126 f.; Finkelnburg/Jank, Rdnm. 169 f. 66 Vgl. etwa Schilken, S. 127 ff.; Finkelnburg/Jank, Rdnm. 171 ff.; Luckscheiter, S. 55 ff.; Jauemig, NJW 1975, 1419; Heclalmann, AuR 1970, 176; Zeuner, RdA 1971, 6 f.; DäubIer/Colneric, Rdnr. 1319; Grunsky, JuS 1976,282; PiehIer, S. 204; Morbach, S. 93 f.

67 Vgl. etwa Luckscheiter, S. 55; Dütz, BB 1980,538; s. auch PiehIer, S. 29. 68 Vgl. etwa Schilken, S. 127 ff.; Däubler/Colneric, Rdnr. 1318. 69 Vgl. Hobbeling, S. 286.

C. EiDstweiliger Rechtsschutz

97

senabwägung auf die §§ 935 ff. zu beschränken. Zunächst ist zu prüfen, weIche Ergebnisse die Auslegung der §§ 935 ff. erbringt. In einem weiteren Schritt wird das gefundene Ergebnis auf seine Übereinstimmung mit verfassungsrechtlichen Anforderungen untersucht. a) Auslegung aal Wortlaut Ausgangspunkt und gleichzeitig Grenze jeder Auslegung eines Tatbestandsmerkmals ist der Wortlaut70• Eine Interessenabwägung ist jedenfalls nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Bei § 935 ist vielmehr die Rede davon, daß ein Recht einer Partei "vereitelt oder wesentlich erschwert" werden könnte, wobei die Vereitelung nur ein Unterfall der wesentlichen Erschwerung ist. Nach § 940 sind einstweilige Verfügungen vor allem zulässig, soweit sie "zur Abwendung wesentlicher Nachteile ... nötig" erscheinen. Die Formulierung "Abwendung wesentlicher Nachteile" ist so umfassend, daß die anderen Alternativen, wie "Verhinderung drohender Gewalt" oder "aus anderen Gründen" kaum praktisch werden71; diese beiden Alternativen sind Unterfälle des "wesentlichen Nachteils"72. § 935 scheint in seinem Wortlaut allein auf die Erschwerung bzw. Verei-

telung der Verwirklichung der Rechte des Antragstellers abzustellen. Ferner beziehen sich die "Nachteile" des § 940 scheinbar nur auf die bessere materielle Berechtigung des Antragstellers, wenn man richtigerweise davon ausgeht, daß auch § 940 subjektiv-rechtlich ausgerichtet ist73• Die Rechtspositionen des Antragsgegners wären nach dieser Auslegung für die §§ 935, 940 ohne jeden Belang. Jedoch ist in § 935 von einer wesentlichen Erschwerung und in § 940 von wesentlichen Nachteilen die Rede. Nun kann die Bezeichnung "wesentlich" einerseits eine nur graduell verstärkende Funktion haben; demnach würde nicht jeder Nachteil des Antragstellers genügen, sondern nur besonders bedeutende. Andererseits ist aber auch eine Interpretation 70 vgJ. Larenz, Methodenlehre, S. 305 ff.; ders., Allgemeiner Teil, S. 78; Enneccerus/Nipperdey, S. 331. 71 VgJ. Däubler/Colneric, Rdnr. 1318; Holzinger, S. 32. So beziehen sich auch die Rspr.-

Nachw. bei Steinjlonas/Grunsky, § 940 Rdnr. 11 Fn. 32, zur Alternative "Verhinderung d~ hender Gewalt" nur auf die Jahre bis einschließlich 1927.

72

73

7 Vogg

S. zum geschiChtlichen Hintergrund Schilken, S. 107 Fn. 151.

S. dazu § 4 C. 11.

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes

98

möglich, die eine Verknüpfung zu den Rechten des Antragsgegners herstellt; eine erschwerte Rechtsverwirklichung bzw. Nachteile dabei sind nach dieser Auslegung nur dann "wesentlich", wenn eine Güter- und Nachteilsabwägung zugunsten des Antragstellers ausfällt74. Als Ergebnis der Wortlautauslegung insgesamt läßt sich daher festhalten, daß einiges dafür spricht, bei der Prüfung der wesentlichen Erschwerung bzw. der wesentlichen Nachteile nur die Interessen des Antragstellers zu berücksichtigen; aber vom Wortlaut ist aufgrund des Begriffs "wesentlich" auch eine Auslegung der §§ 935, 940 gedeckt, die eine Interessenabwägung innerhalb der Prüfung der Verfügungsgründe notwendig macht.

bb) Geschichte, Bedeutungszusammenhang, Regelungszweck Bevor auf die Auslegungskriterien des Bedeutungszusammenhangs und des Regelungszwecks eingegangen wird, soll zunächst der geschichtliche Hintergrund der §§ 935 ff. daraufhin untersucht werden, ob vom Gesetzgeber eine Interessenabwägung im Rahmen der §§ 935 Cf. vorgesehen war. Aus der Entstehungsgeschichte der RCPO ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß im Rahmen des § 935 eine Interessenabwägung gewollt war75 . Auch für § 736 des Entwurfs einer deutschen CPO von 1871 (= § 940), der vom Preußischen Justizministerium bearbeitet wurde, heißt es, "unter den Zweck der Sicherung eines individuellen Streitgegenstandes fällt in einem weiteren Sinne auch die Regelung eines einstweiligen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis,insofern die vorauszusetzende Notwendigkeit einer solchen Regelung die Gefahr einer Erschwerung für die Verwirklichung des Rechts einer Partei in sich schließt"76. Für § 940 wurde also ebenfalls keine Interessenabwägung für notwendig erachtet; es wurde nur auf das Recht einer Partei abgestellt77• Damit in Einklang steht, daß hier auch für § 940 eine bessere materielle Berechtigung Grundlage des

74 75 76 77

Ähnlich Dütz, BB 1980, 538. Vgl. Schilken, S. 74 ff., 124 ff. Vgl. Begr. des Entwurfs, S. 496; abgedr. in: Dah/manns, Bd. 2, S. 752.

Nicht eindeutig insoweit Schilken, S. 74 ff., insbes. 83 u. S. 127 ff. Als historisches Verfahrensziel des § 940 stellt Schilken den Interessenausgleich (S. 83) heraus; er kommt zum Erfordernis der Güterabwägung bei § 940 über die Berücksichtigung der dem § 940 zugrundeliegenden Interessen- und Wertungslage (S. 129 f.). Dabei wird nicht klar, ob nach Schilkens Ansicht der Gesetzgeber eine Interessenabwägung gewollt hat.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

99

einstweiligen Rechtsschutzes ist78; insofern liegt eine dem § 935 vergleichbare Situation vor. Zudem verzichtete man ja schon im Norddeutschen Entwurf (NE), der die entscheidende Vorlage für die Normen des einstweiligen Rechtsschutzes in der RCPO war79, auf eine genaue Abgrenzung zwischen § 740 NE (§ 940) und § 729 NE (§ 935); vielmehr lautete § 740 Abs. 2 NE: "Auf diese Anordnungen finden die Bestimmungen der §§ 729 bis 737 entsprechende Anwendung". Ausdrücklich sollte also auch § 729 NE (§ 935), in dessen Rahmen zweifelsfrei keine Interessenabwägung vorgesehen war, entsprechend anwendbar sein. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, daß auch für § 740 NE (§ 940) keine Interessenabwägung gewollt war. Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß der historische RCPO-Gesetzgeber keine Abwägung der Interessen von Antragsteller und Antragsgegner auf der Ebene des Verfügungsgrundes vorgesehen hat. Vielmehr wurden die Erschwerung der Verwirklichung in § 935 und die wesentlichen Nachteile des § 940 nur auf die materielle Rechtsposition des Antragstellers bezogen. Dem Sicherungs- bzw. Regelungszweck der §§ 935, 940 lassen sich keine Vorgaben hinsichtlich einer etwaigen Interessenabwägung entnehmen. Daher kann man die Notwendigkeit einer Interessenabwägung nicht aus dem ZweckBO der §§ 935 Cf. herleiten. Auch aus dem Bedeutungszusammenhang8t der §§ 935, 940 mit den §§ 916 Cf. ergibt sich das Erfordernis einer Interessenabwägung auf der Ebene des Verfügungsgrundes nicht. Vielmehr sollten die Interessen des Antragsgegners nach der Vorstellung des Gesetzgebers erst auf der Ebene der Sicherheitsleistung und der Abwendungsbefugnis gemäß den §§ 921 Abs. 2, 936, 939 berücksichtigt werdcn82; erst auf dieser Ebene ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine Nachteilsabwägung vorzunehmen83 •

78 79 80

S.§4C.1I. S. schon § 2 A. 11. 2. u. § 4 C. 11. 2.

Zu diesem Auslegungskriterium s. EnneccerusjNipperdey, S. 334; lArenz, Methodenlehre, S. 313 ff. 8t Zu diesem Auslegungskriterium s. EnneccerusjNipperdey, S. 334; lArenz, Methodenlehre, S. 310 ff. 82

Vgl. MotRCPO, Hahn 11/1, S. 474.

83 Vgl. Schillan, S. 130 f.; SteinjlOfIQS/Grunsky, bachjLauterbach/Albers/Hartmann, § 921 Anm. 2 A b.

§ 921

Rdnr.

7;

Baum-

100

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes

ce) Wertungswidersprüche

Es stellt sich nun die Frage, ob eine Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertungen, die in den §§ 708 ff. zum Ausdruck kommen, Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Interessenabwägung im Rahmen der Verfügungsgrüode bei der Prüfung der §§ 935 ff. liefert. Für eine solche Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertungen muß zunächst vorgelagert untersucht werden, in welchen Fällen der §§ 935 ff. heute die Notwendigkeit der Interessenabwägung weithin anerkannt wird. In diesem Zusammenhang ist zu behandeln, warum der Gesetzgeber auf das Erfordernis der Interessenabwägung im Rahmen der Prüfung des Verfügungsgrundes verzichtet hat. Dann ist zu fragen, ob ein solcher Verzicht heute noch sachgerecht ist. Dabei sind Parallelen zu den §§ 708 ff. zu ziehen, um Wertungswidersprüche aufzuzeigen. Eine Interessenabwägung wird insbesondere bei Befriedigungs- bzw. Leistungsverfügungen für notwendig erachtet84, unabhängig davon, welche Rechtsgrundlage für anwendbar gehalten wird8S . Aber auch für Regelungsverfügungen, die zeitweilig befriedigenden Charakter haben86, wird eine Interessenabwägung gefordert, wenn man diese Verfügungen nicht schon den Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügungen zuordnen will87• Man kann daher festhalten, daß eine Interessenabwägung in den Fällen verlangt wird, in denen die einstweiligen Verfügungen zu einer zumindest vorläufigen Befriedigung des Antragstellers führen 88 • Bestätigung fmdet dieses Ergebnis durch die Tatsache, daß für die Arrestgrüode keine Interessenabwägung gefordert wird; dort tritt das Problem der (zeitweiligen) Befriedigung nicht auf. Es besteht also eine Verknüpfung von Interessenabwägung und (zeitweiliger) Befriedigung. Bedeutsam ist dabei vor allem, daß nach der Vorstellung des RCPO-Gesetzgebers weder § 935 noch § 940 im Normalfall zu einer Befriedigung des Antragstellers führen sollten; lediglich die spätere 84 Vgl. Dütz, BB 1980, 537; Grunsky, JuS 1976, 282; Däubler/Colneric, Rdnr. 1319; Brändel, S. 99 ff.; Luckscheiter, S. 55 ff.; Woller, AiB 1986, 83; s. auch SchUlcen, S. 129 f.

8S

86

S. dazu schon § 1 F. 11. u. § 4 C. I. Vgl. dazu Brox/WaIker, Rdnm. 1590, 1596; Morbach, S. 94.

87 Zu diesem Meinungsstreit, der sich hauptsächlich auf die Einoronung der Unterlassungsverfügung bezieht, s. § 4 C. 1.; vgI. auch Morbach, S. 94 f.; Baur/Stümer, Rdnr. 920; Stein/Jonas/Grunsky, vor § 93S Rdnr. 31; Brox/WaIker, Rdnm. 1590, 1596; Jauemig, ZwangsVOllstreckungs- und Konkursrecht, S. 159 f. 88

S. PiehIer, S. 204.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

101

Befriedigung sollte gesichert werden89• Es liegt daher nahe anzunehmen, daß der Gesetzgeber auf das Erfordernis der Interessenabwägung deswegen verzichtet hat, weil er die befriedigende Wirkung von bestimmten einstweiligen Verfügungen in seiner ganzen Reichweite nicht erkannt bzw. gekannt hat. Obwohl der Gesetzgeber die Befriedigungswirkung für den Regelfall nicht gewollt hat, ist das Faktum der Befriedigungswirkung mancher einstweiliger Verfügungen dennoch zunächst zu akzeptieren90, um nun die Notwendigkeit bzw. Zulässigkeit einer Interessenabwägung auf der Ebene des Verfügungsgrundes bei einstweiligen Verfügungen mit (vorläufig) befriedigender Wirkung untersuchen zu können. Da der RCPO-Gesetzgeber nur die Sicherung und nicht die Befriedigung des Antragstellers angestrebt hat, berücksichtigte er bei der Normierung der §§ 935 ff. ebensowenig wie bei den §§ 916 ff. die Rechtspositionen des Antragsgegners, die gerade durch die Befriedigung des Antragstellers besonders bedroht sind. Die Gesetzesstruktur sieht nach der Vorstellung des Gesetzgebers vielmehr so aus, daß auf der Ebene des Verfügungsgrundes nur die Gefährdungen der materiellen Rechte des Antragstellers berücksichtigt werden, während die Interessen des Antragsgegners, die durch eine sichernde einstweilige Verfügung betroffen sein können, durch die §§ 921 Abs. 2 S. 291 , 939 erst bei der gerichtlichen Ermessensentscheidung auf der Ebene der Sicherheitsleistung Beachtung finden92•

Es stellt sich nun die Frage, ob die gerichtliche Prüfung einer angestrebten befriedigenden einstweiligen Verfügung anband der Voraussetzungen, wie sie der Gesetzgeber für die sichernden einstweiligen Verfügungen gewollt hat, sachgerecht ist. Dies spitzt sich auf die Problematik zu, ob die Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers durch die §§ 921 Abs. 2 S. 2,936,939 auch in den Fällen der befriedigenden einstweiligen Verfügungen ausreicht. Bei der gerichtlichen Ermessensausübung bezüglich einem Sicherheitsleistungserfordernis des Antragstellers nach § 921 Abs. 2 S. 2 ist

89

Vgl. MotRCPO, Hahn 11/1, S. 470; Stein/lonas/Grunsky, vor § 93S Rdnr. 31.

90 Zur näheren Untersuchung und dogmatischen Fundierung der Befriedigungswirkung mancher einstweiliger Verfügungen s. § 7 C. 11. 91 Der Sonderfall des § 921 Abs. 2 S. 1 spielt hier keine Rolle, da er nur die Glaubhaftmachung mit der Sicherheitsleistung verknüpft; vgI. Schillu!n, S. 130. 92 S. schon § 6 C. III. 2. a) bb).

102

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichts5chutzes

eine Nachteilsabwägung vorzunehmen93• Bei befriedigenden einstweiligen Verfügungen sind die Interessen des Antragsgegners stärker betroffen als bei nur sichernden einstweiligen Verfügungen. Dies kann aber über § 921 Abs. 2 S. 2 höchstens zur Sicherheitsleistungspflicht des Antragstellers führen; eine noch so starke Beeinträchtigung der Interessen des Antragsgegners kann nach dem gesetzlichen Konzept die einstweilige Verfügung ohne eigene Sicherheitsleistung des Antragsgegners nicht verhindern. "Nur unter besonderen Umständen" kann der Antragsgegner gemäß § 939 die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung gegen eigene Sicherheitsleistung erreichen. Dieser Aufbau des Gesetzes mag für die sichernde einstweilige Verfügung angemessen sein, da hier etwaige Nachteile für den Antragsgegner weitgehend durch die Sicherheitsleistung des Antragstellers aufgefangen werden können bzw. § 939 trotz seines Ausnahmecharakters genügend Schutz bietet. Für die befriedigende, einstweilige Verfügung ist dies nicht mehr sachgerecht, wie ein Vergleich mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit zeigt94. Dort hat der Gläubiger aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Titels ebenfalls die Möglichkeit, (vorläufig) Befriedigung seiner materiellen Ansprüche zu erreichen, so wie das auch eine (vorläufig) befriedigende einstweilige Verfügung ermöglicht. Obwohl bei den §§ 708 Cf. das Urteil, an das die vorläufige Vollstreckbarkeit anknüpft, auf viel sicherer Grundlage beruht als eine einstweilige Verfügung95 und damit eine höhere Richtigkeitsgewähr bietet96, hat der Schuldner in besonders gelagerten Fällen die Möglichkeit gemäß § 712 Abs. 1 S. 2 ohne eigene Sicherheitsleistung die vorläufige Vollstreckbarkeit mit ihrer Befriedigungsmöglichkeit für den Gläubiger zu verhindern, wenn die Interessen des Schuldners nur schutzwürdig genug sind97• dd) Folgerungen Im weiteren ist zu untersuchen, welche Konsequenzen aus der Tatsache zu ziehen sind, daß die Behandlung der befriedigenden einstweiligen Verfü93

S. schon § 6 C. III. 2. a) bb).

94 S. zu diesem Vergleich auch Schilken, S. 130; s. ferner Dütz, OB 1980, 1070; Finken, S.

117ff. 95

S. § 5. VgJ. auch Schilken, S. 130.

96

S.§6B.

97

S. dazu Noack, OGVZ 1m, 33.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

103

gungen nach den Voraussetzungen der §§ 935 ff., die der RCPO-Gesetzgeber für die sichernden bzw. regelnden einstweiligen Verfügungen konzipiert hat, nicht sachgerecht ist. Es wurde oben schon ausgeführt98, daß die Wortlautauslegung auch das Erfordernis einer Interessenabwägung möglich erscheinen läßt. Zwar spricht der historische Gesetzgeberwille gegen diese Auslegung99. Jedoch ist eine Zurückdrängung der entwicklungsgeschichtlichen Interpretationskriterien insoweit geboten, als bei den einstweiligen Verfügungen die Möglichkeit der (zeitweiligen) Befriedigung mehr und mehr anerkannt wird, denn dadurch vollzog sich ein grundlegender Wandel der Verhältnisse. Daher ist eine objektiv-teleologische Auslegung der §§ 935 ff. geboten lOO• Der RCPO-Gesetzgeber wollte eine ausgewogene Regelung. Er hat aber bei der Normierung, wie oben dargestellt lOl , die Zusammenhänge der Möglichkeit einer (zeitweiligen) Befriedigung durch die einstweiligen Verfügungen und der dadurch besonders betroffenen Interessen des Antragsgegners nicht erkannt. Hätte der RCPO-Gesetzgeber dieses Problem gesehen, hätte er eine dem § 712 entsprechende Regelung treffen müssen. Deshalb ist es nach der objektiv-teleologischen Auslegung angebrachtl02, das Tatbestandsmerkmal "wesentlich" in den §§ 935, 940 anders, als der Gesetzgeber zunächst wollte, zu verstehen. Es ist eine Verknüpfung zu den Rechten des Antragsgegners herzustellen; eine erschwerte Rechtsverwirklichung (§ 935) bzw. Nachteile (§ 940) sind daher nur dann "wesentlich", wenn eine Güter- und Nachteilsabwägung zwischen den Parteien zugunsten des Antragstellers ausfällt. Diese Auslegung, die vom Wortlaut der §§ 935, 940 gedeckt ist l03, ist jedoch nur dort geboten, wo die angestrebte einstweilige Verfügung (zeitweilig) befriedigende Züge trägt. Soweit eine nur sichernde bzw. regelnde Verfügung in Rede steht, hat der RCPO-Gesetzgeber eine Bewertung der Interessenlage vorgenommen, die zu akzeptieren ist lO4 ; die Interessen des Antragsgegners sind in der gerichtlichen Entscheidung nach §§ 921 Abs. 2 S. 2, 939 zu berücksichtigen. 98 99

100 72 f.

S. § 6 C. 111. 2. a) aa). S. § 6 C. 111. 2. a) bb).

Vgl. Larenz, Allgemeiner Teil, S. 79; ders., Methodenlehre, S. 319; s. auch Schilken, S.

101 S. § 6 C. 111. 2. a) cc). 102 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 320. 103

104

S. § 6 C. 111. 2. a) aa).

S. schon § 1 E. a. E.

104

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes

ee) Andere Ansätze In der Literatur wird teilweise der Begriff "nötig" in § 940 als Ansatzpunkt einer Interessenabwägung gesehenlOS. Scheinbar ist diese Anknüpfung ebenso geeignet wie die hier vertretene Lösung; die Wortlautauslegung macht eine Interessenabwägung möglich, obwohl sie vom Gesetzgeber nicht vorgesehen war; entscheidend ist auf die § 940 zugrundeliegende "Interessen- und Wertlage" abzustellen, um zu einer Interessenabwägung zu kommen U16• Jedoch läßt sich bei der Anknüpfung an den Begriff "nötig" eine Interessenabwägung für § 935 auf der Ebene des Verfügungsgrundes nicht herleiten, da dieses Wort nur in § 940 vorkommt. Dies ist problematisch, da es weithin unbestritten ist, daß die §§ 935, 940 einander überschneidende Anwendungsbereiche haben107• Daher erscheinen für die §§ 935, 940 abweichende Voraussetzungen auf der Ebene des Verfügungsgrundes kaum vertretbar108, zumal selbst der RCPO-Gesetzgeber die Anwendungsbereiche der §§ 935, 940 nicht genau von einander abgegrenzt hat109 und auch die Praxis in der Regel keine Abgrenzung vornimmt llO• Folglich ist die Herleitung einer Interessenabwägung aus dem Begriff "nötig" abzulehnen; die hier vertretene Ansicht, über den Begriff "wesentlich" zu einer Interessenabwägung zu kommen, ermöglicht demgegenüber die Gleichbehandlung der §§ 935, 940. b) Verfassungsrechtliche Ausstrahlungswirkung Das Grundgesetz ist bei Anwendung von Privatrecht nicht ohne Bedeutung; so wirkt die objektive Wertordnung der Verfassung z. B. über die auslegungsfähigen Begriffe auf dieses Rechtsgebiet ein111 • Man spricht insoweit von der verfassungsrechtlichen Ausstrahlungswirkung bzw. von mitlOS

S. § 6 C. III. 1.; ausführlich Schi/ken, S. 127 Cf.

106 Vgl. Schi/ken, S. 130. 107 Vgl. Leipold, S. 101 f. m.w.N.; Minnerop, S. 58; Grunsky, Grundzüge, S. 139; ThomasjPutzo, § 935 Anm. 1 c; a. A. allerdings Schi/ken, S. 122; s. auch Jauemig, 'ZZ2 79 (1966), 321 Cf.

108 S. zu dieser Argumentation schon § 4 C. 11. 3. a) a. E. 109

S. § 4 C. 11. 2.; vgI. auch Heinze, S. 48; ders., OB 1985, 126; ders., RdA 1986, 275 f.

110 Vgl. ThomasjPutzo, § 935 Anm. 1 c; BaumbachjLauterbach/Albers/Hartmmm, § 940 Anm. 1; Stein!JolUlS/Grunsky, vor § 935 Rdnr. 30; Minnerop, S. 57 ff.; Leipold, S. 101 ff.; DÜIZ, BB 1980,538; Heinze, OB 1985, 126; Held, OB 1985, 1691. 111

Vgl. JarassjPieroth, Art. 1 Rdnr. 21; BVerfGE 73,261 (269).

C. Einstweiliger Rechtsschutz

105

telbarer Grundrechtswirkung112. Nun ist ZU untersuchen, ob das Auslegungsergebnis, das zum Problem der Interessenabwägung im Rahmen des VerfüguDgsgrundes bei der Prüfung der §§ 935, 940 gefunden wurde l13, mit der Ausstrahlungswirkung der verfassungsrechtlichen Wertordnung vereinbar ist. Unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel könnten vor allem drei Grundsätze von Belang sein: Das grundrechtsunmittelbare Gebot ausgewogenen Gerichtsschutzes114, das Gebot prozessualer Waffengleichheit und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Bei der Ausgestaltung des vorläufigen Gerichtsschutzes im Privatrecht sind zwei verschiedene materielle (Grund-)Rechtspositionen zum Ausgleich zu bringen. Hierbei gewinnt das grundrechtsunmittelbare Gebot ausgewogenen Gerichtsschutzes besondere Bedeutung; beide Rechtspositionen sind zur bestmöglichen Wirksamkeit zu führen 11S• Insbesondere darf der Gesetzgeber im vorläufigen Gerichtsschutz keine Schutztechnik für das materielle Recht wählen, die gegensätzliche Positionen der anderen Partei schematisch beeinträchtigt1l6. Folglich ist es fraglich, ob bei (zeitweilig) befriedigenden einstweiligen Verfügungen eine Berücksichtigung selbst besonders gewichtiger Interessen des Antragsgegners lediglich im Rahmen der Entscheidungen gemäß §§ 921 Abs. 2 S. 2, 936, 939 über die Notwendigkeit von Sicherheitsleistungen diesen Anforderungen genügt. Ausgewogener wird den Parteiinteressen jedenfalls Rechnung getragen, wenn, wie es hier vertreten wird, bei (zeitweilig) befriedigenden einstweiligen Verfügungen eine Interessenabwägong schon auf der Ebene des Verfügungsgrundes vorgenommen wird; denn nur auf dieser Prüfungsebene kann nach den gesetzlichen Voraussetzungen eine einstweilige Verfügung bei besonders gewichtigen Interessen des Antragsgegners verhindert werden, ohne daß es einer Sicherheitsleistung des Antragsgegners (§ 939) bedarf. Die grundrechtsunmittelbare Garantie ausgewogenen Gerichtsschutzes spricht für das oben gefundene Auslegungsergebnis 117, daß eine Abwägung der Parteiinteressen im Rahmen der §§ 935,

112 113

114

l1S

Vgl. larassjPieroth, Art. 1 Rdnr. 21.

S. § 6 C. III. 2. a).

s. §3 C.III.

S. ausführlich § 3 C. III. 1. u. 2.

116 S. § 3 C.III. 2. u. § 6A. 117

S. § 6 C. III. 2. a).

106

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes

940 auf der Ebene des Verfügungsgrundes bei (zeitweilig) befriedigenden Maßnahmen notwendig ist. Das Gebot prozessualer Waffengleichheit wird vor allem auf Art. 3 Abs. 1 GG, aber auch auf Art. 19 Abs. 4 GG, das Rechtsstaats- und das Sozialstaatsprinzip gestützt1l8• Gewährleistet werden soll durch dieses Gebot die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung vor dem Richter 119. Ein Aspekt des Gebots der Waffengleichheit ist die gleichmäßige Verteilung des Risikos hinsichtlich des Verfahrensausgangesl2O• Überwiegend wird das Gebot der Waffengleichheit nur als Garantie formeller Gleichheit angesehenl21 , aber es muß hier ähnliches gelten wie für Art. 19 Abs. 4 GG 122; als formelle Garantie lassen sich dem Gebot der Waffengleichheit zwar keine konkreten materiellen Garantien für eine Risikoverteilung zwischen den Parteien entnehmen l23, jedoch gewinnen formelle Garantien bei ihrer Umsetzung Form und Farbe erst durch den Bezug auf das materielle Recht l24 . Daher garantiert das Gebot der Waffengleichheit auch einen materiellen Mindestschutz in bezug auf die gleichmäßige Verteilung des Risikos am Verfahrensausgang l25 • Bei diesem inhaltlichen Verständnis läßt sich auch dem Gebot der Waffengleichheit die Forderung entnehmen, daß der Gesetzgeber keine Schutztechnik wählen darf, die gegensätzliche Rechtspositionen der anderen Partei schematisch beeinträchtigt. Insoweit spricht also auch der Grundsatz der Waffengleichheit für die hier vertretene Ansicht einer Interessenabwägong auf der Ebene des Verfügongsgrundes (bei zeitweilig) befriedigenden einstweiligen Verfügungen.

118 Vgl. SIÜI7Ier, NJW 1979, 2337; Wolf, S. 2n C.; Arens, Rdnr. 103; Jauemig, Zivilprozeßrecht, S. 50; Rosenberg/Schwab, S. 218; Bötticher, S. 9 CC.; Schach, S. 1027; Lichlenberg, S. 40 cr.; Tettinger, S. 2 CC., 18 CC.; BVerfGE 52, 131 (144, 156); 54, 117 (124 C.); s. auch Art. 6 Abs. 1

MRK. 119

Vgl. BVerfGE 54,117 (125); Wolf,

s. 2n.

120 Vgl. Bötticher, S. 9 Cf.; SIÜI7Ier, NJW 1979, 2337; Schach, S. 1027; Tettinger, S. 19 C.; Buhren, S. 139; Birk, in: Festschrift für Menger, S. 167. 121 Vgl. Rosenberg/Schwab, S. 218; Arens, Rdnr. 103; Jauemig, Zivilprozeßrecht, S. 50; SIÜI7Ier, NJW 1979, 2337.

122 Vgl. auch Schach, S. 1027 C. 123

124

Vgl. § 3 C. 11. Vgl. § 3 B. 11.

125 Im Ergebnis ähnlich Wolf, S. 278; kritisch SIÜI7Ier, NJW 1979, 2337; Jauemig, Zivilprozeßrecht, S. SO.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

107

Nach einer Ansicht l26 gilt das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip allgemein in der ZwangsvoUstreckung, d. h. sowohl der Gesetzgeber als auch die Gerichte und die Parteien der Zwangsvollstreckung sind daran gebunden127• Nach anderer Ansieht hat nur der Gesetzgeber das Gebot der Verhältnismäßigkeit bei der Normierung von vollstreckungsrechtliehen Sachverhalten zu beaehtenl28• Eine Mindermeinung vertritt die Auffassung, das Verhältnismäßigkeitsprinzip spiele in der ZwangsvoUstreckung keine Rolle l29• Insgesamt kann festgehalten werden, daß nach ganz h. M. jedenfalls der Gesetzgeber das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten hat. Folgt man dieser ganz h. M., dann ist es verfassungsrechtlich geboten, bei der Auslegung von Normen, soweit mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen, diejenige Variante zu wählen, die den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips am meisten entspricht. Nach einer Teilaussage des Verhältnismäßigkeitsprinzips darf der durch den Eingriff angerichtete Schaden nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Nutzen stehen130• Auch dies spricht dafür, daß bei überwiegenden Interessen des Antragsgegners, denen durch die §§ 921 Abs. 2 S. 1, 936, 939 nicht genügend Rechnung getragen werden kann, keine Maßnahme im einstweiligen Rechtsschutz ergeht. c) Zwischenergebnis Obgleich der RCPO-Gesetzgeber keine Abwägung der Interessen von Antragsteller und Antragsgegner vorgesehen hat, ist nach der gebotenen objektiv-teleologischen Auslegung des Wortes "wesentlich" in den §§ 935, 940 davon auszugehen, daß dieses Tatbestandsmerkmal eine solche Interessenabwägung bei (zeitweilig) befriedigenden einstweiligen Verfügungen

126 Vgl. allgemein zum Diskussionsstand WIefU, S. 7 ff. 127 Vgl. BVerfGE 48, 396 (398 f.); 51, 97 (113); 52, 214 (219 ff.); 61, 126 (135); Thol1UlS/Putzo, Vorbem. § 704 Anm. IV 1 h u. § 940 Anm. 3; ZöllerjStöber, vor § 704 Rdnr. 29; Brändel, S. 102 C.; Dütz, DB 1980, 1070 C.; BroxjWaIker, Rdnr. 329; Brehm, RPfieger 1982, 127; s. ausführlich WIeser, S. 7 ff.

128 Vgl. BaurjStümer, Rdnm. 11, 804; RosenbergjGauljSchilken, S. 20 ff.; GerhardI, 'ZZP 95 (1982),482 ff.; Gaul, JZ 1974, 284 f.; Schilken, S.127 Fn. 23; Stümer, NJW 1981, 1760. 129 VgI.Jauemig, Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, S. 8 f.; Schumann, NJW 1981, 1031.

130 Man spricht insoweit auch von der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne; vgI. WIeSer,

S. 61; Maunz/Dürig/Herzog, Art. 20 VII Rdnm. 71 ff.

108

§ 6 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes

enthält. Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen. 3. Folgeprobleme Bejaht man die Notwendigkeit einer Interessenabwägung für bestimmte einstweilige Verfügungen, dann schließt sich daran die Frage nach den relevanten Abwägungsumständen an. Grundsätzlich sind sämtliche in Betracht kommenden materiell-rechtlichen und auch vollstreckungsrechtlichen Erwägungen sowie schließlich die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Parteien in die Interessenabwägung einzubeziehen131. An dieser Stelle interessieren nur zwei Gesichtspunkte, die eng mit der Herleitung einer notwendigen Interessenabwägung zusammenhängen. Zunächst ist das Verhältnis der Interessenabwägungen nach den §§ 921 Abs. 2 S. 2, 936,939 und der Interessenabwägung auf der Ebene des Verfügungsgrundes bei den §§ 935, 940 genauer zu umschreiben. Bei der Interessenabwägung auf der Ebene des Verfügungsgrundes können nur solche Interessen der Parteien entscheidendes Gewicht erlangen, die nicht durch die Sicherheitsleistungen nach den §§ 921 Abs. 2 S. 2, 936, 939 aufgefangen werden, da diese Vorschriften ja gerade zur Schadensvorsorge normiert wurden132• Insoweit ist keine Korrektur des Gesetzes möglich bzw. geboten. In den Fällen der (vorläufig) befriedigenden einstweiligen Verfügung sind daher unter Umständen zwei Interessenabwägungen notwendig; führt die Interessenabwägung auf der Ebene des Verfügungsgrundes zu dem Ergebnis, daß eine einstweilige Verfügung gemäß der §§ 935, 940 zu erlassen ist, dann schließt sich auf der Ebene von Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis gemäß den §§ 921 Abs. 2 S. 2, 936, 939 eine neuerliche Interessenabwägung133 an. Fällt aber die Interessenabwägung auf der Ebene des Verfügungsgrundes negativ für den Antragsteller aus, dann ist der Erlaß einer einstweiligen Verfügung abzulehnen; die Ebene von Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis wird nicht mehr erreicht.

131 Vgl. Dütz, BB 1980, 540; PiehJer, S.29 C., 204; Luckscheiter, S. 55 CC.; Hobbeling, S. 279 Fn. 452; Morbach, S. 94 CC.; Leipold, S. 84 Cf.; Minnerop, S. 63 Cf.; Jauernig, NJW 1975, 1419 C.; BaumbachfLauterbach/Albers/Hartmann, § 940 Anm. 3 B; Wolter, AiB 1986, 83. 132 Ähnlich Schillren, S. 131, der allerdings § 939 unberücksichtigt läßt. 133 Dazu ausführlich § 8 C. III. 2.

D. Ergebnis

109

Die Frage, ob bei ausgewogener Interessenlage eine einstweilige Verfügung zu erlassen ist, soweit die weiteren Voraussetzungen vorliegen, wird kontrovers beantwortet. Eine Meinung bejaht diese Frage mit dem Argument, daß die Glaubhaftmachung (überwiegende Wahrscheinlichkeit) der Tatsachen, die das Bestehen des materiellen Rechtes stützen, den Ausschlag geben muß l34 • Eine andere Meinung verneint diese Fragel35 ; es wird darauf abgestellt, daß der Antragsteller die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der einstweiligen Verfügung trägt und der Nachweis des Verfügungsgrundes bei gleichwertigen Interessen daher nicht erbracht ist. Im Ergebnis ist der Ansicht zu folgen, die bei ausgewogener Interessenlage den Erlaß einer einstweiligen Verfügung ablehnt. Für diese Auffassung spricht nämlich auch die Wertung des § 712 Abs. 2 S. 1. Wenn der Gesetzgeber bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit gemäß den §§ 708 ff., die an ein Urteil im Hauptsacheverfahren anknüpft, das in der Regel eine höhere Richtigkeitsgewähr bietet als eine einstweilige Verfügungl36, ein "überwiegendes Interesse des Gläubigers· fordert, um schuldnerschützende Maßnahmen zu verhindern, so muß dies erst recht bei einer einstweiligen Verfügung gelten. Denn der Gläubiger muß im einstweiligen Rechtsschutz seine tatsächlichen Angaben nur glaubhaft machen; er darf daher im einstweiligen Rechtsschutz nicht bessergestellt werden als in der vorläufigen Vollstreckbarkeit.

D. Ergebnis Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit erfordert neben dem Vorliegen eines Endurteils nicht die Erfüllung weiterer Voraussetzungen. Diese vom einstweiligen Rechtsschutz abweichende Regelung ist auf die höhere Richtigkeitsgewähr eines Urteils im Hauptsacheverfahren zurückzuführen. Im einstweiligen Rechtsschutz ist neben einer zumindest besseren materiellen Berechtigung des Antragstellers noch das Vorliegen sog. Arrestbzw. Verfügungsgründe für den Maßnahmenerlaß notwendig. Bei (zeitweilig) befriedigenden einstweiligen Verfügungen ist, obwohl der Wortlaut der §§ 935, 940 dies scheinbar nicht vorsieht, eine Interessenabwägung zwischen 134 Vgl. Dütz, BB 1980, 539; Grunsky, RdA 1986, 202; Stein/lOIUlS/Grunsky, vor § 935 Rdnr.49; lAG Rheinland-PCalz, NZA 1986, 265. 135 Vgl. Däubler/Colneric, Rdnr. 1322; Luckscheiter, S. 56 C.; Brändel, S. 101 C.; Gattung, S. 33; Domdorf, S. 33 C. 136 S. § 6 B. u. § 5 B., D.

110

16 Weitere Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes

Antragsteller und Antragsgegner vorzunehmen. Dieses Auslegungsergebnis gebieten auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben. E. Beweis Die Frage, welche Anforderungen das Gesetz an den Nachweis der weiteren Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes stellt, erhebt sich nur für den einstweiligen Rechtsschutz, da die vorläufige Vollstreckbarkeit allein an das Vorliegen eines Endurteils anknüpft l37• Im einstweiligen Rechtsschutz sind die Tatsachen, die den Arrest- bzw. Verfügungsgründen zugrundeliegen, gemäß den §§ 920 Abs. 2, 936 glaubhaft zu machen. Wie schon beim Verfügungsanspruch l38 wird hier die Ansicht vertreten, daß die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes zu verschärfen seien, wenn dem Antragsgegner bei Erlaß der einstweiligen Maßnahme Nachteile drohen, die weit über die hinausgehen, die für den Antragsteller bei Abweisung des Verfügungsgesuchs entstehen139• Dem ist mit der gleichen Begründung wie beim Verfügungsanspruch zu widersprechen l4O; die Glaubhaftmachung ist statisch aufzufassen als überwiegende Wahrscheinlichkeit. Die Interessen der Parteien und die Erfolgsaussichten in der Hauptsache gehen in die Interessenabwägungen nach den §§ 921 Abs. 2 S. 2, 939 sowie auf der Ebene des Verfügungsgrundes ein141•

137

138

139

S.16B.

s. 15 C. 11.1. a).

VgJ. BroxjWalker, Rdnr. 1590; Morbach, S. 93, 95 f.; Heinze, S. 49; Jauernig, Z'Z2 79 (1966), 338 Pn. 49; Baumgärtel, AcP 168 (1968), 403; Hobbeling, S. In; Däubler/Colneric, Rdnr. 1326; Neumann, S. 143. 140 S. 15 C.II. 1. b).

141

S. 1 6 C. 111.

§ 7 Maßnahmen Bisher wurden die Voraussetzungen für den Erlaß von Maßnahmen im vorläufigen Rechtsschutz dargestellt; nun sind die möglichen Maßnahmen selbst zu behandeln. Während bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit die vorläufige Befriedigungsmöglichkeit ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, wird dem einstweiligen Rechtsschutz regelmäßig nur eine sichernde Funktion zugeschrieben; Maßnahmen nach den §§ 916 ff. sollen nicht zur vorläufigen oder gar endgültigen Befriedigung des Gläubigers führen. Man spricht insoweit vom Vorwegnahmeverbot 1. Seine rechtliche Fundierung soll hier geprüft werden. Zunächst aber ist zu untersuchen, welche verfassungsrecht lichen Anforderungen bezüglich der Maßnahmen im vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz zu beachten sind. A. Verfassungsrechtliche Anforderungen

Verfassungsrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Maßnahmen im vorläufigen Rechtsschutz ergeben sich aus der verfassungsrechtlichen Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes im zivilprozessualen Rechtsschutzsystem, da die Funktion auch die Ausgestaltung mitbestimmt2• Zwischen dem verfassungsrechtlich garantierten vorläufigen Gerichtsschutz und dem Hauptsacherechtsschutz besteht eine verfassungsrechtlich vorgegebene, zeitliche und funktionale Verknüpfung3; Der vorläufige Gerichtsschutz soll eine streitige Rechtsposition für die Dauer des Verfahrens gegen ihre Entwertung allein durch Zeitablauf sichern, während die endgültige Entscheidung des Rechtsstreits grundsätzlich dem Hauptverfahren vorbehalten ist. Die Funktionen des vorläufigen Gerichtsschutzes4 lassen sich noch genauer beschreiben. Der vorläufige Rechtsschutz dient zunächst einmal Rechtsschutzzwecken; es

1 VgJ. Uebe, S. 20; Morbach, S. 98; Baur, S. 49; Baur/Stürner, Rdnr. 909; ZölIerjVollkommer, § 938 Rdnr. 3; Grunsky, JuS 1976, 283; K1eier, MDR 1984, 371.

2

3 4

S. § 3 C.

S. § 3 C. I. u. § 3 A. 11. 2. S.§3C.I.2.

112

§ 7 Maßnahmen

geht um die Sicherung des materiellen RechtsS• Der Streitfall ist für die Entscheidung in der Hauptsache so offenzuhalten, daß ein Hauptsacheverfahren noch wirksamen Rechtsschutz gewähren kann, die Schaffung irreparabler Tatsachen bis zur Hauptsacheentscheidung soll verhindert werden6• Neben dem Rechtsschut:aweck ist für den vorläufIgen Gerichtsschutz auch die Funktion der Zwischenzeitüberbrückung anzuführen7. Bis zur formell rechtskräftigen Entscheidung einer Streitsache besteht ein möglicherweise langjähriger Zustand der Rechtsgefährdung und Rechtsunsicherheit8• Für diese Zeit muß eine Interimsregelung erfolgen. Die "Offenhaltefunktion" ist der primäre Zweck des vorläufigen Rechtsschutzes, während die Funktion der Zwischenzeitüberbrückung als notwendige Folge der "Offenhaltefunktion" mehr die Ausgestaltung des vorläufIgen Rechtsschutzes betrifft9• Mit diesen beiden Funktionen ist aber zugleich schon ein Konflikt angelegt; erkennt man die Notwendigkeit einer Zwischenzeitregelung an, dann ist ein vollständiges Offenhalten des Streitfalls bis zur endgültigen Entscheidung nicht ohne weiteres möglich; dies wird besonders deutlich bei UnterlassungsansprüchenlO• Diesen Konflikt aufzulösen, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Grundsätzlich kann aber gesagt werden, daß einerseits dem subjektiven Recht zur bestmöglichen Geltung zu verhelfen11 und daß andererseits der Rechtsschutz wiederum ausgewogen auszugestalten ist 12• B. Vorläufige Vollstreckbarkeit Zunächst sind die Maßnahmen der vorläufIgen Vollstreckbarkeit näher zu untersuchen; insbesondere sollen die einfach-rechtlich vorgesehenen Maßnahmen nach den §§ 708 ff zu den verfassungsrechtlichen Funktionen des vorläufIgen Gerichtsschutzes in Beziehung gesetzt werden.

S

6 7

8 9 10 11 12

s. § 3 C. I. 2. a). s. § 3 C. 1.2. a). S. §3 C. 1.2. b). S. § 1 A. S. ausführlich § 3 C. I. 2. c). S. ausführlich § 3 C. I. 2. c). S.§3C.II. S. § 3 C. III.

B. Vorläufige Vollstreckbarkeit

113

Die §§ 708 ff. knüpfen gemäß § 704 Abs. 1 an das Vorliegen eines Endurteils an, in dem das subjektive Recht des Klägers festgestellt wird13• Der Richter ist bei dem urteilsmäßigen Ausspruch in der zivilrechtlichen Hauptsache, der dann zugleich gemäß den §§ 708 ff die vorläufig vollstreckbare Maßnahme inhaltlich festlegt, einmal gemäß § 308 Abs. 1 an den Antrag des Klägers gebunden, zum anderen besteht eine Bindung an das materielle Recht; wenn die Klage zulässig ist, darf im Sachurteil nur eine Rechtsfolge angeordnet werden, die sich aus dem materiellen Recht ergibt l4 • Da der Richter im Bereich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ein Endurteil ausspricht, wird hinsichtlich des Inhalts der Hauptsacheentscheidung kein Unterschied zu einem endgültigen, rechtskräftigen Urteil gemacht; lediglich ein Ausspruch bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit kommt ohne Antrag der Parteien15 hinzu. Folglich darf eine Maßnahme zur vorläufigen Vollstreckbarkeit kein Minus oder gar ein Allud zum Hauptsacheausspruch sein, wie dies für den einstweiligen Rechtsschutz gefordert wirdl6. Gegen die Möglichkeit der vorläufigen Befriedigung in der Hauptsache gemäß den §§ 704 Abs. 1, 708 ff. werden in der heutigen Zeit, soweit dies ersichtlich ist, keine Bedenken erhoben. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist an dieser Regelung nichts zu kritisieren: Der Gesetzgeber hatte den in den Funktionen des vorläufigen Rechtsschutzes angelegten Konflikt zwischen dem Offenhalten des Streitfalles bis zur endgültigen, rechtskräftigen Entscheidung und der Notwendigkeit einer Zwischenzeitregelung, die ein vollständiges Offenhalten nicht erlaubt, aufzulösen17• Er hat sich dafür entschieden, das subjektive Recht bei der Zwischenzeitregelung in den Vordergrund zu rükken; die Maßnahme richtet sich nach dem Urteilstenor und damit in der Regel nach dem materiellen Recht18• Diese Regelung ist verfassungsrechtlich zu begrüßen l9, zumal auch das vom Rechtsstaatsprinzip geschützte Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Rechtspflege20 für eine solche Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit 13

14 15

16 17 18

19 20 8 Vogg

S.§4B. VgJ. nur ScheUhammer, Rdnr. 902. VgJ. ThomasjPulzo, Vorbcm. § 708 Anm. 3. VgJ. Baur, S. 49; Baur/Stümer, Rdnr. 909; Morbach, S. 98.

S.§7A. S.§4B. S.§7A.u.§3C.II. Vgl. BVerfGE 51,324 (343).

114

f 7 Maßnahmen

spricht21 und die Regelung durch die teilweisen Automatismen der §§ 708 ff. relativ einfach handhabbar ist. Der Funktion des Offenhaltens wird insoweit entsprochen, als die §§ 708 Cf. aus rechtlicher Sicht die Möglichkeit der Befriedigung nur vorläufig eröffnen22; faktisch allerdings kann es zu irreversiblen Zuständen kommen. Dieses Problem ist jedoch, wie eben ausgeführt wurde, in den Funktionen des vorläufigen Gerichtsschutzes angelegt. Würde man eine vorläufige Befriedigung ablehnen, käme es unter Umständen auf Seiten des Gläubigers zu irreversiblen Nachteilen. Nachdem ein Endurteil vorliegt, dem eine gewisse Richtigkeitsgewähr zukommt23, ist es ausgewogen und sachgerecht, grundsätzlich dem Schuldner das Risiko einer Fehlentscheidung in diesem Urteil aufzubürden, zumal ja den Interessen des Schuldners im Normensystem der §§ 708 Cf. Rechnung getragen wird; z. B. kann der Schuldner bei Vorliegen besonders gewichtiger Interessen die vorläufige Vollstreckung gemäß § 712 Abs. 1 S. 2 sogar ohne eigene Sicherheitsleistung abwenden. Im Ergebnis ist festzustellen, daß die Möglichkeit der vorläufigen Befriedigung durch die §§ 704 Abs. 1, 708 Cf. rechtlich unbedenklich ist, selbst wenn dies faktisch zu endgültig befriedigenden Zuständen führen kann. C.tinstweiliger Rechtsschutz Die Regelungen über Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes weichen von denen der vorläufigen Vollstreckbarkeit ab. Zunächst soll allgemein auf die §§ 916 ff. eingegangen werden, bevor eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorwegnahmeverbot erfolgt. I. AJlgemeines Es stellt sich die Frage, welchen Inhalt die Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach den §§ 916 ff, 935 Cf haben können; bei der Beantwortung ist auf Arrest und einstweilige Verfügung getrennt einzugehen.

21 22 23

S. näher § 2 A. I. Vgl. Hobbeling, S. 227 ff.; Stein/lonas/Münzberg, § 708 Rdnm. 4 ff.

S.§6B.u.§5B.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

115

1. Arrest Der Gesetzgeber hat den Inhalt eines Arrestbefehls nicht in einer speziellen Norm geregelt. Es wird daher auf die §§ 916 ff. zurückgegriffen, um den notwendigen Inhalt eines ArrestbefehIs abzuleiten24 : Der Arrestbefehl muß den gesicherten Arrestanspruch nach Grund und Betrag bezeichnen sowie die Art des Arrestes (dinglich oder persönlich) und den Geldbetrag festsetzen, durch dessen Hinterlegung die Vollziehung gehemmt und der Schuldner zum Antrag auf Aufhebung des vollzogenen Arrests, sog. Lösungssumme gemäß § 92325 • In der Praxis macht der Inhalt eines ArrestbefehIs keine Schwierigkeiten, da die im Gesetz vorgesehene Vollziehung des Arrestbefehls gemäß den §§ 930 ff. genaue Vorgaben enthält und niemals zu einer Befriedigung des Gläubigers führt26; das Problem eines Vorwegnahmeverbots stellt sich beim Arrest nicht. 2. Einstweilige Verfügung Bei den einstweiligen Verfügungen nach den §§ 935 ff. stellt sich die Situation anders als beim Arrest dar. Welche Maßnahmen hier möglich sind, läßt sich abschließend aus dem Gesetz nicht ableiten27• Für die Sicherungsverfügung nach § 935 gibt § 938 Abs. 1 eine Generalklausei, während § 938 Abs. 2 eine nicht abschließende, beispielhafte Aufzählung von möglichen Maßnahmen bringt. § 935 regelt also die Voraussetzungen der Sicherungsverfügung, § 938 ist für die Rechtsfolgenseite einschlägig28. Dies ergibt sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Stellung der Normen im Geset~. Das Gericht entscheidet nach Ermessen, welche Maßnahmen es erläßt30• Das erkennende Gericht ist in der Ausübung seines Auswahlermessens allerdings nicht völlig frei, sondern muß

24

25 26 27 28

vgl. Heinu, S. 33 f.; BroxjWaIker, Rdnr. 1517; &ur/Stümer, Rdnr. 853; Baur, S. 46.

Heinze, S. 33. Vgl. &ur, S. 46. Vgl. &ur, S. 48. Vgl. Rosenberg/Gaul/Schi/ken, S. 782 f.

29 Vgl. ausführlich Schi/ken, S. 54 f.

30 Vgl. Morbach, S. 97; BroxjWaIker, Rdnr. 1582; Heinu, DB 1985, 127; Dütz, NZA 1986, 213; s. auch Finkelnburg/Jank, Rdnr. 215; Rohmeyer, S. 168 C.; krit. Schi/ken, S. 55 f.

116

§ 7 Maßnahmen

sich innerhalb bestimmter Grenzen bewegen31 • So gilt § 308 Abs. 1 jedenfalls insoweit entsprechend, als der Gläubiger einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Maßnahme stellen muß. Ob sich darüber hinaus die Anordnung des Gerichts im Rahmen des gestellten Antrages halten muß, ist fraglich; wegen § 938 Abs. 1 kann allenfalls gefordert werden, daß die erlassene Maßnahme in die gleiche Richtung geht wie die beantragte32• Das Gericht darf auch nur eine Maßnahme anordnen, die sich in den "äußersten Grenzen der Zwangsvollstreckung" hält33; so darf das Gericht im Falle einer nach § 890 zu vollstreckenden Anordnung jedenfalls nicht eine Maßnahme nach den §§ 883 bis 888 androhen34 • Eine weitere Einschränkung des gerichtlichen Auswahlermessens35 kommt in § 938 Abs. 1 selbst zum Ausdruck; die Anordnungen müssen "zur Erreichung des Zweckes erforderlich" sein. "Erforderlich" sind nur solche Maßnahmen, die den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit entsprechen36; welche Maßnahmen als mildestes Mittel in Betracht kommen, muß im Einzelfall sorgfältig geprüft werden37• Die Anordnungen müssen sich zudem an der "Erreichung des Zweckes" der einstweiligen Verfügungen ausrichten38• Aus diesem Tatbestandsmerkmal des § 938 wird teilweise das Vorwegnahmeverbot abgeleitet39• Soweit die Ansicht vertreten wird, daß die anzuordnende Maßnahme eine nach dem materiellen Recht mögliche Rechtsfolge zum Gegenstand haben muß40, ist dem nicht zu folgen; denn für diese Meinung gibt es in § 938 Abs. 1 keinen Anhaltspunkt und § 938 Abs. 2 belegt das Gegenteil, wenn er z. B. bestimmte Handlungsverbote gestattet.

31 639. 32

VgJ. Finkelnburgflank, Rdnr. 221; Morbach, S. 97; Schneider/Schneider, MDR 1987,

VgJ. zu dieser Problematik BroxjWaJker, Rdnr. 1582; &ur, S. 71 Cf.; Thomas/Putzo, § 938 Anm. 1 a; Baur/Stümer, Rdnr. 908; Baumbach/fAuterbach/Albers/Hartmann, § 938 Anm. 1 B b; ZöllerjVollkommer, § 938 Rdnr. 2; Finkelnburgflank, Rdnr. 220; krit. Stein/lonas/Grunsky, vor § 935 Rdnr. 11. 33 VgJ. MotRCPO, Hahn lI/I, S. 478; s. auchAhrens, S. 275; Grein, DGVZ 1982, 178. 34 35 36 37 38 39

S. dazu Baumbach/f.Auterbach/Albers/Hartmann, § 938 Anm. 1 B d. VgJ. Minnerop, S. 76; s. auch Wenzel, MDR 1967, 893. V gJ. Finkelnburgflank, Rdnr. 223; Stein/lonas/Grunsky, § 938 Rdnr. 17.

Finkelnburg/Jank, Rdnr. 223; s. auch &ur, S. 58. VgJ.lauernig, ZU 79 (1966), 327.

Vgl. FinkelnburgfJank, Rdnr. 222; s. näher dazu sofort § 7 C. 11.

40 VgJ. &ur/Stümer, Rdnr. 908; Morbach, S. 97 f.

c. Einstweiliger Rechtsschutz

117

Nach h. M. ist § 938 auch auf den Inhalt der Anordnungen nach § 940 anzuwenden41 • Nach anderer Ansicht wird der Inhalt des § 938 in § 940 durch das Wort "nötig" selbständig formuliert42• Es ist der h. M. zu folgen, denn im Entwurf einer Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes von 1870 (NE), das die entscheidende Vorlage für die Normen des einstweiligen Rechtsschutzes in der RCPO war43, hieß es in § 740 Abs. 2 NE44 : "Auf diese Anordnungen fmden die Bestimmungen der §§ 729 bis 737 entsprechende Anwendung". Es wurde also auch auf § 732 NE (= § 938) verwiesen. Zwar ist diese Vorschrift in dem Entwurf einer deutschen CPO von 1871, den das Preußische Justizministerium bearbeitet hat, nicht übernommen worden. Jedoch geschah dies nur deshalb, weil § 740 Abs. 2 NE Selbstverständliches enthielt45 • Insgesamt ist daher festzuhalten, daß sich der Inhalt von einstweiligen Verfügungen nach § 938 richtet. Dem Gericht kommt dabei ein Auswahlermessen zu, das aber gewissen Einschränkungen unterliegt. Nun ist zu untersuchen, ob zu diesen Einschränkungen auch das sog. Vorwegnahmeverbot gehört.

11. Vorwegnahmeverbot Das Prinzip des Vorwegnahmeverbots für einstweilige Verfügungen46 wird als "Grundsatz des allgemeinen Prozeßrechts.47 nicht nur für den zivilprozessualen einstweiligen Rechtsschutz48 vertreten, sondern auch für den 41 Vgl. SteinjJonas/Grunsky, § 938 Rdnm. 9, 17; Thomas/Putzo, § 940 Anm. 3; BaumbachjLauterbach/Albers/Hartmann, § 940 Anm. 1; Baur, s. 71; Baur/Stümer, Rdnr. 916; BroxjWalker, Rdnm. 1583, 1598; Leipold, S. 106 f.; Minnerop, S. 76 f.; Rohmeyer, S. 168 f.; Dütz,

NZA 1986, 213.

42 Vgl. Jauernig, ZZP 79 (1966), 327 Fn. 13; Schilken, S. 56 f., 128 f.; Rosenberg/Gaul/Schilken, S. 784; 8GHZ 33, 105 (112). 43 S. § 2 A. 11. 2. u. § 4 C. 11. 2. 44 § 740 Abs. 1 NE entspricht dem heutigen § 940. 45 46

S. § 4 C. 11. 2.

47

Karpen, JuS 1984,458; ausführliche Rspr.- und Uteratumachw. finden sich bei SChoch,

Für den Arrest stellt sich das Problem nicht; s. schon § 7 C. I.

S. 1395 ff. Fn. 159 ff.

48 Vgl. Uebe, S. 20 Cf.; v.Gerkan, ZGR 1985, 166 Cf. Hobbeling, S. 244; Neumann, S. 143; SteinjJonas/Grunsky, § 938 Rdnm. 3 Cf.; Baur/Stümer, Rdnm. 909, 918, 920 Cf.; ZiH/erjVollkommer, § 938 Rdnr. 3; ThomasjPutzo, § 938 Anm. 1 b; BaumbachjLauterbach/Albers/Hartmann, § 938 Anm. 1 8 a.

§ 7 Maßnahmen

118

einstweiligen Rechtsschutz nach der VwG049, der FGOso und dem SGG51 • Zunächst sollen die mit dem Vorwegnahmeverbot zusammenhängenden Probleme skizziert werden, um daran anschließend zu diesem Komplex Stellung zu nehmen. 1. Problemstellung Inhaltlich bedeutet das Vorwegnahmeverbot, daß zur Erhaltung der Entscheidungsfähigkeit des Hauptsacheverfahrens keine endgültigen sondern nur vorläufige Maßnahmen getroffen werden dürfen, die sichernden oder regelnden Charakter haben52 . Sonst würden durch die einstweiligen Anordnungen schon vollendete Tatsachen geschaffen53• Gemäß dem Vorwegnahmeverbot darf durch die einstweiligen Anordnungen nichts zugesprochen werden, was als Vorgriff auf die Erfüllung des im Hauptsacheverfahren geltend zu machenden materiellen Anspruch anzusehen ist; vielmehr muß die Maßnahme ein Minus gegenüber der Verurteilung zur Erfüllung des Anspruchs und ein Aliud im Vergleich zu der nach materiellem Recht gegebenen Rechtsfolge sein54 • Maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz und materiell-rechtliche Rechtsfolgen des Hauptsacheanspruchs dürfen sich danach also nicht decken55, soweit nicht das Gesetz wie z. B. in den §§ 1615 0 BGB, 627, 641 d ZPO Ausnahmen von dieser Regel vorsieht. Das "Dogma vom Vorwegnahmeverbot'.56 hat sich inzwischen so verfestigt, daß zurecht folgende Feststellung getroffen wird: "Der Satz, die Hauptsache dürfe durch den einstweiligen Rechtsschutz nicht vorweggenommen werden, gehört seit langem zum traditionellen Bestand dieses Rechtsgebietes.57. Dies führt dazu, daß in der Literatur das Vorwegnahmeverbot teilweise nicht mehr aus 49 Vgl. Redekerjv.Oertzen, § 123 Rdnr. 11; EyermannjFröhkr. § 123 Rdnr. 8; Stern, JuS 1981, 346; Schenke, DVBI. 1986, 12; Günther, NVwZ 1986, 702; BayVGH BayVBI. 1966, 208 C.; BayVBI. 1976,402; BVerwG DÖV 1967, 831.

SO

Vgl. Hetzer, BB 1985,2319; BFH BStBI. 11 1986,678.

51 Vgl. Sehn/im, SGb 1980, 513; Unger, SGb 1985, 229; Lemmer, S. 152; HessLSG NZA 1984,101. 52 Vgl. Finkelnburg/Jank, Rdnr. 222. 53 Vgl. Morbach, S. 98; BroxjWaJker, Rdnr. 1582.

54

55

56 57

Vgl. Baur, S. 46 C. Vgl. Baur, S. 47. Schoch, S. 1395.

Leipold, ZZP 90 (1977), 268.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

119

den Normen zum einstweiligen Rechtsschutz abgeleitet, sondern nur noch als verbindliches Prinzip des einstweiligen Rechtsschutzes bezeichnet wird58. Soweit Begründungen geliefert werden, fallen sie teilweise sehr knapp und vage aus59• So wird das Vorwegnahmeverbot aus der Vorläufigkeit bzw. Einstweiligkeit der Maßnahmen nach den §§ 935 ff. hergeleitet60, wobei vor allem auf die Verwendung des Wortes einstweilig in § 940 abgestellt wird61 • Teilweise führt man das Vorwegnahmeverbot auf den Wortlaut des § 938 Abs. 1 zurück, in dem von der "Erreichung des Zweckes" der einstweiligen Verfügung die Rede ist62; der Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes sei jedenfalls nicht die Befriedigung des Gläubigers63 • Jedoch nicht einmal entschiedene Verfechter des Vorwegnahmeverbots beharren auf einer ausnahmslosen Geltung dieses Prinzips64. Anerkanntermaßen kann es sich sowohl bei der Sicherungs- als auch bei der Regelungsverfügung als zwangsläufig erweisen, jedenfalls vorläufig den Anspruch zu erfüllen65 • Die Kategorie der Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung schließlich stellt eine Umkehrung des Vorwegnahmeverbots dar; bei dieser einstweiligen Verfügung geht es gerade um die vorläufige Befriedigung66 . Die Entwicklung ist so weit gediehen, daß die Ausnahmen vom Vorwegnahmeverbot schon fallgruppenweise geordnet werden67• Aufgrund der zahlreichen Durchbrechungen wird teilweise die Aufgabe des Dogmas vom Vorwegnahmeverbot gefordert68 • 58

vgl. Mantzourani.Tschaschnig, S. 70; Gattung, S. 27 f.; Morbach, S. 98.

59

Vgl. zu diesem Befund auch Schoch, S. 1397.

60 Vgl. Brox/Walker, Rdnr. 1582; Hobbeling, S. 245; Heinze, S. 55; Slein/Jonas/Grunsky. § 938 Rdnr. 3; Zimmermann, § 938 Rdnr. 1; s. im Ansatz auch Jauemig, ZZJ> 79 (1%6), 324 u. 331. 61 Vgl. Hobbeling, S. 245. Im öffentlichen Recht wird das Wort vorläufig in § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO betont, vgI. Finkelnburg/Jank, Rdnr. 231. 62

Vgl. Baur/SlÜmer, Rdnr. 907; Baur, S. 43; Holzinger, S. 30; s. schon § 7 C.I.

63 64

Vgl. Baur, S. 46 ff.; Piehler, S. 34.

65

Vgl. Baur, S. 52 ff.; s. auch Oswald, RPfleger 1951, Sp. 461.

Vgl. Morbach, S. 98; Blomeyer, Zivilprozeß~cht, S. 692; Hobbeling, S. 192 ff.; Brox/Walker, Rdnr. 1596; Grunsky, JuS 1976, 284; OLG Düsseldorf MDR 1984,411. 66

S. § 1 F. 11.; s. auch Luckscheiter, S. 41 ff.; Piehler, S. 34; Heinze, S. 57 ff.

67 Vgl. Brox/Walker, Rdnm. 1622 ff.; Domdorf, S. 15 ff.; Brändel, S. 99 ff.; SleinjJonas/Grunsky, vor § 935 Rdnm. 38 ff.; Thomas/Putzo, § 940 Anm. 4; zum öffentlichen Recht s. mit zahlr. Nachw. Schoch, S. 1400 f. 68 Vgl. Leipold, ZZP 90 (1977), 269; Schoch, S. 1402 ff.; s. auch Piehler, S. 35; Uebe, S. 103 ff.

120

§ 7 Maßnahmen

2. Stellungnahme Im weiteren ist nun zu untersuchen, ob das Vorwegnahmeverbot sich aus dem Gesetz ableiten läßt bzw. ob es unter der Geltung des Grundgesetzes noch Bestand haben kann. a) Gesetzliche Anknüpfung Zunächst ist zu fragen, wo das Vorwegnahmeverbot im Gesetz geregelt ist. Soweit die Auffassung vertreten wird, das Vorwegnahmeverbot lasse sich aus der Vorläufigkeit bzw. Einstweiligkeit der Maßnahmen nach den §§ 935 ff. ableiten69, kann dem nicht gefolgt werden. Auch das Rechtsinstitut der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist Teil des vorläufigen zivilprozessualen Rechtsschutzes70, wobei die Begriffe vorläufig und einstweilig austauschbar sind71. Bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist jedoch die verfassungsrechtlich unbedenkliche, vorläufig befriedigende Wirkung der Maßnahmen vom Gesetzgeber gewünscht72. Der Begriff vorläufig bedeutet in diesem Zusammenhang, daß die §§ 708 ff. die Möglichkeit der Befriedigung aus rechtlicher Sicht nur vorläufig gewähren; faktisch kann es allerdings zu irreversiblen Zuständen kommen73• Folglich kann aus der Vorläufigkeit bzw. Einstweiligkeit der Maßnahmen nach den §§ 935 ff. das Vorwegnahmeverbot nicht abgeleitet werden; auch hier schaffen die Maßnahmen rechtlich nur vorläufige Zustände, höchstens faktisch kann es zu endgültig befriedigenden Ergebnissen kommen74 • Eine gesetzliche Anknüpfung für das Vorwegnahmeverbot bietet vielmehr allein die für den Inhalt von einstweiligen Verfügungen maßgebliche7S Norm des § 938 Abs. 1, wonach die Anordnungen sich an der "Erreichung des Zweckes" der einstweiligen Verfügungen auszurichten haben76 .

69 70 71 72 73 74 75 76

S. § 7 C.I. S.§IA.u.§3. S. § 1 F. I.; s. auch BauT, S. 4. S.§7B. S.§7B. Vgl. Schi/ken, S. 72. S.§7C.1. S. § 7 C. 1.; s. auch Uebe, S. 32.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

121

b) Auslegung

Es stellt sich daher die Frage, worin die Zwecke der einstweiligen Verfügungen nach den §§ 935, 940 liegen. Diese Zwecke sind durch Auslegung zu ermitteln. Gleichfalls zu untersuchen ist, welche Maßnahmen durch die Zwecke der einstweiligen Verfügungen gedeckt sind. aa) Wortlaut Nach dem Wortlaut von § 935 soll verhindert werden, daß "die Verwirklichung des Rechtes einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert" wird. Es steht also die Sicherung der Durchsetzbarkeit eines materiellen Rechts im Hauptsacheprozeß im Vordergrund. Allein aus diesem Sicherungszweck läßt sich jedoch das Verbot der Vorwegnahme nicht ableiten, denn auch die vorläufige Vollstreckbarkeit bezweckt die Sicherung der Durchsetzbarkeit des materiellen Rechtsn; dort aber ist gemäß den §§ 708 ff die vorläufige Befriedigung des Gläubigers das gesetzlich vorgesehene Mittel dazu. Folglich läßt der Sicherungszweck der einstweiligen Verfügung nach § 935 die Möglichkeit einer vorläufigen Befriedigung ebenfalls zu78. So wird auch mit dieser Wortlautargumentation für die Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO teilweise das Verbot der Hauptsachevorwegnahme verneint79• Die einstweilige Verfügung nach § 940 ist "zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes" normiert worden. Der Begriff der Regelung läßt für sich genommen keine Beschränkung auf eine bestimmte Art von Maßnahmen erkennen80; also sind vom Wortlaut des § 940 auch vorläufig befriedigende Maßnahmen gedeckt. Es ist daher festzuhalten, daß der Zweck, der im Wortlaut der §§ 935, 940 zum Ausdruck kommt, eine vorläufige Befriedigung des Gläubigers nicht ausschließt81 •

n

vgl. § 7 B. u. § 3 C. I. 2. a).

78

S. für Ausnahmefälle auch Pastor, S. 225.

79

Vgl. Finkelnburg, Rdnr. 163; Finkelnburg, NVwZ 1982, 414; Papier, JA 1979, 648; HcssVGH, ESVGH 27, 162; s. dazu Schoch, S. 1398. 80 81

Schilken, S. 69.

Vgl. Uebe, S. 32.

122

§ 7 Maßnahmen

bb) Geschichte Da die §§ 935, 940 unterschiedliche historische Wurzeln haben, sind die beiden Normen bei der geschichtlichen Auslegung getrennt zu untersuchen. Die einstweilige Verfügung nach § 935 sollte für nicht auf Geldleistung gerichtete Ansprüche die gleichen Aufgaben erfüllen wie der Arrest für Geldforderungen82; es ging um die "Sicherung der Zwangsvollstreckung" wegen dieser Ansprüche83• Ebenso wie der Arrest84 sollte die Sicherungsverfügung nach der Vorstellung des Gesetzgebers lediglich die spätere Durchsetzung des Individualanspruchs im Hauptsacheverfahren garantieren, nicht schon den Anspruch verwirklichen85 • Dieser Regelung lag der Gedanke zugrunde, die staatliche Rechtsschutzgarantie nicht durch Veränderungen tatsächlicher oder rechtlicher Art wertlos werden zu lassen86 . Allerdings fmdet sich in der Begründung zu § 762 (= § 938) des dritten Entwurfs der CPO folgende Passage87: "Die durch eine einstweilige Verfügung abzuwendende Gefahr kann so mannigfaltig sein, daß die Mittel zur Abwehr sich im voraus nicht bestimmen lassen. Sie können überall bis zu den äußersten Grenzen der Zwangsvollstreckung gehen". Diese Passage scheint in bestimmten Fällen auch befriedigende Maßnahmen zu decken88 . Teilweise wird dieser Schluß in der Literatur mit der Begründung abgelehnt, den Sicherungszweck des § 935 könne die den Maßnahmeninhalt betreffende Norm des § 938 nicht beeinflussen; der Sicherungszweck aber decke keine befriedigenden Maßnahmen89• Dem ist zu widersprechen; es wurde schon gezeigt, daß der Sicherungszweck eine vorläufige Befriedigung keineswegs ausschließt90• Allerdings ist einzuräumen, daß die Beispiele, welche der oben zitierten Passage nachfolgen, keine befriedigenden Maßnahmen ken82

83 84

Schilken, S. 65; s. ausführlich § 2 A. 11. 2. Vgl. MotRCPO, Hahn 11/1, S. 470; s. auch ProtNE, Schuhen 3, S. 1240 f.

S.§7C.1.

85 Vgl. Schilken, S. 66; Stein!Jonas/Grunsky, § 938 Rdnm. 3 ff.; Baur/StünJer, Rdnm. 909, 918; ZöUer/Vollkommer, § 938 Rdnr. 3; ThomasjPulzo, § 938 Anm. 1 b; BaumbachjLaulerbach/Albers/Hartmann, § 938 Anm. 1 B a; OLG Karlsruhe NJW 1984, 1906. 86 Schilken, S. 66. 87 88 89

90

MotRCPO, Hahn 11/1, S. 478. Vgl. Uebe, S. 35; Güthe, ZZJ> 24 (1898), 409; s. auch Finken, S. 106 Cf. Vgl. Schilken, S. 68.

S. dazu § 7 C. 11. 2. b) aa).

C. Einstweiliger Rechtsschutz

123

nen. Daher kann sich diese TextsteUe möglicherweise auch auf die Grenzen des Vollzugs der getroffenen Maßnahme beziehen91 • Zusammenfassend kann man sagen, daß der Gesetzgeber für die Sicherungsverfügung nach § 935 grundsätzlich wie beim Arrest nur Sicherungsmaßnahmen ohne befriedigende Wirkung vorgesehen hat; allerdings bieten die MotRCPO auch Anhaltspunkte für die Zulässigkeit befriedigender Maßnahmen. Um den gesetzgeberischen Willen für § 940 festzustellen, muß auf den Entwurf einer Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes von 1870 (NE) zurückgegriffen werden, da der NE die entscheidende Vorlage für die Normen des einstweiligen Rechtsschutzes in der RCPO war92 • In den Kommissionssitzungen zum NE wurde zunächst beschlossen, "vorläufig" von der Normierung "von den Fällen der interimistischen Feststellung streitiger Zustände abzusehen,,93. Erst später wurde die Kommission in ihren Beratungen "einig, daß auch die Fälle der interimistischen Regelung eines Zustandes, z. B. des Besitzstandes, der Alimentationspflicht, Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Gastwirt und Gast, Baustreitigkeiten usw., nach ähnlichen Grundsätzen" wie die einstweilige Verfügung nach § 729 NE (= § 935) "zu behandeln seien"94. Daher hat der Geset7.geber eine § 940 entsprechende Normierung in § 740 Abs. 1 NE vorgenommen95 • Gerade die Hinweise auf die vorläufige Regelung von Alimentationspflichten und eines Besitzstandes belegen, daß der Gesetzgeber für § 940 die Möglichkeit einer interimistischen Zustandsregelung, die dem Gläubiger zumindest zeitweilige Befriedigung gewährt, anerkannt hat96; so kann die Regelung der Alimentationspflicht nur zur Auferlegung oder Verweigerung von Zahlungspflichten des Antragsgegners führen. Jedoch sollten "ähnliche Grundsätze" wie bei § 729 NE (= § 935) gelten. Dies wiederum legt die Vermutung nahe, daß auch im Rahmen des § 740 Abs. 1 NE (= § 940) die befriedigende Anordnung nicht der Regelfall sein sollte, sondern nur in nicht anders regelbaren Ausnahmefällen zu erlassen sein sollte. Dafür spricht auch der für den Inhalt einer einstweiligen Verfügung nach § 940 91 92

93

94 95 96

So im Ergebnis Schilken, S. 68; s. auch Merkel, S. 229 ff. S. § 2 A. 11.2. u. § 4 C. 11.2. Vgl. ProtNE, Schuhen 3, S. 1214 ff. ProtNE, Schubert 3, S. 1242; s. dazu auch Piehler, S. 27. Vgl. ProtNE, Schubert 3, S. 1242.

So auch ausführlich Schilken, S. 73 ff., insbes. 84.

124

§ 7 Maßnahmen

ebenfalls anwendbare § 93897; "erforderlich" i.S.d. § 938 ist nur das jeweils mildeste Mittel98 • Es ist daher festzuhalten, daß der Gesetzgeber für § 940 die (zeitweilig) befriedigende Wirkung in bestimmten Ausnahmefällen anerkannt hat; im Normalfall sollte sie aber vermieden werden99 • Demnach gibt es schon nach dem gesetzgeberischen Willen kein generelles Vorwegnahmever.bot für Maßnahmen nach den §§ 935, 940. cc) Wertungswidersprüche Es fragt sich, ob der Gesetzgeber, der in den §§ 708 ff. vorläufig befriedigende Anordnungen normiert hat, während nach den §§ 916 ff. nur sichernde bzw. regelnde Anordnungen, die im Regelfall keine vorläufig befriedigenden Elemente enthalten sollen, zulässig sind, durch diese unterschiedliche Regelung eine sachgerechte, widerspruchsfreie Entscheidung getroffen hat. Obgleich beide Normenkomplexe Bestandteile des vorläufigen Gerichtsschutzes sind, hat der RCPO-Gesetzgeber die zwischen ihnen bestehenden Zusammenhänge nicht erkannt 1OO • Daher lassen sich den MotRCPO gesetzgeberische Vorstellungen zur Beantwortung dieser Frage nicht entnehmen. Vielmehr ist die Frage der Sachgerechtigkeit aufgrund von Rückschlüssen aus den gesetzlichen Regelungen zu den einzelnen Rechtsinstituten zu beantworten. Die vorläufig befriedigenden Maßnahmen der §§ 708 ff. knüpfen an ein Urteil in der Hauptsache an, das auf viel sicherer Grundlage beruht als eine richterliche Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz101 ; ein Urteil im Hauptsacheverfahren bietet eine höhere Richtigkeitsgewähr 102• Dies allein rechtfertigt für den Regelfall schon die Differenzierung in befriedigende Maßnahmen nach §§ 708 ff. und vornehmlich sichernde bzw. regelnde Anordnungen nach den §§ 916 ff. Hinzu kommt, daß für die vorläufige Befriedigung des Gläubigers im Rahmen der vorläufigen Vollstreckbarkeit noch das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Rechtspflege spricht103; dies liegt bei den §§ 916 ff. nicht 97

98 99

S.§7C.1. S.§7C.1. Vgl. auch SteinjJonas/Grunsky, vor § 935 Rdnr. 31.

100 S. § 2 A.III. 101

102

103

S. § 5. Vgl. auch Schilken, S. 130.

S. §6B. S.§2A.l.u.§6B.

c. Einstweiliger Rechtsschutz

125

im selben Maße vor. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der grundsätzlich unterschiedliche Maßnahmeninhalt im Vergleich von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz sachgerecht ist. dd) Verfassungsrechtliche Ausstrahlungswirkung Der Wortlaut der §§ 935,940 deckt auch befriedigende Maßnahmen104• Allerdings ist bei § 935 nach dem bisherigen Stand der Auslegung trotz gewisser Unsicherheiten davon auszugehen, daß nur Sicherungsmaßnahmen ohne befriedigende Wirkung vorgesehen sind105; Maßnahmen nach § 940 dürfen in Ausnahmefällen befriedigende Wirkungen habenl()6. Es ist nun zu untersuchen, ob sich aus dem Grundgesetz gewisse Konkretisierungen ableiten lassen. Wie an anderer Stelle schon ausgeführt wurde107, ist das Grundgesetz bei Anwendung von Privatrecht nicht ohne Bedeutung; so wirkt die objektive Wertordnung der Verfassung z. B. über auslegungsfähige Begriffe auf dieses Rechtsgebiet ein108• Man spricht insoweit von der verfassungsrechtlichen Ausstrahlungswirkung bzw. von mittelbarer Grundrechtswirkung. Soweit daher der zivilprozessuale vorläufige Rechtsschutz nicht den Anforderungen der rechtsstaatlichen und der grundrechtsunmittelbaren Garantie wirksamen Gerichtsschutzes entspricht, ist er gemäß dem Wirksamkeitspostulat zu ergänzen109• Unter diesem Blickwinkel sind nun die "Zwecke" der einstweiligen Verfügungen i.S.d. § 938 Abs. 1 zu untersuchen. Es wurde schon mehrfach festgestellt, daß dem vorläufigen Gerichtsschutz verfassungsrechtlich zwei Funktionen zukommen; einmal ist die "Offenhaltefunktion" zu nennen, zum anderen die Funktion der Zwischenzeitüberbrückung, die häufig einem vollständigen Offenhalten des Streitfalls bis zur endgültigen Entscheidung entgegensteht110• Eine potentielle Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung läßt sich für den Geltungszeitraum einer angeordneten Maßnahme nicht immer vermeiden; gleiches gilt für den Zeitablauf bei der 104 105

106 107 108 109

s. § 7 C. 11. 2. b) aa). s. § 7 C. 11. 2. b) bb). s. § 7 C. 11. 2. b) bb). s. § 6 C. 111. 2. b). s. § 6 C. 111.2. b). Vgl. Bonner Kommentar-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr.414.

110 S. ausführlich § 3 C. I. 2. u. § 7 A.

126

§ 7 Maßnahmen

Ablehnung einer vorläuftgen Maßnahme. Das Vorwegnahmeverbot läuft daher auf etwas rechtlich unmögliches hinaus111 und kann damit kein "Grundsatz des allgemeinen Prozeßrechts"112 sein. Hinzu kommt, daß die rechtsstaatliche Garantie wirksamen Rechtsschutzes gerade eine zeitliche Komponente enthält; es ist durch den einstweiligen Rechtsschutz zu verhindern, daß der Antragsteller Nachteile erleidet, die bei einem Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr ausgeglichen werden können und die hinzunehmen ihm nicht zuzumuten sind113. In bestimmten Fällen ist daher verfassungsrechtlich eine vorläuftge Befriedigung des Gläubigers zwingend, wenn anders wirksamer Rechtsschutz nicht gewährt werden kann114• Als Zwischenergebnis ist festzustellen, daß ein generelles Vorwegnahmeverbot im einstweiligen Rechtsschutz nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht; ein generelles Vorwegnahmeverbot verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben ("Zwecke" i.S.d. § 938) des einstweiligen Rechtsschutzes. Über diese verfassungsrechtlich zwingenden Anforderungen einer Vorwegnahme hinaus darf nicht verkannt werden, daß der Gesetzgeber bei der Normierung des in der Verfassung angelegten Konflikts zwischen der "Offenhaltefunktion" und der Funktion der Zwischenzeitüberbrückung einen gewissen Spielraum hat 11S • Der Gesetzgeber muß aber bei der Ausgestaltung berücksichtigen, daß es beim vorläufigen Gerichtsschutz um den ausgewogenen Ausgleich verschiedener materieller (Grund-) Rechte geht 116 und daß das Verfahrensrecht der Verwirklichung des materiellen Rechtes dient 117• Folglich kommt dem Gesetzgeber die Aufgabe zu, den einstweiligen Rechtsschutz unter gerechter Verteilung des Fehlentscheidungsrisikos zu normieren118. So ist es gerade wünschenswert, daß eine Übereinstimmung der Entscheidungsinhalte im Eilverfahren und im Hauptsacheverfah-

111 Vgl. SChoch, S. 1405 C.; s. auch v.Gerkan, ZGR 1985, 169. 112 So aber Karpen, JuS 1984,458. 113 114

l1S 116 117

VgI. Schoch, S. 1400; s. auch § 3 A. 11. Vgl. v.Gerkan, ZGR 1985, 170. S. § 3 C. 1.2. c) u. IV.

S. § 3 C. III. 1. S.§3C.I.

118 Vgl. Grunsky, JuS 1976, 280 CC.; ders., JuS 1977, 219 C.; Schoch, S. 1406 CC.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

127

ren erreicht wird 119; diese Verwirklichung ("Vorwegnahme") des materiellen Rechts entspricht der Forderung nach wirksamen Rechtsschut7.., bei der es um die Wirksamkeit des materiellen Rechts durch Rechtsschutz geht, am meisten. Wenn irreparable Zustände durch den einstweiligen Rechtsschutz schon nicht zu vermeiden sind, dann ist zumindest anzustreben, mit dem Inhalt der Maßnahmen dem materiellen Recht so nahe wie möglich zu kommen120• Jedoch ist nicht zu übersehen, daß der einstweilige Rechtsschutz nicht mit derselben Richtigkeitsgewähr wie das gerichtliche Hauptsacheverfahren ausgestattet ist l21 , so daß sich die materielle Rechtslage in beiden Verfahren zuweilen unterschiedlich darstellen wird. Deswegen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Maßnahmen im Regelfall des einstweiligen Rechtsschutzes nicht unmittelbar am vermeintlichen materiellen Recht ausrichtet, sondern dem Richter in § 938 die Möglichkeit gibt, variabel im Einzelfall zu reagieren. c) Zwischenergebnis Ein Vorwegnahmeverbot ist aus dem Gesetz nicht ableitbar. Vielmehr ist der Inhalt der Maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 938 Abs. 1 an der "Erreichung des Zweckes" der einstweiligen Verfügungen auszurichten. Sowohl der vom Gesetzgeber betonte Sicherungszweck des § 935 als auch der Regelungszweck des § 940 decken befriedigende Maßnahmen. Zwar hat dies der Gesetzgeber bei § 935 anders als bei § 940 wohl nicht gewollt, jedoch fordert der verfassungsrechtliche Grundsatz wirksamen Gerichtsschutzes eine über den GesetzgeberwiIIen hinausgehende Auslegung. Wo der Antragsteller ohne eine im Rechtssinne einstweilige Verfügung Nachteile erleiden würde, die bei einem Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr ausgeglichen werden können und die hinzunehmen ihm nicht zuzumuten sind, muß eine befriedigende Maßnahme erlassen werden. Diese verfassungsrechtliche Garantie gilt für § 935 wie für § 940. Darüber hinaus ist es verfassungsrechtlich wegen der im Vergleich zum Urteil im Hauptsacheverfahren geringeren Richtigkeitsgewähr nicht zu beanstanden, wenn die erlassene Maßnahme sich nicht am materiellen Recht ausrichtet. Insoweit ist der gesetzgeberische Wille zu respektieren. 119

120 121

So zutreffend Sclwch, S.I407. Vgl. Sclwch, S. 1407 f. S. § 7 C. 11. 2. b) ce).

128

§ 7 Maßnahmen

3. Konsequenzen Erkennt man einstweilig befriedigende Verfügungen an, dann werden dadurch die Interessen des Antragsgegners in besonderer Weise betroffen. Daher hat auf der Ebene des Verfügungsgrundes in diesen Fällen eine Interessenabwägung stattzufmdenl22• Es wurde oben gerade ausgeführt l23, daß die grundsätzliche Verweigerung der vorläufigen Befriedigungsmöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutz auch auf die im Vergleich zum Urteil im Hauptsacheverfahren geringere Richtigkeitsgewähr zurückzuführen ist. Daraus aber ist abzuleiten, daß in den Fällen, in denen aufgrund der Umstände mit mehr als nur überwiegender Wahrscheinlichkeitl24 der Verfügungsanspruch gegeben ist, diese höhere Richtigkeitsgewähr eine Rolle spielen muß. Einerseits muß sie in die Interessenabwägung auf der Ebene des Verfügungsgrundesl25 eingehenl26 ; je wahrscheinlicher die Tatsachengrundlage des Verfügungsanspruchs erscheint, um so gewichtiger müssen die Interessen des Antragsgegners sein, damit die Interessenabwägung nicht zugunsten des Antragstellers ausfällt. Zum anderen hat sie auch der Richter bei seinem Auswahlermessen127 hinsichtlich des Maßnahmeninhalts gemäß § 938 Abs. 1 zu berücksichtigen; je wahrscheinlicher die materielle Berechtigung des Antragstellers gegeben scheint, um so eher darf die Maßnahme befriedigende Inhalte haben. D. Ergebnis

Die vorläufige Vollstreckbarkeit kennt als Maßnahmeninhalt nur vorläufig befriedigende Anordnungen. Der Arrest sieht nur sichernde Maßnahmen ohne befriedigende Inhalte vor. Dagegen besteht bei den einstweiligen Verfügungen eine größere Bandbreite an möglichen Maßnahmeninhalten; sie reicht von nur sichernden Anordnungen ohne befriedigende Wirkung bis zur (vorläufig) befriedigenden Anordnung. Ein Vorwegnahmeverbot im einstweiligen Rechtsschutz gibt es nicht. Allerdings sind aufgrund der gerin122 S. ausführ!. § 6 C. 111. 123 S. § 7 C. 11. 2. b) cc). 124 S. § 5 C. 11. u. § 6 E. 125 S. § 6 C. III. 126 So auch im Ergebnis DüIz, BB 1980,538. 127 S.§7C.I.

E. Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung

129

geren Richtigkeitsgewähr des einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber dem Urteil im Hauptsacheverfahren befriedigende Anordnungen im Regelfall des einstweiligen Rechtsschutzes nicht vorgesehen. E. Leistungs- bzw. Befriedigungsverf"tigung

Die sogenannte Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung wurde schon an verschiedenen Stellen behandeltl28; eine zusammenfassende dogmatische Darstellung ist jedoch bislang noch nicht erfolgt. Dies soll hier nachgeholt werden. Rechtsgrundlage, Rechtsnatur, Grenzen und Ausgestaltung der Befriedigungsverfügung sind umstritten l29• Auf Einzelheiten des Meinungsstreitsl30 braucht hier nicht eingegangen zu werden, da sich die Einordnung der Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung schon nach dem bisher Gesagten ergibt. Die Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung ist bei richtigem Verständnis der §§ 935, 940 keine eigenständige Verfügungsart, sondern faßt lediglich die Anordnungen gemäß den §§ 935, 940 mit befriedigendem Inhalt zusammen. Auf die Voraussetzungen dieser Verfügungen wurde schon in den §§ 4 ff dieser Arbeit eingegangen. An dieser Stelle sollen die wesentlichen Gesichtspunkte noch einmal genannt werden: Ein materieller Anspruch bzw. eine "bessere Berechtigung" des Antragstellers ist Voraussetzung für jede einstweilige Verfügung, unabhängig davon ob § 935 oder § 940 als Grundlage dient l3l ; dies gilt also auch für die Leistungsverfügung. Die Tatsachenbasis der materiellen Berechtigung des Antragstellers muß von diesem glaubhaft gemacht werden; dafür genügt überwiegende Wahrscheinlichkeit132• Daneben ist das Vorliegen eines Verfügungsgrundes nach den §§ 935, 940 notwendig; bei (zeitweilig) befriedigenden einstweiligen Verfügungen ist, obwohl der Wortlaut der §§ 935, 940 dies scheinbar nicht vorsieht, noch eine Interessenabwägung zwischen Antragsteller und -gegner auf

128

s. etwa § 1 F. 11., § 2 B., § 4 C. I. u. § 6 C.

129 Schilken, S. 49; vgI. auch Brox/Walker, Rdnm. 1612 ff.; Morbach, S. 78 f.; Hobbeling, S. 65 ff.; SteinIJonas/Grunsky, vor § 935 Rdnm. 31 ff.; Zimmermann, § 940 Rdnm. 6 ff.; MantzoUTani-Tschaschnig, S. 70 ff.; PiehIer, S. 34; HoWnger, S. 19 ff.; BaUT, S. 56 ff.; [)(WbIer/Colneric, Rdnm. 1309 ff.; Jauemig, ZZP 79 (1966), 320 ff.; Dütz, BB 1980,537 ff.; Neumann, S. 143 ff.; Finkelnburg,lJank, Rdnm. 231 ff. 130 Vgl. ausführlich Schilken, S. 21 ff.

131

132 9 Vogg

S. ausführt. § 4 C. u. D. S. ausführl. § 5 C. u. D.

130

§ 7 Maßnahmen

der Ebene des Verfügungsgrundes vorzunehmen l33 • Auch die maßgeblichen Tatsachen für Verfügungsgrund und Interessenabwägung sind mit überwiegender Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machenl34 . Der (vorläufig) befriedigende Inhalt von einstweiligen Maßnahmen gemäß den §§ 935, 940 ist in besonderen Ausnahmefällen zulässigl35. Darzulegen bleibt noch, warum auch (vorläufig) befriedigende einstweilige Maßnahmen, die Geldforderungen (z. B. Unterhaltsansprüche) betreffen, nach den §§ 935, 940 zu behandeln sind und nicht nach den §§ 916 ff. Dies läßt sich historisch erklären: Der Entwurf einer CPO für die Staaten des Norddeutschen Bundes (NE) von 1870 war die entscheidende Vorlage für die RCPO l36• Schon in den Kommissionssitzungen zum NE wurde man sich in den Beratungen "einig, daß auch die Fälle der interimistischen Regelung eines Zustandes, z. B. ... der Alimentationspflicht ... usw., nach ähnlichen Grundsätzen zu behandeln sein"137. Soweit also die vorläufige Befriedigung von Geldforderungen angestrebt wird, sind nach dem Willen des Gesetzgebers nicht die Vorschriften des Arrestes sondern die §§ 935 ff einschlägig.

133

S. ausführt. § 6 C. u. D.

134 S. ausführt. § 6 E.

135 S. gerade § 7 C. u. D. 136

S. § 2. A. 11. 2.

137 ProtNE, Schuben 3, S. 1242.

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis Sowohl die vorläufige Vollstreckbarkeit (§§ 708 ff.) als auch der einstweilige Rechtsschutz (§§ 921 Abs. 2, 923, 936, 939) kennen Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis. Auf Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis wurde schon vereinzelt im Zusammenhang mit speziellen Problemen eingegangen, so bei den weiteren Voraussetzungen des vorläufigen Gerichtsschutzes1 und bei den Anforderungen an die Glaubhaftmachung im einstweiligen Rechtsschut:e. Nun sind die Sicherheitsleistung und die Abwendungsbefugnis umfassender zu untersuchen. Die gesetzlichen Regelungen werden dargelegt und miteinander verglichen. Soweit es in Rechtsprechung und Literatur ersichtlich ist, wird ein solcher Vergleich in dieser Form erstmals vorgenommen3; dabei soll vor allem auch geprüft werden, ob die gesetzgeberischen Wertungen, die den sehr differenzierten4 Regelungen der §§ 708 ff. zugrundeliegen, im Einklang stehen mit denjenigen Wertungen, auf denen die §§ 921 Abs. 2, 923, 936, 939 aufbauen. Auch die Möglichkeit der Übernahme bestimmter Prinzipien der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den einstweiligen Rechtsschutz ist in diesem Zusammenhang zu erörtern. Bevor die einfach-rechtlichen Regelungen behandelt werden, sind zunächst die verfassungsrechtIichen Vorgaben darzustellen. A. Verfassungsrechtliche Anforderungen

Aus der grundrechtsunmittelbaren Garantie wirksamen Rechtsschutzes folgt für den zivilprozessualen Gerichtsschutz, daß die gegensätzlichen materiellen (Grund-)Rechtspositionen auszugleichen und zur bestmöglichen Wirksamkeit zu führen sind; es besteht für den Gesetzgeber die Verpflichtung zu ausgewogenem RechtsschutzS. Die beiderseitige Interessenausglci-

1 2

3

4 5

S. § 6 B. u. C. 111. S. § 5 C. 11. 1. b).

Zu gewissen Ansätzen s. &ur, S. 13.

S. schon § 6 B.

S. § 3 C. 111. 1.; vgI. insbes. MaunzjDürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rdnm. 4, 273,275.

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

132

chung ist ein allgemeines Prinzip des vorläufigen Gerichtsschutzes6• Zwar läßt sich daraus keine bestimmte Sicherungstechnik für das materielle Recht ableiten7, jedoch können die Instrumente Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis dazu eingesetzt werden, den Interessen der Parteien in ausgewogener Weise Rechnung zu tragen8. B. Vorläufige Vollstreckbarkeit Für die vorläufige Vollstreckbarkeit fmden sich die gesetzlichen Regelungen zur Sicherheitsleistung und zur Abwendungsbefugnis in den §§ 708 bis 714. Zunächst ist allgemein die Funktion von Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis für die vorläufige Vollstreckbarkeit zu behandeln, bevor die §§ 708 ff. in ihrer Systematik dargestellt werden. I. Funktion Das Erfordernis der Sicherheitsleistung kann sowohl dem Gläubiger- als auch dem Schuldnerschutz dienen. Die Sicherheitsleistung durch den Gläubiger soll den Schuldner davor bewahren, daß sein späterer Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 wegen ungerechtfertigter Vollstreckung durch den Gläubiger nicht mehr durchsetzbar ist; die Höhe der Sicherheitsleistung muß so angesetzt werden, daß alle entstehenden Vollstreckungsschäden ersetzt werden können9• Die Sicherheitsleistung durch den Schuldner dient dem Schutz des Gläubigers davor, daß ihm bei einer erst später möglichen Vollstreckung infolge des Vollstreckungsaufschubs ein Verwgerungsschaden entsteht bzw. davor, daß er den eingeklagten Anspruch überhaupt nicht mehr durchsetzen kann lO• Diese gesetzgeberischen Zwecksetzungen decken sich mit den verfassungsrechtIichen Anforderungen 11, denn der Gesetzgeber kann durch das Sicherheitsleistungserfordernis von Gläubiger bzw. Schuldner eine ausgewogene Interessenausgleichung zwischen den Parteien vornehmen. 6

7 8 9

Vgl. Dütz, BB 1980,538; ders., DB 1980, 1070; s. schon § 3 C. III. 1. S. § 3 C. III. 2. S. z.B. schon § 7 B.

Vgl. BroxjWaJker, Rdnr. 58; ZbllerjSchneiderjHerget, § 700 Rdnm. 3 ff.; s. auch MotRCPO, Hahn 11/1, S. 428 ff.

10 11

Vgl. BroxjWalker, Rdnr. 58; s. auch MotRCPO, Hahn 11/1, S. 428 ff.

S.§8A.

B. Vorläufige Vollstreckbarkeit

133

11. Systematik

Durch die §§ 708, 7(1), 711 S. 1 werden die Fälle der vorläufigen Vollstreckbarkeit gegliedert12• In den Fällen des § 708 Nrn. 1 bis 3 lautet der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit grundsätzlich: "Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar". Gemäß den §§ 708 Nrn. 4 bis 11, 711 S. 1 ist in den dort geregelten Fällen etwa folgender Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit zu treffen: "Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von ... DM abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet". Diese zwei Untergruppen des § 708 (i.V.m. § 711 S. 1) bilden zusammen die Hauptgruppe der vorläufigen Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung des Gläubigersl3• Soweit § 7(1) S. 1 anwendbar ist, muß wie folgt tenoriert werden: "Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von ... DM vorläufig vollstreckbar". Die Fälle des § 7(1) S. 1 stellen die Hauptgruppe der vorläufigen Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers dar. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist also grundsätzlich in die zwei Hauptgruppen § 708 und § 7(1), von denen die Hauptgruppe des § 708 nochmals in die zwei Untergruppen Nrn. 1 bis 3 und Nrn. 4 bis 11 zu gliedern ist, aufteilbar l4• Insgesamt besteht daher eine Dreiteilung der vorläufigen Vollstreckbarkeit durch die §§ 708, 7(1), 711 S. 115• Die Einordnung eines zu entscheidenden Falles in eine der drei Gruppen der §§ 708, 7(1), 711 S. 1 hat das Gericht von Amts wegen vorzunehmen l6• Die §§ 710, 711 S. 2, 712 ff. beziehen die Besonderheiten des konkreten Einzelfalles in den Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit mit ein. Im weiteren sind daher die grundsätzliche Dreiteilung der vorläufigen Vollstreckbarkeit und dann die auf den konkreten Einzelfall bezogenen Normen näher zu untersuchen.

12 13

14 15

Vgl. Zimmermann, § 708 Rdnr. 2. Vgl. BroxjWalker, Rdnr. 59; Zimmermann, § 708 Rdnr. 2. Vgl. Zimmermann, § 708 Rdnr. 2; Thom4SjPulZo, Vorbem. § 708 Anm. 2.

Vgl. Steinen, JurBüro 1977, 622; Sattelmacher/Sirp, S. 178 ff.; s. dazu auch BroxjWalker, Rdnrn. 58 ff.; ScheUhammer, Rdnrn. 80S ff.; Baur/Stümer, Rdnrn. 180 ff. 16 Vgl. Thom4S/Putzo, Vorbem. § 708 Anm. 3; Steinen, JurBüro 1977, 622; Schneider, MDR 1977, 89.

134

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

1. Dreiteilung Zunächst sind die Wertungen herauszuarbeiten, die den Gesetzgeber zur differenzierten Behandlung der Fälle von § 708 und von § 7fYJ veranlaßt haben, bevor die Unterschiede innerhalb des § 708 i.V.m. § 711 S. 1 behandelt werden. a) Differenzierung zwischen § 708 und § 7fYJ Die zwei Hauptgruppen der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 708 und § 7fYJ. In der Regel sind Urteile gemäß § 7fYJ S. 1 nur gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers vorläufig vollstreckbar; diese Norm enthält den Grund- und Auffangtatbestand l7. Die Fälle der vorläufigen Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers sind in § 708 normiert. Es stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber die Fälle des § 708 gegenüber denen des § 7fYJ privilegiert18, d. h. auf das Erfordernis einer Sicherheitsleistung des Gläubigers grundsätzlich verzichtet hat. Zur Beantwortung dieser Frage ist § 708 näher zu untersuchen. In § 708 Nr. 1 ist die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers von Urteilen aufgrund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts geregelt. Teilweise wird als Begründung für diese Norm angeführt, daß der Schuldner hier wegen seines Verhaltens nicht schutzwürdig ist19. In den Motiven zur RCPO heißt es, daß diese Urteile "nicht einen noch zu entscheidenden Streit zum Gegenstande" haben2O• Dies ist im Hinblick auf die §§ 306, 307 wohl ein Hinweis darauf, daß es auf die Schlüssigkeit und Begründetheit der Klage bei Erlaß des Urteils in den Fällen des § 708 Nr. 1 nicht ankommt; lediglich die Prozeßvoraussetzungen sind zu prüfen21 • Daraus folgt aber, daß einem Anerkenntnis- und Verzichtsurteil eine höhere Richtigkeitsgewähr zukommt als anderen Urteilen in Hauptsacheverfahren22 • Diese höhere Richtigkeitsgewähr ist zumindest auch ein Grund für die Privilegierung der Fälle des § 708 Nr. 1. § 708 Nr. 2 regelt die vorläufige 17 18 19

20 21 22

VgJ. Schellhammer, Rdnr. 805; ZölIerjSchneiderjHerget, § 700 Rdnr. 1. VgJ. BaurjSlÜmer, Rdnr. 184. VgJ. BroxjWalker, Rdnr.59. VgJ. MotRCPO, Hahn 11/1, S. 428. VgJ. ThomasjPulzo, § 307 Anm. 4 a.

So auch BaurjStümer, Rdnr. 187. Zur allgemeinen Richtigkeitsgewähr eines Urteils im Hauptsacheverfahren s. schon § 6 B.

B. Vorläufige Vollstreckbarkeit

135

Vollstreckbarkeit von Versäumnisurteilen und Urteilen nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a. Als Begründung für die Vollstreckbarkeit dieser Urteile ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers wird in der Literatur teilweise darauf abgestellt, daß der Schuldner wegen seines eigenen Verhaltens keines Schutzes bedarc23. Andere führen § 708 Nr. 2 auf die Eilbedürftigkeit der Vollstreckun? oder auf die Notwendigkeit der Erhöhung des SäumnisrisikoslS in diesen Fällen zurück. Zusätzlich kommt zum Tragen, daß beim Versäumnisurteil gegen den Beklagten gemäß § 331 Abs. 1 S. 1 "das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen" ist. Das Urteil basiert damit aus prozessualer Sicht auf einer gesicherten tatsächlichen Grundlage und bietet folglich in der prozessualen Logik eine höhere Richtigkeitsgewähr, als wenn die Tatsachen zu beweisen gewesen wären. Auch für § 708 Nr. 3, der erst 1977 eingeführt wurde26, wird als Begründung das fehlende Schutzbedürfnis des Schuldners wegen eigenen Verhaltens angeführt27• Der Gesetzgeber hat die Regelung aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten aufgenommen, da es sich nur noch um die Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung handelt28• Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozeß erlassen werden, sind gemäß § 708 Nrn. 4, 5 ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers vorläufig vollstreckbar, weil einem auf Schnelligkeit angelegten Erkenntnisverfahren eine zügige Vollstreckung nachzufolgen hat 29• § 708 Nr. 6 behandelt wie § 708 Nrn. 3,11 lediglich die Vollstreckbarkeit einer Kostenentscheidung. Die Regelungen des § 708 Nrn. 7,8 beruhen auf dem grundsätzlich überwiegenden Interesse des Gläubigers an einer schnellen Durchsetzung bestimmter Miet-, Unterhalts- und Rentenansprüche30; der Gläubiger ist wegen seiner Bedürftigkeit bzw. aus anderen sozialen Gründen in diesen Fällen häufig besonders

23

vgl. BroxjWalker, Rdnr. 59.

24

Vgl. BaurjStürner, Rdnr. 185; s. auch MotRCPO, Hahn 11/1, S. 131,428.

lS

Vgl. SteinjlonasjMünzberg, § 708 Rdnr. 17; s. auch RGBI. 1924 Teil I, S. 146.

26 27 28 29

Vgl. BT-Drucks. 7/2729, S. 106. Vgl. BroxjWalker, Rdnr.59. Vgl. BT-Drucks. 7/2729, S. 106.

Vgl. BroxjWaIker, Rdnr. 59; BaurjStümer, Rdnr. 185; s. auch BT-Drucks. 7/2729, S. 106; MotRCPO, Hahn 11/1, S. 428. 30 Vgl. BroxjWaIker, Rdnr. 59; BaurjStümer, Rdnr. 184; s. auch MotRCPO, Hahn 11/1, S. 428.

136

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

schutzwürdig31 • Allerdings unterfallen der Regelung des § 708 Nr. 7 nicht nur obsiegende Urteile des nach der gesetzgeberischen Vorstellung sozial schwächeren Mieters, sondern auch obsiegende Urteile des Vermieters; dies ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 708 Nr. 7 hinzunehmen. Die "rasche Wiederherstellung des Rechtsfriedens" stand bei § 708 Nr. 9 im Vordergrund32• In der Literatur wird teilweise auch hier das überwiegende Interesse des Gläubigers an einer schnellen Anspruchsdurchsetzung betont33• Die Normierung von § 708 Nr. 10, der Urteile der Oberlandesgerichte in vermögensrechtlichen Streitigkeiten für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt, bringt das Vertrauen des Gesetzgebers auf eine erhöhte Richtigkeitsgewähr dieser Urteile zum Ausdruck34 • Wegen der geringen Beträge und der damit verbundenen geringen Risiken für den Schuldner, sein Geld im Falle der Aufhebung des Urteils zurückzuerhalten, wird gemäß § 708 Nr. 11 in den dort genannten Urteilen von der Notwendigkeit einer Sicherheitsleistung des Gläubigers vor der vorläufigen Vollstreckung abgeseh~n35. Nach alledem kann man sagen, daß sich der Gesetzgeber bei der Privilegierung der Fälle des § 708 gegenüber denen des § 709 von den verschiedensten Motiven hat leiten lassen. Es spielen Interessen der Allgemeinheit eine Rolle; so soll die Regelung in § 708 Nr. 2 einem leichtfertigen Versäumen von Terminen, das zu einer Mehrbelastung des Gerichts führt, vorbeugen. Auch besondere Parteiinteressen fanden Berücksichtigung, z. B. bei § 708 Nrn. 7, 8. Auffällig ist, daß eine höhere Richtigkeitsgewähr bestimmter Urteile gegenüber sonstigen Urteilen im Hauptsacheverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers eine vorläufige Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung rechtfertigt, so bei § 708 Nrn. 1, 2, 10. Überhaupt hatte der Gedanke der Richtigkeitsgewähr eines Urteils im Hauptsacheverfahren für die Frage, ob eine Sicherheitsleistung des Gläubigers grundsätzlich erforderlich sein sollte, in den Diskussionen zur RCPO großes Gewicht. Im Entwurf einer RCPO vom 29.10.1874 war in § 601 Nr. 1 vorgesehen, daß alle Urteile der Amtsgerichte ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers vorläufig vollstreck31

Vgl. BaurjStümer, Rdnr. 184.

32 33

Vgl. BT-Drucks. 7/2729, S. 106.

34

Vgl. BroxjWalker, Rdnr. 60; BaurjStüTner, Rdnr. 187.

35

Vgl. BroxjWcllker, Rdnr. 59; BaurjStümer, Rdnr. 184.

Vgl. BroxjWaIker, Rdnr. 61; BaurjStüTner, Rdnr. 186; PuIzo, NJW 1977, 9; s. auch BTDrucks. 7/2729, S. 106.

B. Vorläufige Vollstreckbarkeit

137

bar sind. In der Begründung dazu hieß es, "daß die vor den Amtsgerichten verhandelten Rechtsstreitigkeiten in ihrer Mehrheit einfach genug sind, um eine richtige Entscheidung schon in erster Instanz erwarten zu lassen,,36. Nicht zuletzt weil die Richtigkeit dieser Aussage in den Diskussionen zur RCPO bezweifelt wurde, hat man § 601 Nr. 1 des Entwurfs nicht in die RCPO übernommen37• Dies ändert aber nichts daran, daß aus der Sicht des Gesetzgebers die besondere Richtigkeitsgewähr bestimmter Hauptsacheurteile ein wichtiges Argument für die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers war. So bestätigt sich, was an anderer Stelle schon festgestellt wurde 38, daß die Richtigkeitsgewähr von gerichtlichen Entscheidungen ein wichtiges Strukturelement des vorläufigen Gerichtsschutzes ist. Die Richtigkeitsgewähr, die ein Urteil im Hauptsacheverfahren für den Regelfall bietet39, rechtfertigt nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 709 S. 1 lediglich die vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung, d. h. der Gläubiger darf sich im Regelfall nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig befriedigen. In den Fällen des § 708 kommen zur regelmäßigen Richtigkeitsgewähr eines Hauptsacheurteils weitere Gerichtspunkte hinzu, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine vorläufige Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung gestatten. b) Differenzierung zwischen § 708 Nrn. 1 bis 3 und § 708 Nrn. 4 bis 11 Bisher wurde der Gegensatz zwischen § 708 und § 709 untersucht, nun ist auf die zwei Untergruppen40 des § 708 näher einzugehen. Es stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber innerhalb des § 708 die Nrn. 1 bis 3 von der Möglichkeit der Abwendungsbefugnis des Schuldners gemäß § 711 S. 1 ausgenommen hat. In diesen Fällen erschien dem Gesetzgeber "eine Abwendungsbefugnis nicht angezeigt.41. Näher begründet wird dies vom Gesetzgeber nicht. Eine Rolle spielte dabei wohl, daß sich die Urteile, die von § 708 Nrn. 1 bis 3 erfaßt werden, auf das eigene Verhalten des Schuldners grün-

36

37 38 39 40

41

vgl. MotRCPO, Hahn 11/1, S. 427. Vgl. ProtRCPO, Hahn 11/1, S. 796 ff. S. z. B. § 6 B. u. § 7 C. 11. 2. b) ce). S.§5B.u.§6B. Vgl. Zimmermann, § 708 Rdnr. 2. Vgl. BT-Drucks. 7/2729, S. 108.

138

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

den42• Von Bedeutung sind aber auch die besondere Richtigkeitsgewähr, die den Fällen des § 708 Nrn. 1, 2 zukommt43, sowie im Falle des § 708 Nr. 2 noch Interessen der Allgemeinheit an der Sanktionierung von Terminsäumnissen44 • Insgesamt stellen sich die Interessen des Schuldners in den Fällen des § 708 Nrn. 1 bis 3 besonders wenig schutzwürdig dar45 • Dieses geringere Schutzbedürfnis rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung des § 708 Nrn. 1 bis 3 und des § 708 Nrn. 4 bis 11 i.V.m. dem § 711 S. 1. c) Zwischenergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Gesetzgeber in den §§ 708, 7C1:), 711 S. 1 die erfaßten Urteile unabhängig von der Interessenlage der Parteien im konkreten Fall in drei unterschiedlich zu behandelnde Gruppen eingeteilt hat. Diese Einteilung hat der Gesetzgeber nach einer generellen Bewertung der Interessenlage der Parteien unter Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit und der grundsätzlich unterschiedlichen Richtigkeitsgewähr bestimmter Urteile im Hauptsacheverfahren vorgenommen. 2. Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls Nun ist zu untersuchen, wie sich die konkrete Interessenlage der Parteien im Einzelfall auf den Ausspruch der vorläufIgen Vollstreckbarkeit auswirkt. Hierzu muß man die §§ 710, 711 S. 2, 712 ff. näher betrachten. Es stellt sich die Frage, ob der Gläubiger in bestimmten Fällen die Notwendigkeit einer eigenen Sicherheitsleistung vor der Vollstreckung eines Titels entsprechend den §§ 7C1:), 708 Nrn. 4 bis 11, 711 S. 1 vermeiden kann. Für die Fälle des § 708 Nrn. 1 bis 3 ist eine Sicherheitsleistung des Gläubigers ohnehin nicht vorgesehen. In den Fällen des § 7C1:) greift § 710 unmittelbar. § 710 regelt die "Möglichkeiten, unter denen der Gläubiger von einer Sicherheitsleistung freigestellt werden kann'.46. Die heutige Fassung dieser Norm beruht auf "ähnlichen Erwägungen.47, wie sie bei § 708 Nr. 8 ange42 43

44 45

46

47

Vgl. Brox/Walker, Rdnr. 59; s. auch schon § 8 B. 11. 1. a). S. dazu § 8 B. 11. 1. a). S. dazu § 8 B. 11. 1. a).

Vgl. Brox/Walker, Rdnr.59. BT-Drucks. 7/2729, S. 107. BT-Drucks. 7/2729, S.l08.

B. Vorläufige Vollstreckbarkeit

139

stellt wurden; ·so kann etwa der Anspruch eines Handwerkers aus einem Auftrag ... für seinen Lebensunterhalt oder seine wirtschaftliche Existenz ebenso entscheidend sein wie ein Unterhaltsanspruch..48. § 710 behandelt ausschließlich die eigene Sicherheitsleistung des Gläubigers und stellt nur auf die Interessen des Gläubigers ab; auf die Interessen des Schuldners wird in § 710 keine Rücksicht genommen49• Ebenso wie bei den §§ 711 S. 2, 712 sind Schutzmaßnahmen gemäß § 710 antragspflichtig nach § 714 Abs. 150• Die tatsächlichen Voraussetzungen sind gemäß § 714 Abs. 2 glaubhaft zu machen. § 711 S. 2 will den Fall erfassen, "daß der Gläubiger eine Sicherheitsleistung, mit der er einer Abwendung der Zwangsvollstreckung durch den Schuldner zuvorkommen möchte, nicht zu erbringen vermag.51. Durch die Verweisung auf § 710 kann der Gläubiger daher nicht nur in den Fällen des § 709, für den § 710 unmittelbar gilt, sondern auch für die Fälle des § 708 Nrn. 4 bis 11 im Notfall eine Sicherung bzw. Durchsetzung seiner Ansprüche auch ohne vorherige Sicherheitsleistung bewirken52• Insgesamt läßt sich festhalten, daß es dem Gläubiger gemäß den §§ 710, 711 S. 2 in allen Fällen der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach den §§ 708, 709 in gewissen Notfällen möglich ist, eine eigene Sicherheitsleistung zu vermeiden, soweit nicht schon nach § 708 Nrn. 1 bis 3 eine Sicherheitsleistung des Gläubigers überflüssig ist. § 712 bezieht nun die Interessen des Schuldners im konkreten Einzelfall in die Erwägungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ein. § 712 greift unabhängig davon ein, ob der zu vollstreckende Titel unter § 708 oder unter § 709 fällt. § 712 Abs. 1 stellt nur auf die Interessen des Schuldners ab53; bei extremer SchutZWÜfdigkeit des Schuldners kann das Urteil gemäß § 712 Abs. 1 S. 2 für nicht vollstreckbar erklärt werden. Allerdings stehen alle Einschränkungen des § 712 Abs. 1, anders als dies bei der gläubigerschützenden Regelung der §§ 710, 711 S. 2 der Fall ist, unter dem Vorbehalt des § 712 48 49 50

51 52

53

BT-Drucks. 7/2729, S. 108. Vgl. SteinjJonasjMünzberg, § 710 Rdnr. 1. Vgl. dazu Putzo, NJW 1977, 10. BT-Drucks. 7/2729, S. 108. Vgl. BT-Drucks. 7/2729, S.l08. Vgl. BT-Drucks. 7/2729, S. 108; Steinen, JurBüro 1977, 625; Putzo, NJW 1977, 10; Zöl-

Ier/Schneider/Herget, § 712 Rdnr. 1.

140

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

Abs. 2 S. 1; bei überwiegendem Interesse des Gläubigers kommen Anordnungen nach § 712 Abs. 1 nicht in Betracht. Als Ergebnis der bisherigen Ausführungen zu den §§ 710 ff. ist festzuhalten, daß die §§ 710, 711 S. 2 dem Gläubigerschutz dienen. Nur auf die Interessen des Gläubigers kommt es dabei an; die Interessen des Schuldners bleiben unberücksichtigt. § 712 Abs. 1 dient zwar dem Zweck des Schuldnerschutzes, jedoch stehen Maßnahmen gemäß § 712 Abs. 1 unter dem Vorbehalt des § 712 Abs. 2 S. 1, wonach Schutzanordnungen bei überwiegendem Interesse des Gläubigers nicht erlaubt sind. Insgesamt gestatten die § 710, 711 S. 2, 712 dem Gläubiger zumindest in einem extremen Notfall trotz unter Umständen erheblicher Schutzbedürfnisse des Schuldners die sofortige (vorläufige) Befriedigung>t.

Es stellt sich die Frage nach der inneren Rechtfertigung dieser in der Gesamtschau gläubigerbegünstigenden Regelung. Der Gesetzgeber führt als Rechtfertigung "die angestrebte möglichst erschöpfende Behandlung des Streitstoffes bereits im ersten Rechtszug" und den Umstand, "daß die Bedeutung der ersten Instanz gehoben wird"sS an. Letztlich ist aber auch hier, was schon häufiger erwähnt wurde56, eine gewisse Richtigkeitsgewähr des Hauptsacheurteils von Bedeutung, die darauf zurückzuführen ist, daß die dem materiellen Recht zugrundeliegende Tatsachengrundlage in der Regel vom Gläubiger gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 voll bewiesen werden muß57; dies rechtfertigt die Begünstigung des Gläubigers für den Regelfall. Bisher unbehandelt blieb § 713. Nach § 713 sollen die in den §§ 711, 712 zugelassenen Anordnungen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, nach denen ein Rechtsmittel stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen. Dies bedeutet, die Maßnahmen haben zu unterbleiben, wenn ein Rechtsmittel oder eine Anschließung des Schuldners offensichtlich unzulässig ist58 . Der innere

54

55 56 57

Vgl. SteinjlonasjMünzberg, § 712 Rdnr. 1.

BT-Drucks. 7/2729, S. 44. S. § 6 B., 7 C. 11. 2. b) ce) u. § 8 B. 11. 1. a). S.§SB.

58 Vgl. Stein/JonasjMünzberg, § 713 Rdnr. 4; Baumbach/Lauterbach/AlbersjHartmann, § 713 Anm. 2; Zöller/SchneiderjHerget, § 713 Rdnm. 1 ff.; ThomasjPuJzo, § 713; Zimmermann, § 713 Rdnr. 1; Schneider, DRiZ 1m, 116; Dütz, DB 1980, 1070; Steinen, JurBüro 1m, 624; BGHZ 8,47 (49).

C. Einstweiliger Rechtsschutz

141

Grund für diese Regelung liegt in der geringen Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsbehelfs59 • C. Einstweiliger Rechtsschutz Für den einstweiligen Rechtsschutz fmden sich die gesetzlichen Regelungen zur Sicherheitsleistung und zur Abwendungsbefugnis in den §§ 921 Abs. 2,923, 936, 939. Zunächst sind diese Normen kurz in ihrer Systematik darzustellen, bevor auf die einzelnen Regelungen genauer eingegangen wird. Bei dieser näheren Betrachtung ist ein Wertungsvergleich mit den §§ 708 ff. vorzunehmen; auch soll die Möglichkeit der Übernahme gewisser Grundsätze der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den einstweiligen Rechtsschutz in diesem Zusammenhang behandelt werden, da die §§ 708 ff. im Gegensatz zu den §§ 916 ff. sehr differenzierte Regelungen enthalten60• I. Systematik Gemäß den §§ 921 Abs. 2 S. 2, 936 "kann" das Gericht auch für den Regelfall, daß die Tatsachengrundlage von Verfügungs- bzw. Arrestanspruch und -grund glaubhaft gemacht ist, eine Sicherheitsleistung des Gläubigers fordern; insoweit liegt die Entscheidung im Ermessen des Gerichts61 • Anders verhält es sich, wenn die Glaubhaftmachung von Verfügungs- bzw. Arrestanspruch oder -grund nicht gelingt. Dann kann das Gericht zwar gemäß den §§ 921 Abs. 2 S. 1, 936 einstweiligen Rechtsschutz gewähren, aber der Gläubiger muß Sicherheit leisten; bei Erlaß der einstweiligen Maßnahme hat das Gericht bezüglich der Sicherheitsleistung des Gläubigers kein Ermessen62• Unabhängig von einer Sicherheitsleistung des Gläubigers ist in einer Arrestanordnung gemäß § 923 ein Geldbetrag festzusetzen, durch dessen Hinterlegung die Vollziehung des Arrestes gehemmt und der Schuldner zu dem Antrag auf Aufhebung des vollzogenen Arrestes berechtigt wird, sog. Abwendungsbefugnis. Dagegen ist im Bereich der einstweiligen Verfügun59 60

Vgl. Dütz, OB 1980, 1070. S. schon § 6 B.

61 Vgl. Srein/Jonas/Grunsky, § 921 Rdnr. 9; ZöI1er/Vollkommer, § 921 Rdnr. 5; Rosenberg/Gaul/Schillren; S. 782; Morbach, S. 44. 62 Vgl. Stein/lonas/Grunsky, bers/Hartmann, § 921 Anm. 2 A a.

§ 921

Rdnm.

5

f.;

Baumbach/Lauterbach/AI-

142

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

gen eine Aufhebung der Maßnahmen gemäß § 939 "nur unter besonderen Umständen" gegen Sicherheitsleistung des Schuldners gestattet. 11. Sicherheitsleistung des Gläubigers Für den Regelfall des einstweiligen Rechtsschutzes steht gemäß den §§ 921 Abs. 2 S. 2, 936 die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Gläubigers im Ermessen des Gerichts63• Diese Regelung ist nun genauer zu untersuchen und mit den §§ 708 ff. in Beziehung zu setzen. 1. Allgemeines Zunächst ist allgemein zu klären, ob die Wertungen der §§ 708 ff. auf die Ermessensentscheidung nach den §§ 921 Abs. 2 S. 2, 936 übertragen werden können. Hinsichtlich einer Sicherheitsleistung des Gläubigers bildet im Bereich der vorläufigen Vollstreckbarkeit § 709 S. 1 den Grund- und Auffangtatbestand64• In der Regel sind Urteile im Hauptsacheverfahren nur gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers vorläufig vollstreckbar; Ausnahmen von diesem Grundsatz ergeben sich aus den §§ 708, 71065 • Der einstweilige Rechtsschutz kennt eine solch differenzierte Normierung der Sicherheitsleistung des Gläubigers nicht. Der Geset~eber hat beim einstweiligen Rechtsschutz eine andere Regelungstechnik verwendet; er hat dem Gericht keine so konkreten Vorgaben wie bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit gemacht, sondern die Entscheidung über eine Sicherheitsleistung des Gläubigers in das Ermessen des Gerichts gestellt. Diese unterschiedliche Regelungstechnik ist verfassungsrechtlich unbedenklich, denn aus dem Grundgesetz läßt sich keine bestimmte Technik zum Schutz des materiellen Rechts ableiten66 • Es stellt sich aber nun die Frage nach dem Abwägungsmaterial und den Abwägungskriterien des Gerichts bei der Ermessensausübung, denn Ermessen ist niemals "frei" sondern immer "pflichtgemäß" bzw. "rechtlich gebun-

63 64

65 66

S.§8C.I. S. § 8 B. 11.1. a). S. § 8 B. 11. 1. a) u. 2. S.§8A.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

143

den"67. Dies gilt auch im Privatrecht68• Das Gericht hat unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zielvorstellungen einerseits und der konkreten Umstände andererseits eine dem Einzelfall angemessene Lösung zu finden69. Zur Ermittlung der gesetzlichen Zielvorstellungen sind zunächst die MotRCPO näher zu betrachten. Dort heißt es, "die Befugnis des Gerichts, die Sicherheitsleistung noch neben der Glaubhaftmachung zu fordern, wird dazu dienen, den Gefahren einer übertriebenen Ängstlichkeit vorzubeugen und in bedenklichen Fällen, in denen der Arrest einen unverhältnismäßigen Schaden zu stiften droht, dem Gegner Schutz zu gewähren,,70. Grundsätzlich also soll der Schuldner vor Vermögensschäden durch die einstweiligen Anordnungen gemäß der §§ 916 ff. geschützt werden. Insbesondere erscheint eine Sicherheitsleistung des Gläubigers angebracht, wenn dem Schuldner durch den einstweiligen Rechtsschutz für den Gläubiger erhebliche Schäden drohen oder wenn die Durchsetzung eines möglichen Schadensersatzanspruchs des Schuldners nach § 945 wegen der schlechten Vermögenslage des Gläubigers gefährdet erscheint71. Zur Ermittlung der gesetzlichen Zielvorstellungen ist aber nicht nur der engere Zweck der isoliert betrachteten Vorschrift zu beachten, in der das Ermessen eingeräumt wird, sondern wesentlich sind alle Zwecke, die bestimmten Normen für die anstehende Entscheidung zu entnehmen sind72• Daher ist die Frage zu stellen, inwieweit gesetzgeberische Wertungen, die der differenzierten Regelung der §§ 708 ff. zugrundeliegen, im einstweiligen Rechtsschutz verwertet werden dürfen. Zunächst einmal muß man die Unterschiede zwischen den §§ 708 ff. und den §§ 916 ff. bedenken: Während der einstweilige Rechtsschutz vornehmlich der vorläufigen Sicherung bzw. Regelung dient73, ist die vorläufige Vollstreckbarkeit auf eine vorläufige

67 Vgl. Maurer, S. 104. Im öffentlichen Recht wird dies durch § 40 VwVfG ausdrücklich normiert. 68 Palandt/Heinrichs, § 315 Rdnr. 5; Rieble, NJW 1991, 66 f.; DützjVogg, Anm. zu BAG SAE 1990, 223; s. auch Rotter, Anm. zu BAG EzA § 76 BetrVG 1972 Nr. 48.

69

70 71

Vgl. Maurer, S. 103; Menger, VerwArch 64 (1973), 207; s. auch BGH MDR 1977,489. MotRCPO, Hahn 11/1, S.474.

Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 921 Anm. IUlS/Grunsky, § 921 Rdnr. 7; ZölJerjVollkommer, § 921 Rdnr.3. 72 Vgl. Kopp, VwVfG, § 40 Rdnr. 12; BVerwGE 30,313 (315 ff.). 73 S. § 7 C. 11. 2. c).

2 A b; Stein/lo-

144

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

Befriedigung gerichtet74. Aufgrund unterschiedlicher verfahrensmäßiger Garantien75 und unterschiedlicher Anforderungen an den Nachweis76 der Tatsachengrundlage der Entscheidungen im Rahmen der §§ 916 ff., 708 ff. haben die Maßnahmen der beiden Rechtsinstitute in der Regel auch nicht die gleiche Richtigkeitsgewährn. Der einstweilige Rechtsschutz muß besonders schnell gewährt werden, um wirksam werden zu können 78; dagegen erfolgt der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit in einem Urteil, das aufgrund eines u. U.langwierigen Hauptsacheverfahrens ergeht. Es ergeben sich also gewisse Unterschiede zwischen dem einstweiligen Rechtsschutz und der vorläufigen Vollstreckbarkeit, die es nicht gestatten, ohne weiteres die Wertungen der §§ 708 ff. auf den einstweiligen Rechtsschutz anzuwenden; so kann z. B. das Regel-Ausnahme-Verhältnis hinsichtlich der Sicherheitsleistung des Gläubigers der §§ 7(y), 708 nicht ohne besondere Rechtfertigung auf den einstweiligen Rechtsschutz übertragen werden. Wegen der geschilderten Unterschiede zwischen vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz ist aber auch der Erst-Recht-Schluß unzulässig, daß eine vorläufige Sicherung gemäß den §§ 916 ff. ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers in den Fällen zu erfolgen hat, in denen nach § 708 sogar die vorläufige Befriedigung ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers gestattet wird. Dennoch ist zu berücksichtigen, daß sowohl die vorläufige Vollstreckbarkeit als auch der einstweilige Rechtsschutz die gleichen verfassungsrechtlich vorgegebenen Funktionen79 haben, nämlich die Rechtsschutzfunktion und die Funktion der Zwischenzeitüberbrückung bis zum Erlaß einer formell rechtskräftigen Entscheidung. Auch hat die Sicherheitsleistung des Gläubigers sowohl bei den §§ 708 ff. als auch im Rahmen der §§ 916 ff. hauptsächlich die Aufgabe, den Schuldner vor Schäden zu bewahrenso. Daher erscheint es angebracht, gewisse Wertungen der differenzierten Regelung in den §§ 708 ff. auch im Zusammenhang mit der Ermessensentscheidung nach § 916 Abs. 2 S. 2 in die notwendige Abwägung einzustellen. 74 75 76

n

78 79

SO

S.§7B. S.§6C.I. S.§5.

S. § 6 B. u. § 7 C. 11. 2. b) cc). S. § 3 A. 11. 2. S. ausführlich § 3 C. I. 2. S. auch § 8 B. I. u. § 1 A.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

145

2. Abwägungsmaterial Im weiteren sind nun einige wesentliche Wertungen der §§ 708 ff. auf ihre Verwertbarkeit als Abwägungsmaterial für die Ermessensentscheidung nach § 922 Abs. 2 S. 2 zu überprüfen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist ein Anerkenntnis möglich81 • Bei einem Anerkenntnis des Antragsgegners ist aber auch im einstweiligen Rechtsschutz der Schuldner wegen seines eigenen Verhaltens nicht schutzwürdig. Außerdem kommt einem Arrest bzw. einer einstweiligen Verfügung aufgrund eines Anerkenntnisses eine höhere Richtigkeitsgewähr zu als anderen einstweiligen Maßnahmen, die auf einer Glaubhaftmachung der Tatsachengrundlage basieren. Folglich gelten im einstweiligen Rechtsschutz dieselben Überlegungen, die für die Regelung des § 708 Nr. 1 bestimmend sind82• Damit erscheint eine Sicherheitsleistung des Gläubigers im Falle eines Anerkenntnisses des Antragsgegners gemäß § 921 Abs. 2 S. 2 nicht angebracht. Die Säumnisvorschriften der §§ 330 ff. sind im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unmittelbar anwendbar83; naturgemäß gilt dies nur bei Anordnung einer mündlichen Verhandlung; die §§ 330 ff. sind nicht anwendbar, wenn das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheidet84 • Auch für den einstweiligen Rechtsschutz sind dieselben Erwägungen wie für § 708 Nr. 285 entscheidend: Der Antragsgegner bedarf bei einer Säumnis wegen seines eigenen Verhaltens keines Schutzes, das Säumnisrisiko ist in diesen Fällen schon wegen der Mehrbelastung der Gerichte dem Antragsgegner nachteilig anzurechnen und nach der prozessualen Logik bietet eine einstweilige Maßnahme aufgrund "zugestandener" (§ 331 Abs. 1 S. 1) Tatsachengrundlage eine höhere Richtigkeitsgewähr, als wenn die Tatsachen glaubhaft gemacht werden müßten. Folglich ist auch hier eine Sicherheitsleistung des Gläubigers gemäß § 921 Abs. 2 S. 2 kaum gerechtfertigt. Für die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung bei Miet-, Unterhalts und Rentenansprüchen in § 708 Nrn. 7, 8 war 81

VgJ. Stein/JolUlS/Grunsky, vor § 935 Rdnr. 19; s. schon § 5 C. 11.1. b).

82

S. § 8 B. 11.1. a).

83

VgJ. Stein/JolUlS/Grunsky, § 922 Rdnm. 28 f.

84

SteinjJOIUlS/Grunsky, § 922 Rdnr. 28.

85

10 Vogg

S. ausführlich § 8 B. 11. 1. a).

146

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

das aus sozialen Gründen grundsätzlich überwiegende Interesse des Gläubigers an einer schnellen Durchsetzung dieser Ansprüche bestimmend86 • Diese Schutzwürdigkeit des Antragstellers besteht aber auch in besonderem Maße im einstweiligen Rechtsschutz. Daher haben soziale Gründe, wie sie § 708 Nrn. 7, 8 erfassen, auch großes Gewicht in der Ermessensentscheidung nach §§ 921 Abs. 2 S. 2, 936; eine Sicherheitsleistung des Gläubigers wird in der Regel nicht geboten sein. § 708 Nr. 11 zeigt, daß bei relativ geringfügigen Beträgen der Gesetzgeber den Schuldner losgelöst von den sonstigen Umständen für weniger schutzwürdig hält, als dies bei höheren Beträgen der Fall ist87. Dieser Gesichtspunkt ist ebenfalls in die Entscheidung nach § 921 Abs. 2 S. 2 einzustellen.

Bei den Untersuchungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fiel besonders auf, daß eine höhere Richtigkeitsgewähr bestimmter gerichtlicher Entscheidungen (§§ 708 Nrn. 1,2, 10) nach dem Willen des Gesetzgebers eine vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers rechtfertigen; in diesem Zusammenhang wurde auch auf die weitergehenden Diskussionen zur RCPO hingewiesen88• Es erscheint daher angebracht, in den Fällen, in denen der Antragsteller die Tatsachengrundlage des Verfügungsanspruchs mit höherer als nur überwiegender Wahrscheinlichkeit (= Glaubhaftmachung89) dargelegt hat, diesen Umstand in der Ermessensentscheidung nach § 921 Abs. 2 S. 2 zu berücksichtigen, da der Gesetzgeber einen Zusammenhang von höherer Richtigkeitsgewähr bestimmter gerichtlicher Entscheidungen und der Notwendigkeit einer Sicherheitsleistung des Gläubigers herstellen wollte. Dafür spricht auch § 921 Abs. 2 S. 1, der in den Fällen, in denen dem Antragsteller die Glaubhaftmachung nicht gelingt, dem Richter zwar die Möglichkeit zum Erlaß einer einstweiligen Maßnahme gibt, aber eine Sicherheitsleistung zwingend vorschreibt90 • Bei einstweiligen Verfügungen ergibt sich damit eine dreifache Berücksichtigung der Richtigkeitsgewähr von einstweiligen Maßnahmen im. Zusammenhang mit 86

87 88

89

S. § 8 B. 11. 1. a). S. § 8 B. 11. 1. a). S. ausführlich § 8 B. 11. 1. a). S. §S C. 11.

90 Näher dazu vgI. Stein/lo1U1.S/Grunsky, § 921 Rdnm. 5 f.; Zöller/Vollkommer, § 921 Rdnr. 2; Baumbach/Lauterbach/AlbersjHartmann, § 921 Anm. 2 A a; Gattung, S. 128 f.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

147

richterlichen Abwägungen; denn die Richtigkeitsgewähr ist schon bei den Abwägungen im Rahmen des VerfüguDgsgrundes sowie im Rahmen des § 938 von Bedeutung91 . Es stellt sich jedoch die Frage, welches Gewicht diese höhere Richtigkeitsgewähr im Rahmen der Abwägung nach § 921 Abs. 2 S. 2 im einzelnen hat. Ein Urteil im Hauptsacheverfahren hat wegen der Beweisanforderungen nach § 286 Abs. 1 S. 1 jedenfalls in der Regel eine höhere Richtigkeitsgewähr als eine einstweilige Maßnahme, bei der die tatsächliche Entscheidungsgrundlage nur glaubhaft gemacht wird 92• Dies gilt auch, wenn die Entscheidungsgrundlage einer einstweiligen Maßnahme mit mehr als überwiegender Wahrscheinlichkeit dargetan wurde; denn zum einen ist für den Vollbeweis gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit gefordert93, die im einstweiligen Rechtsschutz selten erreicht werden kann. Zum anderen garantiert auch das Verfahren in der Hauptsache eine höhere Richtigkeitsgewähr als das einstweilige Rechtsschutzverfahren94 . Obgleich also das Hauptsacheverfahren regelmäßig eine höhere Richtigkeitsgewähr bietet als der einstweilige Rechtsschutz, hat der Gesetzgeber in § 709 S. 1 entschieden, daß ein Urteil in der Hauptsache im Normalfall nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. Folglich kann dem Gesichtspunkt, daß die tatsächlichen Voraussetzungen eines Verfügungs- bzw. Arrestanspruchs mehr als nur überwiegend wahrscheinlich sind, keine überragende Bedeutung im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 921 Abs. 2 S. 2 zukommen; legt der Gläubiger die Tatsachenbasis des Verfügungsanspruchs mit größerer als nur überwiegender Wahrscheinlichkeit dar, bedeutet dies nicht ohne weiteres, daß auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers gemäß § 921 Abs. 2 S. 2 verzichtet werden sollte. Umgekehrt können aber auch die Wertungen des § 709 S. 1 nicht gänzlich auf den einstweiligen Rechtsschutz übertragen werden, da § 709 als Maßnahmeninhalt die vorläufige Befriedigung des Gläubigers vorsieht, während die §§ 916 ff. regelmäßig nur sichern sollen. Daher ist festzuhalten, daß der Richtigkeitsgewähr einer einstweiligen Maßnahme zwar keine überragende, aber doch eine gewichtige Bedeutung im Rahmen der Abwägung nach § 921 Abs. 2 S. 2 zukommt. 91 92

93 94

S.§7C.II.3. S.§5u.§6B. S.§4B. S.§6C.I.

148

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

§ 710 enthält für die vorläufige Vollstreckbarkeit den speziellen Gläubigerschutz. Die Anwendung dieser Norm setzt das Vorliegen zweier Gesichtspunkte voraus. Einmal ist ein qualifizierter "Nachteil" des Gläubigers gefordert. Da diese Voraussetzung inhaltlich in etwa den Anforderungen der Verfügungs- bzw. Arrestgrüode entspricht95, wird ein qualifizierter "Nachteil" i.S. des § 710 regelmäßig schon mit der Bejahung des Verfügungsbzw. Arrrestgrundes gegeben sein. Im Rahmen der Abwägung nach § 921 Abs. 2 S. 2 ist daher nur noch die andere Voraussetzung des § 710 von Belang, nämlich die Frage, ob der Gläubiger eine Sicherheit nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten leisten kann; dieser Gesichtspunkt ist in die Abwägung miteinzubeziehen.

3. Zwischenergebnis Insgesamt ist festzuhalten, daß trotz unterschiedlicher Regelungstechniken im Vergleich von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz bestimmte gesetzgeberische Wertungen in den §§ 708 ff. im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 921 Abs. 2 S. 2 beachtlich sind. Manche Fälle des § 708 erfassen allerdings Sachverhalte, die im einstweiligen Rechtsschutz nicht relevant sind; die Wertungen dieser Regelungen in § 708 haben daher im Rahmen der Abwägung nach § 921 Abs. 2 S. 2 keine Bedeutung. Dies gilt für die Nrn. 3, 5 u. 6 des § 708. III. Abwendungsbefugnis des Schuldners Die Abwendungsbefugnis des Schuldners gegen einstweilige Maßnahmen ist vom Gesetzgeber in § 923 für den Arrest und in § 939 für die einstweilige Verfügung unterschiedlich geregelt worden. Zunächst ist § 923 zu untersuchen, bevor dann auf § 939 eingegangen wird. 1. Arrest Durch § 923 "ist" die Aufnahme der Abwendungsbefugnis in den Arrestbefehl zwingend vorgeschrieben. Sachlich handelt es sich hier um eine prozessuale Sicherheitsleistung genau derselben Art wie die des Schuldners, dem nach § 712 ermöglicht wird, die Zwangsvollstreckung abzuwenden96. 95

s. insbes. den Wortlaut von § 940.

96

SteinIJonas/Grunsky, § 923 Rdnr. 3.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

149

Trotzdem sind die Regelungen in § 712 und in § 923 sehr verschieden. Während § 923 für jeden Arrestbefehl zwingend die Einräumung einer Abwendungsbefugnis gegen Sicherheitsleistung des Schuldners vorsieht, ist § 712 viel differenzierter aufgebaut; so steht z. B. jeder Schuldnerschutz nach § 712 unter dem Vorbehalt des Entgegenstehens eines überwiegenden Gläubigerinteresses (§ 712 Abs. 2 S. 1) bzw. bedarf der Drohung eines "nicht zu ersetzenden Nachteils" für den Schuldner durch die Vollziehung der gerichtlichen Entscheidung (§ 712 Abs. 1 S. 1). Auch sind die möglichen Maßnahmen des Schuldnerschutzes in § 712 vielfältiger als in § 923; möglich sind je nach Lage des Falles die Abwendung der (vorläufigen) Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung des Schuldners (§ 712 Abs. 1 S. 1), sichernde Maßnahmen ohne Sicherheitsleistung des Schuldners (§ 712 Abs. 1 S. 2 Alt. 2) und Abwendung der (vorläufigen) Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung des Schuldners (§ 712 Abs. 1 S. 2 Alt. 1). Es stellt sich die Frage, ob diese Unterschiede im Vergleich von § 712 und § 923 sachgerecht sind. Zu bedenken ist, daß der Arrest nur sichernde, aber keine befriedigenden Maßnahmen kennt97, während die (vorläufige) Befriedigung des Gläubigers gerade ein Merkmal der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist98• Die (vorläufige) Befriedigung aber bringt dem Gläubiger mehr Vorteile als die bloße Sicherung, dem stehen jedoch möglicherweise größere Vermögensnachteile des Schuldners gegenüber. Aus diesem Grunde ist es sachgerecht, wenn in § 712 feiner differenziert wird als in § 923, um diese größeren Interessengegensätze bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit in Einklang ZU bringen. 2. Einstweilige Verfügung § 939, der sich geschichtlich auf § 735 S. 2 des Norddeutschen Entwur-

fes99 zurückführen läßt 1OO, schreibt vor, daß "nur unter -besonderen Umständen" die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung vom Gericht gestattet werden kann.

97 98

S.§7C.1.

99

S. dazu § 2 A. 11. 2.

100

S.§7B. Vgl. Kußmaul, S. 225.

150

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

a) Zielvorstellungen des Gesetzgebers Diese von § 923 abweichende Regelung basiert auf dem Gedanken, daß die Sicherung einer Individualleistung durch eine Sicherheitsleistung in Geld nicht ersetzt bzw. garantiert werden kann 101 • Der Gläubiger hätte zwar, wenn die Leistung unmöglich würde und er Schadensersatz verlangen könnte, für diese Forderung Sicherheit102• § 939 geht jedoch davon aus, daß die Sicherstellung einer eventuellen Schadensersatzforderung nicht der Aufgabe der einstweiligen Verfügung entspricht, sondern daß eine einstweilige Verfügung die Sicherstellung der geschuldeten Leistung bezweckt 103. Nur wenn die anzuordnende Sicherheitsleistung voll gewährleistet, daß dieser Zweck der einstweiligen Verfügung erreicht wird, können "besondere Umstände" i.S.d. § 939 vorliegen lO4 • § 939 liegt daher der Gedanke zugrunde, daß dem Gläubiger nur mit der Erhaltung des Anspruchs als solchem, nicht aber mit dem Gegenwert in Geld gedient ist. b) Wertungswidersprüche Der Ansatz, den Anspruch als solchen zu bewahren, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht zu begrüßen; denn der vorläufige zivilprozessuale Gerichtsschutz dient wie auch der Hauptsacherechtsschutz primär dem Schutz des subjektiven Rechts als solchem 105. Jedoch erfordert das Grundgesetz auch die Berücksichtigung der Rechte des Schuldners; die Rechtspositionen beider Parteien sind in einem ausgewogenen Maß auszugleichcn lO6• Daher fragt es sich, ob die § 939 zugrundeliegenden, gerade geschilderten gesetzgeberischen Vorstellungen heute noch sachgerecht sind. Zunächst sollen die Regelungen der §§ 708 ff., die auch für Individualansprüche gelten, daraufhin untersucht werden, ob sich dort vergleichbare oder entgegenstehende gesetzgeberische Wertungen finden.

101 vgl. SteinjJonas/Grunsky, § 939 Rdnr. 1; Baumbach/LauterbachjAlbers/Hartmann, § 939 Anm. 1 A; ZöllerjVollkommer, § 939 Rdnr. 1; s. auch Finkelnburg/Jank, Rdnrn. 229, 370.

102 ZöUerjVollkommer, § 939 Rdnr. 1. 103

Vgl. ZöllerjVollkommer, § 939 Rdnr. 1; Heime, S. 53; Schellhammer, Rdnr. 1618.

104 VgJ. ZöllerjVollkommer, § 939 Rdnr. I; SteinjJonas/Grunsky, § 939 Rdnr. I; BaumbachjLauterbach/Albers/Hartmann, § 939 Anm. 1 C; Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S. 697; Thomas/Putzo, § 939 Anm. I; OLG Köln, NJW 1975,454. 105 S. § 3 C. I. 2. a). 106

S. § 3 C. III. 1.

C. Einstweiliger Rechtsschutz

151

Die Einräumung einer Abwendungsbefugnis für den Schuldner setzt bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit voraus, daß dem Schuldner ein "nicht zu ersetzender Nachteil" durch die Vollziehung der vorläufigen Maßnahme droht (§ 712 Abs. 1 S. 1) und daß die Interessen des Gläubigers an der Vollziehung der Maßnahme nicht überwiegen (§ 712 Abs. 2 S. 1). Anders also als nach § 939 ist nicht in jedem Fall der Anspruch als solcher zu sichern bzw. zu befriedigen, sondern unter den Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 begnügt man sich im Rahmen der §§ 708 ff. mit der Sicherung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs. Selbst auf diese Sicherung des Gläubigers kann noch gemäß § 712 Abs. 1 S. 2 Alt. 1, Abs. 2 S. 1 verzichtet werden, wenn der Schuldner die Sicherheitsleistung nicht aufzubringen vermag. Zu berücksichtigen ist, daß eine vorläufige Maßnahme im Bereich der vorläufigen Vollstreckbarkeit in der Regel eine höhere Richtigkeitsgewähr besitzt als eine Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes l07• Daher ist es nicht sachgerecht, in einer einstweiligen Verfügung zwar einen Anspruch als solchen durch die §§ 935, 940, 939 zu garantieren, denselben Anspruch des Gläubigers jedoch, nachdem dieser ein obsiegendes Endurteils i.S.d. §§ 708 ff. erlangt hat, unter Umständen gemäß § 712 nicht mehr als solchen zu sichern, sondern die garantierte Durchsetzung eines eventuellen Schadensersatzanspruchs genügen zu lassen, indem das Gericht eine Abwendung der Vollziehung der einstweiligen Maßnahme durch Sicherheitsleistung des Schuldners gestattet. c) Folgerungen Es stellt sich jetzt die Frage, welche Folgerungen aus diesem Wertungswiderspruch zu ziehen sind. Die Auslegung der Begriffe "nur unter besonderen Umständen" läßt nicht nur die vom Gesetzgeber eindeutig gewollte Interpretation zu, daß durch die Regelung des § 939 immer der Anspruch als solcher garantiert werden soll; vom Wortlaut her kann das Vorliegen besonderer Umstände jedenfalls auch dann angenommen werden, wenn entsprechend § 712 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 die Vollziehung der vorläufigen Maßnahme dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt und das Interesse des Gläubigers an der Vollziehung nicht überwiegt.

107

S. nur§ 6 B.

152

§ 8 Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis

Darüberhinaus ist wiederum108 die verfassungsrechtliche Ausstrah1ungswirkung zu beachten; die Wertordnung des Grundgesetzes wirkt über auslegungsfähige Begriffe auch auf das Gebiet des Privatrechts ein. An anderer Stelle wurde schon ausgeführt109, daß sowohl dem grundrechtsunmittelbaren Gebot ausgewogenen Rechtsschutzes als auch dem Gebot prozessualer Waffengleichheit zu entnehmen ist, daß der Gesetzgeber bei der Normierung des vorläufigen Gerichtsschutzes keine Schutztecbnik für das materielle Recht des Gläubigers wählen darf, die gegensätzliche Rechtspositionen des Schuldners schematisch beeinträchtigt. Gerade dies ist aber der Fall, wenn man § 939 entsprechend dem gesetzgeberischen Verständnis auslegt; denn selbst wenn dem Schuldner ein nicht zu ersetzender Nachteil durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung droht, kann er diese Vollstreckung nicht durch eine eigene Sicherheitsleistung, die den eventuellen Schadensersatzanspruch des Gläubigers sichert, abwenden. Daher gebietet das grundrechtsunmittelbare Gebot ausgewogenen Rechtsschutzes und das Gebot prozessualer Waffengleicbbeit, daß besondere Umstände i.S.d. § 939 zumindest auch vorliegen, wenn die Vollziehung der vorläufigen Maßnahme dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt und die Interessen des Gläubigers an der Vollziehung nicht überwiegen. Außerdem besagt eine Teilaussage des Verhältnismäßigkeitsprinzips, daß der durch einen Eingriff angerichtete Schaden nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Nutzen stehen darf11o• Dies stützt die hier vertretene schuldnerbegünstigende Auslegung des § 939 ebenfalls; denn diese Auslegung gleicht die Interessen der Parteien mehr aus, als es nach den gesetzgeberischen Vorstellungen der Fall ist. Darüberhinaus ist in bestimmten Fallkonstellationen das hier vertretene Verständnis der besonderen Umstände in § 939 auch für den Gläubiger vorteilhaft. Es wurde schon an anderer Stelle herausgearbeitet111, daß bei (vorläufig) befriedigenden Verfügungen nur solche Interessen, die nicht durch Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis nach den §§ 921 Abs. 2 S. 2, 936, 939 aufgefangen werden können, bei einer Interessenabwägung auf der Ebene des Verfügungsgrundes entscheidendes Gewicht erlangen kön108 109

110

S. schon § 6 C. 111.2. b) u. § 7 C. 11. 2. b) dd). S. ausführlich § 6 C. III. 2. b).

S. § 6 C. 111. 2. b).

111 S. § 6 C. 111. 3.

D. Ergebnis

153

nen. Berücksichtigt man also in § 939 nicht zu ersetzende Nachteile des Schuldners durch eine etwaige Vollziehung der einstweiligen Maßnahme, dann entfällt bei der Abwägung auf der Ebene des Verfügungsgrundes ein entscheidender Belang des Schuldners; dadurch wird die Interessenabwägung auf der Ebene des Verfügungsgrundes häufiger zugunsten des Gläubigers ausfallen; dies aber ermöglicht erst eine einstweilige Verfügung. d) Zwischenergebnis Insgesamt ist festzuhalten, daß entgegen dem gesetzgeberischen Willen aufgrund von verfassungsrechtlichen Ausstrahlungswirkungen das Vorliegen der "besonderen Umstände" i.S.d. § 939 entsprechend dem § 712 dann anzunehmen ist, wenn die Vollziehung der vorläufigen Maßnahme dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt und das Interesse des Gläubigers an der Vollziehung nicht überwiegt. D. Ergebnis

Die gesetzliche Regelungstechnik hinsichtlich Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis ist im Vergleich von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz verschieden; während die §§ 708 ff. sehr differenzierte Regelungen enthalten, sind im einstweiligen Rechtsschutz nur die §§ 921 Abs. 2, 923, 936, 939 einschlägig. Es hat sich aber gezeigt, daß bestimmte Wertungen des Gesetzgebers in den §§ 708 ff. in die Ermessenserwägungen gemäß § 921 Abs. 2 S. 2 einzustellen sind. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Ausstrahlungswirkung ist ferner § 939 entsprechend den Wertungen des § 712 auszulegen.

§ 9 Verhältnis der vorläufigen Vollstreckbarkeit

zum einstweiligen Rechtsschutz

Bisher wurden vor allem die Voraussetzungen des Maßnahmenerlasses von einstweiligem Rechtsschutz und vorläufiger Vollstreckbarkeit! sowie die Maßnahmen selbst2 einschließlich Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis 3 behandelt. Nun sind die beiden Normenkomplexe der §§ 708 ff. und §§ 916 ff. allgemein zueinander in Beziehung zu setzen. Dabei interessiert insbesondere die Frage, ob Maßnahmen beider Rechtsinstitute nebeneinander möglich sind oder sich gegenseitig ausschließen. Bevor auf die einfachrechtlichen Regelungen eingegangen wird, sind wiederum die verfassungsrechtlichen Anforderungen darzustellen. A. Verfassungsrechtliche Anforderungen

An anderer Stelle wurde schon ausgeführt4, daß der einstweilige Rechtsschutz und die vorläufige Vollstreckbarkeit dieselben verfassungsrechtlichen Grundlagen haben. Aus der rechtsstaatlichen Gerichtsschutzgarantie ist das Wirksamkeitsgebot für den Gerichtsschutz auch in zeitlicher Hinsicht abzuleiten; wo wirksamer Gerichtsschutz in einem Hauptsacheverfahren nicht in angemessener Zeit erlangt werden kann, muß daher vorläufiger Gerichtsschutz möglich sein. Einfach-rechtliche Ausprägungen der verfassungsrechtlichen Garantie vorläufigen Gerichtsschutzes sind der einstweilige Rechtsschutz und die vorläufige Vollstreckbarkeit. Auch bei der Ausgestaltung dieser beider Rechtsinstitute sind aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich dieselben Vorgaben zu beachten; insbesondere sind die vorläufige Vollstreckbarkeit und der einstweilige Rechtsschutz den gleichen Funktionen verpflichtet, nämlich der Rechtsschutz- und der ZwischenzeitüberbrükkungsfunktionS; zudem muß das grundrechtsunmittelbare Gebot ausgewo-

2 3 4

S

s. §§4 bis 6. S. §7. S. §8. S. § 3A. 11. 2. S.§3C.I.2.

A. Verfassungsrechtliche AnfordeNngcn

155

genen Gerichtsschutzes vom einfach-rechtlichen Gesetzgeber umgesetzt werden6• Für das Verständnis des gesamten vorläufigen Gerichtsschutzes ist das in der Zwischenzeitüberbrückungsfunktion zum Ausdruck kommende Zeitmoment von entscheidender Bedeutung7• Bis das Gericht eine der endgültigen Vollstreckung fähige, rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache fällt, besteht eine Phase der Ungewißheit über die materielle Rechtslage8• Diese Ungewißheit ist auf die Uneinigkeit der Parteien einerseits und auf den Zeitbedarf der Gerichte für die endgültige Klärung der materiellen Rechtslage andererseits zurückzuführen. Zur Überbrückung dieser Zeitspanne hat der Gesetzgeber den einstweiligen Rechtsschutz und die vorläufige Vollstreckbarkeit zur Verfügung gestellt; beide Rechtsinstitute dienen dazu, unter Berücksichtigung der Interessenlage der Parteien eine ausgewogene9 Zwischenzeitrege1ung10 zu treffen. Der entscheidende einfach-rechtliche Differenzierungsgesichtspunkt in zeitlicher Hinsicht zwischen den §§ 708 ff. und den §§ 916 ff. ist ein Urteil in der Hauptsache; der innere Grund für die Maßgeblichkeit des Hauptsacheurteils ist in der regelmäßig höheren Richtigkeitsgewähr eines Hauptsacheurteils gegenüber der gerichtlichen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz zu sehen11. Betrachtet man den gesamten vorläufigen Gerichtsschutz unter Betonung des Zeitmoments, dann ist festzuhalten, daß der einstweilige Rechtsschutz und die vorläufige Vollstreckbarkeit bei grundsätzlich gleichen verfassungsrechtlichen Anforderungen dieselben verfassungsrechtlichen Funktionen lediglich phasenverschoben erfüllen müssen; die maßgebende zeitliche Zäsur ist ein Urteil im Hauptsacheverfahren. Deswegen sind Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Zeit bis zum Urteil im Hauptsacheverfahren zu begrenzenl2 .

6 7 8 9 10 11

12

S. § 3 C. 111. Vgl. auch Schoch, S. 1310; Goerlich, JZ 1983, 57. S. schon § 1 A.

S. § 3 C.III. S. §3C. I. 2. b). S. ausführlich § 6 B. u. § 7 C. 11. 2. b) cc).

So ist z. B. eine einstweilige Verfügung, welcher der WeiterbeschäftigungsanspNch eines Arbeitnehmers zUgNndeliegt, zeitlich in der Regel bis zur Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens erster Instanz zu begrenzen; vgl. Dütz, NZA 1986, 213.

156

I 9 Verhältnis

Daher erscheinen aus verfassungsrechtlicher Sicht rechtspolitisch zwei Gesichtspunkte wünschenswert. Einmal sollten die Anwendungsbereiche von einstweiligem Rechtsschutz und vorläufiger Vollstreckbarkeit im Hinblick auf Überschneidungen in zeitlicher Hinsicht genau definiert werden; will man an der Regelung des vorläufigen Gerichtsschutzes in zwei verschiedenen Rechtsinstituten festhalten, erscheint die Vermeidung eines Nebeneinanders von einstweiligem Rechtsschutz und vorläufiger Vollstreckbarkeit am sinnvollsten, weil dadurch sich widersprechende Maßnahmen vermieden werden können. Zum anderen ist bei jeder zukünftigen Gesetzesänderung bzw. -reform stärker als bisher zu berücksichtigen, daß der einstweilige Rechtsschutz und die vorläufige Vollstreckbarkeit einfachrechtliche Ausformungen der einheitlichen, verfassungsrechtlich verankerten Garantien des vorläufigen, zivilprozessualen Gerichtsschutzes sind; daraus leitet sich auch die Forderung ab, Wertungswidersprüche im Vergleich von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz zu vermeiden. Diese beiden rechtspolitischen Forderungen könnte man auch dadurch erfüllen, daß die bisher getrennt normierten Rechtsinstitute des einstweiligen Rechtsschutzes und der vorläufigen Vollstreckbarkeit zu einem einheitlichen Normenkomplex zusammengefaßt werden, wobei das Hauptsacheurteil aufgrund der höheren Richtigkeitsgewähr gegenüber einer Maßnahme im einstweiligen Rechtsschutz nach wie vor große Bedeutung als Strukturmerkmal behalten muß. Festzuhalten ist aber auch, daß für den Gesetzgeber keine Bindung an diese rechtspolitisch wünschenswerten Gesichtspunkte besteht. Das Grundgesetz verpffichtet den Gesetzgeber nicht in einer so weitgehenden Art und Weise; so ist es z. B. verfassungsrechtlich zulässig, daß einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Vollstreckbarkeit nebeneinander gelten. Lediglich bestimmten verfassungsrechtlichen Grundlagengarantien, wie z. B. dem Gebot wirksamen vorläufigen Gerichtsschutzes, sind zwingende Vorgaben für den Gesetzgeber zu entnehmen13• B. Einfach-gesetzliche Regelung Ausdrückliche Kollisionsnormen hinsichtlich des Verhältnisses der vorläufigen Vollstreckbarkeit zum einstweiligen Rechtsschutz fmdet man im Gesetz nicht. Daher beurteilt sich die Beziehung der beiden Rechtsinstitute 13

S. § 3, §4A., §5 A., §6A., 17 A. u. ISA.

B. Einfach-gesetzliche Regelung

157

zueinander nach allgemeinen Kriterien. Soweit bei bestimmten Ansprüchen bzw. Rechten trotz Vorliegens eines Hauptsacheurteils, an das die vorläuftge Vollstreckbarkeit gemäß den §§ 708 ff. ansonsten anknüpft, eine vorläufige Vollstreckbarkeit ausnahmsweise nicht vorgesehen ist (z. B. beim Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung außer halb des Anwendungsbereichs des § 895), kommt einstweiliger Rechtsschutz trotz des Hauptsacheurteils in Betrachtl4 . Im übrigen ist heute allgemein anerkannt, daß ein Arrest- bzw. Verfügungsgrund nicht gegeben und die Anordnung eines Arrestes bzw. einer einstweiligen Verfügung ausgeschlossen ist, wenn der Gläubiger bereits hinreichend gesichert ist; dies wird teilweise aus § 777, teilweise aus dem mangelnden Rechtsschutzinteresse abgeleitet l5 . Daraus folgt, daß der Gläubiger, falls er über einen ohne eigene Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Titel verfügt, keinen dinglichen Arrest gemäß § 917 bzw. keine einstweilige Verfügung nach den §§ 935, 940 erwirken kann l6 ; anderes gilt für den persönlichen Arrest gemäß § 918, da der Gläubiger einer Geldforderung mit Hilfe eines Urteils im Hauptsacheverfahren nicht die Verhaftung des Schuldners durchsetzen kann 17• Umstritten ist die nun zu behandelnde Frage, ob der Erlaß eines Arrestes bzw. einer einstweiligen Verfügung auch dann vom Gericht abzulehnen ist, wenn der vorläufig vollstreckbare Titel, über den der Antragsteller verfügt, nur gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers vollstreckbar ist und der Gläubiger diese Sicherheitsleistung nicht aufbringen kannl8 • In diesen Fällen war nach h. M. vor Einführung des § 720a der Erlaß eines Arrestes möglich l9• Diese Meinung basierte auf der Annahme, daß zwar nach § 710 ausnahmsweise eine Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers möglich 14

Vgl. Baur, S. 79.

15 Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, S. 778; BroxjWalker, Rdnm. 1501 f.; Baur, S. 78 ff.; SteinjJonas/Grunsky, § 917 Rdnr. 24; ZöllerjVollkommer, § 917 Rdnm. 10 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hanmann, § 917 Anm. 1 C; Thomas/Putzo, § 916 Anm. 1; Zimmermann, § 917 Rdnr. 4; Morbach, S. 30 ff.; Liesecke, MDR 1967, 625; Finkelnburg/Jank, Rdnm. 120 ff.; BGH NJW 1972, 1044; OLG Hamburg, MDR 1967, 50 u. 6n; LG Augsburg, NJW 1975,2350. Zu der Frage, ob der Arrest- bzw. Verfügungsgrund im Rahmen der Zulässigkeit oder der Begründetheit zu prüfen ist, s. schon § 6 C. (Fn. 30). 16 Vgl. BroxjWalker, Rdnr. 1502; Baur, S. 78; SteinjJonas/Grunsky, § 917 Rdnr. 24; ZöllerjVollkommer, § 917 Rdnr. 12. 17

Vgl. Baur, S. 78; BroxjWalker, Rdnr. 1502; SteinjJonas/Grunsky, § 917 Rdnr. 24.

18 Vgl. Baur, S. 78; Rosenberg/Gaul/Schilken, S. 778; Morbach, S. 30 ff.; SteinjJonas/Grunsky, § 917 Rdnr. 24; BroxjWalker, Rdnr. 1502. 19

Vgl. Stein/Jonas/Grunsky, § 917 Rdnr. 24 m.w.N.

158

§ 9 Verhältnis

ist, jedoch dessen Voraussetzungen schwer zu erfüllen sind, während eine Sicherheitsleistung des Gläubigers aufgrund der gerichtlichen Ermessensentscheidung nach § 921 Abs. 2 S. 2 leichter abzuwenden ist20• Dieser Prämisse kann in ihrer Allgemeinheit nicht gefolgt werden, denn wie an anderer Stelle schon ausgeführt wurde21 , sind einige Wertungen der §§ 708 ff. im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 921 Abs. 2 S. 2 beachtlich, was zu einer Parallelität des Erfordernisses einer Sicherheitsleistung des Gläubigers im einstweiligen Rechtsschutz und in der vorläufigen Vollstreckbarkeit führen kann. Dennoch ist nicht zu verkennen, daß in bestimmten Fällen des einstweiligen Rechtsschutzes eine Sicherheitsleistung des Gläubigers entbehrlich ist, während bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit, obwohl es sich um denselben Anspruch handelt, eine solche verlangt werden muß; dies ist darauf zurückzuführen, daß der einstweilige Rechtsschutz in der Regel nur sichernde bzw. regelnde und keine (vorläufig) befriedigende Maßnahmen wie die vorläufige Vollstreckbarkeit kennt und daher die Interessenlage der Parteien nicht in jedem Fall vergleichbar ist. In solchen Fällen war vor der Einführung des § 720a ein Nebeneinander von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz anzuerkennen, wenngleich dies rechtspolitisch nicht wünschenswert erschien22• Heute besteht nur noch die Möglichkeit eines Nebeneinanders von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiliger Verfügung, da § 720a, der durch die Vereinfachungsnovelle von 1976 eingeführt wurde23, für Geldforderungen, die im einstweiligen Rechtsschutz vom Arrest erfaßt werden, die sog. Sicherungsvollstreckung eingeführt wurde; mit der Sicherungsvollstreckung kann der Gläubiger Sicherungsmaßnahmen, die dem Arrest ähnlich sind, auch ohne eigene Sicherheitsleistung durchführen24 . Bei Geldforderungen besteht also neben der vorläufigen Vollstreckbarkeit für den Arrest kein Bedürfnis mehr. Die Einführung des § 720a ist daher rechtspolitisch zu begrüßen, weil dadurch ein Nebeneinander von Arrest und vorläufiger Vollstreckbarkeit vermieden wird.

20 vgI. Stein/lonas/Grunsky, § 917 Rdnr. 24; Morbach, S. 31; Zölier/Volllwmmer, § 917 Rdnr. 13; s. auch die Nachw. bei Baur, S. 78.

21 S. § 8 C.II. 22 S.§9A. 23

BGBI. 1976 Teil I, S. 3381.

24

VgI. Morbach, S. 31; Stein/lonas/Grunsky, § 917 Rdnr. 24.

C. Ergebnis

159

c. Ergebnis Einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Vollstreckbarkeit sind einfachrechtliche Ausprägungen des verfassungsrec!ttlich garantierten vorläufigen Gerichtsschutzes. Bis zum Erlaß eines Hauptsacheurteils greift nur der einstweilige Rechtsschutz, danach gelten grundsätzlich nur noch die Normen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit. Ausnahmsweise kann es ein Nebeneinander von einstweiliger Verfügung und vorläufiger Vollstreckbarkeit geben.

§ 10 Arbeitsgerichtsbarkeit Bisher wurden überwiegend die §§ 708 ff., 916 ff. behandelt; nun soll die Rechtslage nach dem Arbeitsgerichtsgesetz näher untersucht werden. Nach § 62 Abs. 2 ArbGG finden die §§ 916 ff. auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren Anwendung. Bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit enthält § 62 Abs. 1 ArbGG für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren Regelungen, die von denen der §§ 708 ff. abweichen. Im weiteren sind die Besonderheiten des § 62 Abs. 1 ArbGG auf ihre Sachgerechtigkeit zu untersuchen. Gemäß § 85 ArbGG sind im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren weitgehend dieselben Regelungen hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit (bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten) und des einstweiligen Rechtsschutzes anwendbar wie im arbeitsgerichtlichen UrteilsverfahrenI. Daher wird auf das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren nicht gesondert eingegangen. A. Besonderheiten bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit

Bevor die Sachgerechtigkeit des § 62 Abs. 1 ArbGG näher behandelt werden kann, müssen zunächst die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Regelungen in § 62 Abs. 1 ArbGG und in den §§ 708 ff. herausgestellt werden. I. Grundsätzliche Unterschiede Die Unterschiede zwischen § 62 Abs. 1 ArbGG und den §§ 708 ff. sind erheblich2. Neben dem hier nicht weiter interessierenden Umstand, daß ein arbeitsgerichtliches Urteil auch ohne ausdrücklichen Ausspruch von Gesetzes wegen vorläufig vollstreckbar ist3, muß vor allem angeführt werden, daß es im arbeitsgerichtlichen Urteil keine vorläufige Vollstreckbarkeit gegen 1 Vgl. Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, § 85 Rdnr. 1; DÜlZ, Arbeitsrecht, Rdnrn. 968, 970; ders., DB 1980, 1069.

2

Vgl. Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, § 62 Rdnr. 1; Germelmann/Mattlu!sjPrütting, § 62 Rdnr.3. 3 S. hierzu Brill, BB 1965, 753; FlatowfJoachim, Einführung, S. 74.

A. Besonderheiten bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit

161

Sicherheitsleistung gibt; daher sind die §§ 708 ff. grundsätzlich im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren nicht entsprechend anwendbar4 • Dafür spricht im Umkehrschluß auch § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG, in dem ausdrücklich nur auf die §§ 707, 719 Bezug genommen wird. Da der Gesetzgeber durch das Grundgesetz bei der Ausgestaltung des verfassungsrechtlich garantierten vorläufigen Gerichtsschutzes nicht an bestimmte Instrumentarien gebunden wird5, ist der gesetzgeberische Verzicht auf Sicherheitsleistung der Parteien in irgendeiner Form verfassungsrechtlich zulässig. Die gesetzgeberische Entscheidung, in der Arbeitsgerichtsbarkeit auf das Instrument der Sicherheitsleistung zu verzichten, ist zu akzeptieren. Daher darf eine vorläufige Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung auch nicht als ein Minus im Vergleich zum völligen Ausschluß der Vollstreckbarkeit zugelassen werden; ebenso scheidet eine Abwendung der vorläufigen Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung aus6• Insgesamt ist festzuhalten, daß die Regelungen in § 62 Abs. 1 ArbGG hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aufgrund des Verzichts auf Sicherheitsleistung der Parteien nicht so differenzieren wie die in den §§ 708 ff. Grundsätzlich sind arbeitsgerichtliehe Urteile gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorläufig vollstreckbar; nur wenn der Beklagte glaubhaft macht, daß die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, hat das Arbeitsgericht gemäß § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG die vorläufige Vollstreckung im Urteil auszuschließen. 11. Sachgerechtigkeit Es stellt sich nun die Frage, ob die Regelung des § 62 Abs. 1 ArbGG sachgerecht ist. Insbesondere ist zu untersuchen, ob § 62 Abs. 1 ArbGG dem verfassungsrechtlichen Gebot ausgewogenen Gerichtsschutzes7 genügt. Zunächst ist zu behandeln, welche Wertungen den Gesetzgeber dazu vcr4 Vgl. Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, § 62 Rdnr. 1; Germelmann/MatlhesjPrülling, § 62 Rdnr. 3; SteinjJonas/Münzberg, § 708 Rdnr. 33. 5 S. § 3 C. 11., 111. 6 Vgl. Dütz, NU 1986, 213; ders., DB 1980, 1069; Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, § 62 Rdnr. 2; GermelmannjMallhesjPrülling, § 62 Rdnr. 24; SteinjJonas/Münzberg, § 708 Rdnr. 33; BAG AP § 719 ZPO Nr. 1; lAG Frankfurt BB 1986, 948; lAG Hamm DB 1972, 2492; a. A. lAG Rheinland-Pfalz EzA § 62 ArbGG 1979 Nr. 4, das allerdings die grundsätzliChe Entscheidung des Gesetzgebers, auf jede Fonn einer Sicherheitsleistung in der Arbeitsgerichtsbarkeit zu verzichten, verkennt. 7 S. dazu § 3 C. 111. 11 Vogg

162

§ 10 Arbeitsgerichtsbarkeit

anlaßt haben, für den arbeitsgerichtlichen Bereich in § 62 Abs. 1 ArbGG eine von den §§ 708 ff. abweichende Normierung der vorläufigen Vollstreckbarkeit vorzunehmen. Dann ist zur Sachgerechtigkeit des § 62 Abs. 1 ArbGG Stellung zu nehmen. 1. Wertungen Der Verzicht auf das Sicherheitsleistungserfordernis in § 62 Abs. 1 ArbGG ist auf den Wunsch des Gesetzgebers zurückzuführen, auch einer Parte~ die zur Sicherheitsleistung außerstande ist, also insbesondere dem wirtschaftlich schwächeren Arbeitnehmer, die Vollstreckung bzw. umgekehrt ihren Ausschluß zu ermöglichen8• § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG soll verhindern, daß ein Rechtsmittel, das die endgültige Entscheidung des Rechtsstreits verzögert, in Verschleppungsabsicht zur vorläufigen Abwendung der Zwangsvollstreckung eingelegt wird9• Vor allem die Arbeitnehmer, die regelmäßig auf die schnelle Durchsetzung zumindest ihrer Geldforderungen angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien bestreiten zu können, sollen vor einer zu langen Verzögerung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens durch Rechtsmitteleinlegung geschützt werden10• Daher ist die vorläufige Vollstreckbarkeit gemäß § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG nur dann auszuschließen, wenn dem Beklagten ein nicht zu ersetzender Nachteil droht.

2. Stellungnahme Der gesetzgeberische Verzicht auf ein Sicherheitsleistungserfordernis bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist zu akzeptieren 11 • Jedoch wurde schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, daß Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis dazu beitragen können, den Parteien in der verfassungsrechtlich geforderten Art und Weise ausgewogenen vorläufigen Gerichtsschutz zu gewähren12• An diese Feststellung 8

Vgl. Dütz, OB 1980, 1069; Flatow/Joachim, Arbeitsgerichtsgesetz, § 62 Anm. 6; LAG Hamm OB 1972, 2492. 9 Vgl. RT-Orucks. 2065, S. 42; Dütz, OB 1980, 1070; Fkuow/Joachim, Arbeitsgerichtsgesetz, § 62 Anm. 7. 10 11 12

Vgl. Fkuow/Joachim, Einführung, S. 74 f.; BriIl, BB 1965, 753; Dütz, OB 1980, 1070. S. § 10A. I.

S. §8A.

A. Besonderheiten bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit

163

schließt sich die Frage an, ob § 62 Abs. 1 ArbGG in der vorliegenden Form den Anforderungen des grundgesetzlich garantierten ausgewogenen Rechtsschutzes genügt. Dafür muß eine beiderseitig ausgewogene Parteiinteressenausgleichung vorliegen13• Nachdem die Verfassungsmäßigkeit der §§ 708 ff. schon bejaht wurde l4, bietet es sich an, § 62 Abs. 1 ArbGG mit den §§ 708 ff. im Hinblick auf die Berücksichtigung von Parteiinteressen zu vergleichen. a) Berücksichtigung von Parteiinteressen Die vorläufige Vollstreckbarkeit arbeitsgerichtlicher Urteile wird in § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG angeordnet. Dem entsprechen die §§ 708 bis 711 im Anwendungsbereich der zivilprozessualen vorläufigen Vollstreckbarkeit; in den §§ 708 bis 711 fmden sich lediglich mehr Differenzierungen, die auf das grundsätzliche Erfordernis einer Gläubigersicherheitsleistung für die vorläufige Vollstreckung nach § 709 S. 1 zurückzuführen sind. Sowohl § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG als auch die §§ 708 bis 711 sind, da sie die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen anordnen, insgesamt gläubigerbegünstigendIS. Die Interessen des Schuldners werden in § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG nicht, im Rahmen der §§ 708 bis 711 nur insoweit berücksichtigt, als die vorläufige Vollstreckbarkeit grundsätzlich von einer Sicherheitsleistung des Gläubigers abhängt. Die eigentlichen Schuldnerschutznormen sind § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG und § 712. § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG entspricht im wesentlichen § 712 Abs. 1, wenn man von den abgestuften Rechtsfolgen des § 712 Abs. 1 absieht, die mit der möglichen Sicherheitsleistung von Gläubiger und Schuldner zusammenhängen; der Schuldner ist sowohl gemäß § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG als auch nach § 712 Abs. 1 schutzwürdig, wenn ihm ein nicht zu ersetzender Nachteil droht. Der entscheidende Unterschied besteht aber darin, daß gemäß § 712 Abs. 2 S. 1 jeder Schuldnerschutz unter dem Vorbehalt steht, daß kein "überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht"; eine solche Vorschrift fehlt in § 62 Abs. 1 ArbGG. Insgesamt ist daher festzuhalten, daß unter dem Blickwinkel der Parteiinteressen, der entscheidende Unterschied zwischen § 61 Abs. 1 ArbGG und 13 14 15

s. § 3 C. 111. 1. u. § 8 A. s. §§4 bis 8. S. auch § 8 B. 11. 2.

164

§ 10 AIbeitsgerichtsbarkeit

den §§ 708 ff. nicht der Umstand ist, daß es nur bei den §§ 708 ff. Sicherheitsleistung von Gläubiger und Schuldner gibt. Diese Instrumente eröffnen zwar differenziertere Regelungen als in § 62 Abs. 1 ArbGG, aber die daraus resultierende Bandbreite an Regelungen ist verfassungsrechtlich nicht zwingend; der Verzicht auf Sicherheitsleistung des Gläubigers bzw. des Schuldners ist zu akzeptieren l6. Der wesentliche Unterschied zwischen der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach dem Arbeitsgerichtsgesetz und derjenigen nach der ZPO besteht vielmehr darin, daß nur bei der zivilprozessualen vorläufigen Vollstreckbarkeit gemäß § 712 Abs. 2 S. 1 jeder Schuldnerschutz, der über die Regelungen der §§ 709 S. 1, 711 S. 1 hinausgeht, davon abhängt, ob nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. b) Wertungswidersprüche Es schließt sich daran die Frage an, ob es durch den Verzicht auf eine § 712 Abs. 2 S. 1 entsprechende Regelung in § 62 Abs. 1 ArbGG nicht zu Wertungswidersprüchen kommt. Ein solcher wesentlicher Unterschied zwischen der arbeitsgerichtlichen und der zivilprozessualen vorläufigen Vollstreckbarkeit ist wertungswidersprüchlich, wenn es keine sachgerechten Gründe für diese Differenzierung gibt. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers hat § 62 Abs. 1 S. 1 u. 2 ArbGG gerade die Aufgabe, die Arbeitnehmer im Vergleich zu der Rechtslage nach den §§ 708 ff. besonders zu schützen; die schnelle Durchsetzung ihrer Ansprüche sollte den Arbeitnehmern zur Sicherung ihrer Existenz ermöglicht werden 17• Nun ist es aber nach § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG denkbar, daß der verurteilte Arbeitgeber in Verschleppungsabsicht18 ein Rechtsmittel einlegt und, soweit dem Arbeitgeber ein unersetzlicher Nachteil droht, damit die (vorläufige) Vollstreckung verhindert, obwohl der Arbeitgeber keine Erfolgsaussichten in der nächsten Instanz hat und die Existenz des Arbeitnehmers durch die verzögerte Vollstreckung erheblich gefährdet oder sogar vernichtet wird. Die Anwendung des § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG gemäß seinem Wortlaut führt also dazu, daß der Schuldner bei einem drohenden unersetzlichen Nachteil die vorläufige Vollstreckbarkeit verhindern kann, obwohl dem Gläubiger möglicherweise weit größere, irreparable Schäden drohen. Diese Situation ist in der zivil16

17 18

S. § 10A.1.

S. § 10 A. 11. 1.

S. dazu Dütz, OB 1980, 1070.

A. Besonderheiten bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit

165

prozessualen vorläufigen Vollstreckung aufgrund von § 712 Abs. 2 S. 1 nicht denkbar. Somit ist festzuhalten, daß § 62 Abs. 1 ArbGG entgegen seinem ursprünglichen Zweck den Gläubiger teilweise schlechter stellt als die §§ 708 ff. Es besteht also insoweit ein Wertungswiderspruch zwischen der arbeitsgerichtlichen und der zivilprozessualen Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit. c) Folgerungen Es sind nun die Folgerungen, die aus diesem Wertungswiderspruch abzuleiten sind, zu untersuchen. aa) Auslegung In Betracht zu ziehen ist, § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG so auszulegen, daß ein Wertungswiderspruch vermieden wird. Es ist also zu prüfen, ob im Rahmen des Tatbestandsmerkmals "nicht zu ersetzender Nachteil" eine Abwägung der Parteiinteressen möglich istl9• Jedoch ist Ausgangspunkt und gleichzeitig Grenze jeder Auslegung eines Tatbestandsmerkmals der Wortlaut20• In dem Terminus "nicht zu ersetzender Nachteil" findet sich kein sprachlicher Anknüpfungspunkt für eine Interessenabwägung. Folglich kann der Wertungswiderspruch zwischen der arbeitsgerichtlichen (§ 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG) und der zivilprozessualen (§ 712 Abs. 2 S. 1) Regelung nicht durch Auslegung verhindert bzw. beseitigt werden. bb) Verstoß gegen das Grundgesetz Es ist nun zu prüfen, ob § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG mit den grundgesetzlichen Anforderungen vereinbar ist. Es wurde an anderen Stellen schon behandelt21 , daß sowohl dem grundrechtsunmittelbaren Gebot ausgewogenen Rechtsschutzes als auch dem Gebot prozessualer Waffengleichheit zu entnehmen ist, daß der Gesetzgeber bei der Normierung des vorläufigen Ge19 So wohl Dütz, DB 1980, 1070 f.; Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, § 62 Rdnr. 4; widersprüchlich Germelmann/MatlhesjPrütting, § 62 Rdnm. 14 f.; s. auch lAG Düsseldorf EzA § 62 ArbGG 1979 Nr. 1; lAG Düsseldorf/Köln EzA § 62 ArbGG 1979 Nm. 2 u. 3. 20 Vgl. Enneccerus/Nipperdey, S. 331; Larenz, Methodenlehre, S. 305 ff.; ders., Allgemeiner Teil, S. 78. 21 S. § 6 C. III. 2. b) u. § 8 C. III. 2. c).

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§ 10 Arbeitsgerichtsbarkeit

richtsschutzes keine Schutztechnik für das materielle Recht des Gläubigers wählen darf, die gegensätzliche Rechtspositionen des Schuldners schematisch beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung kann aber bei der Anwendung des § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG entsprechend seinem Wortlaut vorkommen22; selbst wenn dem Gläubiger weit bedeutendere irreparable Nachteile bei Nichtvollzug einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung drohen als dem Schuldner bei Vollzug, kann der Schuldner die vorläufige Vollstrekkung verhindern, wenn ihn nur ein (einfacher) unersetzlicher Nachteil durch die Vollziehung der Entscheidung trifft23• Daher verstößt § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG insoweit gegen das Grundgesetz. Nach einer Teilaussage des grundgesetzlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips darf der durch einen Eingriff angerichtete Schaden nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Nutzen stehen24• Deshalb verstößt § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG auch gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip25, wenn die Interessen des Gläubigers bei der Entscheidung über den ausnahmsweisen Ausschluß der vorläufigen Vollstreckbarkeit unberücksichtigt bleiben, denn, wie oben gezeigt wurde, können den Gläubiger bei der Verweigerung der Vollstreckung weit größere Schäden treffen als den Schuldner bei der Vollziehung der Entscheidung. Es ist folglich festzuhalten, daß eine Anwendung des § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG entsprechend seinem Wortlaut gegen das grundrechtsunmittelbare Gebot ausgewogenen Rechtsschutzes, gegen das Gebot prozessualer Waffengleichheit und gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. cc) Teleologische Reduktion Den Verstößen des § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG gegen das Grundgesetz kann nicht mit der verfassungsrechtlichen Ausstrahlungswirkung bzw. der verfassungskonformen Auslegung abgeholfen werden, weil auch dafür jeweils der Wortlaut der Norm die Grenze ist26• In Betracht kommt daher eine teleolo-

22 23

24 25

26

S. dazu auch DÜIZ, DB 1980, 1070.

S. § 10 A. 11. 2. b). S. § 6 C. 111.2. b) u. § 8 C. III. 2. c). So auch DÜIZ, DB 1980, 1070 f. V g1. Larenz, Allgemeiner Teil, S. 82.

A. Besonderheiten bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit

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gische Reduktion27 bzw. eine Restriktion28• Beide Begriffe umschreiben denselben Vorgang; sofern eine Vorschrift Folgen herbeiführt, die vom Gesetzgeber nicht erkannt oder bedacht sind und, wenn der Gesetzgeber sie erkannt oder bedacht hätte, vernünftigerweise nicht in dieser Weise geordnet sein würden, ist es geboten, das Gesetz nach dessen eigenen Grundgedanken und unter Berücksichtigung der Grundsätze richterlicher Rechtsfmdung einzuschränken, wenn nicht das Erfordernis der Rechtssicherheit entscheidend dagegen spricht29• Es handelt sich "um die Fortsetzung der Auslegung über die Grenze des möglichen Wortsinnes hinaus"30. Der Gesetzgeber hat bei der Normierung von § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG wohl nicht bedacht3!, daß den Gläubiger, den der Gesetzgeber im Interesse der Arbeitnehmer gerade besonders schützen wollte32 , schwere und irreparable Nachteile treffen können, wenn bei der Frage nach dem Ausschluß der vorläufigen Vollstreckbarkeit die Interessen des Gläubigers unberücksichtigt bleiben. Bedenkt man, daß die jetzige Regelung des § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG nicht im Einklang mit dem Grundgesetz steht33, ist es gerechtfertigt zu sagen, daß der Gesetzgeber, hätte er die Folgen des § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG bedacht, vernünftigerweise eine andere, eingeschränktere Regelung des § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG getroffen hätte. Es bietet sich an, die notwendige Einschränkung des § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG entsprechend § 712 Abs. 2 S. 1 vorzunehmen, da diese Regelung den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht34 • Gründe der Rechtssicherheit stehen dem nicht entgegen. Es ist daher festzuhalten, daß § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG im Wege der teleologischen Reduktion dahin einzuschränken ist, daß die vorläufige Vollstreckbarkeit einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung trotz des Drohens eines nicht zu ersetzenden Nachteils für den Beklagten durch die Vollziehung nur ausgeschlossen werden darf, wenn dem nicht entsprechend § 712 Abs. 2 S. 1 "ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht". 27 28 29

Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 375 ff. Vgl. EnneccerusjNipperdey, S. 344 ff. Vgl. EnneccerusjNipperdey, S. 346.

30 Larenz, Methodenlehre, S. 376. 31

Vgl. FlatowlJoachim, Einführung, S. 74 f.

34

Vgl. § 8 A. u. B. 11. 2.

32 S. § 10 A. 11. 1. 33

S. § 10 A. 11. 2. c) bb).

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f 10 Arbeitsgerichtsbarkeit

B. Ergebnis Grundsätzlich gelten für den einstweiligen Rechtsschutz in arbeitsgerichtlichen Angelegenheiten gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG keine Besonderheiten gegenüber der zivilprozessualen Regelung; es sind prinzipiell die §§ 916 ff anwendbar. Dagegen verzichtet § 62 Abs. 1 ArbGG für die vorläufige Vollstreckbarkeit in arbeitsgerichtlichen Angelegenheiten auf jedwede Form von Sicherheitsleistung seitens des Gläubigers oder des Schuldners. Daher sind die §§ 708 Cf. grundsätzlich nicht entsprechend auf die vorläufige Vollstreckung in arbeitsgerichtlichen Angelegenheiten anwendbar; aufgrund einer teleologischen Reduktion gilt aber für § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG der Vorbehalt des § 712 Abs. 2 S. 1 entsprechend.

Zusammenfassung in Thesen 1. Die Gemeinsamkeiten von vorläufiger Vollstreckbarkeit gemäß den §§ 708 ff. und einstweiligem Rechtsschutz gemäß den §§ 916 ff. (§ 1 A) hat

der RCPO-Gesetzgeber nicht gesehen und daher die beiden Rechtsinstitute nicht aufeinander abgestimmt (§ 2 A). Auch in der Folgezeit spielten die Gemeinsamkeiten von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz bei gesetzlichen Änderungen bzw. bei der Weiterentwicklung beider Institute durch Rechtsprechung und Lehre kaum eine Rolle (§ 2 B.).

2. Vorläufige Vollstreckbarkeit und einstweiliger Rechtsschutz haben dieselben verfassungsrechtlichen Wurzeln. Beide Rechtsinstitute sind einfachrechtliche Ausprägungen des vorläufigen Gerichtsschutzes, der durch den rechtsstaatlichen Grundsatz umfassenden und wirksamen Gerichtsschutzes garantiert wird (§ 3 A). 3. Die Funktionen des vorläufigen Gerichtsschutzes sind verfassungsrechtlich vorgegeben (§ 3 C. 1.). Sowohl die vorläufige Vollstreckbarkeit als auch der einstweilige Rechtsschutz haben die Aufgabe, die Entscheidungsfähigkeit der Hauptsache offenzuhalten; eine streitige Rechtsposition muß für die Dauer des Rechtsstreits gegen ihre Entwertung allein durch Zeitablauf gesichert werden. Außerdem ist der Zeitraum bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits durch die vorläufige gerichtliche Regelung zu überbrücken. "Offenhaltefunktion" und "Zwischenzeitüberbrückungsfunktion" stehen teilweise in einem Spannungsverhältnis zueinander; diesen Konflikt hat der Gesetzgeber aufzulösen. 4. Die grundrechtsunmittelbare Garantie wirksamen Rechtsschutzes wirkt sich vor allem bei der Ausgestaltung des vorläufigen GerichtsschUlzes aus (§ 3 B.); der vorläufige Gerichtsschutz muß ausgewogen die Interessen der Parteien ausgleichen, da immer mindestens zwei materielle (Grund)Rechtspositionen durch die gerichtliche Entscheidung betroffen sind (§ 3 C. III.). 5. Ein materieller Anspruch bzw. eine "bessere Berechtigung" des Gläubigers ist nach dem geltenden Recht zwingende Voraussetzung jedes vorläufigen, zivilprozessualen Rechtsschutzes; dies gilt auch für die einstweilige Verfügung nach § 940 (§ 4).

170

Zusammenfassung in Thesen

6. Sowohl der Vollbeweis (§ 286) im Hauptverfahren, das regelmäßig zu einem Urteil führt, an das die vorläufige Vollstreckbarkeit anknüpft, als auch die Glaubhaftmachung (§ 294) im einstweiligen Rechtsschutz sind statisch im Hinblick auf den notwendigen Wahrscheinlichkeitsgrad zu defmieren; während für den Vollbeweis eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit zu fordern ist, reicht für die Glaubhaftmachung überwiegende Wahrscheinlichkeit aus (§ 5). Auch die Glaubhaftmachung der Arrest- bzw. Verfügungsgründe ist statisch im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit aufzufassen (§ 6 E.). 7. Im Gegensatz zum einstweiligen Rechtsschutz, für den neben einer materiellen Berechtigung des Antragstellers das Vorliegen sog. Arrest- bzw. Verfügungsgründe notwendig ist, erfordert der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit in der Hauptsache nur eine dem materiellen Recht des Klägers entsprechende Verurteilung des Beklagten. Die Erfüllung weiterer Anforderungen ist nach den §§ 708 ff. grundsätzlich nicht vorausgesetzt. Dies ist auf die höhere Richtigkeitsgewähr eines Urteils im Hauptsacheverfahren gegenüber einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz zurückzuführen (§ 6 B.). 8. Der RCPO-Gesetzgeber hat auf der Ebene der Verfügungsgründe nach den §§ 935, 940 keine Abwägung der Interessen von Antragsteller und Antragsgegner vorgesehen. Dennoch ist aufgrund einer objektiv-teleologischen Auslegung des Wortes "wesentlich" in den §§ 935, 940 und entsprechend den verfassungsrechtlichen Anforderungen davon auszugehen, daß dieses Tatbestandsmerkmal "wesentlich" eine solche Interessenabwägung bei (zeitweilig) befriedigenden einstweiligen Verfügungen erfordert (§ 6 C. III.). 9. An der vorläufigen Vollstreckbarkeit, die nur vorläufig befriedigende Anordnungen kennt, sieht man, daß dem vorläufigen Gerichtsschutz die (vorläufige) Befriedigung nicht fremd ist. Zwar sieht der Arrest nur sichernde Maßnahmen ohne befriedigenden Inhalt vor, jedoch sind nach den §§ 935, 940 in Ausnahmefällen auch vorläufig befriedigende Anordnungen möglich; ein allgemeines Vorwegnahmeverbot im einstweiligen Rechtsschutz gibt es nicht (§ 7). 10. Zwar ist die gesetzliche Regelungstechnik hinsichtlich Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis im Vergleich von vorläufiger Vollstreckbarkeit und einstweiligem Rechtsschutz verschieden, jedoch sind bestimmte Wertungen in den sehr differenzierten §§ 708 ff. in die Ermessenserwägun-

Zusammenfassung in Thesen

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gen gemäß § 921 Abs. 2 S. 2 einzustellen. § 939 ist aufgrund der verfassungsrechtlichen Ausstrahlungswirkung entsprechend den Wertungen des § 712 auszulegen (§ 8). 11. Grundsätzlich gelten die einfach-rechtlichen Normen des vorläufigen Gerichtsschutzes zeitverschoben; bis zum Erlaß eines Hauptsacheurteils greift nur der einstweilige Rechtsschutz, danach sind grundsätzlich nur noch die Normen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit anwendbar. Ausnahmsweise kann es ein Nebeneinander von einstweiliger Verfügung und vorläufiger Vollstreckbarkeit geben (§ 9). 12. Aufgrund einer teleologischen Reduktion gilt für § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG der Vorbehalt des § 712 Abs. 2 S. 1 entsprechend (§ 10).

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