Einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in Frankreich und Deutschland [1 ed.] 9783428544264, 9783428144266

Ausgehend von der jeweiligen Gesetzeslage in den beiden Ländern werden die französischen und deutschen einstweiligen ver

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Einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in Frankreich und Deutschland [1 ed.]
 9783428544264, 9783428144266

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Schriften zum Internationalen Recht Band 206

Einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in Frankreich und Deutschland

Von

Walter Cuno

Duncker & Humblot · Berlin

WALTER CUNO

Einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in Frankreich und Deutschland

Schriften zum Internationalen Recht Band 206

Einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in Frankreich und Deutschland

Von

Walter Cuno

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Wintersemester 2013/2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 978-3-428-14426-6 (Print) ISBN 978-3-428-54426-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84426-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn im Wintersemester 2013 / 2014 als Dissertation angenommen. Mein herzlicher Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. Wolfgang Durner, LL.M., der mit kluger Unterstützung an den richtigen Stellen und viel Geduld die Entstehung der Arbeit begleitet hat und mich dabei im besten Sinne gefordert und gefördert hat. Ebenfalls danke ich Herrn Prof. Dr. Jost Pietzcker für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ich hatte das Glück, von mehreren Seiten Förderungen für die Arbeit zu erhalten. Der Universität Bonn danke ich für die Bewilligung eines großzügigen Promotionsstipendiums im Rahmen der Graduiertenförderung. Ferner danke ich dem Deutschen Akademischen Austauschdienst für die finanzielle Unterstützung mehrerer Forschungsaufenthalte in Frankreich sowie der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung für den von ihr gewährten Zuschuss zu den Druckkosten. Ganz besonders danke ich schließlich meiner Familie, insbesondere meinen Eltern, meinen Freunden und Katrin. Ohne ihren Rückhalt und ihr großes Verständnis wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Bonn, im Juli 2015

Walter Cuno

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Neunzehntes und zwanzigstes Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 a) Aussetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 b) Andere Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Die Reform im Jahr 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Bis zum Inkrafttreten der VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 a) Aussetzung von Verwaltungsakten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 aa) Badische Vollzugsverordnung zum Verwaltungsgesetz von 1863 und badisches Verwaltungsrechtspflegegesetz von 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 bb) Württembergisches Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege von 1876 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 cc) Bayerisches Gesetz über die Errichtung des Verwaltungs­ gerichthofs und das Verfahren in Verwaltungsrechtssachen von 1878 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 dd) Preußisches Landesverwaltungsgesetz von 1883 . . . . . . . . . . 39 ee) Oldenburgisches Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 1906 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 ff) Thüringische Landesverwaltungsordnung von 1926 . . . . . . . 40 gg) Verwaltungsgerichtsgesetze in den Ländern aus der ­amerikanischen Besatzungszone nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . 41 hh) Militärregierungsverordnungen in der britischen Besatzungszone von 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 ii) Lage in der französischen Besatzungszone . . . . . . . . . . . . . . 44 jj) Bundesverwaltungsgerichtsgesetz von 1952 . . . . . . . . . . . . . . 45 kk) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Einstweilige Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Andere Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Ab Inkrafttreten der VwGO im Jahr 1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

8 Inhaltsverzeichnis B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Suspensiveffekt von gegen Verwaltungsakte gerichteten Rechtsbehelfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Gesetzliche Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Beispiel Leistungsbescheide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Beispiel Ausländerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 c) Gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung . . . . . . . . . 60 2. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Grundsatz des Suspensiveffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Gesetzliche Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 aa) Öffentliche Abgaben und Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 bb) Unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von ­Polizei­vollzugsbeamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 cc) Andere Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 c) Behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung . . . . . . . . . . . 66 d) Behördliche Aussetzung der Vollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 e) Gerichtliche Aussetzung der Vollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3. Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Zusammenhang mit der Grundkonzeption der Verwaltungs­ gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 aa) Objektive Rechtskontrolle und Individualrechtsschutz . . . . . 70 bb) Gewaltenteilungsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 cc) Keine idealtypische Ausformung und Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Automatische oder im Einzelfall angeordnete aufschiebende Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Gerichtliche oder behördliche Aussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 d) Vollziehungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Behördliche Vollziehungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Gerichtliche Vollziehungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 e) Gesetzliche Ausnahmen von den jeweiligen Grundsätzen . . . . . . 82 aa) Annäherungen der beiden Regelungsmodelle durch Ausweitung der gesetzlichen Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 83 bb) Für automatischen Suspensiveffekt oder Verzicht darauf ­prädestinierte Regelungsbereiche? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (1) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (2) Logische Voraussetzung: keine sich überkreuzenden Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (3) Analyse der gegebenen Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (a) Leistungsbescheide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Inhaltsverzeichnis9 (b) Ausländerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (c) Andere Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 f) Vereinbarkeit beider Regelungsmodelle mit dem Gebot des ­effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 aa) Notwendigkeit eines vorläufigen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . 88 bb) Keine Vorgaben hinsichtlich der Sicherungstechnik . . . . . . . 89 cc) Insbesondere im mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnis kein verfassungsrechtliches Gebot der Suspensivautomatik …  92 dd) … aber auch kein verfassungsrechtliches Verbot . . . . . . . . . . 93 g) Bedeutungsdimensionen des Begriffs „Suspensiveffekt als Regelfall“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Formalstrukturelle Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses möglich . . . 95 cc) Materielle Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 h) Gebot des effektiven Rechtsschutzes und Suspensiveffekt im Ergebnis als Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Im mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . 96 bb) Im zweiseitigen Verwaltungsrechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . 97 II. Materielle Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung  98 1. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Eilbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Früher: Schwer reparable Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Lockerung durch die Reform im Jahr 2000 . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Begriffsbestimmung durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 100 (1) Hinreichend schwerwiegende und unmittelbare Nachteile (Entscheidung Confédération nationale des radios libres) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (2) Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung sowohl des Aussetzungs- als auch des Vollziehungsinteresses (Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 dd) Vermutete Eilbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Früher: Ernstlicher Klagegrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 bb) Lockerung durch die Reform im Jahr 2000 . . . . . . . . . . . . . . 114 cc) Begriffsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Keine geschriebenen materiellen Voraussetzungen in § 80 Abs. 5 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Materielle Voraussetzungen in Spezialvorschriften . . . . . . . . . . . . 117

10 Inhaltsverzeichnis aa) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit oder unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte in § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO, § 69 Abs. 2 S. 2 FGO und § 361 Abs. 2 S. 2 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit in Art. 16a Abs. 4 S. 1 GG und § 36 Abs. 4 S. 1 AsylVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) Kein einheitlicher Begriff der „ernstlichen Zweifel“; ­unterschiedlicher Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 dd) Übertragbarkeit auf § 80 Abs. 5 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (1) Maßstab aus Art. 16a Abs. 4 S. 1  GG und § 36 Abs. 4 S. 1 AsylVfG ist nicht übertragbar . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (2) Maßstab aus § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO, § 69 Abs. 2 S. 2 FGO und § 361 Abs. 2 S. 2 AO ist zumindest teilweise übertragbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (3) Dieser Maßstab ist aber nicht abschließend . . . . . . . . . . 123 c) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Geschriebene Anordnungsvoraussetzungen in Frankreich versus weitgehend ungeschriebener Entscheidungsmaßstab in Deutschland  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) In beiden Ländern Rechtmäßigkeitsprüfung und Folgenbetrachtung als Grundfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 c) Unterschiedliche Ausprägung und Verknüpfung der Faktoren . . . 127 aa) „Oder“ in § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (1) Alternative der „ernstlichen Zweifel“ für sich genommen sinnvoll  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) Alternative der „unbilligen Härte“ problematisch  . . . . . 128 (3) Normstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 bb) „Und“ in Art. L521-1 Abs. 1 CJA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) Variable Gewichtung, Interdependenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 C. Einstweilige Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Im Wege des référé-suspension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Ablehnende Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Früher: Grundsätzlich nicht möglich (Entscheidung Amoros) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Gesetzliche Einführung neuer verwaltungsgerichtlicher ­Anordnungsbefugnisse im Jahr 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Gesetzgebungsverfahren zu Art. L521-1 Abs. 1 CJA . . . . . . . 138 dd) Entscheidung Ouatah . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 ee) Handlungsanordnung als Aussetzungsfolge . . . . . . . . . . . . . . 141

Inhaltsverzeichnis11 (1) Rechtsnatur gerichtlicher Handlungsanordnungen im französischen Verwaltungsprozessrecht . . . . . . . . . . . 141 (2) Anordnungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 ff) Weiter Begriff des vollziehbaren Verwaltungsakts . . . . . . . . . 145 b) Décisions positives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Im Wege des référé-liberté . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Begriff der Grundfreiheit (liberté fondamentale). . . . . . . . . . im Sinne von Art. L521-2 CJA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Materielle Anordnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Eilbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Schwerwiegende und offenkundig rechtswidrige ­Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 cc) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Anordnungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Im Wege des référé-mesures-utiles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Anwendungsbereich und Anordnungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 aa) Anordnungen gegenüber der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 159 bb) Anordnungen gegenüber Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Materielle Anordnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 aa) Eilbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 cc) Keine Behinderung der Verwaltungsaktvollziehung . . . . . . . . 170 dd) Kein ernstlicher Einwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Anwendungsbereich des § 123 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Anordnungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Materielle Anordnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Anordnungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Anordnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Glaubhaftmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 d) Verknüpfung, Interdependenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4. Anordnungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Verfahrensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Rechtsnatur einstweiliger Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 IV. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 D. Référé-provision und Gerichtsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Référé-provision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

12 Inhaltsverzeichnis 2. Abschaffung des Erfordernisses der Hauptsacheklage . . . . . . . . . . . . 188 3. Nicht ernstlich bestreitbare Geldforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Zahlungsanordnungen im einstweiligen Verfahren in Deutschland . . . . 191 III. Gerichtsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. (Vorläufiges) Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Keine besonderen Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3. Geklärter Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 IV. Gegenüberstellung von référé-provision und Gerichtsbescheid . . . . . . . 196 1. Anordnungsvoraussetzungen und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . 196 2. Antragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3. Zahlungsanordnung trotz ungeklärter Forderungshöhe . . . . . . . . . . . 198 4. Vorläufige Natur des Verfahrens und potentiell abschließende ­Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 5. Hauptsache- oder einstweiliges Verfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 E. Référé-constat, référé-instruction und selbständiges Beweisverfahren . . . 203 I. Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Beweissicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Prozessvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 II. Verfahrenscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III. Anordnungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Référé-constat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Ausschließlich Sachverständiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Beschränkte Tatsachenfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Référé-instruction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Verschiedene Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Unbeschränkte Tatsachenermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 cc) Langfristige Sachverständigenmission . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 dd) Schlichtung durch den Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . 210 2. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Sicherndes Beweisverfahren nach § 98 VwGO, § 485 Abs. 1 Alt.  2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) Augenschein, Zeuge, Sachverständiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Umfang der Tatsachenermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Streitschlichtendes Beweisverfahren nach § 98 VwGO, § 485 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 aa) Schriftliche Sachverständigenbegutachtung . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Zustands-, Wert-, Ursachen- und Beseitigungsaufwands­ feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3. Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 IV. Anordnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Inhaltsverzeichnis13 1. Référé-instruction und référé-constat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Selbständiges Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 3. Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 V. Kontradiktorischer Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 VI. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Schlussanträgeverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere Ansicht

Abs. Absatz Abt. Abteilung a. E.

am Ende

a. F.

alte Fassung

AGVwGO

Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung

AJDA

L’Actualité juridique droit administratif

Alt. Alternative Anm. Anmerkung AO Abgabenordnung Art.

Artikel; Artikeln

AsylVfG Asylverfahrensgesetz AufenthG

Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet)

Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen BAföG Bundesausbildungsförderungsgesetz BauGB Baugesetzbuch BauR Baurecht BauRB Baurechtsberater Bay Bayern BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter

BayVGHE

Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Neue Folge

BB Betriebs-Berater Bd. Band BDEI

Bulletin du droit de l’environnement industriel

Beschl. Beschluss BFH Bundesfinanzhof BFH / NV

Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

BFHE

Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

BGBl. Bundesgesetzblatt

Abkürzungsverzeichnis15 BGH Bundesgerichtshof BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BImSchG

Bundes-Immissionsschutzgesetz (Gesetz zum Schutz vor schäd­ lichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge)

BMI

Bundesministerium des Innern

BRRG

Beamtenrechtsrahmengesetz (Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts)

BStBl. Bundessteuerblatt BT

Deutscher Bundestag

Bull. civ.

Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, chambres civiles

BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BVerwGG Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BW Baden-Württemberg bzw. beziehungsweise CAA

Cours administrative d’appel; Cours administratives d’appel

Cass.

Cour de cassation

CC

Conseil constitutionnel

CE

Conseil d’État

CESEDA

code de l’entrée et du séjour des étrangers et du droit d’asile

CJA

code de justice administrative

code TA

code des tribunaux administratifs

code TA / CAA

code des tribunaux administratifs et des cours administratives d’appel

comm. commentaire concl.

conclusions (Schlussanträge des commissaire du gouvernement bzw. rapporteur public)

CPC

code de procédure civile

D

Recueil Dalloz

DA

Droit Administratif

DDR

Deutsche Demokratische Republik

Diss. Dissertation DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

Drs. Drucksache DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt

EDCE

Études et documents du Conseil d’État

16 Abkürzungsverzeichnis EG Europäische Gemeinschaft Einl. Einleitung EMRK Europäische Menschenrechtskonvention (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) ErstG Gesetz über das Verfahren für die Erstattung von Fehlbeständen an öffentlichem Vermögen ESVGH Entscheidungssammlung des Hessischen und des WürttembergBadischen Verwaltungsgerichtshofes; Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Entscheidungen der Staatsgerichtshöfe beider Länder etc. et cetera EuGH Europäischer Gerichtshof (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften) EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift EuR Europarecht EurUP Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht f. folgende; folgender FamRZ Zeitschrift für das Gesamte Familienrecht ff. folgende FGO Finanzgerichtsordnung Fn. Fußnote Frhr. Freiherr FS Festschrift GACA Grands arrêts du contentieux administratif Gaz. Pal. Gazette du Palais GewArch Gewerbearchiv GG Grundgesetz GVG Gerichtsverfassungsgesetz Hess Hessen HessStGH Hessischer Staatsgerichtshof Hmbg Hamburg Hrsg. Herausgeber hrsg. herausgegeben Hs. Halbsatz HStR Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland IDEDH Institut de droit européen des droits de l’homme iVm in Verbindung mit JA Juristische Arbeitsblätter JCP La Semaine Juridique, Édition Générale

Abkürzungsverzeichnis17 JCP Adm.

La Semaine Juridique, Administrations et collectivités territoriales

JORF

Journal officiel de la République française

JZ JuristenZeitung KostO Kostenordnung KStZ

Kommunale Steuer-Zeitschrift

lit. littera LKV

Landes und Kommunalverwaltung

LPA

Les Petites Affiches, La loi

Ls. Leitsatz MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

MRVO Militärregierungsverordnung MüKo

Münchener Kommentar

MüLü

siehe OVGE MüLü

NCPC

nouveau code de procédure civile

NDB

Neue Deutsche Biographie

NdsVBl.

Niedersächsische Verwaltungsblätter

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport

n. n.

nomen nescio

NordÖR

Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland

Nr.

Nummer; Nummern

NuR

Natur und Recht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungsreport

NW Nordrhein-Westfalen NWVBl.

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter

NZS

Neue Zeitschrift für Sozialrecht

OFPRA

Office français de protection des réfugiés et apatrides

OLG Oberlandesgericht ONIAM

Office national d’indemnisation des accidents medicaux

ord. ordonnance OVG Oberverwaltungsgericht OVGE MüLü

Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg

PrOVG

(Königlich) Preußisches Oberverwaltungsgericht

PrOVGE

Entscheidungen des (Königlich) Preußischen Oberverwaltungsgerichts

RdL

Recht der Landwirtschaft

18 Abkürzungsverzeichnis RDP

Revue du droit public et de la science politique en France et à l’étranger

Rec. bim.

Recueil bimestriel

Rec. Leb.

Recueil Lebon

Rev. adm.

La Revue administrative

RFDA

Revue française de droit administratif

RGCT

Revue Générale des Collectivités Territoriales

Rn.

Randnummer; Randnummern

RP Rheinland-Pfalz RRJ

Revue de la recherche juridique, droit prospectif

S.

Satz; Seite

SA

Société anonyme

SARL

Société à responsabilité limitée

SCI

Société civile immoblière

scil.

scilicet (scire licet)

Slg.

Sammlung der Rechtsprechung des EuGH und des Gerichts erster Instanz

SN Sondernummer SNC

Société en nom collectif

SNCF

Société nationale des chemins de fer français

StuW

Steuer und Wirtschaft

TA

Tribunal administratif; Tribunaux administratifs

TC

Tribunal des conflits

u. a.

und andere

UN / ECE

Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen

v.

vom; von

Var. Variante VBlBW

Verwaltungsblätter Baden-Württemberg

Verw.

Die Verwaltung

VerwArch Verwaltungsarchiv VerwRspr

Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland. Sammlung oberst­ richter­ licher Entscheidungen aus dem Verfassungs- und Verwaltungsrecht

VGFGEntlG

Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit

VGG

Verwaltungsgerichtsgesetz; Verwaltungsgerichtsgesetze

VGH Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche Vorb. Vorbemerkung

Abkürzungsverzeichnis19 VR Verwaltungsrundschau VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwGOÄndG Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Verwaltungsvollstreckungsgesetz VwZVG Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz ZBR Zeitschrift für Beamtenrecht ZMR Zeitschrift für Miet- und Raumrecht ZPO Zivilprozessordnung ZUR Zeitschrift für Umweltrecht

Einleitung Der einstweilige Rechtsschutz ist en vogue und erlebt einen stetigen Bedeutungszuwachs. Das gilt neben den anderen Gerichtsbarkeiten auch für die Verwaltungsgerichte, bei denen in großer Zahl einstweilige Rechtsschutzverfahren anhängig gemacht werden. Angesichts der häufig langen Dauer der Hauptsacheverfahren werden zur effektiven Rechtsschutzgewährleistung in vielen Fällen einstweilige Regelungen erforderlich, wobei die einstweiligen Verfahren oftmals richtungsweisend für die Hauptsacheverfahren sind und diese teilweise sogar ersetzen. Die konkrete Ausgestaltung und Reichweite der einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist allgemein im übergreifenden Gesamtzusammenhang der Grundkonzeption verwaltungsgerichtlicher Kontrolle und der Stellung der Verwaltungsgerichte im Gewaltenteilungsgefüge zu sehen, in dem auch die Elementarfrage des subjektiven öffentlichen Rechts steht. Das französische und das deutsche Recht weichen hier traditionell voneinander ab, was sich schlagwortartig auf die Begriffe der objektivrechtlichen Kontrollfunktion in Frankreich und der Individualrechtsschutzkonzeption in Deutschland bringen lässt. Die beiden benachbarten Rechtsordnungen stehen allerdings nicht isoliert und beziehungslos nebeneinander, sondern beeinflussen sich und wirken aufeinander ein. Vor dem Horizont der Evolution eines einheitlichen europäischen Standards konkurrieren die Rechtsordnungen miteinander und findet ein Austausch statt. Die Rechtssysteme sind generell in dynamischer Entwicklung begriffen und Veränderungen unterworfen, so auch das Verwaltungsprozessrecht. Dieses Rechtsgebiet hat in Frankreich in den letzten Jahrzehnten einen grundlegenden, bis an althergebrachte Grundfesten rührenden Wandlungsprozess durchlaufen, der markanten Ausdruck in verschiedenen Gesetzen und tiefgreifenden Rechtsprechungsänderungen und -neuerungen des Conseil d’État findet. Das ist Hintergrund und Anlass für die vorliegende deutsch-französisch rechtsvergleichende Untersuchung. Dabei wird der Untersuchungsgegenstand auf die einstweiligen Verfahren beschränkt, die in Frankreich namentlich durch eine Gesetzesreform im Jahr 2000 enorm aufgewertet worden sind und an denen bestimmte Veränderungen besonders sichtbar werden. Ziel der Untersuchung ist es, ein Grundverständnis von den allgemeinen verwaltungsgerichtlichen référé-Verfahren in Frankreich zu ermöglichen und Annäherungen zwischen dem französischen und dem deutschen Recht im Bereich des einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes zu

22 Einleitung

untersuchen. Ausgehend von der jeweiligen Gesetzeslage in den beiden Ländern sollen die französischen und deutschen einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren erörtert und vergleichend gegenübergestellt und analysiert werden. Der Fokus liegt dabei auf dem „materiellen Prozessrecht“, womit die inhaltlichen Strukturprinzipien und materiellen Voraussetzungen der jeweiligen Institute gemeint sind. Zulässigkeitsvoraussetzungen und prozessuale Aspekte werden hingegen weitgehend ausgeklammert und nur punktuell thematisiert. Eine weitere Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes erfolgt dahingehend, dass nur die allgemeinen Institute behandelt werden. In Frankreich existiert eine Vielzahl spezieller verwaltungs­ gerichtlicher référé-Verfahren1. Diese zahlreichen Sonderverfahren, deren Abhandlung den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen würde, werden hier ebensowenig behandelt wie aus dem deutschen Recht § 47 Abs. 6 VwGO. Desweiteren wird nur das nationale französische und deutsche Recht und nicht die europarechtliche Ebene untersucht2. Als die Arbeiten an der vorliegenden Untersuchung bereits weit fortgeschritten waren, erschien im Jahr 2011 die Dissertation von Nikolaus Marsch, die die Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich zum Thema hat3. Diese Arbeit hat einen wesentlich breiteren Ansatz als die vorliegende. So beschäftigt sich Marsch neben den einstweiligen Verfahren etwa auch mit den Hauptsacheverfahren, behandelt ausführlich die Urteilsimplementation durch richterliche injonctions in Frankreich, thematisiert den Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts, die Klagebefugnis etc. Demgegenüber geht die vorliegende auf die einstweiligen Verfahren beschränkte Untersuchung gleichsam mehr ins Detail einzelner Gesetzesbestimmungen und der Rechtsprechung, um daraus in der Rechtsvergleichung Erkenntnisse zu gewinnen. Insofern unterscheidet sich der Fokus der beiden Arbeiten. In vielen Punkten bestätigt die vorliegende Untersuchung die von Marsch aus anderem Blickwinkel herausgearbeiteten Ergebnisse, wobei im Folgenden auf ständige Einzelverweise auf diese Arbeit verzichtet wird. 1  Vgl. dazu etwa Ricci, Contentieux administratif (2012), Rn. 372  ff.; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1655 ff. 2  Vgl. nur EuGH v. 19. Juni 1990, Factortame, Az. C-213 / 89, Slg. 1990, I-2433; EuGH v. 10. Juli 1990, Tafelwein, Az.  C 217 / 88, Slg. 1990, I-2879; EuGH v. 21. Februar 1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen, Az. C 143 / 88 und C 92 / 89, Slg. 1991, I-415; EuGH v. 9. November 1995, Atlanta Fruchthandelsgesellschaft, Az. C 465 / 93, Slg. 1995, I-3761; EuGH v. 26. November 1996, T. Port, Az. C 68 / 95, Slg. 1996, I-6065; kritisch zu dieser EuGH-Rechtsprechung mit weiteren Nachweisen Schoch, FS BVerwG (2003), 507 [526 ff.]. 3  Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich (2011).

Einleitung23

Der Gang der Abhandlung orientiert sich an den einzelnen Rechtsinstituten und Anordnungsarten. Vorangestellt wird in Kapitel A. ein Überblick über die historische Entwicklung der einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren in den beiden Ländern. Im daran anschließenden Kapitel B. wird die Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten behandelt. Hierfür wird zunächst auf die Thematik des Suspensiveffekts von gegen Verwaltungsakte gerichteten Rechtsbehelfen eingegangen und dann auf die materiellen Voraussetzungen für die Aussetzungsanordnung durch die Verwaltungsgerichte über den référé-suspension in Frankreich und § 80 Abs. 5 VwGO in Deutschland. Sodann beschäftigt sich das Kapitel C. mit weiteren verwaltungsgerichtlichen einstweiligen Anordnungen, wobei hier aus dem französischen Recht wiederum der référé-suspension sowie weiter der référé-liberté und der référé-mesures-utiles behandelt werden und aus dem deutschen Recht § 123 VwGO. In Kapitel D. wird der französische référé-provision thematisiert und mit dem deutschen Gerichtsbescheidsverfahren verglichen. Schließlich werden in Kapitel E. die französischen Verfahren référé-constat und référé-instruction in Gegenüberstellung mit dem deutschen selbständigen Beweisverfahren untersucht.

A. Geschichtliche Entwicklung Das Tableau der allgemeinen einstweiligen Verfahrensarten vor den Verwaltungsgerichten, wie es sich heute in Frankreich im code de justice administrative (CJA) und in Deutschland in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) präsentiert, ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Um die aktuelle Rechtslage besser verstehen und einordnen zu können, lohnt ein Blick zurück in die Vergangenheit. Dabei kann und soll es im Rahmen und für die Zwecke des hier behandelten Untersuchungsgegenstandes nicht um eine umfassende rechtshistorische Abhandlung gehen. Hier soll nur ein auf die allgemeinen Verfahren beschränkter Kurzüberblick gegeben werden über die Entwicklung in Frankreich seit dem Ende der französischen Revolution (sub I.) und in Deutschland seit Beginn der Errichtung eigenständiger Verwaltungsgerichte ab der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts (sub II.)1.

I. Frankreich 1. Neunzehntes und zwanzigstes Jahrhundert a) Aussetzungsverfahren Die erste Regelung zur Aussetzung der Vollziehung von Verwaltungsakten durch den Conseil d’État datiert aus der Zeit kurz nach seiner Errichtung im Jahr VIII (1799). In einem Dekret aus dem Jahr 1806 war bestimmt, dass Klagen vor dem Conseil d’État keinen Suspensiveffekt hatten, solange er nicht die Aussetzung anordnete2. Die Möglichkeit der gerichtlichen Aussetzungsanordnung war also als ein gewisser Ausgleich für das Fehlen einer generellen aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen konzipiert. Die Aussetzungsbefugnis war allerdings auf den Conseil d’État beschränkt. Obwohl auch die Klagen vor den zeitgleich mit dem Conseil d’État errichte1  Nicht eingegangen wird an dieser Stelle auf den schrittweisen Prozess der Entstehung und Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich und in Deutschland, die sich in beiden Ländern gewissermaßen aus der Exekutive herausgeschält hat. 2  Art. 3 Dekret v. 22. Juli 1806 (décret contenant règlement sur les affaires contentieuses portées au Conseil d’État), Lois annotées ou Lois, décrets, ordonnances, avis du Conseil d’État etc. 1789–1830, 726.



I. Frankreich25

ten Präfekturräten (conseils de préfecture) keine aufschiebende Wirkung entfalteten, konnten diese keine Aussetzung anordnen3. Erst als im Jahr 1953 die Verwaltungsgerichte (tribunaux administratifs) errichtet wurden, die den Präfekturräten nachfolgten und allgemein erstinstanzlich zuständig wurden4, erhielten auch sie eine Aussetzungsbefugnis5. Davon wurden allerdings bestimmte Bereiche ausgenommen: Die Verwaltungsgerichte durften „en aucun cas“ die Aussetzung eines Verwaltungsakts „intéressant le maintien de l’ordre, la sécurité et la tranquillité publique“ anordnen6. Dies wurde im Jahr 1969 dahingehend modifiziert, dass den Verwaltungsgerichten die Aussetzung von den „ordre public“ betreffenden Verwaltungsakten verwehrt war7. Durch diese Beschränkungen war in vielen Fällen eine Aussetzung von vornherein ganz ausgeschlossen8. Denn auch der Conseil d’État hielt sich zunächst für nicht zuständig, die Aussetzung anzuordnen, soweit die Verwaltungsgerichte in der Hauptsache zuständig waren9. Dies änderte sich erst im Jahr 1974, als sich der Conseil d’État in einer Grundsatzentscheidung für die Anordnung einer Aussetzung in solchen Fällen für direkt zuständig erklärte10. Die Folge war allerdings eine Zuständigkeitsaufspaltung zwischen einstweiligem Verfahren und Hauptsacheverfahren: Die Klage in der Hauptsache musste vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden, der Aussetzungsantrag musste dagegen beim Conseil d’État gestellt werden. Es herrschte also in bestimmten Bereichen eine recht unübersichtliche Gemengelage hinsichtlich des für die Aussetzung zuständigen Gerichts. Diese Situation war insbesondere aus der Perspektive der Antragsteller prekär angesichts dessen, dass in bestimmten Konstellationen ungewiss sein konnte, ob nun die Klage und der Aussetzungsantrag zusammen beim Verwaltungsgericht einzureichen waren oder die Klage beim Verwaltungsgericht und der Aussetzungsantrag beim Conseil d’État. Dennoch hielt ein Dekret aus dem Jahr 1980 an dem Aussetzungsverbot für die Verwaltungsgerichte bei den ordre public betreffenden Verwaltungsakten fest und nahm nur solche davon aus, die die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in Frankreich betrafen11. Erst im Jahr 1983 wurde es dann schließlich abgeschafft12, 13. 3  Gabolde,

DA Februar 1993, 1; Gleizal, AJDA 1975, 381. Abs. 1 und Art. 2 Dekret Nr. 53-934 v. 30.  September 1953, JORF v. 1. Oktober 1953, 8593. 5  Art. 9 Abs. 1 Dekret Nr. 53-934 v. 30.  September 1953, JORF v. 1.  Oktober 1953, 8594. 6  Abs. 2 der vorgenannten Vorschrift. 7  Art. 3 Dekret Nr. 69-87 v. 28. Januar 1969, JORF v. 30. Januar 1969, 1028. 8  Rihal, Cahiers Ponant Nr. 8 (Frühling / Sommer 2003), 123 [126]. 9  CE v. 26.  November 1954, Van Peborgh, Az.  33248, Rec. Leb. 1954, 626. 10  CE v. 23.  Juli 1974, Ferrandiz Gil Ortega, Az.  94144, Rec. Leb. 1974, 447. 11  Art. 1 Dekret Nr. 80-339 v. 12.  Mai 1980, JORF v. 14.  Mai 1980, 1208. 4  Art. 1

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A. Geschichtliche Entwicklung

Die materiellen Voraussetzungen für eine Aussetzung wurden in den betreffenden Vorschriften lange Zeit nicht bestimmt. Die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien14 fanden schließlich Eingang in ein Dekret aus dem Jahr 1963: Durch die Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsakts mussten schwer reparable Nachteile drohen und es musste ein ernstlicher Klagegrund (moyen sérieux) vorliegen15. Das Dekret war auf den Conseil d’État bezogen, die gleichen Bedingungen galten aber ungeschrieben auch für die Aussetzung durch die Verwaltungsgerichte. Für die im Jahr 1987 geschaffenen Verwaltungsberufungsgerichtshöfe (cours administratives d’appel) gab es eine entsprechende ausdrückliche Regelung16. 1213

Die Rechtsprechung legte bei dem Erfordernis des Drohens schwer reparabler Nachteile ein enges Begriffsverständnis zugrunde, etwa wurden Vermögensschäden grundsätzlich nicht als schwer reparabel angesehen17. Im Rahmen der Voraussetzung des ernstlichen Klagegrundes wurde regelmäßig eine umfassende Prüfung vorgenommen und der „moyen sérieux“ mehr oder weniger mit einem „moyen fondé“ gleichgesetzt, was das Verfahren oftmals erheblich verzögerte18. Und selbst wenn die beiden Bedingungen bejaht wurden, hatte das Gericht nach der Rechtsprechung Association de sauvegarde du quartier Notre-Dame19 noch einen Ermessensspielraum, dennoch von der Aussetzung abzusehen. Insgesamt hatte das als sursis à exécution bezeichnete allgemeine Aussetzungsverfahren bzw. seine Anwendung also einen restriktiven Charakter und war zudem häufig langwierig. Vor diesem Hintergrund wurden in bestimmten Bereichen spezielle erleichterte Aussetzungsverfahren geschaffen20. 12  Art. 1

Dekret Nr. 83-59 v. 27.  Januar 1983, JORF v. 30.  Januar 1983, 454. der sich über dreißig Jahre hinziehenden Entwicklung Rihal, Cahiers Ponant Nr. 8 (Frühling / Sommer 2003), 123 [125 ff.]; Gaudemet, RFDA 1988, 420 [422 f.]. 14  Vgl. Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 33 ff., 63 f.; Gleizal, AJDA 1975, 381 [391 ff.]. 15  Art. 54 Abs. 4 Dekret Nr. 63-766 v. 30.  Juli 1963, JORF v. 1.  August 1963, 7111. 16  Art. 6 Abs. 2 Dekret Nr. 88-707 v. 9. Mai 1988, JORF v. 10. Mai 1988, 6887; Art. R125 Abs. 2  code  TA / CAA, JORF v. 10.  September 1989, 11501. 17  Siehe unten sub B. II. 1. a) aa), S. 100. 18  Ausführlich unten sub B. II. 1. b) aa), S. 113 f. 19  CE v. 13. Februar 1976, Association de sauvegarde du quartier Notre-Dame, Az. 99708, Rec. Leb. 1976, 100 [101]. Siehe auch CE v. 2. Juli 1982, Huglo et autres, Az. 25288, 25323, Rec. Leb. 1982, 257 [258]: „le sursis à exécution n’est pour le juge qu’une simple faculté, alors même qu’existent des moyens sérieux d’annulation et un préjudice difficilement réparable“. 20  Dazu Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [28 ff.]; Gaudemet, RFDA 1988, 420 [426]; Rihal, Cahiers Ponant Nr. 8 (Frühling / Sommer 2003), 123 [130]; Gabol13  Zu

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I. Frankreich27

Im Jahr 1995 wurde das allgemeine Aussetzungsverfahren bei den Verwaltungsgerichten um ein weiteres allgemeines Verfahren zur vorläufigen Aussetzung für maximal drei Monate ergänzt21. Die materiellen Voraussetzungen dieses zusätzlichen Verfahrens22 waren allerdings nicht lockerer als die des klassischen sursis à exécution, sondern es war sogar das Drohen irreversibler Nachteile durch die Vollziehung erforderlich. Allerdings war hier für die Aussetzungsentscheidung anders als sonst nun grundsätzlich ein Einzelrichter statt einer Kollegialbesetzung zuständig. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Entwicklung in Frankreich im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert durch eine starke Zurückhaltung gegenüber der Aussetzung von Verwaltungsakten gekennzeichnet war. Dem Grundsatz des fehlenden Supensiveffekts von Rechtsbehelfen wurde großes Gewicht beigemessen. Die Verwaltung sollte in ihrer Tätigkeit möglichst wenig behindert werden. Die allgemeinen Aussetzungsverfahren wurden restriktiv gehandhabt und waren vom Ausnahmecharakter der Aussetzung geprägt; die erleichterten besonderen Aussetzungsverfahren blieben auf begrenzte Spezialbereiche beschränkt. b) Andere Verfahren Neben den Aussetzungsverfahren entstanden einige andere verwaltungsgerichtliche einstweilige Verfahren: Das älteste von ihnen ist ein Beweissicherungsverfahren (sogenannter constat d’urgence). Die Präfekturräte begannen im neunzehnten Jahrhundert, im Eilweg die Feststellung von Tatsachen durch einen Sachverständigen zur Beweissicherung anzuordnen23. Diese Praxis wurde vom Conseil d’État gebilligt24, allerdings konnte ohne eine gesetzliche Ermächtigung nicht der Präsident des Präfekturrats als Einzelrichter entscheiden, sondern nur der Rat als Ganzes. Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 1889 das de, DA Februar 1993, 1 [2]; Porcell, AJDA 1984, 149 [149 f.]. Auf diese speziellen Verfahren wird hier nicht weiter eingegangen. 21  Art. 65 Gesetz Nr. 95-125 v. 8. Februar 1995, JORF v. 9. Februar 1995, 2182; Art. L10  code  TA / CAA. 22  Für seine Anwendbarkeit musste gleichzeitig auch ein sursis à exécution-Antrag gestellt sein und es diente der Überbrückung des Zeitraums bis zur Entscheidung über den sursis à exécution-Antrag. 23  Allgemein zu der Entwicklung einstweiliger Verfahren bei den Präfekturräten Drago, RDP 1953, 297 [297 ff.]; Gabolde, D 1949, chronique XLI, 172 [172]. 24  CE v. 26. Dezember 1873, Ville d’Alger, Az.  45279, Rec. Leb. 1873, 966; CE v. 28. Mai 1886, Perrichont, Az.  63876, Rec. Leb. 1886, 461.

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A. Geschichtliche Entwicklung

Beweissicherungsverfahren schließlich gesetzlich geregelt und dem Präsidenten des Präfekturrats die Anordnungsbefugnis übertragen25. Durch ein Dekret aus dem Jahr 1926 wurden über die Tatsachenfeststellung zur Beweissicherung durch einen Sachverständigen hinaus weitergehende Anordnungsbefugnisse eingeführt26. Der Präsident des Präfekturrats konnte nunmehr allgemein eine Expertise oder eine Zeugenvernehmung anordnen. Da dafür allerdings das Einverständnis aller Parteien erforderlich war, erlangte dieses Verfahren in der Praxis keine Bedeutung27. Für den Conseil d’État gab es lange Zeit außer dem Aussetzungsverfahren keine anderen Regelungen zu einstweiligen Verfahren. In einer Verordnung aus dem Jahr 1945 wurde dann bestimmt, dass der Präsident der section du contentieux im Eilfall alle im Hinblick auf die Lösung einer Streitsache zweckmäßigen Maßnahmen anordnen durfte, wobei seine Entscheidung nicht die Hauptsache vorwegnehmen durfte28. Von dieser Möglichkeit wurde aber nur sehr zurückhaltend und selten Gebrauch gemacht29. Laut Drago30 ist die Entscheidung Société Fousse et Ewald aus dem Jahr 195231 die erste auf die sieben Jahre zuvor eingeführte Vorschrift gestützte Entscheidung des Conseil d’État. Vor den Verwaltungsgerichten wurde im Jahr 1955 ein référé eingeführt32. Im Eilfall konnte der Gerichtspräsident oder ein von diesem bestimmter Richter „sans faire préjudice au principal et sans faire obstacle à l’exécution d’aucune décision administrative“ alle zweckmäßigen Maßnahmen anordnen. Ausgenommen waren allerdings – ähnlich wie beim Aussetzungsverfahren33 – Streitsachen „intéressant l’ordre et la sécurité publique“. Genauso wie bei der Regelung für den Conseil d’État war dem Wortlaut nach angesichts der offenen Formulierung „toutes mesures utiles“ die Palet25  Art. 24 Gesetz v. 22.  Juli 1889 (loi sur la procédure à suivre devant les conseils de préfecture), JORF v. 24.  Juli 1889, 3638 f. 26  Art. 17 Dekret v. 26. September 1926, JORF v. 29. September 1926, 10765. 27  Frier, AJDA 1980, 67 [67]; Drago, RDP 1953, 297 [299]. 28  Art. 34 Abs. 3 Verordnung Nr. 45-1708 v. 31.  Juli 1945, JORF v. 1.  August 1945, 4772. 29  Frier, AJDA 1980, 67 [67]. 30  Drago, RDP 1953, 297 [297]. 31  CE v. 25. Juni 1952, Société Fousse et Ewald, Rec. Leb. 1952, 336 – Anordnung der Feststellung des Zustands einer Lieferung von Kaninchenfellen durch einen Sachverständigen zum Zweck der Beweissicherung. 32  Art. 1 Gesetz Nr. 55-1557 v. 28. November 1955, JORF v. 1. Dezember 1955, 11646. 33  Art. 9 Abs. 2 Dekret Nr. 53-934 v. 30.  September 1953, JORF v. 1.  Oktober 1953, 8594, dazu oben sub a), S. 25. 24



I. Frankreich29

te der möglichen Anordnungsinhalte breit. Als zweckmäßige Maßnahmen kamen zum einen Maßnahmen zur Tatsachenermittlung und Beweiserhebung (mesures d’instruction) in Betracht wie etwa Sachverständigengutachten oder Zeugenvernehmungen. Zum anderen fielen Sicherungsmaßnahmen (mesures conservatoires) darunter. Bei diesen war der Anwendungsbereich aber von vornherein stark begrenzt: Zunächst dadurch, dass durch die Anordnung nicht die Vollziehung eines Verwaltungsakts behindert werden durfte34. Vor allem aber ging man davon aus, dass es den Verwaltungsgerichten verwehrt sei, der Verwaltung Weisungen (injonctions) zu erteilen35, 36. Vor diesem Hintergrund war die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen zu Gunsten Privater grundsätzlich ausgeschlossen und wurden Sicherungsmaßnahmen praktisch nur zu Gunsten der Verwaltung angeordnet37, 38. Das alte Beweissicherungsverfahren constat d’urgence ging im référé auf, die Tatsachenfeststellung zur Beweissicherung durch einen Sachverständigen war eine der möglichen zweckmäßigen Ermittlungsmaßnahmen (mesures d’instruction). Prozessual war bei den Verwaltungsgerichten der référé aber aufwendiger. Denn bei dem alten Verfahren reichte eine bloße Benachrichtigung der potentiellen Gegenparteien über die Anordnung39, nunmehr musste vor der Anordnung ein kontradiktorisches Verfahren durchgeführt werden40. Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 1959 bei den Verwal34  Diese Einschränkung enthielt die für den Conseil d’État geltende Regelung nicht. 35  Vgl. mit weiteren Nachweisen Gabolde, D 1955, chronique XXX, 163 [163]; Gaudemet, RFDA 1988, 420 [430]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn.  1085 ff.; Moderne, RFDA 1990, 798. 36  Der Grundsatz des Weisungsverbots für die Verwaltungsgerichte bezog sich vor allem auf Handlungsanordnungen (injonctions de faire). Wie die Existenz der gerichtlichen Aussetzungsmöglichkeit im Wege des sursis à exécution zeigt, waren Unterlassungsanordnungen (injonctions de ne pas faire) nicht schlechthin ausgeschlossen (Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1087). Allerdings waren auch hierbei der Ausnahmecharakter des sursis à exécution und die Zurückhaltung der Gerichte bei seiner Anordnung Ausdruck einer von einem grundsätzlichen Weisungsverbot ausgehenden Denkweise. Das Weisungsverbot bezog sich ferner nicht auf Handlungsanordnungen in Form von Beweisanordnungen (injonctions d’instruction), wie beispielsweise die Anordnung der Vorlage von Unterlagen (Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1087, 992). 37  Gaudemet, RFDA 1988, 420 [429 f.]. 38  Zum Sonderfall der an die Verwaltung gerichteten Anordnung der Übermittlung von Dokumenten Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1618. 39  Art. 24 Abs. 2 Gesetz v. 22.  Juli 1889 (loi sur la procédure à suivre devant les conseils de préfecture), JORF v. 24.  Juli 1889, 3638 f. 40  Art. 24 Abs. 2 Gesetz v. 22.  Juli 1889 in der durch Art. 1 Gesetz Nr. 55-1557 v. 28.  November 1955 geänderten Fassung, JORF v. 1.  Dezember 1955, 11646.

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tungsgerichten der constat d’urgence als gesondertes Verfahren, das nichtkontradiktorisch sein konnte, schließlich wieder eingeführt41, 42. In den auf den Conseil d’État bezogenen Bestimmungen gab es hierfür auch weiterhin keine gesonderte Regelung, sondern nur eine allgemeine Ermächtigung43. Da diese allerdings anders als die auf die Verwaltungsgerichte bezogene Vorschrift nicht festlegte, ob ein kontradiktorisches Verfahren durchzuführen war oder nicht, war beim Conseil d’État eine gesonderte Regelung zum Beweissicherungsverfahren entbehrlich. Im Jahr 1969 wurde beim référé das Anordnungsverbot für die Verwaltungsgerichte aus dem Gesetz von 1955 bei die Ordnung und die öffentliche Sicherheit betreffenden Streitsachen aufgehoben44. Im Jahr 1988 wurde dann bei den Verwaltungsgerichten und den Verwaltungsberufungsgerichtshöfen für die Beweisanordnungen ein eigenes Verfahren geschaffen45. In seinem Wege konnten „toutes mesures utiles d’expertise ou d’instruction“46 angeordnet werden (sogenannter référé-instruction). Die Eilbedürftigkeit war dabei keine Tatbestandsvoraussetzung mehr und auch die Einschränkungen „sans faire préjudice au principal et sans faire obstacle à l’exécution d’aucune décision administrative“ tauchten nicht mehr auf. Das diese Einschränkungen und die Tatbestandsvoraussetzung der Eilbedürftigkeit enthaltende alte Verfahren existierte fort47 und umfasste nur noch die – insgesamt seltenen – Sicherungsanordnungen. In der auf den Conseil d’État bezogenen Regelung war weiterhin ohne Differenzierung zwischen Ermittlungsmaßnahmen und Sicherungsmaßnahmen von „toute mesure en vue de la solution d’un litige“ die Rede48. Freilich war die betreffende Bestimmung generalklauselartig gefasst und enthielt weder die Bedingung der Eilbedürftigkeit noch sonst irgendwelche ausdrücklichen Einschränkungen. 41  Art. 3

Dekret Nr. 59-515 v. 10. April 1959, JORF v. 11. April 1959, 4071. Contentieux administratif (2008), Rn. 1631. 43  Art. 27 Abs. 3 Dekret Nr. 63-766 v. 30. Juli 1963, JORF v. 1. August 1963, 7110. 44  Art. 5 Dekret Nr. 69-86 v. 28. Januar 1969, JORF v. 30. Januar 1969, 1027. 45  Art. 2 Dekret Nr. 88-907 v. 2. September 1988, JORF v. 3. September 1988, 11253; Art. R128  code  TA / CAA, JORF v. 10.  September 1989, 11501. Zu dem Dekret v. 2. September 1988 allgemein Chabanol, AJDA 1988, 733. 46  Das Wort „ou“ ist insofern irreführend, als auch die Expertise eine Ermittlungsmaßnahme ist (vgl. unten sub E. III. 1. b) aa), S. 207). 47  Art. 2 Dekret Nr. 88-907 v. 2. September 1988, JORF v. 3. September 1988, 11253; Art. R130  code  TA / CAA, JORF v. 10.  September 1989, 11501. 48  Art. 4 Dekret Nr. 88-907 v. 2.  September 1988, JORF v. 3.  September 1988, 11253. 42  Chapus,



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Ferner wurde im Jahr 1988 eine gänzlich neue Anordnungsmöglichkeit geschaffen: Im Fall des Bestehens einer nicht ernstlich bestreitbaren Geldforderung konnte im einstweiligen Verfahren die Zahlung eines Vorschusses (provision) an den Gläubiger angeordnet werden (sogenannter référéprovision)49. 2. Die Reform im Jahr 2000 Das System der einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Frankreich wurde durch eine grundlegende Reform im Jahr 2000 in vielen Punkten neu geregelt50, 51. Hintergrund dieser Reform war, dass die gesetzliche Ausgestaltung des Anwendungsbereichs und der Anordnungsvoraussetzungen sowie deren Handhabe durch die Verwaltungsgerichte zunehmend als defizitär und deutlich zu restriktiv wahrgenommen wurden. Mangels Erfolgsaussichten vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit kam es auch vermehrt zu Ausweichbewegungen hin zu den Zivilgerichten, die zu einer extensiven Anwendung des Instituts der voie de fait, für die der Zivilrechtsweg gegeben ist52, tendierten53, 54. Ziel der Reform war es, den An49  Für die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsberufungsgerichtshöfe Art. 2 Dekret Nr. 88-907 v. 2. September 1988, JORF v. 3. September 1988, 11253; Art. R129  code  TA / CAA, JORF v. 10.  September 1989, 11501. Für den Conseil d’Etat Art. 4 Dekret Nr. 88-907 v. 2.  September 1988, JORF v. 3.  September 1988, 11253. 50  Gesetz Nr. 2000-597 v. 30.  Juni 2000, JORF v. 1.  Juli 2000, 9948 und Dekret Nr. 2000-1115 v. 22. November 2000, JORF v. 23. November 2000, 18611. Die Gesetzesmaterialien finden sich zusammengestellt auf der Internetseite des Senats unter http: /  / www.senat.fr / dossier-legislatif / refereadm.html (Seitenaufruf 3.  März 2013), siehe außerdem den Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941. 51  Zu dieser Reform ist viel geschrieben worden. Siehe etwa Labetoulle, AJDA 2001, 211; Labetoulle, AJDA 1999, SN, 79; Denoix de Saint Marc, AJDA 2002, 1; Vandermeeren, AJDA 2000, 706; Pacteau, RFDA 2000, 959; Thiriez, LPA 21. April 1999, Nr. 79, 4; Deygas, Procédures Juni 1999, 3; Clément, LPA 10. August 2000, Nr. 159, 6; Claisse / Cano, LPA 9. April 2001, Nr. 70, 5; Favret, DA November 2000, 9; Morlot-Dehan, LPA 4.  September 2000, Nr. 176, 4; Février, DA Juli 1999, 25; Dugrip, JCP 1999, Actualité, Nr. 51 / 52, 2281; Dugrip, RFDA 2002, 245; Rouault, LPA 3. August. 1999, Nr. 153, 9; Rouault, D 2001, 398; Fouletier, RFDA 2000, 963; Pissaloux, DA Oktober 2001, 4 Pissaloux, DA November 2001, 8; Marchand, RGCT 2000, 89; Monteillet, Gaz. Pal. 8. / 9.  September 2000, Nr. 252 / 253, 25 = Rec. bim.  September / Oktober 2000, doctrine, 1517; Boiteau, JCP 2001, Actualité, Nr. 2, 53. 52  Die Grundidee der voie de fait ist, dass ausnahmsweise die Zivilgerichte angerufen werden können, wenn die Verwaltung in offenkundig kompetenzüberschreitender Weise eine schwere Grundrechtsverletzung begeht. Vgl. allgemein zu diesem Institut Peiser, Droit administratif (2011), 245 ff.; Lebreton, Droit administratif

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A. Geschichtliche Entwicklung

wendungsbereich der verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren auszudehnen und den Erlass einstweiliger Anordnungen durch die Verwaltungsgerichte zu erleichtern. Im neu geschaffenen CJA, der am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist und in dem die Vorschriften zum Verwaltungsprozessrecht zusammengefasst worden sind55, 56, ist den einstweiligen Verfahren das fünfte Buch gewidmet. Die verschiedenen Verfahren sind nun dergestalt vereinheitlicht, dass nicht mehr hinsichtlich der einzelnen Verfahren für den Conseil d’État andere Vorschriften gelten als für die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsberufungsgerichtshöfe. In begrifflicher Hinsicht werden die Verfahren nun durchgehend als référé-Verfahren bezeichnet, das fünfte Buch des CJA trägt die Überschrift „Le référé“ und enthält einen allgemeinen ersten Titel „Le juge de référés“. 5354

In prozessualer Hinsicht ist als bedeutende Neuerung durch die Reform besonders bemerkenswert, dass abweichend von dem traditionell im französischen Verwaltungsgerichtsprozess geltenden Schriftlichkeitsgrundsatz57 das Verfahren nunmehr auch mündlich sein kann58. Diese Änderung beschränkt sich nicht auf den formalen Verfahrensaspekt, sondern mit der Einführung von Mündlichkeitselementen ist auch ein inhaltlicher Wandel in der Art der Prozessführung und dem Rollenverständnis des Verwaltungsrichters verbunden hin zu einer Flexibilisierung des Verfahrens und der Ermög(2011), Rn.  230 ff.; Truchet, Droit administratif (2011), 121 f.; Dupuis / Guédon / Chrétien, Droit administratif (2007), 662  ff.; Lombard / Dumont, Droit administratif (2007), Rn.  652 ff. 53  Fromont, FS BVerwG (2003), 93 [101]; Abraham, FS Braibant (1996), 1; Dugrip, JCP 1999, Actualité, Nr. 51 / 52, 2281 [2281]; Deygas, Procédures Juni 1999, 3 [3]; Bachelier, RFDA 2002, 261 [261]; aus den Materialien zur Reformgesetzgebung: Nationalversammlung, 11. Legislaturperiode, Bericht Nr. 2002 von François Colcombet v. 8. Dezember 1999, 12, abrufbar unter http: /  / www.assemblee-nationale. fr / 11 / pdf / rapports / r2002.pdf (Seitenaufruf 3.  März 2013). 54  Diese Praxis wurde vom Tribunal des conflits wiederholt beanstandet (TC v. 15. April 1991, Préfet de la région Lorraine, Az.  02654, Rec. Leb. 1991, 463; TC v. 20.  Juni 1994, Madaci et Youbi, Az.  02932, Rec. Leb. 1994, 602; TC v. 4.  November 1996, Préfet de la Guadeloupe, Az.  03035, Rec. Leb. 1996, 554; TC v. 12. Mai 1997, Préfet de Police de Paris, Az. 03056, Rec. Leb. 1997, 528; TC v. 23. Oktober 2000, Boussadar, Az. 3227, Rec. Leb. 2000, 775). 55  In den CJA, der aus einem Gesetzesteil („L“-Artikel) und einen Verordnungsteil („R“-Artikel) besteht, gingen der code des tribunaux administratifs et des cours administratives d’appel (code TA / CAA) sowie verschiedene auf den Conseil d’État bezogene Gesetze und Dekrete ein. Er bildet das Pendant zur deutschen VwGO. 56  Zur Einführung des CJA Deygas, Procédures Juli 2000, 3; Chapus, RFDA 2000, 929; Arrighi de Casanova, AJDA 2000, 639. 57  Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 955 f. 58  Art. L522-1 Abs. 1  CJA.



I. Frankreich33

lichung eines interaktiven Dialogs59 zwischen dem Richter und den Prozessbeteiligten, in dessen Rahmen der Richter auch vermittelnd und schlichtend auftreten und auf eine gütliche Streitbeilegung hinwirken kann60, 61. Die Aussetzungsverfahren wurden im Rahmen der Reform grundlegend umgestaltet. Die Grundlinie war dabei, die gerichtliche Aussetzung von Verwaltungsakten zu erleichtern. Das 1995 neu eingeführte ergänzende allgemeine Aussetzungsverfahren, das weitgehend wirkungslos geblieben war und die Rechtslage verkompliziert hatte, wurde wieder abgeschafft, zumal nun ohnehin gemäß Art. L511-2 CJA grundsätzlich eine Einzelrichterzuständigkeit besteht. Die materiellen Anordnungsvoraussetzungen des klassischen allgemeinen Aussetzungsverfahrens, das seit der Reform référé-suspension und nicht mehr sursis à exécution heißt, wurden gelockert: Die Bedingung der schwer reparablen Nachteile wurde ersetzt durch die offenere Bedingung der Eilbedürftigkeit62. Außerdem reichen jetzt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des auszusetzenden Verwaltungsakts63. Ausdrücklich möglich ist nunmehr auch die Aussetzung von Ablehnungsentscheidungen64. Gänzlich neu geschaffen wurde ein eigenes Eilverfahren zum Schutz von Grundfreiheiten (sogenannter référé-liberté)65. In seinem Wege können im Eilfall bei einer drohenden schweren und offenkundig rechtswidrigen Verletzung einer Grundfreiheit alle zu ihrem Schutz notwendigen Maßnahmen angeordnet werden. Bei dem allgemein auf Sicherungsanordnungen gerichteten Verfahren (sogenannter référé-mesures-utiles oder référé-autres-mesures oder référé conservatoire) wurde die Einschränkung „sans faire préjudice au principal“ gestrichen66. Beim constat d’urgence wurde die Eilbedürftigkeit als Anordnungsvoraussetzung abgeschafft; das Verfahren wird jetzt als référé-constat bezeichnet. Beim référé-instruction gab es keine Änderungen67. 59  Lyon-Caen,

FS Labetoulle (2007), 585. FS Labetoulle (2007), 795 [799, 801]; Gondouin, RFDA 2007, 68 [71]. 61  Auf die Thematik der „oralité“ und die damit verbundenen Aspekte wird hier nicht weiter eingegangen. Vgl. dazu neben den Vorgenannten noch Chemin, AJDA 2011, 604; Lasserre, FS Labetoulle (2007), 545; Cassia / Béal, JCP 2001, I-365, Nr. 48, 2189 [2192 f.]; Labetoulle, AJDA 2001, 211; Richer, RFDA 2002, 269 [270 f.]; Raymond, JCP Adm. 2005, 1054, Nr. 4, 303; Blanchet / Nerenhausen, AJDA 2007, 1912; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 27 ff. 62  Dazu unten sub B. II. 1. a), S. 99 ff. 63  Dazu unten sub B. II. 1. b), S. 113 ff. 64  Dazu unten sub C. I. 1. a), S. 135 ff. 65  Dazu unten sub C. I. 2., S. 146 ff. 66  Näher zu diesem Verfahren unten sub C. I. 3., S. 158 ff. 67  Näher zu diesen beiden Verfahren unten sub E., S. 203 ff. 60  Stirn,

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A. Geschichtliche Entwicklung

Beim référé-provision wurde auf das bis dahin bestehende Erfordernis verzichtet, dass Klage in der Hauptsache eingelegt sein musste68. Im fünften Buch des CJA gibt es damit aktuell insgesamt sechs allgemeine référés. Diese lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Das Aussetzungsverfahren (référé-suspension)69, das Grundfreiheitenverfahren (référéliberté)70 und das Sicherungsverfahren (référé-mesures-utiles)71 stehen unter der Tatbestandsvoraussetzung der Eilbedürftigkeit. Sie bilden die Gruppe der sogenannten référés d’urgence und sind unter dem zweiten Titel des fünften Buchs geregelt. Keine Tatbestandsvoraussetzung ist die Eilbedürftigkeit bei den Beweisverfahren (référé-constat und référé-instruction)72 und dem Vorschussverfahren (référé-provision)73, die unter dem dritten und vierten Titel des fünften Buchs im Verordnungsteil geregelt sind. 3. Zwischenergebnis Der rechtshistorische Überblick über die Entwicklung in Frankreich hat gezeigt, dass im Laufe des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts eine Vielzahl einstweiliger verwaltungsgerichtlicher Verfahren entstanden ist, die allerdings weitgehend restriktiv ausgestaltet waren und in der gerichtlichen Praxis nur geringe Bedeutung erlangten. Eine wichtige Zäsur erfolgte dann durch die Gesetzesreform im Jahr 2000, durch die die Verfahren grundlegend neu gestaltet wurden. Darauf wird im weiteren Gang der Untersuchung noch näher eingegangen.

II. Deutschland 1. Bis zum Inkrafttreten der VwGO In Deutschland war die Rechtslage bis zum Inkrafttreten der VwGO im Jahr 1960 einzelstaatlich zersplittert. Die historische Entwicklung in den verschiedenen Ländern kann an dieser Stelle nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. Es wird lediglich ein grober Überblick gegeben, wofür 68  Näher

zu diesem Verfahren unten sub D., S. 187 ff.

69  Art. L521-1  CJA. 70  Art. L521-2  CJA. 71  Art. L521-3  CJA. 72  Art. R531-1

und R532-1 CJA.

73  Art. R541-1  CJA.



II. Deutschland35

beispielhaft chronologisch und nach Ländern geordnet einzelne Vorschriften dargestellt werden74. a) Aussetzung von Verwaltungsakten aa) Badische Vollzugsverordnung zum Verwaltungsgesetz von 1863 und badisches Verwaltungsrechtspflegegesetz von 1884 Im Großherzogtum Baden enthielt die Vollzugsverordnung75 zum Verwaltungsgesetz aus dem Jahr 186376, durch das eine Verwaltungsgerichtsbarkeit geschaffen wurde, in § 80 eine Regelung zum Suspensiveffekt von Rekursen sowie zur Anordnung und Aussetzung der Vollziehung, die in ihrer Grundstruktur dem heutigen § 80 VwGO bereits verblüffend ähnelt. Diese Vorschrift soll daher hier wörtlich wiedergegeben werden: „Die Einlegung des Rekurses hat aufschiebende Wirkung, wenn die Anzeige innerhalb 8 Tagen nach Eröffnung der Entscheidung erfolgt. Wegen besonders dringenden Umständen kann jedoch der Vollzug, falls hierdurch kein unwi[e]derbringlicher Nachtheil für eine Partei entsteht, auch bei rechtzeitig erfolgter Rekursanzeige gestattet oder befohlen werden. Zu dieser Anordnung ist sowohl die entscheidende Behörde als die Rekursstelle befugt, welche letztere indessen den Vollzug jederzeit wieder einstellen kann. Auch kann bei verspäteter Anzeige des Rekurses, so ferne entweder die Fristen des §. 77[77] noch im Laufe, oder die Voraussetzungen des §. 79, Absatz 2[78] vorhanden sind, Einhalt mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses bewilligt werden; der Einhalt muß unter der eben erwähnten Voraussetzung alsdann immer bewilligt werden, wenn mit dem Vollzug ein unwiederbringlicher Nachtheil für eine Partei verbunden ist.“

Der Begriff des „Rekurses“ umfasste dabei die gegen eine verwaltungsbehördliche oder -gerichtliche Entscheidung gerichteten gerichtlichen und 74  Außerdem bleiben im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ganz außer Betracht die Zeit des Nationalsozialismus und die Rechtslage in der DDR. 75  Vollzugsverordnung zum Gesetze über die Organisation der inneren Verwaltung; insbesondere die Einrichtung und Zuständigkeit der Behörden und das Verfahren betreffend v. 12. Juli 1864, Großherzoglich Badisches Regierungsblatt v. 30. Juli 1864, 333. 76  Gesetz, die Organisation der innern Verwaltung betreffend v. 5. Oktober 1863, Großherzoglich Badisches Regierungsblatt v. 24.  Oktober 1863, 399. 77  Dieser enthielt die allgemeinen Rekursfristen, die vorbehaltlich abweichender Spezialregelungen 21 Tage „in Verwaltungssachen so wie in Bürgerannahmssachen“ bzw. 42 Tage „in andern Verwaltungsstreitsachen“ bzw. zehn Tage bei Rekursen „gegen Verfügungen der Bezirksämter in Polizeistrafsachen, in so weit dieselben im Verwaltungswege zu erledigen sind“, betrugen. 78  Dort war die „Wiederherstellung oder Nachsicht“ bei unverschuldeter Versäumnis der allgemeinen Rekursfristen geregelt.

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A. Geschichtliche Entwicklung

außergerichtlichen Rechtsbehelfe79. Entsprechend konnte die „entscheidende Behörde“ im Sinne von Abs. 2 auch ein Gericht sein80 und die „Rekursstelle“ auch eine Behörde. Prägende Strukturmerkmale des § 80 VwGO waren bereits vorhanden. Wie bei diesem wurde grundsätzlich einstweiliger Rechtsschutz dadurch gewährt, dass der Rechtsbehelf automatisch aufschiebende Wirkung entfaltete; insoweit bedurfte es keines Aussetzungsverfahrens mehr. Regelungstechnisch interessant ist, dass anders als bei § 80 Abs. 1 VwGO aber die aufschiebende Wirkung von der schnellen Einlegung des Rechtsbehelfs abhängig gemacht wurde. Es gab abgestuft zwei Fristen: die allgemeine Rekursfrist und innerhalb dieser eine kürzere Frist von acht Tagen für die aufschiebende Wirkung. Nach deren Ablauf konnte gemäß Abs. 3 während der allgemeinen Rekursfrist und bei Wiedereinsetzung81 die Aussetzung angeordnet werden. Bei einem unwiederbringlichen Nachteil für eine Partei durch den Vollzug war dies sogar zwingend vorgesehen. Die in Abs. 2 vorgesehene Anordnung der Vollziehung ungeachtet eines rechtzeitig innerhalb der 8-Tages-Frist eingelegten Rekurses ist mit § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO82 vergleichbar. An Stelle des dort erforderlichen besonderen Vollziehungsinteresses („im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten“) waren die „besonders dringenden Umstände“ positive Anordnungsvoraussetzung, darüber hinaus wurde negativ die Anordnung der Vollziehung ausgeschlossen für den Fall, dass durch den Vollzug ein unwiederbringlicher Nachteil für eine Partei entstehen würde. Bemerkenswert ist die in Abs. 2 S. 2 a. E. der Rekursstelle eingeräumte Befugnis, den Vollzug wieder einzustellen. Die Rekursstelle konnte also eine von der ursprünglich entscheidenden Stelle angeordnete Vollziehung wieder aussetzen. Im heutigen Recht findet sich das in der Aussetzung durch die Widerspruchsbehörde nach § 80 Abs. 4 S. 1 VwGO und in der gerichtlichen Aussetzung einer behördlichen Vollziehungsanordnung durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 79  Vgl. systematisch etwa die §§ 75 Abs. 1, 74 Abs. 1, 84 der Vollzugsverordnung. 80  Dass nicht durchgehend terminologisch scharf zwischen Gericht und Behörde unterschieden wurde, zeigt einmal mehr den Ursprung der Verwaltungsgerichtsbarkeit: in der Exekutive. 81  Vgl. neben dem in § 80 Abs. 3 der Vollzugsverordnung genannten § 79 Abs. 2 noch den Abs. 3 dieser Vorschrift, welcher lautet: „Die Nachsicht muß stets verweigert werden, wenn zur Ausübung einer Befugniß, deren gesetzmäßige Ertheilung der Rekurrent bestreitet, bereits offene Anstalten getroffen und seit dem ersten Beginne solcher Anstalten schon drei Monate abgelaufen sind.“ 82  Dazu unten sub B. I. 2. c), S. 66 f.



II. Deutschland37

VwGO wieder. Ob allerdings auch bei § 80 Abs. 2 der badischen Vollzugsverordnung schon an eine gerichtliche Überprüfung behördlicher Vollziehungsanordnungen gedacht war, sei hier dahingestellt83. Jedenfalls lässt sich zu § 80 der Vollzugsverordnung festhalten, dass die den heutigen § 80 VwGO prägenden Charakteristika „automatische aufschiebende Wirkung“, „Anordnung der Vollziehung“ und „Aussetzung der Vollziehung“ in dieser alten Vorschrift bereits existierten. Im Rechtsvergleich zu Frankreich ist interessant, dass mit dem materiellen Aussetzungskriterium des „unwiederbringlichen Nachteils“ eine Parallele zum alten sursis à exécution bestand, für den der Conseil d’État im neunzehnten Jahrhundert etwa auf einen „dommage irréparable“84, einen „préjudice grave et irréparable“85 oder einen „préjudice réel et irréparable“86 abstellte87. Aus der Vollzugsverordnung ist neben § 80 noch § 122 besonders erwähnenswert. Nach dieser Vorschrift hatte die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs in den Fällen des § 15 Abs. 1 Nr. 2–5 des Verwaltungsgesetzes, in denen er in erster und letzter Instanz entschied88, keine aufschiebende Wirkung. Unter anderem betraf dies die „Schuldigkeit zu Staatsabgaben“89. Hier ist bereits eine Parallele zu § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO90 erkennbar. In einem zwanzig Jahre später ergangenen badischen Gesetz zur Verwaltungsrechtspflege91, mit welchem unter anderem der eben genannte § 15 aus dem Verwaltungsgesetz von 1863 aufgehoben wurde92 und die erst- und 83  In § 41 Nr. 9 des badischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes von 1884 (dazu sogleich) war jedenfalls keine Überprüfung der behördlichen Vollziehungsanordnung und Aussetzung durch den Verwaltungsgerichtshof vorgesehen. 84  CE v. 20. Juni 1821, Clocq et autres, Az.  5042, Rec. Leb. 1821, 129. 85  CE v. 30. Dezember 1829, Cognet, [ohne Az.], Rec. Leb. 1829, 507. 86  CE v. 14.  Februar 1834, Commune de Bray en Singlais, Az. 11211, Rec. Leb. 1834, 133 [134]. 87  Die vom Conseil d’État verwendeten Begrifflichkeiten waren nicht einheitlich (mit weiteren Beispielen Gleizal, AJDA 1975, 381 [391]). In Art. 54 Abs. 4 des Dekrets Nr. 63-766 v. 30. Juli 1963 (JORF v. 1. August 1963, 7111) heißt es schließlich „conséquences difficilement réparables“ (siehe auch bereits oben sub I. 1. a), S. 26). 88  In diesen Fällen musste nach § 117 der Vollzugsverordnung ein „Vorverfahren vor den Verwaltungsbehörden“ durchgeführt werden. 89  § 15 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungsgesetzes. Darauf, was dabei der Begriff der „Staatsabgaben“ im Einzelnen umfasste, wird hier nicht eingegangen. 90  Dazu unten sub B. I. 2. b) aa), S. 61 ff. 91  Gesetz, die Verwaltungsrechtspflege betreffend v. 14. Juni 1884, Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogthum Baden v. 23.  Juni 1884, 197. 92  § 47 Nr. I. 24

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A. Geschichtliche Entwicklung

letztinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs stark ausgeweitet wurde93, hieß es dann allerdings, dass in diesen Fällen die Verwaltungsbehörden entscheiden konnten, inwieweit die angefochtene Entscheidung ungeachtet der Klageerhebung in Vollzug zu setzen sei94. Das heißt im Umkehrschluss, dass auch der erst- und letztinstanzlichen Klage vor dem Verwaltungsgerichthof nunmehr also anders als in § 122 der Vollzugsverordnung aufschiebende Wirkung beigemessen wurde. Allerdings konnten die Verwaltungsbehörden nach freiem Ermessen die Vollziehung anordnen. Eine Überprüfung der behördlichen Vollziehungsanordnung durch den Verwaltungsgerichtshof war nicht möglich. Im Unterschied zu § 80 der Vollzugsverordnung waren für die Anordnung der Vollziehung weder positive Erfordernisse95 noch negative Ausschlussgründe96 aufgestellt. bb) Württembergisches Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege von 1876 In Württemberg war im Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege aus dem Jahr 187697 geregelt, dass die Rechtsbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof98 keine aufschiebende Wirkung hatte99. Jedoch konnte auf Antrag des Beschwerdeführers der Verwaltungsgerichtshof „nach Vernehmung der Verwaltungsbehörde […] den Aufschub des Vollzugs verfügen, wenn die Vollstreckung nicht durch Rücksichten des öffentlichen Interesses geboten ist“100. cc) Bayerisches Gesetz über die Errichtung des Verwaltungsgerichthofs und das Verfahren in Verwaltungsrechtssachen von 1878 In Bayern enthielt hingegen das Gesetz aus dem Jahr 1878 über die Errichtung des Verwaltungsgerichthofs und das Verfahren in Verwaltungs93  Vgl. die Zuständigkeitskataloge in den §§ 3 und 4. Für die Zuständigkeit der Bezirksräte als Verwaltungsgerichte erster Instanz und des Verwaltungsgerichtshofs in zweiter Instanz vgl. § 2. Es wurde bei der Zuständigkeitszuweisung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit dem Enumerationsprinzip gefolgt (vgl. Hufen, Verwaltungsprozessrecht (2011), 28). 94  § 41 Nr. 9. 95  Bei § 80 der Vollzugsverordnung: besonders dringende Umstände. 96  Bei § 80 der Vollzugsverordnung: unwiederbringlicher Nachteil für eine Partei durch den Vollzug. 97  Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege v. 16. Dezember 1876, RegierungsBlatt für das Königreich Württemberg v. 22.  Dezember 1876, 485. 98  Vgl. zu dieser Beschwerde die Art. 13 ff. und 59 ff. 99  Art. 63 Abs. 1. 100  Art. 63 Abs. 2.



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rechtssachen101 eine Vorschrift102, nach der Beschwerden103, sofern es keine abweichende besondere gesetzliche Bestimmung gab, aufschiebende Wirkung hatten. Den Verwaltungsbehörden blieb aber das Recht vorbehalten, „bei Gefahr auf Verzug oder bei drohendem Nachtheile für Leben, Gesundheit oder Eigenthum im öffentlichen Interesse vorsorgliche Anordnungen zu treffen“104. dd) Preußisches Landesverwaltungsgesetz von 1883 Im preußischen Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung aus dem Jahr 1883105, 106 war geregelt, dass die Beschwerde und die Klage im Verwaltungsstreitverfahren vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Spezialbestimmungen aufschiebende Wirkung hatten107. Den Behörden wurde jedoch die Möglichkeit eingeräumt, Verfügungen, Bescheide und Beschlüsse trotz der Beschwerde oder Klage zu vollziehen, wenn die Vollziehung („Ausführung“) nach ihrem Ermessen ohne Nachteil für das Gemeinwesen nicht ausgesetzt bleiben konnte108, 109. Eine gerichtliche Überprüfung der Notwendigkeit der Vollziehung fand dann nicht statt. In einer Entscheidung des preußischen Oberverwaltungsgerichts, in der es um eine Klage einer Gemeinde gegen eine ihr auferlegte Verpflichtung zur Finanzierung von zusätzlichem Lehrpersonal für die Gemeindeschule ging, heißt es: „Soweit sich die Klage gegen die sofortige Ausführung der angefochtenen Zwangs­ etatisierungsverfügung richtet, die der Beklagte auf Grund des § 53 Satz 2 des Landesverwaltungsgesetzes vom 30. Juli 1883 angeordnet hat, ist sie überhaupt nicht zulässig; denn die Frage ob nach dem Ermessen der Behörde eine von ihr 101  Gesetz, betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes und das Verfahren in Verwaltungsrechtssachen v. 8. August 1878, Gesetz- und VerordnungsBlatt für das Königreich Bayern v. 12. August 1878, 369. 102  Art. 24. 103  Nicht behandelt wird hier die Frage, was alles unter den Begriff der „Beschwerde“ in diesem Sinne fiel. 104  Art. 24 a. E. 105  Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung v. 30. Juni 1883, Nr. 8951, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten v. 1. September 1883, 195. 106  Dazu und zur vorherigen Rechtslage in Preußen bis zurück zum Allgemeinen Landrecht von 1794 Wieseler, Vorläufiger Rechtsschutz (1967), 97 ff. 107  § 53 S. 1. 108  § 53 S. 2. 109  Ausgenommen war lediglich die Ersatzzwangshaft, hier hatten fristgerecht eingelegte Rechtsmittel immer aufschiebende Wirkung (§ 53 S. 2 a. E. iVm § 133 Abs. 3).

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getroffene Maßregel ohne Nachteil für das Gemeinwesen nicht ausgesetzt bleiben kann, ist der Nachprüfung des Verwaltungsrichters grundsätzlich entzogen.“110.

ee) Oldenburgisches Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 1906 Auch das oldenburgische Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit aus dem Jahr 1906111 enthielt eine Regelung, wonach die Klage aufschiebende Wirkung hatte, sofern nicht etwas anderes vorgeschrieben war oder die Vollziehung („Ausführung“) der angefochtenen Anordnung oder Entscheidung nach dem Ermessen der Behörde oder des Beamten keinen Aufschub duldete112, 113. Dabei wurde eine gerichtliche Überprüfung der Vollziehungsanordnung bereits im Gesetz explizit ausgeschlossen114. ff) Thüringische Landesverwaltungsordnung von 1926 Eine solche gerichtliche Überprüfbarkeit war jedoch in der Landesverwaltungsordnung für Thüringen aus dem Jahr 1926115 in § 117 Abs. 3 S. 2 vorgesehen. Der Dreiklang „automatische aufschiebende Wirkung“, „Anordnung der Vollziehung“ und „Aussetzung der Vollziehung“ war in § 117 ähnlich wie bei § 80 der badischen Vollzugsverordnung116 komplett. Die Vorschrift soll aufgrund ihrer strukturellen Vergleichbarkeit mit § 80 VwGO hier im Wortlaut wiedergegeben werden: „Die Anfechtung schiebt die Ausführung der Verfügung auf, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen. Die Verwaltungsstelle, die die Verfügung erlassen hat, kann sie jedoch zur Ausführung bringen, wenn nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen die Ausführung aus überwiegenden Gründen des gemeinen Wohles nicht ausgesetzt bleiben darf. 110  PrOVG v. 14.  Mai 1907, Az.  VIII. A. 108 / 06, PrOVGE 50, 176 [177]. Vgl. außerdem PrOVG v. 11.  Februar 1904, Az.  III. A 27 / 03, PrOVGE 45, 297 [303]; Wieseler, Vorläufiger Rechtsschutz (1967), 102. 111  Gesetz für das Großherzogtum Oldenburg, betreffend die Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 9. Mai 1906, Gesetzblatt für das Herzogtum Oldenburg v. 18. Mai 1906, 693. 112  § 59 Abs. 1 S. 1. 113  Auch hier war die Vollziehung der Ersatzzwangshaft gemäß § 59 Abs. 2 ausgeschlossen. 114  § 59 Abs. 1 S. 2: „Gegen die Ausführung ist die Klage im Verwaltungsstreitverfahren nicht gegeben.“ 115  Landesverwaltungsordnung für Thüringen v. 10. Juni 1926, Gesetzsammlung für Thüringen v. 9. Juli 1926, 177. 116  Siehe oben sub aa), S. 35 ff.



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Nach Einlegung des Rechtsmittels steht die im Absatz II vorgesehene Befugnis der mit der Entscheidung über das Rechtsmittel befassten Stelle zu. Sie kann auch Anordnungen wieder aufheben, die von der Stelle, die die angefochtene Verfügung erlassen hatte, in Ausübung dieser Befugnis bereits getroffen worden waren. Die Anfechtung der Heranziehung zu den in § 147 Abs. II Ziffer 1 und 2[117] aufgeführten Leistungen bewirkt keinen Aufschub.“

Die Rechtsmittelstelle konnte sowohl eine Behörde als auch ein Gericht sein118. Häufig musste vor einer gerichtlichen Befassung mit der Sache ein behördliches Vorverfahren durchgeführt werden119. Währenddessen war zumindest dem Wortlaut des Abs. 3 nach noch keine gerichtliche Aufhebung einer behördlichen Vollziehungsanordnung möglich, da solange noch kein Gericht mit der Entscheidung über das Rechtsmittel befasst war120. gg) Verwaltungsgerichtsgesetze in den Ländern aus der amerikanischen Besatzungszone nach 1945 Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs ergingen in den Ländern aus der amerikanischen Besatzungszone weitgehend übereinstimmende Gesetze über die Verwaltungsgerichtsbarkeit121. In diesen war in § 51122 geregelt, 117  Darin ging es um öffentliche Abgaben und um Kosten (Gebühren und Auslagen) im Verwaltungsverfahren. 118  Vgl. etwa die §§ 113, 126, 127, 134. Das Rechtsbehehlfsregime bei der Anfechtung war (unnötig) kompliziert und unübersichtlich ausgestaltet, vgl. nur § 70 Nr. 1 („Die Kreisverwaltungsgerichte sind zuständig für die Anfechtung von Verfügungen mittels Klage“) einerseits und § 71 Abs. 1 Nr. 3 („Das Oberverwaltungsgericht entscheidet über Anfechtungsklagen“) andererseits. 119  Vgl. die §§ 126, 127, 134. 120  Der Frage, ob über den Wortlaut hinaus eine Aussetzung durch das Gericht auch vor Eingang des Rechtsmittels bei ihm für zulässig gehalten wurde, wird hier ebensowenig nachgegangen wie anderen Fragen, die sich bei § 117 stellen (etwa, ob der Erlassstelle durch Abs. 3 die Befugnis genommen werden sollte, erst nach Rechtsmitteleinlegung die Vollziehung anzuordnen oder wieder auszusetzen; oder, ob ein Gericht als Rechtsmittelstelle allgemein von Amts wegen die sofortige Vollziehung anordnen können sollte). 121  Bayern: Gesetz Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 25. September 1946, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt v. 15. Oktober 1946, 281 (geändert durch Gesetz v. 30.  September 1949, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt v. 22.  Oktober 1949, 258); Hessen: Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 31.  Oktober 1946, Gesetzund Verordnungsblatt für das Land Hessen v. 15.  November 1946, 194 (geändert durch Gesetz v. 30.  Juni 1949, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen v. 19 Juli 1949, 79); Württemberg-Baden: Gesetz Nr.  110 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 16.  Oktober 1946, Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden v. 18.  Oktober 1946, 221 (geändert durch das Gesetz über die Neuordnung der Verwaltungsge-

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dass Einspruch, Beschwerde und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hatten, die Behörde aber im öffentlichen Interesse die Vollziehung anordnen konnte123. Bei Streitigkeiten über öffentliche Abgaben und Kosten hatten Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung, jedoch konnte die Behörde die Aussetzung der Vollziehung anordnen124. Gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 und 2 hatte nach Erhebung der Anfechtungsklage das Gericht eine Aussetzungsbefugnis, wobei gerichtliche Anordnungen den behördlichen vorgingen. Damit waren sowohl die gerichtliche Überprüfung einer behördlichen Vollziehungsanordnung und eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung als auch eine originäre Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei öffentlichen Abgaben und Kosten durch das Gericht möglich. Allerdings war die Wendung „nach Erhebung der Anfechtungsklage“ in Abs. 3 S. 1 im Hinblick darauf problematisch, dass vor der Klageerhebung in der Regel ein behördliches Vorverfahren durchgeführt werden musste125. Ob auch schon vor dessen Abschluss das Gericht eine Aussetzung anordnen konnte, war umstritten126, 127. 122

Die gerichtliche Aussetzungsbefugnis entfiel gemäß § 51 Abs. 4128 „gegenüber vorsorglichen behördlichen Anordnungen, die bei Gefahr im Verzurichtsbarkeit v. 12. Mai 1958, Gesetzblatt für Baden-Württemberg v. 31. Mai 1958, 131; dieses galt für das gesamte im Jahr 1952 gegründete Land Baden-Württemberg einschließlich der Gebiete Südbaden und Württemberg-Hohenzollern aus der französischen Besatzungszone); Bremen: Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 5.  August 1947, Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen v. 14. August 1947, 171 (vgl. auch bereits davor das Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 1.  Februar 1946, Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen v. 14.  Februar 1946, 17, darin insbesondere § 52). 122  Eine synoptische Gegenüberstellung des Rechtsstandes von 1950 der vier Vorschriften findet sich bei Eyermann / Fröhler, VGG, § 51. 123  § 51 Abs. 1. 124  § 51 Abs. 2. 125  Vgl. § 38 Abs. 1 S. 1. 126  Vgl. mit weiteren Nachweisen auch zu Rechtsprechung zu der Frage Bachof, NJW 1949, 328; Müller-Heidelberg, NJW 1949, 814; Bachof, NJW 1949, 815; ­Eyermann / Fröhler, VGG, § 51 Anm. 3 a cc; Hamann, NJW 1950, 891 [893 f.]; Kayser, DÖV 1954, 434 [435]. In dem für die Länder der britischen Besatzungszone geltenden § 51 MRVO Nr. 165 (dazu sogleich sub hh), S. 44) war die Wendung „nach Erhebung der Anfechtungsklage“ nicht enthalten. Trotzdem wurde auch hierfür teilweise vertreten, dass eine gerichtliche Aussetzung erst nach Abschluss des Vorverfahrens möglich sei (vgl. Müller-Heidelberg, NJW 1949, 814 und die Nachweise bei Bachof, NJW 1949, 815 und Hamann, NJW 1950, 891 [893]). 127  Inzwischen heißt es in § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO explizit, dass der Aussetzungsantrag bei Gericht „schon vor Erhebung der Anfechtungsklage“ zulässig ist. 128  In Hessen nach der Änderung im Jahr 1949 § 51 Abs. 5 (Art. 8 Abs. 2 des hessischen Änderungsgesetzes). 43



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ge, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum, im öffentlichen Interesse ergehen, eine zeitraubende Prüfung der Rechtslage nicht gestatten und als Notstandsmaßnahme bezeichnet sind“129. Zudem hatten Rechtsbehelfe gegen solche Anordnungen keine aufschiebende Wirkung130. In der Formulierung sind deutliche Parallelen einerseits zu Art. 24 des bayerischen Gesetzes von 1878 und andererseits im heutigen Recht zum Wegfall des besonderen Begründungserfordernisses bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 3 S. 2 VwGO erkennbar. Hinsichtlich des fehlenden Suspensiveffekts lässt sich außerdem bedingt eine Verbindungslinie zu § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO131 ziehen. Überraschend erscheint indes, dass hier (immer noch) eine gerichtliche Aussetzungsbefugnis teilweise ausgeschlossen war132. Erwähnenswert ist noch die im Jahr 1949 in Hessen und Bayern eingeführte Möglichkeit, dass in dringenden Fällen der Vorsitzende als Einzelrichter die Aussetzung anordnen konnte133, was sich heute in § 80 Abs. 8 VwGO wiederfindet. hh) Militärregierungsverordnungen in der britischen Besatzungszone von 1948 Für die Länder der britischen Besatzungszone enthielt zunächst die Militärregierungsverordnung (MRVO) Nr. 141134 die Regelung, dass die Klage bei den Verwaltungsgerichten keine aufschiebende Wirkung hatte135, 136. Das war eine der ganz wenigen Vorschriften, bei denen vom fehlenden Suspensiveffekt als Grundsatz ausgegangen wurde137. Insofern stand sie quer zur vorherigen allgemeinen Rechtsentwicklung in Deutschland. 129  Nur wenn das Gericht eine dieser Voraussetzungen verneinte, konnte es nach § 51 Abs. 3 eine Aussetzung anordnen (Eyermann / Fröhler, VGG, § 51 Anm. 5). 130  Ebenfalls § 51 Abs. 4; in Hessen nach der Änderung im Jahr 1949 § 51 Abs. 5 (Art. 8 Abs. 2 des hessischen Änderungsgesetzes). 131  Dazu unten sub B. I. 2. b) bb), S. 64. 132  Auf die Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG wird hier nicht eingegangen. 133  Hessen: § 51 Abs. 4 in der Fassung vom 30.  Juni 1949 (Art. 8 Abs. 1 des hessischen Änderungsgesetzes); Bayern: § 51 Abs. 3 S. 4, eingeführt zum 1. Oktober 1949 (Art. 8 des bayerischen Änderungsgesetzes). 134  Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, Verordnung Nr. 141, Gerichtsbarkeit in Verwaltungssachen, Verordnungsblatt für die Britische Zone v. 5.  Mai 1948, 111. 135  Art. IV Nr. 3 S. 1. 136  Das Verwaltungsgericht oder eine zuständige Verwaltungsbehörde konnte allerdings die Aussetzung anordnen (Art. IV Nr. 3 S. 2). 137  Vgl. daneben noch Art. 63 des württembergischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege aus dem Jahr 1876 (oben sub bb), S. 38).

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Sie galt auch nur kurze Zeit. In der MRVO Nr. 165138, die bereits wenige Monate später in Kraft trat139, war in § 51 eine auf dem Grundsatz der aufschiebenden Wirkung aufbauende Regelung getroffen. Die Grundstruktur dieser Vorschrift ähnelte den entsprechenden Vorschriften der Länder aus der amerikanischen Besatzungszone, jedoch fehlten die dort enthaltenen Einschränkungen140 für Notstandsmaßnahmen und die Regelung war insgesamt knapper gefasst. Allerdings war anders als in den Vorschriften in der amerikanischen Besatzungszone die Möglichkeit der Anordnung einer Sicherheitsleistung oder anderer Auflagen durch das Gericht genannt141, 142. ii) Lage in der französischen Besatzungszone In der französischen Besatzungszone gab es keine einheitliche Regelung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern in den Ländern aus dieser Besatzungszone galten jeweils eigene Bestimmungen, wobei etwa in den Ländern Baden und Württemberg-Hohenzollern weitgehend auf die jeweiligen Verwaltungsrechtspflegegesetze aus dem neunzehnten Jahrhundert zurückgegriffen wurde143. Die französische Militärregierung verzichtete darauf, gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Aussetzung von Verwaltungsakten zu machen, und versuchte insbesondere nicht etwa, das französische Modell durchzusetzen. Im Land Rheinland-Pfalz enthielt das Verwaltungsgerichtsgesetz (VGGRP) aus dem Jahr 1950144 in § 43 eine Bestimmung zur aufschiebenden Wirkung der Klage und zur Anordnung und Aussetzung der Vollziehung, welche den entsprechenden Vorschriften der Länder aus der britischen und der amerikanischen Besatzungszone ähnelte.

138  Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, Verordnung Nr. 165, Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Zone, Verordnungsblatt für die Britische Zone v. 13.  September 1948, 263. 139  Die MRVO Nr. 141 trat am 1. April 1948 in Kraft (Art. XII Nr. 1), die MRVO Nr. 165 am 15.  September 1948 (§ 120). 140  Kein Suspensiveffekt und keine gerichtliche Aussetzungsbefugnis, siehe oben sub gg), S. 42 f. 141  § 51 Abs. 3 S. 2. 142  Vgl. heute § 80 Abs. 5 S. 4 VwGO und für die behördliche Aussetzung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten § 80 Abs. 4 S. 2 VwGO. 143  Vgl. Bastian, Westdeutsches Polizeirecht unter alliierter Besatzung (2010), 117 ff. 144  Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 14.  April 1950, Gesetz- und Verordnungsblatt der Landesregierung Rheinland-Pfalz Teil 1 v. 20. April 1950, 103. 41



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jj) Bundesverwaltungsgerichtsgesetz von 1952 Auch im Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVerwGG) aus dem Jahr 1952145 war in § 29 eine solche Regelung enthalten146. Anders als in § 51 VGG der Länder aus der amerikanischen Besatzungszone, § 51 MRVO Nr. 165 und § 43 VGG-RP waren darin Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung normiert147 und wurde eine Glaubhaftmachung der den Antrag begründenden Tatsachen gefordert148. Ein weiterer Unterschied war, dass eine „schwerwiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses“ durch den Aufschub der Vollziehung Voraussetzung für eine behörd­ liche Vollziehungsanordnung war149, während nach den genannten Landesvorschriften die Behörde die Vollziehung bereits anordnen konnte, „wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält“. Die Regelung des § 29 BVerwGG war die erste länder- bzw. besatzungszonenübergreifende, bundesweit geltende Aussetzungsvorschrift. Da sie aber auf erst- und letztinstanzliche Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht beschränkt war, hatte sie nur einen sehr schmalen Anwendungsbereich. kk) Zwischenergebnis Die aufgezeigten Beispiele lassen als Linie erkennen: Bei der Rechtsentwicklung in Deutschland seit Beginn der Errichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit bis zum Erlass der VwGO war hinsichtlich der Frage der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung von Verwaltungsakten der Grundsatz vorherrschend, dass Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung hatten. Von diesem Grundsatz wurden verschiedene Ausnahmen gemacht. Diese lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Zum einen kam in bestimmten Fällen Rechtsbehelfen von vornherein keine aufschiebende Wirkung zu. Hier ist insbesondere der Bereich der staatlichen Geldforderungen zu nennen. Zum anderen wurde den Behörden die Möglichkeit eingeräumt, die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen durch eine Vollziehungsanordnung auszuhebeln. 145  Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht v. 23. September 1952, BGBl. I v. 25. September 1952, 625. 146  Vgl. dazu BVerwG v. 8. September 1953, Az. I A 18.53, BVerwGE 1, 11. 147  Das Bundesverwaltungsgericht konnte die Vollziehung aussetzen, „wenn das öffentliche Interesse es gebietet oder der Erfolg der Anfechtung durch die Vollziehung gefährdet wird“ (§ 29 Abs. 3 S. 1). 148  § 29 Abs. 3 S. 2. 149  § 29 Abs. 1 S. 2.

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Eine gerichtliche Kontrolle solcher behördlicher Vollziehungsanordnungen war, soweit ersichtlich, lange Zeit nicht vorgesehen150. Die Vollziehungsanordnung wurde als insgesamt in den Bereich des grundsätzlich gerichtlich nicht überprüfbaren Verwaltungsermessens fallend angesehen. Der Gedanke, dass die Verwaltungsgerichte eine von der Behörde angeordnete Vollziehung wieder aussetzen konnten, setzte sich erst relativ spät durch. b) Einstweilige Anordnung Anders als das Institut der aufschiebenden Wirkung war das der verwaltungsgerichtlichen einstweiligen Anordnung151 im deutschen Recht lange weitgehend inexistent. Aus der Zeit bis 1933 finden sich dazu nur ganz vereinzelt gesetzliche Bestimmungen. Vorherrschend war der Gedanke, dass bereits über den Suspensiveffekt hinreichender vorläufiger Rechtsschutz gewährleistet sei und dementsprechend Bestimmungen zur einstweiligen Anordnung entbehrlich seien152. Teilweise gab es spezielle Vorschriften, die begrenzt auf bestimmte Anwendungsbereiche den Erlass einstweiliger Anordnungen vorsahen153. Generell geregelt war die einstweilige Anordnung, soweit ersichtlich, lediglich in Württemberg, Coburg-Gotha, Oldenburg, Hessen und SchwarzburgSondershausen154: In Württemberg wurden in Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsvollstreckung wegen öffentlich rechtlicher Ansprüche aus dem 150  Vgl. als „Ausreißer“ allenfalls § 80 Abs. 2 S. 2 a. E. der badischen Vollzugsverordnung zum Verwaltungsgesetz von 1863 (siehe oben sub aa), S. 35), wobei, wie gesagt, aber auch bei diesem zweifelhaft ist, ob daran gedacht war. 151  Allgemein zur Geschichte der einstweiligen Anordnung Rohmeyer, Einstweilige Anordnung (1967), 17 ff. 152  Vgl. Wieseler, Vorläufiger Rechtsschutz (1967), 164; Rohmeyer, Einstweilige Anordnung (1967), 46 ff. 153  Friedrichs (VerwArch 6 (1898), 358 [502]) und Stier-Somlo (VerwArch 10 (1902), 515 [581]) nennen Beispiele aus dem preußischen Recht für solche Vorschriften. 154  Vgl. allerdings auch noch für einstweilige Anordnungen durch das Oberverwaltungsgericht bei Beschwerden § 72 Abs. 2 S. 2 des sächsischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege v. 19. Juli 1900 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen 1900, 486) und § 71 Abs. 5 des thüringischen Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 30. Mai 1923 (Gesetzsammlung für Thüringen v. 30. Juni 1923, 393) sowie ferner zu einer Parallele zu § 935 bzw. § 917 Abs. 1 ZPO (§ 814 bzw. § 797 Abs. 1 der Ursprungsfassung Civilprozessordnung v. 30.  Januar 1877, RGBl. 1877, 83) bei der Regelung zum sogenannten Vorbescheid § 21 Abs. 2 des hamburgischen Gesetzes über Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 2. November 1921 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt v. 8. November 1921, 585) (zu Letzterem vgl. Klein, DVBl. 1950, 200 [202]).



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Jahr 1879155 allgemein „hinsichtlich der einstweiligen Verfügungen in Verwaltungsrechtssachen“ die Vorschriften des achten Buchs der kurz zuvor erlassenen ZPO für entsprechend anwendbar erklärt. In Sachsen-Coburg-Gotha wurde im Jahr 1899 im Gesetz zur Errichtung des Verwaltungsgerichtshofes156 geregelt, dass das Gericht157 einstweilige Anordnungen treffen konnte, „wenn für die Verwirklichung der Rechte einer Partei oder für das Gemeinwohl von dem Aufschub der Entscheidung nicht oder schwer ersetzliche Nachtheile zu besorgen“ waren158. Das oldenburgische Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit aus dem Jahr 1906159 enthielt eine entsprechende Bestimmung160. In Hessen war im Verwaltungsrechtspflegegesetz von 1911161 geregelt, dass der Vorsitzende einstweilige Anordnungen erlassen konnte, wenn „zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen die Regelung eines einstweiligen Zustandes erforderlich“ erschien162, 163. Im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen enthielt das Gesetz zum Verwaltungsgerichtsverfahren aus dem Jahr 1912164 eine entsprechende Vorschrift165. Dabei war jeweils eine anschließende Überprüfung der von dem Vorsitzenden erlassenen Anordnungen durch die Kollegialbesetzung vorgesehen166. Nach 1945 wurde in das Landes-Verwaltungsgerichtsgesetz von Rheinland-Pfalz (VGG-RP) von 1950167 eine gesetzliche Regelung zur einstwei155  Gesetz über die Zwangsvollstreckung wegen öffentlich rechtlicher Ansprüche v. 18. August 1879, Regierungs-Blatt für das Königreich Württemberg 1879, 202. 156  Gesetz und Ministerialbekanntmachung, betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes v. 14.  November 1899, Gemeinschaftliche Gesetzsammlung für die Herzogthümer Coburg und Gotha v. 25. November 1899, 187. 157  In dringenden Fällen auch der Vorsitzende. 158  Art. 24. 159  Gesetz für das Großherzogtum Oldenburg, betreffend die Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 9. Mai 1906, Gesetzblatt für das Herzogtum Oldenburg v. 18. Mai 1906, 693. 160  § 62 Abs. 1. 161  Gesetz, die Verwaltungsrechtspflege betreffend v. 8. Juli 1911, Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt v. 8. September 1911, 265. 162  Art. 69 Abs. 1. 163  Vgl. aus Hessen auch bereits aus vorheriger Zeit Art. 52 Abs. 3 und Art. 100 Abs. 4 des Gesetzes, betreffend die innere Verwaltung und die Vertretung der Kreise und der Provinzen v. 12.  Juni 1874, Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt v. 16.  Juni 1874, 251. 164  Gesetz, betreffend das Verfahren vor den Bezirksverwaltungsgerichten und dem Landesverwaltungsgericht v. 12. Oktober 1912, Gesetz-Sammlung für das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen 1912, 727. 165  Art. 41 Abs. 1. 166  Art. 69 Abs. 2 des hessischen Gesetzes von 1911; Art. 41 Abs. 2 des Gesetzes aus Schwarzburg-Sondershausen von 1912. 167  Oben A. Fn. 144.

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ligen Anordnung aufgenommen, die in ihrem Aufbau und ihren Voraussetzungen den vorgenannten Bestimmungen aus Hessen und SchwarzburgSondershausen entsprach168. Desweiteren war in § 30 Abs. 1 des BVerwGG von 1952 vorgesehen, dass das Bundesverwaltungsgericht einstweilige Anordnungen erlassen konnte, „wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten“ war. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift war allerdings – ebenso wie bei der Aussetzungsvorschrift des § 29  BVerwGG169 – auf erst- und letztinstanzliche Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beschränkt. Außer § 30 BVerwGG und § 64 VGG-RP gab es in der Zeit von 1945 bis zum Erlass der VwGO im Jahr 1960 keine weiteren unmittelbaren gesetzlichen Regelungen zu verwaltungsgerichtlichen einstweiligen Anordnungen. Ob und inwieweit jenseits der räumlichen Anwendungsgrenze der Landesvorschrift des § 64 VGG-RP bzw. der verfahrensmäßigen Beschränkung der Bundesvorschrift des § 30 BVerwGG der Erlass einstweiliger Anordnungen durch die Verwaltungsgerichte zulässig sein sollte, war umstritten170. Problematisiert wurde dabei etwa, ob über die in den VGG der Länder aus der amerikanischen Besatzungszone171 in § 34 enthaltenen Verweisungsklauseln auf die ZPO ein Rückgriff auf die §§ 935 ff. ZPO erfolgen konnte und ob für die Länder der britischen Besatzungszone, in denen die dort geltende MRVO Nr. 165172 keine solche Verweisung enthielt, etwas anderes galt. Ferner wurde teilweise hinsichtlich der Zulässigkeit einstweiliger Anordnungen zwischen den sogenannten Parteistreitigkeiten und den sogenannten Anfechtungssachen173 differenziert. Von den Gerichten lehnten anfangs viele den Erlass einstweiliger Anordnungen entweder ganz oder jedenfalls 168  § 64.

169  Oben

sub a) jj), S. 45. aus dem Schrifttum befürwortend Bachof, NJW 1949, 328 [328 f.]; Baring, ZBR 1954, 44; Martin, NJW 1956, 1706; ablehnend für Anfechtungssachen und befürwortend für Parteistreitigkeiten Müller-Heidelberg, NJW 1949, 814 [815]; Klein, DVBl. 1950, 200; Oswald, DÖV 1956, 236; außerdem noch Scheurl, DÖV 1951, 98; Kayser, DÖV 1954, 434 [435 f.]; De Clerck, NJW 1956, 1337; Buri, DÖV 1957, 100; Quaritsch, VerwArch 51 (1960), 210 [210 f.]; Rohmeyer, Einstweilige Anordnung (1967), 55 ff.; Wieseler, Vorläufiger Rechtsschutz (1967), 165 ff. 171  Oben A. Fn. 121. 172  Oben A. Fn. 138. 173  Unter letztere fiel auch die heutige Verpflichtungsklage. Vgl. zur historischen Klageartenklassifikation nach Anfechtungssachen und Parteistreitigkeiten §§  22 Abs. 1 S. 1, 35, 85 VGG der Länder aus der amerikanischen Besatzungszone; § 15 Abs. 1, 2  VGG-RP; De Clerck, NJW 1956, 1337 [1337]; Oswald, DÖV 1956, 236 [236]; Baring, ZBR 1954, 44 [47]; Klein, DVBl. 1950, 200 [203]. 170  Vgl.



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in den sogenannten Anfechtungssachen ab174. Im Laufe der 1950er Jahre setzte sich dann aber – nicht zuletzt auch unter dem Eindruck von Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG – das Institut der einstweiligen Anordnung in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur schrittweise mehr und mehr durch175, 176. c) Andere Verfahren Über die verbreitete Regelung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen und die nur vereinzelt anzutreffenden Bestimmungen zur einstweiligen Anordnung hinaus existierten, soweit ersichtlich, in den deutschen Verwaltungsprozessgesetzen praktisch keine Vorschriften zu anderen verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren. Insbesondere waren anders als in Frankreich keine gesonderten Beweissicherungsverfahren vor den Verwaltungsgerichten geregelt. Die, soweit ersichtlich, einzige Ausnahme bildete § 47 des hamburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes von 1921177, in dem vorgesehen war, dass im Falle des Drohens von Beweismittelverlust bzw. -erschwerung das Gericht178 auch schon vor Einleitung des Hauptsacheverfahrens eine Inaugenscheinnahme oder Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen anordnen konnte. Sonst war häufig lediglich ohne gesondertes einstweiliges Verfahren innerhalb des Hauptsacheverfahrens allgemein die Möglichkeit eines vorterminlichen Beweisbeschlusses vorgesehen179. Freilich konnten 174  Etwa VGH München v. 22.  August 1947, Az.  n. n., BayVGHE 1, 22; VGH München v. 29. März 1950, Az. 13 II 50, DÖV 1950, 725; OVG Münster v. 27. März 1952, Az.  II B 59 / 52, ZMR 1952, 191; OVG Lüneburg v. 20. November 1951, Az. II OVG A 465 / 51, OVGE MüLü 5, 385; VGH Kassel v. 27. August 1953, Az. B II 97 / 53, DVBl. 1954, 301; OVG Hamburg v. 12. Juli 1954, Az. Bs II 40 / 54, DVBl. 1954, 787. 175  Etwa OVG Münster v. 27.  Januar 1955, Az.  VIII B 936 / 54, ZBR 1955, 124; OVG Münster v. 22. April 1955, Az. VI D 4 / 55, DVBl. 1956, 53; OVG Münster v. 14.  März 1957, Az. V B 964 / 56, VerwRspr 9, 562 [Ls. 7, 567 f.]; VGH München v. 30.12.1955, Az. 212 III 54, BayVBl. 1956, 187; VGH Kassel v. 26. Juli 1956, Az. B I 52 / 56, ESVGH 5, 226; VGH Kassel v. 14.  Oktober 1958, Az.  B II 66 / 58, Verw­ Rspr 11, 876; OVG Lüneburg v. 28. Juni 1957, Az. III OVG B 22 / 57, OVGE MüLü 11, 503; VGH Stuttgart (= VGH für Württemberg-Baden) v. 13. Februar 1958, Az. 1 S 329 / 57, ESVGH 8, 17; auch bereits VGH Stuttgart (= VGH für WürttembergBaden) v. 31.  März 1949, Az.  IV 3 / 49, NJW 1949, 838; VGH Mannheim v. 4.  Dezember 1958, Az.  1 S 331 / 58, VerwRspr 11, 1031. 176  Rohmeyer, Einstweilige Anordnung (1967), 55 ff. mit weiteren Nachweisen. 177  Oben A. Fn. 154. 178  In dringenden Fällen auch der Vorsitzende (§ 47 Abs. 1 S. 2). 179  Vgl. § 80 Abs. 2 des oldenburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes von 1906 (oben A. Fn. 159) (dort war auch geregelt, dass „in dringenden Fällen“ auch der Vorsitzende anstelle der Kollegialbesetzung anordnungsbefugt war); § 101 der thüringischen Landesverwaltung von 1926 (oben A. Fn. 115); Art. 56 Abs. 2 des hessi-

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A. Geschichtliche Entwicklung

aber auch auf diesem Wege grundsätzlich Maßnahmen zur Beweissicherung erfolgen180. 2. Ab Inkrafttreten der VwGO im Jahr 1960 Das Inkrafttreten der VwGO im Jahr 1960181 markiert einen wichtigen Einschnitt, da es nunmehr eine bundesweit einheitlich geltende gesetzliche Regelung der Verwaltungsgerichtsbarkeit gab, die an die Stelle der verschiedenen Länderregelungen trat. Die Aussetzung von Verwaltungsakten wurde in § 80 VwGO und die einstweilige Anordnung in § 123 VwGO geregelt, ferner wurde hinsichtlich des Beweissicherungsverfahrens in § 98 VwGO eine Verweisung auf die ZPO-Vorschriften aufgenommen. Hinsichtlich der Aussetzungsregelung knüpfte § 80 VwGO an die Vorgängervorschriften mit der Tradition des automatischen Suspensiveffektes von Rechtsbehelfen an. Die Ursprungsfassung des § 80 VwGO entsprach bereits in weiten Teilen der heutigen Fassung. Von den seit 1960 erfolgten Änderungen182 sind besonders zu nennen: aus dem 4. VwGOÄndG183 die Einführung eines obligatorischen Aussetzungsantrags bei der Behörde vor Anrufung des Gerichts bei öffentlichen Abgaben und Kosten184 und die Regelung zu Verwaltungsakten mit Drittwirkung in § 80 a VwGO185 sowie aus dem 6. VwGO­ ÄndG186 die sogenannte Öffnungsklausel für Landesgesetze187 und die Regelung zur Dauer der aufschiebenden Wirkung in § 80b VwGO188. schen Verwaltungsrechtspflegegesetzes von 1911 (oben A. Fn. 161); § 76 des preußischen Landesverwaltungsgesetzes von 1883 (oben A. Fn. 105); Art. 36 des württembergischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes von 1876 (oben A. Fn. 97). 180  Nicht nachgegangen wird hier der Frage, ob – sei es über Verweisungsklauseln wie in § 34 VGG der Länder aus der amerikanischen Besatzungszone oder, wo solche fehlten, sonst im Wege der Analogie – teilweise auch auf die zivilprozessualen Vorschriften zum Beweissicherungsverfahren zurückgegriffen wurde. 181  Verwaltungsgerichtsordnung v. 21. Januar 1960, BGBl. I v. 25. Januar 1960, 17, in Kraft getreten am 1. April 1960 (§ 195 Abs. 1 S. 1). 182  Dazu Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 4 ff.; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 2 ff. 183  Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung – 4. VwGOÄndG) v. 17.  Dezember 1990, BGBl. I v. 21. Dezember 1990, 2809. 184  Neu eingefügter § 80 Abs. 6 VwGO (Art. 1 Nr. 13 lit. c 4. VwGOÄndG). 185  Art. 1 Nr. 14 4. VwGOÄndG. 186  Sechstes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) v. 1. November 1996, BGBl. I v. 7. November 1996, 1626. 187  § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO (Art. 1 Nr. 12 lit a 6. VwGOÄndG). Siehe dazu auch unten sub B. I. 2. b) bb), S. 64. 188  Art. 1 Nr. 13 6. VwGOÄndG.



III. Resümee51

Die Regelung der einstweiligen Anordnung in der VwGO ist deutlich an das zivilprozessuale Institut der einstweiligen Verfügung angelehnt189; so wurden in § 123 Abs. 1 VwGO die Voraussetzungen aus den §§ 935, 940 ZPO übernommen. Wie § 80 VwGO ist auch § 123 VwGO in seiner Ursprungsfassung von 1960 weitgehend mit der aktuellen Fassung identisch. Die Abs. 1–3 der Vorschrift sind unverändert190. In Abs. 4 war ursprünglich vorgesehen, dass gegen die einstweilige Anordnung Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden konnte, und wurden die §§ 924, 925 ZPO für entsprechend anwendbar erklärt. Art. 2 § 3 Abs. 1 des VGFGEntlG von 1978191 setzte dies zunächst vorläufig außer Kraft und sah nunmehr als Rechtsmittel die Beschwerde vor, ohne dass in der ersten Instanz auf Antrag zwingend mündlich verhandelt werden musste. Dies wurde schließlich192 mit dem 4. VwGOÄndG durch Abänderung des Abs. 4 in seine heutige Fassung193 in Dauerrecht überführt. Weiter wurde – auch im Zusammenhang mit der Einführung des § 80 a VwGO – der die Abgrenzung von Aussetzung und einstweiliger Anordnung betreffende § 123 Abs. 5 VwGO durch das 4. VwGOÄndG neu gefasst194, 195.

III. Resümee Der vorstehende rechtsgeschichtliche Kurzabriss lässt deutliche Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland hinsichtlich der Ausgangspunkte und der Entwicklung der einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren erkennen. Das betrifft insbesondere die zentrale Frage der vorläufigen Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten. Während in Deutschland der Grundsatz 189  Schoch / Schneider / Bier / Schoch,

§ 123 Rn. 5. in Abs. 2 S. 3 wurde durch Art. 1 Nr. 27 lit. a 4. VwGOÄndG die Verweisung redaktionell angepasst, nachdem sich § 80 Abs. 7 VwGO durch den neu eingefügten § 80 Abs. 6 VwGO (oben A. Fn. 184) in § 80 Abs. 8 VwGO verschoben hatte. 191  Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit v. 31.  März 1978, BGBl. I v. 5. April 1978, 446. 192  Nach wiederholter Verlängerung der zunächst bis zum 31. Dezember 1983 begrenzten Geltungsdauer des VGFGEntlG (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit v. 22. Dezember 1983, BGBl. I v. 24. Dezember 1983, 1515; Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren v. 4.  Juli 1985, BGBl. I v. 16.  Juli 1985, 1274). 193  Art. 1 Nr. 27 lit. b 4. VwGOÄndG. 194  Ebenfalls Art. 1 Nr. 27 lit. b 4. VwGOÄndG. 195  Vgl. dazu Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 7; Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 2. 190  Lediglich

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A. Geschichtliche Entwicklung

des automatischen Suspensiveffekts von Rechtsbehelfen althergebracht ist, haben in Frankreich in langer Tradition Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung und besteht lediglich die Möglichkeit einer gerichtlichen Aussetzungsanordnung im Einzelfall. Traditionell wurde von dieser Möglichkeit nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht. Darin kommt ein bestimmtes Grundverständnis hinsichtlich der Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit und ihrer Stellung im staatlichen Gewaltengefüge zum Ausdruck. Allerdings sind aktuell in Frankreich, vor allem auch durch die Reform aus dem Jahr 2000, grundlegende Veränderungen zu beobachten. Neben der Aussetzung von Verwaltungsakten existierten in Deutschland lange Zeit kaum andere einstweilige Verfahren. Das Institut der einstweiligen Anordnung wurde erst mit dem Erlass der VwGO flächendeckend gesetzlich geregelt und zuvor existierten dazu nur vereinzelt Bestimmungen. Ein gesondertes Beweissicherungsverfahren war, soweit ersichtlich, lediglich in Hamburg im Verwaltungsgerichtsgesetzes von 1921 geregelt. Demgegenüber gab es in Frankreich mit dem constat d’urgence schon früh allgemein ein solches Verfahren und wurden im Laufe der Zeit verschiedene weitere einstweilige Verfahren eingeführt, die allerdings nur teilweise praktische Relevanz erlangten.

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten Der Aussetzung der Vollziehung von Verwaltungsakten kommt im Rahmen der einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren zentrale Bedeutung zu. Auf diesem Weg kann verhindert werden, dass ein möglicherweise rechtswidriger Verwaltungsakt vollzogen werden kann, noch bevor über die Hauptsacheklage entschieden ist. Im Folgenden wird zunächst allgemein der Suspensiveffekt von gegen Verwaltungsakte gerichteten Rechtsbehelfen behandelt (sub I.). Anschließend wird auf die materiellen Anordnungsvoraussetzungen für die Aussetzung durch das Verwaltungsgericht eingegangen (sub II.).

I. Suspensiveffekt von gegen Verwaltungsakte gerichteten Rechtsbehelfen 1. Frankreich a) Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts Wie bereits im Rahmen des geschichtlichen Überblicks angesprochen wurde1, gilt im französischen Recht althergebracht der Grundsatz, dass Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte keine aufschiebende Wirkung entfalten. Im Anschluss an die grundlegende diesbezügliche Bestimmung im Dekret vom 22. Juli 18062 tauchte das Prinzip des fehlenden Suspensiveffekts im Laufe der Zeit immer wieder explizit in verschiedenen Vorschriften auf3 und ist 1  Oben

sub A. I. 1. a), S. 24. Dekret v. 22. Juli 1806 (décret contenant règlement sur les affaires contentieuses portées au Conseil d’État), Lois annotées ou Lois, décrets, ordonnances, avis du Conseil d’État etc. 1789–1830, 726. 3  Art. 24 Abs. 3 Gesetz v. 24.  Mai 1872 (loi portant réorganisation du Conseil d’État), Lois annotées ou Lois, décrets, ordonnances, avis du Conseil d’État etc. 1871–1875, 213; Art. 44 Gesetz v. 18.  Dezember 1940 (loi sur le conseil d’État), Recueil général des lois et des arrêts Sirey 1941, 189; Art. 48 Verordnung Nr. 451708 v. 31.  Juli 1945, JORF v. 1. August 1945, 4774; Art. 9 Abs. 1 Dekret Nr. 53934 v. 30. September 1953, JORF v. 1. Oktober 1953, 8594; Art. R96 Abs. 1 code TA, JORF v. 18. Juli 1973, 7779; Art. 6 Abs. 1 S. 1 Dekret Nr. 88-707 v. 9. Mai 1988, JORF v. 10.  Mai 1988, 6887; Art. R118, R125 Abs. 1 S. 1  code  TA / CAA, JORF v. 10. September 1989, 11501. 2  Art. 3

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

heute im Präliminartitel des CJA4 in Art. L4 geregelt5. Es gilt für alle Arten von Rechtsbehelfen, das heißt erstinstanzliche Klagen und Rechtsmittel, gerichtliche Rechtsbehelfe (recours juridictionnels) und bei der Verwaltung eingelegte Rechtsbehelfe (recours administratifs). Der Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts hängt eng damit zusammen, dass die Verwaltung, ohne eine gerichtliche Entscheidung erwirken zu müssen, selbst bindend entscheiden kann (sogenannter privilège du préalable6)7. Ihre Entscheidungen, deren Rechtmäßigkeit vermutet wird (présomption de légalité), sind ohne weiteres vollziehbar (caractère exécutoire des décisions administratives). Der Conseil d’État hat dies in der Entscheidung Huglo et autres aus dem Jahr 1982 als „régle fondamentale du droit public“ bezeichnet8. Eine aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen liefe dem zuwider, denn so könnte der Verwaltungsakt blockiert werden. Dass die Verwaltung durch die Einlegung von Rechtsbehelfen paralysiert werden könnte, das ist die Hauptsorge in praktischer Hinsicht, die hinter dem Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts steht9. b) Gesetzliche Ausnahmen Es gibt gesetzlich Ausnahmen vom Grundsatz des fehlenden Suspensiv­ effekts von Rechtsbehelfen. In Art. L4  CJA heißt es: „S a u f d i s p o s i t i o n s l é g i s l a t i v e s s p é c i a l e s , les requêtes n’ont pas d’effet suspensif […]“10. Solche Ausnahmeregelungen, nach denen Rechtsbehelfe automatisch aufschiebende Wirkung entfalten, existieren aber nur in wenigen Bereichen. Zwar ist immer wieder über verschiedene Erweiterungen der gesetzlichen Ausnahmen vom Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts nachgedacht 4  Zum titre préliminaire des CJA, der allgemeine Prinzipien enthält, Chapus, RFDA 2000, 929 [931 ff.]; Baillon-Passe, LPA 31.  Dezember 2004, Nr. 262, 7; ­Gohin, RDP 2005, 171. 5  Siehe für die Berufung auch noch Art. R811-14  CJA. 6  Laut Chapus hat Hauriou die Begrifflichkeit „privilège du préalable“ geprägt (Chapus, DAG I (2001), Rn. 668). Das deutsche Pendant ist die Titelfunktion des Verwaltungsakts. 7  Vgl. Rouault, LPA 3. August. 1999, Nr. 153, 9 [13 f.]; Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [11 ff.]; Garrido, Argument de droit comparé (2007), 321 [323]; Chapus, DAG I (2001), Rn. 668; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 457; Seiller, D 2001, 1414 [1415]. 8  CE v. 2. Juli 1982, Huglo et autres, Az. 25288, 25323, Rec. Leb. 1982, 257 [258]. 9  Vgl. Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [13]; Seiller, D 2001, 1414 [1415]; Garrido, Argument de droit comparé (2007), 321 [323]; Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [945]. 10  Hervorhebung durch den Verfasser.



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen55

worden11. Und es sind im Laufe der Zeit auch neue Ausnahmen hinzugekommen12. Nach wie vor kann aber nicht von einer faktischen Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses die Rede sein, sondern die Ausnahmen bleiben begrenzt. Diese Normen werden hier nicht im Einzelnen behandelt13. Es seien lediglich beispielhaft zwei wichtige Bereiche genannt: aa) Beispiel Leistungsbescheide Suspensivbestimmungen gibt es für viele Rechtsbehelfe gegen bestimmte Arten von Leistungsbescheiden, sogenannte titres de perception oder états exécutoires, mit denen außerhalb von Steuern (impôt) und Forderungen im Zusammenhang mit Staatsgut (créances domaniales) die Zahlung eines Geldbetrags angeordnet wird14. Die Rechtsprechung erkennt in diesem Bereich teilweise auch über die ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen hinaus Rechtsbehelfen automatische aufschiebende Wirkung zu15. So hat der Conseil d’État in einer Entscheidung aus dem Jahr 1985 einer Klage gegen Leistungsbescheide, die eine Gemeinde im Zusammenhang mit einem öffentlichen Auftrag (marché public) erlassen hatte, automatische aufschiebende Wirkung beigemessen, ohne dass es damals16 eine entsprechende gesetzliche Regelung dafür gab17. 11  Vgl. Robert, RDP 1977, 1378 [1379] (Vorschläge des Syndicat de la juridiction administrative); Porcell, AJDA 1984, 149 [152]; Dugrip, Urgence contentieuse (1991), 236 f.; Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [18 f.]; Garrido, Argument de droit comparé (2007), 321 [334 ff.]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 462; Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [945 f. und Annex Nr. 7, 958]. 12  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 458 ff., 1321. 13  Vgl. dazu Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 458 ff., 1321; Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [16 ff.]; Garrido, Argument de droit comparé (2007), 321 [333 ff.]; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 335. 14  Art. 6 Abs. 3 Dekret 92-1369 v. 29. Dezember 1992, JORF v. 30. Dezember 1992, 17955; Art. 164 Abs. 2 S. 2 und Art. 201 Abs. 2 Dekret Nr. 62-1587 v. 29. Dezember 1962, JORF v. 30. Dezember 1962, 12836, 12838; Art. L1617-5 Nr. 1, Nr. 5 Abs. 9 code général des collectivités territoriales; siehe außerdem Art. L514-1 Abt. I Nr. 1, L535-5 Abt. II Nr. 1, L541-3 Abs. 2 S. 1 code de l’environnement, wo es heißt, dass die Beitreibung (recouvrement) „comme en matière de créances étrangères à l’impôt et au domaine“ erfolgt, mit der Folge, dass Rechtsbehelfe automatischen Suspensiveffekt haben. 15  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 459. 16  Siehe heute Art.  L1617-5 Nr. 1, Nr. 5 Abs. 9 code général des collectivités territoriales. 17  CE v. 19. Juni 1985, Commune des Angles, Az.  61917, Rec. Leb. 1985, 194.

56

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

In einer Entscheidung des Conseil d’État aus dem Jahr 2003 ist sogar von einem „principe général du droit“ die Rede18. Es ging dabei um eine Abgabe für präventive archäologische Untersuchungen vor der Durchführung von Baumaßnahmen etc. (redevance d’archéologie préventive)19, 20. In einem Dekret aus dem Jahr 2002 war bestimmt worden, dass die vor einer Klage gegen diese Abgabe durchzuführenden behördlichen Vorverfahren – es musste eine Reklamation bei der öffentlichen Einrichtung (établissement public), welche den Leistungsbescheid erlassen hatte21, erhoben werden und es musste eine für die Behandlung von Streitfällen eingerichtete Kommis­ sion angerufen werden – keine aufschiebende Wirkung hatten22, 23. Das war dem Wortlaut nach mit der einschlägigen Suspensiveffekt gewährenden Regelung aus dem Dekret vom 29. Dezember 196224 vereinbar, denn dort heißt es: „Leur [scil. der Leistungsbescheide] recouvrement est poursuivi jusqu’à opposition d e v a n t l a j u r i d i c t i o n competente“25. Das liest sich so, dass nur die Klage bei Gericht Suspensiveffekt hat26, 27. Die Bestimmung 18  CE v. 30. April 2003, Union nationale des industries de carrières et des matériaux de construction et autres, Az.  244139 [u. a.], Rec. Leb. 2003, 191 [196]. 19  Es handelt sich dabei (nach deutscher Terminologie) um eine Art Sonderabgabe. 20  Zum Begriff der „archéologie préventive“ siehe Art. L521-1 code du patri­ moine. 21  Dem Institut national de recherches archéologiques préventives, einem sogenannten établissement public national à caractère administrative. 22  Art. 31 Abs. 3 Dekret Nr. 2002-89 v. 16. Januar 2002, JORF v. 19. Januar 2002, 1195. 23  Das gesamte Regime der redevance d’archéologie préventive ist zwischenzeitlich grundlegend umgestaltet worden. Vgl. heute Art. L524-1 ff. code du patrimoine und Art. 80 ff. Dekret Nr. 2004-490 v. 3.  Juni 2004, JORF v. 5.  Juni 2004, 9990. 24  Art. 9 Abschnitt IV Gesetz Nr. 2001-44 v. 17.  Januar 2001, JORF v. 18.  Januar 2001, 930 iVm Art. 164 Abs. 2 S. 2 Dekret Nr. 62-1587 v. 29. Dezember 1962, JORF v. 30. Dezember 1962, 12836. 25  Hervorhebung durch den Verfasser. 26  Vgl. CE v. 15. März 2002, Office des Migrations Internationales, Az. 221020, Rec. Leb. 2002, 103 [104]. 27  Die gerichtsbezogene Formulierung ist allerdings vor dem Hintergrund zu sehen, dass es zur Zeit des Erlasses des Dekrets für die betreffenden Klagen noch gar keine obligatorischen Vorverfahren gab. Ihr kann daher nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber von 1962 bewusst solche Vorverfahren vom Suspensiv­ effekt ausklammern und ihn auf Klagen beschränken wollte. Die dem Art. 164 Abs. 2 S. 2 entsprechende gerichtsbezogen formulierte Vorschrift für Staatsforderungen (créances de l’État) (Art. 89 Abs. 1 Dekret Nr. 62-1587 v. 29. Dezember 1962 in seiner ursprünglichen Fassung, JORF v. 30. Dezember 1962, 12832) wurde wegen obligatorischer Vorverfahren in diesem Bereich gestrichen (Art. 1 Dekret 92-1369 v. 29. Dezember 1992, JORF v. 30. Dezember 1992, 17955. Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 504; CE v. 21. Septem-



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen57

zum fehlenden Suspensiveffekt der obligatorischen behördlichen Vorverfahren aus dem Dekret von 2002 stand also wortlautmäßig nicht in Widerspruch zu der Bestimmung aus dem Dekret von 1962. Zudem handelte es sich um Regelungen auf derselben Normebene, so dass selbst bei einem Widerspruch der lex-posterior-Grundsatz gegriffen hätte. Gleichwohl hat der Conseil d’État die Bestimmung aus dem Dekret von 2002 für rechtswidrig erklärt und dies damit begründet, dass die Regel des Suspensiveffekts von Klagen gegen Leistungsbescheide von nationalen öffentlichen Einrichtungen (établissements publics nationaux) den Charakter eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes (principe général du droit) habe und aus ihr notwendig folge, dass im Falle eines obligatorischen behördlichen Vorverfahrens dieses den gleichen Suspensiveffekt entfalte wie der gerichtliche Rechtsbehelf28. Aufgrund der Qualifizierung als allgemeinen Rechtsgrundsatz gab es damit eine normenhierarchisch über dem Dekret angesiedelte Norm, gegen welche die Bestimmung aus dem Dekret von 2002 verstieß. Wenn also eine Klage gegen einen Leistungsbescheid aufschiebende Wirkung hat, gilt das Gleiche auch für ein obligatorisches Vorverfahren29. Hingegen hat nach einem avis contentieux30 des Conseil d’État aus dem Jahr 1995 die Berufung nach Abweisung einer Klage in erster Instanz keinen automatischen Suspensiveffekt31, 32, 33. ber 1990, Société de concours techniques, Az.  46103, Rec. Leb. 1990, 249; CE v. 29. Mai 1981, SA Roussey, Az. 12315, legifrance; Art. 9–11 Dekret Nr. 63-608 v. 24.  Juni 1963, JORF v. 28.  Juni 1963, 5718; Art. 11–14 Dekret Nr. 86-620 v. 14.  März 1986, JORF v. 20.  März 1986, 4711; Art. 6–9 Dekret 92-1369 v. 29.  Dezember 1992, JORF v. 30. Dezember 1992, 17955). 28  CE v. 30. April 2003, Union nationale des industries de carrières et des matériaux de construction et autres, Az.  244139 [u. a.], Rec. Leb. 2003, 191 [195 f.]. 29  Nicht nachgegangen wird hier der Frage, was im Fall Der Durchführung eines nicht zwingenden Vorverfahrens gilt. 30  Solche avis ergehen nach Vorlage eines Untergerichts – hier des Verwaltungsberufungsgerichtshofs Bordeaux – zu einer neuen schwierigen Rechtsfrage, die sich in zahlreichen Verfahren stellt (heute Art. L113-1 CJA, früher Art. 12 Gesetz Nr. 871127 v. 31. Dezember 1987, JORF v. 1. Januar 1988, 8). Sie sind nicht zu verwechseln mit den avis, die der Conseil d’État im Rahmen seiner Funktion als Berater der Regierung abgibt. 31  CE (avis) v. 5. Mai 1995, SARL Laiterie Fromarsac, Az.  163224, Rec. Leb. 1995, 196, JORF v. 21.  Mai 1995, 8497. 32  Der Verwaltungsberufungsgerichtshof von Nantes hatte zuvor die aufschiebende Wirkung einer Berufungsklage angenommen (CAA Nantes v. 26. September 1991, Recteur d’académie, chancelier des universités de Rennes et autre, Az. 91NT00335, Rec. Leb. 1991, 560), der von Lyon sie dagegen abgelehnt (CAA Lyon v. 18. Mai 1992, Duhamel, Az. 91LY0323, AJDA 1993, 150). 33  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 460.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Welche Reichweite der genannte allgemeine Rechtsgrundsatz hat und für welche Arten von Leistungsbescheiden im Einzelnen die automatische aufschiebende Wirkung von Klagen und obligatorischen Vorverfahren gilt34, 35, wird hier nicht vertieft. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll die Feststellung genügen, dass in diesem Bereich wichtige Ausnahmen vom Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts bestehen. bb) Beispiel Ausländerrecht Im Ausländerrecht haben automatischen Suspensiveffekt bestimmte Rechtsbehelfe gegen die Einreiseverweigerung für einen Asylbewerber (refus d’entrée sur le territoire français au titre de l’asile)36, gegen die obligation de quitter le territoire français37 und gegen die reconduite à la frontière38, 39. In diesen Fällen ist zudem die Vollziehung ausgesetzt, solange 34  Etwa, was alles zum Bereich der Steuern (impôt) gehört, in dem es keinen Suspensiveffekt gibt. 35  Die Klassifizierung ist ohne eine umfassende Auseinandersetzung mit dem französischen Abgabenrecht nicht möglich. Exemplarisch dafür sei noch einmal die redevance d’archéologie préventive genannt: Wie ausgeführt, hatten hier früher Rechtsbehelfe gegen die damals vom Institut national de recherches archéologiques préventives erlassenen Leistungsbescheide aufschiebende Wirkung. In den aktuell geltenden Vorschriften finden sich allerdings Bezugnahmen auf den livre des procédures fiscales und den code général d’impôts (vgl. etwa Art. L524-15 S. 3, L524-10 Abs. 2 S. 1, L524-13 Abs. 2 S. 1 code du patrimoine; Art. 84 Abs. 1 S. 1 Dekret Nr. 2004-490 v. 3.  Juni 2004, JORF v. 5.  Juni 2004, 9990). Heißt das, dass heute Rechtsbehelfe gegen Leistungsbescheide zur redevance d’archéologie préventive, die inzwischen dezentralisiert erlassen werden (vgl. Art. L524-8 Abs. 1, 2 code du patrimoine; die Suspensivbestimmung Art. 164 Abs. 2 S. 2 Dekret Nr. 62-1587 v. 29. Dezember 1962, JORF v. 30. Dezember 1962, 12836 greift damit nicht mehr), keine aufschiebende Wirkung mehr haben? 36  Art. L213-9 Abs. 7 code de l’entrée et du séjour des étrangers et du droit d’asile (CESEDA). 37  Art. L512-1 Abs. 1 S. 3  CESEDA. 38  Art. L512-3 Abs. 2  CESEDA. 39  Die Terminologie aus dem deutschen Ausländerrecht lässt sich teilweise nicht auf das französische anwenden (vgl. etwa „Ausreisepflicht“, „Ausweisung“, „Abschiebung“, „Zurückschiebung“ im fünften Kapitel des AufenthG). Die „obligation de quitter le territoire français“ und die „reconduite à la fron­ tière“ sind sogenannte „mesures d’éloignement“, die im fünften Buch des CESEDA geregelt sind. Eine weitere solche Maßnahme ist die „expulsion“. Die „reconduite à la frontière“ erfolgt nicht zur Durchsetzung der „obligation de quitter le territoire français“ in dem Sinne wie die deutsche „Abschiebung“ oder „Zurückschiebung“ der Durchsetzung der „Ausreisepflicht“ dient, sondern es handelt sich um prinzipiell voneinander unabhängige Maßnahmen (vgl. Art. L511-1 CE­ SEDA). Vor diesem Hintergrund werden hier die Begriffe nicht ins Deutsche übersetzt.



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen59

die Rechtsbehelfsfrist läuft40. Diese ist allerdings verkürzt auf 48 Stunden41 bzw. bei der obligation de quitter le territoire français auf einen Monat42, 43. Und für das Gericht gilt eine – freilich nicht zwingende – Entscheidungsfrist von 72 Stunden44 bzw. bei der obligation de quitter le territoire français von drei Monaten45, 46 nach Klageeingang. Die Vollziehung wird also bei der Einreiseverweigerung für einen Asylbewerber und bei der reconduite à la frontière insgesamt höchstens wenige Tage und bei der obligation de quitter le territoire français höchstens wenige Monate bis zur gericht­ lichen Entscheidung gehemmt. Eine Klage gegen die Bestimmung des Ziellandes (décision fixant le pays de renvoi) zur Ausführung einer reconduite à la frontière hat dann automatisch aufschiebende Wirkung, wenn sie gleichzeitig mit der Klage gegen die Maßnahme der reconduite à la frontière eingelegt wird47. Das mag auf den ersten Blick etwas überraschen: Warum soll der Suspensiveffekt einer Klage davon abhängen, dass sie zusammen mit einer anderen Klage erhoben wird? Die Regelung erklärt sich im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Klagefristen. Bei der reconduite à la frontière ist die Klagefrist auf 48 Stunden beschränkt, bei der Ziellandbestimmung gilt dagegen die Standardklagefrist. Durch die Kopplung entsteht eine zeitliche Abstufung: Wird die Klage gegen die Ziellandbestimmung schnell innerhalb von 48 Stunden zusammen mit der Klage gegen die reconduite à la frontière erhoben, hat sie aufschiebende Wirkung, wird sie dagegen erst später erhoben, hat sie keine solche Wirkung. Aufschiebende Wirkung hat außerdem in bestimmten Fällen die Anrufung der Cour nationale du droit d’asile48. Der Rechtsbehelf muss dabei innerhalb von einer Woche eingelegt werden49.

40  Art. L213-9 Abs. 7  iVm Abs. 1; L511-1 Abs. 3  iVm  L512-1 Abs. 1 S. 1; L512-3 Abs. 2 iVm L512-2 Abs. 1 CESEDA. 41  Art. L213-9 Abs. 1; L512-2 Abs. 1  CESEDA. 42  Art. L512-1 Abs. 1 S. 1  CESEDA. 43  Die Standardklagefrist beträgt zwei Monate (Art. R421-1 Abs. 1  CJA). 44  Art. L213-9 Abs. 2; L512-2 Abs. 2 S. 1  CESEDA. 45  Art. L512-1 Abs. 2 S. 1  CESEDA. 46  Wenn der Ausländer in Abschiebehaft genommen wird (placement en réten­ tion), verkürzt sich die Entscheidungsfrist allerdings auf 72 Stunden ab der Mitteilung von der Inhaftierung an das Gericht (Art. L512-1 Abs. 2 S. 2 CESEDA). 47  Art. L513-3 Abs. 2  CESEDA. 48  Art. L731-3 S. 1, 2 CESEDA. 49  Art. L731-3 S. 3  CESEDA.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

c) Gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung Außer in den Fällen der gesetzlichen Ausnahmen, die automatisch greifen, kann der Grundsatz vom fehlenden Suspensiveffekt noch durch eine gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Einzellfall durchbrochen werden. Auch diese Möglichkeit ist in Art. L4  CJA ausdrücklich vorgesehen: „[…] les requêtes n’ont pas d’effet suspensif s ’ i l n ’ e n e s t a u t re m e n t o rd o n n é p a r l a j u r i d i c t i o n .“50. Die gerichtliche Aussetzung erfolgt auf Antrag im Wege des référé-suspension nach Art. L521-1 CJA. Die materiellen Voraussetzungen für eine solche Anordnung werden ausführlich an anderer Stelle behandelt51. 2. Deutschland a) Grundsatz des Suspensiveffekts In Deutschland bestimmt § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO, dass Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben52. Wie im geschichtlichen Überblick gezeigt wurde53, hat der Grundsatz des Suspensiveffekts in Deutschland so wie das entgegengesetze Prinzip in Frankreich eine lange Tradition. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ein „fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses“54. Durch sie wird verhindert, dass die Verwaltung vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens durch die Vollziehung 50  Hervorhebung

durch den Verfasser. unten sub II. 1., S. 99 ff. 52  Auf den Streit über den Begriff der aufschiebenden Wirkung (Stichworte: Wirksamkeitshemmung oder Vollziehbarkeitshemmung) wird hier nicht eingegangen (vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 35; Schoch /  Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 88 ff.; Redeker / von Oertzen / M. Redeker, § 80 Rn. 4 f.; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn.  629 ff.; Hufen, Verwaltungsprozessrecht (2011), 465 f.; Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 948 ff.; Wieseler, Vorläufiger Rechtsschutz (1967), 77 ff.). 53  Oben sub A. II. 1., S. 34 ff. 54  BVerfG v. 19.  Juni 1973, Az.  1 BvL 39 / 69 und 14 / 72, BVerfGE 35, 263 [272]; BVerfG v. 18. Juli 1973, Palästinenserbeschluss, Az.  1 BvR 23, 155 / 73, BVerfGE 35, 382 [402]; BVerfG v. 12. September 1995, Az. 2 BvR 1179 / 95, NVwZ 1996, 58 [juris-Rn. 41]; BVerfG v. 10.  Oktober 2003, Az.  1 BvR 2025 / 03, NVwZ 2004, 93 [juris-Rn. 19]; BVerfG v. 13.  Juni 2005, Az.  2 BvR 485 / 05, NVwZ 2005, 1053 [juris-Rn. 21]; BVerfG  v. 10.  Mai 2007, Az.  2 BvR 304 / 07, NVwZ 2007, 946 [juris-Rn. 29]. 51  Siehe



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen61

des angegriffenen Verwaltungsakts vollendete Tatsachen schaffen kann. Sie gewährleistet damit die verfassungsrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG geforderte Effektivität des Rechtsschutzes, eine „Selbstherrlichkeit“ der Verwaltung wird ausgeschlossen55. Das Bundesverfassungsgericht sieht in dem nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO für den Regelfall vorgeschriebenen Suspensiveffekt von Widerspruch und Anfechtungsklage vor diesem Hintergrund eine „adäquate Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzga­ ran­tie“56, jedoch wohl keine zwingende Konsequenz57. b) Gesetzliche Ausnahmen Es gibt gesetzliche Ausnahmen vom Grundsatz des Suspensiveffekts. In bestimmten Bereichen ist geregelt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung zukommt, solange nicht die Aussetzung durch die Behörde oder gerichtlich angeordnet wird. aa) Öffentliche Abgaben und Kosten In § 80 VwGO selbst ist in Abs. 2 S. 1 Nr. 1 eine solche Ausnahmebestimmung für die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten getroffen. Hintergrund der Regelung ist, dass die stetige Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs und eine geordnete Haushaltsplanung sichergestellt werden sollen58. 55  Zu diesem Zweck des Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG BVerfG v. 12. Januar 1960, Az.  1 BvL 17 / 59, BVerfGE 10, 264 [267]; BVerfG v. 19. Juni 1973, Az. 1 BvL 39 / 69 und 14 / 72, BVerfGE 35, 263 [274]; BVerfG v. 13. Juni 1979, Grundschulauflösung, Az.  1 BvR 699 / 77, BVerfGE 51, 268 [284]. 56  BVerfG v. 18. Juli 1973, Palästinenserbeschluss, Az.  1 BvR 23, 155 / 73, BVerfGE 35, 382 [402]; BVerfG v. 12. September 1995, Az. 2 BvR 1179 / 95, NVwZ 1996, 58 [juris-Rn. 41]; BVerfG v. 10.  Oktober 2003, Az.  1 BvR 2025 / 03, NVwZ 2004, 93 [juris-Rn. 19]; BVerfG v. 13.  Juni 2005, Az.  2 BvR 485 / 05, NVwZ 2005, 1053 [juris-Rn. 21]; BVerfG v. 29.  März 2007, Az.  2 BvR 1977 / 06, NVwZ 2007, 948 [juris-Rn. 23]; BVerfG v. 11. Mai 2007, Az. 2 BvR 2483 / 06, NVwZ 2007, 1302 [juris-Rn. 31]; BVerfG  v. 21.  Februar 2011, Az.  2 BvR 1392 / 10, NVwZ-RR 2011, 420 [juris-Rn. 16]. 57  Zu der Frage, ob das automatische Eintreten der aufschiebenden Wirkung mit Erhebung des Rechtsbehelfs als Grundsatz verfassungsrechtlich vorgegeben ist, siehe unten sub 3. f), S. 88 ff. 58  Vgl. BVerwG v. 17.  Dezember 1992, Az.  4 C 30.90, DVBl. 1993, 441, NVwZ 1993, 1112 [juris-Rn. 15 f.]; OVG Berlin v. 3.  Juni 2004, Az.  2 S 18.04, NVwZ-RR 2005, 304 [juris-Rn. 5]; VGH Kassel v. 13. März 1997, Az. 14 TG 4045 / 96, NVwZRR 1998, 463 [juris-Rn. 30]; VGH Kassel v. 14.  Januar 1991, Az.  6 TH 3410 / 90, NVwZ-RR 1992, 378 [juris-Rn. 3]; OVG Koblenz v. 28. Juli 1998, Az. 1 B 11553 / 98,

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Dementsprechend sind Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO alle Geldleistungen, die eine Finanzierungsfunktion für öffentliche Aufgaben erfüllen, also Steuern, Gebühren und Beiträge sowie bestimmte Sonderabgaben59. Hier wird nicht darauf eingegangen, welche Sonderabgaben im Einzelnen erfasst sind und welche nicht. Insgesamt lässt sich der Abgabenbegriff in § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO nur sehr schwer greifen60. So ist etwa problematisch, welchen Stellenwert die Finanzierungsfunkion im Verhältnis zu möglichen anderen mit der betreffenden Abgabe verfolgten Zwecken – beispielsweise einer Lenkungsfunktion – haben muss61. Eine klare Gewichtung der verschiedenen Funktionen ist häufig schwierig62. Die genaue Reichweite des komplexen Abgabenbegriffs in § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht weiter thematisiert63. Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen, die in einem Verwaltungsverfahren für die öffentlich-rechtliNVwZ-RR 1999, 27, DVBl. 1999, 116 [juris-Rn. 3]; OVG Koblenz v. 25. Juni 2003, Az. 12 B 10792 / 03, NVwZ-RR 2004, 157 [juris-Rn. 2]; OVG Magdeburg v. 21. Mai 2008, Az.  3 M 169 / 06, NJW 2008, 3304 [juris-Rn. 4]; VGH Mannheim v. 27. November 2006, Az.  1 S 1925 / 06, NVwZ-RR 2007, 296 [juris-Rn. 3]; VGH München v. 15. November 1993, Az. 22 CS 93.1481, NVwZ-RR 1994, 471 [juris-Rn. 6]; VGH München v. 4.  Dezember 1992, Az.  4 CS 92.2561, NJW 1993, 953 [juris-Rn. 13]; OVG Münster v. 15.  Mai 2003, Az.  9 B 1517 / 02, DÖV 2003, 864, NWVBl. 2003, 479 [juris-Rn. 3]; OVG Münster v. 3.  September 1992, Az.  14 B 684 / 92, DVBl. 1993, 563, NVwZ-RR 1993, 269 [juris-Rn. 37]; OVG Weimar v. 18. November 2003, Az.  3 EO 381 / 02, NVwZ-RR 2004, 393 [juris-Rn. 27, 29]; Sodan / Ziekow /  Puttler, § 80 Rn. 55; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 56; Heckmann, Sofortvollzug (1992), 59 ff. 59  Weiter Abgabenbegriff – BVerwG v. 17. Dezember 1992, Az. 4 C 30.90, DVBl. 1993, 441, NVwZ 1993, 1112 [juris-Rn. 15 ff.]; VGH München v. 16.  März 2004, Az. 7 CS 03.3171, NVwZ-RR 2005, 679 [juris-Rn. 16]; OVG Münster v. 3. September 1992, Az. 14 B 684 / 92, DVBl. 1993, 563, NVwZ-RR 1993, 269 [juris-Rn. 28 ff.]; VGH Kassel v. 14.  Januar 1991, Az.  6 TH 3410 / 90, NVwZ-RR 1992, 378 [jurisRn. 3]; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 680 ff.; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 56 ff. Teilweise a. A. Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz (1988), 1201 ff., 1218 ff.; Eyermann / Schmidt, § 80 Rn. 19; Heckmann, Sofortvollzug (1992), 136 ff., 142. 60  Vgl. Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 130. 61  Vgl. OVG Lüneburg v. 10.  November 2006, Az.  4 ME 188 / 06, NVwZ-RR 2008, 113 [juris-Rn. 5]; OVG Münster v. 3.  September 1992, Az.  14 B 684 / 92, DVBl. 1993, 563, NVwZ-RR 1993, 269 [juris-Rn. 39 ff.]. 62  Vgl. Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz (1988), 1211 f. 63  Vgl. aus dem Schrifttum mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen Schoch /  Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 130 ff.; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 56 ff.; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 57 ff.; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 680 ff.; Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz (1988), 1201 ff., 1218 ff.



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen63

che Tätigkeit einer Behörde auferlegt werden64, 65. Auch in diesem Bereich ist einiges problematisch und umstritten – beispielsweise, ob die Kosten einer Ersatzvornahme erfasst sind66 oder was bei unselbständigen, mit einer Sachentscheidung verbundenen Kostenentscheidungen gilt67, 68 –, was hier nicht ausgeführt wird69. 64  Vgl. Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 139; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 61 (dort ist etwas missverständlich von einem „förmlichen“ Verwaltungsverfahren die Rede, vgl. dazu Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 691; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 139); Kopp / Schenke, § 80 Rn. 62; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 690. 65  Für das Entstehen der Kostenforderung bedarf es – genauso wie bei den Abgaben – einer normativen Grundlage in einem Gesetz oder einer Rechtsverordnung (Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 692). 66  Verneinend VGH München v. 25. Februar 2009, Az. 2 CS 07.1702, NVwZ-RR 2009, 787 [juris-Rn. 16 f.]; OVG Schleswig v. 27.  Dezember 2000, Az.  2 M 13 / 00, NVwZ-RR 2001, 586 [Ls. 2, juris-Rn. 5]; OVG Koblenz v. 28. Juli 1998, Az. 1 B 11553 / 98, NVwZ-RR 1999, 27, DVBl. 1999, 116 [Ls., juris-Rn. 2 ff.]; VGH Mannheim v. 5. Februar 1996, Az. 5 S 334 / 96, NVwZ-RR 1997, 74, DÖV 1996, 425 [Ls. 1, 2, juris-Rn. 3 f.]; OVG Berlin v. 23. Dezember 2005, Az. 2 S 122.05, NVwZ-RR 2006, 376 [juris-Rn. 6 f.]; OVG Berlin v. 13. April 1995, Az. 2 S 3.95, NVwZ-RR 1995, 575 [Ls. 1, juris-Rn. 11 f.]; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 62; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 63; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 144; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 692. Bejahend VGH München v. 15.  November 1993, Az.  22 CS 93.1481, NVwZ-RR 1994, 471 [juris-Rn. 5 ff.]; VGH München v. 27.  Juni 1994, Az.  20 CS 94.1270, NVwZ-RR 1994, 618, DÖV 1994, 1013 [Ls., juris-Rn. 9 ff.]. In § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 7  KostO  NW sind die Kosten einer Ersatzvornahme als „Auslagen“ aufgeführt. 67  Das Problem ist vielschichtig. So ist etwa bereits der Begriff der „unselbständigen Kostenentscheidung“ unklar (vgl. Emrich, NVwZ 2000, 163 [164 f.]). 68  Die inzwischen herrschende Meinung geht dahin, die Anwendbarkeit von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO zu bejahen (vgl. etwa OVG Bautzen v. 22. September 2010, Az. 4 B 214 / 10, NVwZ-RR 2011, 225 [dort als Entscheidungsdatum 25. September 2010 genannt] [Ls., juris-Rn. 5 ff.]; VGH Mannheim v. 20. April 2011, Az. 2 S 247 / 11, VBlBW 2012, 116 [Ls., juris-Rn. 3 ff.]; OVG Berlin v. 9. Dezember 2005, Az. 2 S 127.05, juris [Ls., juris-Rn. 3]; OVG Münster v. 15. Mai 2003, Az. 9 B 1517 / 02, DÖV 2003, 864, NWVBl. 2003, 479 [Ls., juris-Rn. 3 ff.]; OVG Koblenz v. 25.  Juni 2003, Az.  12 B 10792 / 03, NVwZ-RR 2004, 157 [Ls., juris-Rn. 2]; OVG Weimar v. 18.  November 2003, Az.  3 EO 381 / 02, NVwZ-RR 2004, 393 [Ls. 1, juris-Rn.  27 ff.]; VGH Kassel v. 13.  März 1997, Az.  14 TG 4045 / 96, NVwZ-RR 1998, 463 [Ls. 1, juris-Rn. 30]; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 61; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 696; Grams, KStZ 1995, 107; Emrich, NVwZ 2000, 163 [164 f.]; a. A. Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 141 ff.; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 62; Eyermann / Schmidt, § 80 Rn. 23; Redeker / von Oertzen / M. Redeker, § 80 Rn. 16a; Posser / Wolff / Gersdorf, § 80 Rn. 54; OVG Hamburg v. 3.  Juli 1984, Az.  Bs VI 41 / 84, NVwZ 1986, 141). 69  Vgl. mit weiteren Nachweisen Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 689 ff.; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 139 ff.; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 61 f.; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 62 f.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

An dieser Stelle soll die Feststellung genügen, dass es bei Geldforderungen der öffentlichen Hand wichtige Ausnahmen vom Grundsatz des automatischen Suspensiveffekts von Widerspruch und Anfechtungsklage gibt. bb) Unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten Ferner entfällt gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten70, 71. cc) Andere Fälle Neben den beiden genannten, in § 80 VwGO selbst geregelten Ausnahmen gibt es noch viele weitere bundes- und landesgesetzliche Ausnahmen vom Grundsatz der aufschiebenden Wirkung. Die Möglichkeit solcher spezialgesetzlichen Regelungen ist in § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, S. 2 VwGO ausdrücklich vorgesehen72. Bezogen auf zeitlich nach dem § 80 Abs. 1 VwGO ergangene bundesgesetzliche Regelungen ist das freilich bloß von deklaratorischer Bedeutung, da diese bereits nach dem lex-posterior-Grundsatz vorgehen73, 74. 70  Vgl. zum Begriff des Polizeivollzugsbeamten im Sinne von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO einerseits Hufen, Verwaltungsprozessrecht (2011), 469; Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 968 und andererseits Ekardt / Beckmann, VerwArch 99 (2008), 241 [254 ff.]; Beckmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2008), 133 ff. 71  Die Vorschrift ist analog anwendbar auf Verkehrszeichen (vgl. BVerwG v. 7. November 1977, Az. VII B 135.77, NJW 1978, 656; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 65; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 701; kritisch Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 150; Kotulla, Verw. 2000, 521 [530 f.]; Schmidt, DÖV 1970, 663). 72  Der auf Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen bezogene Zusatz in Nr. 3 hat dabei, wie bereits die Formulierung „insbesondere“ zeigt, keine einschränkende Wirkung (dazu Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 176 f.; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 70; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 69; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht (2000), 476). 73  Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 66; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 65. 74  Es sind allerdings auch bundesgesetzliche Spezialregelungen, die bereits vor Inkrafttreten der VwGO im Jahr 1960 bestanden, und reichsgesetzliche Bestimmungen, die gemäß Art. 124, 125 GG als Bundesrecht fortgelten, erfasst (VGH München v. 26. Oktober 1987, Az. 3 CS 87.03081, BayVBl. 1988, 372 (zu § 5 Abs. 3 S. 1 des ErstG aus dem Jahr 1937); Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 66; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 154; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 65; teilweise a.  A. De Clerck, NJW 1961, 2233 [2234]), insoweit hat die Bestimmung konstitutive Bedeutung.



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen65

Bezogen auf landesgesetzliche Regelungen ist die Vorschrift hingegen wegen des Vorrangs des Bundesrechts75 konstitutiv. Die sogenannte Öffnungsklausel für Landesgesetze in § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Alt. 2 VwGO ist durch das 6. VwGOÄndG eingeführt worden76, 77. Davor konnten die Länder gemäß § 187 Abs. 3 VwGO a. F. die aufschiebende Wirkung nur im Bereich der Verwaltungsvollstreckung ausschließen. Damit auch nach dessen Abschaffung78 bei der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen werden kann79, ist § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO angefügt worden80, 81. Die zahlreichen spezialgesetzlichen Ausnahmen sollen hier nicht alle aufgeführt werden, es seien nur Beispiele gegeben82: Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB haben Drittwiderspruch und Drittanfechtungsklage gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung83. Wichtige gesetzliche Ausnahmen gibt es auch im Ausländerrecht: So hat etwa gemäß § 75 S. 1 AsylVfG die Klage84 gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz – außer bei Widerruf oder Rücknahme der Anerkennung als Asylberechtigter und / oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft85, 86 75  Art. 31  GG.

76  Art. 1 Nr. 12 lit. a 6. VwGOÄndG v. 1. November 1996, BGBl. I v. 7. November 1996, 1627. 77  Vgl. Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 714; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 66. 78  Art. 1 Nr. 32 6. VwGOÄndG v. 1. November 1996, BGBl. I v. 7. November 1996, 1629. 79  § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Alt. 2 VwGO erfasst nur Landesrecht. 80  Art. 1 Nr. 12 lit. b 6. VwGOÄndG v. 1. November 1996, BGBl. I v. 7. November 1996, 1627. 81  Vgl. Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 719; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 70. 82  Vgl. zu weiteren Ausnahmevorschriften Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 706 ff.; Kotulla, Verw. 2000, 521 [532 ff.] 83  Ob die Vorschrift auch für den Bauvorbescheid gilt, ist umstritten (vgl. bejahend OVG Lüneburg v. 8.  Juli 2004, Az.  1 ME 164 / 04, NdsVBl. 2004, 339 [Ls. 2, 340 f.]; OVG Lüneburg v. 30.  März 1999, Az.  1 M 897 / 99, NVwZ-RR 1999, 716, BauR 1999, 1163 [Ls. 1, juris-Rn. 26]; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 65; verneinend VGH München v. 1.  April 1999, Az.  2 CS 98.2646, NVwZ 1999, 1363 [Ls. 1, jurisRn. 12 ff.]; Eyermann / Schmidt, § 80 Rn. 29). 84  Ein Widerspruchsverfahren findet von vornherein nicht statt (§ 11 AsylVfG). 85  Art. 73 AsylVfG. 86  Davon wiederum ausgenommen sind allerdings Widerruf und Rücknahme wegen § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG oder § 3 Abs. 2 AsylVfG, hier hat die Klage gemäß § 75 S. 2 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

sowie bei einer nicht auf Unbeachtlichkeit oder offensichtliche Unbegründetheit gestützten, „sonstigen“ Ablehnung eines Asylantrags87 – keine aufschiebende Wirkung88. Nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG haben Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 58a Abs. 1 S. 2 AufenthG ist eine Abschiebungsanordnung, die nach Abs. 1 S. 1 der Vorschrift zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik oder einer terroristischen Gefahr erlassen wird, sofort vollziehbar89. Als landesgesetzliche Ausnahmeregelungen sind die auf dem Gebiet der Verwaltungsvollstreckung zu nennen90, 91. c) Behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung Außer den gesetzlichen Ausnahmen vom Grundsatz des Suspensiveffekts, die automatisch in allen von der jeweiligen Bestimmung erfassten Fällen greifen, kann gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO92 die Ausgangsbehörde oder die Widerspruchsbehörde93 im Einzelfall die sofortige Voll87  § 38 Abs. 1 AsylVfG. Zur Unbeachtlichkeit vgl. § 29 Abs. 1 AsylVfG, zur offensichtlichen Unbegründetheit vgl. 30, 29a Abs. 1 AsylVfG. 88  Bei einer auf Unbeachtlichkeit oder offensichtliche Unbegründetheit gestützten Ablehnung eines Asylantrags kann zudem ein Aussetzungsantrag bei Gericht nur innerhalb der Ausreisefrist von einer Woche ab Bekanntgabe der Entscheidung gestellt werden (§ 36 Abs. 3 S. 1 Hs. 1, Abs. 1 AsylVfG. Bei fehlendem entsprechendem Hinweis gilt § 58 VwGO entsprechend (§ 36 Abs. 3 S. 2, 3 AsylVfG)). Das gerichtliche Aussetzungsverfahren bei einer Ablehnung eines Asylantrags wegen Unbeachtlichkeit oder offensichtliche Unbegründetheit folgt auch darüber hinaus besonderen Regeln (vgl. § 36 Abs. 3, 4 AsylVfG, Art. 16a Abs. 4  GG). 89  Weiter sind aus dem AufenthG noch als die aufschiebende Wirkung ausschließende Regelungen zu nennen die §§ 15a Abs. 2 S. 4, Abs. 4 S. 8; 24 Abs. 4 S. 4; 54a Abs. 5 S. 2; 63 Abs. 2 S. 2; 84 Abs. 1 Nr. 2–6. 90  Beispielsweise §  8 S. 1 AGVwGO NW; § 21a S. 1 VwZVG Bay; § 12 S. 1 VwVG BW; § 16 S. 1 AGVwGO Hess. 91  Auf Einzelheiten und auf Unterschiede der verschiedenen landesgesetzlichen Bestimmungen wird hier nicht eingegangen. Vgl. etwa mit weiteren Nachweisen Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 68; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 719  ff.; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht (2000), 476 f.; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 183 ff. 92  Siehe für Verwaltungsakte mit Drittwirkung noch § 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO. 93  Bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung kann gemäß §  80a Abs.  3 S. 1 Var. 3 iVm Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO auch das Gericht die sofortige Vollziehung anordnen (dazu unten sub 3. d) bb), S. 78 f.).



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen67

ziehung94 des Verwaltungsakts anordnen mit der Folge, dass gegen den Verwaltungsakt gerichtete Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben95. Damit eine solche Vollziehungsanordnung ergehen kann, muss die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten erforderlich sein. Die Behörde kann also nicht beliebig Vollziehungsanordnungen erlassen und so § 80 Abs. 1 VwGO unterlaufen. Sie muss zudem das besondere Vollziehungsinteresse konkret schriftlich begründen96. d) Behördliche Aussetzung der Vollziehung In den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage aufgrund gesetzlicher Ausnahmebestimmung oder einer Vollziehungsanordnung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung haben, kann gemäß § 80 Abs. 4 VwGO die Behörde (Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde97, 98) die Vollziehung (wieder) aussetzen, soweit dies nicht bundesgesetzlich ausgeschlossen ist99. Diese behördliche Aussetzung spielt in der Praxis kaum eine Rolle100. 94  Der Begriff der „Vollziehung“ in § 80 VwGO ist als Gegenstück zum Begriff der „aufschiebenden Wirkung“ nicht vollstreckungsrechtlich, sondern in einem weiten Sinn zu verstehen (vgl. Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 72, 36 ff.; Schoch /  Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 197 f.). 95  Zur behördlichen Vollziehungsanordnung und den Streitfragen in diesem Zusammenhang mit weiteren Nachweisen Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 72 ff.; Schoch /  Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 196 ff.; Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz (1988), 1234 ff.; Hufen, Verwaltungsprozessrecht (2011), 471 ff.; Schenke, VerwArch 91 (2000), 587; Kaltenborn, DVBl. 1999, 828; Grigoleit, Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit (1997). 96  § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Eine Ausnahme vom besonderen Begründungserfordernis gilt nur für Notstandsmaßnahmen bei Gefahr im Verzug (§ 80 Abs. 3 S. 2 VwGO). 97  Seit dem 4. VwGOÄndG ist auch die Ausgangsbehörde ausdrücklich in § 80 Abs. 4 VwGO genannt (Art. 1 Nr. 13 lit. b 4. VwGOÄndG v. 17.  Dezember 1990, BGBl. I v. 21. Dezember 1990, 2811). 98  Vgl. zur Zuständigkeitskonkurrenz mit weiteren Nachweisen Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 102 f.; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 308 ff.; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 110 ff.; Pache / Knauff, DÖV 2004, 656 [658 ff.]. 99  Eine solche Regelung enthält § 39 S. 2 Bundesleistungsgesetz (vgl. Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 827; Redeker / von Oertzen / M. Redeker, § 80 Rn. 33). 100  Vgl. Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 275; Redeker / von Oertzen / M. Redeker, § 80 Rn. 35; Brühl, JuS 1995, 818 [818]. Vgl. für einen praxisrelevanten Anwendungsfall BVerwG v. 17.  September 2001, Az.  4 VR 19.01 (4 A 40.01), DVBl. 2001, 1861, NVwZ-RR 2002, 153. Außerdem hat bei öffentlichen Abgaben

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Das behördliche Aussetzungsverfahren und das gerichtliche Aussetzungsverfahren101 sind voneinander unabhängig. Es ist grundsätzlich keine Voraussetzung für einen Aussetzungsantrag bei Gericht, dass vorher erfolglos die Aussetzung bei der Behörde beantragt worden ist102. Nur bei öffentlichen Abgaben und Kosten103 ist gemäß dem durch das 4. VwGOÄndG eingefügten § 80 Abs. 6 VwGO104 das Vorliegen einer ablehnenden Behördenentscheidung in der Regel105 eine im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nicht nachholbare Zugangsvoraussetzung106. Bezüglich der behördlichen Aussetzung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten ist noch interessant, dass hierfür inhaltliche Kriterien normiert sind: Nach § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Inteund Kosten die Einführung des § 80 Abs. 6 VwGO zu einem gewissen Bedeutungszuwachs des behördlichen Aussetzungsverfahrens geführt (vgl. Redeker / von Oertzen / M. Redeker, § 80 Rn. 35; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 275). 101  Zu diesem sogleich sub e), S. 69, und unten sub II. 2., S. 117 ff. 102  So – insbesondere auch für Verwaltungsakte mit Drittwirkung – Kopp / Schenke, § 80 Rn. 138; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 133, 182, § 80 a Rn. 16 ff.; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 899, 1064; Hufen, Verwaltungsprozessrecht (2011), 478; OVG Koblenz v. 9. September 2003, Az.  8 B 11269 / 03, NVwZ-RR 2004, 224; OVG Bremen v. 24.  Januar 1992, Az.  1 B 1 / 92, NVwZ 1993, 592 [Ls. 1, juris-Rn. 6 ff.]; OVG Hamburg v. 19. September 1994, Az.  Bs II 35 / 94, NVwZ-RR 1995, 551 [Ls., juris-Rn. 4 ff.]; VGH Kassel v. 1.  August 1991, Az.  4 TG 1244 / 91, NVwZ 1993, 491 [juris-Rn. 25]; VGH Mannheim v. 29. Juni 1994, Az. 10 S 2510 / 93, NVwZ 1995, 292 [Ls. 1, juris-Rn. 6]; a. A. für Verwaltungsakte mit Drittwirkung wegen der Verweisung auf § 80 Abs. 6 VwGO in § 80a Abs. 3 S. 2 VwGO OVG Lüneburg v. 15.  April 2010, Az.  1 ME 22 / 10, NVwZ-RR 2010, 552 [Ls. 1, juris-Rn. 17 ff.]; OVG Lüneburg v. 21. Oktober 2009, Az.  1 ME 192 / 09, NVwZ-RR 2010, 140 [juris-Rn. 11]; OVG Lüneburg v. 8. Juli 2004, Az.  1 ME 167 / 04, NVwZ-RR 2005, 69 [Ls. 1, juris-Rn. 8 ff.]; OVG Weimar v. 27.  Juni 1994, Az.  1 EO 133 / 93, ThürVBl. 1995, 64 [Ls. 1, juris-Rn. 38 ff.]; Heberlein, BayVBl. 1993, 743; Heberlein, BayVBl. 1991, 396 [397]. 103  Hier haben Rechtsbehelfe gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO nicht automatisch aufschiebende Wirkung (dazu oben sub b) aa), S. 61 ff.). 104  Art. 1 Nr. 13 lit. c 4. VwGOÄndG v. 17.  Dezember 1990, BGBl. I v. 21.  Dezember 1990, 2811. 105  § 80 Abs. 6 S. 2 VwGO enthält Ausnahmen: keine Entscheidung der Behörde über den Aussetzungsantrag innerhalb angemessener Frist oder drohende Vollstreckung. 106  Kopp / Schenke, § 80 Rn. 185; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 180; OVG Münster v. 30.  Januar 2008, Az.  1 ME 270 / 07, NVwZ-RR 2008, 594 [594]; a. A. Eyermann / Schmidt, § 80 Rn. 60; kritisch auch VGH München v. 9. Juni 2008, Az. 8 CS 08.1117, NVwZ-RR 2009, 135 [Ls. 1, juris-Rn. 2].



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen69

ressen gebotene Härte zur Folge hätte107, 108. Das ist besonders bemerkenswert insofern, als es sich um die einzige Stelle in den §§ 80, 80 a VwGO handelt, an der materielle Voraussetzungen für die Aussetzung genannt sind. Bei den Regelungen zur behördlichen oder gerichtlichen Aussetzung in § 80 Abs. 4 S. 1, Abs. 5 S. 1 VwGO und in § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO ist hingegen kein Entscheidungsmaßstab formuliert. Die Nennung von Aussetzungskriterien in § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO ist zudem in der rechtsvergleichenden Betrachtung mit Art. L521-1 CJA von Interesse: Auch dort sind explizite materielle Anordnungsvoraussetzungen für die Aussetzung aufgeführt. Und vor allem springt eine Parallele zwischen dem „ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts“ und dem „moyen propre à créer un doute sérieux quant à la légalité de la décision“ ins Auge109. e) Gerichtliche Aussetzung der Vollziehung Außer der Behörde kann auch das Verwaltungsgericht die Aussetzung anordnen. Das gerichtliche Aussetzungsverfahren spielt in der Praxis eine weitaus wichtigere Rolle als das behördliche. Die gesetzliche Grundlage für die gerichtliche Aussetzung bildet § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO und speziell für Verwaltungsakte mit Drittwirkung § 80a Abs. 3 VwGO. In § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO heißt es, dass das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen bzw. wiederherstellen kann, was nichts anderes als eine Aussetzung der Vollziehung bedeutet110. Im Unterschied zur behördlichen Aussetzung ist die gerichtliche antragsabhängig111. Der Entscheidungsmaßstab für eine Aussetzung durch das Gericht wird an anderer Stelle thematisiert112.

107  Vgl. mit weiteren Nachweisen Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 280 ff.; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 115 f. 108  Entsprechend in der FGO § 69 Abs. 2 S. 2 und in der AO § 361 Abs. 2 S. 2. 109  Ausführlich dazu unten sub II. 3. b), S. 126 f., und II. 3. c), S. 127 ff. 110  Vgl. OVG Münster v. 29.  Juli 1960, Az.  III B 433 / 60, OVGE MüLü 16, 44 [52]. 111  § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO: „Auf Antrag […]“, § 80a Abs. 3 S. 1 VwGO: „[…] auf Antrag […]“. 112  Siehe unten sub II. 2., S. 117 ff.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

3. Gegenüberstellung a) Zusammenhang mit der Grundkonzeption der Verwaltungsgerichtsbarkeit In Deutschland die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsklage und Widerspruch als „fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses“ (Bundesverfassungsgericht)113; in Frankreich dagegen die Vollziehbarkeit von Verwaltungsakten trotz Rechtsbehelfseinlegung als „régle fondamentale du droit public“ (Conseil d’État)114 – in diesen konträren Aussagen spiegeln sich unterschiedliche Sichtweisen von der Funktion verwaltungsgerichtlicher Kontrolle und von der Gewalten(ver)teilung zwischen der Exekutive und den Verwaltungsgerichten. Die gegensätzlichen Grundsätze hinsichtlich des Suspensiveffekts in Frankreich und in Deutschland sind im Kontext von im Ausgangspunkt verschiedenen Grundkonzeptionen der Verwaltungsgerichtsbarkeit in den beiden Ländern zu sehen115. aa) Objektive Rechtskontrolle und Individualrechtsschutz Nach der klassischen französischen Auffassung nehmen die Verwaltungsgerichte hauptsächlich eine objektivrechtliche Kontrollfunktion wahr116. Nach diesem Verständnis gibt es nur wenige subjektivrechtliche Klagen vor den Verwaltungsgerichten, etwa bei öffentlich-rechtlichen Verträgen oder im Bereich der Staatshaftung (responsabilité)117. Bei der zentralen Klageart, dem auf Aufhebung eines Verwaltungsakts gerichteten recours pour excès de pouvoir, geht es dagegen vor allem um die objektive Legalität des Verwaltungshandelns und nicht um den Schutz subjektiver Rechte des Klägers118. Im Rahmen einer solchen objektiven Rechtskontrolle ist eine aufschiebende 113  BVerfG v. 19.  Juni 1973, Az.  1 BvL 39 / 69 und 14 / 72, BVerfGE 35, 263 [272]; BVerfG v. 18. Juli 1973, Palästinenserbeschluss, Az.  1 BvR 23, 155 / 73, BVerfGE 35, 382 [402]; BVerfG v. 12. September 1995, Az. 2 BvR 1179 / 95, NVwZ 1996, 58 [juris-Rn. 41]; BVerfG v. 10.  Oktober 2003, Az.  1 BvR 2025 / 03, NVwZ 2004, 93 [juris-Rn. 19]; BVerfG v. 13.  Juni 2005, Az.  2 BvR 485 / 05, NVwZ 2005, 1053 [juris-Rn. 21]; BVerfG  v. 10.  Mai 2007, Az.  2 BvR 304 / 07, NVwZ 2007, 946 [juris-Rn. 29]. 114  CE v. 2. Juli 1982, Huglo et autres, Az. 25288, 25323, Rec. Leb. 1982, 257 [258]. 115  Vgl. Garrido, Argument de droit comparé (2007), 321 [326]. 116  Vgl. etwa Woehrling, NVwZ 1998, 462 [463]; Lerche, Kontrolldichte (1993), 1 [5]. 117  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 229, 263. 118  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 244; Peiser, Droit administratif (2011), 279.



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen71

Wirkung der Klage, die dem Schutz des Klägers dient, nicht erforderlich119. Der Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts erscheint vor diesem Hintergrund gewissermaßen als logische Folge der französischen Konzeption. Nach der deutschen Konzeption hingegen dient die verwaltungsgerichtliche Kontrolle primär dem Schutz subjektiver Rechte120, 121. Bezogen auf die Anfechtungsklage ist in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO und § 42 Abs. 2 VwGO ausdrücklich von einer Rechtsverletzung des Klägers als Voraussetzung für den Erfolg der Klage die Rede. In der Verfassung enthält Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine Systementscheidung für den Individualrechtsschutz122. Ohne Suspensiveffekt wäre ein solcher Rechtsschutz häufig nicht effektiv. Die aufschiebende Wirkung zum Schutz des Klägers ist insofern Ausdruck der deutschen Individualrechtsschutzkonzeption. bb) Gewaltenteilungsverständnis In den eingangs zitierten Aussagen des Bundesverfassungsgerichts und des Conseil d’État wird letztlich auch ein voneinander abweichendes Gewaltenteilungsverständnis sichtbar: In Deutschland wird der Judikative im Grundgesetz generell eine starke Stellung im Gewaltengefüge eingeräumt123. Schmidt-Aßmann spricht von „gerichtsgeprägter Gewaltenteilung“124, nach Papier weist „der Rechtsstaat des Grundgesetzes eine starke Entwicklungstendenz zum Rechtsweg- oder Richterstaat“ auf125. Hierzu passt der Suspensiveffekt, der zu Lasten der Verwaltung geht und die Verwaltungsgerichte stärkt, indem er eine „selbstherrliche“ Vollziehung „an den Gerichten vorbei“ verhindert. 119  Vgl. Marsch, Verwaltungsrecht in Europa, Bd. 2 (2009), 33 [161]; Maunz /  Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 273. 120  Vgl. etwa Schoch / Schneider / Bier / Wahl Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 1 ff.; Krebs, FS Menger (1985), 191; BVerwG v. 26.  Juni 1981, Az.  4 C 5.78, BVerwGE 62, 342 [348]; BVerwG v. 27.  Januar 1982, Az.  4 ER 401.81, BVerwGE 64, 347 [352]. 121  Dabei wird von einer grundlegend anderen Idee des subjektiven (öffentlichen) Rechts ausgegangen als bei dem klassischen französischen Verständnis. 122  V. Münch / Kunig / Krebs, Art. 19 Rn. 64; Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8. 123  Vgl. Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 10; Schoch / Schneider / Bier / Schmidt-Aßmann / Schenk, Einl. Rn. 59; Papier, HStR1 VI (1989), § 154 Rn. 4; Maunz / Dürig / Herzog, Art. 20 Abschnitt V Rn. 59. 124  Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 10. Siehe auch Schoch /  Schneider / Bier / Schmidt-Aßmann / Schenk, Einl. Rn. 59 („starke Gerichtsgeprägtheit oder Gerichtszentriertheit der Gewaltenteilung“) und BVerwG v. 31. Januar 2001, Az. 6 CN 2.00, BVerwGE 112, 373 [381]. 125  Papier, HStR1 VI (1989), § 154 Rn. 4.

72

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Demgegenüber lässt sich Frankreich klassischerweise schlagwortartig eher als „Verwaltungsstaat“ charakterisieren126. In der Tradition Voltaires und Montesquieus wird auf die Begrenzung der Macht der Judikative Wert gelegt. Im Verhältnis von Verwaltungsgerichten und Verwaltung wird die Eigenständigkeit der Exekutive besonders betont. Die Verwaltungsgerichte sollen sich nicht in den Wirkungsbereich der Verwaltung einmischen, ihnen ist daher grundsätzlich verwehrt, der Verwaltung Weisungen (injonctions) zu erteilen127. Insgesamt soll die Effektivität des Verwaltungshandelns nicht behindert werden. Dem entspricht, dass ein Verwaltungsakt trotz Durchführung eines Gerichtsverfahrens vollziehbar ist. cc) Keine idealtypische Ausformung und Entwicklungstendenzen Die eben dargestellte Typologie (in Frankreich objektive Rechtskontrolle und starke Stellung der Verwaltung – in Deutschland Individualrechtsschutz und gerichtsgeprägte Gewaltenteilung) ermöglicht, die Hintergründe für die gegensätzlichen Grundsätze hinsichtlich des Suspensiveffekts zu verstehen und diese in ein Gesamtsystem einzuordnen. Dafür ist sie hilfreich. Sie darf aber nicht verabsolutiert werden. Denn von vornherein war keines der beiden Systeme idealtypisch ausgeformt. Und vor allem haben – nicht zuletzt unter völker- und europarechtlichen Einflüssen – Veränderungen und Annäherungsprozesse stattgefunden und ist die Rechtsentwicklung weiterhin im Fluss. Individualrechtsschutz und objektive Rechtskontrolle sind keine einander ausschließenden Alternativen128. So findet im deutschen System im Rahmen der Prüfung der Verletzung von subjektiven Rechten gleichsam als Nebenfolge auch eine objektive Rechtskontrolle statt129. Ferner schließt die Systementscheidung für den Individualrechtsschutz nicht aus, dass den Verwaltungsgerichte zusätzlich zu diesem in einem gewissen Umfang objektive Kontrollaufgaben übertragen werden können, die von der Verletzung subjektiver Rechte unabhängig sind130, wie etwa jedenfalls ursprünglich in § 47 VwGO131. Veränderungsdruck auf das deutsche Recht hinsichtlich einer Implementierung von Elementen objektiver Rechts126  Woehrling,

NVwZ 1998, 462 [463]. mit umfangreichen weiteren Nachweisen Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1085 ff.; Moderne, RFDA 1990, 798. 128  Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 9. 129  Menger, DÖV 1955, 587 [591 f.]; Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 9. 130  Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 9. 131  Vgl. Schoch / Schneider / Bier / Gerhardt / Bier Vorb. § 47 Rn. 1, § 47 Rn. 1; Sodan / Ziekow / Ziekow, § 47 Rn. 31 ff. 127  Vgl.



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen73

kontrolle ist durch die Århus-Konvention132 und die Richtlinie 2003 / 35 / EG133 mit den dort vorgesehenen weitreichenden Verbandsklagemöglichkeiten im Umweltrecht134 entstanden135. Umgekehrt enthält in Frankreich das Paradeverfahren der objektiven Rechtskontrolle, der recours pour excès de pouvoir, mit der dem Gericht eingeräumten Möglichkeit, zum Schutz des Klägers die Aussetzung der Vollziehung anzuordnen, ein Element des Individualrechtsschutzes. Die Aussetzungsmöglichkeit ist, wie dargestellt136, für den Conseil d’État bereits seit dem Jahr 1806 geregelt137. Seit jeher handelt es sich also nicht um eine „reine“ objektive Rechtskontrolle und wird zudem auch vom Grundsatz des Weisungsverbots abgewichen, da die Aussetzung eine an die Verwaltung gerichtete Unterlassungsanordnung (injonction de ne pas faire) impliziert138. Allerdings kann die traditionelle Zurückhaltung bei der Anordnung eines sursis à exécution als Ausdruck einer von der Idee der objektiven Rechtskontrolle geprägten Denkweise gesehen werden, die den Schutz des Klägers nur in seltenen Ausnahmefällen in den Blick nimmt. Und darin wird auch das eben beschriebene Gewaltenteilungsverständnis deutlich, 132  UN / ECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten v. 25. Juni 1998, englisch-französisch-deutsche Synopse veröffentlicht in BGBl. II v. 15. Dezember 2006, 1252 (amtliche deutsche Übersetzung; englischer, französischer und russischer Wortlaut verbindlich (Art. 22)). 133  Richtlinie 2003 / 35 / EG v. 26.  Mai 2003, Amtsblatt der Europäischen Union v. 25. Juni 2003, L 156, 17. 134  Art. 9 Abs. 2 Århus-Konvention; Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 Richtlinie 2003 / 35 / EG. 135  Die Thematik wird hier nicht aufgerollt. Vgl. nur aus der Rechtsprechung EuGH v. 12. Mai 2011, Trianel Kohlekraftwerk Lünen, Az.  C 115 / 09, Slg. 2011, I-03673; ergangen auf Vorlage durch das OVG Münster v. 5. März 2009, Az. 8 D 58 / 08.AK, DVBl. 2009, 654; ferner VGH Kassel v. 16. September 2009, Az. 6 C 1005 / 08.T, NuR 2010, 428; aus dem Schrifttum Durner / Paus, DVBl. 2011, 759; Berkemann, NuR 2011, 780; Bunge, NuR 2011, 605; Gärditz, EurUP 2010, 210; Koch, NVwZ 2007, 369; Schmidt / Kremer, ZUR 2007, 57; Alleweldt, DÖV 2006, 621; Durner, Rechtspolitische Spielräume (2005), 64; Durner, ZUR 2005, 285; v. Danwitz, NVwZ 2004, 272 [279 ff.]; aus der Kommentarliteratur Gärditz / Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz im Verwaltungsprozess (nach § 42 VwGO); monographisch Schwerdtfeger, Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der AarhusKonvention (2010); Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz (2008); sowie grundlegend Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts (1997). 136  Oben A. I. 1. a), 24. 137  Art. 3 Dekret v. 22. Juli 1806 (décret contenant règlement sur les affaires contentieuses portées au Conseil d’État), Lois annotées ou Lois, décrets, ordonnances, avis du Conseil d’État etc. 1789–1830, 726. 138  Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1087.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

nach dem die Eigenständigkeit der Verwaltung besonders respektiert werden muss. Zudem war die Aussetzungsbefugnis lange Zeit auf den Conseil d’État beschränkt und galt für die tribunaux administratifs bis in die achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts hinein für den ordre public betreffende Verwaltungsakte ein Aussetzungsverbot139. Es lässt sich aber in Frankreich in den letzten Jahrzehnten ein grundlegender Wandel hinsichtlich der Bedeutung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle beobachten. Die Gewichte verschieben sich in Richtung der Konzeption des Individualrechtsschutzes und die Stellung der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegenüber der Verwaltung wird gestärkt. Das ist in den übergreifenden Gesamtkontext des Gebots des effektiven Rechtsschutzes140 und der komplizierten und vielschichtigen Thematik des subjektiven öffentlichen Rechts zu stellen. Der Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts kann an dieser Stelle nicht ausgeleuchtet werden141. Ebensowenig können hier sämtliche Manifestationen des Entwicklungsprozesses, den das französische Verwaltungsprozessrecht durchläuft, dargestellt werden. Stichworte dafür sind etwa: Kontrolldichte; Anordnungsmöglichkeiten des Richters142; einstweiliger Rechtsschutz; Einschränkungen bei den nicht justiziablen mesures d’ordre intérieur143; ausführlichere Urteilsbegründungen etc. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf den einstweiligen Rechtsschutz, der ein besonders augenfälliges Beispiel für tiefgreifende Veränderungen im französischen Recht gibt. Kurz angesprochen sei allerdings noch als umwälzende Neuerung die starke Ausweitung der Weisungsbefugnisse der Verwaltungsgerichte durch Gesetz vom 8. Februar 1995144, 145. Seitdem können die Verwaltungsgerich139  Ausführlich

oben sub A. I. 1. a), S. 25. zum „droit à un recours juridictionnel effectif“ mit Verfassungsrang in Frankreich nur Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 4, 451 mit weiteren Nachweisen. 141  Das würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Das subjektive öffentliche Recht allgemein und speziell in rechtsvergleichender Perspektive bietet Stoff für zahlreiche Untersuchungen, vgl. etwa nur Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft (1996); Marsch, Subjektivierung der gericht­ lichen Verwaltungskontrolle in Frankreich (2011). 142  Vgl. beispielsweise CE v. 11. Mai 2004, Association AC! et autres, Az. 255886 [u. a.], Rec. Leb. 2004, 197; CE v. 27. Juli 2001, Titran, Az. 222509, Rec. Leb. 2001, 411; CE v. 29. Juni 2001, Vassilikiotis, Az. 213229, Rec. Leb. 2001, 303; Ausweitung durch Gesetz im Jahr 1995 (dazu sogleich). 143  Vgl. beispielsweise CE v. 17. Februar 1995, Hardouin, Az. 107766, Rec. Leb. 1995, 82; CE v. 17. Februar 1995, Marie, Az.  97754, Rec. Leb. 1995, 83. 144  Art. 62, 77 Gesetz Nr. 95-125 v. 8. Februar 1995, JORF v. 9. Februar 1995, 2182, 2183. 145  Vgl. Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich (2011) 178 ff.; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1092 ff.; 140  Vgl.

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I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen75

te im Hinblick auf die Vollziehung ihrer Entscheidungen der Verwaltung umfassende Anordnungen erteilen. Wie bei § 113 Abs. 5 VwGO wird zwischen der Anordnung einer bestimmten Maßnahme146 und der Anordnung einer Neubescheidung147 unterschieden. Inwieweit man überhaupt noch vom Weisungsverbot als Grundsatz sprechen kann, wird hier nicht vertieft. Jedenfalls markiert das Gesetz aus dem Jahr 1995 eine wichtige Zäsur in der Entwicklung des französischen Verwaltungsprozessrechts148. Im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes war ebenso einschneidend die grundlegende Reform im Jahr 2000 mit der Lockerung der Voraussetzungen beim sursis à exécution (nunmehr référé-suspension)149, der ausdrücklichen Erstreckung seines Anwendungsbereichs auf ablehnende Verwaltungsakte150, der Neuschaffung des référé-liberté151 und zahlreichen weiteren Änderungen. Die große Linie der Reform, die einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu erleichtern und zu erweitern, bringt klar eine stärkere Betonung des Aspekts des effektiven Individualrechtsschutzes zum Ausdruck152. Und auch bereits vor der Reform hatte der Conseil Constitutionnel in einer Entscheidung aus dem Jahr 1987153 die Möglichkeit eines sursis à exécution in bestimmten Fällen als „garantie essentielle des droits de la défense“ mit Verfassungsrang qualifiziert154.

Maugüé, FS Labetoulle (2007), 591; Arrighi de Casanova, FS Labetoulle (2007), 11; Charles, DA April 2005, 10; Broyelle, DA März 2004, 8; Lay, RDP 2004, 1355; Moderne, RFDA 1996, 43; Moderne, FS Chabanol (2009), 89; Woehrling, LPA 24.  Mai 1995, Nr. 62, 18; Mouzouraki, Efficacité (1999); Debbasch, JCP 1996, I-3924, Nr. 16, 161; Gabolde, DA November 1995, 1; Costa, Rev. adm. 1999, SN 8, 132; Koch, NVwZ 1998, 1259 [1260 ff.]. 146  Aktuell Art. L911-1  CJA. 147  Aktuell Art. L911-2  CJA. 148  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1092; Arrighi de Casanova, FS Labetoulle (2007), 11 [12]. 149  Siehe unten sub II. 1. a) bb), S. 100, und II. 1. b) bb), S. 114 f. 150  Siehe unten sub C. I. 1. a), S. 135 ff. 151  Siehe unten sub C. I. 2., S. 146 ff. 152  Vgl. Hourquebie, Argument de droit comparé (2007), 203 [222]. 153  CC v. 23.  Januar 1987, Az.  86-224 DC, JORF v. 25.  Januar 1987, 924. 154  Vgl. Tsiklitiras, RDP 1992, 679; Morand-Deviller, Contrôle juridictionnel de l’administration (1991), 183 [192]; Gaudemet, RFDA 1988, 420 [425 f.]; Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [22]; Moderne, D 2001, 3283 [3283].

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

b) Automatische oder im Einzelfall angeordnete aufschiebende Wirkung Die aufschiebende Wirkung kann automatisch mit Erhebung des Rechtsbehelfs eintreten oder im Einzelfall angeordnet155 werden. Im ersten Fall tritt der vorläufige Rechtsschutz von selbst ein und es bedarf damit keines gesonderten Aussetzungsverfahrens mehr156. In Deutschland, wo der automatische Suspensiveffekt die in § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO vorgesehene Regel ist, kann daher nur bei den Ausnahmen157 die Frage einer gerichtlichen oder behördlichen Aussetzung relevant werden. Dagegen ist in Frankreich für die Aussetzung eine besondere Anordnung nur bei den gesetzlichen Ausnahmefällen, in denen Rechtsbehelfe schon automatisch aufschiebende Wirkung entfalten, entbehrlich. Im Regelfall der fehlenden automatischen aufschiebenden Wirkung ist der Kläger, um vorläufigen Rechtsschutz zu erlangen, stets auf eine Einzelfallaussetzung angewiesen. Daraus lässt sich freilich nicht pauschal folgern, dass dem gerichtlichen Aussetzungsverfahren in Frankreich größere Bedeutung zukommt als in Deutschland. Denn es gibt in Deutschland in beträchtlichem Umfang gesetzliche Ausnahmen vom Grundsatz des automatischen Suspensiveffekts und auch behördliche Vollziehungsanordnungen nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO kommen in der Praxis häufig vor. Zudem lässt sich allgemein die Bedeutung eines gerichtlichen Verfahrens nicht quantitativ nach dem Umfang seines Anwendungsbereichs bemessen. Mag es auch nur in Ausnahmefällen relevant werden, kann es doch in diesen umso wichtiger sein. Aber immerhin lässt sich sagen, dass aufgrund der unterschiedlichen Gesetzesstruktur hinsichtlich des Suspensiveffekts in Frankreich regelmäßig ein Aussetzungsverfahren erforderlich ist, während in Deutschland der vorläufige Rechtsschutz häufig automatisch gewährleistet ist. c) Gerichtliche oder behördliche Aussetzung Kommt es auf eine Einzelfallaussetzung an, kann diese durch das Gericht oder die Behörde erfolgen. Bei der rechtsvergleichenden Gegenüberstellung der französischen und deutschen Aussetzungsvorschriften fällt auf, dass das 155  Bzw.

im Fall des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO wiederhergestellt. praktischer Vorteil des automatischen Suspensiveffekts ist die mit ihm verbundene Entlastung der Gerichte (vgl. Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 25). 157  Aufgrund gesetzlicher Bestimmung oder aufgrund einer Vollziehungsanordnung im Einzelfall. 156  Ein



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen77

französische Recht anders als das deutsche158 keine allgemeinen ausdrücklichen Regelungen zur behördlichen Aussetzung enthält159. Das bedeutet aber freilich noch nicht, dass sie in Frankreich nicht möglich ist. Vielmehr wird wohl schlicht die behördliche Aussetzungsbefugnis als selbstverständlich angesehen und eine ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht für nötig erachtet160. Einen obligatorischen erfolglosen Aussetzungsantrag bei der Behörde vor Anrufung des Gerichts, wie ihn bei öffentlichen Abgaben und Kosten § 80 Abs. 6 VwGO verlangt161, kennt das französische Recht allerdings nicht. Die behördliche Aussetzung in Frankreich wird hier nicht weiter untersucht. Im französischen Schrifttum und der Rechtsprechung wird sie, soweit ersichtlich, nicht ausführlich thematisiert. Sie scheint, ähnlich wie in Deutschland, in der Praxis keine nennenswerte Rolle zu spielen. Der Fokus liegt in beiden Ländern auf der gerichtlichen Aussetzung. d) Vollziehungsanordnung Haben Rechtsbehelfe automatisch aufschiebende Wirkung, fragt sich, ob dies im Einzelfall durch eine Vollziehungsanordnung überwunden werden kann. Diese Frage stellt sich in Deutschland im Regelfall des § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO und in Frankreich im Rahmen der gesetzlichen Ausnahmen vom Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts. Wie bei der Aussetzung ist zwischen einer behördlichen [sub aa)] und einer gerichtlichen [sub bb)] Vollziehungsanordnung zu unterscheiden. aa) Behördliche Vollziehungsanordnung Beim Vergleich der deutschen und französischen Vorschriften fällt zunächst auf, dass im deutschen Recht in § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO162 eine Befugnis der Behörde zum Erlass von Vollziehungsanordnungen ge158  § 80 Abs. 4 VwGO und speziell für Verwaltungsakte mit Drittwirkung § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Zur behördlichen Aussetzung der Vollziehung in Deutschland oben sub 2. d), S. 67 ff. 159  Siehe aber als spezielle Regelungen zu einer behördlichen Aussetzung der Durchsetzung von Geldforderungen bestimmter öffentlicher Einrichtungen (établissements publics) Art. 164 Abs. 3, 4 und Art. 202 Dekret Nr. 62-1587 v. 29.  Dezember 1962, JORF v. 30. Dezember 1962, 12836, 12838. 160  Auch in Deutschland war bis zum 4. VwGOÄndG die Ausgangsbehörde nicht in § 80 Abs. 4 VwGO genannt, hatte aber trotzdem eine Aussetzungsbefugnis (vgl. Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz (1988), 1290 mit weiteren Nachweisen auch zu Gegenansichten; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 308). 161  Dazu oben sub 2. d), S. 68. 162  Für Verwaltungsakte mit Drittwirkung noch § 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO. 67

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

setzlich geregelt ist163, während in den französischen Vorschriften an keiner Stelle eine solche Befugnis der Behörde vorgesehen ist. Anders als bei der Frage der behördlichen Aussetzungsbefugnis kann das Schweigen des französischen Gesetzes hier nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Befugnis der Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung als selbstverständlich vorausgesetzt wird und daher eine entsprechende explizite gesetzliche Bestimmung entbehrlich ist. Denn jedenfalls beim belastenden Verwaltungsakt im zweiseitigen Verwaltungsrechtsverhältnis ist es insofern etwas anderes, ob die Behörde die Vollziehung aussetzt oder sie im Gegenteil gerade anordnet, als die Aussetzung zu Gunsten des Adressaten, die Vollziehungsanordnung dagegen zu seinen Lasten wirkt164. Die französischen Ausnahmeregelungen, die automatischen Suspensiveffekt gewähren, betreffen überwiegend belastende Verwaltungsakte im zweiseitigen Verhältnis165 und dienen dem Schutz des Klägers166. Durch eine behördliche Vollziehungsanordnung würde dieser ausnahmsweise automatisch gewährte Schutz wieder ausgehebelt. Hätte der französische Gesetzgeber der Behörde die Befugnis einräumen wollen, von den gesetzlichen Ausnahmen im Einzelfall abweichen zu können und durch eine Ausnahme von der Ausnahme einem Rechtsbehelf seine automatische aufschiebende Wirkung wieder nehmen zu können, hätte er dies ausdrücklich im Gesetz geregelt. Das ist nicht geschehen. Es kann damit festgehalten werden, dass im Unterschied zum deutschen Recht im französischen das Instrument der behördlichen Vollziehungsanordnung insgesamt nicht vorkommt. bb) Gerichtliche Vollziehungsanordnung Hingegen findet sich in beiden Rechtsordnungen das Instrument der gerichtlichen Vollziehungsanordnung167. In Deutschland kann bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung gemäß § 80a Abs. 3 S. 1 Var. 3 iVm Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO das Gericht auf Antrag die sofortige Vollziehung anordnen. Antragsteller kann bei einem begünsti163  Zur behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung in Deutschland oben sub 2. c), S. 66 f. 164  Im mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnis wirkt dagegen die Vollziehungsanordnung zu Gunsten des durch den Verwaltungsakt Begünstigten. 165  Vgl. die Aufstellung bei Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 459 ff., 1321. 166  Vgl. Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [18]. 167  Dieses ist oben sub 1., S. 53 ff., und 2., S. 60 ff., noch nicht behandelt worden.



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen79

genden Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung der begünstigte Adressat168 und bei einem belastenden Verwaltungsakt mit begünstigender Drittwirkung der begünstigte Dritte169 sein. Es geht also um die Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes für den Begünstigten, der ein Interesse an der sofortigen Vollziehung hat170. Für belastende Verwaltungsakte im zweiseitigen Verwaltungsrechtsverhältnis ist dagegen in Deutschland keine gerichtliche Befugnis zum Erlass von Vollziehungsanordnungen vorgesehen. Es bedarf ihrer aber auch nicht. Denn für den Rechtsschutz des Betroffenen, zu dessen Lasten die Vollziehung wirkt, ist sie nicht erforderlich und die Behörde ihrerseits kann selbst nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung anordnen. In Frankreich ist im Umweltrecht in drei Vorschriften aus dem code de l’environnement die Möglichkeit einer gerichtlichen Vollziehungsanordnung geregelt. Es geht dabei um bestimmte Leistungsbescheide (états exécutoires), mit denen im Zusammenhang mit der Pflicht zur Durchführung von Schutzmaßnahmen bei sogenannten installations classées171, bei genetisch veränderten Organismen oder bei der Abfallbeseitigung die Hinterlegung eines Geldbetrags angeordnet wird172. Dessen Beitreibung (recouvrement) erfolgt wie bei den Geldforderungen außerhalb von Steuern und Staatsgut („comme en matière de créances étrangères à l’impôt et au domaine“), womit Klagen gegen die betreffenden Leistungsbescheide automatisch aufschiebende Wirkung zukommt173. In den Art. L514-1 Abt. III S. 1 (installations classées), L535-8 Abs. 2 S. 1 (genetisch veränderte Organismen) und L541-3 Abs. 3 S. 1 (Abfallbeseitigung) des code de l’environnement ist dann allerdings bestimmt, dass der Präsident des Verwaltungsgerichts oder der von ihm delegierte Richter auf Antrag im einstweiligen Verfahren anordnen kann, dass die Klage nicht suspensiv ist. Materielle Voraussetzung für diese gerichtliche Aufhebung des Suspensiveffekts ist, dass die vom Betreiber in seiner Klage gegen den Leistungsbescheid vorgebrachten Grün168  Konstellation

des § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO. des § 80a Abs. 2 VwGO. 170  Siehe auch noch unten sub f) cc), S. 92 f., und f) dd), S. 93 f. 171  Siehe Art. L511-1 code de l’environnement zur Begriffsbestimmung der installations classées pour la protection de l’environnement. Sie sind unterteilt in Anlagen, die der Genehmigung (autorisation), der Registrierung (enregistrement) oder der Anzeige (déclaration) bedürfen (Art. L511-2 Abs. 1 S. 2 code de l’environnement). Vgl. im deutschen Recht die genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach dem BImSchG. 172  Art. L514-1 Abt. I Nr. 1 bzw. L535-5 Abt. II Nr. 1 bzw. L541-3 Abs. 1, 2 code de l’environnement. 173  Siehe oben sub 1. b) aa), S. 55. 169  Konstellation

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

de als nicht ernstzunehmend erscheinen174. Für den Richter gilt eine – nicht zwingende – Entscheidungsfrist von fünfzehn Tagen ab Antragstellung175. Soweit ersichtlich, gibt es außer den gerade genannten Regelungen (noch) keine weiteren französischen gesetzlichen Bestimmungen zu einer gericht­ lichen Vollziehungsanordnung. Es fragt sich allerdings, ob in analoger Anwendung der bestehenden Regelungen auch in anderen Fällen ein gesetzlich angeordneter automatischer Suspensiveffekt im Wege einer gerichtlichen einstweiligen Anordnung im Einzelfall aufgehoben werden kann. Diese Frage kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht erschöpfend behandelt werden, nur soviel: Zwar spricht das Argument, dass die gesetzlichen Ausnahmen, nach denen automatischer Suspensiveffekt besteht, den Schutz des Klägers bezwecken und eine Vollziehungsanordnung als Ausnahme von der Ausnahme dem zuwiderläuft, grundsätzlich auch hier für ein Erfordernis einer ausdrücklichen Regelung. Es macht aber einen Unterschied, ob die Behörde selbst oder ein Gericht als am Verwaltungsverfahren nicht beteiligte, unabhängige Stelle die Vollziehungsanordnung erlässt. Der Gedankengang hinsichtlich der gerichtlichen Vollziehungsanordnung ist also nicht völlig identisch mit dem hinsichtlich der behördlichen, zumal für letztere ja schlechterdings gar keine Regelung existiert. Es könnte hinsichtlich der Möglichkeit einer analogen Anwendung der Art. L514-1 Abt. III, L535-8 Abs. 2, L541-3 Abs. 3 des code de l’environnement zwischen den verschiedenen gesetzlichen Ausnahmen zu differenzieren sein. Grundsätzlich überlegenswert erscheint eine Analogie etwa bei weiteren Fällen von Leistungsbescheiden. Warum sollte selbst durch eine ganz offensichtlich aussichtslose Klage missbräuchlich ein Zahlungsaufschub erreicht werden können? Hingegen ist bei den gesetzlichen Ausnahmen im Ausländerrecht grundsätzlich keine gerichtliche Vollziehungsanordnung erforderlich, da hier eine schnelle Hauptsacheentscheidung ergeht176. Interessant ist noch, dass die zur Vorbereitung der Reform der einstweiligen Verfahren beim Conseil d’État eingesetzte Arbeitsgruppe177 einen 174  „[…] dès lors que le moyens avancés par l’exploitant ne lui [scil. dem Richter] paraissent pas sérieux.“ 175  Art. L514-1 Abt. III S. 2, L535-8 Abs. 2 S. 2, L541-3 Abs. 3 S. 2 code de l’environnement. 176  Siehe oben sub 1. b) bb), S. 59. 177  Diese setzte sich aus acht Mitgliedern des Conseil d’État, drei Verwaltungsgerichtspräsidenten, einem Mitglied eines Verwaltungsberufungsgerichtshofs sowie zwei Universitätsprofessoren (René Chapus und Bernard Pacteau) zusammen (siehe den Annex Nr. 2 zum Bericht der Arbeitsgruppe, RFDA 2000, 941 [954 f.]). Außer58



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Vorschlag für mögliche prozessuale Begleitvorschriften zu Klagen mit Suspensiveffekt formuliert hat und darin die gerichtliche Vollziehungsanordnung eine zentrale Rolle spielt178. Es heißt dort: „lorsqu’une requête a eu pour effet de suspendre l’exécution d’une décision administrative, le président de la juridiction ou le magistrat qu’il délègue, sais[i] à cette fin par une demande présentée par l’auteur de la décision contestée ou par toute personne ayant intérêt à son exécution, rend à la décision son caractère exécutoire lorsque le requérant établit qu’aucun des moyens invoqués dans la requête ne paraît, en l’état de l’instruction, de nature à en entraîner l’annulation.“179.

Sollte der französische Gesetzgeber den Vorschlag der Arbeitsgruppe bei der Einführung neuer (oder auch bei der Umgestaltung bestehender) gesetzlicher Ausnahmen vom Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts aufnehmen, würde also die Möglichkeit einer gerichtlichen Vollziehungsanordnung gesetzlich vorgesehen und materielle Anordnungsvoraussetzung wäre, dass die Klage nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand keine Aussicht auf Erfolg hat. Im Rahmen der rechtsvergleichenden Gegenüberstellung kann Folgendes festgehalten werden: Das Instrument der gerichtlichen Vollziehungsanordnung gibt es in Deutschland nur im Bereich der Verwaltungsakte mit Drittwirkung. In Frankreich existieren dazu drei Spezialvorschriften im code de l’environne­ ment. Allerdings kann über deren analoge Anwendung auch in bestimmten anderen Fällen nachgedacht werden. Zudem erscheint vor dem Hintergrund des Vorschlags der Arbeitsgruppe die Einführung neuer gesetzlicher Regelungen zu einer gerichtlichen Vollziehungsanordnung möglich. Die Frage einer gerichtlichen Vollziehungsanordnung stellt sich in Frankreich insofern teilweise dringender als in Deutschland, als das Instrument der behördlichen Vollziehungsanordnung dem französischen Recht insgesamt fremd ist180. Um die Aufhebung des automatischen Suspensiv­ effekts einer Klage erreichen zu können, ist die Behörde in Frankreich auf eine gerichtliche Vollziehungsanordnung angewiesen. In Deutschland dagegen kann die Behörde selbst die sofortige Vollziehung anordnen, womit eine gerichtliche Anordnung außer bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung, bei denen ein durch den Verwaltungsakt Begünstigter die sofortige Vollziehung erreichen will, entbehrlich ist. Andererseits darf aber auch nicht vergessen werden, dass in Frankreich eine Vollziehungsanordnung von vorndem wurden verschiedene Personen angehört (siehe die Auflistung in Annex Nr. 3, RFDA 2000, 941 [955]). 178  Bericht der Arbeitsgruppe, RFDA 2000, 941 [945 f. und Annex Nr. 7, 958]). 179  Art. 2 in Annex Nr. 7. 180  Siehe oben sub aa), S. 77 f.

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herein nur in den Ausnahmefällen, in denen ein Rechtsbehelf automatisch Suspensiveffekt hat, relevant werden kann. Zudem besteht in einigen der Ausnahmefälle insofern regelmäßig kein oder nur ein reduziertes Bedürfnis für eine Vollziehungsanordnung, als eine schnelle Entscheidung in der Hauptsache vorgesehen ist und damit die aufschiebende Wirkung auf eine kurze Zeitspanne begrenzt ist. Die Zügigkeit des Hauptsacheverfahrens gleicht so das Fehlen einer gerichtlichen oder behördlichen Befugnis zum Erlass von Vollziehungsanordnungen zumindest bis zu einem gewissen Grad aus. Besonders augenfällig ist dies bei den Ausnahmen im Ausländerrecht181, 182. Nicht nur die Einordnung, der Anwendungsbereich und die Bedeutung der gerichtlichen Vollziehungsanordnung sind verschieden in Frankreich und in Deutschland; auch die materiellen Voraussetzungen für eine solche Anordnung unterscheiden sich. In den französischen Vorschriften aus dem code de l’environnement (und auch im Vorschlag der Arbeitsgruppe) wird darauf abgestellt, dass die Klage nicht erfolgversprechend erscheint. Im deutschen Recht kommt es hingegen auf eine Interessenabwägung an. In deren Rahmen spielen die Erfolgsaussichten der Klage zwar eine zentrale Rolle. Sie ist aber nicht darauf beschränkt, sondern es können in einer Gesamtschau auch andere Gesichtspunkte einfließen. So können etwa die mit der Vollziehung bzw. der Nichtvollziehung verbundenen tatsächlichen Konsequenzen, ihre Schwere und Reversibilität mit eingestellt werden. Hinsichtlich der materiellen Anordnungsvoraussetzungen der gerichtlichen Vollziehungsanordnung erscheint das deutsche Recht insoweit flexibler. e) Gesetzliche Ausnahmen von den jeweiligen Grundsätzen Im Rahmen einer rechtsvergleichenden Betrachtung der gesetzlichen Ausnahmen von den unterschiedlichen Grundsätzen hinsichtlich des Suspensiveffekts183 ist zunächst zu bemerken, dass sie zum gleichen Ergebnis führen wie der Grundsatz im jeweils anderen System: In Frankreich tritt automatisch aufschiebende Wirkung ein, in Deutschland haben Anfechtungsklage und Widerspruch nicht von selbst aufschiebende Wirkung.

181  Zu

diesen oben sub 1. b) bb), S. 58 f. gibt daneben aber auch andere Fälle von verkürzten Entscheidungsfristen für die Hauptsacheentscheidung und verkürzten Klagefristen (vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 461). 183  Oben sub 1. b), S. 54 ff., und 2. b), S. 61 ff. 182  Es



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aa) Annäherungen der beiden Regelungsmodelle durch Ausweitung der gesetzlichen Ausnahmen Durch die gesetzlichen Ausnahmen überschneiden sich also beide Regelungsmodelle und enthalten Elemente des jeweils anderen. Über eine Ausweitung der gesetzlichen Ausnahmen kann es damit zu Annäherungen kommen184. Der Umfang der gesetzlichen Ausnahmen vom Grundsatz des Suspensiveffekts in Deutschland ist sehr beträchtlich und es sind immer wieder neue Ausnahmeregelungen hinzugekommen. Seit Einführung der sogenannten Öffnungsklausel185 können nun auch die Länder uneingeschränkt solche Vorschriften erlassen. Inwieweit das Regel-Ausnahme-Verhältnis in Deutschland faktisch mehr oder weniger umgekehrt ist186, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden187. Jedenfalls ist auf dieser Ebene eine deutliche Annäherung an das französische Modell erkennbar. Und umgekehrt hat sich, wenn auch in geringerem Umfang, das französische Recht dadurch, dass die gesetzlichen Ausnahmen vom Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts ausgeweitet worden sind188, dem deutschen angenähert. bb) Für automatischen Suspensiveffekt oder Verzicht darauf prädestinierte Regelungsbereiche? (1) Fragestellung Der Rechtsvergleich ist bezüglich der gesetzlichen Ausnahmen noch in einem weiteren Aspekt reizvoll: Eine Analyse der Fälle, für welche von den jeweiligen Grundsätzen gesetzliche Ausnahmen vorgesehen sind, könnte möglicherweise Schlussfolgerungen dahingehend erlauben, dass sich in bestimmten Regelungsbereichen der automatische Suspensiveffekt oder umgekehrt der Verzicht darauf „der Sache nach“ aufdrängt. Mit anderen Worten: Lassen sich vielleicht Fälle erkennen, in denen die automatische aufschiebende Wirkung aus materiellrechtlichen Gründen unverzichtbar ist, und / oder gibt es umgekehrt solche, in denen sie sich verbietet? 184  Vgl. Sommermann, FS Blümel (1999), 523 [537 f.]; Garrido, Argument de droit comparé (2007), 321 [326]. 185  Siehe oben sub 2. b) cc), S. 65. 186  Vgl. Sommermann, FS Blümel (1999), 523 [537  ff.]; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 65; Redeker / von Oertzen / M. Redeker, § 80 Rn. 18; Schoch / Schneider /  Bier / Schoch, Vorb. § 80 Rn. 12, § 80 Rn. 155; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 71; Ekardt / Beckmann, DÖV 2006, 672 [672]. 187  Einschränkend Kotulla, Verw. 2000, 521 [540]. 188  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 458 ff., 1321. 64

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(2) Logische Voraussetzung: keine sich überkreuzenden Ausnahmen Grundvoraussetzung für jegliche Überlegungen in diese Richtung ist freilich, dass es in dem jeweiligen Fall, für den im einen System eine gesetzliche Ausnahme besteht, im anderen System beim Grundsatz bleibt189. Nur dann gelangen beide Systeme überhaupt zum gleichen Ergebnis: automatischer Suspensiveffekt190 oder kein automatischer Suspensiveffekt191. Existiert dagegen auch im anderen System für den betreffenden Fall eine gesetzliche Ausnahme, überkreuzen sich die Ausnahmen und das Ergebnis ist wieder verschieden: in Frankreich automatische aufschiebende Wirkung, in Deutschland nicht192. Aus einer Überkreuzung von Ausnahmen ließe sich folgern, dass weder die Entscheidung für noch die Entscheidung gegen den gesetzlichen automatischen Suspensiveffekt in dem betreffenden Fall als sachlich zwingend und gewissermaßen „vorgegeben“ erscheint. Im Gegenteil: Es entstünde sogar der Eindruck einer gewissen Zufälligkeit und Austauschbarkeit, wenn bezogen auf denselben Fall in beiden Ländern von den entgegengesetzten Grundsätzen abgewichen würde. Denn gerade in den Fällen, in denen vom jeweils einen Grundsatz eine gesetzliche Ausnahme für nötig gehalten wird, müsste man doch eigentlich erwarten, dass der jeweils andere Grundsatz dort ganz besonders gerechtfertigt ist und nicht ebenfalls Abweichungsbedarf bestehen kann. (3) Analyse der gegebenen Beispiele Die gesetzlichen Ausnahmen sind so zahlreich, dass sie hier nicht alle thematisiert werden können. In den Blick genommen werden nur die oben193 gegebenen Beispiele. Dabei fällt zunächst auf, dass in den beiden aufgeführten Bereichen aus dem französischen Recht – Leistungsbescheide und Ausländerrecht – auch im deutschen Recht Ausnahmebestimmungen existieren.

189  Zur Klarstellung: Es geht hier nur um den automatischen Suspensiveffekt. Natürlich kann sowohl im Rahmen der Grundsätze als auch der gesetzlichen Ausnahmen noch die Möglichkeit einer (Rück-)Ausnahme im Wege einer behördlichen oder gerichtlichen Aussetzung oder Vollziehungsanordnung im Einzelfall bestehen. 190  Gesetzliche Ausnahme Frankreich = Grundsatz Deutschland. 191  Gesetzliche Ausnahme Deutschland = Grundsatz Frankreich. 192  Gesetzliche Ausnahme Frankreich ≠ gesetzliche Ausnahme Deutschland. 193  Sub 1. b), S. 54 ff., und 2. b), S. 61 ff.



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(a) Leistungsbescheide In Frankreich wird bei bestimmten Leistungsbescheiden einem Rechtsbehelf ausnahmsweise automatisch Suspensiveffekt zuerkannt194; umgekehrt wird in Deutschland bei bestimmten Leistungsbescheiden ausnahmsweise darauf verzichtet195. Freilich sind allerdings zumindest teilweise unterschiedliche Arten von Leistungsbescheiden erfasst. So gibt es etwa für Steuern, bei denen in Deutschland nach § 69 Abs. 1 FGO bzw. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO kein automatischer Suspensiveffekt greift, in Frankreich keine gesetzlichen Suspensivbestimmungen, sondern es bleibt beim Grundsatz der fehlenden aufschiebenden Wirkung, so dass die Rechtslage in beiden Ländern übereinstimmt. Inwiefern etwa im Bereich der Gebühren, Beiträge oder Sonderabgaben (nach deutscher Terminologie) tatsächlich im Einzelnen dieselben Arten von Leistungsbescheiden von den jeweiligen Ausnahmeregelungen erfasst sind und es damit zu Überkreuzungen der Ausnahmen kommt, wird hier nicht geklärt. Dafür wäre eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem französischen Abgabenrecht erforderlich, zudem ist, wie ausgeführt196, der deutsche Begriff der öffentlichen Abgaben und Kosten im Sinne von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO nur schwer zu fassen. Jedenfalls ist aber bemerkenswert, dass im Bereich der Geltendmachung von Geldforderungen der öffentlichen Hand durch Leistungsbescheid in beiden Ländern gesetzliche Ausnahmen von den jeweiligen Grundsätzen gemacht werden. (b) Ausländerrecht Auch im Bereich des Ausländerrechts gibt es einerseits in Deutschland zahlreiche gesetzliche Ausnahmen vom Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage197 und andererseits in Frankreich viele gesetzliche Ausnahmen vom entgegengesetzten Grundsatz198. Die Ausnahmen überkreuzen sich hier teilweise, etwa in vielen Fällen der Ablehnung eines Asylantrags. In Deutschland erfolgt die Rechtsschutzgewährung im Ausländerrecht häufig in erster Linie über eine gerichtliche Entscheidung im einstweiligen Verfahren199; in Frankreich wird dagegen in bestimmten Fällen ein sehr schnelles 194  Siehe

oben sub 1. b) aa), S. 55 ff. oben sub 2. b) aa), S. 61 ff. 196  Oben sub 2. b) aa), S. 62. 197  Siehe oben sub 2. b) cc), S. 65 f. 198  Siehe oben sub 1. b) bb), S. 58 f. 199  Im Asylrecht führt gemäß § 37 Abs. 1 AsylVfG ein stattgebender Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO sogar zur Unwirksamkeit (und nicht bloß zur Aussetzung) 195  Siehe

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Hauptsacheverfahren durchgeführt und bis zur (erstinstanzlichen) Entscheidung des Gerichts automatisch die Vollziehung ausgesetzt. Für die Ermöglichung einer zeitnahen Vollziehung ist das Ergebnis dasselbe, und angesichts seiner kurzen Dauer kann das französische Verfahren durchaus als „Eilverfahren“ bezeichnet werden200. Es ist aber kein einstweiliges Verfahren, sondern führt zu einer abschließenden Entscheidung in der Haupt­sache201. (c) Andere Beispiele Als weitere Beispiele aus dem deutschen Recht sind oben noch die unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten202, der Drittwiderspruch und die Drittanfechtungsklage gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens203 und das Gebiet der Verwaltungsvollstreckung204 aufgeführt worden. Dazu nur soviel: Im französischen Recht existieren zu den ersten beiden Fällen keine gesetzlichen Ausnahmen vom Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts, hier kommen also das deutsche und das französische Recht zum gleichen Ergebnis. Für die Verwaltungsvollstreckung gibt es in Frankreich ebenfalls keine allgemeinen Ausnahmevorschriften, allerdings betreffen die französischen Ausnahmen etwa bei den Leistungsbescheiden oder im Ausländerrecht auch die Verwaltungsvollstreckung. Bei den unaufschiebbaren Polizeianordnungen und -maßnahmen erscheint der Ausschluss des automatischen Suspensiveffekt unmittelbar der Sache nach geboten. Schoch spricht von einem „Bedürfnis der Praxis“205. Es bleibt keine Zeit für den Erlass einer Vollziehungsanordnung206. Deutlich wird das beispielsweise bei keinen Aufschub duldenden Maßnahmen der unmittelbaren Gefahrenbekämpfung oder bei der Straßenverkehrsregelung durch einen Polizeibeamten per Handzeichen207. der Behördenentscheidung über die Unbeachtlichkeit eines Asylantrags und der darauf gestützten Abschiebungsandrohung und stellt damit der Sache nach eine Hauptsacheentscheidung in diesem Punkt dar (vgl. zu der Regelung und ihrem Hintergrund mit weiteren Nachweisen Hailbronner / Roth, B 2, § 37 AsylVfG Rn. 1, 3 ff.). 200  Vgl. die Einordnung im Abschnitt zu den Eilverfahren bei Chapus, Conten­ tieux administratif (2008), Rn. 1687 ff. 201  Vgl. (bezogen auf die reconduite à la frontière) Gondouin, RFDA 2007, 68 [69 f.]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1698. 202  Siehe oben sub 2. b) bb), S. 64. 203  Siehe oben sub 2. b) cc), S. 65. 204  Siehe oben sub 2. b) cc), S. 66. 205  Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 146. 206  Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 700. 207  Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 700. 64

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Der Ausschluss in § 212a Abs. 1 BauGB bei den Rechtsbehelfen von Dritten gegen eine Bauzulassung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der automatischer Suspensiveffekt hier zu Lasten eines Privaten (des durch die Zulassung begünstigten Bauherrn) ginge. Dem Interesse des belasteten Dritten an der Bauaussetzung steht das Interesse des Bauherrn gegenüber, unverzüglich mit dem Bau beginnen zu können. Es steht also nicht ein öffentliches, sondern ein privates Vollziehungsinteresse in Rede. Daraus lässt sich allerdings noch nicht schlussfolgern, dass der Verzicht auf einen automatischen Suspensiveffekt hier sachlich streng zwingend ist. Es erscheint nicht schlechterdings ausgeschlossen, dem Rechtsbehelf des Dritten zunächst aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und den Bauherrn auf die Möglichkeit zu verweisen, eine Vollziehungsanordnung zu beantragen. Schließlich widerstreiten bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung stets private Vollziehungs- und Aussetzungsinteressen und wirkt die aufschiebende Wirkung zu Lasten eines Privaten. Es gibt aber für solche Verwaltungsakte keinen allgemeinen Ausschluss des automatischen Suspensiveffekts. (4) Zwischenergebnis Zu der eingangs gestellten Frage nach in materieller Hinsicht prädestinierten Regelungsbereichen für den automatischen Suspensiveffekt bzw. seinen Ausschluss kann – beschränkt auf die untersuchten Beispiele – damit Folgendes festgehalten werden: Ein wirklich „der Sache nach zwingender“ Ausschluss des automatischen Suspensiveffekts kann letztlich nur bei den unaufschiebbaren Polizeianordnungen und -maßnahmen erkannt werden. Darüber hinaus bietet sich ein Ausschluss im Bereich der Steuern an, allerdings ist er hier nicht strikt zwingend in dem Sinne, dass eine andere Regelung nicht vorstellbar wäre. Ebenfalls naheliegend ist ein Ausschluss außerdem häufig bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung, etwa bei der Bauzulassung. Ein Regelungsbereich, in dem die automatische aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Hauptsacheklage generell unverzichtbar erscheint, ist nicht ersichtlich. Bemerkenswert ist das Phänomen der sich überkreuzenden Ausnahmen. Insbesondere kommt dort, wo es Überkreuzungen gibt, leicht der Eindruck einer gewissen gesetzgeberischen Zufälligkeit bei der Schaffung von Ausnahmebestimmungen auf.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

cc) Zwischenergebnis Die rechtsvergleichende Gegenüberstellung der gesetzlichen Ausnahmen von den jeweiligen Grundsätzen hat gezeigt: Die gesetzlichen Ausnahmen bilden eine interessante Schnittstelle der beiden Regelungsmodelle. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich gibt es auf eine Erweiterung der Ausnahmen gerichtete Tendenzen. Dadurch finden Annäherungsbewegungen hin zum jeweils anderen System statt, wobei auf dieser Ebene die Annäherung des deutschen an das französische Modell stärker ist als umgekehrt. Regelmäßig ist die Entscheidung für oder gegen den automatischen Suspensiveffekt aus materiellrechtlichen Gesichtspunkten nicht zwingend, sondern sind grundsätzlich beide Lösungen möglich. f) Vereinbarkeit beider Regelungsmodelle mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes Auch sind beide Regelungsmodelle gleichermaßen mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes vereinbar, das in Deutschland in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG normiert ist208 und in Frankreich ebenfalls Verfassungsrang genießt209. Dieses verlangt zwar, dass es einen vorläufigen Rechtsschutz geben muss [sub aa)]. Ihm sind aber keine Vorgaben hinsichtlich der Sicherungstechnik zu entnehmen [sub bb)]. Überdies erweist sich das Postulat einer verfassungsrechtlichen Verankerung des automatischen Suspensiveffekts bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung als nicht tragfähig [sub cc)]. Andererseits steht umgekehrt das Verfassungsrecht auch im mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnis der Suspensivautomatik aber auch nicht entgegen [sub dd)]. aa) Notwendigkeit eines vorläufigen Rechtsschutzes Für die Effektivität des Rechtsschutzes muss die Möglichkeit vorgesehen werden, vorläufigen Rechtsschutz erlangen zu können210. Denn ohne einen 208  Letztlich ergibt es sich schon aus dem Rechtsstaatsprinzip (BVerfG v. 18. Juli 1973, Palästinenserbeschluss, Az.  1 BvR 23, 155 / 73, BVerfGE 35, 382 [401]; BVerfG v. 12. September 1995, Az. 2 BvR 1179 / 95, NVwZ 1996, 58 [juris-Rn. 41]). 209  Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 4, 451 mit weiteren Nachweisen. 210  Vgl. aus dem deutschen Schrifttum Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 273; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, Vorb. § 80 Rn. 9 f.; Schoch, Jura 2001, 671 [672]; Schoch, Jura 2002, 318 [319]; Ekardt / Beckmann, DÖV 2006, 672 [674 f.]; Kotulla, Verw. 2000, 521 [555]; Bonner Kommentar / Schenke, Art. 19 Abs. 4



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solchen käme aufgrund der Dauer des Hauptsacheverfahrens der Rechtsschutz für den Betroffenen häufig zu spät211. Tatsächlich wirksamer Rechtsschutz heißt aber auch und gerade rechtzeitiger Rechtsschutz. Besonders deutlich wird das in den Fällen, in denen im Laufe des Hauptsacheverfahrens die Schaffung vollendeter Tatsachen droht, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Eine zentrale verfassungsrechtliche Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes ist es, soweit als möglich auszuschließen, dass solche irreparablen Folgen eintreten und sich der zugrundeliegende Verwaltungsakt nachträglich als rechtswidrig herausstellt212. Aber auch jenseits des Drohens irreparabler Zustände kann ein Bedürfnis für eine vorläufige Regelung bis zum Ergehen der Hauptsacheentscheidung bestehen. Dass die Vollziehung – mehr oder weniger leicht – reversibel ist, bedeutet noch nicht, dass stets der Ausgang des Hauptsacheprozesses abgewartet werden muss und bis dahin die Vollziehung hinzunehmen ist. Wenn etwa ein Verwaltungsakt ganz offenkundig rechtswidrig ist, muss seine Vollziehung allgemein unmittelbar im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verhindert werden können. bb) Keine Vorgaben hinsichtlich der Sicherungstechnik Der vorläufige Rechtsschutz muss jedoch nicht als Automatismus mit dem Hauptsacherechtsbehelf gekoppelt sein, sondern die Effektivität des Rechtsschutzes kann auch durch eine gerichtliche Anordnung im einstweiligen Verfahren garantiert werden. Rn. 671; Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 935; Schenke, JZ 1988, 317 [324]; Berliner Kommentar / Ibler, Art. 19 Abs. 4 Rn. 219; Dreier / Schulze-Fielitz, § 19 Abs. 4 Rn. 113; Sachs / Sachs, Art. 19 Rn. 148 f.; v. Münch / Kunig / Krebs, Art. 19 Rn. 70; Jarass / Pieroth / Jarass, Art. 19 Rn. 59; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 7. 211  Schenke, JZ 1988, 317 [324]. 212  Vgl. BVerfG v. 19. Juni 1973, Az. 1 BvL 39 / 69 und 14 / 72, BVerfGE 35, 263 [274]; BVerfG v. 18. Juli 1973, Palästinenserbeschluss, Az.  1 BvR 23, 155 / 73, BVerfGE 35, 382 [401 f.]; BVerfG v. 13. Juni 1979, Grundschulauflösung, Az. 1 BvR 699 / 77, BVerfGE 51, 268 [284]; BVerfG v. 15. Dezember 1983, Volkszählung, Az. 1 BvR 209 / 83 [u. a.], BVerfGE 65, 1 [70]; BVerfG v. 21. März 1985, Az. 2 BvR 1642 / 83, BVerfGE 69, 220 [227]; BVerfG v. 16. Mai 1995, Kruzifix, Az. 1 BvR 1087 / 91, BVerfGE 93, 1 [13]; BVerfG v. 12.  September 1995, Az.  2 BvR 1179 / 95, NVwZ 1996, 58 [juris-Rn. 41]; BVerfG v. 16.  März 1999, Az.  2 BvR 2131 / 95, DVBl. 1999, 1204 [juris-Rn. 21]; BVerfG v. 24.  Oktober 2003, Az.  1 BvR 1594 / 03, NJW 2003, 3618 [juris-Rn. 21]; BVerfG v. 29. Mai 2007, Waldschlösschenbrücke, Az.  2 BvR 695 / 07, NVwZ 2007, 1176 [juris-Rn. 30]; BVerfG v. 11. Juni 2008, Barschel-Buch, Az.  2 BvR 2062 / 07, NVwZ-RR 2008, 657 [juris-Rn. 13]; BVerfG v. 24.  Februar 2009, Az.  1 BvR 165 / 09, NVwZ 2009, 581 [juris-Rn. 16].

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Der deutsche Grundsatz der kraft Gesetzes automatisch eintretenden aufschiebenden Wirkung ist daher durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht zwingend vorgegeben213. Treffend formuliert Schmidt-Aßmann: „Verfassungsrechtlich entscheidend ist […] nicht die Sicherungstechnik, sondern der Siche­rungs­ erfolg.“214, 215. Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG legt sich nicht auf ein bestimmtes Regelungsmodell fest216. Ihm ist jedes verwaltungsprozessuale Mittel recht, solange nur der verfassungsrechtlich geforderte Rechtsschutzerfolg gewährleistet ist217. Dieser wird aber nicht nur durch einen automatischen Suspensiveffekt, sondern auch durch eine Einzelfallanordnung der Aussetzung durch das Verwaltungsgericht erreicht. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive sind automatische aufschiebende Wirkung und gerichtlicher Eilrechtsschutz damit gleichwertige Modelle218. Nur wenn beide ausgeschlossen sind, liegt ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG vor219, 220. 213  Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 274 f.; Bonner Kommentar / Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rn. 672; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, Vorb. § 80 Rn. 11 ff., § 80 Rn. 10 ff.; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 8 f.; Kotulla, Verw. 2000, 521 [555 f.]; Dreier / Schulze-Fielitz, § 19 Abs. 4 Rn. 113; Ekardt / Beckmann, DÖV 2006, 672 [674 ff.]; Berliner Kommentar / Ibler, Art. 19 Abs. 4 Rn. 221; Jarass /  Pieroth / Jarass, Art. 19 Rn. 59; Haibach, DÖV 1996, 60 [62 ff.]; Schenke, JZ 1988, 317 [324 f.]. 214  Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 274. 215  Hervorhebung im Orignal. 216  Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 11. 217  Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 275; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, Vorb. § 80 Rn. 13, § 80 Rn. 18. 218  Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 274; Bonner Kommentar / Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rn. 672; Jarass / PierothJarass, Art. 19 Rn. 59. 219  Vgl. Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 9, 71. 220  Bei der Abschiebung eines Asylsuchenden in einen sogenannten sicheren Drittstaat (Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG) ist außer dem Ausschluss des automatischen Suspensiveffekts nach § 75 S. 1 AsylVfG (siehe oben sub 2. b) cc), S.  65 f.) überdies gemäß § 34a Abs. 2  AsylVfG auch die Möglichkeit einer verwaltungsgerichtlichen Anordnung nach § 80 Abs. 5 VwGO oder § 123 VwGO ausgeschlossen. Hier soll also grundsätzlich überhaupt kein Eilrechtsschutz stattfinden, weder automatischer kraft Gesetzes noch einzelfallbezogener gerichtlicher. In diesem Zusammenhang ist aber bereits auf der Verfassungsebene neben Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG noch Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG zu beachten, nach dem bei Einreise eines Asylsuchenden aus einem sicheren Drittstaat aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden können. Art. 19 Abs. 4  GG ist Modifikationen durch den verfassungsändernden Gesetzgeber nicht von vornherein entzogen (vgl. BVerfG v. 15. Dezember 1970, Abhörentscheidung, Az.  2 BvF 1 / 69 [u. a.], BVerfGE 30, 1 [24 f.]). Allerdings greift in dem Umfang, in dem das Gebot der Rechtsschutzeffektivität bereits im Rechtsstaatsprinzip zu verorten ist, die Ewigkeitsgarantie nach Art. 79 Abs. 3 GG iVm Art. 20 GG. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 hat das Bundesverfassungsgericht Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG und § 34a Abs. 2 AsylVfG in seiner damaligen Fassung für verfassungsmä64



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen91

Chapus schreibt zum französischen Grundsatz: „Quant au principe de l’effet non suspensif des recours […] que consacre le droit français, on ne saurait l’apprécier comme incompatible avec l’exigence d’effectivité des recours. Et cela, d’autant plus qu’il n’exclut pas que le juge puisse prescrire qu’il soit sursis à l’exécution de la décision entreprise et donner ainsi lui-même au recours un effet suspensif. Ainsi que compte tenu de l’institution, dans les cas où elle est le plus recommandable, de dérogations au principe de l’effet non suspensif.“221.

Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die im Schrifttum teilweise in Richtung einer verfassungsrechtlichen Fundierung der Suspensivautomatik verstanden worden ist222, enthält keine eindeutige Aussage dahingehend, dass der einfachgesetzlich in § 80 Abs. 1 VwGO normierte Grundsatz verfassungsrechtlich zwingend sei223. Wenn das Gericht von der aufschiebenden Wirkung spricht, kann damit nicht nur die automatische, sondern auch die gerichtlich angeordnete gemeint sein224. In der Entscheidung zur Grundschulauflösung aus dem Jahr 1979 heißt es ausdrücklich: „(automatisch eintretende oder gerichtlich wiederhergeßig erklärt (BVerfG v. 14.  Mai 1996, Sichere Drittstaaten, Az.  2 BvR 1938 / 93, 2 BvR 2315 / 93, BVerfGE 94, 49 [102 ff., 113]). Im August 2007 ist § 34a  AsylVfG dahingehend ergänzt worden, dass verwaltungsgerichtlicher Eilrechtsschutz auch bei der Abschiebung in einen Staat, der auf Grund von europäischem Gemeinschaftsrecht oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (§ 27a AsylVfG), ausgeschlossen ist (§ 34a Abs. 2  iVm Abs. 1 S. 1 Alt.  2 AsylVfG  n. F.; Art. 3 Nr. 28 Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union v. 19. August 2007, BGBl. I v. 27. August 2007, 1998). Das ist vor dem Hintergrund der sogenannten Dublin-II-Verordnung (Verordnung 343 / 2003 / EG v. 18. Februar 2003, Amtsblatt der Europäischen Union v. 25. Februar 2003, L 50, 1) zu sehen. Hinsichtlich der Erweiterung des § 34a AsylVfG gibt es in der Verfassung keine den Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG modifizierende Regelung wie in Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG. Freilich sind allerdings derzeit mit einer Ausnahme (Island) alle Dublin-IIStaaten zugleich sichere Drittstaaten im Sinne des Art. 16a Abs. 2 GG. 221  Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 137. 222  Vgl. etwa Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 274; Schoch /  Schneider / Bier / Schoch, Vorb. § 80 Rn. 12 f., § 80 Rn. 14 f.; Kotulla, Verw. 2000, 521 [556]. 223  Vgl. auch Haibach, DÖV 1996, 60 [62]; Ekardt / Beckmann, DÖV 2006, 672 [675]; BVerfG v. 1.  Oktober 2008, Az.  1 BvR 2466 / 08, NVwZ 2009, 240 [jurisRn. 17]. 224  Etwa in den oben sub 2. a), S. 60  f., zitierten Entscheidungen BVerfG v. 19.  Juni 1973, Az.  1 BvL 39 / 69 und 14 / 72, BVerfGE 35, 263 [272 ff.]; BVerfG v. 18. Juli 1973, Palästinenserbeschluss, Az.  1 BvR 23, 155 / 73, BVerfGE 35, 382 [402]; BVerfG v. 12.  September 1995, Az.  2 BvR 1179 / 95, NVwZ 1996, 58 [jurisRn. 41]; BVerfG v. 10.  Oktober 2003, Az.  1 BvR 2025 / 03, NVwZ 2004, 93 [jurisRn. 19].

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

stellte) aufschiebende Wirkung“225, 226. Wenn von einer „adäquate[n] Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie“227 die Rede ist, bedeutet das nicht, dass nicht auch andere Ausprägungen adäquat sein können228. Explizit wird in einigen Entscheidungen das gerichtliche Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO als „adäquate Ausprägung“ bezeichnet229. Laut zwei Kammerbeschlüssen jüngeren Datums ist es „grundsätzlich […] von Verfassungs wegen unerheblich, auf welchem Wege Eilrechtsschutz gewährt wird.“230. In einem weiteren Kammerbeschluss von Oktober 2008 wird die Formulierung von Schmidt-Aßmann aufgenommen, wonach nicht die Sicherungstechnik, sondern der Sicherungserfolg maßgeblich ist231. cc) Insbesondere im mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnis kein verfassungsrechtliches Gebot der Suspensivautomatik … Überdies scheitert der Versuch einer Verankerung der Suspensivautomatik auf Verfassungsebene bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. Im mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnis stößt das Postulat vom Suspensiveffekt als Regelfall schon wegen der zu berücksichtigenden Rechtsposition des durch den angefochtenen Verwaltungsakt Begünstigten an Grenzen232, 233. 225  BVerfG v. 13. Juni 1979, Grundschulauflösung, Az.  1 BvR 699 / 77, BVerfGE 51, 268 [285]. 226  Hervorhebung durch den Verfasser. 227  BVerfG v. 18. Juli 1973, Palästinenserbeschluss, Az.  1 BvR 23, 155 / 73, BVerfGE 35, 382 [402]; BVerfG v. 12. September 1995, Az. 2 BvR 1179 / 95, NVwZ 1996, 58 [juris-Rn. 41]; BVerfG v. 10.  Oktober 2003, Az.  1 BvR 2025 / 03, NVwZ 2004, 93 [juris-Rn. 19]; BVerfG v. 13.  Juni 2005, Az.  2 BvR 485 / 05, NVwZ 2005, 1053 [juris-Rn. 21]; BVerfG v. 29.  März 2007, Az.  2 BvR 1977 / 06, NVwZ 2007, 948 [juris-Rn. 23]; BVerfG v. 11. Mai 2007, Az. 2 BvR 2483 / 06, NVwZ 2007, 1302 [juris-Rn. 31]; BVerfG  v. 21.  Februar 2011, Az.  2 BvR 1392 / 10, NVwZ-RR 2011, 420 [juris-Rn. 16]. 228  Vgl. auch Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 9. 229  BVerfG v. 19.  Juni 1973, Az.  1 BvL 39 / 69 und 14 / 72, BVerfGE 35, 263 [275]; BVerfG v. 14.  August 2006, Az.  1 BvR 2089 / 05, NJW 2006, 3551 [jurisRn. 13]; vgl. auch BVerfG v. 14.  Mai 1985, Brokdorf, Az.  1 BvR 233 / 81, 1 BvR 341 / 81, BVerfGE 69, 315 [372]. 230  BVerfG v. 16.  März 1999, Az.  2 BvR 2131 / 95, DVBl. 1999, 1204 [jurisRn. 25]; BVerfG v. 30.  Juli 2003, Az.  2 BvR 796 / 03, juris [juris-Rn. 4]. Vgl. auch bereits BVerfG v. 13. Juni 1979, Grundschulauflösung, Az. 1 BvR 699 / 77, BVerfGE 51, 268 [284 f.]. 231  BVerfG v. 1.  Oktober 2008, Az.  1 BvR 2466 / 08, NVwZ 2009, 240 [jurisRn. 17]. 232  BVerfG v. 1.  Oktober 2008, Az.  1 BvR 2466 / 08, NVwZ 2009, 240 [jurisRn. 18]; BVerfG v. 1.  Oktober 1984, Az.  1 BvR 231 / 84, GewArch 1985, 16 [16]; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 20.



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen93

Bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung steht einem privaten Aussetzungsinteresse ein ebenfalls privates Vollziehungsinteresse gegenüber. Und dieses ist nicht etwa per se nachrangig. Auf beiden Seiten sind Grundrechtspositionen berührt234. Neben Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG und den materiellen Grundrechten des durch den Verwaltungsakt Belasteten sind auch die Grundrechte des Begünstigten relevant, beispielsweise bei einer Baugenehmigung das Eigentumsrecht des Bauherrn. Der Anspruch des Belasteten auf effektiven Rechtsschutz steht hier in Konflikt mit materiellen Rechtsdurchsetzungsansprüchen des Begünstigten235. Die Rechtsposition des Begünstigten ist dabei prinzipiell nicht weniger schützenswert als diejenige des Belasteten236. Zudem dient der Suspensiveffekt im Verhältnis zwischen Privaten nicht als Ausgleich zur sich aus dem Selbsttitulierungsrecht ergebenden prozessualen Überlegenheit der Verwaltung gegenüber dem Bürger237. Hier geht es grundsätzlich nicht um die Herstellung einer Waffengleichheit zwischen Bürger und Verwaltung238. Vielmehr liefe die vorläufige Festschreibung des status quo als Regelfall auf eine ungerechtfertigte einseitige Privilegierung des durch den Verwaltungsakt Belasteten auf Kosten des Begünstigten hinaus239. Die dem einen Betroffenen eingeräumte vorläufige Rechtsschutzmöglichkeit darf aber nicht dazu führen, dass die Position eines anderen Betroffenen schematisch benachteiligt wird240. 233

dd) … aber auch kein verfassungsrechtliches Verbot Man könnte vor diesem Hintergrund auf die Idee kommen, daraus zu folgern, dass bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung nicht nur kein verfassungsrechtliches Gebot, sondern sogar ein verfassungsrechtliches Verbot der 233  Vgl. grundlegend zur Privatinteressenkollision im multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht (1992, um Nachwort erweitert 2005). 234  Redeker, NVwZ 1991, 526 [530]. 235  Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 275; Kotulla, Verw. 2000, 521 [556 f.]. 236  BVerfG v. 1.  Oktober 2008, Az.  1 BvR 2466 / 08, NVwZ 2009, 240 [jurisRn. 18]; BVerfG  v. 1.  Oktober 1984, Az.  1 BvR 231 / 84, GewArch 1985, 16 [16]; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 20. 237  Vgl. Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 26 f.; Sommermann, FS Blümel (1999), 523 [546]. 238  Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 27. 239  Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 20; BVerfG v. 1. Oktober 2008, Az.  1 BvR 2466 / 08, NVwZ 2009, 240 [juris-Rn. 18]; BVerfG v. 24.  Februar 2009, Az.  1 BvR 165 / 09, NVwZ 2009, 581 [juris-Rn. 20]; Bonner Kommentar / Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rn. 672. 240  Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 275.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Regelung einer Suspensivautomatik besteht241. Diese Annahme ist indessen unzutreffend. Die in den §§ 80 Abs. 1 S. 2 Var. 3, 80 a VwGO getroffene Regelung, wonach auch im mehrpoligen Verwaltungsrechtsrechtsverhältnis die automatische aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage den gesetzliche Regelfall bildet, ist aus verfassungsrechtlicher Perspektive unbedenklich. Auch hier lässt sich nämlich der eben242 dargestellte Gedanke fruchtbar machen, dass nicht die Regelungstechnik, sondern der Rechtsschutzerfolg maßgeblich ist. Entscheidend ist, dass ein effektiver Grundrechtsschutz für den Begünstigten gewährleistet ist. Auf welchem prozessualen Weg dies geschieht, ist von Verfassungs wegen unerheblich. Genauso wie für den Belasteten die Effektivität des Rechtsschutzes nicht nur durch den automatischen Suspensiveffekt, sondern auch durch seine Anordnung im Einzelfall garantiert werden kann, kann die Rechtsposition des Begünstigten dadurch geschützt werden, dass bei automatischem Suspensiveffekt eine Vollziehungsanordnung ergeht. Nur wenn der Begünstigte nicht die Möglichkeit hätte, eine Vollziehungsanordnung zu erlangen, wäre er dem vom Belasteten mit automatischem Suspensiveffekt erhobenen Rechtsbehelf schutzlos ausgeliefert243. Nach § 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO kann der Begünstigte bei der Behörde eine Vollziehungsanordnung beantragen. Und vor allem kann er über § 80a Abs. 3 VwGO auch eine gerichtliche Vollziehungsanordnung im einstweiligen Verfahren erwirken. Im Zusammenhang mit dem zuvor Gesagten erschließt sich die verfassungsrechtliche Bedeutung der letztgenannten Vorschrift: Sie dient dem Schutz der materiellen Grundrechte des Begünstigten und seines Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG. Der automatische Suspensiveffekt kann also auch bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung als gesetzlicher Regelfall vorgesehen werden. Gleichzeitig darf aber, wie gerade244 ausgeführt, der Suspensiveffekt bei solchen Verwaltungsakten nicht der Regelfall sein, da sonst der Begünstigte schematisch benachteiligt würde. Dass das eine das andere nicht ausschließt, wird nachvollziehbar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Begriff „Regelfall“ hier zwei unterschiedliche Bedeutungsdimensionen hat. Das gilt übrigens nicht nur für Verwaltungsakte mit Drittwirkung, sondern auch für solche im zweipoligen Verwaltungsrechtsverhältnis und wird nachfolgend näher erläutert.

Kotulla, Verw. 2000, 521 [557]. bb), S. 90. 243  Das wird nicht berücksichtigt von Kotulla, Verw. 2000, 521 [557]. 244  Sub cc), S. 92 f. 241  So

242  Sub

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I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen95

g) Bedeutungsdimensionen des Begriffs „Suspensiveffekt als Regelfall“ Bei dem Begriff „Suspensiveffekt als Regelfall“ sind zwei mögliche Bedeutungsebenen auseinanderzuhalten. Die erste Bedeutungsdimension betrifft die formalstrukturelle Ausgangslage, die zweite bezieht sich auf die Frage, ob materiell im Ergebnis tatsächlich aufschiebende Wirkung gegeben ist oder nicht. aa) Formalstrukturelle Betrachtung Im ersten Begriffssinn ist entweder der automatische Suspensiveffekt der gesetzliche Regelfall. Ausnahmen sind dann (behördliche oder gerichtliche) Vollziehungsanordnungen sowie gesetzliche Spezialregelungen, nach denen nicht von selbst aufschiebende Wirkung eintritt. Das ist die Situation in Deutschland. Oder umgekehrt ist der fehlende automatische Suspensiveffekt der Regelfall. Ausnahmen sind dann (behördliche oder gerichtliche) Aussetzungsanordnungen sowie gesetzliche Spezialbestimmungen, die automatisch aufschiebende Wirkung gewähren. Das ist die Situation in Frankreich. bb) Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses möglich Die so beschriebene formalstrukturelle Regel-Ausnahme-Ausgestaltung muss sich aber nicht notwendig im tatsächlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis wiederspiegeln. Durch Ausweitung und extensive Handhabung der Ausnahmen können diese de facto mehr oder weniger zur Regel avancieren. Das gilt für beide Typen von Ausnahmen, das heißt für die gesetzlichen und genauso für die Einzelfallausnahmen (Aussetzungs- bzw. Vollziehungsanordnung). Durch Schaffung immer weiterer gesetzlicher Ausnahmebestimungen kann der jeweilige Grundsatz nach und nach ausgehölt werden. Dieses Phänomen ist bereits angesprochen worden245. Und das Regel-Ausnahme-Verhältnis kann auch über gerichtliche oder behördliche Einzelfall­ anordnungen umgekehrt werden. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn beim automatischen Suspensiveffekt als Grundsatz die Behörden ihre Verwaltungsakte regelmäßig mit Vollziehungsanordnungen verbänden. Oder umgekehrt beim fehlenden automatischen Suspensiveffekt als Grundsatz, wenn die Verwaltungsgerichte Aussetzungsanträgen regelmäßig stattgäben.

245  Siehe

oben sub e) aa), S. 83.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

cc) Materielle Betrachtung Vor diesem Hintergrund steht der zweite Begriffssinn. Hiernach ist maßgeblich, ob der Suspensiveffekt tatsächlich im Ergebnis – sozusagen „unter dem Strich“ – den Regelfall bildet. Dabei ist unbeachtlich, auf welche Weise das Ergebnis zustande kommt. Es spielt also beispielsweise keine Rolle, ob der Suspensiveffekt automatisch kraft Gesetzes oder aufgrund einer gerichtlichen Anordnung eintritt. Oder ob sein Fehlen auf einer gesetzlicher Bestimmung oder einer behördlichen Vollziehungsanordnung beruht. Und es kommt nicht darauf an, ob es sich im Sinne der ersten Bedeutungsdimension um die Regel, eine Ausnahme oder eine Rückausnahme246 handelt. Es bleibt damit festzuhalten: Der formalstrukturelle Regefall muss nicht notwendigerweise auch der tatsächliche Regelfall sein. h) Gebot des effektiven Rechtsschutzes und Suspensiveffekt im Ergebnis als Regelfall Die beiden vorstehend beschriebenen Bedeutungsdimensionen des Begriffs „Suspensiveffekt als Regelfall“ werden nach dem Eindruck des Verfassers teilweise in Schrifttum247 und Rechtsprechung248 nicht deutlich genug voneinander getrennt. Das birgt die Gefahr, dass die Argumentationslinien verschwimmen. Letztlich droht so auch teilweise der Blick auf die eigentliche Gretchenfrage bei der Diskussion um den Grundsatz des Suspensivefffekts verstellt zu werden. Diese Frage lautet: Ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des effektiven Rechtsschutzes, dass der Suspensiveffekt im Ergebnis, das heißt im zweiten Begriffssinn, der Regelfall sein muss? aa) Im mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnis Für Verwaltungsakte mit Drittwirkung ist das, wie ausgeführt249, zu verneinen, da ein solcher Grundsatz eine ungerechtfertigte einseitige Priveligierung des Belasteten auf Kosten des durch den Vewaltungsakt Begünstigten bedeuten würde. 246  Rückausnahmen sind in Deutschland Aussetzungsanordnungen nach §  80 Abs. 5 oder Abs. 4 VwGO (oder nach anderen Vorschriften wie § 361 Abs. 2  AO). In Frankreich sind Vollziehungsanordnungen Rückausnahmen. 247  Vgl. beispielsweise Schoch / Schneider / Bier / Schoch, Vorb. § 80 Rn. 12, § 80 Rn.  11 ff. 248  Vgl. beispielsweise BVerfG v. 1.  Oktober 2008, Az.  1 BvR 2466 / 08, NVwZ 2009, 240 [juris-Rn. 12 ff.]. 249  Siehe oben sub f) cc), S. 92 f.



I. Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen97

bb) Im zweiseitigen Verwaltungsrechtsverhältnis Diese Begründung greift freilich nicht im zweiseitigen Verwaltungsrechtsverhältnis, in dem sich lediglich die Verwaltung und der belastete Bürger gegenüberstehen. Vielmehr rückt dort bezüglich der Effektivität des Rechtsschutzes umgekehrt der Aspekt in den Vordergrund, dass eine ungerechtfertigte einseitige Priveligierung der Verwaltung in Form einer „Selbstherrlichkeit“ verhindert werden muss. Der (automatische oder gerichtlich angeordnete) Suspensiveffekt hat hier die Funktion eines Gegengewichts zu der sich aus dem Selbsttitulierungsrecht ergebenden Überlegenheit der Verwaltung gegenüber dem Bürger250. In diesem Kontext sind die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu sehen, nach denen die aufschiebende Wirkung als „fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses“ die Regel bildet und die sofortige Vollziehung die Ausnahme bleiben muss251. Art. 19 Abs. 4  GG ist sicherlich zu Recht als „Schlußstein im Gewölbe des Rechtsstaats“252 und „Krönung des Rechtsstaats“253 bezeichnet worden. Das Gebot der Rechtsschutzeffektivität darf jedoch nicht als schlichtes Rechtsschutzmaximierungspostulat fehlverstanden werden254. Es darf nicht zu einer „Hypertrophie der Justizstaatlichkeit“255 und zu einer „Subalternisierung der öffentlichen Verwaltung“256 kommen. Neben den Interessen des durch den Verwaltungsakt Belasteten darf nicht vergessen werden, dass auch das öffentliche Interesse an seiner Umsetzung nach legitimer Berücksichtigung verlangt. Die Titelfunktion des Verwaltungsakts hat ihren guten Sinn vor dem Hintergrund der Notwendigkeit effektiver Gemeinwohlverwirklichung257. Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 26. v. 19.  Juni 1973, Az.  1 BvL 39 / 69 und 14 / 72, BVerfGE 35, 263 [272 f.]; BVerfG v. 18. Juli 1973, Palästinenserbeschluss, Az.  1 BvR 23, 155 / 73, BVerfGE 35, 382 [402]; BVerfG v. 12. September 1995, Az. 2 BvR 1179 / 95, NVwZ 1996, 58 [juris-Rn. 41 f.]; vgl. auch BVerfG v. 16.  Juli 1974, Az.  1 BvR 75 / 74, BVerfGE 38, 52 [59]; BVerfG v. 13. Juni 1979, Grundschulauflösung, Az. 1 BvR 699 / 77, BVerfGE 51, 268 [284 f.]; BVerfG v. 1. Oktober 2008, Az. 1 BvR 2466 / 08, NVwZ 2009, 240 [juris-Rn. 12 f.]. 252  Thoma, Recht – Staat – Wirtschaft 3 (1951), 9 [9]. 253  Ebers, FS Laforet (1952), 269 [271]. 254  Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 4; Dreier / Schulze-Fielitz, § 19 Abs. 4 Rn. 81; Papier, HStR1 VI (1989), § 154 Rn. 8. 255  Weber, Spannungen und Kräfte (1970), 92. 256  Papier, HStR1 VI (1989), § 154 Rn. 3. 257  v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration (1996), 308. 250  Vgl.

251  BVerfG

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Das Rechtsschutzgebot geht nicht so weit, dass der Belastete den Verwaltungsakt willkürlich blockieren kann. Wenn die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts völlig außer Zweifel steht, besteht verfassungsrechtlich kein Anlass, dem Belasteten einen Aufschub bis zur Klageabweisung einzuräumen. Sonst würde selbst die missbräuchliche Erhebung von Rechtsbehelfen über den Suspensiveffekt noch honoriert258. Zudem können nicht nur durch die Vollziehung vollendete Tatsachen geschaffen werden, sondern umgekehrt kann auch die Aussetzung irreparable Konsequenzen zeitigen. Solche Folgen dürfen nicht durch eine einseitige Fixierung auf den Gesichtspunkt der Rechtsschutzeffektivität aus dem Blick geraten. Ist beispielsweise der angegriffene Verwaltungsakt mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig und hätte seine Aussetzung gravierende und irreparable Folgen, während die Vollziehung für den Belasteten nur zu einem unbedeutenden und überdies noch leicht rückgängigmachbaren Nachteil führen würde, erscheint es überzogen, unter Berufung auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes für den Belasteten aufschiebende Wirkung zu verlangen. Es kann festgehalten werden: Im zweiseitigen Verwaltungsrechtsverhältnis ist der (automatische oder gerichtlich angeordnete) Suspensiveffekt ein zentrales Rechtsschutzinstrument des Bürgers gegenüber der aus dem Selbsttitulierungsrecht resultierenden Überlegenheit der Verwaltung. In vielen Konstellationen verlangt das Gebot der Rechtsschutzeffektivität den Suspensiveffekt, etwa dann, wenn die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts ungewiss ist und durch seine Vollziehung irreparable Folgen drohen. Es erscheint allerdings insgesamt nicht sachgerecht, hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Gebotenheit des Suspensiveffekts mit RegelAusnahme-Formeln zu operieren. Vielmehr kommt es letztlich auf eine Einzelfallbetrachtung an259.

II. Materielle Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung Wenn ein Rechtsbehelf nicht automatisch aufschiebende Wirkung entfaltet, stellt sich die Frage nach der Anordnung der Aussetzung durch das Verwaltungsgericht. Das zentrale allgemeine Aussetzungsverfahren in 258  Vgl. Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [945]; Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (1996), 93. 259  Vgl. auch BVerfG v. 19. Februar 1991, Az. 1 BvR 1548 / 90, NVwZ-RR 1991, 365 [juris-Rn. 10].



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung99

Frankreich ist der référé-suspension nach Art. L521-1 CJA. In Deutschland ist die Kernvorschrift § 80 Abs. 5 VwGO. Im Folgenden werden die materiellen260 Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung über diese Vorschriften untersucht. 1. Frankreich Für eine Aussetzung im Wege des référé-suspension sind in Art. L521-1 Abs. 1 CJA zwei kumulative materielle Voraussetzungen genannt. Erstens muss Eilbedürftigkeit gegeben sein und zweitens muss ein ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen261. a) Eilbedürftigkeit Es fragt sich, was unter Eilbedürftigkeit im Sinne von Art. L521-1 Abs. 1 CJA zu verstehen ist262. Zur Annäherung lohnt zunächst ein Blick zurück auf die alte Rechtslage bis zur grundlegenden Reform im Jahr 2000. aa) Früher: Schwer reparable Nachteile Beim alten sursis à exécution, dem Vorgänger des référé-suspension, gab es die Anordnungsvoraussetzung der Eilbedürftigkeit nicht. Stattdessen war dort Bedingung das Drohen schwer reparabler Nachteile durch die Vollziehung. Im Dekret vom 30. Juli 1963 heißt es: „[…] le sursis peut être ordonné […] si l’exécution de la décision attaquée risque d’entraîner des 260  Die formellen Voraussetzungen (zum Beispiel Vorliegen eines Verwaltungsakts, Klageerhebung in der Hauptsache, Partei- und Prozessfähigkeit etc.) werden hier nicht behandelt. 261  Es heißt in Art. L521-1 Abs. 1 CJA: „[…] le juge de référés […] peut ordonner la suspension de l’exécution […] lorsque l’urgence le justifie et qu’il est fait état d’un moyen propre à créer, en l’état de l’instruction, un doute sérieux quant à la légalité de la décision.“ 262  Zu dieser Voraussetzung aus dem Schrifttum mit weiteren Nachweisen Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 337 ff.; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1568 ff.; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 32 ff.; Chrétien, RFDA 2007, 38; Ogier-Bernaud, RFDA 2002, 284; Butéri, LPA 20. Dezember 2001, Nr. 253, 17; Erstein, Collectivités Territoriales – Intercommunalité März 2002, 4; Vandermeeren, RFDA 2002, 250 [256 ff.]; Overney, AJDA 2001, 714 [715 ff.]; Guyomar / Collin, AJDA 2001, 150; Guyomar / Collin, AJDA 2001, 461; Seiller, D 2001, 1414; Caviglioli, AJDA 2003, 642; Raymond, JCP Adm. 2003, 1935, Nr. 43, 1369; Pissaloux, DA November 2001, 8 [9 ff.].

100

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

c o n s é q u e n c e s d i f f i c i l e m e n t r é p a r a b l e s […]“263, 264. Freilich bedeutet das Drohen derartiger Folgen, dass die Aussetzung eilbedürftig ist. Der Begriff der Eilbedürftigkeit ist aber offener und kann auch andere Konstellationen umfassen. Überdies wurde das Erfordernis der drohenden schwer reparablen Nachteile restriktiv ausgelegt265. So wurden etwa Vermögensschäden grundsätzlich nicht als solche anerkannt266. bb) Lockerung durch die Reform im Jahr 2000 Die Hürde der schwer reparablen Nachteile bzw. die restriktive Anwendung dieser Voraussetzung war einer der Gründe dafür, dass nur selten ein sursis à exécution angeordnet wurde. Das wurde mehr und mehr als unzureichend empfunden. Durch die Reform im Jahr 2000 sollten das gerichtliche Aussetzungsverfahren aufgewertet und die Chancen für eine Aussetzung erhöht werden. Dementsprechend wurde die alte Voraussetzung der schwer reparablen Nachteile beim référé-suspension durch die Bedingung der Eilbedürftigkeit ersetzt. In den Gesetzesmaterialien heißt es ausdrücklich, dass damit eine Lockerung verbunden ist und die neue Voraussetzung ein „champ bien plus vaste“ als die alte eröffnet267. Gourdou / Bourrel sprechen von einer „volonté du législateur d’insuffler une nouvelle dynamique“268. cc) Begriffsbestimmung durch die Rechtsprechung Mit der Einführung der neuen Anordnungsvoraussetzung der Eilbedürftigkeit stellte sich die Frage nach ihrer Definition. Der Conseil d’État hat 263  Art. 54

7111.

Abs. 4 Dekret Nr. 63-766 v. 30.  Juli 1963, JORF v. 1.  August 1963,

264  Hervorhebung

durch den Verfasser. der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [943]; Tsiklitiras, RDP 1992, 679 [708 ff.]; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 32 ff.; Turpin, Contentieux administratif (2010), 128. 266  Etwa in CE v. 15. Dezember 1989, Société Métropole Télévision (M6), Az. 111900, LexisNexis; CE v. 28. April 1978, Alata et autre, Az.  05494, Rec. Leb 1978, 193; CE v. 11. Juli 1973, Gourmaud, Az.  86517, Rec. Leb. 1973, 483; CE v. 18. Juni 1954, Préfet du Var, Az. 32420, Rec. Leb. 1954, 365; vgl. andererseits aber auch CE v. 21. Oktober 1981, Pantanella, Az. 22021, Rec. Leb. 1981, 382; CE v. 17. Dezember 1976, Dame X…, Az. 01692, Rec. Leb. 1976, 555. 267  Nationalversammlung, 11. Legislaturperiode, Bericht Nr. 2002 von François Colcombet v. 8.  Dezember 1999, 36 f., abrufbar unter http: /  / www.assemblee-natio nale.fr / 11 / pdf / rapports / r2002.pdf (Seitenaufruf 3.  März 2013). Vgl. auch Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [946]. 268  Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 32. 265  Bericht



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung101

diesbezüglich in zwei kurz nach Inkrafttreten der Reform am 1. Januar 2001 ergangenen Entscheidungen wichtige Wegmarken abgesteckt. (1) H  inreichend schwerwiegende und unmittelbare Nachteile ­ (Entscheidung Confédération nationale des radios libres) Im ersten Fall hatte die Confédération nationale des radios libres die Aussetzung der Vollziehung eines Ministererlasses zur Ausweitung eines im Radio- und Fernsehsektor geschlossenen Tarifvertrags (accord professionnel) beantragt. Das nahm der Conseil d’État zum Anlass, sich zur Auslegung der Bedingung der Eilbedürftigkeit beim référé-suspension zu äußern269: „la condition d’urgence à laquelle est subordonné le prononcé d’une mesure de suspension doit être regardée comme remplie lorsque la décision administrative contestée préjudicie de manière suffisamment grave et immédiate à un intérêt public, à la situation du requérant ou aux intérêts qu’il entend défendre“270.

Der Conseil d’État hat diese Begriffsbestimmung ausdrücklich im Vergleich mit der alten Voraussetzung der schwer reparablen Nachteile vorgenommen271. Sie bedeutet keinen vollständigen Bruch mit der alten Rechtslage, sondern vielmehr deren Fortentwicklung. Nach wie vor sind die mit der Vollziehung verbundenen Folgen maßgeblich. Diese müssen nun allerdings nicht mehr unbedingt „schwer reparabel“ sein, sondern nur noch „hinreichend schwerwiegend“. Hier kommt der Wille zum Ausdruck, die Anforderungen für eine Aussetzung zu senken272. Außerdem wird verlangt, dass der drohende Schaden „hinreichend unmittelbar“ bevorsteht273, 274. Es werden also eine graduelle und eine temporale Komponente miteinander kombiniert. Pacteau spricht von einem „cumul d’exigence d’intensité et de proximité“275. Unerheblich ist nach der Definition des Conseil d’État, von welcher Art die für die Aussetzung streitenden Interessen sind276. Es kann sich um öf269  CE v. 19. Januar 2001, Confédération nationale des radios libres, Az. 228815, Rec. Leb. 2001, 29. 270  Hervorhebung durch den Verfasser. 271  Art. 54 des Dekrets vom 30.  Juli 1963 wird in der Entscheidung explizit zum Vergleich genannt. 272  Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 39. 273  Das wurde selbstredend auch schon nach der alten Rechtslage vorausgesetzt. 274  Vgl. zu diesem Aspekt mit Beispielen aus der Rechtsprechung Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1571; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 40 ff.; Ogier-Bernaud, RFDA 2002, 284 [287 ff.]. 275  Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 337. 276  Vgl. Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 44 ff.

102

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

fentliche Interessen277 oder private Interessen handeln, um Interessen des Antragstellers selbst oder solche, die er verteidigt278. Freilich ist allerdings der référé-suspension akzessorisch zur Hauptsacheklage279, 280. Und diese ist keine Popularklage, sondern hat ein intérêt à agir des Klägers als Zulässigkeitsvoraussetzung281. Ein solches muss damit auch beim référé-suspension gegeben sein. Der Begriff des intérêt à agir wird aber grundsätzlich weit gefasst und ist nicht etwa mit der deutschen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gleichzusetzen. Durch die Lockerung der Anforderungen können nunmehr auch finanzielle Einbußen, die wieder ausgleichbar sind, eine Aussetzung rechtfertigen282. Darauf ist bereits im Gesetzgebungsverfahren hingewiesen worden283. Der Conseil d’État führt in der Entscheidung Confédération nationale des radios libres ausdrücklich aus, dass auch bloße Vermögensnachteile, die durch eine entsprechende Entschädigung (réparation pécuniaire) wieder beseitigt werden können, Eilbedürftigkeit begründen können. In dem zu entscheidenden Fall ging es um finanzielle Einbußen in Form von Arbeitgeberbeitragszahlungen zur Arbeitnehmerausbildung (formation professionnelle). Diese Arbeitgeberbeiträge machten allerdings lediglich 0,9 % des Personalaufwands (masse salariale) der Unternehmen aus. Angesichts dieser geringen Höhe verneinte der Conseil d’État die Eilbedürftigkeit und lehnte den Aussetzungsantrag ab. 277  Beispielsweise kann eine Aussetzung im Interesse des Umweltschutzes und des öffentlichen Gesundheitsschutzes erfolgen (CE v. 15. Februar 2006, Association Ban Asbestos France et autres, Az. 288801, 288811, Rec. Leb. 2006, 78 – Abwrackung des asbestverseuchten Flugzeugträgers „Clemenceau“ in Indien). Oder im Interesse des guten Fuktionierens einer Gemeindeverwaltung (bon fonctionnement des services municipaux) (CE v. 14.  November 2003, Riou, Az. 250899, LexisNexis – Aussetzung der Reintegration einer wegen Amtsmissbrauchs gekündigten Gemeindegeneralsekretärin (secrétaire général de la commune) in den Gemeindedienst). 278  Beispielsweise im Rahmen einer Verbandsklage im Umweltrecht. 279  Art. L521-1 Abs. 1  CJA: „Quand une décision administrative […] fait l’objet d’une requête en annulation ou en réformation […]“. 280  Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn.  1561 ff. 281  Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn.  563 ff.; Gaudemet, Droit administratif (2010), 132 f.; Delvolvé, Droit administratif (2006), 118 f.; Peiser, Droit administratif (2011), 281 ff. 282  Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1573. 283  Nationalversammlung, 11. Legislaturperiode, Bericht Nr. 2002 von François Colcombet v. 8. Dezember 1999, 37, abrufbar unter http: /  / www.assemblee-nationale. fr / 11 / pdf / rapports / r2002.pdf (Seitenaufruf 3.  März 2013); Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [946].



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung103

(2) G  esamtbetrachtung unter Berücksichtigung sowohl des Aussetzungs- als auch des Vollziehungsinteresses (Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement) Wenige Wochen nach der Entscheidung Confédération nationale des radios libres hat der Conseil d’État im Februar 2001 in der Sache Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement eine zweite Grundsatzentscheidung zur Eilbedürftigkeit beim référé-suspension gefällt284. Der Präfekt des Departements Alpes-Maritimes hatte der Gesellschaft Sud-Est Assainissement eine Betriebsgenehmigung für eine Mülldeponie erteilt. Auf Antrag mehrerer Umweltverbände und Bürger setzte das Verwaltungsgericht Nizza die Vollziehung der Genehmigung aus. Die Eilbedürftigkeit bejahte es „angesichts der Beeinträchtigung eines unter Schutz stehenden Waldstücks und der Risiken einer Grundwasserverschmutzung“ („eu égard à l’atteinte à un espace boisé classé et aux risques de pollution des nappes phréatiques“). Gegen die Aussetzungsentscheidung des Verwaltungsgerichts wandten sich der Präfekt und die Gesellschaft vor dem Conseil d’État. Dieser hob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf und lehnte die Aussetzunganträge der Umweltverbände und der Bürger ab285. Die Aufhebung der Instanzentscheidung wird damit begründet, dass das Verwaltungsgericht nicht auf das Gegenvorbringen des Präfekten hinsichtlich der Folgen, die eine Aussetzung der Genehmigung für die Organisation der Abfallbeseitigung im betreffenden Departement haben könnte, eingegangen sei. Die Eilbedürftigkeit sei „objektiv und unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls“ („objectivement et compte tenu de l’ensemble des circonstances de chaque espèce“) zu beurteilen. In der Begründung zur Abweisung der Aussetzunganträge wird sodann ausgeführt, dass zum einen die Sachverhaltsermittlung (instruction) keine konkreten Anhaltspunkte für unmittelbare ernsthafte Umweltgefahren durch den Betrieb der Mülldeponie erkennen lasse. Zum anderen müssten die zuständigen Behörden im Fall der Aussetzung der Genehmigung die betreffenden Abfälle in ein benachbartes Departement transportieren lassen, um sie dort zu 284  CE v. 28. Februar 2001, Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement, Az. 229562 [u. a.], Rec. Leb. 2001, 109. 285  Der Conseil d’État kann nach Aufhebung einer untergerichtlichen Entscheidung gemäß Art. L821-2 Abs. 1 Var. 3 CJA auf eine Zurückverweisung verzichten und selbst in der Sache durchentscheiden, wenn dies im Interesse einer „bonne administration de la justice“ (vgl. allgemein zu diesem Begriff Chapus, RDP 2003, 3; Laval, LPA 12. August 1999, Nr. 160, 12; Robert, AJDA 1995, SN, 117) gerechtfertigt ist. Die Anwendung dieser Vorschrift ist im Rahmen der référé-Verfahren die absolute Regel (vgl. auch Chapus, RDP 2003, 3 [4]).

104

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

entsorgen, da es im Departement Alpes-Maritimes auf kurze Sicht keine andere Möglichkeit gebe, eine solche Abfallmenge abzulagern. Unter diesen Umständen rechtfertige beim derzeitigen Verfahrensstand (en l’état de l’instruction) die Eilbedürftigkeit, die „objektiv und global“ („objectivement et globalement“) bewertet werden müsse, keine Aussetzung der Genehmigung. Die dargestellte Argumentation des Conseil d’État ist wegweisend und aufschlussreich für sein Verständnis der Voraussetzung der Eilbedürftigkeit beim référé-suspension. Die Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement hat nach Auffassung des Verfassers noch weitaus größere Bedeutung als die Entscheidung Confédération nationale des radios libres. Die letztgenannte Entscheidung war nach der Reform im Jahr 2000 erwartbar. Letztlich ging es dabei darum, die vom Gesetzgeber durch den Übergang von den „schwer reparablen Nachteilen“ zur „Eilbedürftigkeit“ intendierte Lockerung in der Begriffsbestimmung durch die Rechtsprechung nachzuvollziehen, ohne jedoch die Anforderungen zu stark aufzuweichen und konturenlos werden zu lassen. Hingegen war mit der Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement – genauer gesagt: ihrer Begründung – so nicht zu rechnen. Die Neuerung im Vergleich zur alten Rechtslage besteht darin, dass die Eilbedürftigkeit nicht nur aus der Perspektive des die Aussetzung begehrenden Antragstellers betrachtet wird, sondern auch aus der Perspektive des Antragsgegners bzw. Dritter286. Die Voraussetzung der „schwer reparablen Nachteile“ beim alten sursis à exécution betraf nur die durch die Vollziehung drohenden Nachteile und nicht etwa auch die mit einer Aussetzung verbundenen Nachteile. In Art. 54 Abs. 4 des Dekrets vom 30.  Juli 1963 heißt es: „[…] si l ’ e x é c u t i o n […] risque d’entraîner des conséquences difficilement réparables […]“287. Freilich konnten auch früher schon die für die sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte mitberücksichtigt werden. Und aufgrund solcher Aspekte konnte auch ein Aussetzungsantrag abgelehnt werden. Das wurde dann allerdings nicht darauf gestützt, dass die Anordnungsvoraussetzungen für den sursis à exécution288 nicht vorgelegen hätten, sondern darauf, dass das Gericht auch bei Vorliegen der Voraussetzungen noch einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Anordnung der Aussetzung habe. Das ist die Argumentation aus der Entscheidung Association de sauvegarde du quartier Butéri, LPA 20. Dezember 2001, Nr. 253, 17 [17 f., 20 ff.]. durch den Verfasser. 288  Außer den „schwer reparablen Nachteilen“ war ein „ernstlicher Klagegrund“ erforderlich (siehe dazu unten sub b) aa), S. 113 f.). 286  Vgl.

287  Hervorhebung



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung105

Notre-Dame aus dem Jahr 1976289. Dabei war der Anknüpfungspunkt im Gesetzeswortlaut des Art. 54 des Dekrets vom 30.  Juli 1963, dass danach die Aussetzung angeordnet werden „kann“ („peut“). Bei der Prüfung eines Aussetzungsantrags gab es demnach zwei Stufen290: Zunächst wurde untersucht, ob die Anordnungsvoraussetzungen vorlagen. Bejahendenfalls wurde in einem zweiten Schritt gefragt, ob desungeachtet dennoch ausnahmsweise von einer Aussetzung abzusehen war. Auch nach der neuen Rechtslage „kann“ („peut“) der Richter gemäß Art. L521-1 Abs. 1 CJA bei Vorliegen der Voraussetzungen die Aussetzung anordnen. Damit ist beim référé-suspension genauso wie beim alten sursis à exécution eine Argumentation möglich, wonach das Vollziehungsinteresse erst im Rahmen eines richterlichen Ermessensspielraums hinsichtlich der Ablehnung einer Aussetzung trotz Bejahung der Anordnungsvoraussetzungen relevant wird und nicht bereits bei der Frage, ob die Voraussetzungen vorliegen291. Bezogen auf den der Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement zugrunde liegenden Fall würde das bedeuten, dass die Eilbedürftigkeit allein im Hinblick auf die möglichen Umweltgefahren durch die Vollziehung der Mülldeponie-Betriebsgenehmigung zu beurteilen wäre. Die mit der Aussetzung der Genehmigung verbundenen Nachteile für die Organisation der Abfallbeseitigung spielten bei der Prüfung der Anordnungsvoraussetzung der Eilbedürftigkeit keine Rolle. Der Umstand, dass die zuständigen Behörden bei einer Aussetzung die Abfälle mangels anderer Ablagerungsmöglichkeiten im Departement Alpes-Maritimes in ein Nachbardepartement transportieren lassen müssten, könnte, sofern die unabhängig davon beurteilte Eilbedürftigkeit der Aussetzung und die zweite materielle Anordnungsvoraussetzung292 des ernstlichen Zweifels an der Rechtmäßigkeit der Genehmigungserteilung bejaht würden, erst in einem zweiten Schritt unter dem Gesichtspunkt der Ausgestaltung des référé-suspension als richterliche Ermessensentscheidung eine Ablehnung des Aussetzungsantrags rechtfertigen. Der Conseil d’État geht aber in der Begründung zur Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement einen anderen, neuen Weg. Er berücksichtigt die durch die Aussetzung drohenden Nachteile be289  CE v. 13. Februar 1976, Association de sauvegarde du quartier Notre-Dame, Az. 99708, Rec. Leb. 1976, 100 [101]. Siehe auch CE v. 2. Juli 1982, Huglo et autres, Az. 25288, 25323, Rec. Leb. 1982, 257 [258]. 290  Guyomar / Collin, AJDA 2001, 461 [461f.]; Ogier-Bernaud, RFDA 2002, 284 [287]. 291  Guyomar / Collin, AJDA 2001, 461 [462]. 292  Dazu siehe unten sub b), S. 113 ff.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

reits auf der ersten Stufe, das heißt bei der Frage, ob die Anordnungsvoraussetzungen vorliegen. Es wird eine Gesamtbetrachtung der Eilbedürftigkeit sowohl der Aussetzung als auch der Vollziehung vorgenommen. Anders als bei der alten Rechtslage ermöglicht der Gesetzteswortlaut des Art. L521-1 Abs. 1 CJA ein solches Verständnis. Es heißt dort, dass die Eilbedürftigkeit die Aussetzung rechtfertigen muss („lorsque l’urgence le justifie“). Das muss nicht nur auf die Eilbedürftigkeit der Aussetzung bezogen sein. Vielmehr kann auch die Eilbedürftigkeit der Vollziehung miteingestellt werden. Und wenn dann die Letztere die Erstere überwiegt, „rechtfertigt die Eilbedürftigkeit“ insgesamt keine Aussetzung293. Dieser Ansatz wird vom Conseil d’État auf die Formel der „objektiven und globalen“ Betrachtung der Eilbedürftigkeit gebracht. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang auch die Schlussanträge des commissaire du gouvernement294 Seban zu der Sache, der ausführt: „à l’urgence de suspendre s’oppose souvent l’urgence d’exécuter […] l’urgence n’est pas toujours, elle est même rarement, à sens unique.“295, 296.

Der Eilbedürftigkeit der Aussetzung wird die Eilbedürftigkeit der Vollziehung gegenübergestellt und es wird eine Bilanz gebildet. Im Schrifttum ist von einem „bilan des urgences“ die Rede297, 298. Letztlich geht es um eine Interessenabwägung zwischen Aussetzungs- und Vollziehungsinteresse299. 293  Zur Klarstellung: Vor diesem Hintergrund ist es strenggenommen sprachlich etwas unsauber, von der „Anordnungsvoraussetzung der Eilbedürftigkeit“ zu sprechen. Denn die Voraussetzung kann trotz Vorliegens von Eilbedürftigkeit (der Vollziehung und sogar auch der Aussetzung) zu verneinen sein. Der Einfachheit und Übersichtlichkeit halber wird in der vorliegenden Untersuchung aber davon gesprochen, dass die Voraussetzung der Eilbedürftigkeit erfüllt bzw. nicht erfüllt ist. 294  Zur Umbenennung des „commissaire du gouvernement“ in „rapporteur public“ im Jahr 2009 siehe unten D. Fn. 56. 295  Seban, concl. zu CE v. 28. Februar 2001, Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement, BDEI 3 / 2001, 9 [14]. 296  Im Original teilweise Hervorhebung durch Unterstreichung. 297  Seiller, AJDA 2001, 501 [502]; Overney, AJDA 2001, 714 [721]. Siehe auch Butéri, LPA 20. Dezember 2001, Nr. 253, 17 [21]; Guyomar / Collin, AJDA 2001, 461 [461, 463]; Chrétien, RFDA 2007, 38 [40]; Caviglioli, AJDA 2003, 642; Vandermeeren, RFDA 2002, 250 [257]. 298  Zur klassischen „Bilanztheorie“ („théorie du bilan“) aus dem Enteignungsrecht vgl. nur CE v. 28. Mai 1971, Ville Nouvelle Est, Az. 78825, Rec. Leb. 1971, 409; Waline, Droit administratif (2008), Rn. 641; Chapus, DAG I (2001), Rn. 1264 ff.; Peiser, Droit administratif (2011), 42; Lerche, Kontrolldichte (1993), 1 [12 ff.]. 299  Vgl. Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 338; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1574 ff.; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 46; Ogier-Bernaud, RFDA 2002, 284 [287]; Butéri, LPA 20. Dezember 2001, Nr. 253, 17 [21]; Guyomar / Collin, AJDA 2001, 461 [461, 463].



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung107

Im Vergleich zur alten Rechtslage hat sich dabei nicht bloß der Standort für die Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit der Vollziehung von der zweiten Prüfungsstufe auf die erste verschoben. Die Rechtsprechung Association de sauvegarde du quartier Notre-Dame, nach der trotz Vorliegens der Voraussetzungen eine Aussetzung abgelehnt werden konnte, trug einen Ausnahmecharakter und von dieser Möglichkeit wurde nur selten Gebraucht gemacht300. Nunmehr stellt die Bilanzierung der widerstreitenden Interessen einen festen, integralen Bestandteil bei der Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen dar. Nach alledem bleibt festzuhalten, dass der Conseil d’État, indem er die Eilbedürftigkeit „objektiv und global“ nicht nur im Hinblick auf die Aussetzung, sondern auch im Hinblick auf die Vollziehung betrachtet, im Rahmen dieser Voraussetzung eine Interessenabwägung etabliert hat. Bleibt die Frage, ob damit die alte Rechtsprechung Association de sauvegarde du quartier Notre-Dame insgesamt obsolet geworden ist und nunmehr bei Erfülltsein der Anordnungsvoraussetzungen stets zwingend auszusetzen ist oder ob wie bisher trotzdem ausnahmsweise die Aussetzung versagt werden kann. Die Entstehungsgeschichte des Art. L521-1 Abs. 1 CJA spricht für letzteres. Eine im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in zweiter Lesung von der Nationalversammlung beschlossene Fassung, wonach es „ordonne“ statt „peut ordonner“ heißen sollte301, wurde vom Vermittlungsausschuss (commission mixte paritaire) verworfen302. Der Gesetzgeber wollte also den Gerichten die Möglichkeit vorbehalten, trotz Bejahung der Anordnungsvoraussetzungen auf eine Aussetzung verzichten zu können. Freilich war allerdings zu dieser Zeit die Grundsatzentscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement noch nicht ergangen. Möglicherweise wäre in deren Kennntnis die Fassung mit der Formulierung „ordonne“ verabschiedet worden. Der Conseil d’État hält auch nach der neuen Rechtslage formal an der Rechtsprechung Association de sauvegarde du quartier Notre-Dame fest. In 300  Vgl. Seiller, AJDA 2001, 501 [502]; Butéri, LPA 20. Dezember 2001, Nr. 253, 17 [20 f.]. 301  Abweichend von den vorhergehenden Fassungen Nationalversammlung, 11. Legislaturperiode, Text Nr. 497 v. 6.  April 2000, Art. 3 Abs. 1, abrufbar unter http: /  / www.assemblee-natio­nale.fr / legislatures / 11 / pdf / ta / ta0497.pdf (Seitenaufruf 3. März 2013). 302  Vermittlungsausschuss, Nationalversammlung, 11. Legislaturperiode, Bericht Nr. 2460 von François Colcombet  /  Senat, Sitzungsperiode 1999 / 2000, Bericht Nr. 396 von René Garrec v. 7.  Juni 2000, 4 f., 8, 11 abrufbar unter http: /  / www.se nat.fr / rap / l99-396 / l99-3961.pdf (Seitenaufruf 3.  März 2013).

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

der kurze Zeit nach der Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement ergangenen Entscheidung Société Robert Nioche et ses fils führt er unter Berufung auch auf die Entstehungsgeschichte aus, dass der référé-Richter, selbst wenn die Voraussetzungen des Art. L521-1 CJA erfüllt seien, ausnahmsweise von der Aussetzung absehen könne303. Und auch in der neueren Entscheidung Société European flight services aus dem Jahr 2010 bestätigt er dies304. Diese Möglichkeit erlangt indessen keine erkennbare praktische Relevanz mehr305, da bereits im Rahmen der Prüfung der Eilbedürftigkeit eine umfassende Interessenabwägung stattfindet und der Antrag gegebenenfalls schon auf dieser Stufe scheitert. So wäre auch in den Fällen Société Robert Nioche et ses fils und Société European flight services aus denselben Gründen, aus denen dort unter Anwendung der Rechtsprechung Association de sauvegarde du quartier Notre-Dame die Anträge abgelehnt worden waren, nach dem Raisonnement der Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société SudEst Assainissement bereits die Eilbedürftigkeit zu verneinen gewesen306, 307. In diesem Zusammenhang sei schließlich noch die zu dem in Art. L55412 CJA geregelten speziellen référé ergangene Entscheidung Commune de 303  CE

v. 15. Juni 2001, Société Robert Nioche et ses fils, Az. 230637, LexisNe-

304  CE

v. 31. Mai 2010, Société European flight services, Az. 333711, LexisNe-

xis. xis.

305  Vgl. Guyomar / Seiller, Contentieux administratif (2012), Rn. 434 ff.; Chrétien, RFDA 2007, 38 [41]; Botteghi, concl. zu CE v. 16. April 2012, Commune de Conflans-Sainte-Honorine et autres, RFDA 2012, 719 [726]; Guyomar / Collin, AJDA 2001, 461 [461]. 306  In der Sache Société Robert Nioche et ses fils hatte das Verwaltungsgericht Orléans die Aussetzung einer Nutzungsuntersagung von zwei Brücken für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen wegen des schlechten Brückenzustands und der damit verbundenen erheblichen Gefahren abgelehnt (TA Orléans v. 8. Februar 2001, Société Robert Nioche et ses fils, Az. 01-213, AJDA 2001, 500). Anzumerken ist noch, dass die vom Conseil d’État am 15. Juni 2001 bestätigte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Orléans am 8. Februar 2001 zeitlich noch vor der Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes, Société Sud-Est Assainissement vom 28. Februar 2001 ergangen ist. 307  In der Sache Société European flight services hatte das Verwaltungsgericht Cergy-Pontoise die Aussetzung einer Entscheidung betreffend die Auswahl von Dienstleistungsbetrieben für den Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle im Hinblick auf einen drohenden totalen Stillstand eines Terminals abgelehnt. In der Rechtsmittelentscheidung bejahte der Conseil d’État daraufhin zwar grundsätzlich die Möglichkeit einer ausnahmsweisen Antragsablehnung trotz erfüllter Anordnungsvoraussetzungen, hob allerdings die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cergy-Pontoise als insofern fehlerhaft auf, dass kein Stillstand des Betriebs gedroht habe, und verneinte sodann aus anderen Gründen die Eilbedürftigkeit.



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung109

Conflans-Sainte-Honorine et autres aus dem Jahr 2012 erwähnt308. Auch hier hat der Conseil d’État die Möglichkeit einer ausnahmsweisen Ablehnung der Aussetzung trotz Erfülltsein der Anordnungsvoraussetzungen bejaht, obwohl der betreffende spezielle référé anders als der allgemeine référé-suspension sogar als Muss-Vorschrift formuliert ist309. Interessant ist dabei, dass es bei diesem speziellen référé die Voraussetzung der Eilbedürftigkeit nicht gibt, weshalb dort eine Anwendung der Rechtsprechung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement ausscheidet. dd) Vermutete Eilbedürftigkeit In bestimmten Fällen wird vermutet, dass die Anordnungsvoraussetzung der Eilbedürftigkeit erfüllt ist310. Es heißt dann in der Rechtsprechung, dass die Voraussetzung „en principe“ zu bejahen ist311 oder die angegriffene 308  CE v. 16. April 2012, Commune de Conflans-Sainte-Honorine et autres, Az. 355792, 355867, LexisNexis. Vgl. dazu auch die abweichenden Schlussanträge des rapporteur public Botteghi (Botteghi, concl. zu CE v. 16. April 2012, Commune de Conflans-Sainte-Honorine et autres, RFDA 2012, 719 [719 f., 725 ff.]) sowie Domino / Bretonneau, AJDA 2012, 943 [947 f.]. 309  In dem in der Entscheidung Commune de Conflans-Sainte-Honorine et autres anzuwendenden Art. L554-12  CJA  a. F. / Art. L123-12 code de l’environnement  a. F. heißt es: „Le juge administratif des référés, saisi d’une demande de suspension d’une décision prise après des conclusions défavorables du commissaire-enquêteur ou de la commission d’enquête, f a i t d ro i t à c e t t e d e m a n d e si elle comporte un moyen propre à créer, en l’état de l’instruction, un doute sérieux quant à la légalité de celle-ci.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Art. L554-12  CJA aktuelle Fassung verweist auf Art. L123-16 code de l’environnement aktuelle Fassung, der ebenfalls als Muss-Vorschrift formuliert ist. 310  Dazu mit weiteren Nachweisen Ricci, Contentieux administratif (2012), Rn. 342; Guyomar / Seiller, Contentieux administratif (2012), Rn. 428; Broyelle, Contentieux administratif (2011), Rn.  626; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 340; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1577; Cassia, Référés d’urgence (2003), Rn. 106 f. 311  CE v. 23. Januar 2012, Mihindukulasuriya Muthubandana, Az.  348861, LexisNexis; CE v. 16. Februar 2011, Copropriété Les Bleuets, Az. 341422, LexisNexis; CE v. 22. März 2010, Seghier, Az.  324763, LexisNexis; CE v. 30. Dezember 2009, Syndicat intercommunal à vocation unique de gestion du centre social intercommunal rural, Az.  328184, LexisNexis; CE v. 14.  Oktober 2009, Association „Bois-leroi environnement qualité de vie“, Az.  324908, LexisNexis; CE v. 15. Juni 2007, Arnaud, Az. 300208, LexisNexis; CE v. 7. Februar 2007, Commune de Laval-duTarn, Az. 287741, LexisNexis; CE v. 18. Oktober 2006, Syndicat des copropriétaires de l’immeuble „Les jardins d’Arago“, Az. 294096, LexisNexis; CE v. 23. Juni 2006, Société Actilor, Az.  289549, Rec. Leb. 2006, 304; CE v. 20. April 2005, Ville de Lille, Az. 278186, 278187, LexisNexis; CE v. 9.  Juni 2004, Magniez, Az.  265457, LexisNexis; CE v. 13. November 2002, Hourdin, Az.  248851, Rec. Leb. 2002, 396.

110

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Verwaltungsentscheidung „par elle-même“ Eilbedürftigkeit begründet312. In einigen Entscheidungen ist auch explizit von einer „présomption d’urgence“ die Rede313. Beispielsweise ist eine solche Vermutung angenommen worden im Fall der Auflösung eines interkommunalen Kooperationszusammenschlusses (établissement public de coopération intercommunale)314. Oder im Ausländerrecht bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen315, 316. Oder bei Erteilung einer Baugenehmigung, wenn der Beginn der Bauarbeiten bevorsteht oder diese schon begonnen haben, ohne allerdings bereits abgeschlossen zu sein317, 318. Wenn die Eilbedürftigkeit vermutet wird, muss sie vom Antragsteller nicht besonders dargelegt werden319, 320. Die Vermutung ist aber widerleg312  CE v. 28. Dezember 2005, Syndicat intercommunale de Lens-Avion, Az. 283249, LexisNexis; CE v. 24. September 2003, Boutida, Az. 253441, LexisNexis; CE v. 2. Oktober 2002, Hakkar, Az.  243685, LexisNexis; CE v. 26. September 2001, Mesbahi, Az.  231204, Rec. Leb. 2001, 428. 313  CE v. 25. Mai 2011, Hamine, Az. 344734, LexisNexis; CE v. 7. Februar 2007, Commune de Laval-du-Tarn, Az.  287741, LexisNexis; CE v. 23. Juni 2006, Société Actilor, Az.  289549, Rec. Leb. 2006, 304; CE v. 20. April 2005, Ville de Lille, Az. 278186, 278187, LexisNexis; siehe auch CE v. 15. Juni 2007, Arnaud, Az. 300208, LexisNexis („urgence est présumée“). 314  CE v. 28. Dezember 2005, Syndicat intercommunale de Lens-Avion, Az.  283249, LexisNexis. 315  CE v. 24.  September 2003, Boutida, Az.  253441, LexisNexis; CE v. 2. Oktober 2002, Hakkar, Az.  243685, LexisNexis; CE v. 26. September 2001, Mesbahi, Az.  231204, Rec. Leb. 2001, 428. 316  Im Ausländerrecht haben Rechtsbehelfe freilich häufig bereits automatischen Suspensiveffekt (siehe oben sub I. 1. b) bb), S. 58 f.). 317  CE v. 16. Februar 2011, Copropriété Les Bleuets, Az.  341422, LexisNexis; CE v. 22. März 2010, Seghier, Az.  324763, LexisNexis; CE v. 14.  Oktober 2009, Association „Bois-le-roi environnement qualité de vie“, Az. 324908, LexisNexis; CE v. 15. Juni 2007, Arnaud, Az. 300208, LexisNexis; CE v. 18. Oktober 2006, Syndicat des copropriétaires de l’immeuble „Les jardins d’Arago“, Az. 294096, LexisNexis; CE v. 20. April 2005, Ville de Lille, Az. 278186, 278187, LexisNexis; CE v. 9.  Juni 2004, Magniez, Az.  265457, LexisNexis. 318  Zu beachten ist, dass es in diesem Bereich teilweise spezielle Aussetzungsverfahren gibt, Art. L554-10 ff. CJA (vgl. aus der Rechtsprechung CE v. 20. April 2005, Ville de Lille, Az. 278186, 278187, LexisNexis). 319  Cassia, Référés d’urgence (2003), Rn. 106; CE v. 15. Juni 2007, Arnaud, Az. 300208, LexisNexis; CE v. 23. Juni 2006, Société Actilor, Az.  289549, Rec. Leb. 2006, 304; CE v. 25. Oktober 2002, Commune du Thoronet, Az.  243702, LexisNexis. 320  Ungeachtet der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes muss normalerweise gemäß Art. R522-1 Abs. 1 CJA der Antragsteller die die Eilbedürftigkeit begründenden Umstände vorbringen (vgl. Cassia, Référés d’urgence (2003), Rn. 103; CE v.



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung111

bar321, indem besondere Umstände geltend gemacht werden, aufgrund derer die Bedingung der Eilbedürftigkeit nicht gegeben ist322. Hier wird wieder relevant, dass die Eilbedürftigkeit global im Wege einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen ist323. Der Vermutung kann entgegengehalten werden, dass ein öffentliches oder privates Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsakts besteht324. Es werden dann die Eilbedürftigkeit der Aussetzung und die Eilbedürftigkeit der Vollziehung gegenübergestellt. Wenn dabei letztere überwiegt, ist die Vermutung widerlegt. Beispielsweise können im Fall des Antrags auf Aussetzung einer Baugenehmigung der Genehmigungsempfänger oder die ausstellende Behörde Gründe für die Notwendigkeit einer unverzüglichen Errichtung des Bauwerks geltend machen325, 326. Illustrativ für die umfassende Betrachtungsweise der Eilbedürftigkeit ist die Entscheidung Ville de Lille des Conseil d’État von April 2005327: Es 19. Januar 2001, Confédération nationale des radios libres, Az. 228815, Rec. Leb. 2001, 29). 321  Cassia, Référés d’urgence (2003), Rn. 107; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1577; Chrétien, RFDA 2007, 38 [44]. 322  CE v. 16. Februar 2011, Copropriété Les Bleuets, Az.  341422, LexisNexis; CE v. 15. Juni 2007, Arnaud, Az. 300208, LexisNexis; CE v. 7. Februar 2007, Commune de Laval-du-Tarn, Az.  287741, LexisNexis; CE v. 18. Oktober 2006, Syndicat des copropriétaires de l’immeuble „Les jardins d’Arago“, Az.  294096, LexisNexis; CE v. 23. Juni 2006, Société Actilor, Az. 289549, Rec. Leb. 2006, 304; CE v. 20. April 2005, Ville de Lille, Az. 278186, 278187, LexisNexis; CE v. 9. Juni 2004, Magniez, Az.  265457, LexisNexis; CE v. 13. November 2002, Hourdin, Az.  248851, Rec. Leb. 2002, 396. 323  CE v. 16. Februar 2011, Copropriété Les Bleuets, Az.  341422, LexisNexis; CE v. 22. März 2010, Seghier, Az.  324763, LexisNexis; CE v. 23. Juni 2006, Société Actilor, Az.  289549, Rec. Leb. 2006, 304; CE v. 20. April 2005, Ville de Lille, Az. 278186, 278187, LexisNexis; CE v. 9.  Juni 2004, Magniez, Az.  265457, LexisNexis; CE v. 13. November 2002, Hourdin, Az.  248851, Rec. Leb. 2002, 396. 324  CE v. 15. Juni 2007, Arnaud, Az. 300208, LexisNexis; CE v. 7. Februar 2007, Commune de Laval-du-Tarn, Az.  287741, LexisNexis; CE v. 23. Juni 2006, Société Actilor, Az.  289549, Rec. Leb. 2006, 304; CE v. 9.  Juni 2004, Magniez, Az.  265457, LexisNexis; CE v. 13. November 2002, Hourdin, Az.  248851, Rec. Leb. 2002, 396. 325  CE v. 15. Juni 2007, Arnaud, Az. 300208, LexisNexis; CE v. 9.  Juni 2004, Magniez, Az.  265457, LexisNexis. 326  Wenn sie keine solchen Gründe vorbringen können, bedeutet das allerdings freilich noch nicht, dass der Antragsteller mit seinem Aussetzungsantrag durchdringt. Denn der Antrag kann auch wegen fehlenden Zweifels an der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung (zu dieser zweiten materiellen Anordnungsvoraussetzung sogleich sub b), S. 113 ff.) abgelehnt werden (vgl. etwa CE v. 15. Juni 2007, Arnaud, Az. 300208, LexisNexis). 327  CE v. 20. April 2005, Ville de Lille, Az. 278186, 278187, LexisNexis.

112

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

ging um den Ausbau des Sportstadions „Grimonprez-Jooris“ in Lille328. Der Conseil d’État führt aus, dass im Hinblick auf den schwer reversiblen Charakter eines Baus die Voraussetzung der Eilbedürftigkeit bei bevorstehenden oder schon begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Bauarbeiten „en principe“ zu bejahen sei, es sei denn es lägen besondere Umstände vor. Der Richter habe eine globale Bewertung der Gesamtumstände des ihm vorgelegten Einzelfalls unter Berücksichtigung der Argumentation der Parteien vorzunehmen. Die die Aussetzung beantragenden Denkmalschutzvereinigungen trügen vor, dass die durch die angegriffenen Baugenehmigungen autorisierten Bauarbeiten unmittelbar beginnen könnten und schwer reversible Konsequenzen mit sich brächten. Aus dem Akteninhalt ergebe sich allerdings, dass während der ersten sechs Monate lediglich Arbeiten zur Installation von Bauausrüstung und zur Vorbereitung der Baustelle bevorstünden. Dieser Aspekt betrifft das Aussetzungsinteresse. Vor dem Hintergrund des bloß vorbereitenden Charakters der Arbeiten erscheint bereits die Aussetzung weniger eilbedürftig. Hinzu kommen noch für die sofortige Vollziehung sprechende Gesichtspunkte: Der Conseil d’État führt weiter aus, dass eine zusätzliche Verschiebung des Baubeginns der Modernisierung des Stadions erhebliche finanzielle Einbußen für die Stadt Lille zur Folge hätte, namentlich aufgrund des Schadens, den die von der Stadt für das Projekt beauftragten Baufirmen erlitten. Außerdem drohte ein Aufschub die Realisierung des Projekts aufs Spiel zu setzen, wohingegen in dem Stadion bei seinem gegenwärtigen Zustand keine Sportwettkämpfe unter Bedingungen stattfinden könnten, die den betreffenden nationalen und europäischen Anforderungen gerecht würden. Unter diesen Umständen rechtfertige die Eilbedürftigkeit die Aussetzung der Vollziehung nicht, zumal mit der Hauptsacheentscheidung des Verwaltungsberufungsgerichtshofs Douai zur Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsakte innerhalb von nicht mehr als vier Monaten zu rechnen sei329.

328  Zum Hintergrund und zur Entwicklung des Falls vgl. den deutschsprachigen Wikipedia-Artikel zu dem Stadion (http: /  / de.wikipedia.org / wiki / Stade_GrimonprezJooris (Seitenaufruf 3. März 2013). 329  Der Verwaltungsberufungsgerichtshof Douai erklärte die angegriffenen Bescheide am 7. Juli 2005 für rechtswidrig und hob sie auf (CAA Douai v. 7. Juli 2005, Association „Sauvons le site de la citadelle de Lille“, Association „Renaissance du Lille ancien“, Az. 05DA00010, 05DA00097, LexisNexis). Auch das Hauptsacheverfahren ging bis vor den Conseil d’État, der dies bestätigte (CE v. 28. Dezember 2005, Ville de Lille et Communauté urbaine de Lille, Az.  284863, LexisNexis – die teilweise Aufhebung des Urteils des Verwaltungsberufungsgerichtshofs betraf nur einen Verfahrensfehler).



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung113

b) Ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit Neben der Eilbedürftigkeit ist beim référé-suspension zweite materielle Anordnungsvoraussetzung, dass ein ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts besteht330. Auch hier bietet sich ein Vergleich mit dem alten sursis à exécution an, um die mit der Reform im Jahr 2000 verbundenen Veränderungen nachvollziehen zu können. aa) Früher: Ernstlicher Klagegrund Neben den schwer reparablen Nachteilen war beim sursis à exécution das Bestehen eines ernstlichen Klagegrunds Anordnungsvoraussetzung. Im Dekret vom 30. Juli 1963 heißt es: „le sursis peut être ordonné […] si les moyens énoncés dans la requête paraissent, en l’état de l’instruction, sérieux et de nature à justifier l’annulation de la décision attaquée.“331, 332. Von diesem Gesetzeswortlaut her wäre ein Verständnis möglich gewesen, wonach bloße Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts ausgereicht hätten. Es wird ausdrücklich auf den „derzeitigen Verfahrensstand“ („en l’état de l’instruction“) abgestellt und die Klagegründe müssen lediglich „als ernstzunemend erscheinen“ („paraissent sé­ rieux“). Die Voraussetzung wurde aber – genauso wie die der schwer reparablen Nachteile333 – in der gerichtlichen Praxis restriktiv ausgelegt334. In ihrem Rahmen wurde vom Richter regelmäßig eine umfassende und praktisch abschließende Prüfung des betreffenden Klagegrundes vorgenommen335. 330  Vgl. zu dieser Anordnungsvoraussetzung mit weiteren Nachweisen Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1579 ff.; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 342 ff.; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 63 ff.; Overney, AJDA 2001, 714 [721 ff.]; Cassia, RFDA 2007, 45 [45 ff., 50 ff.]; Vandermeeren, RFDA 2002, 250 [258 f.]; Vandermeeren, AJDA 2000, 706 [711]; Pissaloux, DA November 2001, 8 [11 f.]; Coutard, FS Labetoulle (2007), 201. 331  Art. 54 Abs. 4 Dekret Nr. 63-766 v. 30.  Juli 1963, JORF v. 1.  August 1963, 7111. 332  Vgl. zur vorherigen Entwicklung dieser Voraussetzung Gleizal, AJDA 1975, 381 [392 ff.]; Overney, AJDA 2001, 714 [722]; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 342; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 63 f. 333  Siehe oben sub a) aa), S. 99 f. 334  Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [943]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1555, 1580; Vandermeeren, RFDA 2002, 250 [258]. 335  Guyomar / Seiller, Contentieux administratif (2012), Rn. 429.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Der „moyen sérieux“ wurde so mehr oder weniger mit dem „moyen fondé“ gleichgesetzt336. Das ist vor dem Hintergrund eines Strebens nach größtmöglicher Kohärenz zwischen der Entscheidung im einstweiligen Verfahren und der Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu sehen. Die im einstweiligen Verfahren vorgenommene Einschätzung sollte nicht im Hauptsacheverfahren wieder „korrigiert“ werden müssen337. Es sollte zu keinem Widerspruch zwischen der einstweiligen und der abschließenden Entscheidung kommen338, 339. Auf diese Weise avancierte – letztlich entgegen der Grundidee eines bloß vorläufigen Verfahrens – die gerichtliche Entscheidung über den sursis à exécution zu einer Art „préjugement“ der Hauptsache340. Chapus spricht von einer „déviation, le juge de l’urgence se comportant alors en juge du principal“341. Die vertiefte gerichtliche Prüfung ging außerdem auf Kosten der Verfahrensdauer342. Tatsachenfragen und rechtliche Probleme wurden häufig bis zu praktisch abschließender Entscheidungsreife ausermittelt, was zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen führen konnte. Regelmäßig dauerte es monatelang, bis die Entscheidung über einen Aussetzungsantrag erging. Das stand in Widerspruch zum Charakter eines Schnellverfahrens. bb) Lockerung durch die Reform im Jahr 2000 Angesichts dieser Unzulänglichkeiten wurde die Bedingung des ernstlichen Klagegrunds im Rahmen der Reform im Jahr 2000 modifiziert. Laut den Gesetzesmaterialien sollte eine Lockerung erfolgen343. Nunmehr ist 336  Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1555, 1580; Rihal, Cahiers Ponant Nr. 8 (Frühling / Sommer 2003), 123 [129]; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 64; Pissaloux, DA November 2001, 8 [11]. 337  Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [943]. 338  Vandermeeren, RFDA 2002, 250 [258]; Vandermeeren, AJDA 2000, 706 [711]; Pissaloux, DA November 2001, 8 [11 f.]. 339  Fälle, in denen nach Anordnung eines sursis à exécution die Hauptsacheklage abgewiesen wurde, bildeten die absolute Ausnahme (Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1580 mit Beispielen). 340  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn.  1580; Vandermeeren, RFDA 2002, 250 [258]; Vandermeeren, AJDA 2000, 706 [711]; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 64. 341  Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1555. 342  Vandermeeren, RFDA 2002, 250 [258]; Vandermeeren, AJDA 2000, 706 [711]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1555, 1580; Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [943].



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung115

Anordnungsvoraussetzung nach Art. L521-1 Abs. 1 CJA ein „moyen propre à créer, en l’état de l’instruction, un doute sérieux quant à la légalité de la décision“. Rein vom Wortlaut her betrachtet erscheint der Unterschied zum sursis à exécution nicht unbedingt groß344. Auch nach der alten Rechtslage wurde bereits auf den „derzeitigen Verfahrensstand“ Bezug genommen und ein „als ernstzunehmend erscheinender“ Klagegrund ist begrifflich nicht viel anderes als ein solcher, der „geeignet ist, einen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts zu begründen“. Allerdings wird in der neuen Vorschrift nun explizit lediglich ein „Zweifel“ verlangt. Das ist als Signal und Aufforderung des Reformgesetzgebers an die Gerichte zu verstehen, ihre restriktive Handhabungspraxis aufzugeben345. Die Änderung bringt damit den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, das gerichtliche Verfahren zu beschleunigen und die Anordnung einer Aussetzug zu erleichtern. 343

cc) Begriffsinhalt Der Begriff des „ernstlichen Zweifels“ an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts ist, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung nicht näher definiert worden. Er ist auch nur schwer zu greifen346. In den Gesetzesmaterialien ist die Rede von einem nicht bloß dilatorischen Klagegrund, der indes das Risiko fortbestehen lasse, dass er sich zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens als nicht ausreichend für eine Aufhebung des Verwaltungsakts erweise347. Im Wege einer Negativabgrenzung lässt sich sagen, dass ein ernstlicher Zweifel jedenfalls keine auch nur annähernde Gewissheit verlangt. Nach Chapus befindet der Richter über eine „probabilité d’illégalité“348. Ab welchem Grad ein Zweifel an der Rechtmäßigkeit 343  Nationalversammlung, 11. Legislaturperiode, Bericht Nr. 2002 von François Colcombet v. 8.  Dezember 1999, 36 f., abrufbar unter http: /  / www.assemblee-natio nale.fr / 11 / pdf / rapports / r2002.pdf (Seitenaufruf 3.  März 2013). Vgl. auch Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [946 f.]. 344  Rouault, LPA 3. August 1999, Nr. 153, 9 [12]; Vandermeeren, RFDA 2002, 250 [258]. 345  Vandermeeren, RFDA 2002, 250 [258]; Vandermeeren, AJDA 2000, 706 [711]; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 64 f. 346  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1581. 347  Senat, Sitzungsperiode 1998 / 1999, Bericht Nr. 380 von René Garrec v. 26. Mai 1999, sub examen des articles, Art. 3, Punkt 4, abrufbar unter http: /  / www. senat.fr / rap / l98-380 / l98-380.html (Seitenaufruf 3.  März 2013). 348  Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1581.

116

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

als „ernstlich“ im Sinne des Art. L521-1 Abs. 1 CJA anzusehen ist349, wird hier nicht vertieft350. Die Beurteilung des ernstlichen Zweifels erfolgt auf Grundlage des derzeitigen Verfahrensstandes. Das wird im Gesetz ausdrücklich erwähnt („en l’état de l’instruction“). Hierdurch wird der bloß vorläufige Charakter der Einschätzung hervorgehoben. Die Rechtmäßigkeitsprüfung im Wege des référé-suspension kann nicht weiter gehen als die im Hauptsacheverfahren. Ist in diesem etwa der gerichtliche Prüfungsumfang auf eine bloß eingeschränkte Kontrolle (contrôle restreint)351 begrenzt, so kann ein in diesem Rahmen nicht überprüfbarer Punkt auch im einstweiligen Verfahren keinen ernstlichen Zweifel im Sinne des Art. L521-1 Abs. 1  CJA begründen352. c) Zwischenergebnis Der alte sursis à exécution hatte zwei kumulative materielle Anordnungsvoraussetzungen. Die Bedingung der schwer reparablen Nachteile betraf die mit der sofortigen Vollziehung verbundenen Konsequenzen, die Bedingung des ernstlichen Klagegrunds die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts. Bei der Reform im Jahr 2000 wurde an der Grundstruktur mit zwei Voraussetzungen festgehalten, beide wurden aber gelockert. Beim référé-suspension reicht nunmehr explizit ein bloßer ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Ferner trat an die Stelle der Voraussetzung der schwer reparablen Nachteile die offenere Bedingung der Eilbedürftigkeit. Jetzt sind nur noch hinreichend schwere und unmittelbare Nachteile erforderlich, was etwa eine Aussetzung auch bei bloßen Vermögensnachteilen ermöglicht. In bestimmten Fällen spricht eine (widerlegbare) Vermutung dafür, dass die Bedingung der Eilbedürftigkeit erfüllt ist. Die Eilbedürftigkeit ist nach der Grundsatzentscheidung Préfet des AlpesMaritimes et société Sud-Est Assainissement des Conseil d’État „objektiv Vandermeeren, AJDA 2000, 706 [711]. der Frage, ob eine feste Schwelle sachgerecht ist, siehe unten sub 3. c) cc), S.  129 f. 351  Vgl. zu den verschiedenen verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte-Stufen in Frankreich nur Chapus, DAG I (2001), Rn. 1253 ff.; Waline, Droit administratif (2008), Rn. 640 ff.; Delvolvé, Droit administratif (2006), 141 ff.; Gaudemet, Droit administratif (2010), 144 ff.; Peiser, Droit administratif (2011), 39 ff., 288 f.; Lerche, Kontrolldichte (1993), 1 [7 ff.]. 352  Vgl. CE v. 7. Februar 2007, Société Sagace, Société Mediterranéenne de ­Nettoiement, Az. 287252, LexisNexis; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 343. 349  Vgl. 350  Zu



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung117

und global“ im Wege einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung sowohl des Aussetzungs- als auch der Vollziehungsintereses zu beurteilen. Demgemäß werden die Folgen der Aussetzung und die Folgen der Vollziehung gegenübergestellt und es wird eine Interessenabwägung vorgenommen. 2. Deutschland a) Keine geschriebenen materiellen Voraussetzungen in § 80 Abs. 5 VwGO Im deutschen Recht enthält die allgemeine Vorschrift für die verwaltungsgerichtliche Aussetzung eines Verwaltungsakts keine geschriebenen materiellen Voraussetzungen. Es heißt in § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO schlicht, dass das Gericht die aufschiebende Wirkung in den Fällen der gesetzlichen Ausnahmen vom automatischen Suspensiveffekt353 anordnen bzw. nach Ergehen einer behördlichen Vollziehungsanordnung354 wiederherstellen kann. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, sagt das Gesetz nicht. b) Materielle Voraussetzungen in Spezialvorschriften Es werden allerdings in einigen Spezialvorschriften ausdrücklich materielle Anordnungsvoraussetzungen für eine Aussetzung genannt. aa) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit oder unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte in § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO, § 69 Abs. 2 S. 2  FGO und § 361 Abs. 2 S. 2 AO In § 80 VwGO selbst sind in Abs. 4 S. 3 inhaltliche Kriterien für die Aussetzung normiert. Die Vorschrift betrifft die behördliche Aussetzung355 bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten356. Die Behörde „soll“ danach die Vollziehung aussetzen, „wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.“ 353  Dazu

oben sub I. 2. b), S. 61 ff. oben sub I. 2. c), S. 66 f. 355  Allgemein zur behördlichen Aussetzung der Vollziehung in Deutschland oben sub I. 2. d), S. 67 f. 356  Hier haben Rechtsbehelfe gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO nicht automatisch aufschiebende Wirkung (siehe oben sub I. 2. b) aa), S. 61 ff.). 354  Dazu

118

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Entsprechende Regelungen existieren im Steuerrecht für die Aussetzung durch die Finanzbehörden in § 69 Abs. 2 S. 2 FGO357 und § 361 Abs. 2 S. 2 AO358. Was unter dem Begriff der „ernstlichen Zweifel“ in diesem Sinne zu verstehen ist, ist umstritten. Nach unter den Oberverwaltungsgerichten ganz vorherrschender Auffassung sind solche Zweifel zu bejahen, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen, danach reicht ein offener Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht aus359. Nach einer anderen Ansicht muss der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache mindestens genauso wahrscheinlich sein wie der Misserfolg360. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind ernstliche Zweifel zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen 357  Vgl.

wird.

in § 69 FGO noch den Abs. 5 S. 3, auf den hier nicht näher eingegangen

358  Vgl. zum entstehungsgeschichtlichen Zusammenhang BT Drs. III / 1094, 9; OVG Münster v. 29.  Juli 1960, Az.  III B 433 / 60, OVGE MüLü 16, 44 [46 ff.]. 359  VGH Mannheim v. 19.  April 2004, Az.  2 S 340 / 04, VBlBW 2004, 352 [353 f.]; OVG Magdeburg v. 21. Mai 2008, Az. 3 M 169 / 06, NJW 2008, 3304 [jurisRn. 7]; OVG Weimar v. 18.  November 2003, Az.  3 EO 381 / 02, NVwZ-RR 2004, 393 [juris-Rn. 24]; OVG Berlin v. 22. Februar 2010, Az. 10 S 37.09, NVwZ 2010, 724 [juris-Rn. 10]; OVG Berlin v. 3. Juni 2004, Az. 2 S 18.04, NVwZ-RR 2005, 304 [juris-Rn. 5]; OVG Berlin v. 4.  Dezember 2001, Az.  2 SN 8.01, NVwZ-RR 2002, 306; OVG Lüneburg v. 30. Januar 2008, Az. 1 ME 270 / 07, juris [juris-Rn. 11]; OVG Frankfurt / Oder v. 7.  Mai 2003, Az.  2 B 297 / 02, NVwZ-RR 2004, 252 [252]; VGH München v. 15.  September 1992, Az.  23 CS 92.1605, KStZ 1994, 55; OVG Hamburg v. 23.  April 1991, Az.  Bs II 16 / 91, NVwZ-RR 1992, 318 [319]; OVG Saarlouis v. 22. Januar 1992, Az. 1 W 113 / 91, NVwZ 1992, 699 [700]; OVG Bremen v. 12. März 1985, Az. 1 B 6 / 85, DVBl. 1985, 1182; OVG Koblenz v. 2. Februar 1984, Az.  6 D 2 / 83, DVBl. 1984, 1134; OVG Münster v. 25. August 1988, Az. 3 B 2564 / 85, NVwZ-RR 1990, 54 (unter Aufgabe seiner vorherigen Rechtsprechung); OVG Münster  v. 21.  Dezember 2010, Az.  8 B 1626 / 10, NWVBl. 2011, 278 [jurisRn. 13]; OVG Münster v. 3.  Juni 2004, Az.  15 B 576 / 04, NVwZ-RR 2005, 450. Aus dem Schrifttum Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 143; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 829; Timmler, Maßstab und Rechtsnatur der Aussetzungsentscheidung (1993), 71 ff.; Renck, NVwZ 1992, 338. 360  BVerwG v. 3.  Juli 1981, Az.  8 C 83.81, BayVBl. 1982, 442; OVG Schleswig v. 3.  Dezember 2007, Az.  2 MB 22 / 07, NVwZ-RR 2008, 561 [juris-Rn. 3]; OVG Schleswig v. 16.  August 1999, Az.  2 M 24 / 99, NVwZ-RR 2000, 715 [715]; OVG Schleswig v. 19. April 1991, Az.  2 M 2 / 91, NVwZ-RR 1992, 106 [107]; OVG Lüneburg v. 13.  Januar 1989, Az.  9 M 1 / 89, NVwZ-RR 1989, 328; OVG Münster v. 29. Juli 1960, Az. III B 433 / 60, OVGE MüLü 16, 44 [Ls. 2; 50 ff.]; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 282 ff.; Redeker / von Oertzen / M. Redeker, § 80 Rn. 36; Kopp / Schenke, § 80 Rn. 116.



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung119

oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken361. Das lässt sich so verstehen, dass ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht auch nur gleich wahrscheinlich wie ein Unterliegen sein muss. In der Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 1967 heißt es, es sei erforderlich, dass „ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit“ für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts spreche und somit „nicht nur geringfügige Aussichten“ für den Erfolg des Rechtsbehelfs bestünden362. Allerdings heißt es in weiteren Entscheidungen des Bundes­ finanzhofs auch, es sei kein Überwiegen der für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe erforderlich, sondern es genüge, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg363, wonach also doch ein Obsiegen zumindest gleich wahrscheinlich wie ein Unterliegen sein muss. Nach hier vertretener Auffassung ist ein offenes Begriffsverständnis sachgerecht und können ernstliche Zweifel – abgesehen davon, ob sich diese Schwelle überhaupt so präzise bestimmen lässt364 – auch schon bei einer Erfolgswahrscheinlichkeit von weniger als 50 % zu bejahen sein. Eine unbillige Härte im Sinne der genannten Vorschriften liegt vor, wenn dem Betroffenen über die normalen Folgen der Zahlung hinausgehende, nicht bzw. kaum rückgängigmachbare Nachteile erwachsen, wie etwa die Insolvenz oder sonst die wirtschaftliche Existenzvernichtung bzw. Existenzgefährdung365.

361  BFH v. 10.  Februar 1967, Az.  III B 9 / 66, BFHE 87, 447 [Ls., 449 ff.]; BFH v. 5. März 1979, Az. GrS 5 / 77, BFHE 127, 140 [145]; BFH v. 5. April 2011, Az. II B 153 / 10, BFHE 232, 380 [382]; BFH v. 25. August 2009, Az. VI B 69 / 09, BFHE 226, 85 [87]; BFH v. 23 August 2007, Az. VI B 42 / 07, BFHE 218, 558 [561]; BFH v. 25.  Juni 2004, Az.  XI B 20 / 03, BFH / NV 2005, 176 [177]; BFH v. 15. Januar 2004, Az. VIII B 253 / 03, BFH / NV 2004, 780 [781]; BFH v. 6.  März 2003, Az.  XI B 7 / 02, BStBl. II 2003, 516 [517]; BFH v. 4.  September 2002, Az.  I B 145 / 01, BFH / NV 2002, 1628 [1628]; BFH v. 21.  Dezember 1993, Az. VIII B 107 / 93, BStBl. II 1994, 300 [301]. Siehe auch BVerfG v. 11. Oktober 2010, Az. 2 BvR 1710 / 10, NVwZ-RR 2011, 305 [juris-Rn. 19]. 362  BFH v. 10.  Februar 1967, Az.  III B 9 / 66, BFHE 87, 447 [451]. Vgl. auch BFH v. 5.  März 1979, Az.  GrS 5 / 77, BFHE 127, 140 [145]. 363  BFH v. 25.  August 2009, Az.  VI B 69 / 09, BFHE 226, 85 [87]; BFH v. 23 August 2007, Az. VI B 42 / 07, BFHE 218, 558 [561]. Vgl. auch Tipke / Kruse / Seer, § 69  FGO Rn. 89. 364  Das erscheint doch sehr zweifelhaft (vgl. Proppe, JA 2004, 324 [325]). 365  Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 296; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 145; Redeker / von Oertzen / M. Redeker, § 80 Rn. 37; BVerfG v. 11. Oktober 2010, Az.  2 BvR 1710 / 10, NVwZ-RR 2011, 305 [juris-Rn. 20]; BFH v. 3. Juni 2009, Az. IV B 48 / 09, BFH / NV 2009, 1641 [juris-Rn. 23]; BFH v. 31. Januar 1967, Az.  VI S 9 / 66, BFHE 87, 600 [601].

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

bb) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit in Art. 16a Abs. 4 S. 1  GG und § 36 Abs. 4 S. 1 AsylVfG Im Asylrecht enthält auf der Ebene des Verfassungsrechts Art. 16a Abs. 4 S. 1 GG einen expliziten materiellen Aussetzungsmaßstab für die Fälle, in denen Asylanträge wegen Einreise aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat366, 367 oder aus einem anderen Grund offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten368, 369. Danach wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen „durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen“. Entsprechend bestimmt auf einfachgesetzlicher Ebene § 36 Abs. 4 S. 1 AsylVfG, dass nur bei solchen Zweifeln die Aussetzung der Abschiebung angeordnet werden darf. Nach dem Bundesverfassungsgericht liegen „ernstliche Zweifel“ in diesem Sinne vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält370. cc) Kein einheitlicher Begriff der „ernstlichen Zweifel“; unterschiedlicher Regelungszweck Der Begriff der „ernstlichen Zweifel“ in den §§ 80 Abs. 4 S. 3 VwGO, 69 Abs. 2 S. 2 FGO, 361 Abs. 2 S. 2 AO ist nicht identisch mit dem in Art. 16a Abs. 4 S. 1  GG und § 36 Abs. 4 S. 1  AsylVfG371. Selbst die strengste Auffassung zu den erstgenannten Bestimmungen stellt geringere Anforderungen als das Bundesverfassungsgericht zu den zweitgenannten: Ein lediglich leichtes Überwiegen der Erfolgschancen ist weniger als die wahrscheinliche Rechtswidrigkeit. Die nicht deckungsgleiche Begriffsbestimmung ist vor dem Hintergrund der voneinander abweichenden Regelungszwecke der Vorschriften zu sehen. 366  Art. 16a

Abs. 3  GG, § 29a AsylVfG. zum grundsätzlich vollständigen Ausschluss des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes bei Einreise aus einem sogenannten sicheren Drittstaat oben B. Fn. 220. 368  Vgl. zu dieser Unterscheidung Maunz / Dürig / Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5 Rn. 146, 182; Lübbe-Wolff, DVBl. 1996, 825 [838 f.]; Dreier / Masing Art. 16a Rn. 127. 369  Die sprachliche Fassung ist insofern schief, als die offensichtliche Unbegründetheit (bzw. deren Fiktion) als gegeben genannt wird, obwohl sie doch gerade auf dem Prüfstand steht. 370  BVerfG v. 14.  Mai 1996, Flughafenverfahren, Az.  2 BvR 1516 / 93, BVerfGE 94, 166 [Ls. 2 b, 194, 208]. 371  Vgl. Maunz / Dürig / Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5 Rn. 154 f.; BVerfG v. 14.  Mai 1996, Flughafenverfahren, Az.  2 BvR 1516 / 93, BVerfGE 94, 166 [194]. 367  Vgl.



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung121

Art. 16a Abs. 4 S. 1  GG und § 36 Abs. 4 S. 1 AsylVfG haben die Funktion, die gerichtliche Prüfung zu beschränken372. Das wird bereits im Wortlaut in der Formulierung „nur“ deutlich. Der verfassungsändernde Gesetzgeber wollte im Zuge der großen Asylrechtsreform im Jahr 1993 qualifizierte Anforderungen für die verwaltungsgerichtliche Aussetzung in den Fällen von als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen schaffen373. Der verfahrensrechtliche Schutzbereich der Asylgewährleistung sollte eingeschränkt werden374. Insofern modifiziert Art. 16a Abs. 4  GG die aus Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG folgenden Anforderungen an die Effektivität des Rechtsschutzes375, 376. Um eine solche Beschränkung geht es in den §§ 80 Abs. 4 S. 3 VwGO, 69 Abs. 2 S. 2 FGO, 361 Abs. 2 S. 2 AO nicht. Als einfaches Gesetzesrecht können diese Bestimmungen auch gar nicht die nach Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben für den einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz modifizieren, sondern allenfalls konkretisieren. Abgesehen davon sind sie auf die behördliche und nicht auf die gerichtliche Aussetzung bezogen377. Ferner sind die Bestimmungen in ihrem systematischen Zusammenhang als nicht abschließend hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen für eine Aussetzung zu verstehen. Denn schließlich heißt es in den Sätzen 1 der §§ 80 Abs. 4 VwGO, 69 Abs. 2  FGO, 361 Abs. 2  AO materiell-voraussetzungslos, dass die Behörde die Vollziehung aussetzen kann. In den SollVorschriften der Sätze 3 werden sodann Voraussetzungen genannt, bei deren Vorliegen in der Regel eine Aussetzung erfolgt. Das bedeutet indes nicht, dass nur und ausschließlich unter diesen Voraussetzungen ausgesetzt werden kann378. Vielmehr können über die Sätze 1 auch andere Fälle erfasst sein. 372  Vgl. BVerfG v. 14.  Mai 1996, Flughafenverfahren, Az.  2 BvR 1516 / 93, BVerfGE 94, 166 [190 ff., 218 f.]; Maunz / Dürig / Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5 Rn. 147, 153 ff.; Hailbronner / Roth, B 2, § 36 AsylVfG Rn. 64 ff., 80 ff.; vor Einführung des Art. 16a GG BVerfG v. 2. Mai 1984, Az. 2 BvR 1413 / 83, BVerfGE 67, 43 [Ls., 58 ff.]. 373  BT Drs. XII / 4152, 4. 374  BT Drs. XII / 4152, 4. 375  BVerfG v. 14.  Mai 1996, Flughafenverfahren, Az.  2 BvR 1516 / 93, BVerfGE 94, 166 [194, 218 f.]; Maunz / Dürig / Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 Rn. 273; Maunz / Dürig / Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5 Rn. 153, 168; Hailbronner / Roth, B 2, § 36 AsylVfG Rn. 68, 80. 376  Vgl. zur Modifikation des Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG durch Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG oben B. Fn. 220. 377  Zur analogen Anwendung im gerichtlichen Verfahren aber sogleich sub dd) (2), S.  122 f. 378  Vgl. auch Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 833.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Es sind Konstellationen denkbar, in denen eine Aussetzung geboten ist, obwohl keine der beiden Voraussetzungen „ernstliche Zweifel“ oder „unbillige Härte“ erfüllt ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Zweifel – nach welcher der sub aa) aufgeführten Ansichten auch immer – knapp unter dem erforderlichen Wahrscheinlickeitsgrad bleiben und zugleich dem Betroffenen durch die Vollziehung ganz erhebliche Nachteile drohen, die allerdings die für eine unbillige Härte erforderliche Schwelle knapp nicht erreichen. Besonders deutlich wird das, wenn man die Auffassungen zum Begriff der „ernstlichen Zweifel“ in dem betreffenden Sinn zugrunde legt, wonach eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 50 % bzw. knapp unter 50 % nicht ausreicht. dd) Übertragbarkeit auf § 80 Abs. 5 VwGO Es fragt sich, ob und inwieweit die expliziten Anordnungsvoraussetzungen aus den Spezialvorschriften auch im allgemeinen Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO fruchtbar gemacht werden können. (1) M  aßstab aus Art. 16a Abs. 4 S. 1 GG und § 36 Abs. 4 S. 1 AsylVfG ist nicht übertragbar Eine Übertragung des Prüfungsmaßstabs aus Art. 16a Abs. 4 S. 1  GG (und damit übereinstimmend § 36 Abs. 4 S. 1  AsylVfG) kommt schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Durch diesen Maßstab wird, wie soeben dargestellt379, Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG modifziert. Für andere Fälle fehlt es an einer entsprechenden Modifikation in der Verfassung und die Rechtschutzerfordernisse des Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG gelten unverändert. Vor diesem Hintergrund scheidet eine Verallgemeinerung des beschränkten Prüfungsmaßstabs aus. Vielmehr sind die aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden Vorgaben zu ermitteln und ist ihnen gerecht zu werden. (2) M  aßstab aus § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO, § 69 Abs. 2 S. 2 FGO und § 361 Abs. 2 S. 2 AO ist zumindest teilweise übertragbar In den §§ 80 Abs. 4 S. 3 VwGO, 69 Abs. 2 S. 2 FGO, 361 Abs. 2 S. 2 AO ist nicht die gerichtliche Aussetzung, sondern die Aussetzung durch die Behörde geregelt. Es kommt aber eine analoge Anwendung auf das gerichtliche Verfahren in Frage. Ausdrücklich erklärt § 69 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 FGO den Abs. 2 S. 2 der Vorschrift bei der Aussetzung durch das Gericht in den betreffenden Fällen 379  Sub

cc), S. 121. 120



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung123

für sinngemäß anwendbar. Und § 361 Abs. 5 AO enthält für die gerichtliche Aussetzung eine Verweisung auf § 69 Abs. 3 FGO. In § 80 VwGO gibt es in Abs. 5 keine ausdrückliche Verweisung auf Abs. 4 S. 3. Aber auch ohne eine solche ist eine Analogie möglich. Besonders naheliegend ist sie, wenn es um die Aussetzung bei öffentlichen Abgaben und Kosten geht. Hier wird einhellig von einer Übertragbarkeit ausgegangen380. Teilweise wird überdies in den anderen Fällen gesetzlicher Ausnahmen vom automatischen Suspensiveffekt381 eine analoge Anwendung bejaht382. Teilweise wird auch für die Fälle behördlicher Vollziehungsanordnungen383 eine Analogie angenommen384. (3) Dieser Maßstab ist aber nicht abschließend Unabhängig von der Frage nach dem Umfang der Analogie ist allerdings freilich stets zu beachten, dass der in § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO (bzw. den §§ 69 Abs. 2 S. 2 FGO, 361 Abs. 2 S. 2 AO) normierte Maßstab – anders als der in Art. 16a Abs. 4 S. 1  GG und § 36 Abs. 4 S. 1  AsylVfG („nur“) – ohnehin nicht abschließend ist. In den Fällen, in denen eine Analogie zu bejahen ist, kann ungeachtet dessen auch noch unter anderen Voraussetzungen eine Aussetzung erfolgen. Das ist bezogen auf die behördliche Aussetzung bereits eben385 ausgeführt worden. Bei der gerichtlichen Aussetzung ist es nicht anders. Auch hier bedeutet die Anwendung der Soll-Voraussetzungen nicht, dass damit andere Gründe für eine Aussetzung ausgeschlossen sind. Hinzu kommt, dass die Vorgaben aus Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG hinsichtlich der Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes erfüllt werden müssen. Der einfachgesetzliche 380  Vgl. nur mit weiteren Nachweisen Kopp / Schenke, § 80 Rn. 157; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 980; Timmler, Maßstab und Rechtsnatur der Aussetzungsentscheidung (1993), 69; bereits kurz nach Inkrafttreten der VwGO OVG Münster v. 29.  Juli 1960, Az.  III B 433 / 60, OVGE MüLü 16, 44 [Ls. 1; 44 ff.]. 381  Vgl. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3, S. 2 VwGO. Ausführlich oben sub I. 2. b) bb), S. 64, und I. 2. b) cc), S. 64 ff. 382  Vgl. Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 107, 146 ff.; Timmler, Maßstab und Rechtsnatur der Aussetzungsentscheidung (1993), 92 ff.; Posser / Wolff / Gersdorf, § 80 Rn. 126; a. A. Kopp / Schenke, § 80 Rn. 157, 116; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 982. 383  § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO. Oben sub I. 2. c), S. 66 f. 384  Vgl. Renck, NVwZ 1992, 338 [339]; Renck, BayVBl. 1994, 161 [165]; Posser / Wolff / Gersdorf, § 80 Rn. 126; a. A. Kopp / Schenke, § 80 Rn. 157, 116; Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 982. 385  Sub cc), S. 121 f. 120

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

§ 80 Abs. 4 S. 3 VwGO kann, wie gesagt386, diese Vorgaben nicht beschränken. So ist in dem genannten Fall, in dem durch die Vollziehung erhebliche Nachteile knapp unterhalb der Schwelle der unbilligen Härte drohen und gleichzeitig an der Rechtmäßigkeit Zweifel knapp unterhalb dem erforder­ lichen Wahrscheinlichkeitsgrad bestehen, die Aussetzung erforderlich und kann nicht unter Berufung darauf versagt bleiben, dass dieser Fall in § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO nicht geregelt ist. Gleiches kann etwa auch bei Grundrechtseingriffen gelten. c) Interessenabwägung Nach den vorstehenden Ausführungen lassen sich also aus den in den Spezialvorschriften enthaltenen materiellen Anordnungsvoraussetzungen nur sehr begrenzt Erkenntnisse hinsichtlich des Entscheidungsmaßstabs bei § 80 Abs. 5 VwGO gewinnen. Das materielle Kernelement für die gerichtliche Aussetzungsentscheidung ist vielmehr eine Interessenabwägung zwischen Aussetzungs- und Vollziehungsinteresse387. Welchen Regeln diese Interessenabwägung im Einzelnen folgt, kann hier nicht ausgeführt werden. Die Abhandlung dieser Thematik wäre für sich allein schon bücherfüllend. Sie stellt zweifellos einen der komplexesten Problemkreise im deutschen Verwaltungsprozessrecht dar. In ihrem Zusammenhang tauchen unzählige Einzelfragen auf, die vielschichtig voneinander abhängen und miteinander verwoben sind. Im Rahmen und für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung sei lediglich das Folgende gesagt: Die Interessenabwägung wird maßgeblich von zwei Arten von Faktoren bestimmt. Zum einen wird der angegriffene Verwaltungsakt auf seine Rechtmäßigkeit hin untersucht und werden die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eingeschätzt. Zum anderen wird regelmäßig eine Folgenbetrachtung relevant. Diese erstreckt sich umfassend auf die Konsequenzen sowohl der Vollziehung als auch der Aussetzung. Die verschiedenen Elemente der Interessenabwägung können dabei in mannigfaltigen Kombinationen und Gewichtungen vorkommen und bilden ein „bewegliches System“ (Schenke)388. 386  Sub

cc), S. 121. Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 1001; BVerfG v. 29. Mai 2007, Waldschlösschenbrücke, Az. 2 BvR 695 / 07, NVwZ 2007, 1176 [juris-Rn. 33]; BVerfG v. 11. Juni 2008, Barschel-Buch, Az. 2 BvR 2062 / 07, NVwZ-RR 2008, 657 [juris-Rn. 16]. 388  Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 1002. 387  Vgl.

120



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung125

Wenn beispielsweise der angegriffene Verwaltungsakt ganz offensichtlich materiell rechtswidrig ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt, so ist grundsätzlich auszusetzen, ohne dass es noch entscheidend darauf ankommt, wie gravierend die durch die Vollziehung drohenden Konsequenzen für den Betroffenen sind389. Wenn umgekehrt der Verwaltungsakt ganz offensichtlich rechtmäßig ist, führen selbst schwerwiegende und irreparable Folgen der Vollziehung nicht zu einem Überwiegen des Aussetzungsinteresses. Zu beachten ist in diesem Fall allerdings, dass für den Erlass einer Vollziehungsanordnung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO ein besonderes Vollziehungsinteresse erforderlich ist. Oftmals ist die Rechtswidrigkeit bzw. Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts nicht offenkundig. Es ist im einstweiligen Verfahren häufig eine bloß summarische Prüfung möglich390. Die Entscheidung muss oft unter großem Zeitdruck innerhalb von wenigen Tagen oder sogar nur Stunden auf unsicherer Tatsachengrundlage ergehen. Zudem können schwierige Rechtsfragen in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit teilweise nicht abschließend geklärt werden. Entsprechend gewinnt die Folgenbetrachtung an Gewicht. d) Zwischenergebnis In § 80 Abs. 5 VwGO ist der Entscheidungsmaßstab für die gerichtliche Aussetzungsentscheidung nicht genannt. Der eingeschränkte Maßstab aus Art. 16a Abs. 4 S. 1  GG und § 36 Abs. 4 S. 1 AsylVfG ist nicht analogiefähig. Der in § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO391 genannte Maßstab ist im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zumindest teilweise analog anwendbar. Dieser Maßstab ist aber nie abschließend. Materielles Kernelement der gerichtlichen Aussetzungsentscheidung ist eine Abwägung zwischen dem Aussetzungs- und dem Vollziehungsinteresse. Diese Interessenabwägung wird von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache und von einer Folgenbetrachtung gesteuert.

389  Vgl. Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 967, 1068. 390  Vgl. Kopp / Schenke, § 80 Rn. 125 ff., 158; Timmler, Maßstab und Rechtsnatur der Aussetzungsentscheidung (1993), 66 f.; Sodan / Ziekow / Puttler, § 80 Rn. 136; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 399 ff.; Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz (1988), 1631 ff. 391  Bzw. § 69 Abs. 2 S. 2  FGO, § 361 Abs. 2 S. 2 AO.

126

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

3. Gegenüberstellung a) Geschriebene Anordnungsvoraussetzungen in Frankreich versus weitgehend ungeschriebener Entscheidungsmaßstab in Deutschland Bei der rechtsvergleichenden Wortlautgegenüberstellung von Art. L521-1 Abs. 1 CJA und § 80 Abs. 5 VwGO fällt ins Auge, dass in der französischen Vorschrift die materiellen Anordnungsvoraussetzungen ausdrücklich benannt sind, während sich die deutsche diesbezüglich sibyllinisch gibt. Die – zumindest in bestimmten Fällen mögliche – analoge Anwendung des § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO kann dabei angesichts dessen, dass die dort aufgeführten Voraussetzungen nicht abschließend sind, das Fehlen expliziter Kriterien nur bedingt wettmachen. Aus dem Blickwinkel der Normklarheit und -bestimmtheit ist die französische Regelung sicherlich vorzugswürdig. Der Normadressat kann die Entscheidungskriterien dem Gesetz selbst entnehmen. Der Gesetzgeber gibt den Gerichten einen konkreten Rahmen vor. Allerdings geht die abschließende Ausformulierung der Anordnungsvoraussetzungen auf Kosten der Normflexibilität. Möglicherweise sind nicht alle relevanten Konstellationen adäquat erfasst. Die offene Formulierung des § 80 Abs. 5 VwGO bietet demgegenüber den Vorteil, verschiedenste Fallgestaltungen erfassen zu können und eröffnet für Rechtsprechung und Wissenschaft mehr Möglichkeiten, die Entscheidungskriterien fortzuentwickeln und zu perfektionieren. b) In beiden Ländern Rechtmäßigkeitsprüfung und Folgenbetrachtung als Grundfaktoren Sei es geschrieben oder ungeschrieben – es lassen sich in beiden Ländern zwei Grundfaktoren für die Aussetzungsentscheidung identifizieren: Der eine betrifft die Frage der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts. In Frankreich ist im Rahmen des référé-suspension „ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit“ erforderlich. In Deutschland sind „ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit“ in § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO als Aussetzungsgrund genannt392 und spielen generell die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs bei der Interessenabwägung eine entscheidende Rolle. 392  Die Parallele in der Begrifflichkeit zwischen dem „doute sérieux quant à la légalité“ und den „ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit“ ist frappant.



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung127

Der andere Grundfaktor bezieht sich auf die Konsequenzen der Vollziehung bzw. der Aussetzung des Verwaltungsakts. Es wird darauf geschaut, wie sich die Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsakts auswirken würde, das heißt welche Art von Nachteilen durch sie drohen, wie schwerwiegend die Nachteile sind, ob und wie leicht oder schwer sie reversibel sind etc. Und es wird umgekehrt erwogen, welche Folgen die Aussetzung hätte, was für Nachteile damit verbunden wären, wie gravierend diese Nachteile sind, ob und wie sie rückgängig gemacht werden können etc. In Frankreich werden diese Aspekte über die Voraussetzung der Eilbedürftigkeit relevant. Und auch in Deutschland findet regelmäßig eine Folgenbetrachtung statt. Die den Entscheidungsmaßstab bildenden Grundfaktoren – Rechtmäßigkeitskontrolle und Folgenbetrachtung – sind also die gleichen. c) Unterschiedliche Ausprägung und Verknüpfung der Faktoren Sie sind jedoch unterschiedlich ausgeprägt und verknüpft. Beim référésuspension handelt es sich um zwei getrennte Anordnungsvoraussetzungen, die durch ein „und“ miteinander verbunden sind. In Deutschland fließen beide Faktoren variabel in die Interessenabwägung ein. aa) „Oder“ in § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO Die Spezialvorschrift des § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO enthält allerdings eine Alternativ-Struktur. Danach soll die Aussetzung bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit „oder“ einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte erfolgen. (1) Alternative der „ernstlichen Zweifel“ für sich genommen sinnvoll Was die erste Alternative des § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO betrifft, erscheint es im Ergebnis durchaus sachgerecht, bei Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit regelmäßig die Aussetzung anzuordnen. Wie schwer sich die Vollziehung bei dem Betroffenen auswirken würde, ist dann nicht mehr so wichtig. Insgesamt rückt die Folgenbetrachtung in den Hintergrund. Das heißt jedoch nicht, dass sie entbehrlich ist. Trotz ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit kann in bestimmten Fällen ausnahmsweise das Vollziehungsinteresse überwiegen, etwa dann, wenn die Aussetzung gravierende und irreparable Konsequenzen hätte, während die Vollziehung für den Betroffenen nur mit marginalen und zudem leicht behebbaren Nachteilen verbunden ist. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis ist durch die Ausgestaltung des § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO als Soll-Vorschrift – nicht als bloße Kann-

128

B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

Vorschrift, nicht als zwingende Muss-Vorschrift – adäquat erfasst. Insofern bildet die erste Alternative für sich allein betrachtet eine sinnvolle Regelung. (2) Alternative der „unbilligen Härte“ problematisch Das lässt sich von der zweiten Alternative so nicht unbedingt sagen393. Die Aussetzung erfolgt hiernach aufgrund der besonders schweren Konsequenzen der Vollziehung. Warum allerdings derartige Folgen regelmäßig einen Aussetzungsgrund darstellen sollen, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Wenn der angegriffene Verwaltungsakt rechtmäßig ist, sind die durch seine Vollziehung entstehenden Nachteile – mögen sie noch so einschneidend und irreparabel sein – grundsätzlich hinzunehmen394. Wenn zudem die Rechtmäßigkeit zweifelsfrei und unbestreitbar zu Tage liegt und der Hauptsacherechtsbehelf damit ganz offenkundig nicht zum Erfolg führen kann, dann kann auch aus Gründen des vorläufigen Rechtsschutzes kein Anlass bestehen, die Vollziehung auszusetzen395. Die Aussetzung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts trägt vielmehr einen Billigkeitscharakter und läuft auf eine Art Stundung hinaus396. Begreift man indessen die Aussetzung als Rechtsschutzinstrument, so kann sie nicht völlig unabhängig von der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache sein397, 398. Im übrigen kann hier, anders als bei der ersten Alternative, keine Lösung darüber gefunden werden, dass es sich um eine nicht-zwingende Soll-Vorschrift handelt. Zwar lässt sich der Gedanke der unterschiedlichen Gewichtung der beiden Grundfaktoren übertragen: Wenn die Vollziehung besonders gravierende Folgen hat, kommt der Rechtmäßigkeitsprüfung insofern weniger Bedeutung zu, als bereits (sehr) geringe Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts seine 393  Vgl. 394  Zur

Papier, StuW 1978, 332 [340 f.]. Möglichkeit einer Billigkeitskorrektur bei Steuerfestsetzungen siehe

§ 163 AO. 395  Vgl. Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 298; Timmler, Maßstab und Rechtsnatur der Aussetzungsentscheidung (1993), 85. 396  Vgl. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), 204 f. 397  Timmler, Maßstab und Rechtsnatur der Aussetzungsentscheidung (1993), 85. 398  Dementsprechend kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine Vollziehungsaussetzung wegen unbilliger Härte nur dann in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht ausgeschlossen werden können (BFH v. 2. April 2009, Az.  II B 157 / 08, BFH / NV 2009, 1146 [juris-Rn. 16]; BFH v. 2.  November 2004, Az.  XI S 15 / 04, BFH / NV 2005, 490 [juris-Rn. 18]; BFH v. 19.  April 1968, Az.  IV B 3 / 66, BFHE 92, 314 [Ls. 3, 319]; siehe auch BVerfG v. 11. Oktober 2010, Az. 2 BvR 1710 / 10, NVwZ-RR 2011, 305 [juris-Rn.  20 ff.]).



II. Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung129

Aussetzung rechtfertigen. Aber es besteht kein Regel-Ausnahme-Verhältnis dergestalt, dass regelmäßig die Rechtmäßigkeit zweifelhaft ist und offenkundig aussichtslose Rechtsbehelfe die Ausnahme bilden. Vielmehr werden nicht selten offensichtlich rechtmäßige Verwaltungsakte angefochten, oftmals – gewissermaßen aus der „Not der Verzweiflung“ heraus – insbesondere dann, wenn sie für den Betroffenen besonders schwerwiegende und irreparable Konsequenzen mit sich bringen. Vor dem Hintergrund all dessen erscheint der Aussetzungsgrund der unbilligen Härte nicht unproblematisch399. (3) Normstruktur Unabhängig davon stellt sich allgemein die „Oder“-Struktur der Vorschrift insofern als etwas unglücklich dar, als der Eindruck entstehen kann, die Faktoren der Rechtmäßigkeitskontrolle und der Folgenbetrachtung stünden alternativ nebeneinander. Sie werden aber generell beide relevant. bb) „Und“ in Art. L521-1 Abs. 1 CJA Das bringt im französischen Recht die „Und“-Struktur in Art. L521-1 Abs. 1 CJA zum Ausdruck, wonach die Anordnungsvoraussetzungen beim référé-suspension kumulativ erfüllt sein müssen. Was den grundsätzlichen Normaufbau angeht, entspricht das besser als die „Oder“-Verknüpfung in § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO dem Verhältnis, in dem die beiden Grundfaktoren Rechtmäßigkeitskontrolle und Folgenbetrachtung zueinander stehen. cc) Variable Gewichtung, Interdependenzen Allerdings erweist sich bei Art. L521-1 Abs. 1 CJA als problematisch, dass nach seiner Systematik die Anordnungsvoraussetzungen als unabhängig voneinander erscheinen dergestalt, dass zwar beide Bedingungen kumulativ vorliegen müssen, sie aber grundsätzlich jede für sich allein getrennt zu beurteilen sind. Danach kommt es für die Frage der Eilbedürftigkeit nicht 399  Die Thematik ist vielschichtig und wird hier nicht vertieft. Vgl. nur Timmler, Maßstab und Rechtsnatur der Aussetzungsentscheidung (1993), 83 ff.; Schoch /  Schneider / Bier / Schoch, § 80 Rn. 293 ff.; Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz (1988), 1301 ff.; BFH v. 19.  April 1968, Az.  IV B 3 / 66, BFHE 92, 314 [318 f.]; Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), 203 ff.; Papier, StuW 1978, 332 [340 f.]; Birk, FS Menger (1985), 161 [163]; Messmer, BB 1966, 692 [696 f.]; Dietz, Voraussetzungen der gerichtlichen Vollziehungsanordnung nach § 69 FGO (1971), 101 ff.

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

darauf an, ob ein ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts besteht. Und umgekehrt ist die Frage des ernstlichen Zweifels an der Rechtmäßigkeit losgelöst von der Eilbedürftigkeit. Es erscheint jedoch geboten, die Voraussetzungen variabel so miteinander zu verknüpfen, dass die spezielle Ausprägung der einen die Anforderungen, die an die andere gestellt werden, beeinflussen kann. Wenn beispielsweise der angegriffene Verwaltungsakt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist, müssen grundsätzlich geringere Nachteile des Betroffenen für die Aussetzung ausreichen als bei einem niedrigeren Zweifelsgrad. Und wenn umgekehrt besonders einschneidende und irreparable Nachteile durch die Vollziehung drohen, müssen die Mindestanforderungen hinsichtlich des Zweifelsgrads abgesenkt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Bestimmung starrer Grenzwerte als nicht angebracht. Beim Begriff der „ernstlichen Zweifel“ im Sinne von § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO mag es angesichts dessen, dass dieser Maßstab nicht abschließend ist, noch angehen, eine feste Schwelle zugrundezulegen400. Beim „ernstlichen Zweifel“ im Sinne von Art. L521-1 Abs. 1 CJA ist das nach dem vorstehend Gesagten nicht sinnvoll. Überdies kann die beim référé-suspension nach der Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement vorzunehmende Gesamtbetrachtung der Eilbedürftigkeit der Aussetzung und der Eilbedürftigkeit der Vollziehung401 nach hier vertretener Auffassung nicht unabhängig von Rechtmäßigkeitserwägungen sein402. Bei der Interessenabwägung zwischen Aussetzungs- und Vollziehungsinteresse bildet die Frage der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts vielmehr einen entscheidenden Abwägungsfaktor. Wie soll etwa die Vollziehung eines offensichtlich und endgültig materiell rechtswidrigen Verwaltungsakts dringlicher sein können als seine Aussetzung? Insgesamt wird deutlich: Die Faktoren der Aussetzungsentscheidung können nicht isoliert voneinander, sondern nur im Zusammenspiel gesehen werden. Viele verschiedene Aspekte können eine Rolle spielen und die möglichen Interdependenzen sind mannigfaltig. Nach alledem stellt sich die Wortkargheit des § 80 Abs. 5 VwGO, der die inhaltlichen Kriterien für die gerichtliche Aussetzungsentscheidung schlichtweg überhaupt nicht benennt, fast schon als seine Stärke dar. Die gesetzliche Struktur des Art. L521-1 Abs. 1 CJA mit den beiden getrennten expliziten Anordnungsvoraussetzungen kann hingegen den Eindruck vermitteln, 400  Zu

den verschiedenen Ansichten oben sub 2. b) aa), S. 118 f. oben sub 1. a) cc) (2), S. 103 ff. 402  Vgl. auch Chrétien, RFDA 2007, 38 [41 ff.]. 401  Ausführlich

117



III. Resümee131

dass diese voneinander unabhängig seien, was aus den genannten Gründen nicht sachgerecht erscheint. Freilich steht der Wortlaut des Art. L521-1 Abs. 1 CJA einem die Interdependenzen berücksichtigenden, variablen Verständnis in der praktischen Anwendung aber auch nicht unbedingt entgegen.

III. Resümee Die Untersuchung der Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten in Frankreich und Deutschland hat gezeigt, dass sich insbesondere das französische Recht in diesem Bereich in letzter Zeit gewandelt und auf die deutsche Individualrechtsschutzkonzeption zubewegt hat. Davon zeugt die umfassende Aufwertung des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens im Übergang vom sursis à exécution zum référé-suspension durch die französische Grundsatzreform aus dem Jahr 2000. Bemerkenswert ist dabei, wie hier die Rechtsentwicklung durch ein starkes gesetzgeberisches Signal der Legislative, vorbereitet durch die beim Conseil d’État eingesetzte Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren, vorangetrieben worden ist. In Rechtsprechung und Schrifttum hat die Gesetzesreform eine Entwicklungsdynamik ausgelöst bzw. forciert. Was die materiellen Anordnungsvoraussetzungen für die gerichtliche Aussetzung betrifft, markiert nach der Gesetzesreform vor allem die Grundsatzentscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement, mit der der Conseil d’État durch die „objektive und globale“ Gesamtbetrachtung der Eilbedürftigkeit eine Interessenabwägung im Rahmen der Aussetzungsentscheidung etabliert hat, eine wichtige Wegmarke. Die materiellen Entscheidungskriterien Rechtmäßigkeitsprüfung und Folgenbetrachtung sind in Frankreich und in Deutschland dieselben, wobei die französische Regelung in Art. L521-1 CJA mit geschriebenen Anordnungsvoraussetzungen zwar im Hinblick auf das Gebot der Gesetzesbestimmtheit dem ungeschriebenen Maßstab des § 80 Abs. 5 VwGO vorzugswürdig erscheint, letzterer aber flexibler fortentwickelt werden kann. Es erscheint im übrigen sachgerecht, die Faktoren der Aussetzungsentscheidung im Rahmen eines beweglichen Systems variabel miteinander zu verknüpfen. Im Ergebnis ist der Rechtsschutzstandard betreffend die Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten in Frankreich und in Deutschland inzwischen deutlich angenähert. In diesem Zusammenhang ist der Blick auf den Sicherungserfolg und nicht auf die Sicherungstechnik maßgeblich. Insofern sind auseinanderzuhalten einerseits die formalstrukturelle gesetzliche Ausgangslage hinsichtlich des Suspensiveffekts von Rechtsbehelfen und andererseits dessen tatsächliche Gewährung im Ergebnis. Vor diesem Hintergrund verliert der prima facie grundlegende Unterschied, dass in Deutschland nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO Widerspruch und Anfechtungsklage formalstrukturell-

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B. Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten

grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben, während in Frankreich nach Art. L4  CJA Rechtsbehelfe formalstrukturell-grundsätzlich keinen Suspensiveffekt entfalten, bei näherer Betrachtung entscheidend an Gewicht und tritt in den Hintergrund. Der Rechtsschutzerfolg kann effektiv nicht nur über eine gesetzliche Suspensivautomatik, sondern ebenso auch über eine gerichtliche Aussetzungsanordnung im einstweiligen Verfahren erreicht werden. Daher sind beide Regelungsmodelle mit dem Gebot der Rechtsschutzeffektivität vereinbar und aus verfassungsrechtlicher Perspektive prinzipiell gleichwertig, solange nur „unter dem Strich“ wirksamer Rechtsschutz gewährleistet ist. Die gesetzlichen Ausnahmen in den beiden Ländern zu den jeweiligen in § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO und Art. L4  CJA geregelten formalstrukturellen Grundsätzen stellen eine für die Rechtsvergleichung und die Beobachtung von Annäherungsprozessen interessante Schnittstelle der beiden Regelungsmodelle dar. Auf dieser Ebene hat sich das deutsche Recht durch extensive Ausweitung der gesetzlichen Ausnahmen zu § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO stärker an das französische Recht angenähert als umgekehrt. Regelmäßig ist die Entscheidung für oder gegen den gesetzlichen automatischen Suspensiv­ effekt nicht schon aus materiellrechtlichen Gesichtspunkten prädestiniert und weder die automatische aufschiebende Wirkung noch deren Ausschluss „der Sache nach“ zwingend. Das wird insbesondere dort deutlich, wo es zu Überkreuzungen der französischen und deutschen gesetzlichen Ausnahmen kommt. Hinsichtlich der Rechtsangleichung weitaus größere Bedeutung als die auf der Ebene des gesetzlichen Ausschlusses des automatischen Suspensiveffekts zu beobachtende Annäherung des deutschen Systems an das französische haben die mit der Abschaffung des sursis à exécution und Einführung des référé-suspension verbundenen grundlegenden materiellen Veränderungen im französischen Recht hin zum Individualrechtsschutzverständnis. Hier kommt ein bis an die Grundkonzeption der Verwaltungsgerichtsbarkeit reichender Systemwandel in Richtung der deutschen Konzeption zum Ausdruck, angesichts dessen insgesamt hinsichtlich der Frage der Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten eine deutlich stärkere und tiefer gehende Annäherung des französischen an das deutsche Recht als umgekehrt festzustellen ist. Interessant ist, dass trotz der starken Annäherung an das deutsche Rechtsschutzverständnis der französische Reformgesetzgeber nicht den automatischen Suspensiveffekt als formalstrukturellen Grundsatz eingeführt hat403. 403  Vgl. dazu Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [945 f.]; Labetoulle, Nouveau juge administratif des référés (2002), 15 [19]; Garrido, Argument de droit comparé (2007), 321 [329 f.].



III. Resümee133

Auch im deutschen Rechtssystem erscheint § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht als sakrosant und kann durchaus über seine Abschaffung nachgedacht werden404, zumal ohnehin bereits in ganz beträchtlichem Umfang gesetzliche Ausnahmen existieren. Wenn freilich das Verfassungsgebot des effektiven Rechtsschutzes den Suspensiveffekt im Ergebnis regelmäßig erforderte, spräche dies dafür, auch bereits formalstrukturell als gesetzlichen Grundsatz eine Suspensivautomatik vorzusehen. Allerdings stößt das Postulat vom Suspensiveffekt als Regelfall bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung an Grenzen, da ein solcher Grundsatz eine ungerechtfertigte einseitige Priveligierung des durch den Verwaltungsakt Belasteten auf Kosten des Begünstigten bedeutete. Und im zweiseitigen Verwaltungsrechtsverhältnis ist der Suspensiveffekt zwar ein zentrales Gegengewicht zu der sich aus dem Selbsttitulierungsrecht ergebenden prozessualen Überlegenheit der Verwaltung gegenüber dem Bürger und in vielen Konstellationen zur effektiven Rechtsschutzgewährung erforderlich, hat die Titelfunktion des Verwaltungsakts indessen aber auch ihren guten Sinn und darf neben dem Aussetzungsinteresse des durch den Verwaltungsakt Belasteten das öffentliche Interesse an seiner Umsetzung nicht aus dem Blick geraten. Im übrigen besteht bei ganz offensichtlich aussichtslosen und rechtsmissbräuchlichen Klagen von vornherein kein Anlass für eine Aussetzung. Nach alledem erscheint es als problematisch, hinsichtlich des Suspensiveffekts ein allgemeines RegelAusnahme-Verhältnis aufzustellen.

404  Vgl. etwa auch Haibach, DÖV 1996, 60; Busch, DÖV 1983, 623; Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (1996), 116 ff.; Pöcker, Rechtsfolgen der Einlegung von Widerspruch und Anfechtungsklage (2001).

C. Einstweilige Anordnungen Außer der Vollziehungsaussetzung von Verwaltungsakten bzw. darüber hinaus können im einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren weitere einstweilige Anordnungen ergehen. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass auch die Aussetzungsanordnung eine einstweilige Anordnung darstellt1. Sie ist eine an die Verwaltung gerichtete Unterlassungsanordnung (injonction de ne pas faire) in Bezug auf die Vollziehung eines Verwaltungsakts und dessen rechtliche Konsequenzen. Einstweilige Unterlassungsanordnungen können aber auch in anderen Konstellationen relevant werden, in denen kein Verwaltungsakt vorliegt. Und ferner besteht die Möglichkeit von einstweiligen Handlungsanordnungen (injonctions de faire)2. Mit diesen Arten von Anordnungen beschäftigt sich der folgende Teil der Untersuchung. Zuerst wird das französische Recht behandelt (sub I.). Sodann wird auf die deutsche Rechtslage eingegangen (sub II.). Anschließend erfolgt eine Gegenüberstellung (sub III.).

I. Frankreich In Frankreich ermöglichen als allgemeine einstweilige Verfahren der référé-suspension, der référé-liberté und der référé-mesures-utiles den Erlass einstweiliger Anordnungen. 1. Im Wege des référé-suspension Die einstweiligen Aussetzungsanordnungen bezüglich der Vollziehung von Verwaltungsakten im Wege des référé-suspension sind bereits im vorstehenden Kapitel B. erörtert worden. Die Anordnungsmöglichkeiten des référé-suspension beschränken sich allerdings nicht auf Unterlassungen, sondern im Rahmen dieses Verfahrens kann auch die Vornahme von Handlungen angeordnet werden. Das überrascht – insbesondere aus deutscher Perspektive – zunächst, da man a priori allgemein mit einem Aussetzungs1  Insofern ist die Kapitelüberschrift „Einstweilige Anordnungen“ streng betrachtet etwas unpräzise, da auch bereits im vorhergehenden Kapitel B. mit den Aussetzungsanordnungen einstweilige Anordnungen behandelt worden sind. 2  Vgl. zum Begriffspaar injonction de faire – injonction de ne pas faire etwa Guyomar / Collin, AJDA 2001, 146 [146].



I. Frankreich135

verfahren (référé-s u s p e n s i o n ) nicht den Erlass von Handlungsanordnungen in Verbindung bringt. Der Begriff der Aussetzung scheint sich vielmehr lediglich auf Unterlassungspflichten zu beziehen, Handlungspflichten scheinen dazu nicht zu passen. Dementsprechend scheint eine Aussetzung nur bei Verwaltungsakten möglich zu sein, die eine Handlung zum Gegenstand haben, deren Vornahme durch die Aussetzung einstweilen suspendiert werden kann. Das betrifft vor allem belastende Eingriffsverwaltungsakte wie beispielsweise Polizeiverfügungen. Außerdem kommen stattgebende begünstigende Verwaltungsakte mit belastender Drittwirkung für eine Aussetzung in Frage wie beispielsweise Baugenehmigungen. Diese Arten von Verwaltungsakten sind nach der französischen Terminologie sogenannte décisions positives. Demgegenüber werden Verwaltungsakte, durch die ein Antrag auf Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts abgelehnt wird, als décisions négatives oder auch als décisions de rejet bezeichnet. Bei solchen ablehnenden Verwaltungsakten scheint eine Aussetzung von vornherein keinen Sinn zu ergeben, da keine Unterlassung, sondern umgekehrt gerade eine Handlung bzw. die Ermächtigung zur Vornahme einer Handlung begehrt wird. a) Ablehnende Verwaltungsakte Im Gesetz sind aber ablehnende Verwaltungsakte explizit als Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Aussetzung genannt. Gemäß Art. L521-1 Abs. 1 CJA kann der référé-Richter die Aussetzung der Vollziehung einer „décision administrative, même de rejet“ anordnen. An dieser Stelle kommt, wie im Folgenden ausgeführt wird, im Rahmen der einstweiligen Verfahren eine den französischen Verwaltungsgerichtsprozess insgesamt betreffende umwälzende Veränderung zum Ausdruck. aa) Früher: Grundsätzlich nicht möglich (Entscheidung Amoros) In der im Jahr 1970 ergangenen Grundsatzentscheidung Amoros hatte der Conseil d’État die Möglichkeit einer Aussetzung von Ablehnungsentscheidungen noch grundsätzlich verneint3. Das Verwaltungsgericht Marseille hatte den sursis à exécution von Verwaltungsakten angeordnet, mit denen die Erstellung einer Rangliste von Medizinstudenten und die Mitteilung ihrer Noten abgelehnt worden waren. 3  CE

v. 23. Januar 1970, Amoros, Az. 77861, Rec. Leb. 1970, 51.

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C. Einstweilige Anordnungen

Der Conseil d’État hob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf. Zur Begründung führte er aus: Der Verwaltungsrichter habe keine Befugnis dazu, der Verwaltung Anordnungen (injonctions) zu erteilen. Daher könnten die Verwaltungsgerichte und der Conseil d’État grundsätzlich nur die Aussetzung anordnen, wenn der angegriffene Verwaltungsakt vollziehbar (exécutoire) sei. Dagegen hätten sie nicht die Befugnis, die Aussetzung einer Ablehnungsentscheidung anzuordnen, außer in dem Fall, in dem deren Aufrechterhaltung eine Veränderung eines rechtlichen oder tatsächlichen Zustands zur Folge hätte. Die Aufrechterhaltung der Ablehnung der Ranglistenerstellung und der Notenmitteilung führe zu keiner solchen Veränderung bei den Betroffenen4. Danach gab es zwei zusammenhängende Grundlagen für das grundsätzliche Verbot der Aussetzung von ablehnenden Verwaltungsakten5: Zum einen wurde es aus einem Weisungsverbot für die Verwaltungsgerichte gegenüber der Exekutive6 abgeleitet. Damit die Aussetzung eines Ablehnungsbescheids überhaupt Sinn machen und eine Wirkung entfalten kann, muss sie mit einer Handlungsanordnung verbunden werden. Denn durch ein bloßes Unterlassen ist für den Antragsteller, der eine Handlung bzw. die Ermächtigung dazu verlangt, noch nichts gewonnen. Bleibt die Verwaltung nach der Aussetzung der Ablehnungsentscheidung untätig, ist die Situation für ihn so, als gelte die Ablehnung unverändert fort. Es ist also eine an die Verwaltung gerichtete Handlungsanordnung notwendig. Wenn man nun annimmt, dass den Verwaltungsgerichten die Erteilung solaus der Entscheidung Amoros lautet: juge administratif n’a pas qualité pour adresser des injonctions à l’administration; que les Tribunaux administratifs et le Conseil d’Etat ne peuvent donc, en principe, ordonner le sursis à l’exécution d’une décision qui leur est déférée que si cette décision est exécutoire; qu’en revanche ils n’ont pas le pouvoir d’ordonner qu’il sera sursis à l’exécution d’une décision de rejet sauf dans le cas où le maintien de cette décision entraînerait une modification dans une situation de droit ou de fait telle qu’elle existait antérieurement; que le maintien de la décision du médecin inspecteur régional de la santé refusant de classer les étudiants en médecine susceptibles d’être nommés externes au titre de l’année 1968 et de la décision du doyen de la Faculté de médecine de Marseille refusant aux intéressés communication de leurs notes n’entraînerait aucune modification dans la situation de droit ou de fait des intéressés; qu’ainsi c’est à tort que, par le jugement attaqué, le Tribunal administratif de Marseille a ordonné le sursis à l’exécution desdites décision[s]“. 5  Vgl. Guyomar / Collin, AJDA 2001, 146 [146 f.]; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 62 f.; Lamy, concl. zu CE v. 20 Dezember 2000, Ouatah, Rec. Leb. 2000, 644 [645 f.]. 6  Vgl. dazu mit umfangreichen Nachweisen Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn.  1085 ff.; Moderne, RFDA 1990, 798. Siehe auch bereits oben sub B. I. 3. a) bb), S. 72. 4  Die betreffende Passage „Considérant […] que le

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I. Frankreich137

cher Anweisungen generell verwehrt ist, scheidet damit auch die Möglichkeit der Aussetzung von Ablehnungsbescheiden aus. Zum anderen wurde die Entscheidung darauf gestützt, dass eine Aussetzung der Vollziehung ablehnender Verwaltungsakte daran scheitere, dass solche Akte von vornherein schon nicht vollziehbar seien. Odent schrieb: „on ne saurait interdire l’exécution d’une décision qui, par sa nature, ne comporterait aucune exécution possible“7. Von dem Aussetzungsverbot waren allerdings nach der Entscheidung Amoros solche Ablehnungsbescheide ausgenommen, die zu einer Veränderung der Sach- oder Rechtslage führten. In Anwendung dieser Ausnahme wurde beispielsweise die Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung ausgesetzt8. bb) Gesetzliche Einführung neuer verwaltungsgerichtlicher Anordnungsbefugnisse im Jahr 1995 Die Begründung des grundsätzlichen Aussetzungsverbots über das Weisungsverbot ist seit 1995 überholt. Durch Gesetz vom 8. Februar 1995 wurde den Verwaltungsgerichten nämlich die Befugnis eingeräumt, ihre Entscheidungen mit ausdrücklichen Handlungsanordnungen an die Verwaltung zu verbinden9, 10, 11. Diese Anordnungen dienen der Vollziehung der Gerichtsentscheidung12, 13. Sie können auf eine bestimmte Vollzugsmaßnahme (mesure d’exécution dans un sens déterminé)14 oder auf eine Neubescheidung15 gerichtet sein. Die Verwaltungsgerichte können die Verwaltung 7  Odent, Contentieux administratif (1981), 1162 (im Nachdruck von 2007 Bd. 1, 925). 8  CE v. 9. März 1990, Pawlowski, Az.  104410, LexisNexis. 9  Art. 62, 77 Gesetz Nr. 95-125 v. 8. Februar 1995, JORF v. 9. Februar 1995, 2182, 2183. Aktuell Art. L911-1 f. CJA. 10  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1092 ff.; Maugüé, FS Labetoulle (2007), 591; Arrighi de Casanova, FS Labetoulle (2007), 11; Charles, DA April 2005, 10; Broyelle, DA März 2004, 8; Lay, RDP 2004, 1355; Moderne, RFDA 1996, 43; Moderne, FS Chabanol (2009), 89; Woehrling, LPA 24. Mai 1995, Nr. 62, 18; Mouzouraki, Efficacité (1999); Debbasch, JCP 1996, I-3924, Nr. 16, 161; Gabolde, DA November 1995, 1; Costa, Rev. adm. 1999, SN 8, 132; Koch, NVwZ 1998, 1259 [1260 ff.]. 11  Siehe auch bereits oben sub B. I. 3. a) cc), S. 74 f. 12  Vgl. Koch, NVwZ 1998, 1259 [1261  f.]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1092. 13  Ausführlich dazu unten sub ee) (1), S. 141 ff. 14  Aktuell Art. L911-1  CJA. 15  Aktuell Art. L911-2  CJA. 72

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nunmehr also etwa ausdrücklich dazu verpflichten, eine beantragte Genehmigung zu erteilen oder über den Antrag erneut zu entscheiden. Vor dem Hintergrund des klassischen französischen Gewaltenteilungsverständnisses und Rollenbildes des Verwaltungsrichters16 bedeutet die Einführung derartiger richterlicher Anordnungsbefugnisse eine grundlegende Neuerung. Ebenso wie die Reform der einstweiligen Verfahren im Jahr 2000 bildet das Gesetz vom 8. Februar 1995 daher einen nicht zu unterschätzenden Einschnitt in der Geschichte des französischen Verwaltungsprozessrechts. Arrighi de Casanova spricht von einem „tournant essentiel dans l’office du juge“17. Und mit den Worten von Chapus: „Il n’est pas douteux que, avec la loi du 8 février 1995, une page de l’histoire du régime du contentieux administratif a été tournée.“18. Bezogen auf die Frage der einstweiligen Aussetzung von ablehnenden Verwaltungsakten fiel mit der gesetzlichen Einführung der neuen Anordnungsbefugnisse die erste Argumentationsgrundlage aus der Entscheidung Amoros weg19. Dementsprechend stellte der Conseil d’État in der Folgezeit für das grundsätzliche Fehlen einer Aussetzungsmöglichkeit bei Ablehnungsbescheiden nicht mehr auf das Weisungsverbot ab20. cc) Gesetzgebungsverfahren zu Art. L521-1 Abs. 1 CJA Unter dem Eindruck des Gesetzes von 1995 bestand, soweit ersichtlich, bei der Ausarbeitung der Reform der einstweiligen Verfahren weitgehend Einigkeit darüber, dass der neue référé-suspension allgemein auf ablehnende Verwaltungsakte anwendbar sein sollte21. Der in erster Lesung von der Na16  Siehe

oben sub B. I. 3. a) bb), S. 72. de Casanova, FS Labetoulle (2007), 11 [12]. 18  Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1092. 19  Guyomar / Collin, AJDA 2001, 146 [147]. 20  Vgl. CE v. 21. Februar 1996, Feguiri, Az. 169113, LexisNexis; CE v. 23. September 1998, Salmouni Zerhouni, Az. 170101, LexisNexis; Guyomar / Collin, AJDA 2001, 146 [147]; Lamy, concl. zu CE v. 20 Dezember 2000, Ouatah, Rec. Leb. 2000, 644 [646]. In den beiden genannten Entscheidungen wird das grundsätzliche Aussetzungsverbot nicht näher begründet. 21  Vgl. Labetoulle, Nouveau juge administratif des référés (2002), 15 [19  f.]; Nationalversammlung, 11. Legislaturperiode, Bericht Nr. 2002 von François Colcombet v. 8.  Dezember 1999, 37 f., abrufbar unter http: /  / www.assemblee-nationale. fr / 11 / pdf / rapports / r2002.pdf (Seitenaufruf 3.  März 2013); Senat, Sitzungsperiode 1999 / 2000, Bericht Nr. 210 von René Garrec v. 9. Februar 2000, 16 f., abrufbar unter http: /  / www.senat.fr / rap / l99-210 / l99-2101.pdf (Seitenaufruf 3.  März 2013); Nationalversammlung, 11. Legislaturperiode, Bericht Nr. 2302 von François Colcombet v. 29.  März 2000, 8, abrufbar unter http: /  / www.assemblee-nationale.fr / 11 /  pdf / rapports / r2302.pdf (Seitenaufruf 3.  März 2013). 17  Arrighi

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tionalversammlung nach ablehnender Stellungnahme (avis défavorable) der Regierung22 eingefügte Passus „même de rejet“23 wurde vom Senat gebilligt24. Ausdrücklich wird in den Materialien auch die Rechtsprechung Amoros erwähnt, die nach dem Willen des Gesetzgebers beim référé-suspension nicht fortgeführt werden sollte25. dd) Entscheidung Ouatah Noch unter dem Regime des alten sursis à exécution gab auch der Conseil d’État in der im Dezember 2000 ergangenen Entscheidung Ouatah die Rechtsprechung Amoros auf26. Der französische Generalkonsul in Tunis hatte die Erteilung eines Visums an Herrn Ouatah, einen tunesischen Staatsangehörigen, abgelehnt. Herr Ouatah beantragte die Aussetzung dieser Entscheidung. Der Conseil d’État lehnte den Antrag zwar ab, stützte dies aber nicht mehr auf eine grundsätzlich fehlende Aussetzungsmöglichkeit bei Ablehnungsbescheiden. Vielmehr führte er in den Entscheidungsgründen aus: Der Verwaltungsrichter könne auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung eines ablehnenden Verwaltungsakts anordnen, wenn diese Vollziehung einen schwer reparablen Nachteil verursachen würde und wenigstens einer der geltend gemachten Klagegründe bei derzeitigem Verfahrensstand zu rechtfertigen scheine, dass das Gericht im Hauptsacheverfahren nicht nur den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebe, sondern zudem an die Behörde eine der durch das Gesetz vom 8. Februar 22  Vgl. Senat, Sitzungsperiode 1999 / 2000, Bericht Nr. 210 von René Garrec v. 9.  Februar 2000, 16, abrufbar unter http: /  / www.senat.fr / rap / l99-210 / l99-2101.pdf (Seitenaufruf 3. März 2013). 23  Nationalversammlung, 11. Legislaturperiode, Bericht Nr. 2002 von François Colcombet v. 8.  Dezember 1999, 37 f., 74, abrufbar unter http: /  / www.assembleenationale.fr / 11 / pdf / rapports / r2002.pdf (Seitenaufruf 3.  März 2013); Nationalversammlung, 11. Legislaturperiode, Text Nr. 412 v. 14 Dezember 1999, Art. 3 Abs. 1, abrufbar unter http: /  / www.assemblee-natio­nale.fr / legislatures / 11 / pdf / ta / ta0412.pdf (Seitenaufruf 3. März 2013). 24  Senat, Sitzungsperiode 1999 / 2000, Bericht Nr. 210 von René Garrec v. 9. Februar 2000, 16 f., 31, abrufbar unter http: /  / www.senat.fr / rap / l99-210 / l99-2101.pdf (Seitenaufruf 3. März 2013); Senat, Sitzungsperiode 1999 / 2000, Text Nr. 89 v. 22.  Februar 2000, Art. 3 Abs. 1, abrufbar unter http: /  / www.senat.fr / leg / tas99-089. html (Seitenaufruf 3. März 2013). 25  Vgl. Senat, Sitzungsperiode 1999 / 2000, Bericht Nr. 210 von René Garrec v. 9.  Februar 2000, 16, abrufbar unter http: /  / www.senat.fr / rap / l99-210 / l99-2101.pdf (Seitenaufruf 3. März 2013); Nationalversammlung, 11. Legislaturperiode, Bericht Nr. 2002 von François Colcombet v. 8.  Dezember 1999, 34, 37 f., abrufbar unter http: /  / www.assemblee-nationale.fr / 11 / pdf / rapports / r2002.pdf (Seitenaufruf 3. März 2013). 26  CE v. 20. Dezember 2000, Ouatah, Az.  206745, Rec. Leb. 2000, 643.

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1995 eingeführten Handlungsanordnungen richte. Seien diese Voraussetzungen erfüllt, obliege es dem Richter, dem Ausspruch der Aussetzung die Angabe der der Verwaltung daraus erwachsenden Verpflichtungen beizufügen. Diese könnten darin bestehen, den Antrag innerhalb einer bestimmten Frist erneut zu prüfen oder jede vom Richter unter Berücksichtigung des Streitgegenstands, des einschlägigen Klagegrunds und der Eilbedürftigkeit angeordnete nützliche Sicherungsmaßnahme vorzunehmen. Durch den Ablehnungsbescheid des Generalkonsuls drohe allerdings für Herrn Ouatah kein schwer reparabler Nachteil und er bringe keinen Klagegrund vor, der eine Aufhebung des Ablehnungsbescheids rechtfertigen könnte27. Demzufolge sind nun alle Arten von Ablehnungsbescheiden aussetzungsfähig und nicht länger bloß solche, die zu einer Veränderung der Sach- oder Rechtslage führen. Diese Rechtsprechungsänderung ist maßgeblich durch das Gesetz vom 8. Februar 1995 beeinflusst, auf das in den Entscheidungsgründen auch ausdrücklich Bezug genommen wird. Was die Bedingungen für die Aussetzung betrifft, werden die klassischen Voraussetzungen des sursis à exécution – schwer reparabler Nachteil28 und ernstlicher Klagegrund29 – mit denen für den Erlass einer Handlungsanordnung kombiniert30. Der Klagegrund muss in der Hauptsache über die 27  Die betreffende Passage aus der Entscheidung Ouatah lautet:  „Considérant que le juge administratif, saisi de conclusions en ce

sens, peut ordonner qu’il soit sursis à l’exécution d’une décision de rejet d’une demande si, d’une part, cette exécution est de nature à causer un préjudice difficilement réparable et si, d’autre part, l’un au moins des moyens invoqués paraît, en l’état de l’instruction, de nature à justifier que le juge saisi du principal, non seulement annule cette décision, mais aussi adresse à l’autorité administrative qui l’a prise l’une des injonctions prévues par les dispositions que la loi du 8 février 1995 a introduites tant à l’article 6-1 de la loi du 16 juillet 1980 qu’aux articles L. 8-2 et L. 8-3 du code des tribunaux administratifs et des cours administratives d’appel; que, si ces conditions sont remplies, il lui appartient – après avoir mentionné avec précision le ou les moyens qu’il a retenus – d’assortir le prononcé du sursis de l’indication des obligations qui en découleront pour l’administration et qui pourront consister à réexaminer la demande dans un délai déterminé ou, le cas échéant, à prendre toute mesure conservatoire utile prescrite par le juge compte tenu de l’objet du litige, du moyen retenu et de l’urgence; Considérant, toutefois, que le refus du consul général de France à Tunis de délivrer un visa à M. Ouatah n’est pas, dans les circonstances de l’espèce, de nature à lui causer un préjudice difficilement réparable et que celui-ci n’invoque, en particulier en ce qui concerne l’atteinte que la décision contestée porterait à son droit à une vie familiale normale, aucun moyen de nature à justifier, en l’état de l’instruction, l’annulation de cette décision; que, dès lors, et en tout état de cause, ses conclusions ne peuvent pas être accueillies“. 28  Siehe oben sub B. II. 1. a) aa), S. 99 f. 29  Siehe oben sub B. II. 1. b) aa), S. 113 f. 30  Guyomar / Collin, AJDA 2001, 146 [147].



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Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsakts hinaus eine Weisung an die Verwaltung rechtfertigen können. Ist dies der Fall, kann auch im einstweiligen Verfahren der Ausspruch der Aussetzung mit einer Handlungsanordnung verbunden werden. Die Entscheidung ist wenige Tage vor Inkrattreten der Reform der einstweiligen Verfahren am 1. Januar 2001 noch zum sursis à exécution ergangen. Sie ist aber ohne weiteres auf das Regime des référé-suspension übertragbar31. Der Conseil d’État wollte durch sie den Verwaltungsgerichten den Maßstab für die Aussetzung von ablehnenden Verwaltungsakten an die Hand geben32. ee) Handlungsanordnung als Aussetzungsfolge Die Entscheidung Ouatah enthält letztlich auch allgemein den Schlüssel für das Verständnis der Vollziehungsaussetzung von ablehnenden Verwaltungsakten: Die Aussetzung hat bei diesen nicht eine Unterlassungsanordnung, sondern eine Handlungsanordnung zur Folge. Ohne eine solche würde die Erstreckung des Anwendungsbereichs des référé-suspension (bzw. des sursis à exécution) auf Ablehnungsbescheide auch keinen Sinn ergeben. Aber wie lässt sich diesbezüglich dann überhaupt noch von einem Aussetzungsverfahren sprechen? Mit dem Begriff der Aussetzung verbindet man, wie eingangs gesagt, Unterlassungsanordnungen und keine Handlungsanordnungen. Um nachvollziehen zu können, wie sich die Handlungsanordnungen in das System des Aussetzungsverfahrens einfügen, ist die Rechtsnatur von gerichtlichen Handlungsanordnungen im französischen Verwaltungsprozessrecht zu betrachten. (1) R  echtsnatur gerichtlicher Handlungsanordnungen im französischen Verwaltungsprozessrecht Gesetzliche Regelungen zum Erlass von Handlungsanordnungen in Verbindung mit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung finden sich im CJA in den Art. L911-1 und L911-2. Aus der systematischen Stellung im Gesetz wird deutlich, dass die Handlungsanordnungen danach die Vollzie31  Es sind lediglich die Voraussetzungen des schwer reparablen Nachteils und des ernstlicher Klagegrunds durch die neuen Voraussetzungen des référé-suspension – Eilbedürftigkeit und ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit (siehe oben sub B. II. 1. a), S. 99 ff., und B. II. 1. b), S. 113 ff.) – zu ersetzen. 32  Vgl. Lamy, concl. zu CE v. 20 Dezember 2000, Ouatah, Rec. Leb. 2000, 644 [645].Guyomar / Collin, AJDA 2001, 146 [147]; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 63.

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hung der gerichtlichen Entscheidung betreffen. Die Vorschriften sind im neunten Buch des CJA angesiedelt, welches unter dem Titel „L’exécution des décisions“ Regelungen zur Vollziehung von Gerichtsentscheidungen enthält. Der Wortlaut bestätigt den Bezug zur Vollziehung der gerichtlichen Entscheidung. So heißt es in Art. L911-1 CJA, dass eine „mesure d’exécution“ Gegenstand der Handlungsanordnung ist. Außerdem muss nach den beiden Vorschriften die gerichtliche Entscheidung die angeordnete Handlung notwendig implizieren33. Danach stellt die gerichtliche Handlungsanordnung keine eigenständige Entscheidung dar, sondern sie ergibt sich vielmehr gleichsam automatisch im Hinblick auf die Vollziehung der gerichtlichen Entscheidung. Nach dieser Vorstellung ist der Inhalt der Handlungsanordnung bereits in der (Aufhebungs- bzw. Aussetzungs-)Entscheidung enthalten. Wenn das Gericht seine Entscheidung mit einer ausdrücklichen Handlungsanordnung an die Verwaltung versieht, spricht es letztlich nur die Verpflichtung aus, die ohnehin schon aus der (Aufhebungs- bzw. Aussetzungs-)Entscheidung selbst folgt. Auch wenn keine ausdrückliche Handlungsanordnung erginge, wäre die Verpflichtung für die Verwaltung dieselbe. Nach diesem Verständnis ist die an die Verwaltung gerichtete ausdrückliche Handlungsanordnung demzufolge von ihrer Rechtsnatur her als eine Art klarstellender, erläuternder Annex zur gerichtlichen Entscheidung hinsichtlich deren Vollziehung (en vue de l’exécution de la chose jugée)34 einzuordnen35. sa [scil. des Gerichts] décision implique nécessairement […]“. Contentieux administratif (2008), Rn. 1092. 35  Diese rechtstheoretische Einordnung darf freilich nicht zu der Annahme verleiten, die ausdrücklichen gerichtlichen Handlungsanordnungen an die Verwaltung hätten nur geringe Bedeutung, da durch sie nur ausgesprochen wird, was ohnehin geschuldet ist. Ihre Relevanz in der Rechtspraxis ist vielmehr enorm. Es besteht ein nicht zu unterschätzender Unterschied zwischen einer ausdrücklichen und einer unausgesprochenen Handlungsanordnung. Wenn das Gericht die aus seiner Entscheidung resultierenden Handlungsverpflichtungen nicht konkret benennt, kann deren Inhalt zweifelhaft sein. So kann beispielsweise Streit zwischen den Beteiligten darüber entstehen, ob die Verwaltung nach Aufhebung eines Ablehnungsbescheids zur Genehmigungserteilung oder nur zur Neubescheidung verpflichtet ist. Das ist ausgeschlossen bei einer Anordnung, die schwarz auf weiß mit Erfüllungsfrist in der Entscheidung steht und von vornherein jeglichen Zweifel an ihrem Bestehen und ihrem genauen Inhalt ausschließt. Allgemein entfaltet eine ausdrückliche Handlungsanordnung an die Verwaltung auch eine ganz andere Signalwirkung als eine unausgesprochene. Und nicht zuletzt ergibt sich der Inhalt der ausdrücklichen Anordnung keineswegs immer so zwingend aus der Entscheidung, wie es in den Art. L911-1 und L9112 CJA idealtypisch vorausgesetzt wird (vgl. als Beispiel aus dem Bereich der einst33  „Lorsque 34  Chapus,



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Auf ablehnende Verwaltungsakte angewendet bedeutet das: Die gerichtliche Aufhebung des Ablehnungsbescheids im Hauptsacheverfahren impliziert notwendig die Erteilung der beantragten Genehmigung oder zumindest eine Neubescheidung, so dass eine entsprechende Handlungsanordnung ergeht. In Vollziehung der Aufhebungsentscheidung erteilt die Verwaltung dann die Genehmigung bzw. bescheidet den Antragsteller neu. Entsprechend bezeichnet bei der Aussetzung des Ablehnungsbescheids im einstweiligen Verfahren der Richter in der Handlungsanordnung die aus der Aussetzung resultierenden Verpflichtungen für die Verwaltung36 und bedeutet die Vornahme der angeordneten Maßnahmen die Vollziehung der Aussetzungsentscheidung. Das so beschriebene Verständnis der Handlungsanordnung kommt auch in der Entscheidung Ouatah zum Ausdruck, wo es heißt: „il lui [scil. dem Richter] appartient […] d’assortir le prononcé du sursis de l’indication des obligations qui en découleront pour l’administration“. Unter Zugrundelegung des vorstehend Gesagten wird verständlich, warum sich der Anwendungsbereich des référé-suspension auch auf ablehnende Verwaltungsakte erstreckt und wie die Aussetzung eines solchen Akts zu einer Handlungsanordnung führt. (2) Anordnungsinhalte Was den Inhalt der im Wege des Aussetzungsverfahrens ergehenden Handlungsanordnung angeht, kann nach der Entscheidung Ouatah die Verpflichtung der Verwaltung darin bestehen, eine bestimmte Maßnahme vorzunehmen oder den abgelehnten Antrag innerhalb einer bestimmten Frist neu zu prüfen (réexaminer). Diese Unterscheidung entspricht der in Art. L911-1 und L911-2 CJA. Die Bandbreite der konkreten Maßnahmen, die angeordnet werden können, und der Entscheidungen, die nach Anordnung eines réexamen ergehen können, ist groß. Allerdings können die Anordnungen im einstweiligen Verfahren im Unterschied zum Hauptsacheverfahren generell nur auf vorläufige Maßnahmen gerichtet sein. Nach Art. L511-1 S. 1 CJA haben die Anordnungen im einstweiligen Verfahren provisorischen Charakter. Zu endgültigen Maßnahmen verpflichtende Handlungsanordnungen stünden dazu in Widerspruch. Wenn etwa eine Genehmigungsablehnung ausgesetzt wird und die Aufhebung des Ablehnungsbescheids in der Hauptsache die Verpflichtung zur Genehmigungserteilung zur Folge hätte, kann die mit der weiligen Verfahren nur CE v. 11. Februar 2005, Barre, Az. 276376, Rec. Leb. 2005, 42 [44 f.] – Anordnung der Einfügung eines Hinweises auf einer Internetseite). 36  Zu den Anordnungsinhalten sogleich.

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Aussetzung verbundene Handlungsanordnung lediglich auf eine vorläufige Genehmigungserteilung gerichtet sein37. Oder aus der Aussetzung der Ablehnung eines Kandidaten für eine Unteroffiziersschule der Gendarmerie kann die Anordnung der vorläufigen Zulassung zu der Schule resultieren38. Oder aus der Aussetzung eines Verwaltungsakts, durch den ein Bürgermeister den Erlass einer Baueinstellungsverfügung abgelehnt hat, kann die Verpflichtung für den Bürgermeister resultieren, einen vorläufigen Baustopp anzuordnen39. Auch die Anordnung der Neubescheidung ist nur auf eine bloß vorläufige Entscheidung gerichtet40. Selbstredend bleibt es der Verwaltung indessen unbenommen, ohne den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten über die einstweilige gerichtliche Anordnung hinauszugehen und dem zuvor abgelehnten Antrag abschließend stattzugeben, etwa eine Genehmigung nicht nur vorläufig, sondern endgültig zu erteilen. Dadurch wird dann das Hauptsacheverfahren gegenstandslos. So kann die Verwaltung einer absehbaren gerichtlichen Aufhebung des Ablehnungsbescheids zuvorkommen. Bleibt die Frage, ob in bestimmten Fällen ausnahmsweise endgültige, irreversible Maßnahmen durch das Gericht angeordnet werden können. Diese Frage stellt sich beispielsweise, wenn es um die Genehmigung einer Veranstaltung oder die Zurverfügungstellung einer Stadthalle an einem bestimmten Termin geht. Der Conseil d’État hat in der Entscheidung Association locale pour le culte des Témoins de Jéhovah de Lyon Lafayette aus dem Jahr 2007 entschieden, dass beim référé-liberté41 ausnahmsweise auch die Anordnung von nicht bloß vorläufigen Maßnahmen möglich ist, wenn keine provisorische Maßnahme zum Schutz der betreffenden liberté fondamentale geeignet ist42. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Bürger37  Siehe beispielsweise CE v. 28. Februar 2001, Philippart et Lesage, Az. 230112, 230520, Rec. Leb. 2001, 111 – Betriebserlaubnis für eine Zahnarztpraxis; CE v. 30. April 2009, SARL Vallauris, Az.  322184, LexisNexis – Verlängerung einer Nachtkonzession für eine Diskothek. 38  CE v. 20. Mai 2009, Nougoum, Az. 317098, LexisNexis. 39  CE v. 9. Mai 2001, Delivet et Samzun, Az. 231076, LexisNexis. 40  CE v. 11. August 2005, Baux, Az.  281486, LexisNexis – Versetzung eines Richters an ein Gericht in Übersee; CE v. 26. November 2003, Terlutte, Az. 259120, LexisNexis – Versetzung eines Beamten in den Ruhestand mit sofortiger Rentengewährung; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 346: „En tout cas, si le réexamen est enjoint, c’est en vue d’une décision elle-même provisoire et conservatoire“. 41  Zu diesem Verfahren unten sub 2., S. 146 ff. 42  CE v. 30. März 2007, Association locale pour le culte des Témoins de Jéhovah de Lyon Lafayette, Az.  304053, LexisNexis. Siehe auch CE v. 31. Mai 2007,



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meister von Lyon es abgelehnt, an die örtliche Vereinigung der Zeugen Jehovas eine Stadthalle für eine Veranstaltung zu vermieten. Das Verwaltungsgericht Lyon wies daraufhin den Bürgermeister im Wege des référéliberté an, die Halle oder äquivalente Räumlichkeiten an die Vereinigung zu vermieten. Der Conseil d’État bestätigte diese Entscheidung. Im Rahmen des référé-suspension lässt die Rechtsprechung hingegen, soweit ersichtlich, bislang keine Ausnahmen vom Vorläufigkeitserfordernis zu und werden solche auch nicht diskutiert. Die Frage, die hier nicht weiter untersucht wird, verliert dadurch, dass jedenfalls im Grundrechtsbereich über den référé-liberté Ausnahmen möglich sind, auch an praktischer Bedeutung. ff) Weiter Begriff des vollziehbaren Verwaltungsakts In der Entscheidung Amoros war neben dem Weisungsverbot das zweite Argument gegen eine Aussetzung der Vollziehung von ablehnenden Verwaltungsakten, dass sie schon von vornherein gar nicht vollziehbar seien43. Art. L521-1 Abs. 1 CJA erklärt jedoch nunmehr ausdrücklich die „suspen­ sion de l’exécution“ von Ablehnungsbescheiden allgemein für möglich, danach werden solche Akte also generell als vollziehbar qualifiziert. Das impliziert, dass der Begriff der Vollziehung respektive der Begriff des vollziehbaren Verwaltungsakts (décision administrative exécutoire)44 im Kontext des Aussetzungsverfahrens denkbar weit zu verstehen sind. Versteht man nämlich unter Vollziehung eine – wie auch immer geartete, von wem auch immer vorgenommene – Ausführungshandlung, dann sind Ablehnungsbescheide nicht vollziehbar, da sie bereits per se wirken und keiner Ausführung mehr bedürfen. Selbst wenn man auf das Erfordernis einer Ausführungshandlung verzichtet und jede durch den Verwaltungsakt eintretende Veränderung der Sach- oder Rechtslage ausreichen lässt, sind nur sehr wenige ablehnende Verwaltungsakte erfasst, etwa solche, durch die die Verlängerung einer Genehmigung abgelehnt wird. Regelmäßig ist jedoch mit einem Ablehnungsbescheid keine Veränderung der Sach- oder Rechtslage verbunden. Die beiden vorstehend beschriebenen Begriffsverständnisse sind mithin mit dem Wortlaut des Art. L521-1 Abs. 1 CJA, nach dem allgemein die Vollziehbarkeit von Ablehnungsbescheiden vorausgesetzt wird, nicht vereinbar. Syndicat CFDT Interco 28, Az. 298293, Rec. Leb. 2007, 222; CE v. 9. Juli 2007, Commune du Port, Az.  307046, LexisNexis. 43  Siehe oben sub aa), S. 136 f. 44  Vgl. zu verschiedenen Verständnismöglichkeiten und Bedeutungszusammenhängen dieses Begriffs Darcy, AJDA 1994, 663; Chapus, DAG I (2001), Rn. 672; Rivero, FS Kayser (1979), 379. 135

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Die „Vollziehung“ eines Ablehnungsbescheids geschieht vielmehr regelmäßig ohne Veränderung der Sach- oder Rechtslage durch Unterlassen, beispielsweise dadurch, dass nach Ablehnung einer Baugenehmigungserteilung nicht mit dem Bau begonnen werden kann. Der Begriff des vollziehbaren Verwaltungsakts besagt vor diesem Hintergrund damit letztlich nichts anderes, als dass der Akt wirksam und verbindlich ist. Er bringt lediglich den privilège du préalable der Verwaltung zum Ausdruck, das heißt, dass sie selbsttitulierend bindend entscheiden kann, ohne eine gerichtliche Entscheidung erwirken zu müssen45. b) Décisions positives Wie vorstehend ausgeführt46, muss die Aussetzung von Ablehnungsbescheiden, um überhaupt Wirkung entfalten zu können, zwingend mit Handlungsanordnungen gekoppelt sein. Hingegen erschöpft sich die Aussetzung von décisions positives, zu denen Eingriffsverwaltungsakte und stattgebende begünstigende Verwaltungsakte mit belastender Drittwirkung zählen, in der Regel in Unterlassungsanordnungen. Aber auch hier sind Handlungsanordnungen möglich47. Beispielsweise kann die Aussetzung der Streichung von Sozialhilfe (suppression des droits au bénéfice de l’allocation de solidarité spécifique) mit der Anordnung verbunden sein, die Leistungen vorläufig weiterzugewähren48. Oder bei der Aussetzung einer von der Behörde zur Finanzmarktkontrolle und -regulierung AMF (Autorité des marchés financiers) verhängten und auf ihrer Internetseite veröffentlichten Sanktion kann angeordnet werden, dass die Behörde auf der Internetseite einen Hinweis darauf einfügt, dass die Sanktion ausgesetzt ist49. 2. Im Wege des référé-liberté Neben dem référé-suspension existiert in Frankreich ein eigenes Eil­ verfahren zum Schutz von Grundfreiheiten, der sogenannte référé-liberté50. 45  Vgl. zum Zusammenhang zwischen dem privilège du préalable und dem Begriff des vollziehbaren Verwaltungsakts Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [11 f.]. 46  Sub a) aa), S. 136. 47  Vgl. Guyomar / Seiller, Contentieux administratif (2012), Rn. 438; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1583; Gourdou, FS Douence (2006), 231 [231 f.]. 48  CE v. 27. Juli 2001, Vedel, Az.  232603, Rec. Leb. 2001, 416. 49  CE v. 11. Februar 2005, Barre, Az.  276376, Rec. Leb. 2000, 42 [44 f.]. 135



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Dieser in Art. L521-2 CJA geregelte référé ist im Zuge der großen Reform der einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Jahr 2000 neu geschaffen worden. Im Unterschied zum référé-suspension51 ist er unabhängig von einer Hauptsacheklage52. In prozessualer Hinsicht besonders bemerkenswert ist an diesem Verfahren, dass für das Gericht eine Entscheidungsfrist von nur 48 Stunden vorgesehen ist53, 54. 50

a) Anwendungsbereich aa) Verwaltungshandeln Der référé-liberté setzt, anders als der référé-suspension, nicht das Vorliegen eines Verwaltungsakts voraus55. Sein Anwendungsbereich erstreckt sich vielmehr neben Verwaltungsakten auch auf sämtliche andere Arten des Verwaltungshandelns. So kann über den référé-liberté etwa auch gegen Verwaltungsrealakte vorgegangen werden, ferner kann sowohl aktives Tun als auch Unterlassen angegriffen werden56. Erfasst ist grundsätzlich jede in Ausübung der jeweiligen Befugnisse57 vorgenommene Handlung (Tun oder Unterlassen) einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (personne 50  Auf die Frage der Abrenzung dieses Instituts zu dem der sogenannten voie de fait vor den Zivilgerichten (siehe oben A. Fn. 52) wird hier nicht eingegangen (vgl. dazu Lombard, FS Cohen-Jonathan (2004), 1125; Traoré, DA April 2001, 10; Marchesini, AJDA 2005, 1663; Moutouh, D 1999, Dernière actualité, Nr. 25, 1 [1]; Fouquet-Armand, RRJ 2002, 861 [878 f.]; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 356; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1605 f.; Bachelier, RFDA 2002, 261 [261 f.]). 51  Dieser hat akzessorischen Charakter und steht unter der Voraussetzung der Klageerhebung in der Hauptsache (Art. L521-1 Abs. 1 CJA: „Quand une décision administrative […] fait l’objet d’une requête en annulation ou en réformation“), wobei allerdings die Hauptsacheklage nicht zwingend vor oder mit Anhängigmachung des référé-suspension-Antrags erhoben werden muss, sondern Klageerhebung bis zur Entscheidung über den référé-Antrag ausreicht (CE v. 15.  Oktober 2004, Commune d’Andeville, Az. 266176, LexisNexis). 52  Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 351; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1606. 53  Art. 521-2 S. 2  CJA. 54  Freilich hat allerdings eine Überschreitung dieser Entscheidungsfrist keine unmittelbaren Konsequenzen und ist eine erst nach Ablauf der Frist ergangene Entscheidung nicht etwa unwirksam (Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1592; CE v. 22. September 2009, Safarov, Az. 332003, LexisNexis; CE v. 4.  Juni 2009, SARL Vert Parc, Az.  328394, LexisNexis). 55  Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 351. 56  Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1594. 57  Art. L521-2 CJA: „dans l’exercice d’un de ses pouvoirs“.

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morale du droit public) oder eines Beliehenen (organisme de droit privé chargé de la gestion d’un service public). bb) Begriff der Grundfreiheit (liberté fondamentale) im Sinne von Art. L521-2 CJA Der Anwendungsbereich ist allerdings inhaltlich auf sogenannte Grundfreiheiten beschränkt. Die genaue Reichweite des Begriffs der „liberté fondamentale“ im Sinne von Art. L521-2 CJA ist im Einzelnen schwer zu bestimmen58. Die Rechtsprechung verzichtet auf eine generelle Begriffsbestimmung und bejaht bzw. verneint vielmehr kasuistisch das Vorliegen einer Grundfreiheit, ohne dies indessen jeweils näher zu begründen. Allgemein kann festgehalten werden, dass der Begriff nicht im Sinne einer strikten Begrenzung auf „Freiheiten“ zu verstehen ist, sondern auch Rechte (droits) darunter fallen können59, 60. Ferner ist er nicht auf in der Verfassung garantierte Freiheiten bzw. Rechte beschränkt61. Als Beispiele für von der Rechtsprechung anerkannte libertés fondamentales im Rahmen des référéliberté seien hier nur genannt: die Freizügigkeit (liberté d’aller et venir)62; die Versammlungsfreiheit (liberté de réunion)63; das Eigentumsrecht (droit de propriété)64, 65; das Streikrecht (droit de grève)66; die Gewerkschaftsfrei58  Vgl. Le Bot, Référé-liberté (2007), 53 ff.; Botteghi, concl. zu CE v. 16. November 2011, Société H&M, RFDA 2012, 269 [273 f.]; Wachsmann, RFDA 2007, 58; Glénard, AJDA 2003, 2008; Bachelier, RFDA 2002, 261 [263 ff.]; Favoreu, D 2001, 1739; Panigel-Nennouche, Droit Ouvrier 2004, 256 [262 f.]; Ricci, Conten­ tieux administratif (2012), Rn. 365 ff.; Broyelle, Contentieux administratif (2011), Rn. 634; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1596 ff. 59  Vgl. Favoreu, D 2001, 1739 [1740]; Bachelier, RFDA 2002, 261 [263]; Wachsmann, RFDA 2007, 58 [60]; (teilweise) anders wohl Glénard, AJDA 2003, 2008 [2010 f.]. 60  Auf die Abgrenzung der Begriffe liberté fondamentale und droit fondamental wird hier nicht näher eingegangen, ebenso nicht auf die Etablierung und Entwicklung dieser Kategorien im französischen Recht. 61  Vgl. Wachsmann, RFDA 2007, 58 [60 f.]; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 353. 62  CE v. 9. Januar 2001, Deperthes, Az. 228928, Rec. Leb. 2001, 1 [2]. 63  CE v. 19. August 2002, Front National et Institut de formation des élus locaux, Az. 249666, Rec. Leb. 2002, 311 [312]; CE v. 30. März 2007, Association locale pour le culte des Témoins de Jéhovah de Lyon Lafayette, Az. 304053, LexisNexis. 64  CE v. 31. Mai 2001, Commune d’Hyères-les-Palmiers, Az.  234226, Rec. Leb. 2001, 253; CE v. 29. März 2002, SCI Stephaur et autres, Az. 243338, Rec. Leb. 2002, 117 [118]; CE v. 29. Oktober 2003, Société Resimmo, Az. 259361, Rec. Leb 2003, 424 [424]; CE v. 2. Februar 2004, Abdallah, Az. 260100, Rec. Leb. 2004, 15 [17]. 65  Dazu auch Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn.  1599; Trémeau, AJDA 2003, 653; Pez, RFDA 2003, 370; Mestre, RFDA 2004, 1.



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heit (liberté syndicale)67; das „Recht auf eine Notunterkunft“ (droit à l’hébergement d’urgence)68, 69; die kommunale Selbstverwaltung (libre administration des collectivités territoriales)70, 71. Diese Aufzählung ist bei weitem nicht abschließend72. Der Begriff der Grundfreiheit im Sinne von Art. L 521-2 CJA soll hier nicht weiter vertieft werden. 66

b) Materielle Anordnungsvoraussetzungen Für eine référé-liberté-Anordnung müssen Eilbedürftigkeit [sub aa)] und eine schwerwiegende und offenkundig rechtswidrige Beeinträchtigung der betreffenden Grundfreiheit [sub bb)] gegeben sein, wobei diese Voraussetzungen nach hier vertretener Auffassung getrennt voneinander zu beurteilen sind [sub cc)]. aa) Eilbedürftigkeit Wie der référé-suspension erfordert auch der référé-liberté Eilbedürftigkeit73. Der Conseil d’État nimmt im Rahmen dieser Voraussetzung entsprechend der oben dargestellten Vorgehensweise beim référé-suspension74 eine Interessenabwägung vor75. In der im August 2001 ergangenen Entscheidung Association La Mosquée hat er die Formel aus der zum référé-suspension 66  CE v. 9. Dezember 2003, Aguillon et autres, Az. 262186, Rec. Leb. 2003, 497 [498]. 67  CE v. 31. Mai 2007, Syndicat CFDT Interco 28, Az. 298293, Rec. Leb. 2007, 222. 68  CE v. 10. Februar 2012, Fofana, Az.  356456, LexisNexis. 69  Dazu auch Duranthon, AJDA 2012, 716. 70  CE v. 18. Januar 2001, Commune de Venelles et Morbelli, Az.  229247, Rec. Leb. 2001, 18 [19]. 71  Dazu auch Haïm, AJDA 2005, 810. 72  Weitere Beispiele bei Costa, Contentieux administratif (2011), Rn. 678; Ricci, Contentieux administratif (2012), Rn. 366; Guyomar / Seiller, Contentieux administratif (2012), Rn. 460; Turpin, Contentieux administratif (2010), 131 f.; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1597; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn.  353 f.; Domino / Bretonneau, AJDA 2011, 1369 [1371 f.]. 73  Vgl. zu dieser Voraussetzung aus dem Schrifttum mit weiteren Nachweisen Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1601; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 352; Bachelier, RFDA 2002, 261 [262 f.]. 74  Sub B. II. 1. a) cc) (2), S. 103 ff. 75  Vgl. Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 352; Bachelier, RFDA 2002, 261 [262]; Erstein, Collectivités Territoriales – Intercommunalité März 2002, 4 [4]; Cassia, Référés d’urgence (2003), Rn. 134 ff.

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ergangenen Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement76, wonach die Eilbedürftigkeit „objektiv und unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls“ („objectivement et compte tenu de l’ensemble des circonstances de chaque espèce“) zu beurteilen ist, für den référé-liberté übernommen77. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall ging es um die Aussetzung einer Baunutzungsuntersagung und Abrissverfügung bezüglich eines im Eigentum der Gemeinde Port-de-Bouc stehenden Gebäudes, in dem sich eine muslimische Kultstätte (lieu de culte musulman) befand. Das Verwaltungsgericht Marseille hatte den von der Association La Mosquée und mehreren Einzelpersonen gestellten référé-liberté-Antrag zurückgewiesen. Der Conseil d’État bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. In den Entscheidungsgründen führte er aus, dass zum einen der baufällige und gefährliche Zustand des betreffenden Gebäudes nicht ernsthaft in Abrede gestellt worden sei und zum anderen sich aus der Akte ergebe, dass die Gemeinde geeignete Ausweichräumlichkeiten (autres locaux répondant aux normes d’hygiène et de sécurité et pouvant être utilisés pour la pratique du culte musulman) angeboten habe. Unter Berücksichtigung dessen liege keine Eilbedürftigkeit zur Aussetzung des Nutzungsverbots und der Abrissverfügung im Wege des Art. L521-2 CJA vor. Wie beim référé-suspension erfolgt damit auch beim référé-liberté nach der Rechtsprechung hinsichtlich der Frage der Eilbedürftigkeit eine Gesamtbetrachtung mit Gegenüberstellung und Abwägung der jeweils widerstreitenden Interessen. Entsprechend heißt es in der Entscheidung Gaz de France aus dem Jahr 2002: „la condition d’urgence posée à l’article L. 521-2 du code de justice administrative, doit être appréciée compte tenu, non seulement, des intérêts du requérant mais aussi des intérêts publics en jeu, au nombre desquels figure celui du maintien de l’ordre public“78, 79. Ungeachtet der grundsätzlich gleichen Vorgehensweise mit Gesamtbetrachtung und Interessenabwägung wird der Begriff der Eilbedürftigkeit in Art. L521-2 CJA vom Conseil d’État allerdings nicht deckungsgleich mit dem in Art. L521-1 CJA verstanden. Er betont in ständiger Rechtsprechung: „en distinguant les deux procédures ainsi prévues par les articles L. 521-1 et L. 521-2 le législateur a entendu répondre à des situations différentes 76  CE v. 28. Februar 2001, Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement, Az. 229562 [u. a.], Rec. Leb. 2001, 109. 77  CE v. 10. August 2001, Association La Mosquée, Az.  237004, LexisNexis. 78  CE v. 21. November 2002, Gaz de France, Az.  251726, Rec. Leb. 2002, 408 [410] – Zwangsräumung eines besetzten Hauses. 79  Vgl. weiter beispielsweise noch CE v. 14.  März 2003, Commune d’Evry, Az.  254827, LexisNexis – Schließung eines Supermarkts.



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[…] les conditions auxquelles est subordonnée l’application de ces dispositions ne sont pas les mêmes, non plus que les pouvoirs dont dispose le juge des référés“80. Die Voraussetzung der Eilbedürftigkeit wird beim référé-liberté allgemein im Zusammenhang mit der für dieses Verfahren in Art. L5212 S. 2  CJA vorgesehenen Entscheidungsfrist von nur 48 Stunden im Sinne einer besonderen, extremen Dringlichkeit ausgelegt, die eine Maßnahme zum Schutz der betreffenden Grundfreiheit innerhalb dieser Frist erforderlich macht81, 82. Danach ist zwischen der Eilbedürftigkeit beim référé-suspension und der beim référé-liberté zu differenzieren und lässt sich daraus, dass die Voraussetzung der Eilbedürftigkeit im Sinne des Art. L521-1 CJA erfüllt ist, nicht folgern, dass auch Eilbedürftigkeit im Sinne von Art. L5212 CJA besteht83. Angesichts des besonderen Zuschnitts und der Funktion des référé-liberté ist es grundsätzlich überzeugend, die Anordnungsvoraussetzung der Eilbedürfigkeit bei diesem Verfahren enger auszulegen als beim référé-suspension. Bei Vorliegen eines Verwaltungsakts kann der Antragsteller bei Fehlen besonderer Dringlichkeit im Sinne von Art. L521-2 CJA ohnehin auch im Wege des référé-suspension vorgehen und so die Aussetzung sowie darüber hinaus, wie dargestellt84, auch Handlungsanordnungen erreichen. So betont auch der Conseil d’État, dass die Ablehnung eines référé-liberté-Antrags „ne fait toutefois pas obstacle“, Eilbedürftigkeit im Sinne von Art. L52180  CE v. 28. Februar 2003, Commune de Pertuis, Az.  254411, Rec. Leb. 2003, 68 [69]; CE v. 16. Juni 2003, Hug-Kalinkova, Az. 253290, LexisNexis; CE v. 4. Februar 2004, Commune d’Yvrac, Az. 263930, LexisNexis; siehe ferner etwa CE v. 9. März 2007, Section française de l’Observatoire international des prisons, Az. 302182, LexisNexis; CE v. 6. April 2007, Commune de Saint-Gaudens, Az.  304361, LexisNexis; CE  v. 4.  Oktober 2012, Pôle emploi, Az.  362948, LexisNexis. 81  CE  v. 4.  Oktober 2012, Pôle emploi, Az.  362948, LexisNexis; CE v. 2. Dezember 2011, Casa Nova Zatar, Az.  354445, LexisNexis; CE v. 30. März 2010, Matelly, Az. 337955, LexisNexis; CE v. 6. April 2007, Commune de Saint-Gaudens, Az.  304361, LexisNexis; CE v. 9. März 2007, Section française de l’Observatoire international des prisons, Az. 302182, LexisNexis; CE v. 12. Februar 2007, Alzarha, Az. 301352, LexisNexis; CE v. 9.  August 2004, Yilmaz, Az. 270860, LexisNexis; CE v. 4.  Februar 2004, Commune d’Yvrac, Az. 263930, LexisNexis; CE v. 16. Juni 2003, Hug-Kalinkova, Az. 253290, LexisNexis; CE v. 28. Februar 2003, Commune de Pertuis, Az.  254411, Rec. Leb. 2003, 68 [69]. 82  Aus dem Schrifttum Guyomar / Seiller, Contentieux administratif (2012), Rn. 465; Panigel-Nennouche, Droit Ouvrier 2004, 256 [262 f.]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1601; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 352. 83  CE v. 9. März 2007, Section française de l’Observatoire international des prisons, Az. 302182, LexisNexis; CE v. 4. Februar 2004, Commune d’Yvrac, Az. 263930, LexisNexis; CE v. 16. Juni 2003, Hug-Kalinkova, Az. 253290, LexisNexis. 84  Oben sub 1., S. 134 ff.

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C. Einstweilige Anordnungen

1 CJA geltend zu machen85. Und wenn kein Verwaltungsakt vorliegt, ist zwar die Möglichkeit des référé-suspension nicht eröffnet, bleibt aber immer noch der Weg des référé-mesures-utiles86. Grundsätzlich erscheint es auch sachgerecht, beim référé-liberté für die Beurteilung der Eilbedürftigkeit einen Zusammenhang mit der Entscheidungsfrist von 48 Stunden nach Art. L521-2 S. 2 CJA herzustellen und insofern eine besondere Dringlichkeit zu fordern. Es fragt sich allerdings, ob eine strikte Begrenzung auf eine „urgence à 48 heures“87 in allen Fällen geboten und angemessen ist. Problematisch kann dies etwa bei Dauerzuständen werden88. Im Zusammenhang damit erscheint insbesondere heikel, ob bzw. wann die besondere Eilbedürftigkeit wegfällt, wenn der Betroffene nicht sofort dagegen vorgeht und gleich „am ersten Tag“ einen Antrag nach Art. L5212 CJA stellt. Allgemein stellt sich die Frage, wie schnell der Betroffene den référé-liberté-Richter anrufen muss. Überlanges Zuwarten mit der Antragstellung kann generell dazu führen, dass die Eilbedürftigkeit zu verneinen ist89. In zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2010 hat der Conseil d’État allerdings auch betont, dass für die Stellung des référé-liberté-Antrags keine Frist vorgesehen ist, und hat mit dieser Begründung die vorinstanzlichen Entscheidungen aufgehoben, in denen Eilbedürftigkeit im Sinne von Art. L521-2 CJA damit verneint worden war, dass gegen am 16. September 2009 erlassene und am selben Tag zugestellte Aufenthaltsverweigerungs- und Abschiebe-Bescheide erst am 25. September 2009 référé-liberté-Anträge gestellt worden waren90. Desweiteren hat der Conseil d’État in einer Entscheidung aus dem Jahr 2002 im Wege des référé-liberté dem Polizeipräfekten von Paris eine Frist von immerhin 2 Monaten dafür gesetzt, die notwendigen Maßnahmen zur Zwangsräumung eines besetzten Hauses zu ergreifen91. Die facettenreiche Problematik soll hier nicht weiter vertieft werden. 85  CE v. 6. April 2007, Commune de Saint-Gaudens, Az.  304361, LexisNexis; CE v. 9.  August 2004, Yilmaz, Az. 270860, LexisNexis; CE v. 28. Februar 2003, Commune de Pertuis, Az.  254411, Rec. Leb. 2003, 68 [69]. 86  Dazu unten sub 3., S. 158 ff. 87  Vgl. CE v. 9. März 2007, Section française de l’Observatoire international des prisons, Az. 302182, LexisNexis. 88  Vgl. etwa CE v. 9. April 2004, Vast, Az.  263759, Rec. Leb. 2004, 173. 89  Vgl. Erstein, Collectivités Territoriales – Intercommunalité März 2002, 4 [5]; CE v. 26. März 2001, Association Radio 2 Couleurs, Az. 231736, LexisNexis (référé-liberté); CE v. 14.  September 2001, Van de Walle, Az. 238110, LexisNexis (référé-suspension). 90  CE v. 17. März 2010, Larkhawi, Az. 332585, LexisNexis; CE v. 17. März 2010, Wahidi, Az. 332586, LexisNexis; vgl. auch CE v. 14.  März 2011, Commune de Galluis, Az.  347345, LexisNexis. 91  CE v. 21. November 2002, Gaz de France, Az.  251726, Rec. Leb. 2002, 408 [410]. Siehe außerdem noch CE v. 9. Juli 2007, Commune du Port, Az.  307046,



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Im Rahmen des engeren Begriffsverständnisses der Eilbedürftigkeit im Sinne des référé-liberté gegenüber dem référé-suspension ist nach hier vertretener Auffassung kein Raum für eine Interessenabwägung mit Gesamtbetrachtung nicht nur der Interessen des Antragstellers, sondern auch entgegenstehender öffentlicher Interessen. Denn eine solche Abwägung wird notwendig von Rechtmäßigkeitserwägungen mitgesteuert92, die Rechtmäßigkeitsprüfung beim référé-liberté erfolgt aber erst bei der – nach hier vertretener Auffassung getrennt von der Eilbedürfigkeit zu beurteilenden93 – weiteren Voraussetzung der schwerwiegenden und offenkundig rechtswidrigen Grundfreiheitenbeeinträchtigung. bb) Schwerwiegende und offenkundig rechtswidrige Beeinträchtigung Gemäß Art. L521-2 S. 1 CJA muss für eine référé-liberté-Anordnung ferner eine schwerwiegende und offenkundig rechtswidrige Beeinträchtigung (atteinte grave et manifestement illégale) der in Rede stehenden Grundfreiheit gegeben sein bzw. durch die angegriffene Maßnahme drohen94. Es reicht also nicht aus, dass die Grundfreiheit überhaupt betroffen ist, sondern sie muss gravierend beeinträchtigt sein. Ab welchem Ausmaß und unter welchen Umständen die Beeinträchtigung schwerwiegend im Sinne von Art. L521-2 S. 1 CJA ist, lässt sich nicht allgemeingültig definieren, sondern es kommt auf den jeweiligen Einzelfall an. Wird in Gerichtsentscheidungen der schwerwiegende Charakter der Beeinträchtigung bejaht, so erfolgt dies häufig, wohl als auf der Hand liegend, ohne nähere Begründung95. Das weitere Erfordernis offenkundiger Rechtswidrigkeit geht deutlich über den im Rahmen des référé-suspension genügenden bloßen „ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit“96 hinaus. Es muss ferner ein direkter Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit und der Schwere ihrer AuswirLexisNexis – Frist von 1 Monat zur Bereitstellung von Räumlichkeiten für eine Gewerkschaft. 92  Siehe die Ausführungen zum Aussetzungsverfahren oben sub B. II. 3. c) cc), S.  129 f. 93  Dazu sogleich sub cc), S. 154 f. 94  Vgl. zu dieser Voraussetzung mit weiteren Nachweisen Costa, Contentieux administratif (2011), Rn. 679; Pacteau, Contentieux administratif (2008), 355; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1602 ff.; Bachelier, RFDA 2002, 261 [265 f.]. 95  Ungewöhnlich ausführlich ist insoweit die Entscheidung CE v. 30. Oktober 2001, Tliba, Az.  238211, Rec. Leb. 2001, 523 [524]. 96  Dazu oben sub B. II. 1. b), S. 113 ff.

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kungen im Hinblick auf die betreffende Grundfreiheit bestehen97. Der référé-liberté ist damit auch insoweit restriktiv ausgestaltet und einstweilige Anordnungen können in diesem Verfahren nur in eindeutigen, evidenten Fällen ergehen. Diese Beschränkung ist auch im Zusammenhang mit der kurzen Entscheidungsfrist zu sehen, innerhalb derer eine tiefergehende Prüfung regelmäßig nicht zu leisten ist98. cc) Abgrenzung Ebenso wie beim référé-suspension stellt sich beim référé-liberté die Frage nach dem Verhältnis der Anordnungsvoraussetzungen zueinander. In der Entscheidung Manigold des Conseil d’État heißt es dazu, dass die Voraussetzungen getrennt voneinander zu beurteilen seien99. Cassia hingegen sieht einen Zusammenhang dergestalt, dass die Anerkennung einer schwerwiegenden und offenkundig rechtswidrigen Grundfreiheitenbeeinträchtigung in der Regel Eilbedürftigkeit mit sich bringe100. Beim référé-suspension ist nach hier vertretener Auffassung, wie ausgeführt101, eine variable Kombination der materiellen Anordnungsvoraussetzungen (Eilbedürftigkeit und ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit) sachgerecht und einer getrennten Betrachtung vorzuziehen. Dies ist allerdings nicht einfach auf den référé-liberté übertragbar. Insbesondere erscheint es im Rahmen dieses Verfahrens auch nicht sachgerecht, bei Vorliegen einer schwerwiegenden und offenkundig rechtswidrigen Beeinträchtigung ohne weiteres regelmäßig von Eilbedürftigkeit im Sinne von Art. L521-2 CJA auszugehen. Denn damit wäre die Eilbedüftigkeit als gesonderte Anordnungsvoraussetzung in Art. L521-2 CJA letztlich obsolet, da sie bereits in der anderen Voraussetzung mitenthalten wäre. Desweiteren entspricht ein solches Verständnis auch nicht dem besonderen Zuschnitt des référé-liberté. Dieser unterscheidet sich in seiner Konzeption und Funktion vom référésuspension, zu dem er gewissermaßen eine Ergänzung und Steigerung bildet. Entsprechend restriktiv sind seine Anordnungsvoraussetzungen ausgestaltet. Vor dem Hintergrund all dessen ist es überzeugend, dass trotz schwerwiegender und offenkundig rechtswidriger Beeinträchtigung einer 97  CE v. 27. Oktober 2011, Sultanyan, Az. 353508, LexisNexis; CE v. 12. November 2001, Commune de Montreuil-Bellay, Az.  239840, Rec. Leb. 2001, 551 [552]; siehe dazu auch Grand, AJDA 2011, 2095. 98  Vgl. Bachelier, RFDA 2002, 261 [266]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1604. 99  CE v. 21. August 2001, Manigold, Az. 237385, LexisNexis. 100  Cassia, RFDA 2007, 45 [57]; Cassia, Référés d’urgence (2003), Rn. 125, 128. 101  Oben sub B. II. 3. c) cc), S. 129 ff.



I. Frankreich155

Grundfreiheit die besondere Eilbedürftigkeit im Sinne des Art. L521-2 CJA verneint und der référé-liberté-Antrag zurückgewiesen werden kann. Insbesondere drohen dadurch auch keine Rechtsschutzlücken, da in solchen Fällen jedenfalls auch im Wege des référé-suspension bzw. des référé-mesuresutiles einstweilige Anordnungen erlangt werden können102. Nach allem erscheint beim référé-liberté eine getrennte Betrachtung der materiellen Anordnungsvoraussetzungen sachgerecht. c) Anordnungsinhalte Wenn die restriktiven Voraussetzungen erfüllt sind, besteht eine breite Palette von Anordnungsmöglichkeiten103. Art. L521-2 CJA ist insoweit offen gefasst. Danach kann das Gericht alle zum Schutz der Grundfreiheit notwendigen Maßnahmen („toutes mesures necessaires“) anordnen. So können verschiedenste vorläufige Handlungs- und Unterlassungsanordnungen ergehen. Insbesondere kann auch die Aussetzung von Verwaltungsakten angeordnet werden, obwohl dies auch im Wege des référé-suspension möglich wäre104. Référé-liberté und référé-suspension können insoweit parallel angestrengt werden105, 106. Was die Handlungsanordnungen betrifft, sind solche anders als beim référé-suspension nicht nur als Annex zur Entscheidung hinsichtlich deren Vollziehung107 möglich, sondern können auch eigenständig ergehen und selbst erschöpfend die Entscheidung bilden. Art. L521-2 CJA eröffnet damit die Möglichkeit des Erlasses von Handlungsanordnungen à titre principal108 gegenüber der Verwaltung109, 110. 102  Siehe

bereits oben sub aa), S. 151 f. Contentieux administratif (2011), Rn. 638; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1594. 104  CE v. 27. März 2001, Djalout, Az. 231735, Rec. Leb. 2001, 158 [159]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1594. 105  Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1608. 106  Die Anträge dürfen dabei allerdings nicht in derselben Antragsschrift gestellt werden, sondern müssen in getrennten Antragsschriften bei Gericht eingereicht werden (CE v. 28. Februar 2001, Philippart et Lesage, Az. 230112, 230520, Rec. Leb. 2001, 111). 107  Siehe oben sub 1. a) ee), S. 141 ff. 108  Zur Unterscheidung von Anordnungen „à titre principal“ und solchen „en vue de l’exécution de la chose jugée“ Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1088, 1090, 1092. 109  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1591. 110  Angesichts dessen ist der référé-liberté teilweise auch als „référé-injonction“ tituliert worden (vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1535; etwa Be103  Broyelle,

149

156

C. Einstweilige Anordnungen

Freilich können indessen angesichts der Natur des référé-liberté als einstweiligem Verfahren grundsätzlich nur vorläufige Anordnungen ergehen, was im Gesetz ausdrücklich in Art. L511-1 S. 1 CJA für alle référés bestimmt ist. Danach ist etwa, ebenso wie beim référé-suspension, im Wege des référé-liberté keine endgültige Aufhebung von Verwaltungsakten möglich111. Die angeordneten Maßnahmen dürfen ferner grundsätzlich keine mit der Hauptsacheentscheidung identischen Wirkungen entfalten112. Wie bereits angesprochen113, lässt die Rechtsprechung im Rahmen des référé-liberté allerdings ausnahmsweise auch die Anordnung von endgültigen Maßnahmen zu, wenn der Grundfreiheitenschutz durch vorläufige Maßnahmen nicht erreichbar ist114. Das kann insbesondere bei punktuellen Erricht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [947]; Denoix de Saint Marc, AJDA 2002, 1; Traoré, DA April 2001, 10; Moutouh, D 1999, Dernière actualité, Nr. 25, 1). 111  CE v. 9. März 2005, Moinuddin, Az. 274509, LexisNexis; CE v. 9. Dezember 2005, Allouache, Az. 287777, Rec. Leb. 2005, 562 [563]; CE v. 10. April 2001, Merzouk, Az. 232308, LexisNexis; CE v. 1. März 2001, Paturel, Az. 230794, LexisNexis. 112  CE v. 9. Dezember 2005, Allouache, Az. 287777, Rec. Leb. 2005, 562 [563]; CE v. 10. April 2001, Merzouk, Az. 232308, LexisNexis; CE v. 1. März 2001, Paturel, Az.  230794, LexisNexis. 113  Oben sub 1. a) ee) (2), S. 144 f. 114  CE v. 30. März 2007, Association locale pour le culte des Témoins de Jéhovah de Lyon Lafayette, Az.  304053, LexisNexis: „[…] les décisions prises par le juge des référés n’ont, en principe, qu’un caractère provisoire; […] il lui appartient ainsi, lorsqu’il est saisi sur le fondement de l’article L. 521-2 du code de justice administrative et qu’il constate une atteinte grave et manifestement illégale portée par une personne morale de droit public à une liberté fondamentale, de prendre les mesures provisoires qui sont de nature à faire disparaître les effets de cette atteinte; […] toutefois, l o r s q u ’ a u c u n e m e s u re d e c a r a c t è re p ro v i s o i re n ’ e s t s u s c e p t i b l e d e s a t i s f a i re c e t t e e x i g e n c e , en particulier lorsque les délais dans lesquels il est saisi ou lorsque la nature de l’atteinte y font obstacle, i l p e u t e nj o i n d re à la personne qui en est l’auteur d e p re n d re t o u t e d i s p o s i t i o n d e n a t u re à s a u v e g a rd e r l ’ e x e rc i c e e f f e c t i f d e l a l i b e r t é f o n d a m e n t a l e e n c a u s e ; […] il en va ainsi notamment lorsque l’atteinte résulte d’une interdiction dont les effets sont eux-mêmes provisoires ou limités dans le temps […]“; CE v. 31. Mai 2007, Syndicat CFDT Interco 28, Az. 298293, Rec. Leb. 2007, 222: „[…] il appartient au juge des référés, lorsqu’il est saisi sur le fondement de l’article L. 521-2 du code de justice administrative et qu’il constate une atteinte grave et manifestement illégale portée par une personne morale de droit public à une liberté fondamentale, de prendre les mesures qui sont de nature à faire disparaître les effets de cette atteinte; […] ces m e s u re s d o i v e n t e n p r i n c i p e p r é s e n t e r u n c a r a c t è re p ro v i s o i re , s a u f l o r s q u e a u c u n e m e s u re d e c e t t e n a t u re n ’ e s t s u s c e p t i b l e d e s a u v e g a rd e r l ’ e x e rc i c e e f f e c t i f d e l a l i b e r t é f o n d a m e nt a l e à laquelle il est porté atteinte […]“; CE v. 9. Juli 2007, Commune du Port, Az.  307046, LexisNexis: „[…] dispositions des articles L. 511-1 et L. 521-2, desquelles il résulte que si les mesures ordonnées par le juge des référés d o i v e n t 143



I. Frankreich157

eignissen wie beispielsweise einem Versammlungsverbot oder der Ablehnung der Vermietung einer Stadthalle für eine Veranstaltung zu einem bestimmten Termin115 der Fall sein. Unabhängig von den vorgenannten Ausnahmen sind desweiteren bei genauerem Hinsehen auch Umfang und Reichweite des Verbots der identischen Wirkungen (effets en tous points identiques)116 fraglich. Diese Problematik ist letztlich im Zusammenhang mit der Inhaltsbestimmung des Vorläufigkeitserfordernisses nach Art. L511-1 S. 1 CJA und allgemein der Frage zulässiger Inhalte von Interimsregelungen zu sehen. Diesbezüglich sind die Entscheidungsgründe zur Sache Syndicat CFDT Interco 28 aus dem Jahr 2007117 interessant, die als Abkehr vom Kriterium der effets en tous points identiques verstanden werden können118: Darin wird zunächst dargestellt, dass der vorläufige Charakter der betreffenden Maßnahmen im Hinblick auf deren Inhalt und Wirkungen und insbesondere deren Reversibilität zu beurteilen sei („caractère provisoire s’apprécie au regard de l’objet et des effets des mesures en cause, en particulier de leur caractère réversible“), und weiter wird ausgeführt, der vorinstanzliche référé-Richter habe einen Rechtsfehler begangen, indem er die Zurückweisung des référé-liberté-Antrags allein darauf gestützt habe, dass die betreffende Anordnung identische Wirkungen wie die Hauptsacheentscheidung habe, ohne den reversiblen Charakter der betreffenden Maßnahmen zu berücksichtigen. Danach kommt es also primär auf die Reversibilität an und ist, solange diese gegeben ist, das einstweilige Eintreten hauptsacheidentischer Wirkungen unschädlich. Dabei ist klarzustellen, dass der Begriff der „Reversibilität“ vom Conseil d’État in diesem Kontext nicht (nur) im Sinne einer Rückgängigmachbarkeit durch Wiederherstellung des status quo ante, sondern weiter im Sinne fehlender Endgültigkeit für die Zukunft verwendet wird.

a v o i r e n p r i n c i p e u n c a r a c t è re p ro v i s o i re , i l e n v a a u t re m e n t p o u r l e s m e s u re s q u i s o n t s e u l e s d e n a t u re à f a i re d i s p a r a î t re u n a t t e i n t e g r a v e e t m a n i f e s t e m e n t i l l é g a l e à u n e l i b e r t é f o n d a m e n t a l e […]“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 115  CE v. 30. März 2007, Association locale pour le culte des Témoins de Jéhovah de Lyon Lafayette, Az.  304053, LexisNexis. 116  CE v. 9. Dezember 2005, Allouache, Az. 287777, Rec. Leb. 2005, 562 [563]; CE v. 10. April 2001, Merzouk, Az. 232308, LexisNexis; CE v. 1. März 2001, Paturel, Az.  230794, LexisNexis. 117  CE v. 31. Mai 2007, Syndicat CFDT Interco 28, Az. 298293, Rec. Leb. 2007, 222. 118  Vgl. auch Domino / Bretonneau, AJDA 2011, 1369 [1373].

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C. Einstweilige Anordnungen

3. Im Wege des référé-mesures-utiles Neben den beiden vorstehend behandelten Verfahrensarten ist der Erlass einstweiliger Anordnungen auch über den référé-mesures-utiles nach Art. L521-3 CJA möglich. Dieses Verfahren geht für den Conseil d’État zurück auf eine Verordnung aus dem Jahr 1945119 und für die Verwaltungsgerichte auf ein Gesetz von 1955120. Im code TA war es in Art. R102 und im code  TA / CAA in Art. R130 geregelt121. a) Anwendungsbereich und Anordnungsinhalte Der référé-mesures-utiles hat im Verhältnis zum référé-suspension und zum référé-liberté subsidiären Charakter122. Das kommt im Gesetzeswortlaut darin zum Ausdruck, dass nach Art. L521-3 CJA „andere Maßnahmen“ („autres mesures“) als die von den Art. L521-1 und L521-2 CJA erfassten angeordnet werden können123. Das Verfahren erfüllt damit eine Auffangfunktion für Fallgestaltungen, die nicht unter die beiden anderen référés d’urgence fallen. Angesichts dessen, dass alle zweckmäßigen Maßnahmen angeordnet werden können, erscheint das Potential des Verfahrens enorm. Traditionell spielte es jedoch in der Praxis kaum eine Rolle, bei den Verwaltungsgerichten wurden nur selten Anträge nach Art. L521-3 CJA gestellt124. Wie nachfolgend ausgeführt wird, war klassischerweise die praktische Relevanz des référé-mesures-utiles im Wesentlichen auf lediglich zwei Fallgruppen beschränkt125, nämlich die Zwangsräumung von öffentlichem Eigentum (expulsion du domaine domaine public) sowie die Aushändigung von Verwaltungsakten und -dokumenten (communication de décisions et de documents administratifs). In neuerer Zeit lässt sich allerdings in der Rechtsprechung ein Wandel hin zu einer Ausweitung der Anwendungsfälle beobachten. 119  Art. 34 Abs. 3 Verordnung Nr. 45-1708 v. 31.  Juli 1945, JORF v. 1.  August 1945, 4772. Nachfolgend Art. 27 Abs. 3 Dekret Nr. 63-766 v. 30.  Juli 1963, JORF v. 1. August 1963, 7110. 120  Art. 1 Gesetz Nr. 55-1557 v. 28. November 1955, JORF v. 1. Dezember 1955, 11646. 121  Näher zur geschichtlichen Entwicklung bis zum Jahr 2000 oben sub A. I. 1. b), S.  28 ff. 122  Vgl. Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [948]; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 357. 123  Chauvaux, concl. zu CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, RFDA 2007, 314 [316]. 124  Vgl. Stirn, FS Labetoulle (2007), 795 [797]; Chauvaux, concl. zu CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, RFDA 2007, 314 [314]. 125  Vgl. Landais / Lenica, AJDA 2006, 1839 [1839]. 27



I. Frankreich159

Allgemein sind Anordnungen gegenüber der Verwaltung [sub aa)] und solche gegenüber Privaten [sub bb)] zu unterscheiden. aa) Anordnungen gegenüber der Verwaltung Anordnungen gegenüber der Verwaltung im Wege des référé-mesuresutiles steht häufig schon entgegen, dass durch sie nicht die Vollziehung eines Verwaltungsakts behindert werden darf126. Vor allem aber führte nach überkommener Vorstellung der Grundsatz des für die Verwaltungsgerichte geltenden Weisungsverbots gegenüber der Exekutive127 zu einer äußerst restriktiven Beschränkung des Anwendungsbereichs in Bezug auf an die Verwaltung gerichtete Anordnungen. Im Unterschied zum référé-suspension (bzw. früher sursis à exécution) lässt sich hier übrigens auch aus der gesetzlichen Erweiterung der richter­ lichen Weisungsbefugnisse im Jahr 1995128 nicht folgern, dass damit eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des référé-mesures-utiles einherging. Denn die 1995 eingeführten Anordnungsmöglichkeiten betreffen, wie ausgeführt129, nach ihrer Rechtsnatur lediglich die Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen. Anders als beim référé-suspension (bzw. sursis à exécution), bei dem die Handlungsanordnung im Hinblick auf die Vollziehung der Aussetzungsentscheidung ergeht130, ist beim référé-mesures-utiles aber die Handlungsanordnung nicht als bloßer Entscheidungsannex zu qualifizieren. Sie dient hier nicht bloß der Vollziehung der Aussetzungsentscheidung, sondern ergeht eigenständig und bildet selbst erschöpfend die Entscheidung. Derartige Anordnungen à titre principal sind jedoch von dem Gesetz von 1995 und jetzt Art. L911-1 f. CJA nicht umfasst. Man kann allerdings ohne weiteres auch den Art. L521-3 CJA selbst als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Handlungsanordnungen à titre principal gegenüber der Verwaltung und damit als Ausnahme vom diesbezüglichen Weisungsverbot sehen. In diesem Sinn wird einhellig der gleich strukturierte Art. L521-2 CJA verstanden. Beim référé-liberté kommt man nicht auf die Idee, dass die in diesem Verfahren bestehenden Anordnungsmöglichkeiten durch den Grundsatz des Verbots von Weisungen à titre principal eingeschränkt sein könnten. Im Gegenteil überwindet die Geset126  Art. L521-3 CJA: „[…] sans faire obstacle à l’exécution d’aucune décision administrative“. Zu dieser Negativvoraussetzung unten sub b) cc), S. 170 f. 127  Siehe oben sub B. I. 3. a) bb), S. 72. 128  Siehe oben sub 1. a) bb), S. 137 f., und B. I. 3. a) cc), S. 74 f. 129  Siehe oben sub 1. a) ee) (1), S. 141 ff., und 1. a) bb), S. 137. 130  Siehe oben sub 1. a) ee), S. 141 ff. 71

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C. Einstweilige Anordnungen

zesvorschrift gerade dieses Weisungsverbot, indem sie das Gericht zum Erlass von Handlungsanordnungen an die Verwaltung ermächtigt. Bezeichnenderweise ist, wie gesagt131, der référé-liberté teilweise auch als référéinjonction tituliert worden. Trotz paralleler Normstruktur wurde dagegen herkömmlich beim référé-mesures-utiles davon ausgegangen, dass in diesem Verfahren an die Verwaltung gerichtete Handlungsanordnungen aufgrund des Weisungsverbots generell ausgeschlossen seien. Dieses divergierende Normverständnis ist letztlich nur entstehungsgeschichtlich erklärbar. Der référé-mesures-utiles existiert bereits seit der Mitte des letzten Jahrhunderts. Seine Anwendung wurde damit noch ganz von der traditionellen französischen Vorstellung der starken Betonung der Eigenständigkeit der Verwaltung gegenüber den Gerichten geprägt. Der référé-liberté hingegen wurde erst im Jahr 2000 in einem veränderten Umfeld mit dem Ziel geschaffen, den Gerichten bei Grundrechtsverletzungen weite Anordnungsbefugnisse gegenüber der Verwaltung zu verleihen und den Bürgern effektiven Rechtsschutz zu eröffnen. Traditionell ist der Anwendungsbereich des référé-mesures-utiles ­ insichtlich an die Verwaltung adressierter einstweiliger Anordnungen prakh tisch darauf beschränkt, dass das Gericht die Verwaltung dazu verpflichten kann, dem Antragsteller bestimmte ihrer Entscheidungen und / oder Un­ terlagen auszuhändigen (communication de décisions et de documents administratifs)132, 133. Dabei geht es in der Regel darum, dass der Antragsteller in die Lage versetzt werden soll, fristgerecht eine Klage vorbereiten zu können134. In der Anordnung der Aktenübermittlung liegt zwar eine Handlungsanordnung an die Verwaltung. Diese wurde aber, wohl angesichts ihrer begrenzten Tragweite und der sachlichen Nähe zu den generell zulässigen Beweisanordnungen135, 136, nicht als „wirkliche“ injonction einge131  Siehe

mit Nachweisen oben C. Fn. 110. Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 102 f.; Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [47]. 133  Siehe als Beispiele für solche Anordnungen: CE v. 9 April 1998, Crédit Commercial de France, Az.  195453, Rec. Leb. 1998, 176; CE v. 21. Dezember 1994, Esposito, Az.  144915, LexisNexis; CE v. 5. Dezember 1990, Association Te pohue la metai ote henua, Az. 112086, LexisNexis; CE v. 28.  Mai 1984, Delannay, Az.  49098, Rec. Leb. 1984, 190; CE v. 6. Juni 1980, Amiel, Az.  17547, LexisNexis. 134  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1618 und etwa CE v. 9 April 1998, Crédit Commercial de France, Az.  195453, Rec. Leb. 1998, 176. Für einen Fall, bei dem es nicht um eine Klagevorbereitung ging, siehe CE v. 21. Dezember 1994, Esposito, Az.  144915, LexisNexis. 135  Zu den injonctions d’instruction unten sub E., S. 203 ff. 136  In manchen Entscheidungen wird auch nicht der référé-mesures-utiles, sondern der référé-instruction angewandt (CE v. 21. März 2007, Layrle, Az.  304117, 132  Vgl.



I. Frankreich161

stuft137 bzw. in diesem speziellen Fall wurde eine Ausnahme vom Weisungsverbot anerkannt138. Andere Anordnungen an die Verwaltung wurden indes nicht für möglich gehalten. Es ist aber ein Wandel in der Rechtsprechung des Conseil d’État zum référé-mesures-utiles zu beobachten. Ab dem Jahr 2002 vollzieht das Gericht eine Weiterentwicklung bezüglich der Anordnungsmöglichkeiten gegenüber der Verwaltung: In der Sache Capellari 139 hatte das Verwaltungsgericht Caen einen Antrag zurückgewiesen, der darauf gerichtet war, den Präsidenten einer Handwerkskammer anzuweisen, hinsichtlich eines Ausschlusses des Antragstellers aus der Kammer Position zu beziehen140. Die Zurückweisung hatte es mit dem Weisungsverbot begründet. Der Conseil d’État hob den Beschluss des Verwaltungsgerichts wegen eines Rechtsfehlers auf und führte in den Entscheidungsgründen aus, der référé-Richter könne in Anwendung des Art. L521-3 CJA gegenüber der Verwaltung Weisungen aussprechen. Die Vorschrift wird nun also – wie Art. L521-2 CJA – als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Handlungsanordnungen verstanden. In dem konkreten Fall scheiterte die Anordnung allerdings daran, dass es sich bei der beantragten Maßnahme nicht um eine bloße einstweilige Sicherungsmaßnahme handelte. In der Sache Masier141 bestätigte der Conseil d’État im Jahr 2004 einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Nizza, mit dem es einen Bürgermeister angewiesen hatte, ein Protokoll über einen Baurechtsverstoß zu erstellen, eine Baueinstellungsverfügung zu erlassen und Kopie davon an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln. Der Bürgermeister hatte Herrn Masier eine Baugenehmigung erteilt. Deren Vollziehung wurde vom Verwaltungsgericht Nizza im Wege des référé-suspension ausgesetzt. Wegen Fortführung der Bauarbeiten entgegen der Aussetzung wies das Verwaltungsgericht viereinhalb Monate später auf Antrag einer Umweltschutzorganisation nach Art. L521-3 CJA den Bürgermeister an, die genannten Maßnahmen, zu deLexisNexis; CE v. 6. November 1991, Groupement d’intérêt économique „Groupement d’assureurs français“ Argos, Az. 77278, Rec. Leb. 1991, 388). 137  CE v. 6. Juni 1980, Amiel, Az. 17547, LexisNexis. Vgl. auch Landais / Lenica, AJDA 2006, 1839 [1841]; GACA / Cassia, 371. 138  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1619. 139  CE v. 29. April 2002, Capellari, Az.  240322, LexisNexis. 140  „Demande tendant à ce que soit ordonné au président de la chambre de métiers de l’Orne de prendre une position quant à la suite qu’il entendait donner à la délibération du 12 septembre 2001 du bureau de cette chambre adoptant le principe de sa [scil. des Antragstellers] révocation“. 141  CE v. 6.  Februar 2004, Masier, Az.  256719, Rec. Leb. 2004, 45. Vgl. auch CE v. 27. Juli 2006, Patoulle, Az. 287836, LexisNexis.

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C. Einstweilige Anordnungen

nen er in einer solchen Situation gemäß den Bestimmungen des code de l’urbanisme verpflichtet war142, zu ergreifen. Der Bürgermeister befolgte die Anordnung umgehend, aber Herr Masier legte gegen den Verwaltungsgerichtsbeschluss Rechtsmittel beim Conseil d’État ein. Dieser wies das Rechtsmittel zurück. Der référé-Richter könne im Verfahren des référémesures-utiles zu Sicherungszwecken sämtliche Maßnahmen, „notamment sous la forme d’injonctions à l’égard de l’administration“, vorschreiben. Die Vorinstanz habe bei der Anordnung nicht die Reichweite ihrer Befugnisse aus Art. L521-3 CJA verkannt. In der Entscheidung Elissondo Labat143 aus dem Jahr 2006 ordnete der Conseil d’État gegenüber einem Departement Sicherungsmaßnahmen an einem einsturzbedrohten Gebäude an. Unter dem Wohnhaus von Frau Elissondo Labat hatte sich Wasser angesammelt, was aufgrund des unter Wassereinfluss kompressiblen Tonuntergrundes des Gebäudes zu Schäden und Einsturzgefahr führte. Das Wasser war von einer öffentlichen DepartementStraße über einen Rinnstein ohne ausreichende Abflussmöglichkeit dorthin gelangt. Vor diesem Hintergrund wies der Conseil d’État das Departement im Wege des référé-mesures-utiles an, die in einem Sachverständigengutachten benannten Abstützarbeiten an dem Gebäude sowie alle anderen notwendigen Sicherungsmaßnahmen durchzuführen bzw. (bis zur Hauptsachentscheidung) die Kosten dafür zu tragen144. Die mit dieser Entscheidung verbundene Weiterentwicklung der Rechtsprechung im Bereich der Schäden durch öffentliche bauliche Anlagen (ouvrages publics) bzw. öffentliche Baumaßnahmen (travaux publics) wird besonders deutlich im Vergleich mit der Entscheidung Ripert aus dem Jahr 1979145, bei der es um einen ähnlichen Fall ging: Eine öffentliche Bildungseinrichtung hatte auf ihrem Gelände einen Tennisplatz bauen lassen. In der Folge kam es bei dem 142  Art. L480-1

Abs. 3 und L480-2 Abs. 10 code de l’urbanisme. v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, Az.  283474, Rec. Leb. 2006, 369. 144  Der betreffende Tenor lautet: „Les travaux provisoires d’étaiement des parties sinistrées de l’habitation appartenant à Mme Elissondo Labat, tels qu’ils ont été décrits et chiffrés par l’expert dans son rapport du 26 janvier 2006, ainsi que toute autre mesure qui se révèlerait indispensable à la mise en sécurité du bâtiment, seront réalisés aux frais avancés du département des Pyrénées-Atlantiques“. Und in den Schlussanträgen des commissaire du gouvernement Chauvaux zu der Sache heißt es: „La mesure qu’il vous est demandé d’ordonner consiste donc dans la prise en charge provisoire des travaux de mise en sécurité du bâtiment, soit par le règlement des factures présentées par la propriétaire, soit par la réalisation directe des travaux par les services du département. La récupération ultérieure des frais n’est pas exclue, dans le cas où la collectivité parviendrait à convaincre les juges du fond que sa responsabilité n’est pas engagée.“ (Chauvaux, concl. zu CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, RFDA 2007, 314 [317]). 145  CE v. 11. Mai 1979, Ripert, Az.  07490, Rec. Leb. 1979, 214. 143  CE



I. Frankreich163

unterhalb gelegenen Gebäude von Frau Ripert zu Überschwemmungen, die auf kurze Sicht die Baustabilität zu gefährden drohten. Nach Erstellung eines Sachverständigengutachtens beantragte Frau Ripert beim Verwaltungsgericht Paris, sie im Wege des référé-mesures-utiles zu ermächtigen, unter Vorstreckung der Kosten (à ses frais avancés) und unter der Kontrolle des Sachverständigen auf dem Gelände der öffentlichen Einrichtung die erforderlichen Arbeiten durchführen zu lassen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab, was der Conseil d’État – entgegen der Schlussanträge des commissaire du gouvernement Théry146 – bestätigte. Hier sollte die Verwaltung weder dazu verpflichtet werden, selbst die Arbeiten vorzunehmen, noch dazu, die Kosten zu tragen. Frau Ripert wollte lediglich zur Durchführung der Arbeiten ermächtigt werden und war auch bereit, die Kosten vorzustrecken. Für die Ablehnung des Antrags reichte damals aus, dass die Arbeiten an einer öffentlichen baulichen Anlage stattfinden sollten und der Tennisplatz vorübergehend nicht nutzbar gewesen wäre. Ebenfalls um Schäden an einem Gebäude ging es in der Sache Djoudar147. Das Nachbarhaus neben dem Haus von Herrn Djoudar war in ruinösem Zustand und die Trennwand zwischen den beiden Gebäuden war infolge des beschädigten / zerstörten Dachs des Nachbarhauses dem Regenwasser ausgesetzt. Angesichts der von dem verfallenen Gebäude ausgehenden erheblichen Gefahr ordnete der Bürgermeister der Gemeinde Eyguières mit Gefahrenabwehrbescheid (arrêté de péril imminent148) vom 2. Mai 2006 den Teilabriss der Fassade, die Beseitigung von sämtlichem Schutt und die Reparatur der Trennwände an. Am 2. Juli 2007 ordnete das Verwaltungsgericht Marseille eine Sachverständigenbegutachtung an. Anfang des Jahres 2009 stürzte die Ruine ein, ohne dass Arbeiten durchgeführt worden waren. Nachdem Herr Djoudar vergeblich von der Gemeinde Sicherungsmaßnahmen verlangt hatte, beantragte er beim Verwaltungsgericht Marseille auf Grundlage des Art. L521-3 CJA die Anordnung der vom Sachverständigen empfohlenen Sicherungsmaßnahmen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit der Begründung ab, Art. L521-3 CJA gebe ihm nicht die Befugnis zum Erlass der beantragten Anordnung. Der Conseil d’État hob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf und verwies die Sache zurück149. 146  Théry,

concl. zu CE v. 11. Mai 1979, Ripert, AJDA 1980, 106. v. 8. März 2010, Djoudar, Az. 331115, LexisNexis und CE v. 4.  Februar 2011, Djoudar, Az. 342057, LexisNexis. Siehe nachfolgend auch noch CE v. 23. Januar 2012, Djoudar, Az. 350631, LexisNexis. 148  Es gibt auch den arrêté de péril ordinaire. 149  CE v. 8. März 2010, Djoudar, Az. 331115, LexisNexis. In den Entscheidungsgründen heißt es: „saisi sur le fondement de ces dispositions [scil. Art. L511-1 und L521-3 CJA], le juge des référés peut, en l’absence de contestation sérieuse, enjoindre à une commune de prendre les mesures conservatoires de nature à faire 147  CE

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C. Einstweilige Anordnungen

Das Verwaltungsgericht lehnte sodann den Antrag mit anderer Begründung erneut ab, woraufhin der Conseil d’État auch diese Entscheidung aufhob und nunmehr selbst die Anordnung erließ150. In der Entscheidung Alberigo151 aus dem Jahr 2010 wies der Conseil d’État im Wege des référé-mesures-utiles einen Bürgermeister an, innerhalb von 15 Tagen eine Mauer beseitigen zu lassen, die dieser am Eingang eines Appartments als Zutrittsblockade hatte errichten lassen. In der Sache Fathi152 wies er in diesem Wege die Ausländerbehörde ­OFPRA153 an, innerhalb eines Monats über den von Herrn Fathi gestellten Antrag auf Anerkennung des Flüchtlingsstatus zu entscheiden. Ferner sei die Entscheidung Beaumont154 aus dem Jahr 2011 genannt, in welcher der Conseil d’État es mangels besonderer Eilbedürftigkeit im Sinne von Art. L521-2155 zwar ablehnte, eine Strafvollzugsbehörde im Wege des référé-liberté anzuweisen, Funktionsstörungen einer elektronischen Fußfessel zu beheben, den Antragsteller aber auf die Möglichkeit eines référémesures-utiles-Antrags verwies. Zuletzt sei noch ebenfalls aus dem Jahr 2011 die Entscheidung Société H&M156 erwähnt, in der er allgemein ausführt: „pour prévenir ou faire cesser un péril dont il n’est pas sérieusement contestable qu’il trouve sa cause dans l’action ou la carence de l’autorité publique, le juge des référés peut, en cas d’urgence, être saisi […] sur le fondement de l’article L. 521-3 [CJA] […], afin qu’il enjoigne à l’autorité publique, sans faire obstacle à l’exécution d’une décision administrative de prendre des mesures conservatoires destinées à faire échec ou à mettre un terme à ce péril“157. cesser un dommage grave et immédiat imputable à la carence du maire dans l’exercice des pouvoirs de police qui lui sont conférés par le code de la construction et de l’habitation pour faire cesser le péril résultant d’un bâtiment menaçant ruine“. 150  CE v. 4.  Februar 2011, Djoudar, Az.  342057, LexisNexis. Der betreffende Tenor lautet: „Des travaux d’urgence de mise hors d’eau destinés à assurer l’étanchéité du mur séparant le bâtiment occupé par M. Djoudar du fonds sur lequel était implanté le bâtiment en ruine seront réalisés aux frais avancés de la commune d’Eyguières dans un délai de trois mois à compter de la notification de la présente décision.“ 151  CE v. 12. Mai 2010, Alberigo, Az. 333565, legifrance. 152  CE v. 18. Juli 2011, Fathi, Az.  343901, LexisNexis. 153  Office français de protection des réfugiés et apatrides. 154  CE v. 26. Oktober 2011, Beaumont, Az. 350081, LexisNexis. 155  Siehe oben sub 2. b) aa), S. 151 f. 156  CE v. 16. November 2011, Société H&M, Az. 353172, 353173, LexisNexis. Vgl. auch Botteghi, concl. zu CE v. 16. November 2011, Société H&M, RFDA 2012, 269. 157  CE v. 16. November 2011, Société H&M, Az. 353172, 353173, LexisNexis. 149



I. Frankreich165

Die vorstehend aufgeführten Entscheidungen zeigen ein neues, offenes Verständnis vom référé-mesures-utiles, wonach Anordnungen an die Verwaltung in diesem Verfahren prinzipiell zulässig sind158. Damit einher geht eine entsprechende Ausweitung des Anwendungsbereichs dieses Verfahrens. Chauvaux verwendet in seinen Schlussanträgen zur Sache Elissondo Labat treffend die Metapher vom aus kataleptischem Schlaf erweckten Dornröschen159. In der neuen Auslegung kommt einmal mehr das gewandelte Rollenbild der französischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zum Ausdruck. Sie fügt sich ein in die große Linie der Stärkung der Stellung der Gerichte gegenüber der Verwaltung und der Effektivierung des Rechtsschutzes. Zudem wird der beschriebene Widerspruch zwischen dem Verständnis von Art. L521-2 CJA und Art. L521-3 CJA dahingehend aufgelöst, dass nunmehr beide Regelungen als das Verbot von Weisungen à titre principal überwindende Ermächtigungsgrundlagen verstanden werden. Es bleibt allerdings dabei, dass der référé-mesures-utiles subsidiär zum référé-suspension und zum référé-liberté ist („autres mesures“) und nicht die Vollziehung eines Verwaltungsakts behindert werden darf160. Vor allem die Nachrangigkeit gegenüber dem référé-suspension mit seinem weiten Anwendungsbereich inklusive der Aussetzung von ablehnenden Verwaltungsakten und des Erlasses von Handlungsanordnungen161 begrenzt von vornherein die Zahl der Anwendungsfälle des référé-mesures-utiles. Im Verhältnis zum référé-liberté gilt hingegen, dass dieser zwar vorrangig ist, jedoch restriktiv ausgestaltet ist162, so dass für Fallgestaltungen, in denen kein Verwaltungsakt in Rede steht, vom référé-mesures-utiles als Regelverfahren gesprochen werden kann163. 158  Vgl. Guettier, RDP 2005, 521 [522 ff.]; Stahl, concl. zu CE v. 6. Februar 2004, Masier, RFDA 2004, 1170 [1171]; Chauvaux, concl. zu CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, RFDA 2007, 314 [316 ff.]. 159  „Cette voie de droit [scil. der référé-mesures-utiles] a longtemps fait figure de parent pauvre parmi les procédures d’urgence dont les justiciables disposent devant la juridiction administrative. En jugeant qu’elle peut déboucher sur des injonctions à l’administration, vous [scil. der Conseil d’État] lui avez ouvert de nouveaux champs d’application; si nous pouvons hasarder cette image, il n’est pas impossible qu’elle apparaisse un jour, rétrospectivement, comme une Belle au bois dormant réveillée d’un sommeil cataleptique par vos décisions Capellari et Masier.“ (Chauvaux, concl. zu CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, RFDA 2007, 314 [317]). 160  Zu dieser Negativvoraussetzung unten sub b) cc), S. 170 f. 161  Siehe oben sub 1., S. 134 ff. 162  Siehe oben sub 2. b), S. 149 ff. 163  Vgl. auch Botteghi, concl. zu CE v. 16. November 2011, Société H&M, RFDA 2012, 269 [275 f.].

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C. Einstweilige Anordnungen

Ferner gilt es zu beachten, dass die angeordneten Maßnahmen der Natur des einstweiligen Verfahrens entsprechend prinzipiell vorläufiger Natur sein müssen164. Daran scheiterte, wie dargestellt, etwa in der Sache Capellari die Anordnung165, 166. bb) Anordnungen gegenüber Privaten Den Hauptanwendungsfall des référé-mesures-utiles für Anordnungen gegenüber Privaten bilden Räumungsanordnungen gegenüber nichtberechtigten Okkupanten von öffentlichem Eigentum (expulsion d’occupants sans titre du domaine public)167, 168. Ein Bedürfnis für eine solche gerichtliche Anordnung kann bestehen, wenn die Behörde keinen mit Zwangsmitteleinsatz manu militari vollstreckbaren Räumungstitel schaffen kann169. Aber auch dann, wenn sie dies kann, wird in Ausnahme zu der Rechtsprechung Préfet de l’Eure, wonach ein Rechtsbehelf unzulässig ist, mit dem die Verwaltung eine Maßnahme beantragt, die zu ergreifen ihr selbst zukommt170, 164  Vgl. Landais / Lenica, AJDA 2006, 1839 [1840 f.]; Chauvaux, concl. zu CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, RFDA 2007, 314 [316]; Stahl, concl. zu CE v. 6.  Februar 2004, Masier, RFDA 2004, 1170 [1171, 1175 f.]. 165  Vgl. außerdem beispielsweise CE v. 29. Mai 2002, Syndicat „Lutte pénitentiaire“, Az.  247100, LexisNexis – Ablehnung eines Antrags, im Wege des Art. L5213 CJA den Erlass eines texte réglementaire anzuordnen. 166  Die genaue Inhalts- und Reichweitenbestimmung des Vorläufigkeitserfodernisses ist freilich in vielerlei Hinsicht schwierig, was hier nicht vertieft wird (siehe auch bereits zum référé-liberté oben sub 2. c), S. 157). 167  CE v. 7. März 2012, Olivry, Az. 352367, 353056, LexisNexis; CE v. 22. Juli 2011, Nyemb, Az.  345040, LexisNexis; CE v. 24.  Februar 2011, Maisons de retraite de Neuilly-sur-Seine, Az.  342621, LexisNexis; CE v. 22. Oktober 2010, Pustwo, Az. 335051, LexisNexis; CE v. 15. November 2006, Ministre des transports, de l’équipement, du tourisme et de la mer, Az.  293370, Rec. Leb. 2006, 464; CE v. 2. Juni 2006, Chambre de commerce et d’industrie Marseille-Provence, Az. 286465, LexisNexis; CE v. 16. Mai 2003, SARL Icomatex, Az. 249880, Rec. Leb. 2003, 229; CE v. 6. April 2001, Cros Decam et Michel, Az. 230000, Rec. Leb. 2001, 181; CE v. 2. März 1990, Peugnez, Az. 91687, Rec. Leb. 1990, 59; CE v. 28. November 1980, Etablissements Roth, Az.  17732, Rec. Leb. 1980, 446; CE v. 22. Juni 1977, Abadie, Az.  04799, Rec. Leb. 1977, 288. 168  Vgl. auch Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 359; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1615; Frier, AJDA 1980, 67 [68 ff.]; Landais / Lenica, AJDA 2006, 1839 [1839]; Stahl, concl. zu CE v. 6.  Februar 2004, Masier, RFDA 2004, 1170 [1170]. 169  Vgl. Chapus, DAG I (2001), Rn. 1357. 170  CE v. 30. Mai 1913, Préfet de l’Eure, Az.  49241, Rec. Leb. 1913, 583; aus neuerer Zeit CE v. 2. Juli 2007, Commune de Lattes, Az.  294393, LexisNexis. Vgl. aus dem Schrifttum Chapus, Contentieux (2008), Rn. 475 ff.; Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [37]. 155



I. Frankreich167

ein Antrag der Behörde auf Erlass einer gerichtlichen Räumungsanordnung zugelassen. Das hängt wohl damit zusammen, dass die Verwaltung sich auf diese Weise der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Räumung versichern kann171. Außerdem sind die mit einer gerichtlichen Anordnung konfrontierten Betroffenen unter Umständen eher als angesichts nur einer Verwaltungsanordnung zur Räumung ohne Zwangsmitteleinsatz bereit. Als andere Beispiele seien hier noch die Entscheidungen Office public d’habitation à loyers modérés du département de la Seine172 – Anordnung an eine Baufirma, Material zu einer Baustelle zurückzubringen –; Centre hospitalier d’Armentières173 – Anordnung an eine Gesellschaft, einer Klinik medizinische Archive herauszugeben – und Société Assistance conseil informatique professionelle174 – Anordnung an eine Gesellschaft, für die Reparatur von an eine Industrie- und Handelskammer gelieferten Laptops zu sorgen und gegebenenfalls für die Reparaturdauer Ersatzrechner zur Verfügung zu stellen – genannt. Diese Fälle betrafen Streitigkeiten im Zusammenhang mit Verwaltungsverträgen. Hier führte der Conseil d’État aus, dass es dem Verwaltungsrichter nicht zustehe, an die Vertragspartner der Verwaltung Weisungen zu richten, wenn die Verwaltung ihnen gegenüber die notwendigen Befugnisse habe, um die Durchführung des Vertrags sicherzustellen175; anders sei es, wenn die Verwaltung außer kraft einer Gerichtsentscheidung keine Zwangsmöglichkeiten gegenüber ihrem Vertragspartner habe. b) Materielle Anordnungsvoraussetzungen Der référé-mesures-utiles hat vier materielle Anordnungsvoraussetzungen: Es muss Eilbedürftigkeit gegeben sein [sub aa)], die angeordneten Maßnahmen müssen zweckmäßig sein [sub bb)], es darf durch sie nicht die Vollziehung eines Verwaltungsakts behindert werden [sub cc)] und sie dürfen keinem ernstlichem Einwand ausgesetzt sein [sub dd)].

171  Vgl. Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [38]; Chapus, Contentieux (2008), Rn. 483, 1617. 172  CE v. 13. Juli 1956, Office public d’habitation à loyers modérés du département de la Seine, Az.  37656, Rec. Leb. 1956, 343. 173  CE v. 29. Juli 2002, Centre hospitalier d’Armentières, Az.  243500, Rec. Leb. 2002, 307. 174  CE v. 1. März 2012, Société Assistance conseil informatique professionelle, Az.  354628, LexisNexis. 175  In Frankreich hat die Verwaltung beim öffentlich-rechtlichen Vertrag wesentlich weiter gehende einseitige Befugnisse gegenüber dem Vertragspartner als in Deutschlang (vgl. Peiser, Droit administratif (2011), 85 f.).

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C. Einstweilige Anordnungen

aa) Eilbedürftigkeit Erforderlich ist zunächst das Vorliegen eines Eilfalls176, 177, 178. Die Rechtsprechung verwendet grundsätzlich keine allgemeingültige Definition des Begriffs der Eilbedürftigkeit im Sinne von Art. L521-3 CJA, sondern das Vorliegen bzw. Fehlen der Eilbedürftigkeit wird jeweils einzelfallbezogen begründet179. Wie beim référé-liberté180 fragt sich, inwieweit die beim référé-suspension zur Voraussetzung der Eilbedürftigkeit aufgestellten allgemeinen Maßstäbe181 auf den référé-mesures-utiles übertragbar sind182. Im Jahr 2007 übernahm der Conseil d’État in der Sache Bracco183 für Art. L521-3 CJA die Formel von den „hinreichend schwerwiegenden und unmittelbaren Nachteilen“ aus der zu Art. L521-1 CJA ergangenen Entscheidung Confédération nationale des radios libres184, 185. Ferner ist in diesem Zusammenhang die „En cas d’urgence […]“. zu dieser Voraussetzung aus dem Schrifttum mit weiteren Nachweisen Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1621; Landais / Lenica, AJDA 2006, 1839 [1840]; GACA / Cassia, 351 ff. 178  Bei Verfahren wegen nichtberechtigter Okkupation der zone des cinquante pas géométriques (zum domaine public zählender Küstenstreifen in Überseegebieten) ist gemäß Art. L521-3-1 Abs. 1  CJA (eingeführt durch Art. 32 Abs. 4 Gesetz Nr. 2010788 v. 12. Juli 2010, JORF v. 13. Juli 2010, 12922) ausnahmsweise keine Eilbedürftigkeit erforderlich. 179  Vgl. beispielsweise CE v. 24.  Februar 2011, Maisons de retraite de Neuillysur-Seine, Az.  342621, LexisNexis; CE v. 23. Juli 2010, Commune d’Issy-les-Moulineaux, Az.  331419, LexisNexis; CE v. 5. Oktober 2007, Dardashti, Az.  300234, LexisNexis; CE v. 2. Mai 2007, Commune de Cormeilles-en-Parisis, Az. 297239, LexisNexis; CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, Az. 283474, Rec. Leb. 2006, 369 [370]; CE v. 2. Juni 2006, Chambre de commerce et d’industrie Marseille-Provence, Az.  286465, LexisNexis; CE v. 16. Mai 2003, SARL Icomatex, Az.  249880, Rec. Leb. 2003, 229 [230]; CE v. 29. Juli 2002, Centre hospitalier d’Armentières, Az. 243500, Rec. Leb. 2002, 307 [308]; CE v. 29 April 2002, Société Bagger­bedrijf de Boer, Az.  239466, LexisNexis; CE v. 6. April 2001, Cros Decam et Michel, Az. 230000, Rec. Leb. 2001, 181 [182]; CE v. 2. März 1990, Peugnez, Az. 91687, Rec. Leb. 1990, 59 [60]. 180  Siehe oben sub 2. b) aa), S. 149 ff. 181  Siehe oben sub B. II. 1. a) cc), S. 100 ff. 182  Vgl. Landais / Lenica, AJDA 2006, 1839 [1840]; GACA / Cassia, 351 ff. 183  CE v. 13. Juli 2007, Bracco, Az. 297367, LexisNexis. 184  CE v. 19. Januar 2001, Confédération nationale des radios libres, Az. 228815, Rec. Leb. 2001, 29. Dazu oben sub B. II. 1. a) cc) (1), S. 101 f. 185  Die Formulierung „s’agissant de la condition d’urgence à laquelle est notamment subordonné le prononcé des mesures mentionnées à l’article L. 521-3, il appartient au juge des référés d’apprécier concrètement, compte tenu des justifications fournies par le requérant, si la situation portée à sa connaissance est de nature à 176  Art. L521-3 CJA: 177  Vgl.



I. Frankreich169

Entscheidung Société des crématoriums de France186 erwähnenswert. Der Conseil d’État hob darin eine vorinstanzliche Entscheidung wegen eines Rechtsfehlers auf, in der das Fehlen von Eilbedürftigkeit nach Art. L5213 CJA damit begründet worden war, dass durch die angegriffene Öffnung eines Krematoriums durch eine Konkurrentin der Antragsstellerin keine irreversible Situation geschaffen würde. Das erinnert ebenfalls an die Entscheidung Confédération nationale des radios libres, auf die auch der commissaire du gouvernement Glaser in seinen Schlussanträgen Bezug nimmt187. Er sieht für den Fall von Anordnungen gegenüber der Verwaltung keinen Grund für eine vom référé-suspension abweichende Beurteilung der Eilbedürftigkeit188. Dann muss freilich auch die Formel aus der Entscheidung Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement Anwendung finden, wonach die Eilbedürftigkeit „objektiv und global“ im Wege einer Gesamtbetrachtung der widerstreitenden Interessen zu bewerten ist189. Eine solche Interessenabwägung erscheint beim référé-mesures-utiles genauso wie beim référé-suspension durchaus als sinnvoll. Sie kann allerdings genauso wie bei diesem nach hier vertretener Auffassung nicht losgelöst von einer Rechtmäßigkeitsprüfung sein, sondern Rechtmäßigkeitserwägungen fließen in die Abwägung mit ein190. Nach der Rechtsprechung erfolgt die rechtliche Prüfung jedoch erst im Rahmen der Voraussetzung des Fehlens eines ernstlichen Einwands191. porter un préjudice suffisamment grave et immédiat à un intérêt public, à la situation du requérant ou aux intérêts qu’il entend défendre“ in der Entscheidung Bracco ist offenkundig von der Entscheidung Confédération nationale des radios libres inspiriert, in der es heißt: „la condition d’urgence à laquelle est subordonné le prononcé d’une mesure de suspension doit être regardée comme remplie lorsque la décision administrative contestée préjudicie de manière suffisamment grave et immédiate à un intérêt public, à la situation du requérant ou aux intérêts qu’il entend défendre […] il appartient au juge des référés […] d’apprécier concrètement, compte tenu des justifications fournies par le requérant, si les effets de celleci sur la situation de ce dernier ou, le cas échéant, des personnes concernées, sont de nature à caractériser une urgence justifiant que, sans attendre le jugement de la requête au fond, l’exécution de la décision soit suspendue“. 186  CE v. 26. Oktober 2005, Société des crématoriums de France, Az.  279441, Rec. Leb. 2005, 447. 187  Glaser, concl. zu CE v. 26. Oktober 2005, Société des crématoriums de France, AJDA 2006, 161 [161 f.]. 188  Glaser, concl. zu CE v. 26. Oktober 2005, Société des crématoriums de France, AJDA 2006, 161 [162]. 189  CE v. 28. Februar 2001, Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement, Az. 229562 [u. a.], Rec. Leb. 2001, 109. Dazu oben sub B. II. 1. a) cc) (2), S.  103 ff. 190  Siehe die Ausführungen zum Aussetzungsverfahren oben sub B. II. 3. c) cc), S.  129 f. 191  Zu dieser Voraussetzung sogleich sub dd), S. 171 f.

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C. Einstweilige Anordnungen

bb) Zweckmäßigkeit Die angeordneten Maßnahmen müssen ferner laut Art. L521-3 CJA zweckmäßig (utile) sein192. cc) Keine Behinderung der Verwaltungsaktvollziehung Desweiteren darf durch sie nicht die Vollziehung eines Verwaltungsakts behindert werden193. Durch diese Negativvoraussetzung sind die Anordnungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. So ist im Wege des référé-mesuresutiles allgemein keine Aussetzung von Verwaltungsakten möglich194, 195. Das steht in Einklang mit dem subsidiären Charakter dieses Verfahrens („autres mesures“). Für die Aussetzung von Verwaltungsakten ist allgemein das Verfahren nach Art. L521-1 CJA vorgesehen196 und nicht das nach Art. L521-3  CJA197. Allerdings hat der Conseil d’État in der Sache Codorniu im Jahr 1985 entschieden, dass bei einer an eine Privatperson erteilten Baugenehmigung das Verbot der Vollziehungsbehinderung nicht greife198. Die Baugenehmigung sei keine Verwaltungsentscheidung im Sinne des Ausschlusskriteriums „sans faire obstacle à l’exécution d’aucune décision administrative“ in Art. R102  code  TA199. Daher könne der Genehmigungsinhaber trotz bestandskräftiger Baugenehmigung im Wege des référé-mesures-utiles angewiesen werden, die Bauarbeiten einstweilen einzustellen200. Im Jahr 2005 192  Vgl. dazu Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1622; GACA / Cassia, 363 ff.; Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [46 f.]. 193  Art. L521-3 CJA: „[…] sans faire obstacle à l’exécution d’aucune décision administrative.“ 194  Vgl. Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 358; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1623; Dugrip, Cahiers IDEDH Nr. 4 (1995), 3 [42]. 195  Siehe als Rechtsprechungsbeispiel CE v. 30. Dezember 2002, Commune de Pont-Audemer, Az. 248787, LexisNexis – Aufhebung eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts Rouen, mit dem ein Bürgermeister nach Art. L521-3 CJA angewiesen worden war, den Abriss einer alten Gemeindekirche zu unterbrechen. 196  Daneben kann auch über Art. L521-2 CJA eine Aussetzung erreicht werden (siehe oben sub 2. c), S. 155). 197  Vgl. Cassia, Référés d’urgence (2003), Rn. 59; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 69. 198  CE v. 16. Januar 1985, Codorniu, Az. 57106, legifrance. 199  Vorgängervorschrift zu Art. L521-3 CJA. 200  Die Entscheidung Codorniu fügt sich insoweit gut ins allgemeine Bild der damaligen Zeit mit restriktiver Anwendung des référé-mesures-utiles zu Lasten der Verwaltung und offenerer zu ihren Gunsten, als es sich um eine auf Antrag der Verwaltung gegenüber einer Privatperson ergangene Anordnung handelt. In umge-



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hat der Conseil d’État dagegen dann in der Sache Société des crématoriums de France entschieden, dass ein auf Art. L521-3 CJA gestützter Antrag, mit dem die Aussetzung der Öffnung eines Krematoriums begehrt wurde, unzulässig sei, da er die Vollziehung des Bescheids, mit dem die Öffnung genehmigt worden war, behindere201. In den Entscheidungsgründen wird dabei ausdrücklich auf die Möglichkeit eines Vorgehens über Art. L521-1 CJA verwiesen. In der Tat kann nun im Wege des référé-suspension gegen Genehmigungsbescheide vorgegangen werden und darüber auch etwa die Anordnung eines vorläufigen Baustopps erreicht werden. Insoweit gilt dann der Vorrang des Art. L521-1 CJA. Angesichts der nach der Reform von 2000 weiten Konzeption des référé-suspension inklusive der Möglichkeit des Erlasses von einstweiligen Handlungsanordnungen in diesem Verfahren verbleibt für den subsidiären référé-mesures-utiles daher a priori nur ein begrenzter Anwendungsbereich. Die Bestimmung der genauen Reichweite des Verbots der Behinderung der Verwaltungsaktvollziehung und die Abgrenzung von référé-suspension und référé-mesures-utiles können in einzelnen Fällen gleichwohl problematisch sein. In diesem Zusammenhang seien hier nur exemplarisch die Entscheidungen Chambre de commerce et d’industrie Marseille-Provence202 und Elissondo Labat203 erwähnt, nach denen für bestimmte Verwaltungsentscheidungen das Verbot der Vollziehungsbehinderung gemäß Art. L5213 CJA nicht gelte. Diese Thematik wird hier nicht weiter aufgerollt204. dd) Kein ernstlicher Einwand Schließlich darf kein ernstlicher Einwand (contestation sérieuse) gegen die angeordneten Maßnahmen bestehen. Diese Voraussetzung ist in Art. L521-3 CJA nicht genannt, wird aber von der Rechtsprechung als ungekehrter Konstellation (Antrag einer Privatperson gegen die Verwaltung) hätte der Conseil d’État damals wohl schon wegen des angenommenen Weisungsverbots gegenüber der Verwaltung anders entschieden. 201  CE v. 26. Oktober 2005, Société des crématoriums de France, Az.  279441, Rec. Leb. 2005, 447. 202  CE v. 2. Juni 2006, Chambre de commerce et d’industrie Marseille-Provence, Az.  286465, LexisNexis – Räumung einer Flughafenapotheke. 203  CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, Az.  283474, Rec. Leb. 2006, 369 – Abstützung eines einsturzgefährdeten Hauses, siehe auch oben sub a) aa), S. 162. 204  Vgl. dazu noch Botteghi, concl. zu CE v. 16. November 2011, Société H&M, RFDA 2012, 269 [272 f.]; Chauvaux, concl. zu CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, RFDA 2007, 314 [318 f.]; Glaser, concl. zu CE v. 26. Oktober 2005, Société des crématoriums de France, AJDA 2006, 161 [163]; Landais / Lenica, AJDA 2006, 1839 [1841 f.]; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 358; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1623; Broyelle, Contentieux administratif (2011), Rn. 647. 159

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C. Einstweilige Anordnungen

schriebene Voraussetzung verlangt. In ihrem Rahmen erfolgt eine Rechtmäßigkeitsprüfung. Nach der alten Rechtslage bis zur Reform im Jahr 2000 galt im Rahmen des référé-mesures-utiles ausdrücklich das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache („sans faire préjudice au principal“)205. Dies wurde nicht lediglich so verstanden, dass die angeordneten Maßnahmen keine mit der Hauptsacheentscheidung identischen Wirkungen entfalten durften, sondern darüber hinaus weitergehend so interpretiert, dass es dem Richter grundsätzlich insgesamt verwehrt sei, seine Entscheidung auf eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsentscheidung oder der rechtlichen Qualifizierung einer Situation oder eines Verhaltens zu stützen206. Eine Ausnahme hiervon wurde nur dann zugelassen, wenn kein ernstlicher Einwand gegen die Anordnung bestand. Diese Anordnungsvoraussetzung wurde vom Conseil d’État Ende der siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts im Zusammenhang mit zugunsten der Verwaltung erlassenen Räumungsanordnungen gegenüber Privaten207 entwickelt208. Auch nach der Streichung der Einschränkung „sans faire préjudice au principal“ im Gesetzestext im Jahr 2000 hält der Conseil d’État an dem – ursprünglich als Ausnahme zu diesem Verbot entwickelten – Erfordernis des Fehlens eines ernstlichen Einwands fest209, das danach nunmehr eine eigenständige ungeschriebene Anordnungsvoraussetzung bildet210. 205  Art. 1 Gesetz Nr. 55-1557 v. 28. November 1955, JORF v. 1. Dezember 1955, 11646; Art. R102  code TA; Art. R130  code TA / CAA; in den für den Conseil d’État geltenden Vorschriften Art. 34 Abs. 3 Verordnung Nr. 45-1708 v. 31.  Juli 1945, JORF v. 1.  August 1945, 4772, und Art. 27 Abs. 3 Dekret Nr. 63-766 v. 30.  Juli 1963, JORF v. 1. August 1963, 7110, heißt es: „Sa [scil. des Präsidenten der section du contentieux] décision ne peut préjuger du / le fond“. 206  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1625; Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [948]; Gourdou / Bourrel, Référés d’urgence (2002), 69 f. 207  Siehe dazu oben sub a) bb), S. 166 f. 208  CE v. 22. Juni 1977, Abadie, Az.  04799, Rec. Leb. 1977, 288; CE v. 3. März 1978, Lecoq, Az. 06079, Rec. Leb. 1978, 116; später etwa CE v. 2. März 1990, Peugnez, Az. 91687, Rec. Leb. 1990, 59. 209  Etwa CE v. 6. April 2001, Cros Decam et Michel, Az. 230000, Rec. Leb. 2001, 181; CE v. 29. Juli 2002, Centre hospitalier d’Armentières, Az.  243500, Rec. Leb. 2002, 307; CE v. 16. Mai 2003, SARL Icomatex, Az. 249880, Rec. Leb. 2003, 229; CE v. 6.  Februar 2004, Masier, Az.  256719, Rec. Leb. 2004, 45; CE v. 23. September 2005, Commune de Cannes, Az. 278033, LexisNexis; CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, Az. 283474, Rec. Leb. 2006, 369; CE v. 18. Februar 2008, Fédération nationale des transports routiers, Az. 312534, LexisNexis; CE v. 12. Mai 2010, Alberigo, Az. 333565, legifrance; CE v. 22. Juli 2011, Nyemb, Az. 345040, LexisNexis. 210  Vgl. aus dem Schrifttum Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1627; Landais / Lenica, AJDA 2006, 1839 [1842 f.]. Vgl. ferner Botteghi, concl. zu CE v. 16. November 2011, Société H&M, RFDA 2012, 269 [272].



II. Deutschland173

II. Deutschland In Deutschland ist die einstweilige Anordnung in § 123 VwGO geregelt. Ferner existiert für den Erlass von einstweiligen Anordnungen im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren noch § 47 Abs. 6 VwGO211. 1. Anwendungsbereich des § 123 VwGO Die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO ist subsidiär zum vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 80, 80 a VwGO. Das bestimmt § 123 Abs. 5 VwGO. Danach ist in den Fällen der §§ 80, 80 a VwGO der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO grundsätzlich ausgeschlossen212. Die Verwaltungsaktaussetzung und die einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO sind also allgemein nicht parallel nebeneinander möglich, sondern stehen in einem Exklusivitätsverhältnis, wobei die §§ 80, 80a VwGO vorrangig sind. Die Abgrenzung richtet sich nach der für das Hauptsacheverfahren statthaften Klageart213. Handelt es sich dabei um eine Anfechtungsklage, sind die §§ 80, 80 a VwGO einschlägig, bei allen anderen Klagearten ist hingegen § 123 VwGO statthaft214, 215, 216. Dieser hat damit, obwohl subsidiär, ein weites, vielfältiges Anwendungsfeld von Verpflichtungsklage-, über allgemeine Leistungsklage- bis zu Feststellungsklage-Konstellationen. Überdies kann in bestimmten Ausnahmefällen trotz prinzipieller Anwendbarkeit von §§ 80, 80a VwGO doch auch ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft sein, wenn über die Anwendung der §§ 80, 80a VwGO nicht der von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG geforderte effektive Rechtsschutz ermöglicht würde217. 2. Anordnungsarten § 123 VwGO unterscheidet zwei Anordnungsarten: die sogenannte Sicherungsanordnung gemäß Abs. 1 S. 1 und die sogenannte Regelungsanordnung 211  Auf diese Art des einstweiligen Rechtsschutzes wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht näher eingegangen. 212  Hufen, Verwaltungsprozessrecht (2011), 462. 213  Vgl. Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 27 ff. mit Fallgruppen. 214  Bzw. im Normenkontrollverfahren § 47 Abs. 6 VwGO. 215  Hufen, Verwaltungsprozessrecht (2011), 464, 489; Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 1025. 216  So ist die Lückenlosigkeit des verwaltungsgerichtlichen einstweiligen Rechtsschutzes gewährleistet (Schoch, Jura 2002, 318 [320]). 217  Vgl. VGH Kassel v. 2. August 1995, Az. 4 UE 632 / 95, NVwZ-RR 1996, 317 [juris-Rn. 18]; Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 29; VGH Mannheim v. 15. Oktober 2003, Az. 13 S 1618 / 03, VBlBW 2004, 154. Diese Thematik wird hier nicht vertieft.

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C. Einstweilige Anordnungen

gemäß Abs. 1 S. 2. Hierbei wird deutlich, dass sich der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 123 VwGO von den Regelungen zur einstweiligen Verfügung in der ZPO hat leiten lassen218, 219. § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO entspricht weitgehend § 935 ZPO und § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist fast identisch mit § 940 ZPO. Grundsätzlich geht es bei der Sicherungsanordnung um den vorläufigen Erhalt eines bestehenden Zustands, während die Regelungsanordnung der vorläufigen Erweiterung einer Rechtsposition bzw. Veränderung des status quo dient220. Die genaue Abgrenzung und Unterscheidung der Anordnungsarten bereitet allerdings erhebliche Schwierigkeiten221. Nach hier vertretener Auffassung ist die Abgrenzung jedoch ohne praktische Relevanz, da die Anordnungsvoraussetzungen bei beiden Arten gleich sind222. Dementsprechend muss bei der Prüfung eines Antrags nach § 123 VwGO nicht entschieden werden, welche Anordnungsart anwendbar ist, und differenzieren die Gerichte diesbezüglich häufig nicht223. Als weitere Anordnungsart neben der Sicherungs- und der Regelungsanordnung wird teilweise noch die sogenannte Leistungsanordnung aufgeführt224. Dabei handelt es sich nach hier vertretener Auffassung allerdings lediglich um einen Unterfall der Regelungsanordnung225. 3. Materielle Anordnungsvoraussetzungen Für eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO müssen ein Anordnungsanspruch [sub a)] und ein Anordnungsgrund [sub b)] glaubhaft gemacht sein [sub c)], wobei die einzelnen Faktoren in einem komplexen Wechselspiel stehen [sub d)].

218  Schoch / Schneider / Bier / Schoch,

§ 123 Rn. 5. spricht von einem „Kind des zivilgerichtlichen Verfahrens“ (Rohmeyer, Einstweilige Anordnung (1967), 33). 220  Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 42; Hufen, Verwaltungsprozessrecht (2011), 487, 492 f.; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht (2011), Rn. 539 f. 221  Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 1025; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht (2011), Rn. 541. 222  Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 43 ff. mit zahlreichen Nachweisen zum Streit um die Abgrenzung und zu Gegenansichten. 223  Vgl. beispielsweise etwa BVerwG v. 27.  November 1981, Az.  8 B 184.81, NVwZ 1982, 193; VGH Kassel v. 11. Mai 1995, Az. 6 TG 331 / 95, NVwZ-RR 1996, 105; OVG Hamburg v. 3.  März 1992, Az.  BS VI 10 / 92, NVwZ-RR 1993, 53. 224  Rohmeyer, Einstweilige Anordnung (1967), 165  ff.; Pietzner / Ronellenfitsch, Assessorexamen (2010), 529, 539 f. 225  Vgl. Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 51; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht (2011), Rn. 541 Fn. 125. 219  Rohmeyer



II. Deutschland175

a) Anordnungsanspruch Das Erfordernis eines sogenannten Anordnungsanspruchs ist im Wortlaut des § 123 unmittelbar nicht erwähnt, ergibt sich aber über § 123 Abs. 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2 ZPO226. Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird227. Das ist der Anspruch, den der Antragsteller als Kläger im (potentiellen) Hauptsacheverfahren geltend macht228. Entsprechend dem weiten Anwendungsbereich des § 123 VwGO229 können dies verschiedenste, mit allen Klagearten außer der Anfechtungsklage zu verfolgende materiellrechtliche Anspruchsarten wie beispielsweise Ansprüche auf Erteilung einer Genehmigung, Ansprüche auf Leistungserbringung, Feststellungsansprüche etc. sein. b) Anordnungsgrund Desweiteren muss ein sogenannter Anordnungsgrund gegeben sein. Das bedeutet allgemein gesagt, dass Eilbedürftigkeit bestehen muss und der Antragsteller aufgrund dessen ein spezifisches Interesse an einer Entscheidung gerade im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes haben und ihm ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten sein muss230. In § 123 VwGO ist in Abs. 1 S. 1 für die Sicherungsanordnung als Anordnungsgrund die Gefahr der Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung der Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers durch Veränderung eines bestehenden Zustands genannt. In Abs. 1 S. 2 sind für die Regelungsanordnung die Abwendung wesentlicher Nachteile und die Verhinderung drohender Gewalt als – nicht abschließende231 – Anordnungsgründe aufgeführt. c) Glaubhaftmachung Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein, § 123 Abs. 3 VwGO iVm  § 920 Abs. 2 ZPO. Das bedeutet im We226  Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 76; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 62. 227  OVG Schleswig v. 30.  Dezember 1993, Az.  4 M 129 / 93, NVwZ 1994, 590 [juris-Rn. 7]; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 69; Mückl, JA 2000, 329 [332]. 228  Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 77; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht (2011), Rn. 546. 229  Siehe oben sub 1., S. 173. 230  Mückl, JA 2000, 329 [333]; Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 80; Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 1032. 231  „Oder aus anderen Gründen“.

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C. Einstweilige Anordnungen

sentlichen, dass für die Entscheidungsfindung keine volle richterliche Überzeugung im Sinne von § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO erforderlich ist. Damit wird der besonderen Situation im einstweiligen Verfahren Rechnung getragen. Prägendes Wesensmerkmal dieser Verfahrensart ist, dass die gerichtliche Entscheidung regelmäßig unter Zeitdruck gefällt werden muss. Damit geht häufig einher, dass in der Kürze der Zeit keine vollständige und abschließende Aufklärung aller relevanten Umstände möglich ist. Angesichts dessen sind die Anforderungen an das Beweismaß zur richterlichen Überzeugungsbildung reduziert und gilt anders als im Hauptsacheverfahren nicht der Vollbeweis232. Das ist der Hintergrund des Maßstabs der Glaubhaftmachung bei der verwaltungsgerichtlichen einstweiligen Anordnung. Die Verweisung in § 123 Abs. 3 VwGO auf § 920 Abs. 2 ZPO und der Terminus der „Glaubhaftmachung“ dürfen indessen nicht dahingehend missverstanden werden, dass damit der zivilprozessuale Beibringungsgrundsatz Anwendung findet233. Vielmehr gilt auch bei § 123 VwGO der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 86 VwGO234. Danach hat das Gericht die entscheidungserheblichen Umstände von Amts wegen zu ermitteln, wobei jedoch die Mitwirkung der Beteiligten235 im Eilverfahren erhöhte Bedeutung gewinnt236. Der mit dem Begriff der Glaubhaftmachung bezeichnete Entscheidungsmaßstab, nach dem eine bloß summarische Prüfung ausreichend sein kann, gilt jedenfalls für die Sachverhaltsermittlung hinsichtlich der für den Anordnungsanspruch und -grund relevanten Tatsachen. Ob über die Tatsachenermittlung hinaus dem Gericht im einstweiligen Verfahren auch bezüglich Rechtsfragen eine bloß summarische Prüfung gestattet sein kann, ist umstritten. Nach einer Auffassung ist eine summarische Prüfung nur bezüglich Tatsachenfragen zulässig und sind die sich stellenden Rechtsfragen stets vollumfänglich und abschließend zu prüfen237. Nach hier vertretener Auffassung kann jedoch in bestimmten Konstellationen eine Beschränkung auf eine bloß summarische rechtliche Würdigung zulässig sein238. Damit ist 232  Vgl.

Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 87 ff. § 123 Rn. 95; Sodan / Ziekow / Puttler, § 123

233  Schoch / Schneider / Bier / Schoch,

Rn. 90. 234  BVerfG v. 31.  März 2004, Az.  1 BvR 356 / 04, NVwZ 2004, 1112 [jurisRn. 24]; Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 95; Schoch, Jura 2002, 318 [323]; Mückl, JA 2000, 329 [334]. 235  § 86 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 VwGO. 236  Mückl, JA 2000, 329 [334]; vgl. auch VGH München v. 15. März 2001, Az.  10 ZE 01.320, NVwZ-RR 2001, 477 [juris-Rn. 5]. 237  Vgl. etwa Schoch, Jura 2002, 318 [323]; Mückl, JA 2000, 329 [332, 333]. 238  Vgl. etwa BVerwG v. 11.  Januar 2001, Az.  11 VR 16.00, DVBl. 2001, 402 [juris-Rn. 14]; Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 89; Kopp / Schenke, § 123 Rn. 24.



II. Deutschland177

nicht gemeint, dass sich das Gericht im Rahmen des § 123 VwGO pauschal darauf beschränken darf239. Soweit ihm innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit eine umfassende rechtliche Prüfung möglich ist, hat es diese auch durchzuführen. In der gerichtlichen Praxis bereitet dies häufig keine Probleme. Es gibt aber durchaus doch auch Konstellationen, in denen sich äußerst komplexe Rechtsfragen stellen und zugleich innerhalb kürzester Zeit der Eintritt von schweren, irreversiblen Nachteilen droht. In derartigen Fällen kann das Gericht schon von Verfassungs wegen – effektiver Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG – gehalten sein, auf eine zeitaufwendige abschließende Prüfung der Rechtslage zu verzichten und einstweiligen Rechtsschutz auf Grundlage einer bloß summarischen rechtlichen Würdigung zu gewähren240. In Extremfällen kann das Gericht sogar ganz auf eine Rechtmäßigkeitsprüfung verzichten und die Eilentscheidung allein an der Folgenbetrachtung ausrichten. Unter Umständen kann zum Zeitgewinn auch der Erlass eines sogenannten Hängebeschlusses241 geboten sein; ein solcher ist aber nicht immer möglich. Welcher Überzeugungsgrad für die Glaubhaftmachung im Sinne von § 123 VwGO erforderlich ist, lässt sich insgesamt nicht allgemeingültig beantworten, sondern ist abhängig vom individuellen Zusammenwirken der einzelnen Entscheidungsfaktoren im jeweiligen Einzelfall242, 243. d) Verknüpfung, Interdependenzen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind Kumulativvoraussetzungen. Sie können allerdings nach hier vertretener Auffassung nicht getrennt voneinander gesehen werden, sondern es bestehen Interdependenzen dergestalt, dass die individuelle Ausprägung der einen Voraussetzung Auswirkungen auf die Anforderungen, die an die andere zu stellen sind, haben kann. Die Situation stellt sich im Grundsatz nicht anders dar als bei § 80 Abs. 5 VwGO. Die maßgeblichen inhaltlichen Entscheidungskriterien der beiden 239  Das gilt übrigens genauso für die Tatsachenermittlung. Wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt vor der Entscheidung im einstweiligen Verfahren ohne weiteres umfassend und definitiv feststellbar ist, gibt es keinen rechtfertigenden Grund dafür, es dennoch bei einer lediglich summarischen Prüfung zu belassen (vgl. auch BVerfG v. 31.  März 2004, Az.  1 BvR 356 / 04, NVwZ 2004, 1112 [jurisRn. 24]). 240  Vgl. Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 89; Kopp / Schenke, § 123 Rn. 24. 241  Zu diesem Institut MacLean, LKV 2001, 107; Guckelberger, NVwZ 2001, 275; Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 120; Kopp / Schenke, § 123 Rn. 29; Schoch /  Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 163. 242  Vgl. Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 89. 243  Dazu sogleich.

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C. Einstweilige Anordnungen

Vorschriften entsprechen sich: Wie beim Anordnungsanspruch des § 123 VwGO werden auch bei § 80 Abs. 5 VwGO die Erfolgsaussichten in der Hauptsache geprüft, und der Anordnungsgrund gemäß § 123 VwGO hat sein Pendant in der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Folgenbetrachtung244. Ebenso wie die Faktoren der Abwägungsentscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO bilden auch die materiellen Voraussetzungen des § 123 VwGO ein „bewegliches System“ (Schenke)245. Die genaue Funktionsweise und die Regeln dieses Systems können hier nicht im Einzelnen beleuchtet werden246, 247. An dieser Stelle sei nur gesagt, dass die Regeln der Entscheidungsfindung in dem beweglichen System nicht zuletzt auch durch verfassungsrechtliche Vorgaben mitgesteuert werden. Die Gerichte müssen bei Auslegung und Anwendung des § 123 VwGO dem verfassungsrechtlichen Gebot des effektiven Rechtsschutzes und den materiellen Grundrechten Rechnung tragen248. Danach ist, wenn dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über den Randbereich hinausgehende Grundrechtsverletzung droht, die durch die Hauptsacheentscheidung nicht mehr beseitigt werden kann, regelmäßig einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen249. Aus Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG folgt, dass der gerichtliche Rechtsschutz namentlich im Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Verwaltungsmaßnahme bei endgültiger richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht 244  Zum

Maßstab bei § 80 Abs. 5 VwGO oben sub B. II. 2. c), S. 124 f. Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 1033. 246  Siehe bereits zu § 80 Abs. 5 VwGO oben sub B. II. 2. c), S. 124. 247  Nach Auffassung des Verfassers besteht auf diesem Gebiet auch noch Forschungs- bzw. Systematisierungsbedarf. Vgl. bereits grundlegend zum einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz (1988) sowie aus neuerer Zeit Windthorst, Einstweiliger Rechtsschutz (2009). 248  BVerfG v. 25. Oktober 1988, Az. 2 BvR 745 / 88, BVerfGE 79, 69 [74]; BVerfG v. 27.  Oktober 1995, Az.  2 BvR 384 / 95, DVBl. 1996, 196 [juris-Rn. 53]; BVerfG v. 25.  Juli 1996, Az.  1 BvR 638 / 96, NVwZ 1997, 479 [juris-Rn. 15]; BVerfG v. 24.  Juni 2002, Dosenpfand, Az.  1 BvR 575 / 02, NVwZ 2002, 1230 [juris-Rn. 44]; BVerfG v. 31. März 2004, Az. 1 BvR 356 / 04, NVwZ 2004, 1112 [juris-Rn. 19]. Vgl. auch BVerfG v. 24.  September 2002, Az.  2 BvR 857 / 02, DVBl. 2002, 1633 [jurisRn. 10]; BVerfG v. 9.  Juli 2007, Az.  2 BvR 206 / 07, NVwZ 2007, 1178 [jurisRn. 16]; BVerfG v. 27.  August 2010, Az.  2 BvR 130 / 10, NVwZ 2011, 35 [jurisRn. 31]. 249  BVerfG v. 25. Oktober 1988, Az. 2 BvR 745 / 88, BVerfGE 79, 69 [75]; BVerfG v. 27.  Oktober 1995, Az.  2 BvR 384 / 95, DVBl. 1996, 196 [juris-Rn. 54]; BVerfG v. 24.  September 2002, Az.  2 BvR 857 / 02, DVBl. 2002, 1633 [juris-Rn. 10]; BVerfG v. 11. März 2005, Az. 1 BvR 2298 / 04, NVwZ-RR 2005, 442 [juris-Rn. 15]; BVerfG v. 9.  Juli 2007, Az.  2 BvR 206 / 07, NVwZ 2007, 1178 [juris-Rn. 16]. 245  Schenke,



II. Deutschland179

mehr rückgängig gemacht werden können250. Je schwerer die sich aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen, je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtspositionen zurückgestellt werden251. Angesichts dessen erscheint es etwa bedenklich, wenn Schoch verlangt, dass für die Bejahung des Anordnungsanspruchs bei der Sicherungsanordnung der Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren mindestens ebenso wahrscheinlich wie der Misserfolg sein müsse und bei der Regelungsanordnung überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen müssten252, 253. 4. Anordnungsinhalte Was die möglichen Inhalte von Sicherungs- bzw. Regelungsanordnungen anbelangt, macht das Gesetz diesbezüglich keine konkreten Vorgaben, sondern besteht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO iVm § 938 Abs. 1 ZPO weitreichende richterliche Gestaltungsbefugnis254. Diese ist freilich nicht mit rechtlich ungesteuerter Beliebigkeit zu verwechseln und nicht unbegrenzt. So ist das Gericht etwa nach § 88 VwGO analog an das Antragsbegehren gebunden255. Der jeweilige Anordnungsinhalt ist am Rechtsschutzziel des 250  BVerfG v. 28.  September 2009, Az.  1 BvR 1702 / 09, NVwZ-RR 2009, 945 [juris-Rn. 12]; BVerfG v. 27.  August 2010, Az.  2 BvR 130 / 10, NVwZ 2011, 35 [juris-Rn. 31]. 251  BVerfG v. 11.  März 2005, Az.  1 BvR 2298 / 04, NVwZ-RR 2005, 442 [jurisRn. 15]; BVerfG v. 25.  Juli 1996, Az.  1 BvR 638 / 96, NVwZ 1997, 479 [jurisRn. 15]; BVerfG v. 31.  März 2004, Az.  1 BvR 356 / 04, NVwZ 2004, 1112 [jurisRn. 19]. Vgl. auch BVerfG v. 27.  Oktober 1995, Az.  2 BvR 384 / 95, DVBl. 1996, 196 [juris-Rn. 52]; BVerfG v. 27. August 2010, Az.  2 BvR 130 / 10, NVwZ 2011, 35 [juris-Rn. 31]; BVerfG v. 25. Februar 2009, Elektrorollstuhl, Az. 1 BvR 120 / 09, NZS 2009, 674 [juris-Rn. 11] (zu sozialgerichtlichem Eilverfahren); BVerfG v. 18. Juli 1973, Palästinenserbeschluss, Az.  1 BvR 23, 155 / 73, BVerfGE 35, 382 [402] (zu § 80 VwGO). 252  Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 70, 74; Schoch, Jura 2002, 318 [324]. 253  Vgl. weiterführend etwa noch VGH München v. 10.  November 1997, Az.  4 CE 97.3392, BayVBl. 1998, 209 [juris-Rn. 14 ff.]; BVerfG v. 13. Juni 1979, Grundschulauflösung, Az.  1 BvR 699 / 77, BVerfGE 51, 268 [280 f., 286]; Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 6 ff., 94 ff.; Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 1033; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht (2011), Rn. 548 f. 254  Vgl. dazu Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 133 ff.; Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 109 ff. 255  Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 134; a. A. HessStGH v. 17. Januar 1991, Az.  P St. 1119 e. V., NVwZ 1991, 561 [563 f.].

180

C. Einstweilige Anordnungen

Antragsstellers auszurichten256. Ferner sind Zweck und Charakter der Entscheidung im einstweiligen Verfahren im Unterschied zum Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Danach können die Anordnungen grundsätzlich nur auf vorläufige Maßnahmen bzw. Feststellungen bis (längstens) zur Hauptsacheentscheidung gerichtet sein. Ausnahmsweise können allerdings aufgrund von Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG auch endgültige, für die Zukunft irreversible Anordnungen, welche die Hauptsacheentscheidung abschließend vorwegnehmen und letztlich überflüssig machen, zulässig und geboten sein, wenn anders effektiver Rechtsschutz nicht zu erreichen ist257.

III. Gegenüberstellung 1. Verfahrensarten Bei der vergleichenden Gegenüberstellung der vorstehend behandelten Verfahrensarten und Anordnungsmöglichkeiten fällt zunächst ins Auge, dass für die vielfältigen Fallgestaltungen von einstweiligen Anordnungen, die in Deutschland einheitlich in den Anwendungsbereich des § 123 VwGO fallen, in Frankreich unterschiedliche Verfahren existieren. Im deutschen Recht erfasst § 123 VwGO alle Konstellationen, die nicht über die §§ 80, 80a und 47 Abs. 6 VwGO abgedeckt sind, und erfüllt eine Auffangfunktion. Im französischen Recht hat der in Art. L521-3 CJA geregelte référé-mesures-utiles ebenfalls eine Auffangfunktion gegenüber den 256  Sodan / Ziekow / Puttler,

§ 123 Rn. 111. dieser Stelle wird nicht weiter auf den Problemkreis der sogenannten Vorwegnahme der Hauptsache und die zahlreichen in diesem Zusammenhang umstrittenen und diskutierten Aspekte eingegangen (vgl. nur mit umfangreichen Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 141 ff.; Schoch, Jura 2002, 318 [326 f.]; Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 11, 102  ff.; Kopp / Schenke, § 123 Rn. 13 f.; Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 1034 ff.; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht (2011), Rn. 550 f.; Hufen, Verwaltungsprozessrecht (2011), 494). Ebenfalls nicht behandelt wird hier die Problematik der sogenannten Überschreitung der Hauptsache insbesondere in Fällen, in denen die Verwaltung einen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum hat und in der Hauptsache ein Bescheidungsurteil nach § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO ergeht (vgl. dazu mit umfangreichen weiteren Nachweisen Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 140, 158 ff.; Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 12, 106 ff.; Kopp / Schenke, § 123 Rn. 12, 28; Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 1038; Mückl, JA 2000, 329 [334 f.]). Desweiteren wird hier auch nicht darauf eingegangen, ob und inwieweit das Gericht in der einstweiligen Anordnung selbst unmittelbar Maßnahmen treffen kann oder lediglich die Verwaltung dazu verpflichten kann (vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Schoch / Schneider / Bier / Schoch, § 123 Rn. 163; Sodan / Ziekow / Puttler, § 123 Rn. 118; Schenke, Verwaltungsprozessrecht (2012), Rn. 1034). 257  An



III. Gegenüberstellung181

Art. L521-1 und L521-2 CJA. Beide Verfahren haben Subsidiärcharakter. Das Anwendungsfeld von § 123 VwGO ist indessen ungleich größer als das des référé-mesures-utiles. Das gilt unabhängig von der aktuell zu beobachtenden Tendenz zur Öffnung dieses Verfahrens258, weil die Reichweite der jeweils vorrangigen Regelungen in den beiden Ländern voneinander abweicht. Im deutschen Recht sind die §§ 80, 80a VwGO auf einstweiligen Rechtsschutz in Anfechtungsklage-Konstellationen beschränkt und betrifft § 47 Abs. 6 VwGO lediglich Normenkontrollverfahren, so dass ein breites Spektrum für § 123 VwGO verbleibt, wobei insbesondere Verpflichtungsklage-Konstellationen häufige Anwendungsfälle bilden. Im französischen Recht sind diese dagegen bereits über den référé-suspension erfasst. Dieser bildet das Regelverfahren für sämtliche im Zusammenhang mit Verwaltungsakten stehenden einstweiligen Anordnungen. Ihm kommt dementsprechend zentrale Bedeutung im französischen System der einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu. Der référé-mesures-utiles wird demgegenüber generell nur in Situationen relevant, in denen kein Verwaltungsakt in Rede steht. Der référé-liberté nimmt als spezielles Eilverfahren zum Grundrechtsschutz eine Sonderstellung ein. Er kann sowohl in Fällen, in denen es um einen Verwaltungsakt geht, wie auch bei allen anderen Arten des Verwaltungshandelns zum Tragen kommen und hat insoweit Überschneidungen sowohl mit dem référé-suspension als auch mit dem référé-mesures-utiles. Im deutschen Verwaltungsprozessrecht existiert kein ihm entsprechendes eigenes Institut zum Grundrechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte. Dieser Schutz kann allerdings genauso effektiv über die allgemeinen Institute der §§ 80, 80a, 123 VwGO gewährleistet werden. Bei besonderer Dringlichkeit können auf diesem Weg innerhalb kürzester Zeit einstweilige Anordnungen ergehen259. Das Gericht hat bei Eingang des Eilantrags den Dringlichkeitsgrad zu prüfen und, falls dies zur Rechtsschutzwahrung erforderlich ist, schnellstmöglich die einstweilige Anordnung zu erlassen. Der gesetzlichen Fixierung einer bestimmten Entscheidungsfrist wie den für den référé-liberté in Art. L521-2 S. 2  CJA vorgesehenen 48 Stunden bedarf es danach nicht, sondern vielmehr bemisst sich die Entscheidungsfrist für das Gericht flexibel nach dem jeweiligen Dringlichkeitsgrad im Einzelfall. Insgesamt erscheint auf Grundlage des deutschen Rechts ein eigenes Eilverfahren zum Grundrechtsschutz wie der référé-liberté angesichts der umfassenden Rechtsschutzgewährleistung über die §§ 80, 80a, 123 VwGO verzichtbar. 258  Siehe

oben sub I. 3. a) aa), S. 161 ff. kann dies auch schon vor der Klageerhebung in der Hauptsache geschehen, siehe ausdrücklich § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO und § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO. 259  Insbesondere

159

182

C. Einstweilige Anordnungen

Im übrigen ist letztlich auch auf Grundlage des französischen Rechts effektiver Eil-Grundrechtsschutz unabhängig vom référé-liberté bereits über den référé-suspension und den référé-mesures-utiles möglich. Auch in diesen beiden Verfahren kann erforderlichenfalls innerhalb von 48 Stunden (oder schneller) eine Entscheidung getroffen werden. Gegenüber dem référésuspension besteht eine prozessuale Erleichterung beim référé-liberté lediglich darin, dass er unabhängig von einer Klageerhebung in der Hauptsache ist260 und in den Fällen, in denen es ein der Hauptsacheklage vorgeschaltetes obligatorisches behördliches Vorverfahren gibt261, dieses nicht eingeleitet sein muss262. Die Notwendigkeit der Existenz eines gesonderten Eilverfahrens zum Grundrechtsschutz lässt sich nach dem Vorstehenden also bezweifeln. Ungeachtet der Frage, ob es den référé-liberté neben den anderen Verfahren geben „muss“, ist gleichwohl die mit seiner Einführung verbundene Signalwirkung nicht zu unterschätzen. Dies wird umso mehr deutlich, wenn man sich nochmals die lange französische Historie der stark objektivrechtlich geprägten Grundkonzeption der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den damit traditionell verbundenen restriktiven Charakter der verwaltungsgerichtlichen einstweiligen Verfahren in Frankreich vergegenwärtigt. Vor diesem Hintergrund bedeutet die Einführung eines klar auf den Schutz subjektiver Rechte ausgerichteten Verfahrens wie dem référé-liberté ein starkes gesetzgeberisches Signal. So betrachtet ist der référé-liberté alles andere als überflüssig, sondern der Gesetzgeber bringt mit seiner Schaffung den Willen zu einer stärkeren Betonung des Individualrechtsschutzes zum Ausdruck, was auch Ausstrahlungswirkung auf die Handhabung der übrigen Verfahren hat, wie etwa beim référé-mesures-utiles deutlich wird263. Am référé-mesures-utiles zeigt sich, wie sehr die Auslegung und Anwendung einer gesetzlichen Regelung vom jeweiligen Grundverständnis der 260  Beim référé-suspension muss bis zur Entscheidung über den Eilantrag Hauptsacheklage erhoben sein (siehe oben C. Fn. 51). 261  Zu den obligatorischen behördlichen Vorverfahren in Frankreich Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 497 ff.; Bonichot, FS Labetoulle (2007), 81; speziell zum Rechtsvergleich mit dem deutschen Recht Prévédourou, Recours administratifs obligatoires (1996). 262  Für den référé-suspension muss es eingeleitet sein, jedoch nicht sein Abschluss abgewartet werden, wobei der Conseil d’État allerdings verlangt, dass die Eilbedürftigkeit die Anrufung des Gerichts und Aussetzung bereits vor dem Abschluss des Vorverfahrens rechtfertigen muss (CE v. 12. Oktober 2001, Société Produits Roche, Az.  237376, Rec. Leb. 2001, 463; CE v. 3. April 2008, Dotse, Az. 314202, LexisNexis; CE v. 23. Mai 2008, Mesones Alvarez, Az. 315795, LexisNexis). 263  Siehe oben sub I. 3. a) aa), S. 161 ff. 159



III. Gegenüberstellung183

Rolle der Verwaltungsgerichte geprägt ist und wie sich mit einem Wandel dieses Verständnisses trotz fast264 gleichgebliebenen Gesetzeswortlauts auch dessen Handhabung ändert. Die gesetzlichen Vorschriften sind eingebettet in ein dynamisches Gesamtsystem zu sehen, dessen Grundsätze und Regeln vom Gesetzgeber bestimmt und durch Rechtsprechung und wissenschaft­ liches Schrifttum ausgefüllt, konkretisiert und weiterentwickelt werden. In diesem Zusammenhang haben gesetzgeberische Impulse wie die Neueinführung des référé-liberté über die jeweilige Einzelvorschrift hinausreichende Bedeutung für das Gesamtsystem und beeinflussen die Auslegung und Anwendung anderer Vorschriften. Diese Hintergründe sind bei der rechtsvergleichenden Gegenüberstellung der französischen und deutschen Verfahrensarten zu berücksichtigen. Dann kann nachvollzogen werden, dass einerseits zwar im deutschen Recht kein Bedarf für ein spezielles Grundrechtsschutz-Eilverfahren besteht, es andererseits aber im französischen Recht durchaus sinnhaft ist. In Deutschland ist ein solches Verfahren angesichts der schon lange von der Individualrechtsschutzkonzeption geprägten allgemeinen Institute überflüssig. In Frankreich hingegen hat seine Schaffung im Kontext des aktuell stattfindenden Systemwandels vom traditionellen, primär objektivrechtlichen Grundverständnis hin zu einer stärker individualrechtlichen Ausrichtung ihren guten Sinn. Insoweit ist es auch nicht generell „besser“ oder „schlechter“, dass es für die Fallgestaltungen, für die in Deutschland einheitlich § 123 VwGO einschlägig ist, in Frankreich gleich drei unterschiedliche Verfahren (référésuspension, référé-liberté, référé-mesures-utiles) gibt, sondern dies ist Ausdruck und Ergebnis der spezifischen Rechtsentwicklung der beiden Länder. 2. Rechtsnatur einstweiliger Anordnungen Vor diesem Hintergrund ist auch die aus deutscher Perspektive überraschende Einordnung von einstweiligen Handlungsanordnungen im Rahmen des référé-suspension265 zu verstehen. Dass im Wege des Art. L521-1 CJA die Vollziehungsaussetzung (suspension de l’exécution) von ablehnenden Verwaltungsakten möglich ist und dann einstweilige Handlungsanordnungen eine bloße Aussetzungsfolge bilden266, ist ebenfalls Resultat der spezifischen Rechtsentwicklung in Frankreich mit dem Gesetz vom 8. Februar 1995267. 264  Streichung des Passus „sans faire préjudice au principal“ bei der Reform im Jahr 2000. 265  Siehe oben sub I. 1., S. 134 ff. 266  Siehe oben sub I. 1. a) ee) (1), S. 141 ff. 267  Siehe oben sub I. 1. a) (bb), S. 137 f.

184

C. Einstweilige Anordnungen

Das französische Recht hat sich so entwickelt, dass zwei Typen von einstweiligen Handlungsanordnungen existieren: die unselbständigen „en vue de l’exécution de la chose jugée“ beim référé-suspension sowie die selbständigen „à titre principal“ beim référé-liberté und beim référé-mesures-utiles268. Die deutsche einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO ist dagegen stets eine eigenständige Entscheidung und das Aussetzungsverfahren nach §§ 80, 80a VwGO und das Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO schließen sich grundsätzlich aus. Diese Zweispurigkeit ist indessen nicht zwingend. Auch im deutschen Recht ist sie nicht seit jeher als gleichsam naturgegeben angelegt: Noch nach dem zweiten Weltkrieg gab es in den Ländern der amerikanischen und der französischen Besatzungszone bezüglich der Hauptsacheverfahren die heute in § 42 Abs. 1 VwGO geregelte Trennung von Anfechtungsklage und Verpflichtungsklage so nicht, sondern wurde die Verpflichtungsklage zu den sogenannten Anfechtungssachen gezählt269. Im System dieser historischen Klagearteneinteilung erscheint für die einstweiligen Verfahren nicht die Trennung von Aussetzungsverfahren und einstweiligen Handlungsanordnungen, sondern eher eine Konzeption wie beim référé-suspension naheliegend. Denn wenn Anfechtungsklage und Verpflichtungsklage nicht getrennt sind, warum sollten es dann die zugehörigen einstweiligen Verfahren sein? Nicht nur die rechtsvergleichende Betrachtung des französischen Rechts, sondern auch die historische Betrachtung des deutschen Rechts zeigt also, dass die Zweispurigkeit und Exklusivität von §§ 80, 80a VwGO und § 123 VwGO nicht unverzichtbar ist und auch andere Konzeptionen möglich sind. Letztlich erscheint weder das deutsche noch das französische Verständnis der Rechtsnatur einstweiliger Anordnungen als inhaltlich zwingend oder auch nur vorzugswürdig. Ob man diese als selbständige „à titre principal“Anordnungen oder als unselbständige „en vue de l’exécution de la chose jugée“-Anordnungen und bloße Aussetzungsfolge qualifiziert, ist nicht entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr, in welchem Umfang letztenendes die Verwaltungsgerichte einstweilige Anordnungen erlassen. Hierbei kommen das deutsche Recht und das namentlich durch die Reform aus dem Jahr 268  Freilich können auch in diesen beiden Verfahren Handlungsanordnungen des ersten Typs als Entscheidungsannex ergehen. 269  Gemäß §§ 22 Abs. 1 S. 1, 35, 85 VGG der Länder aus der amerikanischen Besatzungszone (oben A. Fn. 121) und § 15 Abs. 1, 2 VGG-RP (oben A. Fn. 144) wurde zwischen sogenannten Anfechtungssachen und sogenannten Parteistreitigkeiten unterschieden. Vgl. auch die Literaturnachweise oben in A. Fn. 173. In der in der britischen Besatzungszone geltenden MRVO Nr. 165 (oben A. Fn. 138) hingegen war in § 22 Abs. 1 geregelt, dass die Landesverwaltungsgerichte „über die Anfechtung von Verwaltungsakten sowie über andere Streitigkeiten des öffentlichen Rechts mit Ausnahme von Verfassungsstreitigkeiten“ entscheiden, und gab es eine eigene Bestimmung für die „Klage auf Vornahme eines beantragten Verwaltungsaktes“ (§ 24).



III. Gegenüberstellung185

2000 gewandelte französische Recht inzwischen ungeachtet der unterschiedlichen strukturellen Einordnung weitgehend zu den gleichen Ergebnissen. 3. Entscheidungskriterien Bei der vergleichenden Gegenüberstellung der materiellen Anordnungsvoraussetzungen wird deutlich, dass die Entscheidungsfindung nach dem deutschen und dem französischen Recht von denselben beiden Grundfaktoren gesteuert wird, nämlich einer Prüfung der Eilbedürftigkeit und einer Rechtmäßigkeitsprüfung. Im deutschen Recht ergibt sich das nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 123 VwGO selbst, ist aber mit den Prüfungspunkten des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrunds über § 123 Abs. 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2 ZPO abzuleiten. Im französischen Recht ist die „urgence“ als Anordnungsvoraussetzung im Gesetzeswortlaut der Art. L521-1, L521-2 und L521-3 CJA explizit genannt und erfolgt über das Erfordernis eines „moyen propre à créer, en l’état de l’instruction, un doute sérieux quant à la légalité de la décision“ beim référé-suspension bzw. einer „atteinte grave et manifestement illegale“ beim référé-liberté eine Rechtmäßigkeitsprüfung. Beim référé-mesures-utiles, bei dem der Wortlaut des Art. L521-3 CJA keine ausdrückliche auf eine Rechtmäßigkeitprüfung bezogene Anordnungsvoraussetzung enthält, erfolgt diese Prüfung nach der Rechtsprechung im Rahmen des ungeschriebenen Erfordernisses des Fehlens eines ernstlichen Einwands270. Die Grundfaktoren sind bei den französischen Verfahren freilich unterschiedlich ausgeprägt. So ist die Voraussetzung der schwerwiegenden und offenkundig rechtswidrigen Beeinträchtigung einer Grundfreiheit beim référé-liberté deutlich restriktiver als die des bloßen Zweifels an der Rechtmäßigkeit beim référé-suspension. Und die Voraussetzung der Eilbedürftigkeit ist beim référé-liberté enger als bei den beiden anderen Verfahren271. Das hängt mit der besonderen Konzeption des référé-liberté zusammen. Dass der Begriff „urgence“ in den verschiedenen Gesetzesbestimmungen einen unterschiedlichen Inhalt hat, erscheint vom Ansatz her im Sinne der Gesetzeseinheitlichkeit zwar nicht unbedingt wünschenswert, ist jedoch letzlich dem besonderen Zuschnitt des référé-liberté geschuldet. Im deutschen Recht, in dem es kein solches Verfahren gibt, stellt sich das Problem nicht. Was die Verknüpfung der Anordnungsvoraussetzungen angeht, müssen diese sowohl nach dem französischen als auch nach dem deutschen Recht kumulativ vorliegen. Sie können ferner nach hier vertretener Auffassung mit 270  Siehe 271  Siehe

oben sub I. 3. b) dd), S. 171 f. oben sub I. 2. b) aa), S. 150 ff. 149

186

C. Einstweilige Anordnungen

Ausnahme des référé-liberté, bei dem sie getrennt voneinander zu beurteilen sind272, generell nur im Zusammenspiel miteinander gesehen werden und bilden ein bewegliches System mit komplexen Interdependenzen.

IV. Resümee Die Untersuchung in diesem Kapitel hat weitere Manifestationen eines grundlegenden Wandels in Frankreich hin zur Individualrechtsschutzkonzeption und zur Ausweitung der gerichtlichen Anordnungsbefugnisse gegenüber der Verwaltung gezeigt. Das gilt zunächst für die Erstreckung des Aussetzungsverfahrens auf ablehnende Verwaltungsakte und die damit verbundene generelle Ermöglichung von an die Verwaltung gerichteten Handlungsanordnungen in diesem Verfahren. Auch in dieser Hinsicht sind mit dem Gesetz vom 8. Februar 1995 und der Reform der einstweiligen Verfahren im Jahr 2000 entscheidende Impulse durch den Gesetzgeber erfolgt und hat der Conseil d’État mit der Aufgabe der Rechtsprechung Amoros durch die Entscheidung ­Ouatah Zeichen gesetzt. Ein weiteres wichtiges Signal des Gesetzgebers war die Neuschaffung des référé-liberté als auf den Schutz subjektiver Rechte ausgerichtetes Rechtsschutzinstrument mit einer Entscheidungsfrist von 48 Stunden. Die Ausstrahlungswirkung der Reformgesetzgebung über die konkreten Gesetzesänderungen hinaus zeigt sich eindrucksvoll am référé-mesures-utiles. Dieser wird im gewandelten Umfeld von der neueren Rechtsprechung nunmehr offener als herkömmlich ausgelegt und auch in diesem Verfahren werden gerichtliche Weisungen gegenüber der Verwaltung ausgesprochen. Es bleibt festzuhalten, dass der Rechtsschutzstandard bezüglich einstweiliger Anordnungen durch die Verwaltungsgerichte im Ergebnis in Frankreich und Deutschland inzwischen weitgehend angenähert ist. Dabei ist bemerkenswert, auf wie unterschiedlichen Wegen dieser Standard erreicht wird. Am augenfälligsten ist dies bei der Aussetzung von ablehnenden Verwaltungsakten und der Qualifizierung von Handlungsanordnungen als Aussetzungsfolge en vue de la chose jugée beim référé-suspension im Gegensatz zur deutschen Trennung von §§ 80, 80a VwGO und § 123 VwGO. Insgesamt sind die bei den Verfahrensarten und in der Regelungstechnik bestehenden Unterschiede als Ausdruck der jeweils eigenen spezifischen Rechtsentwicklung in den beiden Ländern zu verstehen und richtig einzuordnen.

272  Siehe

oben sub I. 2. b) cc), S. 154 f.

D. Référé-provision und Gerichtsbescheid Im französischen Verwaltungsprozessrecht gibt es für die schnelle Anordnung einer Zahlung an den Gläubiger einer Geldforderung ein eigenes einstweiliges Verfahren, den sogenannten référé-provision (sub I.). Im deutschen Recht gibt es ein solches gesondertes einstweiliges Verfahren für Zahlungs­ anordnungen nicht, sondern solche sind im einstweiligen Verfahren lediglich im allgemeinen Wege der Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 ­VwGO möglich (sub II.). Der référé-provision weist allerdings Parallelen zum deutschen Gerichtsbescheid (sub III.) auf, weshalb diese beiden Institute einander rechtsvergleichend gegenübergestellt werden sollen (sub IV.).

I. Référé-provision Der französische verwaltungsgerichtliche référé-provision, der unter dem vierten Titel des fünften Buchs im Verordnungsteil des CJA geregelt ist1, ermöglicht, die Zahlung eines Vorschusses (provision) an den Gläubiger einer nicht ernstlich bestreitbaren Geldforderung anzuordnen. 1. Entstehungsgeschichte Das Verfahren findet sein Vorbild im zivilgerichtlichen référé-provision, der im Jahr 1973 eingeführt wurde2. In diesem Verfahren kann der Gläubiger einer Geldforderung, deren Bestehen nicht ernstlich bestreitbar ist, vor den Zivilgerichten die schnelle Anordnung einer Vorschusszahlung erlangen, ohne den Ausgang eines – oftmals langwierigen – Hauptsacheverfahrens abwarten zu müssen. Das Verfahren ist unabhängig vom Hauptsacheverfahren. Unter Umständen kann durch die référé-provision-Anordnung sogar ein Hauptsacheverfahren gänzlich vermieden werden, zumal der „Vorschuss“ genauso hoch sein kann wie die gesamte Forderung3.

1  Art. R541-1

bis R541-6  CJA. Dekret Nr. 73-1122 v. 17.  Dezember 1973, JORF v. 22.  Dezember 1973, 13670; Art. 809 Abs. 2 NCPC (heute CPC, siehe zur Umbenennung E. Fn. 55). 3  Cass. v. 20. Januar 1981, Société anonyme d’économie mixte du tunnel de Sainte-Marie-aux-Mines, Az.  79-13050, Bull. civ. 1981, 4. Teil, Nr. 40. 2  Art. 178-XV

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D. Référé-provision und Gerichtsbescheid

Vereinzelt versuchten Verwaltungsgerichte, die zivilprozessuale Vorschrift des Art. 809 Abs. 2 NCPC auch im Verwaltungsprozess fruchtbar zu machen4, was der Conseil d’État aber ablehnte5, 6. Im Jahr 1988 wurde dann per Dekret der verwaltungsgerichtliche référéprovision geschaffen7. Anders als bei dem Verfahren vor den Zivilgerichten war bei diesem allerdings parallele Klageerhebung in der Hauptsache erforderlich und konnte der Richter – sogar von Amts wegen – die Zahlung des Vorschusses von einer Sicherheitsleistung (garantie) abhängig machen8. 2. Abschaffung des Erfordernisses der Hauptsacheklage Das Erfordernis der Klageerhebung in der Hauptsache wurde im Jahr 2000 abgeschafft9. Ausdrücklich heißt es nunmehr in Art. R541-1 S. 1 CJA: „même en l’absence d’une demande au fond“10. Diese Änderung fügt sich ein in die große Linie der grundlegenden Reform im Jahr 2000 mit dem Ziel, die référé-Anordnungen zu erleichtern und die einstweiligen Verfahren effektiver zu gestalten. Als Ausgleich11 für die Abschaffung des Klageerfordernisses für den Antragsteller (Gläubiger) wurde dem Antragsgegner (Schuldner) in 4  Etwa TA Lyon v. 5. April 1979, SARL Gervais, Gaz. Pal. 11.–13. November 1979, Nr. 315–317, 9 = Rec. bim.  November / Dezember 1979, jurisprudence, 581. 5  CE v. 20. Juni 1980, Société Gaz de France, Az.  22496, Rec. Leb. 1980, 284; CE v. 24. Oktober 1980, Société Bluntzer, Az. 17533, LexisNexis (zu der in D. Fn. 4 zitierten Entscheidung); die Anordnung einer Vorschusszahlung ablehnend auch CE v. 2. Dezember 1981, Société des parkings de la communauté urbaine de Strasbourg, Az. 21353, LexisNexis; CE v. 2. Oktober 1987, Nehal, Az. 86118, LexisNexis. 6  Vgl. dazu Platon, DA Januar 2008, 13 [15]; Dubreuil, RFDA 2007, 1005 [1007]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1654; Burki, JCP 1981, II-19691. 7  Für die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsberufungsgerichtshöfe Art. 2 Dekret Nr. 88-907 v. 2. September 1988, JORF v. 3. September 1988, 11253; Art. R129  code  TA / CAA, JORF v. 10.  September 1989, 11501. Für den Conseil d’Etat Art. 4 Dekret Nr. 88-907 v. 2.  September 1988, JORF v. 3.  September 1988, 11253. 8  Zu den Gründen für diese Unterschiede Dubreuil, RFDA 2007, 1005 [1008]. 9  Art. 1 Dekret Nr. 2000-1115 v. 22. November 2000, JORF v. 23. November 2000, 18611 [18612]. 10  Die Möglichkeit der Anordnung einer Sicherheitsleistung besteht hingegen fort (Art. R541-1 S. 2  CJA). 11  Vgl. Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [949]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1647; Gohin, Contentieux administratif (2012), Rn. 389.



I. Référé-provision189

Art. R541-4  CJA die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der référé-provision-Anordnung seinerseits Klage gerichtet auf die endgültige Feststellung seiner Schuld zu erheben12. Der Verzicht auf eine parallele Klageerhebung ist weit mehr als eine rein prozessuale Erleichterung: In den Fällen, in denen die Hauptsacheklage gegen einen Verwaltungsakt gerichtet sein muss, fällt mit dem Erfordernis der Klage auch das eines solchen weg. Der référé-provision-Antrag ist damit, außer im Fall eines obligatorischen behördlichen Vorverfahrens (recours administratif préalable obligatoire)13, ohne vorherige Antragstellung bei der Behörde möglich14. Ein obligatorisches Vorverfahren muss eingeleitet, jedoch nicht sein Abschluss abgewartet werden15. Vor allem aber kann nun wie vor den Zivilgerichten das référé-provisionVerfahren ein Hauptsacheverfahren ganz überflüssig machen. Nach der Zahlungsanordnung muss es nicht unbedingt noch zu einer Hauptsacheklage kommen, sondern die référé-provision-Anordnung kann zu einer abschließenden Lösung führen. Genauso wie beim zivilgerichtlichen référé-provision kann der Vorschuss der Gesamthöhe der Forderung entsprechen16, 17. Inso12  Die Formulierung „une requête tendant à la fixation définitive du montant de sa dette“ in Art. R541-4  CJA erscheint insofern etwas unglücklich, als sie sich so liest, als ob es nur noch um die Höhe der Forderung ginge und ihr Bestehen dem Grunde nach bereits feststünde. Die référé-provision-Anordnung ist aber als Entscheidung im einstweiligen Verfahren auch hinsichtlich der Frage des Bestehens der Forderung dem Grunde nach nicht vorgreiflich für das Hauptsacheverfahren. 13  Zu den obligatorischen behördlichen Vorverfahren in Frankreich Ricci, Contentieux administratif (2012), Rn. 182 ff.; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 497 ff.; Bonichot, FS Labetoulle (2007), 81; speziell zum Rechtsvergleich mit dem deutschen Recht Prévédourou, Recours administratifs obligatoires (1996). 14  CAA Bordeaux v. 18. November 2003, Consorts Ribot, Az.  03BX00935, LexisNexis: „[…] la demande de provision peut être introduite avant toute décision administrative et donc, sauf dans les cas où il existe une obligation spécifique de recours ou de réclamation préalable auprès de l’administration, sans même avoir formé une demande susceptible de faire naître une telle décision […]“. 15  CE v. 16. Dezember 2009, Société d’architecture Groupe 6, Az. 326220, LexisNexis; CE v. 10 Juni 2009, Société de cogénération et de production de Boé, Az. 322242, LexisNexis; CE v. 10. Juni 2009, Société Électricité d’Aytre, Az. 324270, LexisNexis; CE v. 10. Juli 2002, SARL Grey Diffusion, Az. 244411, Rec. Leb. 2002, 271. Vgl. für den référé-suspension oben C. Fn. 262. 16  Vgl. zum Beispiel CAA Bordeaux v. 19. Dezember 1989, Cousseran, Az.  89BX01772, Rec. Leb. 1989, 368 (Honorarforderung eines Architekten); CE v. 20. März 2000, Département des Hauts-de-Seine, Az. 199013, LexisNexis: „[…] le montant de la provision que peut accorder le juge des référés n’a d’autre limite que celle résultant du caractère non sérieusement contestable de l’obligation dont il est fait état; […] ainsi […] le juge des référés peut légalement accorder une provision

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D. Référé-provision und Gerichtsbescheid

fern ist der Begriff „Vorschuss“ (provision) irreführend18. Und wenn der Antragsteller bereits im Wege des référé-provision vollständige Befriedigung erlangt, wird er auf eine Hauptsacheklage verzichten. Der Antragsgegner kann dann zwar seinerseits gemäß Art. R541-4  CJA klagen, wird aber bei berechtigter Anordnung schon aus Kostengründen häufig darauf verzichten. In diesem Fall wird der Vorschuss mit Ablauf der Frist des Art. R541-4 CJA definitiv zugesprochen und kann vom Schuldner nicht mehr angegriffen werden19. Der référé-provision wird so zu einem Mittel der Prozessvermeidung und der endgültigen Streitbeilegung, er kann das Hauptsacheverfahren ersetzen20. 17

3. Nicht ernstlich bestreitbare Geldforderung Einzige materielle Anordnungsvoraussetzung ist nach Art. R541-1 S. 1 CJA, dass das Bestehen der Geldforderung nicht ernstlich bestreitbar (sérieusement contestable) ist. Auf die Art der Geldforderung kommt es nicht an21. Es muss sich allerdings um (relativ) einfache, eindeutige Fälle handeln. Es darf praktisch keine Zweifel am Bestehen der Forderung geben, ihre Existenz muss klar zu Tage treten22. Freilich ist der Begriff der „nicht correspondant à la totalité des sommes en litige sur le fond, dès lors que l’obligation dont se prévaut le demandeur n’est pas sérieusement contestable […]“; CE v. 16. Dezember 2005, Lacroix, Az.  274545, Rec. Leb. 2005, 584 (Schadensersatzforderung eines Arztes wegen entgangener Bezüge). 17  Er kann sogar Verzugszinsen umfassen (CE v. 2.  April 2004, Société Alstom power turbomachines, Az. 256504, Rec. Leb. 2004, 150; CE v. 16. Dezember 2005, Lacroix, Az.  274545, Rec. Leb. 2005, 584; anders noch CAA Bordeaux v. 19. Dezember 1989, Cousseran, Az. 89BX01772, Rec. Leb. 1989, 368 [370]; CAA Lyon v. 9. Juli 1990, Société Sogea SA, Az.  90LY00213, Rec. Leb. 1990, 459 [460]; CAA Nantes v. 10. Juli 1991, SARL Ravet, Az. 91NT00292, LexisNexis). 18  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1649-1; GACA / Cassia, 416. 19  CE v. 20. Dezember 2006, Bes, Az. 293399, Rec. Leb. 2006, 573 [575]; Broyelle, Contentieux administratif (2011), Rn. 662. 20  Vgl. Plessix, RFDA 2007, 76 [79]; Platon, DA Januar 2008, 13; Dubreuil, RFDA 2007, 1005. 21  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1649; Daël, Contentieux administratif (2008), 243. Beispielsweise fällt auch eine Forderung auf Umsatzsteuerrückerstattung (remboursement de crédits de taxe sur la valeur ajoutée) in den Anwendungsbereich (CE v. 10. Juli 2002, SARL Grey Diffusion, Az.  244411, Rec. Leb. 2002, 271). 22  Vgl. Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 372; Vallée, concl. zu CE v. 29. Januar 2003, Commune d’Annecy, und CE v. 29. Januar 2003, Commune de Champagne-sur-Seine, Rec. Leb. 2003, 6 [8]; Verclytte, concl. zu CE v. 16. Dezember 2005, Lacroix, RFDA 2006, 513 [514].



II. Zahlungsanordnungen im einstweiligen Verfahren in Deutschland191

ernstlichen Bestreitbarkeit“ unbestimmt und lässt dem Gericht Spielraum, welchen Prüfungsaufwand es betreibt23. So können im Rahmen des référéprovision sogar Sachverständigengutachten eingeholt werden24. Wenn allerdings schwierige Rechtsfragen im Raum stehen, kann die Forderung nicht als nicht ernstlich bestreitbar angesehen werden25. Ist die Forderung nicht ernstlich bestreitbar, erfolgt die Anordnung26. Eilbedürftigkeit ist beim référé-provision keine Anordnungsvoraussetzung. Ausdrücklich heißt es in einer Entscheidung des Conseil d’État aus dem Jahr 2006: „[…] l’octroi d’une provision par le juge des référés n’est aucunement subordonné à l’urgence ou à la nécessité pour le demandeur de l’obtenir […]“27.

II. Zahlungsanordnungen im einstweiligen Verfahren in Deutschland In Deutschland können Zahlungsanordnungen im einstweiligen Verfahren über § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ergehen28. Dafür muss allerdings, wie stets Platon, DA Januar 2008, 13 [15 f.]. Contentieux administratif (2011), Rn. 660; vgl. etwa CE v. 13. Juli 2007, ONIAM, Az.  293196, Rec. Leb. 2007, 347. 25  CE v. 22. Oktober 2008, Commune de Plestin-les-Grèves, Az. 309956, LexisNexis; CE v. 29. Januar 2003, SA Générale Electric Capital Fleet Services, Az.  250345, LexisNexis. 26  Trotz der Formulierung „peut“ in Art. R541-1 S. 1  CJA handelt es sich um eine gebundene Entscheidung (CAA Bordeaux v. 18. November 2003, Compagnie générale maritime Antilles-Guyane, Az.  03BX01155, LexisNexis; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 372; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1645; GACA / Cassia, 416; Plessix, RFDA 2007, 76 [79]; a. A. CAA Nantes v. 28.  Juni 2004, Centre hospitalier universitaire de Rennes, Az. 03NT01672, LexisNexis; CAA Lyon v. 16. November 1989, Compagnie d’assurances La France, Az.  89LY01593, Rec. Leb. 1989, 348; Pissaloux, Gaz. Pal. 12.–14.  März 2006, Nr. 71–73, 9 [11] = Rec. bim.  März / April 2006, doctrine, 664 [666]). 27  CE v. 20. Dezember 2006, SNC Cannes Esterel, Az. 283352, LexisNexis. 28  Bei der Anordnung einer Geldzahlung handelt es sich um eine Leistungsanordnung, die nach hier vertretener Auffassung einen Unterfall der Regelungsanordnung bildet (siehe oben sub C. II. 2., S. 174). Es sind auch Anordnungen nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO zur bloßen Sicherung einer Geldforderung möglich (Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 156, 149; VGH Mannheim v. 4.  Juli 1988, Az.  10 S 1283 / 88, NVwZ-RR 1989, 588). Solche Sicherungsanordnungen kommen praktisch allerdings nur bei Geldforderungen gegen einen Bürger in Betracht, da es bei gegen die öffentliche Hand gerichteten Forderungen wegen fehlender Gefahr der Zahlungsunfähigkeit generell am Anordnungsgrund fehlt (Finkelnburg / Dombert / Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz (2011), Rn. 156; VGH Mannheim v. 4.  Juli 1988, Az.  10 S 1283 / 88, NVwZ-RR 1989, 588). 23  Vgl.

24  Broyelle,

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192

D. Référé-provision und Gerichtsbescheid

bei diesem Verfahren, Eilbedürftigkeit gegeben sein (Anordnungsgrund). Aufgrund dessen sind Zahlungsanordnungen nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO die Ausnahme. Denn der Antragsteller (Gläubiger) muss gerade auf eine Zahlung schon vor Ergehen der Hauptsacheentscheidung angewiesen sein. Das ist in der Regel praktisch nur bei Ansprüchen auf laufende Geldleistungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts (zum Beispiel BAföG-29 oder Sozialhilfe-Leistungen30) der Fall31. Abgesehen davon fehlt es meistens am Anordnungsgrund für einstweilige Zahlungsanordnungen.

III. Gerichtsbescheid 1. (Vorläufiges) Hauptsacheverfahren Der in § 84 VwGO geregelte Gerichtsbescheid32 ist eine eigenständige Entscheidungsform neben Urteil und Beschluss33. Er ergeht nicht im einstweiligen Verfahren, sondern ohne mündliche Verhandlung im Hauptsache29  VGH Mannheim v. 19.  Mai 1976, Az.  VI 548 / 76, FamRZ 1976, 718; VG Ansbach v. 10. April 2006, Az. AN 2 E 05.04154, juris. 30  OVG Münster v. 12.  Dezember 1994, Az.  8 B 2650 / 94, NWVBl. 1995, 140; VGH München v. 26. November 1993, 12 CE 93.3058, NVwZ-RR 1994, 398; VGH München v. 12.  September 1990, Az.  12 CE 90.1602, NVwZ-RR 1991, 441. 31  Grundsätzlich auch nur für die Gegenwart und die Zukunft und nicht für in der Vergangenheit liegende Zeiträume (OVG Hamburg v. 4. April 1990, Az.  Bs IV 8 / 90, NVwZ 1990, 975; VGH München v. 26. November 1993, 12 CE 93.3058, NVwZ-RR 1994, 398; VG Gießen v. 14.  Februar 2005, Az.  3 G 31 / 05, juris [jurisRn. 32 f.]). Nicht eingegangen wird hier auf die Frage, ob es auf den Zeitpunkt der Stellung des Eilantrags oder auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt. 32  Vgl. zur wechselvollen Geschichte des Gerichtsbescheids und zum alten Vorbescheid Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 1 ff.; Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 1 f.; Kopp / Schenke, § 84 Rn. 1. Vgl. aus den Gesetzen vor Erlass der VwGO etwa Art. 57 des hessischen Verwaltungsgesetzes von 1874 (oben A. Fn. 163); Art. 44 des hessischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes von 1911 (oben A. Fn. 161); § 37 des preußischen Verwaltungsgerichtsgesetzes von 1875 (Gesetz v. 3. Juli 1875 betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte und das Verwaltungsstreitverfahren, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten v. 16. Juli 1875, 375); §§ 64 und 67 des preußischen Landesverwaltungsgesetzes von 1883 (oben A. Fn. 105); Art. 27 des württembergischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes von 1876 (oben A. Fn. 97); § 18 des Gesetzes zur Errichtung des Verwaltungsgerichtshofes von Sachsen-Coburg-Gotha von 1899 (oben A. Fn. 156); § 67 des oldenburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes von 1906 (oben A. Fn. 159); § 21 des hamburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes von 1921 (oben A. Fn. 154); § 55 der britischen MRVO Nr. 165 von 1948 (oben A. Fn. 138); § 55 der nach 1945 ergangenen VGG der Länder aus der amerikanischen Besatzungszone (oben A. Fn. 121). 33  Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 3.



III. Gerichtsbescheid193

verfahren34 und ersetzt ein Urteil35. Sein Anwendungsbereich umfasst alle erstinstanzlichen Klageverfahren36, 37. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung, der anders als beim Urteil38 nicht vom Einverständnis der Beteiligten abhängig ist, dient der Verfahrensbeschleunigung und soll die erstinstanzlichen Gerichte entlasten39. Allerdings ist der Gerichtsbescheid aber insofern vorläufig, als regelmäßig nach seinem Erlass innerhalb eines Monats mündliche Verhandlung beantragt werden kann40. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen41 und es muss im normalen Urteilsverfahren entschieden werden42. Der Gerichtsbescheid hat dann also keine instanzabschließende Wirkung.

34  Im einstweiligen Verfahren als Beschlussverfahren besteht auch gar kein Bedürfnis für den Erlass eines Gerichtsbescheids, da hier von vornherein gemäß § 101 Abs. 3 VwGO eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist (Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 7). 35  § 84 Abs. 3 Hs. 1 VwGO. 36  Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 5; Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 7. 37  Für das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO enthält Abs. 5 S. 1 dieser Vorschrift eine speziellere Regelung (Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 7). 38  § 101 Abs. 2 VwGO. 39  Vgl. Kopp / Schenke, § 84 Rn. 1. 40  § 84 Abs. 2 Nr. 2, 4 und 5 VwGO. Bei Nr. 1 und 3 (im Gerichtsbescheid zugelassene Berufung bzw. Revision) ist dagegen nach dem Wortlaut kein Antrag auf mündliche Verhandlung möglich. Fälle, in denen bereits im Gerichtsbescheid die Berufung oder Revision zugelassen wird, sind allerdings die Ausnahme, da in den betreffenden Fällen schon die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid regelmäßig nicht vorliegen (Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 19a, 24; zu einer möglichen Konstellation Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 17: Erlass eines Gerichtsbescheids trotz grundsätzlicher Bedeutung einer Sache, wenn das erkennende Gericht die maßgebliche Grundsatzfrage bereits durch Urteil entschieden hat, eine obergerichtliche Entscheidung zu der Frage aber noch aussteht). Außerdem ist, wenn es nicht ausschließlich um Rechtsfragen geht und der Rechtsbehelfsführer mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht einverstanden war, im Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK wegen des dort gewährten Anspruchs, die Sache in mindestens einer Instanz sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht in öffentlicher mündlicher Verhandlung erörtern zu können, bei Nr. 3 entgegen dem Wortlaut ein Antrag auf mündliche Verhandlung zuzulassen (vgl. Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 35; Posser / Wolff / Brink, § 84 Rn. 6; Kopp / Schenke, § 84 Rn. 35; a. A. Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 6). 41  § 84 Abs. 3 Hs. 2 VwGO. 42  Der angestrebte Entlastungseffekt wird darum durch die aktuelle Regelung nach dem 6. VwGOÄndG nur sehr eingeschränkt erreicht (vgl. Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 7; Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 4; Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 1).

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D. Référé-provision und Gerichtsbescheid

2. Keine besonderen Schwierigkeiten Voraussetzung für den Erlass eines Gerichtsbescheids ist gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Dieses Erfordernis findet sich wortgleich als Voraussetzung für die Übertragung einer Sache von einer Kollegialbesetzung an einen Einzelrichter in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VwGO und in § 348a Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Dort kommt allerdings hinzu, dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung haben darf43. Dieses Erfordernis wird in § 84 VwGO nicht aufgestellt; auch bei Sachen mit grundsätzlicher Bedeutung ist eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid also nicht schlechthin ausgeschlossen44. Freilich werfen aber solche Sachen regelmäßig besondere Schwierigkeiten auf. Ob besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art vorliegen, ist einzelfallbezogen zu beurteilen45. Es kommt dabei auf qualitative Schwierigkeiten an, der quantitative Umfang einer Sache ist nicht entscheidend46. Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid kommt zudem nicht nur bei qualitativ ganz einfachen Fällen in Betracht47; auch bei durchschnittlich schwierigen Fällen liegen keine „besonderen“ Schwierigkeiten vor48, 49. Die Schwierigkeiten müssen über das normale Maß hinausgehen50. Das 43  § 6

Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VwGO, § 348a Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Oertzen / Kothe, § 84 Rn. 4; Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 20; Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 17. 45  Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 19; Posser / Wolff / Brink, § 84 Rn. 7. 46  Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 21; Kopp / Schenke, § 84 Rn. 8; Meyer-Ladewig, NJW 1978, 857 [858]; a. A. Schnellenbach, DÖV 1981, 317 [320] (außergewöhnlicher Umfang). 47  Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 14; Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 7; Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 20; Kopp / Schenke, § 84 Rn. 7. 48  Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 14; BVerwG v. 21. September 2005, Az.  2 A 5.04, juris [juris-Rn. 16]. 49  Soweit als Maßstab für den Schwierigkeitsgrad auf die sonst beim Spruchkörper anhängigen Sachen abgestellt wird (Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 7 f.; Posser /  Wolff / Brink, § 84 Rn. 7), überzeugt dies nicht. Eine solche auf den einzelnen Spruchkörper bezogene Betrachtungsweise würde dazu führen, dass für einen Spruchkörper, der häufig über schwierige Sachen zu befinden hat, der Anwendungsbereich des § 84 VwGO weiter reichte als für einen Spruchkörper, bei dem überwiegend leichtere Sachen eingehen. Der Maßstab kann aber nicht womöglich innerhalb desselben Gerichts von Spruchkörper zu Spruckörper unterschiedlich sein, sondern muss – zumindest auf der jeweiligen Gerichtsebene (Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht, Bundesverwaltungsgericht) – ein einheitlicher sein. 50  Häufig ist von einer „erheblichen“ Steigerung die Rede (vgl. Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 7: „Schwierigkeitsgrad […] erheblich über dem […], den die sonst bei dem Spruchkörper anhängigen [Verfahren] haben“; Redeker / von Oertzen / Kothe, 44  Redeker / von



III. Gerichtsbescheid195

erkennende Gericht hat bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „besonderen Schwierigkeiten“ einen Beurteilungsspielraum, seine Einschätzung ist im Rechtsmittelverfahren nur dahingehend überprüfbar, ob der Beurteilung sachfremde Erwägungen oder grobe Fehleinschätzungen zugrunde liegen51. Jedenfalls ist aber eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid etwa dann ausgeschlossen, wenn die Entscheidung von einer bislang ungeklärten, schwierigen Rechtsfrage abhängt52, wenn von obergerichtlicher Rechtsprechung abgewichen wird53 oder wenn erstmals eine Vorschrift oder Verwaltungspraxis für rechtswidrig erklärt wird54. 3. Geklärter Sachverhalt Damit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden kann, muss der Sachverhalt geklärt sein, § 84 Abs. 1 S. 1 a. E. VwGO. Das ist der Fall, wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt offen liegt, Zweifel daran vernünftigerweise ausgeschlossen erscheinen und insbesondere keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine mündliche Verhandlung neue Erkenntnisse bringen könnte55.

§ 84 Rn. 4: „Schwierigkeiten[, die das] […] normale Maß nicht unerheblich übersteigen“; Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 20: „Fälle[…], in denen die in jedem Prozess auftretenden Schwierigkeiten in erheblichem Maße gesteigert sind“; Posser / Wolff / Brink, § 84 Rn. 7: „wenn die in jedem Prozess auftretenden Schwierigkeiten in erheblichem Maße überschritten werden“ (alle Hervorhebungen im Original)). Unabhängig davon, dass die Bestimmung einer derartigen Erheblichkeitsgrenze problematisch ist – genauso problematisch ist freilich auch bereits die Bestimmung des „durchschnittlichen“ Schwierigkeitsgrads –, fragt sich allerdings, ob nicht auch schon bei leicht überdurchschnittlich schwierigen Fällen kein Gerichtsbescheid mehr möglich ist (vgl. Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 14). Das wird hier nicht vertieft. 51  BVerwG v. 15.  Dezember 1989, Az.  7 C 35.87, BVerwGE 84, 220 [Ls. 1; 222 f.] (zu Art. 2 § 1 VGFGEntlG aus dem Jahr 1978 (oben A. Fn. 191) als Vorgängervorschrift des heutigen § 84 VwGO); Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 20; Redeker / von Oertzen / Kothe, § 84 Rn. 5; Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 11; Kopp / Schenke, § 84 Rn. 12; Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 25. 52  OVG Münster v. 24.  Oktober 1996, Az.  20 A 3106 / 96, NWVBl. 1997, 394 [395]. 53  Vgl. Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 15; Kopp / Schenke, § 84 Rn. 8; Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 7. 54  Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 23. 55  Kopp / Schenke, § 84 Rn. 9; Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 18.

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D. Référé-provision und Gerichtsbescheid

IV. Gegenüberstellung von référé-provision und Gerichtsbescheid 1. Anordnungsvoraussetzungen und Anwendungsbereich Das référé-provision-Verfahren und das Gerichtsbescheidsverfahren weisen hinsichtlich der Anordnungsvoraussetzungen Parallelen auf: Wenn eine Forderung nicht ernstlich bestreitbar ist (référé-provision), dann bestehen keine besonderen Schwierigkeiten (Gerichtsbescheid). In beiden Verfahren erfolgt eine Beschränkung auf relativ einfache Fälle. Allerdings ist die deutsche Voraussetzung insofern umfassender, als sich das Fehlen besonderer Schwierigkeiten sowohl auf die Stattgabe als auch auf die Abweisung des Rechtsbehelfs beziehen kann, während die französische Voraussetzung nur auf offensichtlich erfolgverheißende Rechtsbehelfe bezogen ist. Zudem ist der Anwendungsbereich des référé-provision auf Geldforderungen beschränkt, während der Gerichtsbescheid in allen erst­ instanzlichen Klageverfahren statthaft ist. 2. Antragserfordernis Neben dem unterschiedlichen Anwendungsbereich besteht ein weiterer Unterschied zwischen référé-provision und Gerichtsbescheid darin, dass der référé-provision ein Antragsverfahren ist, während die Entscheidung darüber, ob ein Gerichtsbescheid ergeht, vom Gericht von Amts wegen getroffen wird. Dieser Unterschied hinsichtlich des Antragserfordernisses kann erhebliche Auswirkungen haben: Wird in Frankreich kein référé-provision-Antrag gestellt, sondern direkt Hauptsacheklage auf Zahlung erhoben und will das Gericht der Klage stattgeben, muss selbst dann, wenn das Bestehen der Forderung dem Grunde und der Höhe nach völlig offensichtlich ist und es sich um einen ganz einfachen Fall handelt, regelmäßig eine mündliche Verhandlung mit Schlussanträgen des rapporteur public56 durchgeführt werden. Denn es gibt zwar Konstellationen, in denen auch im Hauptsacheverfahren die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung des rapporteur public durch Beschluss (ordonnance) und nicht durch Urteil 56  Der „commissaire du gouvernement“ wurde zum 1. Februar 2009 in „rapporteur public“ umbenannt (Art. 1 Nr. 1, Art. 3 S. 1 Dekret Nr. 2009-14 v. 7.  Januar 2009, JORF v. 8.  Januar 2009, 479. Vgl. Pacteau, RFDA 2009, 67; Brondel, AJDA 2008, 1987; Gilli, AJDA 2009, 65). Hintergrund der Umbenennung ist, dass bei der alten Bezeichnung „commissaire du gouvernement“ ein falscher Eindruck der Parteilichkeit entstehen konnte.



IV. Gegenüberstellung von référé-provision und Gerichtsbescheid197

(jugement) ergeht. Die betreffenden Regelungen dazu finden sich für die Verwaltungsgerichte und Verwaltungsberufungsgerichtshöfe in Art. R2221 CJA und für den Conseil d’État in Art. R122-12 CJA. Dabei entscheidet ein Einzelrichter, es wird also gleichzeitig auf eine Kollegialbesetzung und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. In diesem Wege kann aber – außer bei Serienklagen57 und bloßen Kostenenscheidungen58 – keine Stattgabe der Klage erfolgen. Im Wesentlichen betreffen die genannten Vorschriften bestimmte Fälle von Klageabweisungen, Klagerücknahme (désistement)59 und Erledigung (non-lieu)60. Stattgebende Entscheidungen durch einen Einzelrichter sind bei den Verwaltungsgerichten gemäß Art. R222-13 CJA in bestimmten, enumerativ aufgezählten Bereichen vorgesehen61, 62. Dabei geht es häufig um Geldforderungen63. Jedoch muss bei Art. R222-13 CJA eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden und sind Schlussanträge des rapporteur public erforderlich64. In Deutschland hingegen kann bei offensichtlichem Bestehen der Forderung auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden und der Klage durch Gerichtsbescheid stattgegeben werden, ohne dass es eines entsprechenden Antrags bedarf. Dies kann auch geschehen, nachdem nach § 6 Abs. 1 S. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht65 die Entscheidung einem Einzelrichter übertragen worden ist66 oder durch den sogenannten konsen57  Art. R222-1

Abs. 1 Nr. 6, R122-12 Abs. 1 Nr. 6  CJA. Abs. 1 Nr. 5, R122-12 Abs. 1 Nr. 5  CJA. 59  Art. R222-1 Abs. 1 Nr. 1, R122-12 Abs. 1 Nr. 1  CJA. 60  Art. R222-1 Abs. 1 Nr. 3, R122-12 Abs. 1 Nr. 3  CJA. 61  Die Vorschrift gilt, wie sich aus ihrem Wortlaut („président du tribunal administratif“) ergibt, nur für die Verwaltungsgerichte und nicht für die Verwaltungsberufungsgerichtshöfe und den Conseil d’État. 62  Es handelt sich dabei um einen originären Einzelrichter. Freilich kann dieser an eine Kollegialbesetzung verweisen (Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 83, 53; Chabanol, CJA (2007), 174; vgl. auch CE v. 13. Juli 1956, PiétonGuibout, Az.  37649, 37779, Rec. Leb. 1956, 338 [341]). 63  Vgl. Art. R222-13 Nr. 2–8  CJA. 64  Das wird in Art. R222-13 CJA ausdrücklich erwähnt. Die Entscheidung ergeht durch Urteil. 65  § 6 VwGO gilt, wie aus der Bezugnahme auf die „Kammer“ folgt, die es nur bei den Verwaltungsgerichten gibt (§ 5 Abs. 2 VwGO), ausschließlich für diese, nicht aber für die Oberverwaltungsgerichte und das Bundesverwaltungsgericht ­(Eyermann / Geiger, § 6 Rn. 4). § 84 VwGO gilt hingegen auch für letztere, soweit sie erstinstanzlich zuständig sind (Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 5; Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 7; vgl. als Beispiel BVerwG v. 7.  Januar 1997, Az.  4 A 20.95, BVerwGE 104, 27). 66  Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 10; Schoch / Schneider / Bier / Stelkens / Clausing, § 6 Rn. 65; Schoch / Schneider / Bier / Stelkens / Panzer, § 5 Rn. 27; Eyermann / Geiger, § 6 Rn. 8; Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 10; Kopp / Schenke, 58  Art. R222-1

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D. Référé-provision und Gerichtsbescheid

tierten Einzelrichter nach § 87a Abs. 2 VwGO67. Eine Kombination von Einzelrichterentscheidung und Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist möglich; anders als bei den Art. R222-1 und R122-12 CJA besteht aber nicht von vornherein eine Kopplung. Vor allem aber sind im Unterschied zu diesen Vorschriften beim Gerichtsbescheid uneingeschränkt auch stattgebende Entscheidungen möglich. In Frankreich kann also bei offensichtlichem Bestehen der Forderung regelmäßig68 nicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Beteiligung des rapporteur public verzichtet werden, wenn kein référéprovision-Antrag gestellt wird; allenfalls entscheidet beim Verwaltungsgericht ein Einzelrichter statt einer Kollegialbesetzung69. In Deutschland dagegen kann in einem solchen Fall ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, die Entscheidung darüber steht im Ermessen des Gerichts70. Und kumulativ oder alternativ kann, sofern die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, beim Verwaltungsgericht ein Einzelrichter entscheiden71, 72. Das deutsche Recht erscheint in diesem Punkt flexibler als das französische. 3. Zahlungsanordnung trotz ungeklärter Forderungshöhe In anderer Hinsicht erweist es sich indessen als starrer: Auf eine Forderung, die dem Grunde nach offensichtlich besteht, deren genaue Höhe aber noch nicht geklärt ist, kann im Wege des Gerichtsbescheids eine Zahlung nicht angeordnet werden. Zwar kann ein Gerichtsbescheid auch anstelle § 84 Rn. 3; Duhme, VR 2003, 37 [39]; a. A. – allerdings noch zur alten Rechtslage vor Inkrafttreten des 6. VwGOÄndG, als nach Erlass eines Gerichtsbescheids noch nicht regelmäßig mündliche Verhandlung beantragt werden konnte – Redeker, DVBl. 1992, 212 [215]. 67  Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 6; Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 10; a. A. Sodan / Ziekow / Schmid, § 87a Rn. 10; Stelkens, NVwZ 1991, 209 [216] (zur Rechtslage vor Inkrafttreten des 6. VwGOÄndG). 68  Außer in den Fällen von Art. R222-1 Abs. 1 Nr. 5 und 6, R122-12 Abs. 1 Nr. 5 und 6 CJA (Serienklagen, bloße Kostenenscheidungen). 69  In den in Art. R222-13 CJA genannten Bereichen. 70  Wenn die Voraussetzungen des § 84 VwGO erfüllt sind, muss nicht zwingend ein Gerichtsbescheid ergehen, sondern das Gericht hat Ermessen, ob es von dieser Möglichkeit Gebrauch macht (Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 11; Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 21; Sodan / Ziekow / Aulehner, § 84 Rn. 27). 71  Nach § 6 Abs. 1 S. 1 VwGO „soll in der Regel“ die Übertragung auf den Einzelrichter erfolgen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl. dazu Sodan /  Ziekow / Kronisch, § 6 Rn. 41 ff.; Eyermann / Geiger, § 6 Rn. 18; Kopp / Schenke, § 6 Rn.  10 f.). 72  Oder allgemein der konsentierte Einzelrichter nach § 87a Abs. 2 VwGO.



IV. Gegenüberstellung von référé-provision und Gerichtsbescheid199

eines Grundurteils73 oder Teilurteils74 ergehen75. Im Grundurteil, in dem die Forderungshöhe offen bleibt, erfolgt aber keine Zahlungsverurteilung. Und für ein Teilurteil muss der zugesprochene (Teil-)Betrag der Höhe nach feststehen. Eine Zahlungsanordnung auf eine der Höhe nach ungeklärte Forderung ist nicht möglich. Beim référé-provision dagegen kommt es nicht darauf an, dass die Forderungshöhe geklärt ist. Es muss lediglich die „existence“ der Forderung nicht ernstlich bestreitbar sein. Das Gericht kann also dem Antragsteller einen Vorschuss zusprechen, ohne zuvor die genaue Forderungshöhe ermitteln zu müssen. Dies geschieht dann erst im Hauptsacheverfahren. Sogar kann die Ermittlung der Forderungshöhe insgesamt entbehrlich sein. Denn es kommt nicht immer zu einem Hauptsacheverfahren. Auch bei ungeklärter Forderungshöhe ist die Anordnung nicht notwendig auf einen bloßen Vorschuss beschränkt, sondern kann eine endgültige Streitbeilegung zum Ziel haben. Ohne im Einzelnen die genaue Forderungshöhe zu klären, kann das Gericht im Wege des référé-provision dem Antragssteller einen Betrag zusprechen, von dem es hofft, dass er sowohl für den Antragssteller als auch für den Antragsgegner abschließend akzeptabel ist. Letztlich handelt es sich dabei um eine Art Vergleichsvorschlag im Gewand der référéprovision-Anordnung. Geben sich die Parteien damit zufrieden und erheben keine Hauptsacheklage, kommt es auf die genaue Forderungshöhe nicht mehr an. 4. Vorläufige Natur des Verfahrens und potentiell abschließende Entscheidung Die référé-provision-Anordnung ergeht im einstweiligen Verfahren, der Gerichtsbescheid dagegen im Hauptsacheverfahren. Das scheint die beiden Verfahren auf den ersten Blick fundamental voneinander zu unterscheiden. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich aber – unabhängig von der Klassifizierung als einstweiliges Verfahren respektive Hauptsacheverfahren – frappierende Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Verfahrensnatur: Seitdem im Jahr 2000 beim référé-provision das Erfordernis Klageerhebung in der Hauptsache abgeschafft worden ist, ist dieses Verfahren ein Instrument zur endgültigen Streitbeilegung. In den Fällen, in denen das 73  § 111

VwGO. VwGO. 75  Eyermann / Geiger, § 84 Rn. 5; Schoch / Schneider / Bier / Clausing, § 84 Rn. 8; Kopp / Schenke, § 84 Rn. 4. 74  § 110

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D. Référé-provision und Gerichtsbescheid

Bestehen der Forderung nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach unproblematisch ist und der zugesprochene Geldbetrag genauso hoch ist wie die gesamte Forderung, soll die référé-provision-Anordnung einen Hauptsacheprozess überflüssig machen. Und auch bei ungeklärter Forderungshöhe muss, wie soeben sub 3. dargestellt, die référé-provisionAnordnung nicht auf einen bloßen Vorschuss beschränkt sein, sondern kann eine abschließende Lösung des Rechtsstreits bezwecken. Verzichten die Beteiligten darauf, Hauptsacheklage zu erheben, ersetzt die référé-provisionAnordnung das Hauptsacheurteil. Sie ist dann keine vorläufige Entscheidung mehr, sondern eine endgültige76. In diesem Zusammenhang ist vom référéprovision teilweise auch als von einem „référé au fond“ die Rede77. In dieser Bezeichnung kommt zum Ausdruck, dass eine potentiell abschließende Entscheidung in der Sache getroffen wird78. Als potentiell abschließende Entscheidung ist auch der Gerichtsbescheid konzipiert. Bloß potentiell abschließend ist er nicht nur wegen der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, sondern vor allem, weil regelmäßig mündliche Verhandlung beantragt werden kann und er dann als nicht ergangen gilt. Dadurch bekommt der Gerichtsbescheid einen vorläufigen Charakter. Er hat nur dann instanzabschließende Wirkung, wenn keine mündliche Verhandlung beantragt wird. In ihrer Vorläufigkeit wie in ihrer potentiellen Endgültigkeit gleichen sich référé-provision und Gerichtsbescheid: Der Gerichtsbescheid ersetzt das Urteil, wenn keine mündliche Verhandlung beantragt wird. Genauso ist es beim référé-provision, wenn keine Klage in der Hauptsache erhoben wird. Wird Hauptsacheklage erhoben bzw. mündliche Verhandlung beantragt, wird der Gerichtsbescheid bzw. die référé-provision-Anordnung gegenstandslos. Ein Unterschied besteht dann lediglich hinsichtlich des Zeitpunkts der Unwirksamkeit: Der Gerichtsbescheid gilt als nicht ergangen, sobald der Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt ist. Die référé-provision-Anordnung dagegen wirkt und bildet einen Zahlungstitel bis zum Erlass der Hauptsacheentscheidung.

76  Wird hingegen Klage erhoben, ist die référé-provision-Anordnung notwendigerweise nur vorläufig, da sie durch die Hauptsacheentscheidung gegenstandslos wird. 77  Vgl. Dubreuil, RFDA 2007, 1005; Jouguelet / Loloum, AJDA 1989, 779 [781]. 78  Wenn die Hauptsacheentscheidung ersetzt werden soll, erscheint freilich allerdings auch schon die Bezeichnung „référé“ als problematisch, dazu sogleich sub 5., S. 201.



V. Resümee201

5. Hauptsache- oder einstweiliges Verfahren? Wie gerade ausgeführt wurde, gibt es also zwischen référé-provision und Gerichtsbescheid nicht nur hinsichtlich der Anordnungsvoraussetzungen, sondern auch hinsichtlich der Verfahrensnatur deutliche Parallelen. Gleichwohl sind sie verschiedenen Verfahrenskategorien zugeordnet: der référéprovision den einstweiligen Verfahren, der Gerichtsbescheid den Hauptsacheverfahren. Welche Zuordnung ist richtig? Ist das Gerichtsbescheidsverfahren vielleicht doch ein einstweiliges Verfahren? Oder der référé-provision ein Hauptsacheverfahren? Für die Einordnung des Gerichtsbescheidsverfahrens in die Kategorie der Hauptsacheverfahren ist ausschlaggebend, dass eine potentiell abschließende Entscheidung getroffen wird. Es geht nicht wie bei einem einstweiligen Verfahren um eine bloße Interimsregelung bis zum Erlass der Hauptsacheentscheidung, sondern um die Hauptsacheentscheidung selbst. Die Vorläufigkeit, die das Verfahren durch die Möglichkeit, mündliche Verhandlung zu beantragen, bekommt, ändert daran nichts. Aufgrund dessen erscheint die Klassifizierung als Hauptsacheverfahren und nicht als einstweiliges Verfahren sachgerecht, man könnte allenfalls von einem „vorläufigen Hauptsacheverfahren“ sprechen. Beim référé-provision liegen die Dinge komplizierter und ist zu unterscheiden: Wenn die référé-provision-Anordnung die Hauptsacheentscheidung ersetzen soll – und es damit nicht mehr nur um einen „Vorschuss“ geht –, handelt es sich der Sache nach genauso wie beim Gerichtsbescheid um ein vorläufiges Hauptsacheverfahren79. Ein echter bloßer Vorschuss stellt dagegen eine Interimsregelung dar, dann ist die Klassifizierung als einstweiliges Verfahren zutreffend. Der référé-provision kann also, je nach Anordnungsinhalt und -zweck, beides sein: Hauptsacheverfahren oder einstweiliges Verfahren.

V. Resümee Die vergleichende Untersuchung hat gezeigt: Es ist erneut eine Annäherung der beiden Systeme feststellbar. Zwischen référé-provision und Gerichtsbescheid gibt es bei allen Unterschieden verblüffende Parallelen. Das gilt zum einen für die Anordnungsvoraussetzungen („keine ernstliche Bestreitbarkeit“ respektive „keine besonderen Schwierigkeiten“). Das gilt zum anderen aber auch hinsichtlich der Verfahrensnatur. Der référé-provision trägt ungeachtet seiner Einordnung in die Kategorie 79  Die

Bezeichnung als „référé“-Verfahren erscheint insofern irreführend.

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D. Référé-provision und Gerichtsbescheid

der einstweiligen Verfahren endgültige Züge, umgekehrt ist der Gerichtsbescheid, obwohl er im Hauptsacheverfahren ergeht, vorläufig. Die Zuordnung des Gerichtsbescheids zu den Hauptsacheverfahren ist eindeutig, wohingegen die Klassifizierung des référé-provision, der eine seltsame Zwitterstellung zwischen einstweiligem Verfahren und Hauptsacheverfahren einnimmt, Schwierigkeiten bereitet. Soweit eine référé-provisionAnordnung die Hauptsacheentscheidung ersetzen soll, segelt sie gewissermaßen gleich in doppelter Hinsicht unter falscher Flagge: Weder ist sie eine wirkliche einstweilige Anordnung („référé“), noch geht es nur um einen bloßen Vorschuss („provision“). Es gibt Konstellationen, in denen in Deutschland eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid möglich ist, während in Frankreich eine mündliche Verhandlung mit Beteiligung des rapporteur public durchgeführt werden muss. Zwar kann in Frankreich in bestimmten Fällen, in denen in Deutschland ein Gerichtsbescheid ergehen kann, nach Art. R222-1 bzw. R122-12 CJA durch Einzelrichterbeschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden werden80, 81. Und diese Beschlüsse sind sogar insofern weitergehend als ein Gerichtsbescheid, als sie von vornherein instanzabschließend sind. Aber anders als beim Gerichtsbescheid sind in diesem Wege außer bei Serienklagen und bloßen Kostenenscheidungen keine stattgebenden Entscheidungen möglich. Hingegen kann im Wege des référé-provision zwar eine Stattgabe erfolgen. Aber der Anwendungsbereich des référé-provision ist auf Geldforderungen beschränkt und außerdem ist das Verfahren antragsabhängig. Im Unterschied zum référé-provision ist beim Gerichtsbescheid keine Zahlungsanordnung auf eine der Höhe nach ungeklärte Geldforderung möglich. Eine solche Anordnung kann in Deutschland allenfalls durch eine Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO erfolgen, zumeist fehlt es dafür aber am Anordnungsgrund.

80  Zum Beispiel bei offensichtlicher, nicht behebbarer bzw. nicht innerhalb einer dazu gesetzen Frist behobener Unzulässigkeit der Klage (Art. R222-1 Abs. 1 Nr. 4, R122-12 Abs. 1 Nr. 4  CJA) oder bei Serienklagen (Art. R222-1 Abs. 1 Nr. 6, R12212 Abs. 1 Nr. 6  CJA). 81  Zur Klarstellung: Die Art. R222-1 und R122-12 CJA betreffen sowohl Konstellationen, in denen in Deutschland durch Urteil (oder Gerichtsbescheid) entschieden wird, als auch solche, in denen auch in Deutschland durch Beschluss entschieden wird. Vgl. zu Letzterem zum Beispiel die Regelungen zur Klagerücknahme (§ 92 Abs. 3 S. 1 VwGO und Art. R222-1 Abs. 1 Nr. 1, R122-12 Abs. 1 Nr. 1  CJA) oder zur Nichteröffnung des Rechtswegs (§ 17a Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1  GVG und Art. R222-1 Abs. 1 Nr. 2, R122-12 Abs. 1 Nr. 2  CJA).

E. Référé-constat, référé-instruction und selbständiges Beweisverfahren In Frankreich gibt es zwei référé-Verfahren für den Erlass von Beweis­ anordnungen durch die Verwaltungsgerichte: den référé-constat und den référé-instruction, die unter dem dritten Titel des fünften Buchs im Verordnungsteil des CJA in Art. R531-1 ff. CJA geregelt sind. Das vergleichbare Institut im deutschen Recht ist das selbständige Beweisverfahren nach § 98 VwGO  iVm  §§ 485 ff. ZPO. Angesichts dessen, dass die Institute in Frankreich und in Deutschland unterschiedlichen Verfahrenskategorien zugeordnet sind, stellt sich auch hier die Frage nach dem Verfahrenscharakter (sub II.). Zuvor wird auf die Funktionen eingegangen (sub I.), anschließend auf die Anordnungsinhalte (sub III.) sowie die Anordnungsvoraussetzungen (sub IV.). In prozessualer Hinsicht gibt es die Besonderheit, dass teilweise vom Grundsatz der kontradiktorischen Natur des gerichtlichen Verfahrens abgewichen wird (sub V.).

I. Funktionen 1. Beweissicherung Die schnelle und vom Hauptsacheverfahren unabhängige Feststellung von Tatsachen kann der Beweissicherung dienen. Während der bis zur Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren verstreichenden Zeit können Veränderungen eintreten, die die Beweiserhebung erschweren oder sogar unmöglich machen. Dem kann durch ein Vorziehen der betreffenden Ermittlungen vorgebeugt werden. Etwa kann der Zustand eines Gebäudes zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellt werden, bevor der Bau daran fortschreitet1. Oder es kann der Zustand einer Lieferung verderblicher Waren festgestellt werden2. Oder es kann ein lebensgefährlich erkrankter Zeuge noch vor seinem Tod vernommen werden3.

1  Musielak / Huber,

§ 485 Rn. 10. v. 25. Juni 1952, Société Fousse et Ewald, Rec. Leb. 1952, 336. 3  Thomas / Putzo / Reichold, § 485 Rn. 3. 2  CE

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E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

Im französischen Recht ist vor allem der référé-constat als Nachfolger des alten Beweissicherungsverfahrens constat d’urgence4 auf den Zweck der Beweissicherung ausgerichtet5. Aber auch référé-instruction-Anordnungen können beweissichernde Funktion haben, wie am Beispiel der Vernehmung des lebensgefährlich erkrankten Zeugen deutlich wird6. Im deutschen Recht ist in erster Linie die zweite Alternative des § 485 Abs. 1 ZPO auf die Beweissicherung bezogen. Das schlägt sich auch in der Terminologie nieder: bezogen auf diese Alternative wird vom „sichernden Beweisverfahren“ gesprochen7. 2. Prozessvermeidung Eine weitere zentrale Funktion ist die Prozessvermeidung. Wenn die Parteien ausschließlich über Tatsachen streiten, kann deren Feststellung ein Hauptsacheverfahren entbehrlich machen. Außerdem kann die Tatsachenklärung eine Grundlage für eine außergerichtliche einvernehmliche Streitbeilegung schaffen. Im französischen Recht kommt der Zweck der Prozessvermeidung beim référé-instruction und beim référé-constat nicht zuletzt in der Abschaffung der Eilbedürftigkeit als Anordnungsvoraussetzung bei diesen Verfahren zum Ausdruck8, 9. Dadurch wurde der Anwendungsbereich über den Sicherungsaspekt hinaus ausgedehnt. Im deutschen Recht wird die Prozessvermeidung in § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO ausdrücklich erwähnt. Entsprechend ist bezogen auf § 485 Abs. 2 vom „streitschlichtenden Beweisverfahren“ die Rede10. Die Vorschrift wurde durch das Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz aus dem Jahr 1990 eingeführt11. Laut Be4  Dazu

oben sub A. I. 1. b), S. 27 ff. RFDA 2002, 272 [273]; Gohin, Contentieux administratif (2012), Rn. 384; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1633; Daugeron, AJDA 2004, 17. 6  Zeugenvernehmungen können nicht im Wege des référé-constat, sondern nur im Wege des référé-instruction angeordnet werden (siehe unten sub III. 1. a) aa), S. 207, und III. 1. b) aa), S. 207 f.). 7  Cuypers, NJW 1994, 1985 [1985]; Musielak / Huber, § 485 Rn. 2. 8  Vgl. Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1643 (zum référé-instruction). 9  Die Abschaffung erfolgte beim référé-instruction im Jahr 1988 und beim référéconstat im Jahr 2000 (siehe oben sub A. I. 1. b), S. 30, und A. I. 2., S. 33). 10  Cuypers, NJW 1994, 1985 [1985]; Musielak / Huber, § 485 Rn. 2. 11  Art.  1 Nr.  30 Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz v. 17. Dezember 1990, BGBl. I v. 22. Dezember 1990, 2850. 5  Barthélemy,

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I. Funktionen205

gründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung soll sie die Gerichte entlasten und die gütliche Streitbeilegung fördern12. Allerdings heißt es in der Gesetzesbegründung auch, dass vor den Verwaltungsgerichten „das selbständige Beweisverfahren regelmäßig wie bisher nur zum Zwecke der Beweissicherung möglich sein“ werde13. Daraus, dass im Verwaltungsverfahren die Sachverhaltsermittlung einschließlich der Beweiserhebung außerhalb eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich Aufgabe der Behörden ist (Untersuchungsgrundsatz, § 24  VwVfG), ergebe sich eine Beschränkung auf den Sicherungszweck14. Vor diesem Hintergrund wird teilweise vertreten, für ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO sei vor den Verwaltungsgerichten kein Raum15. In der Tat besteht in den Fällen, in denen eine Behörde im Rahmen der Amtsermittlung ein Sachverständigengutachten einholt, in der Regel kein Anlass mehr, noch eine weitere Sachverständigenbegutachtung im Wege des selbständigen Beweisverfahrens anzuordnen. Ein auf Anordnung des Gerichts eingeholtes Gutachten hat auch nicht etwa von vornherein einen höheren Stellenwert als ein durch die Behörde eingeholtes Gutachten16; letzteres kann aufgrund der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz grundsätzlich nicht mit einem gewöhnlichen Parteigutachten gleichgesetzt werden17. Was aber etwa, wenn die befasste Behörde, aus welchen Gründen auch immer, ihrer Amtsermittlungspflicht nicht nachkommt und ein erforderliches Gutachten nicht einholt? Dann besteht für den Betroffenen durchaus ein Bedürfnis für eine gerichtliche Anordnung der Sachverständigenbegutachtung. Angesichts dessen erscheint es als zu weitgehend, von vornherein eine Anwendbarkeit des § 485 Abs. 2 ZPO insgesamt zu verneinen18, 19, 20, 21. 12  BT

Drs. XI / 3621, 24. Drs. XI / 3621, 24. 14  BT Drs. XI / 3621, 24. 15  Schreiber, NJW 1991, 2600 [2601]. 16  VGH Mannheim v. 3. Mai 2007, Az. 5 S 810 / 07, NVwZ RR 2007, 574 [jurisRn. 11]. 17  Posser / Wolff / Garloff, § 98 Rn. 9. 18  Ausführlich zu den Auswirkungen der behördlichen Amtsermittlungspflicht unten sub IV. 2., S. 220 ff. 19  Zur grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 485 Abs. 2 ZPO auch Schoch /  Schneider / Bier / Rudisile § 98 Rn. 267 f. 20  Vgl. ferner für Anwendungsfälle aus der Verwaltungsgerichtsrechtsprechung aus jüngerer Zeit VGH Kassel v. 17.  Januar 2011, Az.  2 B 1966 / 10, ESVGH 61, 158; OVG Münster v. 24.  März 2009, Az.  15 E 31 / 09, juris. 21  Hingegen ist die erste Alternative des § 485 Abs. 1 ZPO („einvernehmliches Beweisverfahren“) wegen Unvereinbarkeit mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nicht anwendbar (Eyermann / Geiger, § 98 Rn. 39; Schoch / Schneider / Bier / Rudisile § 98 13  BT

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206

E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

Und das Bedürfnis der Prozessvermeidung besteht für die Verwaltungsgerichte genauso wie für die Zivilgerichte.

II. Verfahrenscharakter In Frankreich sind der référé-constat und der référé-instruction der Verfahrenskategorie der einstweiligen Verfahren zugeordnet und dementsprechend systematisch im Zusammenhang mit den anderen référés im fünften Buch des CJA geregelt. In Deutschland hingegen bildet das selbständige Beweisverfahren eine eigenständige Verfahrenskategorie. Ungeachtet dieser unterschiedlichen Einordnung erfüllen die Verfahren in beiden Ländern allerdings dieselben Funktionen. Das entscheidende Charakteristikum dieser Verfahren ist, dass in ihnen das Gericht allgemein keine (vorläufige oder endgültige) Entscheidung in der Sache selbst trifft22, sondern lediglich Beweisanordnungen erlässt. Diese Anordnungen sind zwar einerseits bezogen allein auf ihren Regelungsgegenstand der Beweiserhebung grundsätzlich abschließend, andererseits aber insoweit bloß vorläufig, als keine Entscheidung in der Sache ergeht. Bei der Beweissicherung bei drohendem Beweismittelverlust handelt es sich zudem um ein Eilverfahren. Hinsichtlich der Funktion der Prozessvermeidung sind die Verfahren zwar als Instrument zur endgültigen Streitbeilegung konzipiert. Das führt indessen noch nicht dazu, dass sie in die Kategorie der Hauptsacheverfahren eingeordnet werden können, da ja im Unterschied zum Gerichtsbescheid und zum référé-provision23 keine Entscheidung in der Sache ergeht. Insgesamt erscheint es sachgerecht, sie als einstweilige Verfahren im weiteren Sinne zu klassifizieren.

III. Anordnungsinhalte Die gerichtlichen Anordnungsmöglichkeiten reichen bei den verschiedenen Verfahren unterschiedlich weit. 1. Frankreich In Frankreich bestehen beim référé-instruction sehr weitreichende Anordnungsmöglichkeiten, während sie beim référé-constat beschränkt sind. Rn. 266; a. A. wohl Kopp / Schenke, § 98 Rn. 26; OVG Münster v. 9. Juli 2003, Az. 1 E 911 / 02, juris [juris-Rn. 5]; OVG Lüneburg v. 14.  März 2005, Az.  7 OB 28 / 05, NVwZ-RR 2006, 367 [juris-Rn. 7]). 22  Die Relevanz der zu treffenden Feststellungen kann nur implizit eine Rolle spielen, siehe unten sub IV., S. 218 ff. 23  Siehe zur Frage der Qualifizierung dieser Verfahren oben sub D. IV. 4., S. 199 f., und D. IV. 5., S. 201.



III. Anordnungsinhalte207

a) Référé-constat aa) Ausschließlich Sachverständiger In Art. R531-1 Abs. 1 CJA ist als einziges Beweismittel der Sachverständige genannt; eine Zeugenvernehmung etwa kann in diesem Wege nicht angeordnet werden. bb) Beschränkte Tatsachenfeststellung Auch hinsichtlich des inhaltlichen Umfangs der Sachverständigenbegutachtung gibt es Beschränkungen. Es heißt in Art. R531-1 Abs. 1 CJA: „S’il n’est rien demandé de plus que la constatation de faits […]“. Zwar sind auch etwa die Feststellung von Ursachen oder die Ermittlung des Aufwands für die Beseitigung eines Schadens durch den Sachverständigen Tatsachenfeststellungen. Der Begriff „constatation de faits“ ist hier aber eng zu verstehen und umfasst lediglich bloße Zustandsbeschreibungen24. Beispielsweise kann es Aufgabe des Sachverständigen sein, im Zusammenhang mit einem Unfall den Zustand einer Straße und eines Fahrzeugs festzustellen25 oder die Überlastung eines Sortierzentrums der Post infolge eines Streiks festzustellen26 oder Haftbedingungen festzustellen27, 28. b) Référé-instruction aa) Verschiedene Beweismittel Der référé-instruction kennt keine Beschränkungen hinsichtlich der Beweismittel: Nach Art. R532-1 Abs. 1 CJA kann „toute mesure […] d’expertise ou d’instruction“ angeordnet werden. Freilich fällt auch die Sachverständigenbegutachtung unter den Oberbegriff der Ermittlungsmaßnahme (mesure d’instruction). Insofern besteht trotz der Formulierung „ou“ kein Alternativverhältnis, sondern es wird nur die Sachverständigenbegutachtung als die 24  Vgl. Viguier, Contentieux administratif (2005), 94; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1633. 25  CE v. 18. November 1959, Département de Constantine, Az. 32892, Rec. Leb. 1959, 610. 26  CE v. 9. Januar 1985, Société Manufacture du Val de Vienne, Az. 58067, Rec. Leb. 1985, 8. 27  CE v. 21. März 2012, Assafar, Az. 353511, LexisNexis. 28  Weitere Beispiele bei Broyelle, Contentieux administratif (2011), Rn. 654; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1633.

208

E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

mit Abstand am häufigsten angeordnete Maßnahme29 besonders hervorgehoben. Im sechsten Buch des CJA, das Regelungen zur instruction enthält, werden neben dieser30 als weitere Maßnahmen die Ortsbesichtigung (visite des lieux)31, die Zeugenvernehmung (enquête)32 und die Verifikation von Urkunden (vérification d’écritures)33 behandelt. Daneben bestehen noch weitere, gesetzlich nicht geregelte Möglichkeiten; beispielsweise kann die Vorlegung von Urkunden angeordnet werden34. Insgesamt gibt es eine breite Palette an Ermittlungsmaßnahmen, die alle im Wege des référé-instruction angeordnet werden können. bb) Unbeschränkte Tatsachenermittlung Auch hinsichtlich des Umfangs der Tatsachenermittlung gibt es keine Beschränkungen. Für den Hauptanwendungsfall der Sachverständigenbegutachtung heißt das, dass der Sachverständige also anders als beim référéconstat über bloße Zustandsbeschreibungen hinaus auch damit beauftragt werden kann, Ursachen festzustellen, die Verteilung von Verursachungsbeiträgen zu untersuchen, die Höhe eines Schadens zu beziffern oder zu ermitteln, ob und durch welche Maßnahmen ein Schaden begrenzt oder beseitigt werden kann und welche Kosten dabei entstehen etc.35. Die Begutachtung darf nur – wie stets – nicht auf Rechtsfragen gerichtet sein36, 37. 29  Daël, Contentieux administratif (2008), 242; Gohin, Contentieux administratif (2012), Rn. 386; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1639. 30  Art. R621-1 bis R621-14  CJA. 31  Art. R622-1  CJA. 32  Art. R623-1 bis R623-8 CJA. 33  Art. R624-1 f.  CJA. 34  Umfassend zu den verschiedenen Ermittlungsmaßnahmen Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 991 ff. 35  Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1639; Gohin, Contentieux administratif (2012), Rn. 386; Barthélemy, RFDA 2002, 272 [274]. Aus der Rechtsprechung CE v. 9. Februar 1962, Vivien, Az. 53095, Rec. Leb. 1962, 100; CE v. 30. Januar 1963, Belin, Az. 59412, Rec. Leb. 1963, 59; CE v. 12. Oktober 1979, Devillers, Az. 15131, Rec. Leb. 1979, 375; CE v. 15. Februar 2008, Heliot, Az. 303863, LexisNexis. 36  Raymond, JCP Adm. 2005, 1262, Nr. 28, 1096 [1097]; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 369; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1639; Gohin, Contentieux administratif (2012), Rn. 386; Debbasch / Ricci, Contentieux administratif (2001), 515. Aus der Rechtsprechung CE v. 17. Dezember 1956, Dubreuil, Az.  39002, Rec. Leb. 1956, 484; CE v. 11. März 1996, SCI du domaine des Figuières, Az. 161112, Rec. Leb. 1996, 71; CE v. 12. Januar 2011, Société OTV France, Az. 337889, LexisNexis. 37  Die Grenzziehung zwischen Tatsachen- und Rechtsfragen ist freilich häufig alles andere als eindeutig. Das wird etwa an dem der vorzitierten Entscheidung



III. Anordnungsinhalte209

cc) Langfristige Sachverständigenmission Bemerkenswert ist, dass, schon bevor überhaupt ein Schaden entstanden ist, ein Sachverständiger bestimmt werden kann, dessen Aufgabe es ist, den (schadensfreien) Ausgangszustand festzustellen und die Schadensentwicklung über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Die Möglichkeit einer derartigen Sachverständigenmission ist für den Bereich der öffentlichen Bauarbeiten (travaux publics) in Art. R532-1 Abs. 2 CJA ausdrücklich vorgesehen38. Nach dieser Vorschrift kann der Richter einen Sachverständigen damit beauftragen, „[…] de procéder, lors de l’exécution de travaux publics, à toutes constatations relatives à l’état des immeubles susceptibles d’être affectés par des dommages ainsi qu’aux causes et à l’étendue des dommages qui surviendraient effectivement pendant la durée de sa mis­ sion.“ Diese Anordnungsmöglichkeit wird als „référé préventif“ bezeichnet39. Es fragt sich, ob sie auf den Bereich der öffentlichen Bauarbeiten beschränkt ist40. Vom Wortlaut und der Systematik her ist das nicht zwingend: In Abs. 2 heißt es „notamment“, damit handelt es sich gesetzestechnisch nicht um eine von Abs. 1 getrennte Anordnungsmöglichkeit, sondern es wird lediglich ein Anwendungsfall des Abs. 1 besonders hervorgehoben. Vor diesem Hintergrund erscheint es als nicht ausgeschlossen, dass auch in anderen Bereichen derartige Anordnungen möglich sind. So attraktiv die Möglichkeit einer sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden, fortlaufenden Sachverständigentätigkeit, die einen Entwicklungsprozess wie den Ablauf von Bauarbeiten gleichsam von Anfang bis Ende begleitet, auch ist – die Frage der Durchführung einer solchen Mission erscheint nicht unproblematisch: Es fragt sich beispielsweise, wie häufig der Sachverständige die Baustelle aufsuchen muss. Die Arbeiten können sich über Jahre hinziehen und der Sachverständige kann nicht permanent anwesend sein. Eine Anfangs- und Endbegutachtung reichen aber nicht aus, SCI du domaine des Figuières zugrundeliegenden Fall der Bewertung eines Weins deutlich. Es fragt sich allgemein, ob überhaupt durchgängig eine Trennung von Tatsachen- und Rechtsfragen möglich ist. Diese Problematik wird hier nicht vertieft. 38  Die Vorschrift geht auf ein Dekret aus dem Jahr 1997 zurück (Art. 6 Dekret Nr. 97-563 v. 29.  Mai 1997, JORF v. 31.  Mai 1997, 8428). Zur Entstehungsgeschichte Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1640. In diesem Zusammenhang interessant CAA Paris v. 17. Dezember 1996, SNCF, Az. 96PA00997, Rec. Leb. 1996, 628. 39  Chauvaux, AJDA 1997, 688 [692]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1640; Debbasch / Ricci, Contentieux administratif (2001), 515. 40  In diesem Sinne Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1640.

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E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

es kann auf verschiedenste Zwischenstände ankommen. Wann muss der Sachverständige solche Zwischenstände aufnehmen? Nur auf Anforderung einer Parteien oder aus eigener Initiative in bestimmten Abständen? Muss er jede Veränderung bei der Schadensentwicklung fortlaufend registrieren? Kann er eine von einer Partei geforderte Zwischenfeststellung ablehnen und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? All dies in die Eigenverantwortung des Sachverständigen zu stellen, ist nicht unbedenklich. Insbesondere sind derartige Entscheidungen, die notwendig auch rechtliche Erwägungen voraussetzen, nicht mit einer Beschränkung auf die Beantwortung von Tatsachenfragen vereinbar. dd) Schlichtung durch den Sachverständigen Ebenfalls bemerkenswert ist, dass das Gericht dem Sachverständigen einen Schlichtungsauftrag erteilen kann. In der Entscheidung Devillers aus dem Jahr 1979 hat der Conseil d’État eine solche Möglichkeit noch abgelehnt41: Der référé-Richter am Verwaltungsgericht von Marseille hatte im Zusammenhang mit Störungen eines Telefonanschlusses einen Sachverständigen damit beauftragt, sich vor Ort zu begeben, die Gründe für die Störungen herauszufinden, Maßnahmen zu ihrer Beseitigung vorzuschlagen und die Höhe des von der Anschlussinhaberin erlittenen Schadens zu beziffern. Insoweit ließ der Conseil d’État die Anordnung unbeanstandet. Der référé-Richter hatte allerdings darüber hinaus den Sachverständigen auch damit betraut, wenn möglich zwischen den Parteien zu schlichten (concilier). Diesen Schlichtungsauftrag hob der Conseil d’État als zu Unrecht ergangen auf. Im Jahr 2005 kam es dann aber mit der Entscheidung Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres zu einer Rechtsprechungsänderung42: Mehrere Privatschulen, die mit dem Staat einen Assoziierungsvertrag (contrat d’association à l’enseignement public)43 geschlossen hatten, womit eine (Teil-)Finanzierung aus öffentlichen Mitteln verbunden ist, beanstandeten die Höhe der vom Departement Val-de-Marne für die Jahre 1996 bis 2000 an sie geleisteten Zahlungen. Für die Berechnung der Mittelzuweisungen maßgeblich sind die für die öffentlichen Schulen getätigten Ausgaben. Der Conseil d’État gab einem Sachverständigen auf, den Betrag und die Verwendung der Ausgaben des Departements für öffentliche Schu41  CE

v. 12. Oktober 1979, Devillers, Az. 15131, Rec. Leb. 1979, 375. v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, Az. 259290, Rec. Leb. 2005, 65. 43  Siehe dazu nach aktueller Rechtslage Art. L442-5 ff. code de l’éducation. 42  CE



III. Anordnungsinhalte211

len in dem zu betreffenden Zeitraum zu ermitteln44. Außerdem ermächtigte er ihn, zwischen den Parteien zu schlichten: „[…] dans les circonstances de l’espèce et alors même que pourraient ultérieurement trouver à s’appliquer les dispositions de l’article L. 442-11 du code de l’éducation relatives à l’obligation de saisir une commission de concertation pour les litiges relatifs à l’exécution d’un contrat d’association, il y a lieu de donner mission à l’expert de concilier les parties si faire se peut à l’issue des opérations d’expertise […]“45.

Der Wendung „dans les circonstances de l’espèce“ ist zu entnehmen, dass der Sachverständige nicht automatisch einen Schlichtungsauftrag erhalten, sondern der Richter von Fall zu Fall darüber entscheiden soll46. Die Frage, wann und wann nicht ein Schlichtungsauftrag erteilt werden soll, ist indes nicht leicht zu beantworten. Der commissaire du gouvernement47 Glaser führt in seinen Schlussanträgen zu der Sache Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres aus, es gebe Fälle, die sich für eine Schlichtung eigneten und andere, die dafür weniger geeignet seien48. Es sei schwierig, eine Typologie zu entwickeln, besonders angebracht erscheine allerdings ein Schlichtungsauftrag, wenn es um die Haftungsverteilung (partage de résponsabilité) gehe, anders, wenn es um das Vorliegen einer Pflichtverletzung (faute) gehe49, 50. Interessant ist, dass der Conseil d’État den Sachverständigen mit einer Schlichtung betraute, obwohl möglicherweise51 vor Erhebung der Hauptsacheklage auch eine Schlichtungskommission (commission de concertation) anzurufen war. Es wurde also zusätzlich und unabhängig von einer möglichen Schlichtung durch diese Kommission eine Schlichtungsmöglichkeit geschaffen. In den Schlussanträgen heißt es dazu, die Kommission könne nicht dieselbe Rolle spielen wie der „expert conciliateur“52. 44  Ausgeklammert wurden die im Zusammenhang mit unbeweglichem Vermögen stehenden Ausgaben (dépenses d’investissement immobilier), die bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden. 45  CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, Az. 259290, Rec. Leb. 2005, 65 [67]. 46  Vgl. Glaser, DA Mai 2005, 35 [35]; GACA / Cassia, 443. 47  Zur Umbenennung des „commissaire du gouvernement“ in „rapporteur public“ im Jahr 2009 siehe oben D. Fn. 56. 48  Glaser, concl. zu CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, RFDA 2005, 546 [554]. 49  Glaser, concl. zu CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, RFDA 2005, 546 [554]. 50  Dem wird hier nicht weiter nachgegangen. 51  Die Formulierung „pourraient […] trouver à s’appliquer“ lässt die Frage der Anwendbarkeit des Artikel L442-11 code de l’éducation in dem betreffenden Fall offen.

212

E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

Die Rechtsprechung Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres steht in Einklang mit der Funktion der Prozessvermeidung des référéinstruction53. Wenn der Sachverständige schlichtend tätig werden kann, steigen die Chancen auf eine außergerichtliche Einigung. Die prozessvermeidende Wirkung, die eine Tatsachenklärung im Wege einer Expertise allein für sich schon haben kann, wird durch einen Schlichtungsauftrag an den Sachverständigen noch verstärkt und unterstrichen54. Vor diesem Hintergrund erscheint es nur konsequent, den Sachverständigen über die bloße Begutachtung hinaus auch mit einer Schlichtung zu beauftragen. Zwar bestimmt für den Zivilprozess Art. 240 CPC55, dass der Richter den Sachverständigen nicht mit einer Schlichtung beauftragen darf. Diese zivilprozessuale Vorschrift muss allerdings nicht notwendig auf den Verwaltungsprozess übertragbar sein56. So ist schließlich durch Dekret vom 22. Februar 201057 im sechsten Buch des CJA im Kapitel zur Sachverständigenbegutachtung Art. R621-1 ausdrücklich um den Satz „La mission confiée à l’expert peut viser à concilier les parties.“ ergänzt worden58, 59. Eine Schlichtung durch den Sachverständigen ist allerdings generell insofern nicht unproblematisch, als sie regelmäßig über die Tatsachenebene hinausgeht und rechtliche Wertungen impliziert. Das reibt sich damit, dass es dem Sachverständigen verwehrt ist, Rechtsfragen zu behandeln60. An diesem Grundsatz hält der Conseil d’État in den Entscheidungsgründen zur Sache Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres auch fest: Der Verwaltungsberufungsgerichtshof von Paris hatte als Vorinstanz die auf die Höhe und die Verwendung der Ausgaben des Departements für öffentliche Schulen gerichtete Expertise mit der Begründung abgelehnt, sie erstrecke sich auf Rechtsfragen. Die Aufhebung der Entscheidung in diesem Punkt begründete der Conseil d’État folgendermaßen: 52

52  Glaser, concl. zu CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, RFDA 2005, 546 [554]. 53  Vgl. GACA / Cassia, 442; Boiteau, JCP 2005, I-145, Nr. 24, 1125. 54  Glaser, concl. zu CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, RFDA 2005, 546 [552]. 55  Nach Art. 26 Gesetz Nr. 2007-1787 v. 20. Dezember 2007, JORF v. 21. Dezember 2007, 20643 heißt es nicht mehr „nouveau code de procédure civile“ (NCPC), sondern „code de procédure civile“ (CPC). 56  Vgl. zu Art. 240  CPC und den Unterschieden zwischen der Schlichtung im französischen Zivil- und Verwaltungsprozess Glaser, concl. zu CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, RFDA 2005, 546 [553 f.]; Landais / Lenica, AJDA 2005, 652 [654]. 57  Dekret Nr. 2010-164 v. 22.  Februar 2010, JORF v. 23.  Februar 2010, 3325. 58  Art. 34 Abs. 1 des Dekrets v. 22.  Februar 2010. 59  Vgl. GACA / Cassia, 425, 443. 60  Siehe oben sub bb), S. 208.



III. Anordnungsinhalte213 „[…] la réunion d’informations chiffrées sur le montant et l’objet des dépenses départementales susceptibles d’être regardées comme prises en charge dans l’intérêt des collèges publics n’implique nullement que le juge se départisse de la compétence, qui n’appartient qu’à lui seul, d’abord d’apprécier le caractère ­éclairant du rapport d’expertise, puis de qualifier juridiquement ces dépenses […] ainsi, le magistrat désigné par le président de la cour administrative d’appel de Paris a inexactement qualifié la demande dont il était saisi en jugeant qu’elle conduirait à confier à l’expert une mission sur la solution à donner à des questions de droit […]“61, 62.

Die Bewertung der Aussagekraft des Sachverständigengutachtens und die rechtliche Einordnung der vom Sachverständigen ermittelten Tatsachen sind demzufolge nach wie vor Aufgabe des Richters. Die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung wird nicht darauf gestützt, dass der Sachverständige (nunmehr) auch mit der Untersuchung von Rechtsfragen betraut werden kann, sondern darauf, dass die beantragte Expertise lediglich auf Tatsachenfragen gerichtet ist. Entsprechend heißt es an anderer Stelle der Entscheidungsgründe: „[…] la mission consistant à déterminer le montant et l’objet des dépenses […] n’est relative ni à la qualification juridique des faits ni aux conséquences juridiques à tirer de constatations de fait; […] portant ainsi non sur des questions de droit mais sur de questions de fait, elle est de celles qu’un juge peut confier à un expert […]“63, 64.

Zugleich wird jedoch dem Sachverständigen ein Schlichtungsauftrag erteilt. Nach Boiteau erscheint die Entscheidung Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres in diesem Punkt widersprüchlich65. In der Tat spielen für die Erzielung einer Einigung zwischen den Privatschulen und dem Departement über die Mittelzuweisungen Rechtsfragen eine Rolle. Der schlichtende Sachverständige geht damit über eine bloße Untersuchung von Tatsachenfragen hinaus. Glaser führte dazu in seinen Schlussanträgen aus: „[…] en rapprochant les parties l’expert va au-delà du simple établissement des faits et l’accord entre les parties a nécessairement pour effet de régler des questions de droit, mais c’est le propre de toute démarche pré-contentieuse aboutissant à une solution“66. 61  CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, Az. 259290, Rec. Leb. 2005, 65 [66]. 62  Hervorhebung durch den Verfasser. 63  CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, Az. 259290, Rec. Leb. 2005, 65 [67]. 64  Hervorhebung durch den Verfasser. 65  Boiteau, JCP 2005, I-145, Nr. 24, 1125. 66  Glaser, concl. zu CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, RFDA 2005, 546 [553].

214

E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

Daraus, dass die außergerichtliche Einigung zwischen den Parteien notwendigerweise Rechtsfragen umfasst, kann indessen nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass die Befassung des Sachverständigen mit einer Schlichtung unproblematisch ist. Denn die Frage, ob die Einigung Rechtsfragen betrifft, ist von der Frage zu trennen, wer zur Schlichtung berufen werden kann. Und es ist etwas anderes, ob die Parteien sich ohne Beteiligung eines Dritten einigen oder ob ein Dritter schlichtend tätig wird. Denn der Schlichtende kann unter Umständen erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung der Einigung nehmen. Wenn die Parteien seinem Urteil vertrauen, kann er den Inhalt der Einigung mehr oder weniger vorgeben. Seine Einschätzungen – und zwar nicht nur jene in tatsächlicher, sondern auch jene in rechtlicher Hinsicht – haben dann entscheidende Bedeutung. Dem Schlichtenden kommt eine zentrale Rolle zu, er bildet gewissermaßen den Dreh- und Angelpunkt für die zu erzielende Einigung. Vor diesem Hintergrund kann bezweifelt werden, ob ein Sachverständiger für eine Schlichtung ausreichend gewappnet ist. Er ist lediglich Experte für Tatsachenfragen in einem bestimmten Bereich, die für eine Schlichtung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten können bei ihm nicht vorausgesetzt werden. Derartige Bedenken können im übrigen nicht dadurch zerstreut werden, dass man zwischen der Sachverständigenbegutachtung und der Schlichtungsmission des Sachverständigen unterscheidet. Wenn man die drei zitierten Passagen aus der Entscheidung Organisme de gestion du Cours du SacréCœur et autres gegenüberstellt, liest sich das so, als ob der Conseil d’État diese Unterscheidung vornimmt. So würde sich erklären, dass er trotz Erteilung des Schlichtungsauftrags bezüglich der Sachverständigenbegutachtung am Verbot der Behandlung von Rechtsfragen festhält. Dass bei der Schlichtung Rechtsfragen eine Rolle spielen, ist dann unabhängig davon, dass die Begutachtung selbst nicht auf Rechtsfragen gerichtet sein darf. Landais / Lenica sprechen von zwei Arbeitsschritten des Sachverständigen67. Begutachtungsphase und Schlichtungsphase sind danach getrennt und zwischen den beiden Arbeitsschritten gibt es keine Konfusion, bei Scheitern der Schlichtung behandelt der Sachverständigenbericht für das gerichtliche Verfahren ausschließlich Tatsachenfragen68. Das kann aber freilich nichts daran ändern, dass auch die Behandlung von Rechtsfragen durch den Sachverständigen nur bei der Schlichtung selbst, wie dargelegt, nicht unproblematisch ist. Es bleibt festzuhalten: Unter dem Gesichtspunkt der Prozessvermeidung ist die Einsetzung des Sachverständigen zur Schlichtung sicherlich wünschenswert, bedenkenfrei erscheint sie allerdings aufgrund der damit verbundenen Befassung des Sachverständigen mit Rechtsfragen nicht. 67  Landais / Lenica, 68  Landais / Lenica,

AJDA 2005, 652 [654]. AJDA 2005, 652 [654].



III. Anordnungsinhalte215

2. Deutschland In Deutschland unterscheiden sich die Anordnungsmöglichkeiten beim sichernden und beim streitschlichtenden Beweisverfahren. a) Sicherndes Beweisverfahren nach § 98 VwGO, § 485 Abs. 1  Alt.  2 ZPO aa) Augenschein, Zeuge, Sachverständiger Als Beweismittel sind in § 485 Abs. 1 ZPO die Augenscheineinnahme, die Zeugenvernehmung und die Sachverständigenbegutachtung aufgeführt. Andere Beweismittel können nicht zum Einsatz kommen69. bb) Umfang der Tatsachenermittlung Es ist umstritten, wie weit die Tatsachenermittlung beim sichernden Beweisverfahren nach § 485 Abs. 1 Alt. 2 ZPO reichen darf. Verbreitet werden neben Zustandsbeschreibungen auch Feststellungen zu Ursachen, zur (technischen) Verantwortlichkeit, zu Mängel- und Schadensbeseitigungsmaßnahmen und zu dabei entstehenden Kosten für möglich gehalten70. Schreiber lehnt dies ab unter Berufung darauf, die in § 485 Abs. 2 ZPO getroffene Regelung erfasse diese Fälle abschließend71. Weise erachtet differenzierend Feststellungen zu Art und Umfang sowie Ursache eines Mangels oder Schadens für zulässig, für unzulässig dagegen Feststellungen zu Kosten für die Behebung, zu Mängelbeseitigungsmaßnahmen, zur Verantwortlichkeit und zur Verursachungsquote72. Sachgerecht erscheint, den möglichen Umfang der Tatsachenermittlung am Beweissicherungszweck des Verfahrens nach § 485 Abs. 1  Alt.  2 ZPO auszurichten. Nach diesem Zweck bestimmen sich die Grenzen der Anordnungsmöglichkeiten. Ausschlaggebend muss sein, ob die betreffende Feststellung auch später noch getroffen werden kann73. 69  Zöller / Herget, § 485 Rn. 1; Musielak / Huber, § 485 Rn. 5; OLG Saarbrücken v. 2.  Oktober 2007, Az.  5 W 112 / 07-38, OLG-Report Frankfurt, Koblenz, Zweibrücken, Saarbrücken 2008, 26 [juris-Rn. 21]. 70  Werner / Pastor / Pastor, Bauprozess (2013), Rn.  22  ff.; Ulrich, Selbständiges Beweisverfahren (2008), 24; Zöller / Herget, § 485 Rn. 5; Berger, BauRB 2004, 281 [282]; Scholtissek, BauR 2000, 1118 [1122]. 71  MüKo / Schreiber, § 485 Rn. 12; Schreiber, NJW 1991, 2600 [2601]. 72  Weise, Selbständiges Beweisverfahren (1994), 53 ff. 73  Weise, Selbständiges Beweisverfahren (1994), 53 f.

216

E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

Vor diesem Hintergrund kann beispielsweise der todkranke Zeuge ohne weiteres zur Frage der Ursache eines Schadens vernommen werden. Warum soll diese Möglichkeit durch § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO, der nur die schriftliche Sachverständigenbegutachtung zulässt, ausgeschlossen sein? Das sichernde Beweisverfahren nach Abs. 1 Alt. 2 ist getrennt und unabhängig vom streitschlichtenden Beweisverfahren nach Abs. 2 und kann nicht durch dieses eingeschränkt werden74. Es bliebe außerdem angesichts dessen, dass in Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Zustandsfeststellungen erfasst sind, letztlich für Abs. 1 Alt. 2 praktisch kein Anwendungsbereich mehr, wenn Abs. 2 abschließend wäre. Umgekehrt erscheint es aber zu weitgehend, den Sachverständigen mit der Ermittlung von Beseitigungsmaßnahmen und den dabei entstehenden Kosten zu beauftragen. Denn dies dient nicht der Beweissicherung. Warum insbesondere bei kurzfristig erforderlichen Beseitigungsmaßnahmen die Notwendigkeit der aufgebrachten Beseitigungskosten im Hauptprozess nicht mehr angemessen feststellbar sein soll75, erschließt sich nicht ohne weiteres. Die im selbständigen Beweisverfahren getroffenen Zustandsfeststellungen bilden dafür regelmäßig eine ausreichende Grundlage. Bei Tatsachenfeststellungen des Sachverständigen zu Ursachen, der (technischen) Verantwortlichkeit und Verursachungsquote kann es hingegen vorkommen, dass sie später nicht mehr möglich sind. Abgesehen davon geht es bei der Sachverständigenbegutachtung im sichernden Beweisverfahren im Wesentlichen um Zustandsfeststellungen. b) Streitschlichtendes Beweisverfahren nach § 98 VwGO, § 485 Abs. 2 ZPO aa) Schriftliche Sachverständigenbegutachtung Als einziges Beweismittel ist in § 485 Abs. 2 ZPO die schriftliche Sachverständigenbegutachtung genannt, andere Beweismittel kommen nicht in Betracht76. Die mündliche Erläuterung des schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen und dessen Anhörung sind gemäß §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 3, 402, 397 ZPO zulässig77. 74  Werner / Pastor / Pastor, Bauprozess (2013), Rn. 24; Weise, Selbständiges Beweisverfahren (1994), 54. 75  Werner / Pastor / Pastor, Bauprozess (2013), Rn. 24; Scholtissek, BauR 2000, 1118 [1122]. 76  Zöller / Herget, § 485 Rn. 8; MüKo / Schreiber, § 485 Rn. 13; OLG München v. 25.  Mai 2000, Az.  28 W 1469 / 00, NJW-RR 2001, 1652. 77  BGH v. 13.  September 2005, Az.  VI ZB 84 / 04, BGHZ 164, 94; Thomas /  Putzo / Reichold, § 485 Rn. 5; Zöller / Herget, § 485 Rn. 8.



III. Anordnungsinhalte217

bb) Zustands-, Wert-, Ursachen- und Beseitigungsaufwandsfeststellung Nach § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–3 ZPO können Zustands-, Wert-, Ursachenund Beseitigungsaufwandsfeststellungen angeordnet werden. Der „Zustand“ ist dabei nicht auf das äußerlich Erkennbare beschränkt, sondern dazu gehören auch Umstände, die erst bei näherer Untersuchung, mit der auch Eingriffe verbunden sein können, sichtbar werden78, 79. Beispielsweise kann eine feuchte Wand aufgestemmt werden, um den Zustand eines Leitungsrohrs festzustellen80. Im Rahmen der Ursachenfeststellung nach Nr. 2 kann der Sachverständige damit beauftragt werden, auch die Verantwortlichkeit und die Verursachungsquote zu untersuchen81, wobei er aber – wie stets – auf Tatsachenfeststellungen beschränkt ist und keine rechtlichen Bewertungen abgeben darf82. 3. Gegenüberstellung Die Anordnungsmöglichkeiten des référé-instruction reichen am weitesten. Bei den Beweismitteln und beim Umfang der Tatsachenermittlung gibt es keine Beschränkungen, es besteht zumindest im Bereich der öffentlichen Bauarbeiten gemäß Art. R532-1 Abs. 2 CJA die Möglichkeit, eine langfristige Sachverständigenmission anzuordnen, und nach der Rechtsprechung kann dem Sachverständigen sogar ein Schlichtungsauftrag erteilt werden. Das sichernde und das streitschlichtende Beweisverfahren in Deutschland sind demgegenüber begrenzter. Die Möglichkeiten einer langfristigen Sach78  Musielak / Huber, § 485 Rn. 12; Schreiber, NJW 1991, 2600 [2601]; Werner / Pastor / Pastor, Bauprozess (2013), Rn. 28 f.; Berger, BauRB 2004, 281 [283]; Weise, Selbständiges Beweisverfahren (1994), 58. Zu § 485 S. 2  Var.  3 ZPO  a. F.: Hesse, BauR 1984, 23 [25 f.]; Weyer, NJW 1969, 2233; a. A.: Wussow, NJW 1969, 1401 [1403]; Schmitz, BauR 1981, 40 [42]. 79  Das gilt gleichermaßen für Zustandsfeststellungen nach § 485 Abs. 1 ZPO. 80  An diesem Beispiel zeigt sich, dass eine Zustandsfeststellung zugleich die Ursache für einen Folgezustand liefern kann: Das defekte Rohr ist der Grund dafür, dass die Wand feucht ist. Zum Zusammenhang von Zustands- und Ursachenfeststellungen Hesse, BauR 1984, 23 [26]. 81  Thomas / Putzo / Reichold, § 485 Rn. 6; Musielak / Huber, § 485 Rn. 12; Berger, BauRB 2004, 281 [283]; Ulrich, Selbständiges Beweisverfahren (2008), 31; Werner / Pastor / Pastor, Bauprozess (2013), Rn. 31; OLG München v. 12. September 1997, Az. 28 W 2066 / 97, MDR 1998, 495; OLG Frankfurt v. 29. Juni 2000, Az. 25 W 134 / 99, BauR 2000, 1370; OLG Köln v. 06.  Dezember 2004, Az.  15 W 59 / 04, BauR 2005, 752; a. A. Leineweber, FS Mantscheff (2000), 249. 82  Grundsätzlich klare Vorgaben des Gerichts fordernd Sturmberg, Beweissicherung (2004), 16 f.

218

E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

verständigenmission und eines Schlichtungsauftrags an den Sachverständigen gibt es in diesen Verfahren nicht. Beim streitschlichtenden Beweisverfahren ist nur eine schriftliche Sachverständigenbegutachtung zulässig und die möglichen Feststellungen sind abschließend aufgezählt. Beim sichernden Beweisverfahren ist der Umfang der Tatsachenermittlung durch den Sicherungszweck begrenzt und als Beweismittel kommen nur die Augenscheineinnahme, die Zeugenvernehmung und die Sachverständigenbegutachtung in Frage. Die Tragweite der Unterschiede zum référé-instruction darf allerdings nicht überschätzt werden, vor allem angesichts dessen, dass die Sachverständigenbegutachtung der bei weitem häufigste Anwendungsfall ist und die üblicherweise relevanten Feststellungen in der Aufzählung in § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–3 ZPO erfasst sind. Insgesamt kommt man in den meisten praktisch relevanten Konstellationen über das streitschlichtende oder das sichernde Beweisverfahren zu demselben Ergebnis wie über den référé-instruction. Die in praktischer Hinsicht wohl gravierendsten Unterschiede bestehen hinsichtlich der langfristigen Sachverständigenmission und der Schlichtung durch den Sachverständigen, wobei beide problematisch erscheinen. Besonders restriktiv sind die Anordnungsmöglichkeiten beim référé-constat, hier sind lediglich bloße Zustandsbeschreibungen möglich. Das ist allerdings im Zusammenhang mit der Sonderrolle zu sehen, die der référéconstat dadurch einnimmt, dass bei ihm grundsätzlich das gerichtliche Verfahren nicht kontradiktorisch muss, was überhaupt erst die raison d’être für dieses Verfahren neben dem référé-instruction ist, in dessen Wege die beim référé-constat möglichen Maßnahmen genauso angeordnet werden können83.

IV. Anordnungsvoraussetzungen 1. Référé-instruction und référé-constat Einzige materielle Anordnungsvoraussetzung beim référé-instruction und beim référé-constat ist die Zweckmäßigkeit (utilité) der Maßnahme. Für den référé-instruction heißt es in Art. R532-1 Abs. 1 CJA: „[…] toute mesure u t i l e d’expertise ou d’instruction.“84. Für den référé-constat ist in Art. R531-1 CJA die Zweckmäßigkeit zwar nicht ausdrücklich genannt, sie ist aber auch bei diesem Verfahren Bedingung85. 83  Siehe

dazu unten sub V., S. 224 f. durch den Verfasser. 85  Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [948]; Broyelle, Contentieux administratif (2011), Rn. 655; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1634; Gohin, Contentieux administratif (2012), 84  Hervorhebung



IV. Anordnungsvoraussetzungen219

Unzweckmäßigkeit liegt beispielsweise dann vor, wenn die betreffenden Tatsachen bereits anderweitig festgestellt oder hinreichend bekannt sind86 oder wenn eine Hauptsacheklage wegen Ablauf der Klagefrist87 oder Verjährung88 keinen Erfolg mehr haben kann89. 2. Selbständiges Beweisverfahren Beim sichernden Beweisverfahren nach § 485 Abs. 1 Alt. 2 ZPO muss die Gefahr bestehen, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird. Das streitschlichtende Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO ist anders als das Verfahren nach Abs. 1 nur vor Anhängigkeit des Hauptsacheverfahrens möglich und es muss ein rechtliches Interesse an der Feststellung bestehen. Ein solches Interesse ist nach Abs. 2 S. 2 anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann90. Daran fehlt Rn. 384; GACA / Cassia, 432; CE v. 26. Juli 1982, Société Sous-traitants associés de l’électronique, Az.  40701, Rec. Leb. 1982, 312; CE v. 28. September 2011, Gallois, Az.  345309, LexisNexis. 86  Vgl. Ricci, Contentieux administratif (2012), Rn. 370; Viguier, Contentieux administratif (2005), 94; Glaser, concl. zu CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, RFDA 2005, 546 [548]; Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1642; Gohin, Contentieux administratif (2012), Rn. 386; CE v. 20. Dezember 2000, Deniel, Az. 224663, LexisNexis; CE v. 17. Dezember 1976, Ferignac, Az. 00217, Rec. Leb. 1976, 553; CE v. 21. Februar 1958, Syndicat intercommunal pour l’alimentation en eau potable de la région de Breuillet, Az.  39747, Rec. Leb. 1958, 120; CE v. 8.  Dezember 1954, Société des établissements Thibout, Rec. Leb. 1954, 867 (tables). 87  CE v. 19. Dezember 2008, Marina, Az.  314505, LexisNexis; CE v. 7. Juni 2004, Assistance publique à Marseille, Az. 252869, LexisNexis. 88  CE v. 30. Dezember 2002, Office Public d’Habitations de Nice et des AlpesMaritimes, Az.  241793, Rec. Leb. 2002, 509. 89  Zu den verschiedenen Fallgruppen zur Unzweckmäßigkeit Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1634, 1642; Glaser, concl. zu CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, RFDA 2005, 546 [548 ff.]; GACA / Cassia, 432 ff.; Pacteau, Contentieux administratif (2008), Rn. 369. 90  Nicht behandelt wird hier der Frage, ob Abs. 2 S. 2 abschließend ist (verneinend OVG Münster v. 24.  März 2009, Az.  15 E 31 / 09, juris [juris-Rn. 5]; OLG Stuttgart v. 29.  November 2004, Az.  10 W 75 / 04, MDR 2005, 347 [juris-Rn. 12]; VG Gießen v. 31.  Oktober 1997, Az.  1 J 1071 / 97, juris [juris-Rn. 15]; Schoch /  Schneider / Bier / Rudisile § 98 Rn. 271; Herget, FS Vollkommer (2006), 97 [103]; Zöller / Herget, § 485 Rn. 7a; Thomas / Putzo / Reichold, § 485 Rn. 7). Angesichts der offenen Formulierung des Abs. 2 S. 2 erscheint diese Frage auch ohne praktische Relevanz. Entscheidend ist, dass weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass der Begriff des rechtlichen Interesses weit zu fassen ist (BGH v. 16. September 2004, Az.  III ZB 33 / 04, NJW 2004, 3488 [juris-Rn. 5]; OLG Koblenz v.

220

E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

es, wenn die zu treffenden Feststellungen für die Rechtsbeziehungen der Beteiligten offenkundig ohne Bedeutung sind91. Dabei muss es sich um ganz eindeutige Fälle handeln, da die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen sind92. In diesen Fällen lässt sich aber freilich bereits auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis verneinen, und zwar nicht nur beim streitschlichtenden Verfahren nach Abs. 293, sondern auch beim sichernden nach Abs. 1 Alt. 294. Auch bei diesem Verfahren ist also der Antrag bei offenkundiger Unerheblichkeit zurückzuweisen. Darüber hinaus fehlt in vielen Fällen ein rechtliches Interesse bzw. ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis wegen des im Verwaltungsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 24 VwVfG des Bundes und der Länder)95. Danach muss im Verwaltungsverfahren die befasste Behörde selbst von Amts wegen die relevanten Tatsachenermittlungen betreiben. Soweit die Behörde dazu ein Sachverständigengutachten einholt, ist ein Antrag von ihr auf eine weitere Begutachtung im selbständigen Beweisverfahren in der Regel überflüssig, zumal ihrem im Rahmen der Amtsermitt11. August 2006, Az.  5 W 480 / 06, NVwZ-RR 2007, 114 [juris-Rn. 4]; OVG Münster v. 24.  März 2009, Az.  15 E 31 / 09, juris [juris-Rn. 5]; OLG Stuttgart v. 29. November 2004, Az.  10 W 75 / 04, MDR 2005, 347 [juris-Rn. 12]; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, § 485 Rn. 8; Schoch / Schneider / Bier / Rudisile § 98 Rn. 271 f.; Sodan / Ziekow / Lang, § 98 Rn. 293; a. A. MüKo / Schreiber, § 485 Rn. 13; Schreiber, NJW 1991, 2600 [2601]). 91  VGH Mannheim v. 3.  Juli 1995, Az.  8 S 1407 / 95, NVwZ-RR 1996, 125 [Ls., juris-Rn. 6]; VGH Mannheim v. 6.  Februar 2004, Az.  8 S 2185 / 03, VBlBW 2004, 228 [juris-Rn. 2]; BGH v. 16.  September 2004, Az.  III ZB 33 / 04, NJW 2004, 3488 [juris-Rn. 5]; Sodan / Ziekow / Lang, § 98 Rn. 295; Kopp / Schenke, § 98 Rn. 26. 92  VGH Mannheim v. 3.  Juli 1995, Az.  8 S 1407 / 95, NVwZ-RR 1996, 125 [juris-Rn. 6]; BGH v. 16.  September 2004, Az.  III ZB 33 / 04, NJW 2004, 3488 [juris-Rn. 5]; BGH v. 20.  Oktober 2009, Az.  VI ZB 53 / 08, NJW-RR 2010, 946 [juris-Rn. 6]; OVG Münster v. 24.  März 2009, Az.  15 E 31 / 09, juris [juris-Rn. 5]; OLG Stuttgart v. 29.  November 2004, Az.  10 W 75 / 04, MDR 2005, 347 [jurisRn. 12]; Sodan / Ziekow / Lang, § 98 Rn. 295. 93  Nicht nachgegangen wird hier der Frage der Abgrenzung von rechtlichem Interesse und allgemeinem Rechtsschutzbedürfnis im Rahmen des Abs. 2. 94  OVG Koblenz v. 22.  September 2005, Az.  1 B 11311 / 05, NVwZ-RR 2006, 853 [juris-Rn.  2 ff.]; OVG Lüneburg v. 6.  Juli 2010, Az.  15 KF 25 / 09, RdL 2010, 245 [juris-Rn. 8]. 95  Vgl. Sodan / Ziekow / Lang, § 98 Rn. 294; Kopp / Schenke, § 98 Rn. 26; Redeker / von Oertzen / Kothe, § 98 Rn. 17; Fehling / Kastner / Störmer / Porz, § 98 VwGO Rn. 22; VGH Mannheim v. 3. Mai 2007, Az. 5 S 810 / 07, NVwZ-RR 2007, 574 [Ls., juris-Rn.  2 f., 7 ff.]; VGH München v. 4.  Dezember 2008, Az.  20 C 08.3090, juris [juris-Rn. 4]; OVG Schleswig v. 22.  Januar 1998, Az.  2 M 36 / 97, NordÖR 1998, 114 [Ls., juris-Rn. 2 ff.]; VG Gießen v. 31.  Oktober 1997, Az.  1 J 1071 / 97, juris [Ls., juris-Rn. 16 ff.]; mit weiteren Nachweisen Troidl, NVwZ 2011, 780.



IV. Anordnungsvoraussetzungen221

lung eingeholten Gutachten grundsätzlich keine geringere Aussagekraft zukommt als einem von einem Gericht eingeholten96. Und die Behörde darf vor allem aufgrund ihrer Pflicht zur Amtsermittlung auch nicht darauf verzichten, selbst das Gutachten einzuholen, und dies auf das selbständige Beweisverfahren abwälzen. Vor diesem Hintergrund kann eine Behörde während eines laufenden Verwaltungsverfahrens grundsätzlich wegen fehlenden rechtlichen Interesses bzw. allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses nicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Wege des selbständigen Beweisverfahrens erreichen, und zwar weder im streitschlichtenden noch im sichernden Verfahren97. Soweit es nicht um eine Sachverständigenbegutachtung geht, sondern um eine Zeugenvernehmung oder Augenscheineinnahme im sichernden Verfahren, führt der Untersuchungsgrundsatz hingegen nicht ohne weiteres zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses der Behörde, da eine von ihr durchgeführte Zeugenvernehmung oder Augenscheineinnahme nicht die vom Gericht durchgeführte ersetzen kann. Wenn der betroffene Bürger eine Sachverständigenbegutachtung im selbständigen Beweisverfahren beantragt, ist zu unterscheiden98: Wenn die Behörde ein Gutachten eingeholt hat, fehlt es auch für ihn grundsätzlich am rechtlichen Interesse bzw. allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis wegen Überflüssigkeit einer weiteren Begutachtung99. Der Bürger hat es aber nicht in der Hand, ob und wann die Behörde ein Gutachten einholt100. Er kann dies lediglich anregen, an sein Vorbringen und seine Beweisanträge ist die Behörde aber nicht gebunden, § 24 Abs. 1 S. 2 VwVfG. Wenn die Behörde es ablehnt, ein Gutachten einzuholen, auf die Anregung nicht innerhalb einer angemessenen Zeit reagiert oder die Einholung immer weiter hinauszögert, hat der Bürger grundsätzlich ein rechtliches Interesse bzw. ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis. Zudem kann bei unmittelbar drohendem Beweismittelverlust bereits eine Verzögerung der Sachverständigenbeauftragung um kurze Zeit dazu führen, dass die Beweiserhebung erheblich beeinträchtigt oder sogar unmöglich wird. In solchen Fällen muss der Bürger sofort einen 96  VGH Mannheim v. 3.  Mai 2007, Az.  5 S 810 / 07, NVwZ-RR 2007, 574 [juris-Rn. 11]; Posser / Wolff / Garloff, § 98 Rn. 9. Siehe dazu auch oben sub I. 2., S. 205. 97  Vgl. VGH Mannheim v. 3.  Mai 2007, Az.  5 S 810 / 07, NVwZ-RR 2007, 574. 98  Vgl. auch Troidl, NVwZ 2011, 780 [784]. 99  Eine solche kann ausnahmsweise angebracht sein, wenn substantiierte Zweifel an dem von der Behörde eingeholten Gutachten bestehen. 100  Auf diesen Aspekt wird in den Entscheidungen VGH München v. 4.  Dezember 2008, Az. 20 C 08.3090, juris; OVG Schleswig v. 22. Januar 1998, Az. 2 M 36 / 97, NordÖR 1998, 114 und VG Gießen v. 31.  Oktober 1997, Az.  1 J 1071 / 97, juris nicht eingegangen. 204

222

E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

Antrag auf Durchführung eines sichernden Beweisverfahrens bei Gericht stellen können, ohne zuvor bei der Behörde eine Begutachtung anregen und die Reaktion der Behörde abwarten zu müssen. 3. Gegenüberstellung Das französische Recht ist insofern anordnungsfreundlicher als das deutsche, als der drohende Verlust des Beweismittels oder die drohende Erschwernis seiner Benutzung sowohl beim référé-instruction als auch beim référé-constat keine Anordnungsvoraussetzung (mehr) ist, während dies beim selbständigen Beweisverfahren in der Variante des sichernden Verfahrens nach § 485 Abs. 1  Alt.  2 ZPO erforderlich ist. Früher war bei den französischen Verfahren über die Anordnungsvoraussetzung der Eilbedürftigkeit noch drohender Beweismittelverlust oder drohende erschwerte Benutzung erforderlich. Durch die Abschaffung dieser Voraussetzung beim référé-instruction im Jahr 1988 und beim référé-constat im Jahr 2000101 wurde die Anordnung erleichtert. Über die Beweissicherung hinaus kam dadurch verstärkt die Funktion der Prozessvermeidung zum Tragen. Für diesen Zweck wurde in Deutschland im Jahr 1990 durch das RechtspflegeVereinfachungsgesetz mit dem streitschlichtenden Verfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO eigens ein neues Verfahren geschaffen, während beim sichernden Verfahren die Voraussetzung des drohenden Verlusts oder der Erschwernis der Benutzung des Beweismittels fortbesteht. Deutliche Parallelen bestehen zwischen der Anordnungsvoraussetzung der Zweckmäßigkeit beim référé-instruction und référé-constat und dem rechtlichen Interesse bzw. dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis beim selbständigen Beweisverfahren. Die Fallgruppen dazu sind weitgehend austauschbar. Wenn beispielsweise die betreffenden Feststellungen für die Rechtsbeziehungen der Beteiligten ohne Bedeutung sind oder wenn Verjährung eingetreten ist, ist die Anordnung unzweckmäßig (Frankreich) und fehlt das rechtliche Interesse bzw. allgemeine Rechtsschutzbedürfnis (Deutschland). In Deutschland muss es sich allerdings für eine Ablehnung wegen fehlender Erfolgsaussichten einer Hauptsacheklage um völlig offenkundige Fälle handeln. Das wird, soweit ersichtlich, in Frankreich im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung so nicht verlangt102. Dem Richter scheint es nicht 101  Siehe

oben sub A. I. 1. b), S. 30 und A. I. 2., S. 33. allerdings CE v. 13. Juli 1956, Piéton-Guibout, Az.  37649, 37779, Rec. Leb. 1956, 338 [342]; CE v. 3. Juli 1970, Heurté, Az.  79343, Rec. Leb. 1970, 467; TC v. 23. Oktober 2000, Société Capraro et autres, Az.  3220, Rec. Leb. 2000, 774. 102  Vgl.

27

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IV. Anordnungsvoraussetzungen223

schlechthin verwehrt zu sein, in eine über eine bloß kursorische Evidenzkontrolle hinausgehende materielle Prüfung einzutreten. Jedoch sollte allgemein eine Verlagerung der Hauptsacheprüfung in das einstweilige Verfahren vermieden werden, solange und soweit sie nicht im Rahmen dieses Verfahrens erforderlich ist. Und anders als etwa eine Aussetzungsentscheidung erfordert die Entscheidung über eine Beweisanordnung keine Prognose zur Hauptsache. Das spricht für eine grundsätzliche Beschränkung auf eine kursorische Evidenzkontrolle. Anders als beim selbständigen Beweisverfahren wird beim référé-instruction und beim référé-constat die Problematik der behördlichen Amtsermittlungspflicht nicht diskutiert. Die Frage stellt sich dort aber genauso. Zwar gibt es in Frankreich keine dem § 24 VwVfG entsprechende gesetzliche Vorschrift. Insgesamt existiert – im Unterschied zum Verwaltungsprozessrecht, wo der CJA das Pendant zur VwGO bildet – keine durchgehende Kodifzierung des Verwaltungsverfahrens (procédure administrative non contentieuse), sondern es gibt nur verstreute Einzelregelungen103, 104, 105. Dass der Untersuchungsgrundsatz nicht gesetzlich geregelt ist, bedeutet aber freilich nicht, dass er nicht gilt. Er wird vielmehr gewissermaßen vorausgesetzt106 und findet Ausdruck in dem Grundsatz, dass die Verwaltung bei Erlass einer Entscheidung die jeweiligen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss (examen particulier des circonstances)107, 108. Die Sachverhaltsermittlung im Verwaltungsverfahren ist also allgemein Aufgabe der Behörde. Dazu gehört auch, dass die Behörde die erforder­ 103  Vgl. Marsch, Verwaltungsrecht in Europa, Bd. 2 (2009), 33 [55  f., 95 f.]; Waline, Droit administratif (2008), Rn. 407; Riedel, EuR 1995, Beiheft 1, 49 [63 f.]. 104  Zu Kodifizierungsbestrebungen Gonod, AJDA 2006, 489; Schwartz, AJDA 2004, 1860; Gaudemet, D 1986, chronique XVII, 107; Wiener, Codification (1975), 31 ff. 105  Vgl. zur procédure administrative non contentieuse Marsch, Verwaltungsrecht in Europa, Bd. 2 (2009), 33 [55 f., 94 ff., 103 ff.]; Fromont, Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht (2004), 73; Fromont (sous la direction de), Procédure administrative non contentieuse (2000); Chapus, DAG I (2001), Rn. 1299 ff.; Waline, Droit administratif (2008), Rn. 407 ff.; Riedel, EuR 1995, Beiheft 1, 49 [63 ff.]; Caudal, RFDA 2001, 13; Maillard Desgrées du Loû, Droit des relations de l’administration avec ses usagers (2000); Isaac, Procédure administrative non contentieuse (1968); Auby, D 1956, chronique VII, 27. 106  Vgl. Riedel, EuR 1995, Beiheft 1, 49 [64 f.]. 107  Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Chapus, DAG I (2001), Rn. 1309  f.; Waline, Droit administratif (2008), Rn. 407; Auby, D 1956, chronique VII, 27 [32]; Megret, EDCE Nr. 7 (1953), 77; Moulin, AJDA 1980, 443. 108  Marsch nennt dieses Prinzip ein „funktionelles Äquivalent“ zum Untersuchungsgrundsatz (Marsch, Verwaltungsrecht in Europa, Bd. 2 (2009), 33 [114]).

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E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

lichen Gutachten einholt, sei es behördenintern oder sei es durch externe Sachverständige. Vor diesem Hintergrund erscheint ein von einer Behörde bei Gericht gestellter référé-instruction-Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens genauso wie beim deutschen selbständigen Beweisverfahren regelmäßig problematisch.

V. Kontradiktorischer Charakter Beim référé-constat gilt die Besonderheit, dass das gerichtliche Verfahren grundsätzlich nicht kontradiktorisch verläuft: Gemäß Art. R531-1 Abs. 2 CJA müssen die potentiellen Gegenparteien (défendeurs éventuels) lediglich nach Erlass der référé-constat-Anordnung unverzüglich darüber benachrichtigt werden109. So wird das Verfahren beschleunigt und eine Anordnung stante pedes nach Eingang des Antrags ermöglicht. Die Gegenparteien haben dann allerdings keine Möglichkeit, vor Erlass der Anordnung Einwendungen vorzubringen. Einen gewissen Ausgleich bildet, dass der Sachverständige bei Erstellung des constat seinerseits ein kontradiktorisches Verfahren durchführen muss, wenn und soweit dem nicht besondere Umstände entgegenstehen110. Das heißt, der Sachverständige muss vorab über Ortsbesichtigungen informieren und Gelegenheit geben, den Ortsbesichtigungen beizuwohnen, Möglichkeit zur Äußerung bieten etc.111. Anders als beim référé-constat ist das gerichtliche Verfahren beim référéinstruction kontradiktorisch. Gemäß Art. R532-2 CJA ist der Antrag den potentiellen Gegenparteien zu übermitteln und eine Erwiderungsfrist zu setzen. Vor deren Ablauf darf die référé-instruction-Anordnung nicht ergehen. Dieser Unterschied im Verfahrensregime ist letztlich überhaupt die raison d’être für den référé-constat als gesondertes Verfahren neben dem référé109  Die Vorschrift ist freilich nicht zwingend in dem Sinne, dass es dem Richter verwehrt wäre, im kontradiktorischen Verfahren zu entscheiden (Chapus, Conten­ tieux administratif (2008), Rn. 1635; CE v. 21. März 2012, Assafar, Az. 353511, LexisNexis; vgl. auch bereits CE v. 9. Januar 1985, Société Manufacture du Val de Vienne, Az. 58067, Rec. Leb. 1985, 8 und CE v. 21. Dezember 1979, Commune d’Arnouville-Les-Gonesse, Az.  17362, 17363, Rec. Leb. 1979, 487). Der Richter kann also vor der Beschlussfassung den potentiellen Gegenparteien den Antrag übermitteln und ihnen Gelegenheit zur Erwiderung geben. Auch die Durchführung einer audience ist nicht ausgeschlossen. 110  CE v. 7. Februar 1969, M’Barek, Az.  67774, Rec. Leb. 1969, 87. 111  Das gilt freilich allgemein (Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1014; im deutschen Verwaltungsprozessrecht ist § 97 S. 1 VwGO entsprechend anzuwenden (BVerwG v. 12. April 2006, Az. 8 B 91.05, NJW 2006, 2058; Posser / Wolff / Garloff, § 97 Rn. 1; Kopp / Schenke, § 97 Rn. 1; a. A. OVG Koblenz v. 11.  Mai 1999, Az.  7 A 11770 / 98, NVwZ-RR 1999, 808 [juris-Rn. 32]; vgl. auch Sodan / Ziekow / Lang, § 97 Rn. 5; Eyermann / Geiger, § 97 Rn. 2)).



V. Kontradiktorischer Charakter225

instruction. Denn schließlich können die im Wege des référé-constat möglichen Maßnahmen genauso im Wege des référé-instruction angeordnet werden112. Das deutsche gerichtliche Verfahren zur Entscheidung über einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens verläuft grundsätzlich kontradiktorisch113. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass der Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme und Erwiderung bekommen muss114. Allerdings steht es im Ermessen des Gerichts, ob das rechtliche Gehör vor Erlass der Anordnung gewährt wird oder erst danach115. Zwar ist es grundsätzlich vor der Anordnung zu gewähren, in besonders dringenden Fällen kann allerdings eine Anordnung auch ohne vorherige Gelegenheit zur Stellungnahme für die Gegenpartei ergehen. Eine nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs ist dann nicht etwa überflüssig, sondern angesichts dessen, dass die Anordnung jederzeit ergänzt, abgeändert oder aufgehoben werden kann, durchaus sinnvoll116. Das ändert aber freilich nichts daran, dass in diesen Fällen der kontradiktorische Charakter des Verfahrens insofern eingeschränkt wird, als keine Gelegenheit zur vorherigen Stellungnahme gegeben wird. In beiden Rechtsordnungen gibt es also Abweichungen vom Normalfall des kontradikorischen Verfahrens. Die Einschränkung im deutschen Recht ist dabei weniger weitgehend als der Verzicht auf ein gerichtliches kontradiktorisches Verfahren beim référé-constat. Der Unterschied ist allerdings nicht so groß, wie es den Anschein haben mag. Denn auch durch die unverzügliche Benachrichtigung nach Art. R531-1 Abs. 2 CJA wird die Gegenpartei über die Anordnung informiert und hat dann die Möglichkeit, vor dem Gericht Einwendungen dagegen vorzubringen und auf ihre Ergänzung, Änderung oder Aufhebung hinzuwirken. Insgesamt erscheint die Lösung im deutschen Recht flexibler: Das Gericht entscheidet von Fall zu Fall, ob vor oder erst nach Anordnungserlass rechtliches Gehört gewährt wird, während im französischen Recht bei dem einen Verfahren (référé-instruction) stets vor Anordnungserlass Gelegenheit 112  Chapus schreibt zum Verhältnis von référé-constat und référé-instruction: „[…] si la différence de leur régime légitime la distinction, il ne faut pas méconnaitre qu’une demande de constat n’est rien d’autre qu’une demande de mesure d’instruction.“ (Chapus, Contentieux administratif (2008), Rn. 1628). 113  Eine Ausnahme gilt im Fall des unbekannten Gegners (§ 494 ZPO), der aber im Verwaltungsgerichtsprozess nicht relevant wird, da sich der Beklagte des künftigen Hauptsacheprozesses feststellen lässt (Schoch / Schneider / Bier / Rudisile § 98 Rn. 285; Posser / Wolff / Garloff, § 98 Rn. 27; Eyermann / Geiger, § 98 Rn. 39). 114  MüKo / Schreiber, § 485 Rn. 17; Musielak / Huber, § 490 Rn. 1. 115  OLG Karlsruhe v. 3. August 1982, Az.  7 W 20 / 82, MDR 1982, 1026 [1027]. 116  OLG Karlsruhe v. 3. August 1982, Az.  7 W 20 / 82, MDR 1982, 1026 [1027].

226

E. Référé-constat, référé-instruction, selbständiges Beweisverfahren

zur Stellungnahme gegeben werden muss und bei dem anderen (référéconstat) grundsätzlich eine bloße Benachrichtigung nach der Anordnung ausreicht.

VI. Resümee Besonders weitreichende Anordnungsmöglichkeiten bei gleichzeitiger Offenheit der Anordnungsvoraussetzungen bestehen beim référé-instruction. Die offene Konzeption – „toute mesure utile d’expertise ou d’instruction“ –, in der sowohl die Komponente der Beweissicherung als auch die der Prozessvermeidung gleichermaßen zum Tragen kommen können und die eine einzelfallorientierte Handhabung ermöglicht, ist attraktiv. Die beim référé-instruction bestehenden Anordnungsmöglichkeiten einer sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden, fortlaufenden Sachverständigenmission und eines Schlichtungsauftrags an den Sachverständigen sind indes – in erster Linie vor dem Hintergrund der Befassung des Sachverständigen mit Rechtsfragen – nicht unbedenklich. Die sich aus der behördlichen Amtsermittlungspflicht ergebenden Einschränkungen bei auf Beweisanordnungen gerichteten einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren werden in Frankreich nicht thematisiert. Zur Frage des kontradiktorischen Charakters des gerichtlichen Verfahrens: Einer besonderen Dringlichkeit der Beweissicherung kann prozessual dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, dass den potentiellen Gegenparteien erst nach Anordnungserlass Gelegenheit zu Stellungnahme gegeben wird. Sinnvoll erscheint eine diesbezügliche Ermessensentscheidung des Gerichts, wie sie im deutschen Recht möglich ist. Die gesetzliche Struktur im französischen Recht – beim référé-constat nach Art. R531-1 Abs. 2  CJA grundsätzlich bloße Benachrichtigung nach Anordnungserlass, dagegen beim référé-instruction nach Art. R532-2 CJA zwingend Gelegenheit zur Stellungnahme vor Anordnungserlass – stellt sich demgegenüber als etwas starr dar. Sie erscheint auch insofern unnötig kompliziert, als der référé-constat als gesondertes Verfahren überflüssig wäre, wenn im Rahmen des référéinstruction die Gelegenheit zur Stellungnahme ausnahmsweise erst nach Anordnungserlass nachgeholt werden könnte.

Resümee Die einstweiligen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten haben in Frankreich und in Deutschland unterschiedliche historische Wurzeln. Sie sind eingebunden in das jeweilige Gesamtsystem verwaltungsgerichtlicher Kontrolle zu sehen, das traditionell im französischen Recht durch eine primär objektivrechtliche Kontrollfunktion der Verwaltungsgerichte gekennzeichnet ist, während im deutschen Recht von einer Individualrechtsschutzkonzeption ausgegangen wird. Vor diesem Hintergrund stehen althergebracht der Grundsatz des fehlenden Suspensiveffekts von Rechtsbehelfen in Frankreich und der umgekehrte Grundsatz in Deutschland, die sich wie rote Fäden durch die geschichtliche Entwicklung in den beiden Ländern ziehen. Ferner wird nachvollziehbar, warum allgemein die einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Frankreich lange Zeit kaum eine Rolle spielten. Allerdings ist freilich auch hinsichtlich der historischen Entwicklung in Deutschland zu bemerken, dass das Institut der einstweiligen Anordnung erst mit dem Erlass der VwGO flächendeckend geregelt wurde und eine gerichtliche Überprüfung behördlicher Vollziehungsanordnungen lange Zeit nicht vorgesehen war. Die klassischen voneinander abweichenden Grundkonzeptionen sind letztlich auch Ausdruck eines unterschiedlichen Gewaltenteilungsverständnisses. Im deutschen System wird der Judikative eine starke Stellung im Gewaltengefüge eingeräumt. Im französischen System wird dagegen die Eigenständigkeit der Exekutive besonders betont, wozu passt, dass es den Verwaltungsgerichten grundsätzlich verwehrt ist, Weisungen an die Verwaltung zu richten. Die traditionelle Klassifizierung nach objektiver Rechtskontrolle in Frankreich und Individualrechtsschutz in Deutschland darf freilich von vornherein nicht verabsolutiert und im Sinne einer Ausschließlichkeit verstanden werden, sondern seit jeher gibt es Berührungen und Überschneidungen und sind beide Systeme nicht idealtypisch rein ausgeprägt. Ferner hat sich namentlich das französische Recht in der letzten Zeit so grundlegend gewandelt, dass die klassische Unterscheidung zwischen der französischen und der deutschen Grundkonzeption inzwischen als überholt bezeichnet werden kann. Bemerkenswert ist dabei, dass entscheidende Veränderungen von Seiten des französischen Gesetzgebers erfolgt sind, der maßgeblich eine Gesamtdynamik in Gang gebracht und vorangetrieben hat. Er hat fest etablierte Strukturen aufgebrochen und vermeintlich heilige Kühe geschlachtet. Hier hat sich gezeigt, wie durch wenige Federstriche des Ge-

228 Resümee

setzgebers ein Systemwandel herbeigeführt werden kann, wobei der Weg über die Gesetzgebung – und nicht ein Bauen auf Richterrecht – zu begrüßen ist. Dies gilt umso mehr, als es um eine Erweiterung der Befugnisse der Judikative gegenüber der Exekutive geht, die eigenmächtig zu ergreifen den Gerichten grundsätzlich nicht zusteht. Aus dem Umstand, dass die gesetzgeberischen Impulse für den Wandel nötig waren, kann insofern nicht ohne weiteres auf eine mangelnde richterliche Veränderungsbereitschaft geschlussfolgert werden, sondern darin kommt vielmehr auch richterliche Selbstbeschränkung zum Ausdruck. Im übrigen zeugen der rege Gebrauch, den die Gerichte von den ihnen durch den Gesetzgeber neu eingeräumten Befugnissen machen, sowie die Fortentwicklung der Rechtsprechung in vielen Punkten davon, dass die Gesetzesänderungen auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Insgesamt erscheint für die Entwicklung in Frankreich der Begriff des Paradigmenwechsels nicht zu hoch gegriffen. Außerhalb der einstweiligen Verfahren ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Gesetz vom 8. Februar 1995 relevant, durch das die Anordnungsbefugnisse der Verwaltungsgerichte gegenüber der Verwaltung stark ausgeweitet worden sind und der Grundsatz des Weisungsverbots entscheidend aufgelockert worden ist. Als Folge dieses Gesetzes im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes ist die generelle Möglichkeit der Aussetzung von ablehnenden Verwaltungsakten einhergehend mit einstweiligen Handlungsanordnungen an die Verwaltung zu sehen, die schließlich durch die Reform im Jahr 2000 im référé-suspension gesetzlich geregelt worden ist. Mit dieser Reform ist das Aussetzungsverfahren auch ansonsten allgemein durch Lockerung der Anordnungsvoraussetzungen aufgewertet und am Gebot des effektiven Rechtschutzes ausgerichtet worden. Desweiteren ist die Neueinführung des Grundfreiheitenverfahrens référé-liberté als Instrument zum Schutz subjektiver Rechte hervorzuheben. Ferner ist etwa das gewandelte Verständnis in der Rechtsprechung des référé-mesures-utiles zu erwähnen. Festzuhalten bleibt, dass sich das französische Recht im Bereich der hier untersuchten einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren stark auf die deutsche Individualrechtsschutzkonzeption zubewegt hat. Das ist letztlich auch in den Großkontext des komplexen Themenfelds des subjektiven öffentlichen Rechts zu stellen. Freilich schließt indessen das Individualrechtsschutzverständnis nicht aus, dass mit der gerichtlichen Prüfung gleichsam als Nebenprodukt auch eine objektive Rechtskontrolle einhergeht. Außerdem sei hinsichtlich der Implementierung von Elementen objektiver Rechtskontrolle nochmals auf die in der vorliegenden Untersuchung nicht behandelte Thematik der Verbandsklagemöglichkeiten im Umweltrecht hingewiesen. Im übrigen darf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nicht im Sinne einer schematischen Rechtsschutzmaximierung auch auf Kosten berechtigter

Resümee229

Interessen an der Verwaltungsaktvollziehung missinterpretiert werden. Angesichts dessen erscheint es nicht sachgerecht, hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Gebotenheit des (automatischen oder gerichtlich angeordneten) Suspensiveffekts von gegen Verwaltungsakte gerichteten Rechtsbehelfen von einem allgemeinen Regel-Ausnahme-Verhältnis auszugehen. Der gesetzlichen Suspensivautomatik bedarf es insofern nicht notwendigerweise, als der Rechtsschutzerfolg auch über eine gerichtliche Aussetzungsanordnung im Einzelfall erreichbar ist. Sie ist auch nicht per se für bestimmte Regelungsbereiche prädestiniert. Interessanterweise hat sich hinsichtlich des Ausschlusses der Suspensivautomatik das deutsche Recht durch inflationäre Vermehrung der gesetzlichen Ausnahmen zu § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO dem französischen Regelungsmodell angenähert, während in Frankreich trotz des grundlegenden Systemwandels in Art. L4  CJA am fehlenden automatischen Suspensiveffekt als formalstrukturellem Grundsatz festgehalten worden ist. Das ist, wie dargelegt, ohne weiteres mit der Individualrechtsschutzkonzeption und dem Verfassungsgebot des effektiven Rechtsschutzes in Einklang zu bringen. Nach allem erscheint auch im deutschen Recht eine Abschaffung bzw. Änderung von § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO durchaus bedenkenswert. Umgekehrt ließe sich indessen eine Bestimmung wie § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO schon deshalb nicht friktionslos in das französische System einfügen, weil der französische Verwaltungsaktbegriff weiter als der deutsche ist und auch actes réglementaires umfasst, und zudem im Hinblick auf die Aussetzung von ablehnenden Verwaltungsakten mit Handlungsanordnungen als Aussetzungsfolge Probleme entstünden1. Das französische und das deutsche System des einstweiligen verwaltungsprozessualen Rechtsschutzes sind Resultate der jeweils eigenen spezifischen Rechtsentwicklung in den beiden Ländern. Vor diesem Hintergrund sind die prima facie teilweise frappierenden Unterschiede, etwa bereits hinsichtlich der Anzahl der einstweiligen Verfahren – in Frankreich allein sechs allgemeine référés – oder hinsichtlich des Verfahrensregimes und der Rechtsnatur gerichtlicher Handlungsanordnungen, richtig einzuordnen und zu verstehen. Bei näherer Betrachtung zeigen sich, insbesondere unter Berücksichtigung der neueren Entwicklungen in Frankreich, grundlegende materielle Gemeinsamkeiten. In sehr vielen Konstellationen gelangt man inzwischen unter Anwendung des französischen Rechts und des deutschen Rechts zu denselben Ergebnissen, dies nur auf teils unterschiedlichen Wegen. Viele Wege führen nach Rom. Letztendlich entscheidend ist, dass das inhaltliche Grundverständnis und der Standard des einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes in den beiden Ländern inzwischen weitgehend angenähert sind. 1  Vgl. auch Bericht der Arbeitsgruppe zu den Eilverfahren beim Conseil d’État, RFDA 2000, 941 [945].

Entscheidungsverzeichnis Frankreich Conseil d’État CE v. 20. Juni 1821, Clocq et autres, Az.  5042, Rec. Leb. 1821, 129. CE v. 30. Dezember 1829, Cognet, Az. n. n., Rec. Leb. 1829, 507. CE v. 14. Februar 1834, Commune de Bray en Singlais, Az. 11211, Rec. Leb. 1834, 133. CE v. 26. Dezember 1873, Ville d’Alger, Az.  45279, Rec. Leb. 1873, 966. CE v. 28. Mai 1886, Perrichont, Az.  63876, Rec. Leb. 1886, 461. CE v. 30. Mai 1913, Préfet de l’Eure, Az.  49241, Rec. Leb. 1913, 583. CE v. 25. Juni 1952, Société Fousse et Ewald, Rec. Leb. 1952, 336. CE v. 18.  Juni 1954, Préfet du Var, Az.  32420, Rec. Leb. 1954, 365. CE v. 26.  November 1954, Van Peborgh, Az.  33248, Rec. Leb. 1954, 626. CE v. 8.  Dezember 1954, Société des établissements Thibout, Rec. Leb. 1954, 867 (tables). CE v. 13. Juli 1956, Piéton-Guibout, Az.  37649, 37779, Rec. Leb. 1956, 338. CE v. 13. Juli 1956, Office public d’habitation à loyers modérés du département de la Seine, Az.  37656, Rec. Leb. 1956, 343. CE v. 17. Dezember 1956, Dubreuil, Az.  39002, Rec. Leb. 1956, 484. CE v. 21. Februar 1958, Syndicat intercommunal pour l’alimentation en eau potable de la région de Breuillet, Az.  39747, Rec. Leb. 1958, 120. CE v. 18. November 1959, Département de Constantine, Az. 32892, Rec. Leb. 610. CE v. 9. Februar 1962, Vivien, Az. 53095, Rec. Leb. 1962, 100. CE v. 30. Januar 1963, Belin, Az.  59412, Rec. Leb. 1963, 59. CE v. 7. Februar 1969, M’Barek, Az.  67774, Rec. Leb. 1969, 87. CE v. 23. Januar 1970, Amoros, Az. 77861, Rec. Leb. 1970, 51. CE v. 3. Juli 1970, Heurté, Az.  79343, Rec. Leb. 1970, 467. CE v. 28. Mai 1971, Ville Nouvelle Est, Az.  78825, Rec. Leb. 1971, 409. CE v. 11. Juli 1973, Gourmaud, Az.  86517, Rec. Leb. 1973, 483. CE v. 23.  Juli 1974, Ferrandiz Gil Ortega, Az.  94144, Rec. Leb. 1974, 447. CE v. 13. Februar 1976, Association de sauvegarde du quartier Notre-Dame, Az. 99708, Rec. Leb. 1976, 100.

Entscheidungsverzeichnis231 CE v. 17. Dezember 1976, Ferignac, Az. 00217, Rec. Leb. 1976, 553. CE v. 17. Dezember 1976, Dame X…, Az. 01692, Rec. Leb. 1976, 555. CE v. 22. Juni 1977, Abadie, Az.  04799, Rec. Leb. 1977, 288. CE v. 3. März 1978, Lecoq, Az. 06079, Rec. Leb. 1978, 116. CE v. 28. April 1978, Alata et autre, Az.  05494, Rec. Leb 1978, 193. CE v. 11. Mai 1979, Ripert, Az.  07490, Rec. Leb. 1979, 214. CE v. 12. Oktober 1979, Devillers, Az. 15131, Rec. Leb. 1979, 375. CE v. 21. Dezember 1979, Commune d’Arnouville-Les-Gonesse, Az. 17362, 17363, Rec. Leb. 1979, 487. CE v. 6. Juni 1980, Amiel, Az.  17547, LexisNexis. CE v. 20. Juni 1980, Société Gaz de France, Az.  22496, Rec. Leb. 1980, 284. CE v. 24.  Oktober 1980, Société Bluntzer, Az. 17533, LexisNexis. CE v. 28. November 1980, Etablissements Roth, Az.  17732, Rec. Leb. 1980, 446. CE v. 29. Mai 1981, SA Roussey, Az. 12315, legifrance. CE v. 21. Oktober 1981, Pantanella, Az. 22021, Rec. Leb. 1981, 382. CE v. 2. Dezember 1981, Société des parkings de la communauté urbaine de Strasbourg, Az. 21353, LexisNexis. CE v. 2. Juli 1982, Huglo et autres, Az. 25288, 25323, Rec. Leb. 1982, 257. CE v. 26. Juli 1982, Société Sous-traitants associés de l’électronique, Az.  40701, Rec. Leb. 1982, 312. CE v. 28.  Mai 1984, Delannay, Az.  49098, Rec. Leb. 1984, 190. CE v. 9. Januar 1985, Société Manufacture du Val de Vienne, Az. 58067, Rec. Leb. 1985, 8. CE v. 16. Januar 1985, Codorniu, Az. 57106, legifrance. CE v. 19. Juni 1985, Commune des Angles, Az.  61917, Rec. Leb. 1985, 194. CE v. 2. Oktober 1987, Nehal, Az. 86118, LexisNexis. CE v. 15. Dezember 1989, Société Métropole Télévision (M6), Az. 111900, LexisNexis. CE v. 2. März 1990, Peugnez, Az. 91687, Rec. Leb. 1990, 59. CE v. 9. März 1990, Pawlowski, Az.  104410, LexisNexis. CE v. 21. September 1990, Société de concours techniques, Az.  46103, Rec. Leb. 1990, 249. CE v. 5. Dezember 1990, Association Te pohue la metai ote henua, Az. 112086, LexisNexis. CE v. 6. November 1991, Groupement d’intérêt économique „Groupement d’assureurs français“ Argos, Az. 77278, Rec. Leb. 1991, 388. CE v. 21.  Dezember 1994, Esposito, Az.  144915, LexisNexis.

232 Entscheidungsverzeichnis CE (avis) v. 5. Mai 1995, SARL Laiterie Fromarsac, Az.  163224, Rec. Leb. 1995, 196, JORF v. 21.  Mai 1995, 8497. CE v. 17. Februar 1995, Hardouin, Az. 107766, Rec. Leb. 1995, 82. CE v. 17. Februar 1995, Marie, Az.  97754, Rec. Leb. 1995, 83. CE v. 21. Februar 1996, Feguiri, Az. 169113, LexisNexis. CE v. 11. März 1996, SCI du domaine des Figuières, Az. 161112, Rec. Leb. 1996, 71. CE v. 9 April 1998, Crédit Commercial de France, Az.  195453, Rec. Leb. 1998, 176. CE v. 23. September 1998, Salmouni Zerhouni, Az. 170101, LexisNexis. CE v. 20. März 2000, Département des Hauts-de-Seine, Az. 199013, LexisNexis. CE v. 20. Dezember 2000, Ouatah, Az.  206745, Rec. Leb. 2000, 643. CE v. 20. Dezember 2000, Deniel, Az.  224663, LexisNexis. CE v. 9. Januar 2001, Deperthes, Az. 228928, Rec. Leb. 2001, 1. CE v. 18. Januar 2001, Commune de Venelles et Morbelli, Az.  229247, Rec. Leb. 2001, 18. CE v. 19. Januar 2001, Confédération nationale des radios libres, Az. 228815, Rec. Leb. 2001, 29. CE v. 28. Februar 2001, Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement, Az. 229562 [u. a.], Rec. Leb. 2001, 109. CE v. 28. Februar 2001, Philippart et Lesage, Az. 230112, 230520, Rec. Leb. 2001, 111. CE v. 1. März 2001, Paturel, Az.  230794, LexisNexis. CE v. 27. März 2001, Djalout, Az. 231735, Rec. Leb. 2001, 158. CE v. 6. April 2001, Cros Decam et Michel, Az. 230000, Rec. Leb. 2001, 181. CE v. 10. April 2001, Merzouk, Az. 232308, LexisNexis. CE v. 9. Mai 2001, Delivet et Samzun, Az. 231076, LexisNexis. CE v. 31. Mai 2001, Commune d’Hyères-les-Palmiers, Az. 234226, Rec. Leb. 2001, 253. CE v. 15. Juni 2001, Société Robert Nioche et ses fils, Az. 230637, LexisNexis. CE v. 29. Juni 2001, Vassilikiotis, Az. 213229, Rec. Leb. 2001, 303. CE v. 27. Juli 2001, Titran, Az.  222509, Rec. Leb. 2001, 411. CE v. 27. Juli 2001, Vedel, Az.  232603, Rec. Leb. 2001, 416. CE v. 10. August 2001, Association La Mosquée, Az.  237004, LexisNexis. CE v. 21. August 2001, Manigold, Az. 237385, LexisNexis. CE v. 14.  September 2001, Van de Walle, Az. 238110, LexisNexis. CE v. 26. September 2001, Mesbahi, Az.  231204, Rec. Leb. 2001, 428.

Entscheidungsverzeichnis233 CE v. 12. Oktober 2001, Société Produits Roche, Az.  237376, Rec. Leb. 2001, 463. CE v. 30. Oktober 2001, Tliba, Az. 238211, Rec. Leb. 2001, 523. CE v. 12. November 2001, Commune de Montreuil-Bellay, Az.  239840, Rec. Leb. 2001, 551. CE v. 15. März 2002, Office des Migrations Internationales, Az. 221020, Rec. Leb. 2002, 103. CE v. 29. März 2002, SCI Stephaur et autres, Az.  243338, Rec. Leb. 2002, 117. CE v. 29 April 2002, Société Baggerbedrijf de Boer, Az.  239466, LexisNexis. CE v. 29. April 2002, Capellari, Az.  240322, LexisNexis. CE v. 29. Mai 2002, Syndicat „Lutte pénitentiaire“, Az.  247100, LexisNexis. CE v. 10. Juli 2002, SARL Grey Diffusion, Az.  244411, Rec. Leb. 2002, 271. CE v. 29. Juli 2002, Centre hospitalier d’Armentières, Az.  243500, Rec. Leb. 2002, 307. CE v. 19. August 2002, Front National et Institut de formation des élus locaux, Az.  249666, Rec. Leb. 2002, 311. CE v. 2. Oktober 2002, Hakkar, Az.  243685, LexisNexis. CE v. 25. Oktober 2002, Commune du Thoronet, Az.  243702, LexisNexis. CE v. 13. November 2002, Hourdin, Az.  248851, Rec. Leb. 2002, 396. CE v. 21. November 2002, Gaz de France, Az.  251726, Rec. Leb. 2002, 408. CE v. 30. Dezember 2002, Office Public d’Habitations de Nice et des Alpes-Maritimes, Az.  241793, Rec. Leb. 2002, 509. CE v. 30. Dezember 2002, Commune de Pont-Audemer, Az.  248787, LexisNexis. CE v. 29. Januar 2003, SA Générale Electric Capital Fleet Services, Az.  250345, LexisNexis. CE v. 28. Februar 2003, Commune de Pertuis, Az.  254411, Rec. Leb. 2003, 68. CE v. 14.  März 2003, Commune d’Evry, Az.  254827, LexisNexis. CE v. 30. April 2003, Union nationale des industries de carrières et des matériaux de construction et autres, Az.  244139 [u. a.], Rec. Leb. 2003, 191. CE v. 16. Mai 2003, SARL Icomatex, Az.  249880, Rec. Leb. 2003, 229. CE v. 16. Juni 2003, Hug-Kalinkova, Az. 253290, LexisNexis. CE v. 24.  September 2003, Boutida, Az.  253441, LexisNexis. CE v. 29. Oktober 2003, Société Resimmo, Az.  259361, Rec. Leb 2003, 424. CE v. 14.  November 2003, Riou, Az. 250899, LexisNexis. CE v. 26. November 2003, Terlutte, Az. 259120, LexisNexis. CE v. 9. Dezember 2003, Aguillon et autres, Az.  262186, Rec. Leb. 2003, 497. CE v. 2.  Februar 2004, Abdallah, Az.  260100, Rec. Leb. 2004, 15.

234 Entscheidungsverzeichnis CE v. 4.  Februar 2004, Commune d’Yvrac, Az. 263930, LexisNexis. CE v. 6.  Februar 2004, Masier, Az.  256719, Rec. Leb. 2004, 45. CE v. 2.  April 2004, Société Alstom power turbomachines, Az.  256504, Rec. Leb. 2004, 150. CE v. 9. April 2004, Vast, Az.  263759, Rec. Leb. 2004, 173. CE v. 11.  Mai 2004, Association AC! et autres, Az.  255886 [u. a.], Rec. Leb. 2004, 197. CE v. 7.  Juni 2004, Assistance publique à Marseille, Az. 252869, LexisNexis. CE v. 9.  Juni 2004, Magniez, Az.  265457, LexisNexis. CE v. 9. August 2004, Yilmaz, Az. 270860, LexisNexis. CE v. 15.  Oktober 2004, Commune d’Andeville, Az. 266176, LexisNexis. CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, Az. 259290, Rec. Leb. 2005, 65. CE v. 11. Februar 2005, Barre, Az.  276376, Rec. Leb. 2005, 42. CE v. 9. März 2005, Moinuddin, Az.  274509, LexisNexis. CE v. 20. April 2005, Ville de Lille, Az. 278186, 278187, LexisNexis. CE v. 11. August 2005, Baux, Az.  281486, LexisNexis. CE v. 23. September 2005, Commune de Cannes, Az. 278033, LexisNexis. CE v. 26. Oktober 2005, Société des crématoriums de France, Az.  279441, Rec. Leb. 2005, 447. CE v. 9. Dezember 2005, Allouache et autres, Az. 287777, Rec. Leb. 2005, 562. CE v. 16. Dezember 2005, Lacroix, Az.  274545, Rec. Leb. 2005, 584. CE v. 28. Dezember 2005, Syndicat intercommunale de Lens-Avion, Az.  283249, LexisNexis. CE v. 28. Dezember 2005, Ville de Lille et Communauté urbaine de Lille, Az. 284863, LexisNexis. CE v. 15. Februar 2006, Association Ban Asbestos France et autres, Az. 288801, 288811, Rec. Leb. 2006, 78. CE v. 2. Juni 2006, Chambre de commerce et d’industrie Marseille-Provence, Az.  286465, LexisNexis. CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, Az.  283474, Rec. Leb. 2006, 369. CE v. 23. Juni 2006, Société Actilor, Az.  289549, Rec. Leb. 2006, 304. CE v. 27. Juli 2006, Patoulle, Az. 287836, LexisNexis. CE v. 18. Oktober 2006, Syndicat des copropriétaires de l’immeuble „Les jardins d’Arago“, Az.  294096, LexisNexis. CE v. 15. November 2006, Ministre des transports, de l’équipement, du tourisme et de la mer, Az.  293370, Rec. Leb. 2006, 464.

Entscheidungsverzeichnis235 CE v. 20. Dezember 2006, SNC Cannes Esterel, Az. 283352, LexisNexis. CE v. 20. Dezember 2006, Bes, Az. 293399, Rec. Leb. 2006, 573. CE v. 7. Februar 2007, Société Sagace, Société Mediterranéenne de Nettoiement, Az. 287252, LexisNexis. CE v. 7. Februar 2007, Commune de Laval-du-Tarn, Az.  287741, LexisNexis. CE v. 12. Februar 2007, Alzarha, Az. 301352, LexisNexis. CE v. 9. März 2007, Section française de l’Observatoire international des prisons, Az. 302182, LexisNexis. CE v. 21. März 2007, Layrle, Az.  304117, LexisNexis. CE v. 30. März 2007, Association locale pour le culte des Témoins de Jéhovah de Lyon Lafayette, Az.  304053, LexisNexis. CE v. 6. April 2007, Commune de Saint-Gaudens, Az.  304361, LexisNexis. CE v. 2. Mai 2007, Commune de Cormeilles-en-Parisis, Az. 297239, LexisNexis. CE v. 31. Mai 2007, Syndicat CFDT Interco 28, Az. 298293, Rec. Leb. 2007, 222. CE v. 15. Juni 2007, Arnaud, Az. 300208, LexisNexis. CE v. 2. Juli 2007, Commune de Lattes, Az.  294393, LexisNexis. CE v. 9. Juli 2007, Commune du Port, Az.  307046, LexisNexis. CE v. 13. Juli 2007, ONIAM, Az.  293196, Rec. Leb. 2007, 347. CE v. 13. Juli 2007, Bracco, Az. 297367, LexisNexis. CE v. 5. Oktober 2007, Dardashti, Az.  300234, LexisNexis. CE v. 15. Februar 2008, Heliot, Az. 303863, LexisNexis. CE v. 18. Februar 2008, Fédération nationale des transports routiers, Az.  312534, LexisNexis. CE v. 3. April 2008, Dotse, Az.  314202, LexisNexis. CE v. 23. Mai 2008, Mesones Alvarez, Az. 315795, LexisNexis. CE v. 22. Oktober 2008, Commune de Plestin-les-Grèves, Az. 309956, LexisNexis. CE v. 19. Dezember 2008, Marina, Az.  314505, LexisNexis. CE v. 30. April 2009, SARL Vallauris, Az.  322184, LexisNexis. CE v. 20. Mai 2009, Nougoum, Az. 317098, LexisNexis. CE v. 4.  Juni 2009, SARL Vert Parc, Az.  328394, LexisNexis. CE v. 10 Juni 2009, Société de cogénération et de production de Boé, Az.  322242, LexisNexis. CE v. 10. Juni 2009, Société Électricité d’Aytre, Az.  324270, LexisNexis. CE v. 22. September 2009, Safarov, Az. 332003, LexisNexis. CE v. 14.  Oktober 2009, Association „Bois-le-roi environnement qualité de vie“, Az.  324908, LexisNexis.

236 Entscheidungsverzeichnis CE v. 16. Dezember 2009, Société d’architecture Groupe 6, Az. 326220, LexisNexis. CE v. 30. Dezember 2009, Syndicat intercommunal à vocation unique de gestion du centre social intercommunal rural, Az.  328184, LexisNexis. CE v. 8. März 2010, Djoudar, Az. 331115, LexisNexis. CE v. 17. März 2010, Larkhawi, Az. 332585, LexisNexis. CE v. 17. März 2010, Wahidi, Az. 332586, LexisNexis. CE v. 22. März 2010, Seghier, Az.  324763, LexisNexis. CE v. 30. März 2010, Matelly, Az. 337955, LexisNexis. CE v. 12. Mai 2010, Alberigo, Az. 333565, legifrance. CE v. 31. Mai 2010, Société European flight services, Az. 333711, LexisNexis. CE v. 18. Juli 2011, Fathi, Az.  343901, LexisNexis. CE v. 23. Juli 2010, Commune d’Issy-les-Moulineaux, Az.  331419, LexisNexis. CE v. 22. Oktober 2010, Pustwo, Az. 335051, LexisNexis. CE v. 12. Januar 2011, Société OTV France, Az. 337889, LexisNexis. CE v. 4.  Februar 2011, Djoudar, Az.  342057, LexisNexis. CE v. 16. Februar 2011, Copropriété Les Bleuets, Az.  341422, LexisNexis. CE v. 24.  Februar 2011, Maisons de retraite de Neuilly-sur-Seine, Az.  342621, LexisNexis. CE v. 14.  März 2011, Commune de Galluis, Az.  347345, LexisNexis. CE v. 25. Mai 2011, Hamine, Az.  344734, LexisNexis. CE v. 22. Juli 2011, Nyemb, Az.  345040, LexisNexis. CE v. 28. September 2011, Gallois, Az.  345309, LexisNexis. CE v. 26. Oktober 2011, Beaumont, Az. 350081, LexisNexis. CE v. 27. Oktober 2011, Sultanyan, Az. 353508, LexisNexis. CE v. 16. November 2011, Société H&M, Az. 353172, 353173, LexisNexis. CE v. 2. Dezember 2011, Casa Nova Zatar, Az.  354445, LexisNexis. CE v. 23. Januar 2012, Mihindukulasuriya Muthubandana, Az.  348861, LexisNexis. CE v. 23. Januar 2012, Djoudar, Az. 350631, LexisNexis. CE v. 10. Februar 2012, Fofana, Az.  356456, LexisNexis. CE v. 1. März 2012, Société Assistance conseil informatique professionelle, Az.  354628, LexisNexis. CE v. 7. März 2012, Olivry, Az. 352367, 353056, LexisNexis. CE v. 21. März 2012, Assafar, Az. 353511, LexisNexis. CE v. 16. April 2012, Commune de Conflans-Sainte-Honorine et autres, Az. 355792, 355867, LexisNexis. CE  v. 4.  Oktober 2012, Pôle emploi, Az.  362948, LexisNexis.

Entscheidungsverzeichnis237 Tribunal des conflits TC v. 15. April 1991, Préfet de la région Lorraine, Az. 02654, Rec. Leb. 1991, 463. TC v. 20.  Juni 1994, Madaci et Youbi, Az.  02932, Rec. Leb. 1994, 602. TC v. 4. November 1996, Préfet de la Guadeloupe, Az. 03035, Rec. Leb. 1996, 554. TC v. 12. Mai 1997, Préfet de Police de Paris, Az. 03056, Rec. Leb. 1997, 528. TC v. 23. Oktober 2000, Société Capraro et autres, Az.  3220, Rec. Leb. 2000, 774. TC v. 23. Oktober 2000, Boussadar, Az. 3227, Rec. Leb. 2000, 775. Conseil constitutionnel CC v. 23.  Januar 1987, Az.  86-224 DC, JORF v. 25.  Januar 1987, 924. Cour de cassation Cass. v. 20. Januar 1981, Société anonyme d’économie mixte du tunnel de SainteMarie-aux-Mines, Az.  79-13050, Bull. civ. 1981, 4. Teil, Nr. 40. Cours administratives d’appel CAA Bordeaux v. 19. Dezember 1989, Cousseran, Az. 89BX01772, Rec. Leb. 1989, 368. CAA Bordeaux v. 18. November 2003, Compagnie générale maritime Antilles-Guyane, Az.  03BX01155, LexisNexis. CAA Bordeaux v. 18. November 2003, Consorts Ribot, Az. 03BX00935, LexisNexis. CAA Douai v. 7. Juli 2005, Association „Sauvons le site de la citadelle de Lille“, Association „Renaissance du Lille ancien“, Az. 05DA00010, 05DA00097, ­LexisNexis. CAA Lyon v. 16. November 1989, Compagnie d’assurances La France, Az.  89LY01593, Rec. Leb. 1989, 348. CAA Lyon v. 9. Juli 1990, Société Sogea SA, Az.  90LY00213, Rec. Leb. 1990, 459. CAA Lyon v. 18. Mai 1992, Duhamel, Az. 91LY0323, AJDA 1993, 150. CAA Nantes v. 10. Juli 1991, SARL Ravet, Az. 91NT00292, LexisNexis. CAA Nantes v. 26. September 1991, Recteur d’académie, chancelier des universités de Rennes et autre, Az. 91NT00335, Rec. Leb. 1991, 560. CAA Nantes v. 28.  Juni 2004, Centre hospitalier universitaire de Rennes, Az. 03NT01672, LexisNexis. CAA Paris v. 17. Dezember 1996, SNCF, Az. 96PA00997, Rec. Leb. 1996, 628. Tribunaux administratifs TA Lyon v. 5. April 1979, SARL Gervais, Gaz. Pal. 11.–13. November 1979, Nr. 315–317, 9 = Rec. bim.  November / Dezember 1979, jurisprudence, 581. TA Orléans v. 8. Februar 2001, Société Robert Nioche et ses fils, Az. 01-213, AJDA 2001, 500.

238 Entscheidungsverzeichnis Deutschland Bundesverfassungsgericht BVerfG v. 12.  Januar 1960, Az.  1 BvL 17 / 59, BVerfGE 10, 264. BVerfG v. 15. Dezember 1970, Abhörentscheidung, Az. 2 BvF 1 / 69 [u. a.], BVerfGE 30, 1. BVerfG v. 19.  Juni 1973, Az.  1 BvL 39 / 69 und 14 / 72, BVerfGE 35, 263. BVerfG v. 18. Juli 1973, Palästinenserbeschluss, Az.  1 BvR 23, 155 / 73, BVerfGE 35, 382. BVerfG v. 16.  Juli 1974, Az.  1 BvR 75 / 74, BVerfGE 38, 52. BVerfG v. 13. Juni 1979, Grundschulauflösung, Az.  1 BvR 699 / 77, BVerfGE 51, 268. BVerfG v. 15. Dezember 1983, Volkszählung, Az. 1 BvR 209 / 83 [u. a.], BVerfGE 65, 1. BVerfG v. 2.  Mai 1984, Az.  2 BvR 1413 / 83, BVerfGE 67, 43. BVerfG  v. 1.  Oktober 1984, Az.  1 BvR 231 / 84, GewArch 1985, 16. BVerfG v. 21.  März 1985, Az.  2 BvR 1642 / 83, BVerfGE 69, 220. BVerfG v. 14. Mai 1985, Brokdorf, Az. 1 BvR 233 / 81, 1 BvR 341 / 81, BVerfGE 69, 315. BVerfG v. 25.  Oktober 1988, Az.  2 BvR 745 / 88, BVerfGE 79, 69. BVerfG v. 19.  Februar 1991, Az.  1 BvR 1548 / 90, NVwZ-RR 1991, 365. BVerfG v. 16. Mai 1995, Kruzifix, Az.  1 BvR 1087 / 91, BVerfGE 93, 1. BVerfG v. 12.  September 1995, Az.  2 BvR 1179 / 95, NVwZ 1996, 58. BVerfG v. 27.  Oktober 1995, Az.  2 BvR 384 / 95, DVBl. 1996, 196. BVerfG v. 14. Mai 1996, Sichere Drittstaaten, Az. 2 BvR 1938 / 93, 2 BvR 2315 / 93, BVerfGE 94, 49. BVerfG v. 14.  Mai 1996, Flughafenverfahren, Az.  2 BvR 1516 / 93, BVerfGE 94, 166. BVerfG v. 25.  Juli 1996, Az.  1 BvR 638 / 96, NVwZ 1997, 479. BVerfG v. 16.  März 1999, Az.  2 BvR 2131 / 95, DVBl. 1999, 1204. BVerfG v. 24.  Juni 2002, Dosenpfand, Az.  1 BvR 575 / 02, NVwZ 2002, 1230. BVerfG v. 24.  September 2002, Az.  2 BvR 857 / 02, DVBl. 2002, 1633. BVerfG v. 30.  Juli 2003, Az.  2 BvR 796 / 03, juris. BVerfG v. 10.  Oktober 2003, Az.  1 BvR 2025 / 03, NVwZ 2004, 93. BVerfG v. 24.  Oktober 2003, Az.  1 BvR 1594 / 03, NJW 2003, 3618. BVerfG v. 31.  März 2004, Az.  1 BvR 356 / 04, NVwZ 2004, 1112. BVerfG v. 11.  März 2005, Az.  1 BvR 2298 / 04, NVwZ-RR 2005, 442.

Entscheidungsverzeichnis239 BVerfG v. 13.  Juni 2005, Az.  2 BvR 485 / 05, NVwZ 2005, 1053. BVerfG v. 14. August 2006, Az.  1 BvR 2089 / 05, NJW 2006, 3551. BVerfG v. 29.  März 2007, Az.  2 BvR 1977 / 06, NVwZ 2007, 948. BVerfG  v. 10.  Mai 2007, Az.  2 BvR 304 / 07, NVwZ 2007, 946. BVerfG v. 11.  Mai 2007, Az.  2 BvR 2483 / 06, NVwZ 2007, 1302. BVerfG v. 29. Mai 2007, Waldschlösschenbrücke, Az.  2 BvR 695 / 07, NVwZ 2007, 1176. BVerfG v. 9.  Juli 2007, Az.  2 BvR 206 / 07, NVwZ 2007, 1178. BVerfG v. 11. Juni 2008, Barschel-Buch, Az. 2 BvR 2062 / 07, NVwZ-RR 2008, 657. BVerfG v. 1.  Oktober 2008, Az.  1 BvR 2466 / 08, NVwZ 2009, 240. BVerfG v. 24.  Februar 2009, Az.  1 BvR 165 / 09, NVwZ 2009, 581. BVerfG v. 25. Februar 2009, Elektrorollstuhl, Az.  1 BvR 120 / 09, NZS 2009, 674. BVerfG v. 28.  September 2009, Az.  1 BvR 1702 / 09, NVwZ-RR 2009, 945. BVerfG v. 27. August 2010, Az.  2 BvR 130 / 10, NVwZ 2011, 35. BVerfG v. 11.  Oktober 2010, Az.  2 BvR 1710 / 10, NVwZ-RR 2011, 305. BVerfG  v. 21.  Februar 2011, Az.  2 BvR 1392 / 10, NVwZ-RR 2011, 420. Bundesverwaltungsgericht BVerwG v. 8. September 1953, Az. I A 18.53, BVerwGE 1, 11. BVerwG v. 7. November 1977, Az. VII B 135.77, NJW 1978, 656. BVerwG v. 26.  Juni 1981, Az.  4 C 5.78, BVerwGE 62, 342. BVerwG v. 27.  Januar 1982, Az.  4 ER 401.81, BVerwGE 64, 347. BVerwG v. 3.  Juli 1981, Az.  8 C 83.81, BayVBl. 1982, 442. BVerwG v. 27.  November 1981, Az.  8 B 184.81, NVwZ 1982, 193. BVerwG v. 15.  Dezember 1989, Az.  7 C 35.87, BVerwGE 84, 220. BVerwG v. 17.  Dezember 1992, Az.  4 C 30.90, DVBl. 1993, 441, NVwZ 1993, 1112. BVerwG v. 7.  Januar 1997, Az.  4 A 20.95, BVerwGE 104, 27. BVerwG v. 11.  Januar 2001, Az.  11 VR 16.00, DVBl. 2001, 402. BVerwG v. 31. Januar 2001, Az. 6 CN 2.00, BVerwGE 112, 373. BVerwG v. 17.  September 2001, Az.  4 VR 19.01 (4 A 40.01), DVBl. 2001, 1861, NVwZ-RR 2002, 153. BVerwG v. 21.  September 2005, Az.  2 A 5.04, juris. BVerwG v. 12. April 2006, Az. 8 B 91.05, NJW 2006, 2058. Bundesfinanzhof BFH v. 31.  Januar 1967, Az.  VI S 9 / 66, BFHE 87, 600. BFH v. 10.  Februar 1967, Az.  III B 9 / 66, BFHE 87, 447.

240 Entscheidungsverzeichnis BFH v. 19. April 1968, Az.  IV B 3 / 66, BFHE 92, 314. BFH v. 5.  März 1979, Az.  GrS 5 / 77, BFHE 127, 140. BFH v. 21.  Dezember 1993, Az.  VIII B 107 / 93, BStBl. II 1994, 300. BFH v. 4.  September 2002, Az.  I B 145 / 01, BFH / NV 2002, 1628. BFH v. 6.  März 2003, Az.  XI B 7 / 02, BStBl. II 2003, 516. BFH v. 15.  Januar 2004, Az.  VIII B 253 / 03, BFH / NV 2004, 780. BFH v. 25.  Juni 2004, Az.  XI B 20 / 03, BFH / NV 2005, 176. BFH v. 2.  November 2004, Az.  XI S 15 / 04, BFH / NV 2005, 490. BFH v. 23 August 2007, Az.  VI B 42 / 07, BFHE 218, 558. BFH  v. 3.  Juni 2009, Az.  IV B 48 / 09, BFH / NV 2009, 1641. BFH v. 2. April 2009, Az.  II B 157 / 08, BFH / NV 2009, 1146. BFH v. 25. August 2009, Az.  VI B 69 / 09, BFHE 226, 85. BFH v. 5. April 2011, Az.  II B 153 / 10, BFHE 232, 380. Bundesgerichtshof BGH v. 16.  September 2004, Az.  III ZB 33 / 04, NJW 2004, 3488. BGH v. 13.  September 2005, Az.  VI ZB 84 / 04, BGHZ 164, 94. BGH v. 20.  Oktober 2009, Az.  VI ZB 53 / 08, NJW-RR 2010, 946. Hessischer Staatsgerichtshof HessStGH v. 17.  Januar 1991, Az.  P St. 1119 e. V., NVwZ 1991, 561. Oberverwaltungsgerichte OVG Bautzen v. 22.  September 2010, Az.  4 B 214 / 10, NVwZ-RR 2011, 225 [dort als Entscheidungsdatum 25. September 2010 genannt]. OVG Berlin v. 13. April 1995, Az. 2 S 3.95, NVwZ-RR 1995, 575. OVG Berlin v. 4.  Dezember 2001, Az.  2 SN 8.01, NVwZ-RR 2002, 306. OVG Berlin v. 3.  Juni 2004, Az.  2 S 18.04, NVwZ-RR 2005, 304. OVG Berlin v. 9 Dezember 2005, Az. 2 S 127.05, juris. OVG Berlin v. 23. Dezember 2005, Az. 2 S 122.05, NVwZ-RR 2006, 376. OVG Berlin v. 22.  Februar 2010, Az.  10 S 37.09, NVwZ 2010, 724. OVG Bremen v. 12.  März 1985, Az.  1 B 6 / 85, DVBl. 1985, 1182. OVG Bremen v. 24.  Januar 1992, Az.  1 B 1 / 92, NVwZ 1993, 592. OVG Frankfurt / Oder v. 7.  Mai 2003, Az.  2 B 297 / 02, NVwZ-RR 2004, 252. OVG Hamburg v. 12.  Juli 1954, Az.  Bs II 40 / 54, DVBl. 1954, 787. OVG Hamburg v. 3.  Juli 1984, Az.  Bs VI 41 / 84, NVwZ 1986, 141. OVG Hamburg v. 4. April 1990, Az.  Bs IV 8 / 90, NVwZ 1990, 975.

Entscheidungsverzeichnis

241

OVG Hamburg v. 23. April 1991, Az.  Bs II 16 / 91, NVwZ-RR 1992, 318. OVG Hamburg v. 3.  März 1992, Az.  BS VI 10 / 92, NVwZ-RR 1993, 53. OVG Hamburg v. 19.  September 1994, Az.  Bs II 35 / 94, NVwZ-RR 1995, 551. VGH Kassel v. 27. August 1953, Az.  B II 97 / 53, DVBl. 1954, 301. VGH Kassel v. 26.  Juli 1956, Az.  B I 52 / 56, ESVGH 5, 226. VGH Kassel v. 14.  Oktober 1958, Az.  B II 66 / 58, VerwRspr 11, 876. VGH Kassel v. 14.  Januar 1991, Az.  6 TH 3410 / 90, NVwZ-RR 1992, 378. VGH Kassel v. 1. August 1991, Az.  4 TG 1244 / 91, NVwZ 1993, 491. VGH Kassel v. 11.  Mai 1995, Az.  6 TG 331 / 95, NVwZ-RR 1996, 105. VGH Kassel v. 2. August 1995, Az.  4 UE 632 / 95, NVwZ-RR 1996, 317. VGH Kassel v. 13.  März 1997, Az.  14 TG 4045 / 96, NVwZ-RR 1998, 463. VGH Kassel v. 16.  September 2009, Az.  6 C 1005 / 08.T, NuR 2010, 428. VGH Kassel v. 17.  Januar 2011, Az.  2 B 1966 / 10, ESVGH 61, 158. OVG Koblenz v. 2.  Februar 1984, Az.  6 D 2 / 83, DVBl. 1984, 1134. OVG Koblenz v. 28.  Juli 1998, Az.  1 B 11553 / 98, NVwZ-RR 1999, 27, DVBl. 1999, 116. OVG Koblenz v. 11.  Mai 1999, Az.  7 A 11770 / 98, NVwZ-RR 1999, 808. OVG Koblenz v. 25.  Juni 2003, Az.  12 B 10792 / 03, NVwZ-RR 2004, 157. OVG Koblenz v. 9.  September 2003, Az.  8 B 11269 / 03, NVwZ-RR 2004, 224 OVG Koblenz v. 22.  September 2005, Az.  1 B 11311 / 05, NVwZ-RR 2006, 853. OVG Lüneburg v. 20. November 1951, Az. II OVG A 465 / 51, OVGE MüLü 5, 385. OVG Lüneburg v. 28.  Juni 1957, Az.  III OVG B 22 / 57, OVGE MüLü 11, 503. OVG Lüneburg v. 13.  Januar 1989, Az.  9 M 1 / 89, NVwZ-RR 1989, 328. OVG Lüneburg v. 30.  März 1999, Az.  1 M 897 / 99, NVwZ-RR 1999, 716, BauR 1999, 1163. OVG Lüneburg v. 8.  Juli 2004, Az.  1 ME 164 / 04, NdsVBl. 2004, 339. OVG Lüneburg v. 8.  Juli 2004, Az.  1 ME 167 / 04, NVwZ-RR 2005, 69. OVG Lüneburg v. 14.  März 2005, Az.  7 OB 28 / 05, NVwZ-RR 2006, 367. OVG Lüneburg v. 10.  November 2006, Az.  4 ME 188 / 06, NVwZ-RR 2008, 113. OVG Lüneburg v. 21.  Oktober 2009, Az.  1 ME 192 / 09, NVwZ-RR 2010, 140. OVG Lüneburg v. 15. April 2010, Az.  1 ME 22 / 10, NVwZ-RR 2010, 552. OVG Lüneburg v. 6.  Juli 2010, Az.  15 KF 25 / 09, RdL 2010, 245. OVG Magdeburg v. 21.  Mai 2008, Az.  3 M 169 / 06, NJW 2008, 3304. VGH Mannheim v. 4.  Dezember 1958, Az.  1 S 331 / 58, VerwRspr 11, 1031. VGH Mannheim v. 19.  Mai 1976, Az.  VI 548 / 76, FamRZ 1976, 718.

242 Entscheidungsverzeichnis VGH Mannheim v. 4.  Juli 1988, Az.  10 S 1283 / 88, NVwZ-RR 1989, 588. VGH Mannheim v. 29.  Juni 1994, Az.  10 S 2510 / 93, NVwZ 1995, 292. VGH Mannheim v. 3.  Juli 1995, Az.  8 S 1407 / 95, NVwZ-RR 1996, 125. VGH Mannheim v. 5.  Februar 1996, Az.  5 S 334 / 96, NVwZ-RR 1997, 74, DÖV 1996, 425. VGH Mannheim v. 24.  Oktober 1996, Az.  5 S 1959 / 96, NVwZ 1997, 1008. VGH Mannheim v. 15.  Oktober 2003, Az.  13 S 1618 / 03, VBlBW 2004, 154. VGH Mannheim v. 6.  Februar 2004, Az.  8 S 2185 / 03, VBlBW 2004, 228. VGH Mannheim v. 19. April 2004, Az.  2 S 340 / 04, VBlBW 2004, 352. VGH Mannheim v. 27.  November 2006, Az.  1 S 1925 / 06, NVwZ-RR 2007, 296. VGH Mannheim v. 3.  Mai 2007, Az.  5 S 810 / 07, NVwZ-RR 2007, 574. VGH Mannheim v. 20. April 2011, Az.  2 S 247 / 11, VBlBW 2012, 116. VGH München v. 22. August 1947, Az.  n. n., BayVGHE 1, 22. VGH München v. 29. März 1950, Az. 13 II 50, DÖV 1950, 725. VGH München v. 30.12.1955, Az.  212 III 54, BayVBl. 1956, 187 VGH München v. 26. Oktober 1987, Az. 3 CS 87.03081, BayVBl. 1988, 372. VGH München v. 12.  September 1990, Az.  12 CE 90.1602, NVwZ-RR 1991, 441. VGH München v. 15.  September 1992, Az.  23 CS 92.1605, KStZ 1994, 55. VGH München v. 4.  Dezember 1992, Az.  4 CS 92.2561, NJW 1993, 953. VGH München v. 15.  November 1993, Az.  22 CS 93.1481, NVwZ-RR 1994, 471. VGH München v. 26.  November 1993, 12 CE 93.3058, NVwZ-RR 1994, 398. VGH München v. 27.  Juni 1994, Az.  20 CS 94.1270, NVwZ-RR 1994, 618, DÖV 1994, 1013. VGH München v. 10.  November 1997, Az.  4 CE 97.3392, BayVBl. 1998, 209. VGH München v. 1. April 1999, Az.  2 CS 98.2646, NVwZ 1999, 1363. VGH München v. 15.  März 2001, Az.  10 ZE 01.320, NVwZ-RR 2001, 477. VGH München v. 16.  März 2004, Az.  7 CS 03.3171, NVwZ-RR 2005, 679. VGH München v. 9. Juni 2008, Az. 8 CS 08.1117, NVwZ-RR 2009, 135. VGH München v. 4.  Dezember 2008, Az.  20 C 08.3090, juris. VGH München v. 25. Februar 2009, Az. 2 CS 07.1702, NVwZ-RR 2009, 787. OVG Münster v. 27.  März 1952, Az.  II B 59 / 52, ZMR 1952, 191. OVG Münster v. 27.  Januar 1955, Az.  VIII B 936 / 54, ZBR 1955, 124. OVG Münster v. 22. April 1955, Az.  VI D 4 / 55, DVBl. 1956, 53. OVG Münster v. 14.  März 1957, Az.  V B 964 / 56, VerwRspr 9, 562. OVG Münster v. 29.  Juli 1960, Az.  III B 433 / 60, OVGE MüLü 16, 44.

Entscheidungsverzeichnis

243

OVG Münster v. 25. August 1988, Az.  3 B 2564 / 85, NVwZ-RR 1990, 54. OVG Münster v. 3. September 1992, Az. 14 B 684 / 92, DVBl. 1993, 563, NVwZ-RR 1993, 269. OVG Münster v. 12.  Dezember 1994, Az.  8 B 2650 / 94, NWVBl. 1995, 140. OVG Münster v. 24.  Oktober 1996, Az.  20 A 3106 / 96, NWVBl. 1997, 394. OVG Münster v. 15.  Mai 2003, Az.  9 B 1517 / 02, DÖV 2003, 864, NWVBl. 2003, 479. OVG Münster  v. 9.  Juli 2003, Az.  1 E 911 / 02, juris. OVG Münster v. 3.  Juni 2004, Az.  15 B 576 / 04, NVwZ-RR 2005, 450. OVG Münster v. 30.  Januar 2008, Az.  1 ME 270 / 07, NVwZ-RR 2008, 594. OVG Münster v. 5.  März 2009, Az.  8 D 58 / 08.AK, DVBl. 2009, 654, NuR 2009, 369, NVwZ 2009, 987 (Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, bei diesem Az.  C-115 / 09, Trianel Kohlekraftwerk Lünen). OVG Münster v. 24.  März 2009, Az.  15 E 31 / 09, juris. OVG Münster  v. 21.  Dezember 2010, Az.  8 B 1626 / 10, NWVBl. 2011, 278. PrOVG v. 11.  Februar 1904, Az.  III. A 27 / 03, PrOVGE 45, 297. PrOVG v. 14.  Mai 1907, Az.  VIII. A. 108 / 06, PrOVGE 50, 176. OVG Saarlouis v. 22.  Januar 1992, Az.  1 W 113 / 91, NVwZ 1992, 699. OVG Schleswig v. 19. April 1991, Az.  2 M 2 / 91, NVwZ-RR 1992, 106. OVG Schleswig v. 30.  Dezember 1993, Az.  4 M 129 / 93, NVwZ 1994, 590. OVG Schleswig v. 22.  Januar 1998, Az.  2 M 36 / 97, NordÖR 1998, 114. OVG Schleswig v. 16. August 1999, Az.  2 M 24 / 99, NVwZ-RR 2000, 715. OVG Schleswig v. 27.  Dezember 2000, Az.  2 M 13 / 00, NVwZ-RR 2001, 586. OVG Schleswig v. 3.  Dezember 2007, Az.  2 MB 22 / 07, NVwZ-RR 2008, 561. VGH Stuttgart (= VGH für Württemberg-Baden) v. 31.  März 1949, Az.  IV 3 / 49, NJW 1949, 838. VGH Stuttgart (= VGH für Württemberg-Baden) v. 13.  Februar 1958, Az.  1 S 329 / 57, ESVGH 8, 17. OVG Weimar v. 27.  Juni 1994, Az.  1 EO 133 / 93, ThürVBl. 1995, 64. OVG Weimar v. 18.  November 2003, Az.  3 EO 381 / 02, NVwZ-RR 2004, 393. Oberlandesgerichte OLG Frankfurt v. 29.  Juni 2000, Az.  25 W 134 / 99, BauR 2000, 1370. OLG Karlsruhe v. 3. August 1982, Az.  7 W 20 / 82, MDR 1982, 1026. OLG Koblenz v. 11. August 2006, Az.  5 W 480 / 06, NVwZ-RR 2007, 114. OLG Köln v. 06.  Dezember 2004, Az.  15 W 59 / 04, BauR 2005, 752. OLG München v. 12.  September 1997, Az.  28 W 2066 / 97, MDR 1998, 495.

244 Entscheidungsverzeichnis OLG München v. 25.  Mai 2000, Az.  28 W 1469 / 00, NJW-RR 2001, 1652. OLG Saarbrücken v. 2.  Oktober 2007, Az.  5 W 112 / 07-38, OLG-Report Frankfurt, Koblenz, Zweibrücken, Saarbrücken 2008, 26. OLG Stuttgart v. 29.  November 2004, Az.  10 W 75 / 04, MDR 2005, 347. Verwaltungsgerichte VG Ansbach v. 10. April 2006, Az. AN 2 E 05.04154, juris. VG Gießen v. 31.  Oktober 1997, Az.  1 J 1071 / 97, juris. VG Gießen v. 14.  Februar 2005, Az.  3 G 31 / 05, juris. Europa Europäischer Gerichtshof EuGH v. 19. Juni 1990, Factortame, Az.  C-213 / 89, Slg. 1990, I-2433. EuGH v. 10. Juli 1990, Tafelwein, Az.  C 217 / 88, Slg. 1990, I-2879. EuGH v. 21. Februar 1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen, Az.  C 143 / 88 und C  92 / 89, Slg. 1991, I-415. EuGH v. 9. November 1995, Atlanta Fruchthandelsgesellschaft, Az.  C 465 / 93, Slg. 1995, I-3761. EuGH v. 26. November 1996, T. Port, Az.  C 68 / 95, Slg. 1996, I-6065. EuGH v. 12. Mai 2011, Trianel Kohlekraftwerk Lünen, Az.  C 115 / 09, Slg. 2011, I-03673.

Schlussanträgeverzeichnis Botteghi, Damien: Intérêt général et refus de suspension dans un référé spécial. Concl. zu CE v. 16. April 2012, Commune de Conflans-Sainte-Honorine et ­autres, RFDA 2012, 719–729. Zitiert: Botteghi, concl. zu CE v. 16. April 2012, Commune de Conflans-Sainte-Honorine et autres, RFDA 2012. – Référé liberté et référé conservatoire en cas de menace pour la sécurité. Concl. zu CE v. 16. November 2011, Ville de Paris et autres [= Société H&M], RFDA 2012, 269–278. Zitiert: Botteghi, concl. zu CE v. 16. November 2011, Société H&M, RFDA 2012. Chauvaux, Didier: Les pouvoirs du juge des référés au titre de l’article L. 521-3 du code de justice administrative. L’hypothèse des mesures conservatoires destinées à prévenir un dommage imminent. Concl. zu CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, in: RFDA 2007, 314–321. Zitiert: Chauvaux, concl. zu CE v. 18. Juli 2006, Elissondo Labat, RFDA 2007. Glaser, Emmanuel: Concl. zu CE v. 26. Oktober 2005, Société des crématoriums de France, in: AJDA 2006, 161–163. Zitiert: Glaser, concl. zu CE v. 26. Oktober 2005, Société des crématoriums de France, AJDA 2006. – Expertise et conciliation (à propos du calcul du „forfait d’externat“). Concl. zu CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et ­autres, in: RFDA 2005, 546–555. Zitiert: Glaser, concl. zu CE v. 11. Februar 2005, Organisme de gestion du Cours du Sacré-Cœur et autres, RFDA 2005. Lamy, n. n.: Concl. zu CE v. 20 Dezember 2000, Ouatah, in: Rec. Leb. 2000, 644–649. Zitiert: Lamy, concl. zu CE v. 20 Dezember 2000, Ouatah, Rec. Leb. 2000. Seban, Alain: À quelles conditions une décision administrative peut-elle être suspendue par le juge des référés? Concl. zu CE v. 28. Februar 2001, Préfet des AlpesMaritimes et société Sud-Est Assainissement, in: BDEI 3 / 2001, 9–20. Zitiert: Seban, concl. zu CE v. 28. Februar 2001, Préfet des Alpes-Maritimes et société Sud-Est Assainissement, BDEI 3 / 2001. Stahl, Jacques-Henri: Le référé conservatoire, complément du référé-suspension. Concl. zu CE v. 6.  Februar 2004, Masier, in: RFDA 2004, 1170–1177. Zitiert: Stahl, concl. zu CE v. 6.  Februar 2004, Masier, RFDA 2004. Théry, Jean-François: Concl. zu CE v. 11. Mai 1979, Ripert, in: AJDA 1980, 106– 108. Zitiert: Théry, concl. zu CE v. 11. Mai 1979, Ripert, AJDA 1980, 106. Vallée, Laurent: Concl. zu CE v. 29. Januar 2003, Commune d’Annecy, und CE v. 29. Januar 2003, Commune de Champagne-sur-Seine, in: Rec. Leb. 2003, 6–17. Zitiert: Vallée, concl. zu CE v. 29. Januar 2003, Commune d’Annecy, und CE v. 29. Januar 2003, Commune de Champagne-sur-Seine, Rec. Leb. 2003.

246 Schlussanträgeverzeichnis Verclytte, Stéphane: Les conséquences d’une décision individuelle illégale non définitive (à propos du référé-provision). Concl. zu CE v. 16. Dezember 2005, Lacroix, in: RFDA 2006, 513–522. Zitiert: Verclytte, concl. zu CE v. 16. Dezember 2005, Lacroix, RFDA 2006.

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Stichwortverzeichnis Anordnungsanspruch  175 Anordnungsgrund  175 Atteinte grave et manifestement illégale  153 Automatischer Suspensiveffekt  35, 54, 76, 83, 88, 95, 132

Handlungsanordnungen – à titre principal  155, 159, 165, 184 – als Aussetzungsfolge  141 – en vue de l’exécution de la chose jugée  142, 184 Hängebeschluss  177

Constat d’urgence  27, 29 Contestation sérieuse  171

Individualrechtsschutzkonzeption  71, 131, 183, 186 Injonction  29, 72, 73, 134, 136, 160 Interessenabwägung  106, 124, 126, 127, 130, 149, 153, 169 Intérêt à agir  102

Eilbedürftigkeit  99, 129, 149, 154, 168, 175, 185 Einstweilige Anordnung  46, 51, 134 Entscheidungsfrist  59, 80, 147, 151, 181 Ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit  68, 113, 117, 120, 126, 127, 130 Folgenbetrachtung  124, 126, 127, 177 Fundamentaler Grundsatz des öffentlichrechtlichen Prozesses  60, 70 Gebot des effektiven Rechtsschutzes  61, 74, 88, 96, 178 Gerichtsbescheid  192 Gerichtsgeprägte Gewaltenteilung  71 Gesamtbetrachtung der Eilbedürftigkeit  103, 130, 150, 153, 169 Gesetz vom 8. Februar 1995  74, 138, 140, 183 Gewaltenteilungsverständnis  71, 73, 138 Glaubhaftmachung  175 Grundkonzeption der Verwaltungs­ gerichtsbarkeit  70, 132, 182 Grundsatz des Suspensiveffekts  53, 60, 70, 82, 90, 95, 96, 132

Langfristige Sachverständigenmission  209 Leistungsanordnung  174, 191 Liberté fondamentale  148 Mehrpoliges Verwaltungsrechts­ verhältnis  92, 96 Moyen sérieux  26, 113 Mündlichkeit  32 Nicht ernstlich bestreitbare Geld­ forderung  187, 190 Objektive Rechtskontrolle  70, 72 Privilège du préalable  54, 146 Rapporteur public  196 Recours administratif préalable obligatoire  189 Référé au fond  200 Référé-constat  33, 203, 207, 218, 224

268 Stichwortverzeichnis Référé-instruction  30, 203, 207, 218, 224 Référé-liberté  33, 146, 159, 181, 182, 184, 185 Référé-mesures-utiles  33, 158, 180, 182, 184 Référé-provision  31, 187, 196 Référé-suspension  33, 99, 126, 129, 130, 134, 147, 181, 183 Reform im Jahr 2000  31, 75, 100, 114, 188 Regelungsanordnung  173, 175, 191 Régle fondamentale du droit public  54, 70 Schlichtung durch den Sachverständigen  210 Schwer reparable Nachteile  26, 99, 104

Selbständiges Beweisverfahren  203, 215, 219 Sicherungsanordnung  29, 30, 173, 175 Sursis à exécution  26, 73, 75, 99, 104, 113, 139 Überkreuzende Ausnahmen  84 Unbillige Härte  119, 128 Vermutete Eilbedürftigkeit  109 Verwaltungsstaat  72 Voie de fait  31, 147 Vollziehungsanordnung – behördliche  66, 77 – gerichtliche  78 Vorschuss  31, 187, 189, 199, 201 Weisungsverbot  29, 72, 73, 75, 136, 137, 159