Einkaufskooperationen und Kartellverbot [1 ed.] 9783428580361, 9783428180363

Die Untersuchung widmet sich der Abgrenzungsfrage zwischen kartellrechtlich bedenklichen und kartellrechtlich unbedenkli

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German Pages 472 [473] Year 2020

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Einkaufskooperationen und Kartellverbot [1 ed.]
 9783428580361, 9783428180363

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Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 80

Einkaufskooperationen und Kartellverbot Von

Martin Malkus

Duncker & Humblot · Berlin

MARTIN MALKUS

Einkaufskooperationen und Kartellverbot

Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Begründet von Professor Dr. Wolfgang Blomeyer † und Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider

Band 80

Einkaufskooperationen und Kartellverbot Von

Martin Malkus

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 978-3-428-18036-3 (Print) ISBN 978-3-428-58036-1 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 von der Juristischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Mein Dank gilt meinem akademischen Lehrer Dr. Elmar Mand, LL.M. (Yale), der mich darin bestärkte, diese Arbeit zu schreiben und mich, insbesondere in unseren gemeinsamen Joggingstunden, durch ausführliche Diskussionen zu zahlreichen Gedanken inspirierte. Prof. Dr. Michael Kling danke ich für die Betreuung der Dissertation. Prof. Dr. Georgios Gounalakis danke ich für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Beiden danke ich für die Abnahme der mündlichen Prüfung. Die Grundlagen der Arbeit entstanden während meiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Philipps-Universität Marburg. Sie wurden in den folgenden Jahren um praktische Erfahrungen im Kartellrecht ergänzt, die ich unter anderem während meiner Wahlstation beim Bundeskartellamt und in den ersten Jahren meiner anwaltlichen Tätigkeit bei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton LLP in Köln gewinnen durfte. Finalisiert wurde die Arbeit in der ebenso schönen wie hervorragend ausgestatteten Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb in München, die nicht nur für den Zugang zur Literatur, sondern auch für die nötige Ruhe sorgte, um die Arbeit abschließen zu können. Für hilfreiche Kritik und Ansporn danke ich Dr. Roger Pierenkemper. Für die Durchsicht der Arbeit, zahlreiche erhellende Anmerkungen und motivierende Worte danke ich Dr. Katharina Apel, LL.M. (Harvard), und Dr. Sabine Albrecht. Letztlich gebührt meiner Freundin Katrin Niedermeier, meiner Schwester Anika Malkus und meiner Mutter Doris Malkus Dank für ihre stetige emotionale Unterstützung. Meiner Mutter sei diese Arbeit gewidmet. München, im April 2020

Martin Malkus

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ziele der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fragen der Arbeit und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 31 33

§ 1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bedeutung von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Formen und Arten von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Charakteristika von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung des ersten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 34 38 45 52 56

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . B. Faktoren zur Bestimmung der Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenhang zwischen Faktoren und Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung des zweiten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57 57 105 121 133

§ 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis zu Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das europäische Kartellrecht im Wandel der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Horizontalleitlinien der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Einkaufskooperationen und Nachfragemacht außerhalb des Kartell­ verbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Exkurs: Besonderheiten der kartellrechtlichen B ­ ewertung von Einkaufskooperationen nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Zusammenfassung des dritten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata  . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Kritik an den Horizontalleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit . . . . . . . . . . . . . . C. Lösungsvorschläge für Unklarheiten und Lücken in den Horizontal­ leitlinien de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Schnittmengenanalyse zwischen Kommissionspraxis und gewandelter Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zusammenfassung des vierten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8 Inhaltsübersicht § 5 Entwurf eines Analysemodells zur Bewertung von Einkaufs­ kooperationen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Bedürfnis und Ausgangslage eines sinnvollen Modells . . . . . . . . . . . . . . B. Makroebene: Suche nach einem austarierten System aus Rechtssicherheit, Treffsicherheit und Handhabbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung des fünften Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

364 364 369 387 418

Zusammenfassende Thesen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Relevanz der Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ziele der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fragen der Arbeit und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Definition der Einkaufskooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Merkmale der Einkaufskooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarung zwischen mindestens zwei Unternehmen . . . . . . . . 2. Gemeinsamer Einkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Selbständigkeit der Kooperationsmitglieder  . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bedeutung von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historischer Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenwärtige Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Politische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Formen und Arten von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Marktumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktion der Einkaufskooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Organisation der Einkaufskooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Marktinformationsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhandlungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestellgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hochentwickelte Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einkaufskooperationen der „neuen Generation“ . . . . . . . . . . . . . . IV. Kooperationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Charakteristika von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anzahl der Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Offenheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gleichberechtigung und Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 34 34 35 35 36 37 38 38 41 41 43 44 45 45 46 46 47 47 48 48 49 50 51 52 52 52 53

10 Inhaltsverzeichnis IV. Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bezugszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung des ersten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . I. Positive Auswirkungen von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . 1. Economies of scale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Transaktionskostenreduktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Investitionsfördernde Effekte langfristiger Handelsbeziehungen . 4. Belebung des Anbieterwettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Günstigere Endverkaufspreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Negative Auswirkungen von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . 1. Negative Auswirkungen aufgrund der Kooperationsbildung . . . . . a) Erhöhte Gefahr der Kartellbildung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erhöhte Gefahr stillschweigender Kollusion  . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz vor Konkurrenz oder verdeckte Übernahme . . . . . . . . . d) Gefahren durch vertikale Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Negative Auswirkungen aufgrund erhöhter Nachfragemacht . . . . a) Begriff und Definitionsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ökonomische Modelle zur Erklärung von Nachfragemacht  . . aa) Monopson-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kritik am Monopson-Modell  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis zum Monopson-Modell . . . . . . . . . bb) Verhandlungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kritik am Verhandlungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis zum Verhandlungsmodell . . . . . . . cc) Verhältnis der beiden Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenhang zwischen Nachfragemacht und Einkaufskooperationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gleichstellung zwischen Monopson und Einkaufs­ kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhandlungsmodell und Einkaufskooperationen  . . . . . . cc) Keine vollständige Gleichstellung zwischen Einkaufskooperationen und einzelnen Nachfragern . . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen der Nachfragemacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nettowohlfahrtsverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wasserbetteffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nivellierungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Spiraleffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Abschottungs-/Verschließungseffekte . . . . . . . . . . . . . . . .

57 57 58 59 60 61 62 64 64 64 65 65 66 67 68 68 69 70 70 75 78 78 78 83 83 83 85 85 87 88 89 89 89 92 93 94

Inhaltsverzeichnis11 ff) Konzentrations- und kollusionsfördernde Effekte auf Anbieterseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Sozialpolitische Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ungeklärte Auswirkungen von Einkaufskooperationen und Nachfragemacht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Qualitäts- und Innovationsverluste? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Empirische Untersuchungen zu Innovations- und Qualitätsrückgang im Lebensmitteleinzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beeinträchtigung der Produktvielfalt?   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Förderung von Marktaustritten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis zu den ambivalenten Wirkungen von Einkaufskooperationen und Plädoyer für eine positive Bewertung von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Faktoren zur Bestimmung der Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Produktbezogene Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinsamkeit von Vor- und Endprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art des Produkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Preiselastizität der Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Marktbezogene Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Größe der Kooperation/Beschaffungsmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Größe/Beschaffungsmenge . . . . . . . . . . . . . . . . b) Größe nicht alleiniger Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Mär um die Irrelevanz der Größe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Finanzkraftvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Marktanteil als Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umsatzanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wettbewerb auf dem Absatzmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Marktstellung und Marktkonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Marktgegenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Marktzutrittsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenhang zwischen Faktoren und Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . I. Negative Auswirkungen aufgrund abgestimmten Verhaltens . . . . . . . 1. Direkte Kollusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Marktbezogene Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kooperationsbezogene Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stillschweigende Kollusion (tacit collusion) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertikale Kollusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verdeckte Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Negative Auswirkungen aufgrund von Nachfragemacht . . . . . . . . . .

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12 Inhaltsverzeichnis 1. Monopson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhandlungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Positive Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Economies of scale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Countervailing power . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Günstigere Preise für Endverbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis zum Zusammenhang zwischen Faktoren und Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung des zweiten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

129 130 131 131 131 131 132 133

§ 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis zu Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 A. Das europäische Kartellrecht im Wandel der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Europäisierung und Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 II. Ökonomisierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 III. System der Legalausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 IV. Relevanz der Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. Allgemeine Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . 140 1. Zwischenstaatlichkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen . . . . . . . . . . 144 4. Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 II. Die horizontale Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV in der bisherigen Rechtsprechung und Kommissionspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Tatbestandliche Reduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV: ­Notwendige Wettbewerbsbeschränkungen und Arbeitsgemeinschaftsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Notwendige Wettbewerbsbeschränkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Der Arbeitsgemeinschaftsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Tatbestandliche Reduktionen in der bisherigen Rech­ tsprechung des EuGH: Gøttrup-Klim/DLG . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Relevanz der Abgrenzung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Merkmale und Fallgruppen der bezweckten Wettbewerbs­ beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Der Bezugszwang als Kern der Wettbewerbsbeschränkung in der bisherigen Rechtsprechung und Kommissionspraxis . . . . . 156 aa) Vollständiger Bezugszwang als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (1) EuGH: Coöperative Stremsel- en Kleurselfabriek (Lab-Urteil) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (2) Weitere Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Inhaltsverzeichnis13 bb) Faktischer Bezugszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 cc) Zwischenergebnis zum Bezugszwang . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. Freistellung vom Kartellverbot gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV . . . . . . 165 1. Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung, Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts . . . . . . . . . . . . 166 2. Verbraucherbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Keine Ausschaltung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 5. Beständigkeit der Freistellungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 176 IV. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Nichtigkeit der Einkaufskooperation bzw. Einkaufsvereinbarung . 176 2. Bußgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4. Keine strafrechtlichen Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 5. Verpflichtungszusagen (Commitments)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 C. Die Horizontalleitlinien der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Rechtsnatur und Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Keine Bindungswirkung gegenüber den Unionsgerichten . . . . . . . 181 2. Selbstbindung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Zur Bindungswirkung gegenüber nationalen Gerichten und Kartellbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 4. Bindungswirkung gegenüber Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. System und Kriterien der Horizontalleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Allgemeine Bewertung i. R.d. Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (insbesondere kein „verschleiertes Kartell“) . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Bewertung bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen: Die 15 %-Marktanteilsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 c) Einzelfallanalyse mit weiteren Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 d) Kollusionsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Bewertung des Art. 101 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4. Die Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Dogmatik der Horizontalleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 D. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 1. Vertikalverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Ökonomische Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 II. Vertikal-GVO der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Zur Anwendbarkeit auf Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . 197

14 Inhaltsverzeichnis 2. Inhalt und System der Vertikal-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3. Kriterien außerhalb der Vertikal-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Typische vertikale Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Vertikale Beziehungen zwischen Verbundzentrale und den Kooperationsmitgliedern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Vertikale Beziehungen zwischen Einkaufskooperationen und Lieferanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 a) Alleinvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Alleinbelieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Rabatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 d) Meistbegünstigungsklauseln zulasten des Lieferanten . . . . . . . 205 e) Gebühren/Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. Zwischenergebnis zu vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . 207 E. Einkaufskooperationen und Nachfragemacht außerhalb des Kartell­ verbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 I. Einkaufskooperationen und Nachfragemacht in der Fusions­ kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Abgrenzung von Einkaufskooperation und konzentrativen ­Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Definition des Gemeinschaftsunternehmens/Abgrenzungsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) Positive Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (1) Ausreichende Ressourcen für eine eigenständige Marktpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (2) Eine auf Dauer angelegte Wirtschaftstätigkeit . . . . . . 211 bb) Negative Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (1) Bloße Hilfsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (2) Grad der tatsächlichen Abhängigkeit von Mutter­ gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Anwendung auf Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 d) Zwischenergebnis zur Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Nachfragemacht in Fusionskontrollfällen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Die Leitlinien zu horizontalen Zusammenschlüssen  . . . . . . . . 215 b) Ausgewählte Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 aa) REWE/Meinl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 bb) Kesko/Tuko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 cc) Carrefour/Promodès . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 dd) Friesland Foods/Campina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 ee) Promodès/Dirsa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 ff) Coca-Cola Company/Carlsberg A/S . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 c) Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf Einkaufskooperationen . 220 d) Erkenntnisse aus den Fusionskontrollentscheidungen der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Inhaltsverzeichnis15 II. Die Einkaufskooperation und der Missbrauchstatbestand gem. Art. 102 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich des Art. 102 AEUV und Verhältnis zu Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Theoretische Fallkonstellationen missbräuchlichen Verhaltens . . . a) Verhältnis Einkaufskooperation und Kooperationsmitglieder . b) Missbräuchliches Verhalten gegenüber Nichtmitgliedern der Einkaufskooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vereinbarungen zwischen der Einkaufskooperation und Lieferanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnis zum Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Exkurs: Besonderheiten der kartellrechtlichen B ­ ewertung von Einkaufskooperationen nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich des deutschen Kartellrechts: Die Zwischenstaatlichkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besonderheiten der deutschen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der deutsche Unternehmensbegriff – Einkauf durch den Staat . . 2. Die Doppelkontrolle von Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Wettbewerbsbeschränkung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . 4. Das Mittelstandskartell gem. § 3 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Zusammenfassung des dritten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata  . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Kritik an den Horizontalleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kritik an der Rechtsnatur der Horizontalleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlende Legitimation der Horizontalleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . II. Kritik am System und an den Kriterien der Horizontalleitlinien  . . . 1. Die 15 %-Marktanteilsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedürfnis einer Marktanteilsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kritik an der Handhabbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritik an der Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik an der Treffsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Höhe der Marktanteilsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Höhe der Marktanteilsschwelle der Horizontal­ leitlinien im systematischen Vergleich  . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Höhe der Marktanteilsschwelle der Horizontal­ leitlinien im Vergleich zur US-Praxis  . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Höhe der Marktanteilsschwelle der Horizontal­ leitlinien mit Blick auf die positiven Wirkungen von Einkaufskooperationen und der Vermeidung eines chilling effect . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

222 222 224 224 225 225 225 226 227 228 228 232 232 233 237 238 240 241 241 241 243 244 244 244 244 247 248 248 248 248 251

252

16 Inhaltsverzeichnis dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 c) Fokus auf Beschaffungs- und Absatzmarkt . . . . . . . . . . . . . . . 253 d) Marktanteilsschwelle als einziges Kriterium . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Die Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 III. Kritik an der Dogmatik der Horizontalleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Kritik am more economic approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. „Less economic approach“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3. Einkaufskooperationen und Nachfragemacht . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 IV. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit . . . . . . . . . . . . . . 259 I. Ökonomisierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Entstehung des more economic approach und Entwicklungs­ linien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Fragen zum more economic approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Was? – Begriff und Ausprägungen des more economic ­approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 aa) Implementierung ökonomischer Erkenntnisse . . . . . . . . . . 261 bb) Wirkungsbasierter Ansatz (effects based approach) . . . . . 262 cc) Konsumentenwohlfahrt (consumer welfare) . . . . . . . . . . . 262 b) Warum? – Vor- und Nachteile des more economic approach . 263 aa) Implementierung ökonomischer Erkenntnisse . . . . . . . . . . 264 bb) Wirkungsbasierter Ansatz (effects based approach) . . . . . 264 cc) Diskussion um den richtigen Wohlfahrtstandard . . . . . . . . 265 (1) Grundpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (2) Argumentationsstränge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 c) Wer? – Anwender des more economic approach . . . . . . . . . . . 271 3. Der more economic approach in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . 272 a) Implementierung ökonomischer Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . 272 b) Entscheidung für einen wirkungsbasierten Ansatz (effects based approach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Entscheidung für den Schutz des Wettbewerbs als solchen und Schutz der Wettbewerbsstrukturen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 II. System der Legalausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Einfluss auf die Auslegung tatbestandlicher Reduktionen des Art. 101 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 2. Aktuelle Rechtsprechung zu tatbestandlichen Reduktionen . . . . . 278 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C. Lösungsvorschläge für Unklarheiten und Lücken in den Horizontal­ leitlinien de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I. Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Der sachlich relevante Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Inhaltsverzeichnis17 a) Keine Besonderheiten auf dem Absatzmarkt . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Besonderheiten auf dem Beschaffungsmarkt . . . . . . . . . . . . . . 284 c) Sachliche Marktabgrenzung im Lebensmitteleinzelhandel . . . 285 2. Der räumlich relevante Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 3. Zwischenergebnis zur Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 II. Relevanter Markt zur Bestimmung der Spürbarkeit der Wett­ bewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 1. Relevanz der Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 2. Bewertung der Kommissionspraxis und Rechtsprechung . . . . . . . 290 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 III. Der gemeinsame Einkauf im Spannungsfeld zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Vorgaben der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 3. Vereinbarungen über Einkaufspreise als bezweckte Wett­ bewerbsbeschränkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 a) Preisvereinbarungen als per se bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 b) Preisvereinbarungen im Rahmen von Einkaufskooperationen sind keine bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . 298 c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 d) Folgefrage nach der Abgrenzung zwischen Preisvereinbarungen im Rahmen und außerhalb von Einkaufskooperationen  . 303 IV. Die bewirkte Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 1. Ökonomischer Ansatz der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 2. Ansätze in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 3. Orientierung an den theories of harm der Horizontalleitlinien . . . 306 4. Analyse anhand von typischen Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . 309 a) Beispielsfall 2b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 b) Beispielsfall 3b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 c) Beispielsfall 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 5. Zwischenergebnis zur bewirkten Wettbewerbsbeschränkung . . . . 315 D. Schnittmengenanalyse zwischen Kommissionspraxis und gewandelter Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 I. Mögliche Schnittmengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 1. Unproblematische Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 2. Problematische Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 II. Unterschiede in der Bewertung von Einkaufskooperationen durch Kommission und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 1. Unterschiedliche Bewertung der Spürbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 320 2. Die notwendige Wettbewerbsbeschränkung als Tatbestands­ reduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

18 Inhaltsverzeichnis 3. Vereinbarungen über den Preis als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 4. Unterschiedliche Perspektiven: Schutz der Verbraucher vs. . . . . . Schutz des Wettbewerbs und der Wettbewerbsstrukturen . . . . . . . 326 a) Relevanz der unterschiedlichen Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . 327 b) Konsequenzen für die Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 aa) Relevanz für den safe harbour der Horizontalleitlinien  . 328 bb) Relevanz für den Fokus auf den Absatzmarkt . . . . . . . . . 329 5. Bezugszwang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 a) Gewandelte Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 b) Unklare Horizontalleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 c) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 6. Typische Vereinbarungen im Rahmen von Einkaufs­ kooperationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 a) Mindestumsatzklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 b) Kostendeckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 c) Verbot der Doppelmitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 d) Rabatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 e) Kündigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 7. Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 8. Unterschiedliche Bewertung der Marktanteilsschwelle . . . . . . . . . 335 a) Die Bedeutung der Marktanteilsschwelle in der Recht­ sprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 9. Asymmetrische Einkaufskooperationen durch dominierenden „Kopf“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 a) Unterschiedliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 10.  Art. 101 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 a) Unterschiedliche Beweisanforderungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 b) Nachfragemachtbedingte Gewinnallokationen zugunsten der ­Einkaufskooperation als Effizienzvorteil i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 c) Angemessenheit des Bezugszwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 III. Konsequenzen: Unproblematische Konstellationen der einheit­ lichen Bewertung von Einkaufskooperationen durch Kommission und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 1. Konstellation 1: Kartellrechtlich unbedenkliche Einkaufs­ kooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 2. Konstellation 2: wettbewerbswidrige Einkaufskooperationen . . . . 344 E. Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 I. Strategische Vorfrage: „Flucht in die Fusionskontrolle?“ . . . . . . . . . 347 II. Kontakt mit Wettbewerbsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350

Inhaltsverzeichnis19 III. Präventionsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ständige Kontrolle des safe harbour . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freiwilligkeit/Kein Bezugszwang/Offenheit statt Geschlossenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Strukturelle Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Selbstauferlegte Beschränkungen zur Vermeidung übermäßiger Nachfragemacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Maßnahmen zur Reduzierung bedenklichen Informationsaustauschs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zusammenfassung des vierten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

354 355 356 356 357 358 361

§ 5 Entwurf eines Analysemodells zur Bewertung von Einkaufs­ kooperationen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 A. Bedürfnis und Ausgangslage eines sinnvollen Modells . . . . . . . . . . . . . . 364 I. Bedürfnis nach einem neuen Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 II. Ausgangslage der Modellentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 III. Grenzen der Modellentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 1. Praktische Grenzen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 2. Primärrecht und Rechtsprechung als Rahmen und Grenzen . . . . . 368 B. Makroebene: Suche nach einem austarierten System aus Rechts­ sicherheit, Treffsicherheit und Handhabbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 I. Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 2. Merkmale der Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 3. Konsequenzen für die Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 a) Schaffung einer GVO (R1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 b) Schaffung eines zeitlichen safe harbour (R2) . . . . . . . . . . . . . 373 c) Rechtsunsichere theories of harm abschaffen (R3) . . . . . . . . . 373 II. Treffsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 1. Treffsicherheit als Minimierung von Fehlern erster und zweiter Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 a) Verhältnis von Typ-I- und Typ-II-Fehlern  . . . . . . . . . . . . . . . . 375 b) Präferenz für Typ-II-Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 2. Treffsicherheit und differenzierte Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . 376 3. Konsequenzen für die Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 a) Anhebung der Marktanteilsschwelle (T1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 b) Differenzierteres Bewertungssystem durch Einführung weiterer Kriterien (T2 und T3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 III. Handhabbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 2. Adressaten der Handhabbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 a) Handhabbarkeit für Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 b) Handhabbarkeit für Kartellbehörden und Gerichte . . . . . . . . . 379 3. Konsequenzen für die Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380

20 Inhaltsverzeichnis a) Einfache Kriterien (H1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Graubereiche klären (H2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sinnvolle Beweislastverteilung und sinnvoller Beweis­ maßstab (H3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Wechselwirkungen der Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielharmonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zielkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Treffsicherheit zu Handhabbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Treffsicherheit zu Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtssicherheit zu Handhabbarkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsnatur der Horizontalleitlinien und Rechtssicherheit: ­Schaffung einer Horizontal-GVO mit Regelungen zu Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sinnhaftigkeit einer GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorteile von Gruppenfreistellungsverordnungen  . . . . . . . . . . . b) Geeignetheit von Gruppenfreistellungsverordnungen . . . . . . . . 2. Hürden im politischen Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausgestaltung einzelner Regelungen der bisherigen Horizontalleitlinien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. System der Horizontalleitlinien und Treffsicherheit . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Sinnhaftigkeit eines an Marktanteilen orientierten safe harbour . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedürfnis nach Alternativen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sinnvolle Alternativen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umsatzbasierte Privilegierung von KMU . . . . . . . . . . . . . bb) Relativer Umsatzanteil der Einkaufskooperation ­gegenüber ihren Lieferanten (T3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsvergleichender Seitenblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Praxis der US-Wettbewerbsbehörden . . . . . . . . . . . . . (2) Praxis in den Niederlanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fehlende Übertragbarkeit und geringer Erkenntnisgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorteil einer Orientierung am Marktanteilskriterium . . . . . . . . d) Zwischenergebnis: Modifikation statt Alternativmodelle . . . . . 2. Sinnvolle Höhe des safe harbour (T1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art. 29 VO Nr. 1/2003 als Korrektiv?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergänzungen des Systems der Horizontalleitlinien . . . . . . . . . . . .

380 380 380 381 381 382 382 382 384 385 386 387 388 388 389 390 391 393 394 395 395 395 395 397 400 400 401 402 403 403 405 405 406 407 407 408

Inhaltsverzeichnis21 a) Horizontalleitlinien und Rechtssicherheit: Zeitlicher safe harbour (R2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinfachte Marktanalyse bei geringfügigen Überlappungen räumlicher Absatzmärkte der Kooperationsmitglieder (H1) . . . 4. Nachfragemachtbedingte Gewinnallokationen zugunsten der Einkaufskooperation als Effizienzvorteil i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dogmatik der Horizontalleitlinien und Handhabbarkeit . . . . . . . . . . 1. Innovations-, Auswahl- und Qualitätsrückgänge sind als theories of harm ungeeignet (R3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweislastverteilung (H3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fallbeispiele (H2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung des fünften Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

408 411 412 415 415 415 418 418

Zusammenfassende Thesen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Übersicht – Organisationsformen und Arten von Einkaufskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Abbildung 2: Gleichgewichtsmodell  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Abbildung 3: Monopson-Modell  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Abbildung 4: Verhandlungsmacht durch Abbruchoptionen und Drohpunkte . . . 81 Abbildung 5: Zusammenhang zw. Wettbewerbsintensität und Innovations­ anreizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Abbildung 6: Preiselastizitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Abbildung 7: Produkt- und marktbezogene Faktoren direkter Kollusion der Mitglieder von Einkaufskooperationen auf den Absatzmärkten . . 123 Abbildung 8: Kooperationsbezogene Faktoren direkter Kollusion der ­Mitglieder von Einkaufskooperationen auf den Absatzmärkten . . 125 Abbildung 9: Produkt- und marktbezogene Faktoren stillschweigender Kollusion der Mitglieder von Einkaufskooperationen auf den Absatzmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Abbildung 10: Interne Faktoren stillschweigender Kollusion der Mitglieder von Einkaufskooperationen auf den Absatzmärkten . . . . . . . . . . . 128 Abbildung 11: Voraussetzungen des Monopson-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abbildung 12: Schnittmengen rechtlicher Bewertung von Einkaufskooperationen durch Kommission und Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Abbildung 13: Übersicht zu den Wechselwirkungen der Ziele . . . . . . . . . . . . . . . 387 Abbildung 14: Übersicht zu Toleranzklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABl.

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt (der Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union) Abs. Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung Am. Econ. Rev. The American Economic Review Antitrust Bull. The Antitrust Bulletin Antitrust L. J. Antitrust Law Journal Art. Artikel Aufl. Auflage BB BetriebsBerater Bd. Band BGH Bundesgerichtshof BKartA Bundeskartellamt Boston U. L. Rev Boston University Law Review BT-Drucks. Bundestags-Drucksache Bull. Econ. Res. Bulletin of Economic Research CCZ Corporate Compliance Zeitschrift Cir. Circuit Court CMLR Common Market Law Review Comp. Law Competition Law Journal Cornell L. Rev. Cornell Law Review DB Der Betrieb ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselben DoJ Department of Justice ebd. ebenda ECJ European Competition Journal ECLR European Competition Law Review Econ. J. Economic Journal

24 Abkürzungsverzeichnis EG

Europäische Gemeinschaft

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

ELR

European Law Reporter

Emory L. J.

Emory Law Journal

EMRK

Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

EU

Europäische Union

EuG

Gericht (Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften/ der Europäischen Union)

EuGH

Gerichtshof (der Europäischen Gemeinschaften/Union)

EuR Europarecht Eur. Econ. Rev.

European Economic Review

EUV

Vertrag über die Europäische Union (in der Fassung des Vertrages von Lissabon)

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

f./ff. folgende F.2d

Federal Reporter, Second Series

F.3d

Federal Reporter, Third Series

FIW

Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb e. V.

FKVO Fusionskontrollverordnung Fn. Fußnote FS Festschrift FTC

Federal Trade Commission

GA Generalanwalt gem. gemäß Geo. L. J.

Georgetown Law Journal

GRCh Grundrechtecharta GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht: Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht

GRUR Int.

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/Internationaler Teil: Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht/Internationaler Teil

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Hastings Bus. L. J.

Hastings Business Law Journal

HHI Herfindahl-Hirschman-Index HLL Horizontalleitlinien

Abkürzungsverzeichnis25 Hrsg. Herausgeber ICC International Chamber of Commerce i. H. v. in Höhe von IIC International review of intellectual property and competition law IJIO International Journal of Industrial Organization Inc. Incorporated Indiana L. J. Indiana Law Journal International Lawyer The International Lawyer i. S. d. im Sinne des/der i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit JCLE Journal of Competition Law and Economics JECLAP Journal of European Law & Practice J. Ind. Econ. Journal of Industrial Economics J. L. Econ & Org. Journal of Law, Economics, and Organization J. Pol. Econ. Journal of Political Economy JZ Juristenzeitung K&R Kommunikation & Recht lit. litera Ltd. Limited Loy. Cons. L. Rev. Loyola Consumer Law Review Manage Decis. Econ. Managerial and Decision Economics MMR Multimedia und Recht: Zeitschrift für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht m. w. N. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift Northwestern U.L.R. Northwestern University Law Review Nr.  Nummer NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZKart Neue Zeitschrift für Kartellrecht OECD Organisation for Economic Co-operation and Development OLG Oberlandesgericht PharmR Pharma Recht Q. J. Econ. Quarterly Journal of Economics Res. L. & Econ. Research in Law & Economics Rev. Econ. Stat. The Review of Economics and Statistics Rev. Ind. Organ. Review of Industrial Organization

26 Abkürzungsverzeichnis RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer Rs. Rechtssache S. Seite/Satz S. Ct. Supreme Court Slg. Sammlung der Rechtsprechung des EuGH und des EuG s. o. siehe oben sog. sogenannte(r) st. Rspr. ständige Rechtsprechung s. u. siehe unten Tex. L. Rev Texas Law Review u. a. und andere UNSW L. J. University of New South Wales Law Journal Urt. Urteil U.S. United States Reports v. vom Verf. Verfasser vgl. vergleiche VO Verordnung vs. versus World Bank Econ. Rev. The World Bank Economic Review World Competition World Competition Law and Economics Review WRP Wettbewerb in Recht und Praxis WuW Wirtschaft und Wettbewerb W. Va. L. Rev. William and Mary Law Review z. B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für europäisches Privatrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZWeR Zeitschrift für Wettbewerbsrecht Für weitere Abkürzungen siehe Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage, 2018.

Einleitung „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Nach Aristoteles (384–322 v. Chr.)1

A. Ausgangslage I. Problemaufriss Kartelle, Monopole und Kooperationen auf Anbieterseite stehen häufig im Mittelpunkt kartellrechtlicher Untersuchungen. Ihre Gegenstücke – Nachfragekartelle, Monopsons und die hier im Fokus stehenden Einkaufskooperationen – fristen vergleichsweise ein Schattendasein. Doch auch ihnen kommt in der kartellrechtlichen Diskussion immer größere Bedeutung zu. Das gilt insbesondere für die mit ihnen verbundene Nachfragemacht. Schließlich vermögen nachfragemächtige Käufer ebenso den Markt zu beeinflussen wie marktmächtige Verkäufer. Dabei bringt der Verbund einzelner Käufer zu einer Einkaufskooperation zahlreiche kartellrechtliche Fragen mit sich: Fragen zur Ausgestaltung und Funktionsweise der Kooperation, Fragen zu ihren ökonomischen Wirkungen auf den Wettbewerb sowie Fragen nach der kartellrechtlichen Bewertung, speziell der Einordnung der Kooperation als wettbewerbsfördernd oder wettbewerbsbeschränkend. Diese Abgrenzungsfrage zwischen kartellrechtlich bedenklichen und kartellrechtlich unbedenklichen Einkaufskooperationen im Rahmen des Art. 101 Abs. 1 AEUV bildet den Kern dieser Arbeit. Die Faszination wie auch die Komplexität des Themas besteht in der Ambivalenz der Auswirkungen von Einkaufskooperationen und der von ihnen ausgehenden Nachfragemacht. In den meisten Fällen lassen sich ihre Wirkungen nicht einfach als positiv oder negativ einordnen. Vielmehr sind beide Effekte denkbar: Einerseits werden die Kooperationsmitglieder gemeinsam durch die höhere Nachfrage günstigere Konditionen erzielen können. 1  Verkürztes Zitat aus Aristoteles’ Metaphysik VII 10, 1041 b. Ausführlicher: „Das was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, dass es ein einheitliches Ganzes bildet, nicht nach Art eines Haufens, sondern wie eine Silbe, das ist offenbar mehr als bloß die Summe seiner Bestandteile. Eine Silbe ist nicht die Summe ihrer Laute: ba ist nicht dasselbe wie b plus a, und Fleisch ist nicht dasselbe wie Feuer plus Erde.“

28 Einleitung

Denn durch Skaleneffekte, durch die Reduzierung von Transaktionskosten bei der Verhandlung der Verträge oder durch Ersparnisse beim Transport und der Lagerung entstehen Effizienzen, die möglicherweise in günstigeren Konditionen für Verbraucher münden. Andererseits mag ein gemeinsamer Einkauf auch die Gefahr kollusiven Zusammenwirkens zwischen den Mitgliedern auf den Absatzmärkten erhöhen. Sei es durch direkte Absprachen oder stillschweigende Kollusion, die durch ein zum gleichen Preis erworbenes Vorprodukt wahrscheinlicher wird. Zudem entfaltet die Einkaufskooperation Nachfragemacht. Macht, die dem einzelnen Kooperationsmitglied ob seiner zumeist geringen Größe nicht zukommt. Diese Macht kann ihr Gutes haben, wenn dadurch Gegenmacht auf marktstarke Anbieter ausgeübt wird und die Gewinne im Einkauf beim anschließenden Verkauf an die Verbraucher weitergetragen werden. Die Nachfragemacht hat aber auch ihre Schattenseiten: die Ausweichmöglichkeiten der Hersteller und Lieferanten werden reduziert, ob Profite tatsächlich an die Verbraucher weitergetragen werden, ist nicht gesagt; ebenso wenig ist klar, ob die Anbieter ihre Preiszugeständnisse, die sie gegenüber der Einkaufskooperation machen, nicht durch Preissteigerungen gegenüber dritten Käufern wieder auszugleichen versuchen. Möglicherweise führt die von den Einkaufskooperationen ausgehende Nachfragemacht gar zu Innovations- und Qualitätsverlusten oder einem reduzierten Warenangebot. Welche Wirkungen aus der Bildung einer Einkaufskooperation resultieren, hängt dabei von zahlreichen Faktoren ab, etwa dem Marktanteil der Einkaufskooperation auf den Einkaufs- und Absatzmärkten, der Marktstruktur oder der Flexibilität bzw. Abhängigkeit der Anbieterseite. Für die kartellrechtliche Beurteilung wird dabei auch die Frage nach den Zielen des Kartellrechts virulent, insbesondere die Diskussion darum, ob die Konsumentenwohlfahrt oder der Wettbewerb als Ganzes Schutzobjekt des Kartellrechts ist. Denn die Beurteilung der ökonomischen Wirkungen fällt je nach wettbewerbspolitischer Perspektive unterschiedlich aus. Dabei macht es einen Unterschied, ob allein das Wohl der Konsumenten, die von sinkenden Preisen profitieren, als Maß­stab angesehen wird oder auch die Kooperationsmitglieder selbst, die Anbieterseite oder der Wettbewerb als solcher schützenswert sind.

II. Relevanz der Thematik Die Existenz europaweiter Einkaufsgemeinschaften nationaler Lebensmitteleinzelhändler oder die Bestrebungen zweier Autohersteller, durch den gemeinsamen Einkauf bestimmter Zulieferteile Millionen einzusparen, sind Beispiele für die politische, gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Bedeu-



A. Ausgangslage29

tung von Einkaufskooperationen und der mit ihr einhergehenden Nachfragemacht.2 Entsprechend rücken Einkaufskooperationen auch in das Interesse der Wettbewerbsbehörden: Bereits in den 1970er Jahren gab es in Deutschland schon eine intensive Debatte zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen3. Die britische Wettbewerbsbehörde ließ 2007 die wettbewerbsrechtlichen Wirkungen von Einkaufskooperationen untersuchen4. Die Kommission gab mit ihren Konsultationen zu den Horizontalleitlinien 2001 und 2011 (nachfolgend: HLL 2001 und HLL)5, die einen eigenen Abschnitt zu Einkaufsvereinbarungen enthalten, Anlass, über die richtige Art der Behandlung von Einkaufskooperationen zu diskutieren6. Für die Jahre 2021/2022 ist eine weitere Aktualisierung geplant7. Im Jahr 2014 gründeten die führenden französischen Lebensmitteleinzelhändler in kurzer Zeit gleich drei Einkaufskoopera­ tionen8. Das Bundeskartellamt (BKartA) hat im April und Mai 2017 zwei zum gemeinsamen Einkauf gegründete Joint Ventures im deutschen Lebensmit­ teleinzelhandel und Drogeriehandel näher geprüft9 und im Herbst 2019 Bedenken gegen die Erweiterung einer Einkaufskooperation von Möbelhändlern geäußert10. Mit der Folge, dass diese das Vorhaben aufgegeben haben. Das Interesse am Thema Nachfragemacht ist noch weitaus größer: Das BKartA beschäftigte sich mit dem Thema bei der Tagung des Arbeitskreises Kartellrecht am 18. September 200811. Die Monopolkommission analysiert in ihrem XIX. Hauptgutachten (2010/2011) in einem Sonderkapitel die Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels gegenüber den Anbietern der 2  Dazu

im Einzelnen unter § 1 B. II. näher unter § 1 B. I. 4  OFT (Office of Fair Trading), The competitive effects of buyer groups, Economic Discussion Paper (prepared by RBB Economics), January 2007 (nachfolgend: OFT, buyer groups). 5  Bekanntmachung der Kommission, Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit vom 6.1.2001, ABl. 2001 C 3/2 und Kommission, Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit v. 14.1.2011 („Horizontalleitlinien“), ABl. 2011 C 11/01. 6  Kommission, public consultation; vgl. dazu Mand/Malkus, Stellungnahme. 7  Kommission, public consultation 2019. 8  Autorité de la concurrence, Pressemitteilung v. 1.4.2015. 9  BKartA, Pressemitteilung vom 4.4.2017 „Bundeskartellamt hat derzeit keine Einwände gegen das Lebensmitteleinzelhandels Joint Venture „Retail Trade Group“; BKartA, Entsch. v. 19.5.2017, B2-25/17 – EDEKA/Budnikowsky, vgl. Fallbericht v. 19.5.2017. 10  BKartA, Pressemitteilung vom 12.09.2019 „Große Einkaufskooperation im Möbelhandel abgewendet“. 11  BKartA, Nachfragemacht im Kartellrecht, Hintergrundpapier. 3  Dazu

30 Einleitung

Ernährungsindustrie12. Alldem nicht genug, benannte der Präsident des BKartA, Andreas Mundt, im Jahr 2013 das Thema Nachfragemacht zu dem bestimmenden Thema für die Wettbewerbsbehörde13. Ende September 2014 veröffentlichte das BKartA dann die langerwartete Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel, die eine empirische Basis zur Bewertung von Nachfragemacht lieferte und dabei auch Einkaufskooperationen große Aufmerksamkeit schenkte14.

III. Stand der Forschung Die Bewertung von Einkaufskooperationen nach europäischem bzw. deutschem Kartellrecht war bereits Gegenstand vorheriger Arbeiten15, die aber im Wandel der Zeit in weiten Teilen zur Makulatur wurden. Etwa durch den Federstrich des deutschen Gesetzgebers, der mit der 7. und 8. GWB-Novelle die Angleichung an das europäische Kartellrecht suchte und damit auch die spezifischen Eigenarten der deutschen Behandlung von Einkaufskooperationen aufgab. So sah § 4 Abs. 2 a. F. GWB eine Privilegierung von Einkaufsvereinbarungen vor, die mit dem heutigen § 3 GWB nicht mehr vergleichbar ist16. Aber auch durch Neuerungen im europäischen Kartellrecht: So veröffentlichte die Kommission mit ihren Horizontalleitlinien im Jahr 2001 auch Hinweise zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufsvereinbarungen, die sie im Jahr 2011 modifizierte17. Zudem wandelte sich das europäische Kartellrechtssystem mit Erlass der Verordnung Nr. 1/200318. Wurden Einkaufskooperationen bis dahin von der Kommission im Wege des Einzelfreistellungsverfahrens überprüft, obliegt es nunmehr den Unternehmen selbst, die kartellrechtliche Zulässigkeit einer solchen zu bewerten19. Das macht nicht 12  Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Kap.  V, S.  347 ff. 13  Lebensmittel-Zeitung v. 14.12.2012, S. 22 „Nachfragemacht wird Topthema“; vgl. auch Nihoul/Lübbig, 2 J. Eur. Comp. L. & Prac. 107 (2011), die die Frage „How Do We Treat Buyer Power?“ als „The Next Big Question in Competition Law“ bezeichnen. 14  BKartA, Sektoruntersuchung LEH. 15  Vgl. nur Beuthien; v. Einem; Dauner; Triantafillakis; Fritzsche; O. Christiansen. 16  S.u. § 3 F. II. 4. 17  Diese aktuellen Änderungen sind in den 2008 erschienenen Arbeiten von Mischitz und Ruppelt nicht reflektiert. 18  Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates v. 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1/1. 19  S.u. § 3 A. III.



B. Ziele der Untersuchung31

nur aktualisierte Beschreibungen des Verfahrensrechts erforderlich, sondern hat auch Auswirkungen auf die materiellrechtliche Bewertung der Einkaufskooperation. Weiterhin führen unklare ökonomische Grundlagen dazu, dass die damaligen rechtlichen Beurteilungen mit den heutigen neuen ökonomischen Erkenntnissen nicht mehr Schritt zu halten vermögen. Insbesondere die vermehrte Abkehr vom reinen Monopson-Modell hin zum Verhandlungsmodell wie auch die Berücksichtigung von Innovationsgesichtspunkten macht eine Überprüfung der rechtlichen Bewertung unumgänglich. So findet sich mittlerweile eine Vielzahl neuer ökonomischer Publikationen zum Thema Nachfragemacht und zu den Auswirkungen von Einkaufskooperationen, etwa das bereits erwähnte Economic Discussion Paper der damaligen britischen Wettbewerbsbehörde OFT (nunmehr CMA) aus dem Jahr 200720. Daher ist es auch Ziel dieser Arbeit, diese neuen ökonomischen Erkenntnisse für die kartellrechtliche Bewertung fruchtbar zu machen. Letztlich lassen die überarbeiteten Horizontalleitlinien der Europäischen Kommission die Problematik in einem neuen Licht erscheinen. Die darin verkörperte Perspektive des more economic approach wurde zwar in Arbeiten der jüngsten Zeit ausführlich behandelt21. Sie lassen aber noch kein abschließendes Modell erkennen. Die vorliegende Arbeit versucht dies. Sie untersucht, wie die ökonomischen Wirkungen und Unsicherheiten mit den rechtlichen Rahmenbedingungen sinnvoll verzahnt werden können. Ziel soll es dabei sein, einen Beitrag zur rechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen zu leisten, der treffsicher, rechtssicher und handhabbar zugleich ist.

B. Ziele der Untersuchung Im Einzelnen will die vorliegende Arbeit drei wesentliche Ziele verwirklichen: Erstens soll sie einen Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion um das noch immer ungeklärte „Phänomen der Nachfragemacht“22 leisten. Sie wird die Vor- und Nachteile der Nachfragemacht in den unterschiedlichsten Fallkonstellationen analysieren, um letztlich ein angemessenes Analysemodell für 20  OFT, buyer groups; darüber hinaus Inderst/Wey; Inderst, WuW 2008, 1261, 1272; Dobson/Waterson/Chu; Bontrup/Marquardt und aus der US-amerikanischen Literatur Blair/Harrison und Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1 (1991). 21  Mischitz; Ruppelt; Palatzke.  22  Vgl. zum geflügelten Begriff beispielhaft H. Arndt, in: FS Behrens, S. 41; Jüttner-Kramny, WuW 1982, 278; Bontrup, Nachfragemacht, S. 1 sowie Volkswirtschaftslehre, S. 212; Mischitz, S. 5, 25; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 16, 20 et passim.

32 Einleitung

eine rechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen herausarbeiten zu können. Dazu untersucht die Arbeit die praktischen Auswirkungen des more economic approach im Rahmen einer speziellen Fallgruppe des Art. 101 AEUV. Zwar existiert eine Flut an Literatur, die sich der Thematik des more economic approach auf theoretisch abstrakter Art und Weise nähert. Dagegen klafft noch eine Lücke, wenn es darum geht, die Bedeutung im Einzelfall aufzuzeigen. Die Arbeit soll ein Stück dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Zweitens soll die Arbeit neben der theoretischen Analyse der rechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen auch als konkreter Ratgeber für die Praxis dienen. Sie stellt den einschlägigen Rechtsrahmen und dabei insbesondere die Diskrepanzen zwischen den Horizontalleitlinien der Kommission und der Rechtsprechung der Unionsgerichte dar. Dabei sollen die Grenzen kartellrechtlicher Zulässigkeit nach beiden Maßstäben und aus verschiedenen Perspektiven heraus beleuchtet, abgesteckt und der Unternehmenspraxis auf dieser Grundlage konkrete Vorschläge für eine rechtssichere Gestaltung von Einkaufskooperationen unterbreitet werden. Abschließend sollen Vorschläge für eine sinnvolle kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen de lege ferenda erarbeitet werden, um die von der Kommission begonnene und stets weiterzuverfolgende Suche nach zeitgemäßen strategischen Instrumenten des Wettbewerbsrechts, die den Entwicklungen auf dem Markt Rechnung tragen23, zu unter­stützen. Dabei steht die Bewertung privatrechtlicher Einkaufskooperation anhand des Kartellverbots nach Art. 101 AEUV im Mittelpunkt der Untersuchung. Die Missbrauchskontrolle nach Art. 102 AEUV und die Fusionskontrolle werden demgegenüber nicht im Detail behandelt, sondern dienen vielmehr an geeigneter Stelle als Orientierungspunkt und Gradmesser24. Ferner fokussiert sich die Arbeit auf Einkaufskooperationen privater Wirtschaftsteilnehmer. Der gemeinsame Einkauf durch den Staat und der damit verbundene Streit um den Unternehmensbegriff werden in gebotener Kürze behandelt25. Letztlich untersucht diese Arbeit die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen nach europäischem Recht. Aufgrund der weitreichenden Harmonisierung des deutschen Wettbewerbsrechts gelten die folgenden Ausführungen aber auch für Einkaufskooperationen ohne zwischenstaatlichen Charakter. Auf entsprechende Unterschiede wird hingewiesen26. Auf ausge23  Vgl.

Kommission, Presseerklärung v. 4.5.2010, IP/10/489. § 3 E. m. w. N. 25  S.u. § 3 B. I. 2. und § 3 F. II. 1. m. w. N.; damit verbundene vergaberechtliche Fragestellungen werden gänzlich ausgeklammert. 26  S.u. § 3 F. 24  S.u.



C. Fragen der Arbeit und Gang der Untersuchung33

wählte Regelungen, Rechtsprechung oder Behördenpraxis aus Drittstaaten wird verwiesen, um einzelne Thesen im Rahmen eines rechtsvergleichenden Seitenblickes zu überprüfen oder bestimmte Argumente zu untermauern27.

C. Fragen der Arbeit und Gang der Untersuchung Die elementare Frage dieser Arbeit ist die nach der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen. Sie lautet: Wie sind kartellrechtlich unbedenkliche Einkaufskooperationen von kartellrechtlich bedenklichen Einkaufskooperationen abzugrenzen? Dieser Grundfrage wird durch Beantwortung fünf detaillierterer Fragen nachgegangen, die zugleich den Gang der Untersuchung vorgeben: Was zeichnet Einkaufskooperationen aus (§ 1)? Der Begriff der Einkaufskooperation sowie ihre Arten und Charakteristika werden im ersten Kapitel herausgearbeitet. Wie sind Einkaufskooperationen aus ökonomischer Sicht zu bewerten (§ 2)? Die ökonomischen Wirkungen von Einkaufskooperationen und die Frage, welche Faktoren zu welchen wettbewerblichen Wirkungen führen, werden im zweiten Kapitel analysiert. Wie wurden Einkaufskooperationen in der bisherigen Rechtsprechung und Kommissionspraxis bewertet (§ 3)? Im dritten Kapitel werden der Rechtsrahmen und die bisherige rechtliche Behandlung durch die Unionsgerichte und die Kommission dargestellt. Im Fokus stehen dabei die Horizontalleitlinien als aktuellste Antwort der Kommission auf die Frage nach der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen. Was ist de lege lata bei der Ausgestaltung von Einkaufskooperationen zu beachten (§ 4)? Im vierten Kapitel werden die Horizontalleitlinien kritisch hinterfragt und die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu einer im Lichte des gewandelten Kartellrechtssystems interpretierten Rechtsprechung herausgearbeitet. Daraus wird ein detailliertes System der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata entwickelt, das praxisrelevante Wege zur rechtssicheren Gestaltung von Einkaufskooperationen aufzeigt. Lässt sich de lege ferenda ein angemessenes Analysemodell zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen schaffen (§ 5)? Abschließend wird ein treffsicheres Analysemodell de lege ferenda zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen entworfen, das zugleich rechtssicherer und handhabbarer ist als die bisherigen Horizontalleitlinien. 27  S.u.

§ 5 C. II. 2. b) cc).

§ 1  Grundbegriffe Das erste Kapitel widmet sich dem Begriff und den Charakteristika der Einkaufskooperation: − Wie lässt sich die Einkaufskooperation definieren (A.)? − Welche Bedeutung kommt der Einkaufskooperation in wirtschaftlicher, politischer und rechtlicher Hinsicht zu (B.)? − Welche Formen und Arten der organisatorischen wie rechtlichen Gestaltung sind denkbar und von welchen Formen anderer Zusammenarbeit sind sie abzugrenzen (C.)? − Welche Faktoren prägen den Charakter einer Einkaufskooperation (D.)?

A. Begriffsbestimmung I. Definition der Einkaufskooperation Der Begriff der Einkaufskooperation ist kein Rechtsbegriff, d. h. an ihn werden keine unmittelbaren Rechtsfolgen geknüpft1. Die Verwendung des Begriffs Einkaufskooperation allein lässt insoweit noch keinen Rückschluss auf ihre kartellrechtliche Zulässigkeit zu2. Vielmehr gilt es bei jeder Einkaufskooperation genauestens zu untersuchen, ob sie kartellrechtlich zulässig oder unzulässig ist. Dabei können Einkaufskooperationen wie jede andere Art der Kooperation in drei Gruppen kartellrechtlicher Bewertung eingeteilt werden: Sie können nach europäischem Kartellrecht (i) als zulässige Einkaufskooperation schon nicht den Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllen; (ii) sie können zwar den Verbotstatbestand erfüllen, jedoch durch Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt sein oder aber (iii) den Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllen, ohne nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt zu sein3. Ein konturenscharfer einheitlicher Begriff der Einkaufskooperation existiert daher nicht. Es lassen sich aber Konturen in Rechtsprechung und wis1  Triantafillakis,

S. 13. Schweizer, S. 27. 3  Vgl. zu dieser durch das System des Art. 101 AEUV vorgegeben Unterscheidung auch Triantafillakis, S. 8. 2  Ebenso



A. Begriffsbestimmung35

senschaftlicher Diskussion erkennen4. Demnach kann die Einkaufskooperation5 im deutschen und europäischen Kartellrecht als eine Gesellschaft getragen von Vereinbarungen von selbständigen Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen über den gemeinsamen Einkauf von Waren, Dienstleistungen und Rechten definiert werden6.

II. Merkmale der Einkaufskooperation Aus der Definition lassen sich die folgenden drei notwendigen Bestandteile einer Einkaufskooperation herauskristallisieren7: (1) eine Vereinbarung zwischen mindestens zwei Unternehmen, (2) der (regelmäßige) gemeinschaftliche Einkauf und (3) die Selbständigkeit der Kooperationsmitglieder. 1. Vereinbarung zwischen mindestens zwei Unternehmen Eine Kooperation setzt zunächst eine Mehrzahl von Kooperationsmitgliedern voraus, die bei mindestens zwei Mitgliedern liegt und je nach Komplexität und Zielsetzung der Kooperation nach oben hin offen ist. Die Mitglieder sind Unternehmen im Sinne des Kartellrechts8. Nicht unter den hier behandelten Begriff der Kooperation fallen folglich sog. Konsumgenossenschaften, d. h. Selbsthilfeorganisationen von Endverbrauchern, denen die erforderliche Unternehmensqualität fehlt9. Zwar können auch staatliche Institutionen (beispielsweise Länder oder Gemeinden) Einkaufskooperationen bilden, nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte unterfallen sie aber nur dann einer kartellrechtlichen Überprüfung, wenn die Verwendung der umfassend Dauner, S.  27 ff. hier verwendeten Begriffe der „Einkaufskooperation“ und „Einkaufsgemeinschaft“ werden synonym verwendet. Das gilt auch für die in der Literatur mitunter verwendeten Begriffe „Einkaufsvereinigungen“ und „Einkaufszusammenschlüsse“, vgl. Fritzsche, S. 3. Der Begriff des „Einkaufszusammenschlusses“ wird hier bewusst vermieden, da die Verwechslungsgefahr zu Gemeinschaftsunternehmen, die im Rahmen der Fusionskontrolle zu überprüfen sind, zu groß ist; vgl. dazu unter § 3 E. I. 1. 6  In Anlehnung an die Definitionen bei Wollmann/Schedl, in: MünchKomm, 1. Aufl. 2007, Art. 81 EG, Rn. 184; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 1; Braun, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 207; Dauner, S. 43; Köhler, S. 103; Ostler, S.  7 ff.; Wecker, S. 64. 7  Triantafillakis, S.  13 ff.; v. Einem, S. 13. 8  Vgl. dazu näher unter § 3 B. I. 2. 9  Dauner, S.  43 f. 4  Vgl. 5  Die

36

§ 1 Grundbegriffe

gemeinsam bezogenen Produkte einer wirtschaftlichen, nicht aber einer hoheitlichen Tätigkeit zugeordnet werden kann10. Eine Einkaufskooperation beruht grundsätzlich auf einer vertraglichen Bindung zwischen den Kooperationsmitgliedern11. In den meisten Fällen wird ein Gesellschaftsvertrag zwischen den Mitgliedern geschlossen, bei Körperschaften eine Satzung verfasst12. Für die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV genügen allerdings auch formlose Vereinbarungen, etwa konkludent geschlossene Verträge13. 2. Gemeinsamer Einkauf Selbstverständlich ist der gemeinsame Einkauf das prägende Merkmal der Einkaufskooperation. Insoweit ist sie gegenüber Kooperationsformen mit anderen Zielrichtungen, etwa der Werbegemeinschaft oder Franchising, abzugrenzen14. Dabei mag auch die Vorbereitung des Einkaufs in Form von Marktinformationen genügen15. In der Praxis lassen sich Kooperationen beobachten, die neben dem Einkauf noch zahlreiche weitere Funktionen ausführen (z. B. Delkredere, Lagerung)16; auch sie fallen unter den Begriff der Einkaufskooperation, solange der Einkauf die elementare Funktion ist. Das Merkmal der Regelmäßigkeit grenzt Einkaufskooperationen, die grundsätzlich auf eine längere Zusammenarbeit angelegt sind, von sog. adhoc-Einkaufskooperationen ab, die nur gelegentlich oder nur einmalig gemeinsam einkaufen und im Unterschied zu langfristig angelegten Einkaufsko­ operationen zeitlich begrenzt sind, z. B. auf ein Projekt. Ad-hoc-Einkaufskooperationen werden vermehrt über B2B-Internetplattformen zwischen sich vorher zumeist unbekannten Unternehmen abgeschlossen17. Auch sie fallen unter einen weitgefassten Begriff der Einkaufskooperation18. Allerdings gilt es bei ihrer Beurteilung zu differenzieren: Sie können ebenso wie langfristige Einkaufskooperationen unter das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen, denn dafür genügt eine einzige Vereinbarung zwischen Unternehmen, 10  Vgl.

dazu im Einzelnen unter § 3 B. I. 2. und § 3 F. II. 1. S. 64; Dauner, S.  30 f.; Morasch, S. 3. 12  Siehe sogleich unter § 1 C. IV. m. w. N.; vgl. Dauner, S. 30. 13  Vgl. Wecker, S.  64 f.; Dauner, S. 31. 14  v. Einem, S. 13. 15  S.u. § 1 C. III. 1. 16  S.u. § 1 C. III. 4. zur „hochentwickelten Einkaufskooperation“. 17  Vgl. dazu eingehend Lochen; Gounalakis/Lochen, ZHR 167, 632 und Henrich. 18  FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 1; Lutz, WRP 2002, 47, 48; Kleinmann, in: Voegele/Schindele, S. 56. 11  Wecker,



A. Begriffsbestimmung37

ohne dass es auf die Dauer der Zusammenarbeit ankommt19. Die Dauer der Zusammenarbeit kann aber die Intensität einer Wettbewerbsbeschränkung beeinflussen20. So setzen zahlreiche der nachfolgend beschriebenen positiven wie negativen Wirkungen einer Einkaufskooperation einen regelmäßigen Einkauf und wiederkehrende Verhandlungen zwischen Einkaufskooperationen und ihren Lieferanten voraus21. Die in dieser Arbeit behandelten Einkaufskooperationen beziehen sich daher – soweit nicht näher erwähnt – auf langfristig angelegte Einkaufskooperationen zum regelmäßigen gemeinsamen Einkauf. Vereinzelt wird vertreten, dass auch der Zweck der Ersparnis im Einkauf ein Merkmal der Einkaufskooperation sein sollte22. Regelmäßig wird genau das der Zweck der Einkaufskooperation sein. Durch Bündelung der Einkaufsmenge kommt es regelmäßig zu Effizienzen sowie zu einer Verbesserung der Verhandlungsposition gegenüber den Herstellern und Lieferanten. Beides führt üblicherweise zu günstigeren Einkaufskonditionen. Dennoch wird hier auf eine derartige Verengung des Begriffs verzichtet. Sie erscheint nicht sinnvoll, da, wie sich noch zeigen wird, eine Ersparnis im Einkauf nicht immer Motivation zur Gründung einer Einkaufskooperation ist23. 3. Selbständigkeit der Kooperationsmitglieder Weiterhin ist die Einkaufskooperation gegenüber Einkaufsorganisationen im Konzern und Unternehmenszusammenschlüssen abzugrenzen24. Diesbezüglich kommt dem Merkmal der Selbständigkeit sowohl in rechtlicher wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht zentrale Bedeutung zu25. Es ist damit ent19  Lutz,

WRP 2002, 47, 48. WRP 2002, 47, 48. 21  Beispielsweise können zahlreiche Transaktionskosten (etwa in der Logistik oder Suchkosten) nur durch eine auf Dauer angelegte Einkaufskooperation gesenkt werden (s. u. unter § 2 A. I. 2.); auch sind Investitionskosten, die einen gemeinsamen Einkauf ermöglichen, zumeist nur bei langfristigen und wiederkehrenden Einkäufen rentabel. Negative Wirkungen, wie eine Kollusion der Mitgliedsunternehmen auf dem Absatzmarkt infolge eines Informationsaustauschs im Rahmen des gemeinsamen Einkaufs setzen regelmäßige Einkäufe voraus (s. u. unter § 2 A. II. 1. a)). Auch ist der Grad an ausgeübter Nachfragemacht durch ad-hoc-Vereinbarungen regelmäßig geringer, wenn auch betont werden muss, dass Nachfragemacht auch durch ad hoc-Vereinbarungen durch wechselnde Nachfrager erzielt und ausgeübt werden kann (vgl. OECD, Nachfragemacht, S. 4; Asschenfeldt, MMR-Beil. 2001, 5, 7). 22  Vgl. etwa Dauner, S.  37 f.; Fritzsche, S. 3. 23  S.u. § 1 C. III. 5. 24  Köhler, S. 103; v. Einem, S. 13; Wecker, S. 65. 25  Dauner, S. 43; Triantafillakis, S.  16 ff.; v. Einem, S. 14; Fritzsche, S. 3; Wecker, S. 65. 20  Lutz,

38

§ 1 Grundbegriffe

scheidendes Abgrenzungsmerkmal zwischen „Kooperation“ und „Konzentration“. Während bei ersterer die Selbständigkeit der einzelnen Mitglieder gewahrt bleibt, meint Konzentration die vollständige oder teilweise Verschmelzung und Aufgabe der selbständigen Unternehmenstätigkeit26. Konzentrative Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen werden nicht anhand des Kartellverbots gem. Art. 101 AEUV, sondern im Rahmen der Fusionskontrolle anhand der Fusionskontrollverordnung (FKVO)27 überprüft. Sie fallen nicht unter den hier verwendeten Begriff der Einkaufskooperation28. Die Abgrenzungskriterien werden im dritten Kapitel ausführlicher behandelt29.

B. Bedeutung von Einkaufskooperationen I. Historischer Überblick Erste Beschreibungen eines Nachfragekartells finden sich bereits im antiken Griechenland. Lysias berichtet in einer Rede im Prozess gegen Getreidehändler im Jahr 388 v. Chr. vom Vorgehen der Athener in Zeiten des Getreidemangels: Um den steigenden Getreidepreisen entgegenzuwirken, stimmten sich die Getreidehändler beim Einkauf ab, um von den Getreideimporteuren günstigere Konditionen fordern zu können30. Die gesellschaftliche und politische Bedeutung zeigte sich schon damals, denn der Plan ging gründlich schief und endete vermutlich mit der Exekution verschiedener Getreidehändler31. Die modernen Einkaufskooperationen haben ihren Ursprung im späten 19. Jahrhundert. Damals verschlechterte sich die Wettbewerbssituation kleiner und mittelständischer Betriebe durch zunehmende Konkurrenz von Kaufhäusern und anderen Großbetrieben. Um konkurrenzfähig zu bleiben, organisierten sich die Einzelhändler zur gemeinsamen Warenbeschaffung32. Die 26  Köhler, S. 103; v. Einem, S. 14; Triantafillakis, S.  16 ff.; Schweizer, S. 24; Dauner, S. 45. 27  Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20.1.2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) v. 29.1.2004, ABl. 2004 L 24/1. 28  So auch v. Einem, S. 14; Mischitz, S. 7. 29  S.u. § 3 E. I. 1.; zu den Besonderheiten des deutschen Rechts s. u. § 3 F. II. 2. 30  Vgl. Dunham, 28 Cato Journal 3, 495 (2008). 31  Vgl. Dunham, 28 Cato Journal 3, 495, 497 (2008); Kotsiris, 22 International Lawyer, 451 (1988). Das Urteil des Prozesses wurde nicht überliefert. So bleibt nur zu vermuten, dass die Hinrichtung, die Folge war, zumal eine Verbannung nicht genügte, da die Kartellanten keine Bürger der Stadt Athen waren, vgl. Dunham, 28 Cato Journal 3, 495, 512 (2008). 32  Alber, in: Geiger, Verbundgruppen, Vorwort.



B. Bedeutung von Einkaufskooperationen39

Einkaufskooperation in Form der Genossenschaft war dabei das übliche Modell33. Entsprechend ist der Begriff – in Abgrenzung zum Nachfragekartell – positiv besetzt. Situation in Deutschland. Im Deutschland der Nachkriegszeit waren Einkaufskooperationen ein von der Politik gern gesehenes wirtschaftliches Erfolgsmodell, das mit Vorteilen bedacht wurde. Schon in seiner Geburtsphase wurde das GWB von dem „Mittelstandsgedanken“ beherrscht. Dieser sollte eine vollständige Freistellung von Einkaufskooperationen vom Kartellverbot des § 1 GWB begründen34, jedenfalls in den Fällen, in denen keine Bezugspflicht bestand, die Freiheit der Kooperationsmitglieder demnach nicht beschränkt wurde. Dies entsprach dem damals vorherrschenden dogmatischen Verständnis der sog. Gegenstandstheorie, wonach die Wettbewerbsbeschränkung gerade Gegenstand des Vertrages sein muss35. Aufgrund der Mangelwirtschaft der Nachkriegsjahre, die keinen Raum für eine Nachfragemacht bot36, ist es nicht verwunderlich, dass diese negative Folge der Kooperationsbildung erst später erkannt wurde. Im zum 1.1.1958 in Kraft getretenen GWB wurde die Nachfragemacht noch nicht berücksichtigt. „Es ist nicht zu leugnen, dass die geltenden Regelungen des GWB vor allem im Hinblick auf das Problem der Angebotsmacht konzipiert wurden“, stellte der ehemalige Präsident des BKartA Wolfgang Kartte rückblickend fest37. Zur gleichen Zeit wurde der Begriff der Kooperation erstmals durch den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) als positiver Ersatzbegriff für „Kartell“ in die wettbewerbspolitische Diskussion eingeführt38, und es erschienen erste Veröffentlichungen zum Problem der Nachfragemacht39. Es dauerte bis zur zweiten GWB-Novelle im Jahre 1973 bis auch der Gesetzgeber die Nachfragemacht als Problem erkannte40. In den Folgejahren offenbarten sich die realen Konsequenzen von starken Nachfragern und damit auch von Einkaufskooperationen, als die Monopolkommission 1977 ein Sondergutachten zum Thema Nachfragemacht des Handels

33  Tomanek,

in: FS Brazda, S. 243, 243 ff. WuW 1956, 253, 257 ff.; Bieling, S.  55 ff.; Olesch, S. 9; vgl. darstellend Keßler, WuW 2002, 1162, 1164. 35  Keßler, WuW 2002, 1161, 1164; Krauß, in: Langen/Bunte, § 1 GWB, Rn. 132. 36  Bontrup, WRP 2006, 225, 226. 37  So zitiert bei: Hölzler/Satzky, Vorwort des Herausgebers, S. V; ähnlich Kartte, WRP 1976, S. 1, 3; vgl. Sölter, S. 19; Bontrup, WRP 2006, 225, 226. 38  Vgl. Benisch, Kooperationsfibel 1973, S. 67; vgl. Triantafillakis, S. 1; v. Einem, S. 13 (der auf den maßgeblichen Autor Benisch Bezug nimmt); Eichinger, S. 15. 39  Heeren; Sölter. 40  Bontrup, WRP 2006, 225, 226. 34  Ewald,

40

§ 1 Grundbegriffe

veröffentlichte41, in der sie scharfe Kritik an einzelnen Verhaltensweisen von Einkaufskooperationen übte42. Ihren Höhepunkt fand die rechtliche Diskussion um Einkaufskooperationen in Deutschland sodann in den 80er Jahren. Bereits im Jahr 1975 rückte der BGH in seiner Entscheidung ZVN43 zu einer Vertriebskooperation niedersächsischer Zement­ hersteller von der Gegenstandstheorie hin zur sog. Zwecktheorie ab und stellte klar, dass eine Vereinbarung auch dann unter das Kartellverbot fällt, wenn ein von einem gemeinsamen Zweck getragener Vertrag wettbewerbsbeschränkende Wirkung hat44. Damit ist auch die bisher tragende Grundlage für eine kartellrechtliche Rechtfertigung von Einkaufskooperationen entfallen45, und ein Streit um die kartellrechtliche Behandlung von Einkaufsko­operationen entfesselte sich46. Das Kammergericht entschied diesen 1982 und 1986 in den Sachen HFGE47 und Selex-Tania48 auf Grundlage der ZVN-Entscheidung des BGH dahingehend, dass Einkaufskooperationen auch ohne ausdrückliche vertragliche Bezugspflicht unter das Kartellverbot fallen. Auf diese Entscheidungen reagierte der deutsche Gesetzgeber im Jahr 1989 mit Einführung des § 5c GWB a. F. (5. GWB-Novelle)49 in Form einer Freistellung für kleine und mittlere Einkaufskooperationen50. Situation auf europäischer Ebene. Auf europäischer Ebene war die Rechtslage bezüglich Einkaufskooperationen hingegen lange Zeit lückenhaft. Ersten Anlass zur Diskussion gaben die Entscheidungen Socemas im Jahr 1968 und Intergroup51 im Jahr 1975, die aber mangels Spürbarkeit zu keiner vertieften Auseinandersetzung der Kommission führten. Auch in den folgenden Jahren 41  Vgl.

Monopolkommission, Sondergutachten 7. knapper Überblick findet sich bei Olesch, S. 12. 43  BGH, Beschl. v. 19.6.1975, WuW/E BGH 1367 ff. – Zementverkaufstelle Niedersachsen. 44  BGH, Beschl. v. 19.6.1975, WuW/E BGH 1367 ff. – Zementverkaufstelle Niedersachsen; vgl. Lademann, DB 1987, 725 sowie Lademann/Hermes, BB 1987, 838, 839. 45  Vgl. RegE 5. GWB-Novelle v. 30.5.1989, BT-Drucks. 11/4610, S. 14. 46  Vgl. Olesch, S. 12. 47  KG, Urt. v. 16.6.1982 WuW/E OLG 2745 – HFGE. 48  KG, Urt. v. 26.2.1986, WuW/E OLG 3737 – Selex-Tania. 49  Entspricht weitgehend § 4 Abs. 2 GWB a.  F. seit der 6. GWB-Novelle v. 1.1.1999. 50  Vgl. BT-Drucks. 11/4610: „§ 1 gilt nicht für Verträge und Beschlüsse, die den gemeinsamen Einkauf zum Gegenstand haben, ohne einen Bezugszwang für die beteiligten Unternehmen zu begründen, wenn dadurch der Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt wird und der Vertrag oder Beschluß dazu dient, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern.“ 51  Zu den Entscheidungen s. u. § 3 B. I. 4. 42  Ein



B. Bedeutung von Einkaufskooperationen41

verhielt sich die Kommission diesbezüglich zurückhaltend52: es fanden sich keine spezifischen Regelungen zur kartellrechtlichen Beurteilung von Einkaufskooperationen, etwa in Form einer Gruppenfreistellungsverordnung53. Erst im Jahr 2001 wurden mit den Horizontalleitlinien detaillierte, mehr oder weniger verbindliche Regelungen geschaffen, die im Jahr 2011 aktualisiert wurden54.

II. Gegenwärtige Bedeutung Einkaufskooperationen kommt in wirtschaftlicher, politischer und rechtlicher Hinsicht Bedeutung zu. 1. Wirtschaftliche Dimension Die alte Kaufmannsweisheit „Im Einkauf liegt der Gewinn“ hat auch heute gerade mit Blick auf Einkaufskooperationen nicht an Aktualität verloren. Aufgrund ihrer Wirkung finden sich Einkaufskooperationen heutzutage in allen Lebensbereichen55. Von der weiterverarbeitenden Industrie (z. B. Automobilindustrie56) über den Dienstleistungssektor (z. B. Gesundheitswesen, Mobilfunk) und die Landwirtschaft57 bis hin zum (Einzel-)Handel (z. B. Elektronikhändler)58. Nachrichten über neue Einkaufskooperationen erscheinen regelmäßig in der Presse, z. B. zwischen Daimler und BMW59, Schaeffler und Continental60 oder Metro und Auchan61. Besonders im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sind sie weit verbreitet. Das kommt nicht von ungefähr: Einkaufskooperationen kommt gerade auf Märkten, bei denen der Gütereinstandspreis von zentraler Bedeutung ist, d. h. 52  Keßler, WuW 2002, 1161, 1169; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, EGWettbewerbsrecht, Bd. I 1997, Art. 85 Abs. 1, Rn. 52, 196. 53  Vgl. Keßler, WuW 2002, 1161, 1169. 54  Zur (Un-)verbindlichkeit von Leitlinien s. u. § 3 C. I. und § 4 A. I. 55  FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 1; O. Christiansen, S. 17; Foer, 72 Antitrust L. J. 505 (2005); vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 4. 56  Vgl. zur Nachfragemacht in der Automobilindustrie Kessen; Palatzke, S.  38 ff. 57  Foer, 72 Antitrust L. J. 505 (2005). 58  Mischitz, S. 18; O. Christiansen, S. 17; z. B. die deutsche PHD mit 28.000 Mitarbeitern beliefern sie ca. 2500 Warenhäuser, Supermärkte, Tankstellen und Fachmärkte. 59  „Daimler und BMW rücken zusammen“, Handelsblatt v. 12.11.2008. 60  „Einkaufskooperation von Continental und Schaeffler: Zahl der gemeinsamen „Premium“-Lieferanten wächst“, Continental, Pressemitteilung. 61  „Metro drückt mit Auchan die Kosten im Einkauf, Bund zur Stärkung der Macht gegen Großlieferanten“, Börsen-Zeitung v. 24.10.2014, S. 11.

42

§ 1 Grundbegriffe

insbesondere bei homogenen Massengütern, eine hohe Bedeutung zu62. So finden sich auf europäischer Ebene derzeit vier große internationale Einkaufskooperationen von Lebensmitteleinzelhändlern63, auf nationaler Ebene entsprechend mehr64. Sie bereiten mit Blick auf die im Lebensmittelsektor bestehende hohe Konzentration und Nachfragemacht die größten Probleme und sind in der öffentlichen Wahrnehmung am sichtbarsten65. Aber auch auf anderen Märkten, etwa als Zusammenschluss mehrerer öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten zum Erwerb von Fernsehrechten für Sportveranstaltungen, treten sie auf66. Neben Einkaufskooperationen der Privatwirtschaft nutzt auch die öffentliche Hand die Vorteile von Einkaufskooperationen, etwa Bundesländer oder Gemeinden zum Kauf von Polizeidienstkleidung oder Feuerlöschern67. Die Globalisierung und erleichterte weltweite Kommunikation über das Internet tut ihr Übriges dafür, dass Kooperationen im Allgemeinen wie Einkaufskooperationen im Besonderen attraktiv sind68. So entstehen mehr und mehr supranationale Einkaufskooperationen und über B2B-Plattformen vermehrt Einkaufskooperationen zwischen sich sonst fremden Unternehmen69.

62  Mischitz,

S. 18; Kokkoris/Shelanski, 11.29. ALIDIS bestehend aus EDEKA (Deutschland), Groupement des Mousquetaires/Intermarché (Frankreich), Eroski (Spanien), Colruyt (Belgien), Conad (Italien) und Coop (Schweiz), vgl. EDEKA, Pressemitteilung v. 6.8.2015, „ALIDIS stärkt strategisches Bündnis“; vgl. Berasategi, S. 152; eine Übersicht findet sich bei Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 53. 64  Für einen Überblick über die Einkaufskooperationen im LEH in Deutschland vgl. BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 94 f.; für einen Überblick über die Einkaufskooperationen im LEH im Vereinigten Königreich s. Competition Commission (2008), 3.29 (Table 3.5). 65  FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 1 m. w. N.; vgl. zum Thema auch die harsche Kritik gegen supermarket power durch Berasategi sowie das große Interesse der französischen Wettbewerbsbehörde Autorité de la concurrence an der Überprüfung der drei im Jahr 2014 gegründeten Einkaufskooperationen der führenden französischen Lebensmitteleinzelhändler, vgl. Pressemitteilung v. 1.4.2015: „Rapprochements à l’achat dans le secteur de la grande distribution“. 66  Vgl. Kommission, Entsch. v. 11.6.1993, ABl. 1993 L 179/23, 31 – EBU/Eurovision-System; Kommission, Entsch. v. 10.3.2000 ABl. 2000 L 151/18 – Eurovision; EuG, Urt. v. 18.9.2001, Rs. T-112/99 – Métropole (M6), Slg. 2001 II-2459. 67  Siehe dazu sowie zur Frage, ob Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand unter das Kartellverbot fallen, § 3 F. II. 1. 68  Boutellier/Zagler, in: Kaluza/Blecker, S. 114 („Kooperationen sind ‚in‘ “). 69  Zu Letzteren s. u. § 1 C. III. 1. 63  Beispielsweise



B. Bedeutung von Einkaufskooperationen43

2. Politische Dimension Neben dieser wirtschaftlichen Bedeutung kommt Einkaufskooperationen, sofern sie als Instrument des Ausnutzens von Nachfragemacht fungieren, auch eine erhebliche politische Brisanz zu, wie etwa öffentliche Proteste gegen zu niedrige Einkaufspreise landwirtschaftlicher Produkte zeigen70. Im Juli 2010 wurde im Bundestag eine Anhörung zur Nachfragemacht von Supermarktketten abgehalten71, im Juni 2012 widmete sich die SPD-Fraktion in einer fachöffentlichen Diskussion dem Thema der Nachfragemacht im Einzelhandel und stellte die Frage „Wer macht den Markt?“72. Stellungnahmen von Verbänden des Handels einerseits und der Markenhersteller andererseits finden sich – gerade im Zusammenhang mit der vom BKartA veröffentlichten Sektoruntersuchung73 – allenthalben. Losgelöst von einer etwaigen mit ihnen verbundenen Nachfragemacht sind Einkaufskooperationen allerdings noch immer politisch positiv zu bewerten: Einkaufskooperationen sind mittelstandsfördernd. Sie helfen den kleinen und mittleren Unternehmen, ein Gegengewicht zur Anbieterseite zu bilden sowie gegenüber der größeren Konkurrenz wettbewerbsfähig zu bleiben. Sie stellen damit eine Alternative zum anhaltenden Konzentrationprozess und zur Vermachtung dar74, der vor allem im (Lebensmittel-)Einzelhandel voranschreitet75. Dabei können sie möglicherweise gar Alternative zur Insolvenz sein, für die kleine und mittelständische Handelsbetriebe eine erhöhte Anfälligkeit aufweisen76. Dass Mittelstandsschutz ein politisch wünschenswertes Ziel ist, ist evident: dem Mittel­standsschutz kommt die Funktion zu, die Existenz 70  Vgl. etwa Spiegel-Online v. 14.8.2007, „Massenprotest: 10.000 Bauern demonstrieren für höhere Milchpreise“; vgl. Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 4; vgl. auch die Beispiele zur politischen Brisanz von Nachfragemacht bei BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 1; zur Thematik in der USA vgl. Stucke, 62 Emory L. J. 1509, 1511 f. m. w. N. (2013). 71  Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Anhörung vom 5.7.2010. 72  SPD Bundestagsfraktion, Nachfragemacht im Einzelhandel. 73  Vgl. dazu Stellungnahmen zur Sektoruntersuchung Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel. 74  Triantafillakis, S.  22 ff. m. w. N. 75  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Ergebnisse und Schlussfolgerungen, S. 1; Haucap u. a., in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 11, 12; Keßler, WuW 2002, 1162, 1162. Die deutsche Lebensmittellandschaft besteht aus den zwei dominierenden Verbundgruppen EDEKA (mehr als 25 %), der Schwarz-Gruppe (LIDL und Kaufland mit mehr als 20 %), REWE (mehr als 15 %) sowie dem Discounter ALDI (mehr als 15 %). Gemeinsam haben sie nach den Angaben des BKartA ca. 85 % des bundesweiten Absatzes im Lebensmitteleinzelhandel inne. 76  Keßler, WuW 2002, 1162, 1162.

44

§ 1 Grundbegriffe

einer pluralistischen Gesellschaft und die freiheitliche Staatsordnung durch Dezentralisierung privater ökonomischer Macht zu bewahren77. Zudem mag er helfen, Landflucht zu verhindern und eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten78. 3. Rechtliche Dimension Mit zunehmender wirtschaftlicher wie politischer Bedeutung werden auch die rechtlichen Fragen häufiger und komplexer. Die Zeiten, in denen Einkaufskooperationen mangels Größe und rein nationaler Tätigkeit wenig kartellrechtliche Beachtung fanden, sind nun vorbei79. Die rechtliche Tragweite der Thematik zeigte sich früher in den Tätigkeitsberichten nationaler und europäischer Wettbewerbsbehörden80: im Jahr 2001/2002 meldeten sich z. B. allein 139 Einkaufskooperationen bei den deutschen Wettbewerbsbehörden an81. Zudem entstehen neue Fragen, denn das Kartellrecht hat sich im Laufe der Zeit verändert: Europäisierung, Ökonomisierung und Dezentralisierung prägen es82. Im Zuge dieses Wandels ist etwa die spezielle Privilegierung von Einkaufskooperationen nach § 4 Abs. 2 GWB a. F. entfallen83. Die vergangenen Fragen werden dadurch wieder zu aktuellen Fragen, die nach gegenwärtigen wie zukünftigen Antworten verlangen. Das zeigt die Diskussion um die Horizontalleitlinien deutlich84. Die sinnvolle kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen im Lichte dieses gewandelten Kartellrechts wird daher ein Leitmotiv dieser Arbeit sein. 77  Triantafillakis,

S.  22 ff. den Bergh, WRP 1983, 7, 8; Eaton, ECLR 2009, 301, 304; ZGV, Stellungnahme, S. 5. 79  M. Zentes, in: J. Zentes, S. 249, 251. 80  Vgl. Tätigkeitsberichte des BKartA 2007/2008 und 2005/2006; vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme S. 5. 81  Vgl. Tätigkeitsberichte des BKartA 2001/2002, S.  47; neuere verlässliche Daten fehlen aufgrund des kartellrechtlichen Systemwandels hin zur Legalausnahme; vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme S. 5. Nichtsdestotrotz prüft das BKartA vereinzelt dennoch besonders relevante Einkaufskooperationen und veröffentlicht Hinweise dazu, vgl. BKartA, Tätigkeitsbericht 2013/2014, BT-Drucks. 18/5210, S. 28; Tätigkeitsbericht 2011/2012, BT-Drucks. 17/13675, S. 33; Tätigkeitsbericht 2009/2010, BT-Drucks. 17/6640, S. 42 sowie zuletzt Pressemitteilung v. 4.4.2017, Bundeskartellamt hat derzeit keine Einwände gegen das Lebensmitteleinzelhandels Joint Venture „Retail Trade Group“. 82  S.u. § 3 A. 83  Näher dazu s. u. § 3 F. II. 4. 84  S.u. § 3 C. und § 4 A. 78  Van



C. Formen und Arten von Einkaufskooperationen 45

Bevor jedoch diesen rechtlichen Fragen rund um die Bewertung von Einkaufsko­operationen näher nachgegangen werden kann, gilt es zunächst ihre Ausgestaltungsformen und Charakteristika zu verstehen, um eine daran anknüpfende rechtliche Bewertung erst zu ermöglichen.

C. Formen und Arten von Einkaufskooperationen Zunächst werden die Arten der Einkaufskooperationen in ihren unterschiedlichen rechtlichen Formen aufgezeigt. Diese können je nach Weite der Begriffsdefinition85 von einem einmaligen gemeinsamen Einkauf über einen lockeren Einkaufsverbund und festere Strukturen mit Bezugszwängen bis hin zu hochentwickelten Kooperationen reichen86, die sich auf den ersten Blick kaum noch von durch Art. 101 AEUV nicht mehr umfassten Konzernstrukturen unterscheiden87. Daher ist es für die weitere Untersuchung notwendig, neben einer genauen Definition, die Eigenarten einer Einkaufskooperation und ihre rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten herauszuarbeiten.

I. Marktumfeld Einkaufskooperationen können in unterschiedlichen Marktgegebenheiten auftreten. Käufer- und Verkäufermarkt. Es kann eine Verkäufer- oder eine Käufermarktsituation bestehen. In Verkäufermarktsituationen gibt es ein Angebotsdefizit bzw. einen Nachfrageüberschuss88. Extrembeispiel ist die Versteigerung: um ein oder wenige Produkte konkurrieren zahlreiche Bieter. In der Praxis sind jedoch Käufermarktsituationen, in denen ein Angebotsüberschuss besteht, wesentlich häufiger89. Hier konkurrieren die Anbieter nicht um die Belieferung, sondern um attraktive Lieferkonditionen90. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt daher bei diesen. Beschaffungs- und Absatzmarkt. Die Einkaufskooperation ist auf zwei Märkten tätig. Dem vorgelagerten Beschaffungs- oder Einkaufsmarkt (up­ 85  S. o.

§ 1 A. II. 2. Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 1; OFT, buyer groups, 1.6. 87  Zur Abgrenzung zur Fusionskontrolle s. u. § 3 E. I. 1.; zur Abgrenzung zum Franchising vgl. Beuthien/Schwarz/Täger. 88  Dauner, S. 38; O. Christiansen, S. 25. 89  Kartte, WRP 1976, 1, 3; Bontrup, Nachfragemacht, S. 43; Dauner, S. 47; Bergmann, S. 34; O. Christiansen, S. 24; I. Schmidt/Haucap, S. 71. 90  Raeder, S.  222 f. 86  FK-Bunte,

46

§ 1 Grundbegriffe

stream-Markt) und dem nachgelagerten Absatz- oder Verkaufsmarkt (downstream-Markt)91. Dabei stehen die Mitglieder, die gemeinsam eine Einkaufskooperation betreiben, auf dem Einkaufsmarkt naturgemäß im Wettbewerb zueinander. Auf dem Absatzmarkt können die Kooperationsmit­glieder im Wettbewerb zueinander stehen, müssen dies aber nicht, etwa wenn sie in verschiedenen regionalen Märkten tätig sind oder sie das Vorprodukt zur Herstellung unterschiedlicher Verkaufsprodukte einkaufen, die andere sachliche Märkte darstellen92.

II. Funktion der Einkaufskooperation Weiterhin unterscheiden sich Einkaufskooperationen nach ihrer Einkaufsfunktion. Einkaufsfunktion meint Tätigkeiten, die zur Lösung der im Einkauf anfallenden Aufgaben eines Unternehmens beitragen. Diese lassen sich im Wesentlichen in drei Phasen einteilen: (1) Beschaffungsmarktforschung, d. h. die Suche nach geeigneten Waren und Lieferanten; (2) der eigentliche Einkauf, der die Kernfunktion einer Einkaufskooperation sein sollte und aus Verhandlungsführung und Bestellung besteht und (3) der Einkaufsnachvollzug, der insbesondere Bezahlungsmodalitäten, Kredite und Darlehen umfasst93. Je nach Ausgestaltung wird nur eine, werden zwei oder gar alle Einkaufsfunktionen gemeinschaftlich von der Kooperation übernommen94. Neben dem gemeinsamen Einkauf zu günstigeren Bedingungen nehmen Einkaufskooperationen oftmals weitere Aufgaben wahr95, wie z. B. Marketing oder Finanzierung.

III. Organisation der Einkaufskooperation Eine Vielzahl von Kooperationsformen ist denkbar. Sie reicht von einer einfachen Kooperation aus Einzelhändlern, die an den Endverbraucher verkaufen, bis hin zu Verbundgruppen, die aus der Verbindung mehrerer Einkaufskooperationen bestehen96. Um einen systematischen Überblick zu ge91  Vgl. Rn. 197 HLL; Bennett u. a., in: Faull/Nikpay, Rn. 7.364; Braun, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 208. 92  FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 2. 93  Vgl. Conrads, S. 116. 94  Dauner, S. 34. 95  Wecker, S. 66. 96  Beuthien, S. 2; O. Christiansen, S. 21; Geiger, Verbundgruppen, S. 1; Schulte/ Geiger, EuZW 2000, 396; OFT, buyer groups, 1.6; zur Terminologie vgl. aber auch BKartA, Tätigkeitsbericht 1995/96, S. 36, wo die Begriffe Verbundgruppen und Einkaufskooperationen synonym genutzt werden.



C. Formen und Arten von Einkaufskooperationen 47

winnen, bietet sich eine Unterscheidung nach der Intensität der Zusammenarbeit an97. Der Grad an Verdichtung der Kooperation ist darüber hinaus ein gewichtiger Indikator der kartellrechtlichen Bedenklichkeit98. 1. Marktinformationsgemeinschaften Den geringsten Integrationsgrad weisen dabei die Marktinformationsgemeinschaften auf99. Sie sind nur auf der ersten Stufe der Beschaffungsmarktforschung (Marktbeobachtung und Marktinformation) tätig und wirken rein unterstützend, indem sich die Mitglieder der Kooperation gegenseitig oder durch die Kooperation Informationen über Einkaufsmöglichkeiten, insbesondere zu Preisen, Rabatten und sonstigen Konditionen, zur Verfügung stellen100. Die Bündelung der Informationen der einzelnen Mitglieder sowie ihrer Mittel fördert die Informationsbeschaffung101. Kleine Unternehmen, denen die Ressourcen für eine effiziente Beschaffungsmarktforschung fehlen, bietet diese Form der Zusammenarbeit die Möglichkeit, sich den für einen günstigen Bezug erforderlichen Marktüberblick zu verschaffen102. Heute findet sich diese Einkaufsgemeinschaft vorzugsweise im Bereich von B2B-Internetplattformen wieder103. 2. Verhandlungsgemeinschaften Der nächsthöhere Integrationsgrad kommt den sog. Verhandlungsgemeinschaften zu – Einkaufskooperationen, die nach Feststellung des jeweiligen Bedarfs an den jeweiligen Waren die Verhandlungsführung mit den Herstellern oder Lieferanten übernehmen, jedoch noch nicht in den Bestellvorgang involviert sind. Dieser wird noch von den Mitgliedsunternehmen selbständig vorgenommen104. In der Praxis schließen die Einkaufskooperationen häufig Rahmenvereinbarungen mit (zumeist bedeutenden überregionalen) Lieferan97  So auch Ruppelt, S.  6 ff.; Mischitz, S.  10 f.; Beuthien, S. 4, spricht von Integrationsdichte. 98  OFT, buyer groups, 1.8; s. u. § 2 C. 99  O. Christiansen, S. 28. 100  Mischitz, S. 10; O. Christiansen, S. 28; Dauner, S. 54; Fritzsche, S. 94; Ostler, S. 51. 101  Kleinmann, in: Voegele/Schindele, S. 55. 102  Ruppelt, S. 6; Dauner, S. 54. 103  Mischitz, S. 10; zu den kartellrechtlichen Problemen von B2B-Plattformen vgl. eingehend Lochen; Gounalakis/Lochen, ZHR 167, 632 und Henrich. 104  O. Christiansen, S. 29; Mischitz, S. 11; Dauner, S. 55 und 71.

48

§ 1 Grundbegriffe

ten ab105. In diesen werden Konditionen und Rabatte vereinbart, die den Mitgliedern zugute kommen106, während die einzelnen Bestellungen und Lieferungen weiterhin von den Mitgliedern vorgenommen werden. 3. Bestellgemeinschaft Übernimmt die Einkaufskooperation neben der gemeinschaftlichen Informationsbeschaffung und der Verhandlungsführung auch noch den Einkaufsvorgang, handelt es sich um eine sog. Bestellgemeinschaft107. Die Einkaufskooperation verhandelt hier einen gemeinsamen Preis für alle Mitglieder. Der Kauf kann als Eigen- oder Fremdgeschäft ausgestaltet sein108. Im Falle des Eigengeschäfts kann die Ware entweder als Lagergeschäft in Form der Belieferung eines gemeinsamen Zentrallagers oder als Streckengeschäft im Wege der Direktlieferung an die jeweiligen Kooperationsmitglieder ausgestaltet sein109. Letzteres tritt dann häufiger auf, wenn die Mitglieder einzelne Bestellungen innerhalb der durch die Einkaufskooperation abgeschlossenen Rahmenvereinbarung tätigen110. Die Bestellung erfolgt auf Weisung der Mitglieder. Dies kann in deren Namen und Rechnung geschehen (sog. Agenturgeschäft). Aus Praktikabilitätsgründen kann die Kooperation hingegen auch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung bestellen (sog. Kommissionsgeschäft)111. Die Kosten werden dann durch Provisionszahlungen oder über Beitragszahlungen gedeckt112. 4. Hochentwickelte Einkaufskooperationen Den höchsten Integrationsgrad weisen die sog. hochentwickelten Einkaufskooperationen oder auch Verbundgruppen auf113. Über den bloßen Einkauf hinaus werden durch sie weitere Aufgaben im Einkaufsnachvollzug wahrgenommen. Beispielsweise werden mit den Lieferanten Delkredere- oder Inkassovereinbarungen oder noch umfassendere Zentralregulierungsabkommen 105  Kleinmann,

in: Voegele/Schindele, S. 55. in: Voegele/Schindele, S. 55. 107  O. Christiansen, S. 29; Dauner, S. 55 und 71 f.; Fritzsche, S.  97 f. 108  v. Einem, S. 14. 109  O. Christiansen, S. 29; v. Einem, S.  17 f.; Kleinmann, in: Voegele/Schindele, S.  56 f.; United States v. Topco Assoc., 405 U.S. 596, 598 (1972); vgl. Areeda/Hovenkamp, Rn. 2135b. 110  Kleinmann, in: Voegele/Schindele, S. 57. 111  Dauner, S. 50. 112  Dauner, S. 50. 113  Vgl. Ruppelt, S.  7 f.; Fritzsche, S. 100. 106  Kleinmann,



C. Formen und Arten von Einkaufskooperationen 49

abgeschlossen114. Darüber hinaus werden die Mitglieder in innerbetrieblichen Aufgaben wie dem Rechnungswesen, der Lagerhaltung und Belieferung unterstützt115 und die absatzwirtschaftlichen Bemühungen der Mitglieder durch Marketing, Fortbildung und Vereinheitlichung des Sortiments gefördert116. Aufgrund der Vielzahl der durch hochentwickelte Einkaufskooperationen übernommenen Aufgaben, lassen sie sich nur schwer gegenüber Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen, für die die Regelungen der Fusionskontrolle einschlägig sind, abgrenzen117. 5. Einkaufskooperationen der „neuen Generation“ Im Fokus der Sektoruntersuchung des BKartA standen die von ihr als Einkaufskooperationen „neuer Generation“ bezeichneten Formen118. Sie zeichnen sich durch ein besonderes Machtungleichgewicht der Partner aus. Gemeint sind die im deutschen Lebensmitteleinzelhandel von EDEKA und REWE geführten Einkaufskooperationen mit kleineren Partnern119. Derartige Einkaufskooperationen existieren aber auch in anderen Ländern120. 114  Beuthien, Handelskooperationen, S.  4 f.; Ruppelt, S. 7; O. Christiansen, S. 29 und 41 ff.; Fritzsche, S. 98; Kleinmann, in: Voegele/Schindele, S. 57. 115  Wecker, S. 66. 116  O. Christiansen, S. 29; 41 ff.; Fritzsche, S. 99. 117  Siehe dazu näher unter § 3 E. I. 1. Wie schwer die Abgrenzung zwischen hochentwickelten Einkaufskooperationen und Konzernstrukturen ist, zeigt sich in der Einordnung von REWE und EDEKA. Wurden diese früher als Einkaufskooperationen bewertet (vgl. etwa Dauner, S. 30; Menzel, ZfgG Bd. 20 (1970), 14, 29; Ruppelt, S. 8), sind aus diesen kooperativen Strukturen im Laufe der Zeit Konzernstrukturen entstanden (Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1060). Daher geht das BKartA nun schon seit geraumer Zeit davon aus, dass sie nicht mehr als Kooperation angesehen werden können, sondern nur noch als „wettbewerblich einheitlich am Markt auftretende Einheit“ (BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 70 f.; BKartA, Beschl. v. 30.6.2008, B2-333/07 – EDEKA/Tengelmann, S.  20 ff.; Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1028 und 1036; Lademann/Heinen, WRP 2011, 1418, 1421 f.). 118  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 3 und Sektoruntersuchung LEH, S. 13 sowie S. 98 ff. 119  EDEKA unterhält (teilweise über ihre Regionalgesellschaften) mit fünf verschiedenen Unternehmen jeweils bilaterale Einkaufskooperationen; REWE unterhält mit jeweils drei Unternehmen bilaterale Einkauskooperationen und beschafft für drei weitere Unternehmen. Ansonsten bestehen auf dem deutschen LEH-Markt noch zwei kleinere Einkaufskooperationen: eine um Bünting mit insgesamt sechs Mitgliedern und die PHD (Privates Handelshaus Deutschland) bestehend aus drei Mitgliedern, BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 94 f. 120  Vgl. Lianos/Lombardi, CLES Paper 1/2016, S. 20 mit Verweis auf die italienische Centrale Italiana (siehe dazu näher unter § 3 B. IV. 5.) als Einkaufskooperation

50

§ 1 Grundbegriffe

Diese „neue Generation“ der Einkaufskooperationen weist neben der Bündelung des Einkaufs „in der Regel die Übernahme der Handelsmarken des großen Partners, eine (teilweise) Angleichung der Sortimente sowie (einseitige) Gebietsschutzvereinbarungen“ auf121. Zudem sind sie auf Dauer – oftmals über 15 Jahre – angelegt122 und enthalten zumeist gesellschaftsrecht­ liche Maßnahmen, wie Beteiligungen, Minderheitsbeteiligungen, Vorkaufsrechte und Call- und Put-Optionen123. Diese haben den Zweck, dem großen Kooperationsmitglied im Falle einer Veräußerung des kleinen Kooperationsmitglieds Zugriffsrechte zu sichern124.

IV. Kooperationsstruktur Einkaufskooperationen lassen sich – zumeist abhängig vom Integrationsgrad – durch eine Vielzahl gesellschaftsrechtlicher Strukturen gestalten. Die häufigsten Grundmodelle weisen folgende Strukturen auf: Zum einen können die einzelnen Unternehmen untereinander Einkaufsvereinbarungen schließen. Dabei wird etwa ein Kooperationsmitglied mit der Beschaffungstätigkeit betraut oder die Mitglieder teilen sich die Beschaffung, etwa nach jeweiligen Spezialgebieten, auf125. Zum anderen kann eine übergeordnete Gesellschaft bestehen, die den gemeinsamen Einkauf für ihre Mitglieder übernimmt und abwickelt. In diesen Fällen müssen neben den horizontalen auch die vertikalen Vereinbarungen zwischen den Mitgliedern und der übergeordneten Gesellschaft überprüft werden. Dabei erfolgt eine doppelte kartellrechtliche Kontrolle sowohl durch Anwendung der Horizontalleitlinien als auch durch Anwendung der Vertikal-GVO und der Vertikalleitlinien126. Dazwischen sind kombinierte Formen denkbar, insbesondere eine Einkaufskooperation, die unter der Leitung eines großen Mitglieds steht und das Tagesgeschäft führt127. Die weiteren Kooperationsmitglieder entrichten an dieses gegebenenfalls eine Mitgliedsgebühr128. um die dominante Coop Italia und die französischen Einkaufskooperation zwischen der dominanten Carrefour und der kleinen Cora. 121  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 3 und Sektoruntersuchung LEH, S. 13. 122  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 99. 123  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 40. 124  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 40. 125  Vgl. Eßig, in: Hahn/Kaufmann, S. 263, 273. 126  S.u. § 3 D. 127  OFT, buyer groups, 2.3; vgl. zu asymmetrischen Kooperationsformen § 4 D. II. 9. 128  OFT, buyer groups, 2.3.



C. Formen und Arten von Einkaufskooperationen 51

Darüber hinaus sind „mehrstöckige“ Kooperationsstrukturen möglich, d. h. Unternehmensvereinigungen, die ihrerseits aus Handelskooperationen bestehen. So haben große Einkaufskooperationen oftmals nur Interesse daran, Mitglieder mit einem bestimmten Umsatz aufzunehmen. Um diesen Mindestumsatz zu erreichen, schließen sich kleinere Mitglieder zu einer weiteren Kooperation zusammen, die dann wiederum Mitglied der größeren wird129. Sie können als Verbundgruppen bezeichnet werden130. Die Zusammenarbeit wird durch Kooperationsregeln zwischen den einzelnen Mitgliedern in Satzungen oder Gesellschaftsbeschlüssen geregelt.

V. Rechtsform Einkaufskooperationen können in den unterschiedlichsten gesellschaftsrechtlichen Formen ausgestaltet sein. Dazu zählen ins­besondere: Handelsgesellschaften, Wirtschaftsverbände in der Rechtsform eines Vereins, Personengesellschaften, Kapitalgesellschaften131. Waren in den Anfangsjahren des GWB die Genossenschaften vorherrschend, nahmen Einkaufskooperationen seit den 70er Jahren vermehrt andere Rechtsformen an132. Besonders die GmbH und die GmbH & Co. KG oder vergleichbare ausländische Gestaltungsformen wie die britische Limited, die französische oder luxemburgische s.à r.l., bieten sich aufgrund der geringen Haftungsrisiken für die Gesellschafter an133. Die seit 2006 bestehende Europäische Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea, SCE) konnte sich hingegen (noch) nicht durchsetzen134. Allgemein gilt: Die Rechtsform einer Einkaufskooperation ist für die Beurteilung nach Art. 101 AEUV unerheblich135. Entsprechend stellte der BGH bereits sehr früh fest, dass § 1 GWB unabhängig von der Rechtsform 129  Clarke/Davies/Dobson/Waterson,

S. 111. Beuthien, S. 1. Der Begriff „Verbundgruppe“ selbst ist dabei Oberbegriff für Handels-, Marketing-, Bezug- oder Einkaufsverbund, -verband, -vereinigung, -genossenschaft, -kooperation, -gemeinschaft, -kette, -kontor; vgl. Geiger, Verbundgruppen, S. 1. 131  FK-Bunte, Art.  101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 1; ausführlich Köhler, S.  106 ff. 132  Olesch, S. 10. 133  Dauner, S. 49. 134  Im Juli 2012 bestanden lediglich 25 SCEs in ganz Europa, vgl. Kommission, COM(2012) 740 final v. 12.12.2012, S. 14. 135  FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 1; Wecker, S. 65; Geiger, Verbundgruppen, S. 41; Welling, S. 81; zur deutschen Rechtslage Köhler, S. 191; Fritzsche, S. 3. 130  So

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§ 1 Grundbegriffe

der Kooperation anwendbar ist, eben auch Genossenschaften umfasst136. Es gilt in jedem Einzelfall die Natur und das Ziel der Aktivität, nicht aber die Rechtsform des Unternehmens als solches zu bewerten137. Anderenfalls könnte es allein durch die Wahl einer bestimmten Organisationsform zu ungerechtfertigten Privilegierungen kommen138.

D. Charakteristika von Einkaufskooperationen Die Einkaufskooperation kann je nach Ausgestaltung von den folgenden Faktoren geprägt werden. Aufgrund der Vielzahl der Gestaltungsmöglichkeiten einer Einkaufskooperation darf die folgende Auflistung allerdings nicht als abschließend verstanden werden.

I. Anzahl der Mitglieder Prägend ist zunächst die Anzahl der Mitglieder und der daraus resultierende Marktanteil der Kooperation auf der Nachfrageseite, da sie wesentliche Auswirkungen auf den Grad der Verhandlungsmacht und damit auf die kartellrechtliche Bewertung haben kann. Andererseits gilt auch: Je mehr Mitglieder, desto schwieriger werden deren Koordinierung und die Verfolgung gemeinsamer Ziele. Die Wahrscheinlichkeit wettbewerbsschädlicher Kollusionen auf dem Absatzmarkt sinkt hingegen mit steigender Anzahl der Mitglieder, da eine Koordinierung (sowohl direkt als auch stillschweigend) schwieriger wird. Allerdings ist eine Beteiligung möglichst vieler Marktteilnehmer auch Voraussetzung für eine Kollusion139.

II. Offenheit Ein weiterer Aspekt betrifft den Kreis der Mitglieder der Einkaufskooperation. Ist die Einkaufskooperation offen für alle Unternehmen oder nur für ausgewählte Unternehmen nutzbar? Der erste Fall ist grundsätzlich positiv zu 136  BGH, Urt. v. 17.5.1973 – KZR 2/72, WuW/E 1313, 1315 – Stromversorgungsgenossenschaft; BGH, Beschl. v. 28.6.1977 – KVR 2/77, WuW/E 1495, 1496 – Autoruf-Genossenschaft; vgl. auch Möschel, § 5 Rn. 193. 137  EuGH, Urt. v. 19.1.1994, Rs. C-364/92, – SAT Fluggesellschaft mbH v Eurocontrol, Slg. 1994 I-43; Lindberg, ECJ 2011, 433, 435. 138  GA Jacobs, Schlussanträge v. 23.3.2000, verb. Rs. C-180/98 bis 184/98 – Pavel Pavlov, Slg. 2000 I-6451, Rn. 107; Lindberg, ECJ 2011, 433, 435. 139  Auf diese Aspekte wird unter § 2 C. I. 1. und 2. näher eingegangen.



D. Charakteristika von Einkaufskooperationen53

bewerten140. Negative Auswirkungen auf Dritte können insoweit mit dem simplen Verweis, dass sie doch auch einfach der Kooperation beitreten und von den günstigeren Preisen profitieren könnten, entgegnet werden. Geht die Offenheit allerdings soweit, dass durch den Eintritt ohnehin schon marktmächtiger Nachfrager der Marktanteil einen bedenklichen Grad übersteigt und eine stetige Vermachtung der Nachfrageseite bis hin zum Monopson voranschreitet, erweist sich die offene Struktur der Kooperation nicht mehr als förderlich. Ferner kann Geschlossenheit nützlich sein, um einen gewissen Gleichklang in den Zielen und Interessen der Mitglieder zu garantieren. Ein solcher kann nötig sein, da die Erfahrung zeigt, dass Einkaufskooperationen, deren Mitglieder zu unterschiedliche Ziele verfolgen, zum Scheitern der Kooperation führen können141. Demgegenüber kann Geschlossenheit negative Effekte entfalten, da die Drohung ausgeschlossen zu werden, die Gefahr von Kollusionen erhöhen kann142.

III. Gleichberechtigung und Mitbestimmung Auch die Verhältnisse zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperation lassen sich unterschiedlich gestalten. Zum einen kann die Einkaufskooperation symmetrisch oder asymmetrisch organisiert sein, d. h. es können allen Mitgliedern dieselben Bedingungen zugestanden oder aber differenziert werden, beispielsweise können je nach Bezugsmenge Rabatte in unterschiedlicher Höhe gewährt werden143. Zum anderen kann die Geschäftsleitung demokratisch ausgestaltet sein, sodass jedem Mitglied die gleichen strategischen Mitbestimmungsrechte zustehen, was sich vorzugsweise bei geschlossenen Kooperationen mit wenigen Mitgliedern anbietet. Demgegenüber kann sie auch „monarchisch“ oder „oligarchisch“ ausgestaltet sein, d. h. nur durch die Gründungsmitglieder geleitet oder durch einen Dritten übernommen werden144. 140  OFT,

buyer groups, 1.7. verhielt es sich mit den in den 1980er Jahren in Frankreich gegründeten Einkaufskooperationen Alci, Difra und Socadip, vgl. Clarke/Davies/Dobson/Waterson, S. 110. Vgl. auch die Unstimmigkeiten um die gemeinsamen Ziele der Einkaufskooperation, die REWE dazu veranlasste aus der Einkaufskooperation Core auszutreten, vgl. § 2, Fn. 174 m. w. N. 142  OFT, buyer groups, 1.47; vgl. auch Morais, S. 478 sowie die empirischen Nachweise bei Normann/Rösch/Schultz, S. 22, 25. Dazu ausführlich unter § 2 C. I. 1. b). 143  OFT, buyer groups, 1.6; 2.5; zu den Vor- und Nachteilen s. u. § 3 E. II. 2. a). 144  OFT, buyer groups, 1.6. 141  So

54

§ 1 Grundbegriffe

IV. Aktivität Weiterhin spielt das Verhalten der Kooperation eine Rolle. Verhält sie sich rein passiv, d. h. nimmt sie den gemeinsamen Einkauf vor, um von den Anbietern bereits gesetzte, vorher bestehende Abnahmemengen zu überschreiten, so ist dies kartellrechtlich weit weniger bedenklich145 als wenn sie aktiv agiert, indem sie Verhandlungen um besondere Konditionen mit den Anbietern aufnimmt und dabei versucht, die Einkaufsbedingungen zugunsten ihrer Mitglieder zu verbessern146. Im ersten Fall werden allein Skaleneffekte (economies of scale) genutzt, während im zweiten Fall die Gefahr des Ausnutzens von Nachfragemacht besteht. Üblicherweise werden Einkaufskooperationen beides nutzen, was die Bewertung erschwert.

V. Bezugszwang Das Verhältnis der Mitglieder zur Einkaufskooperation kann durch einen etwaigen Bezugszwang geprägt sein. Die Einkaufskooperation muss, um erfolgreich verhandeln und so Preisvorteile erlangen zu können, Rückhalt durch ihre Mitglieder genießen. Beziehen diese unabhängig von der Einkaufskooperation zu anderen selbstausgehandelten Preisen und Mengen oder bei anderen Lieferanten, sinkt die Verhandlungsmacht der Kooperation. Ein Bezugszwang kann etwa durch vertragliche Vereinbarung oder durch den Ausschluss bei Nichtnutzung der Kooperation bestehen147. Auch Rabatte und Sonderkonditionen können Anreize setzen. Der Bezugszwang kann sich auf verschiedene Höhen und/oder Produkte beziehen und etwa aus der Festlegung von Bezugsquoten, Mindestumsatzklauseln oder Kostendeckungsklauseln bestehen. Der Bezugszwang wurde bisher als maßgeblicher Indikator der Kartellrechtswidrigkeit angesehen148. In Mitgliedschaftsverträgen kommt er daher eher selten vor. Denkbar ist auch eine verstecktere Form der Ausgestaltung z. B. in Mietverträgen, wenn die Zentralinstanz zugleich Vermieter ist149 oder auch in Darlehensverträgen. Die Zentralinstanz übernimmt dabei das unternehmerische Risiko des Mitglieds. Im Gegenzug verpflichten sich die Mitglieder zu einem prozentualen Bezug über die Einkaufskooperation als eine Art Vergütung150. Findet sich kein vertraglicher Bezugszwang, kann eine 145  OFT,

buyer groups, 1.8. buyer groups, 1.10. 147  Mischitz, S. 140. 148  S.u. § 3 B. II. 2. c). 149  O. Christiansen, S. 49; Ostler, S.  58 f. 150  O. Christiansen, S.  49 f. m. w. N. 146  OFT,



D. Charakteristika von Einkaufskooperationen55

Einkaufskooperation jedoch schon aufgrund ihrer Zielrichtung eines möglichst günstigen Bezugs einen faktischen Bezugszwang bewirken151.

VI. Zwischenergebnis Damit sind die wesentlichen Charakteristika von Einkaufskooperationen skizziert. Sie prägen die ökonomischen Wirkungen von Einkaufskooperationen, denen im zweiten Kapitel nachgegangen wird, sowie deren kartellrechtliche Bewertung, mit denen sich die Kapitel 3 bis 5 näher beschäftigen.

Funktion der Einkaufskooperation

Grad der Zusammenarbeit

(1) Beschaffungsmarktforschung

(2) Einkauf

(3) Einkaufsnachvollzug

Abgrenzung zum Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen (für das die FKVO gilt)



Einkaufskooperationen „neuer Generation“



Hochentwickelte Einkaufskooperationen



Bestellgemeinschaften



Verhandlungsgemeinschaften



Marktinformationsgemeinschaften

Abgrenzung zur bloßen Verhaltensabstimmung Wesentliche Charakteristika

– Anzahl der Mitglieder – Offenheit für neue Mitglieder – Gleichberechtigung (symmetrische/asymmetrische Ausgestaltung) – Aktivität – Bezugszwang

Abbildung 1: Übersicht – Organisationsformen und Arten von Einkaufskooperationen 151  Zur kartellrechtlichen Bewertung § 3 B. II. 2. c) bb) und § 4 D. II. 5. a).

des

faktischen

Bezugszwang

s.  u.

56

§ 1 Grundbegriffe

E. Zusammenfassung des ersten Kapitels Eine Einkaufskooperation entsteht aus Vereinbarungen selbständiger Unternehmen über den gemeinsamen Einkauf von Waren oder Rechten. Überwiegende Zielsetzung – aber nicht zwingende Voraussetzung – ist die Ersparnis im Einkauf durch Bündelung der Einkaufsmenge und der Verbesserung der Verhandlungsposition gegenüber den Herstellern und Lieferanten152. Die wirtschaftliche Bedeutung von Einkaufskooperationen ist groß. Sie sind ein branchenübergreifendes Phänomen. So wurden in den Jahren 2001/2002 allein 139 Einkaufskooperationen bei den deutschen Wettbewerbsbehörden angemeldet153. Ebenso hoch sind ihre politische Brisanz und ihre rechtliche Tragweite154. Das Spektrum der Einkaufskooperationen reicht je nach Grad der Zusammenarbeit von der Marktinformationsgemeinschaft über Verhandlungs- und Bestellgemeinschaften bis hin zu hochentwickelten Einkaufskooperationen und solcher „neuer Generation“.155 Stark integrierte Einkaufskooperationen lassen sich nur schwer von Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen abgrenzen, die nach den Fusionskontrollvorschriften bewertet werden. Der Grad der Zusammenarbeit prägt den Charakter der Kooperation und ist maßgeblich für die Bewertung im Rahmen von Art. 101 AEUV. Demgegenüber hat die gewählte Rechtsform der Einkaufskooperation keinen Einfluss auf die kartellrechtliche Bewertung156. Letztlich werden Einkaufskooperationen durch die Charakteristika Anzahl der Mitglieder, Offenheit, symmetrische oder asymmetrische Ausgestaltung und Aktivität, vor allem aber durch die Existenz eines etwaigen Bezugszwangs geprägt157. Diese Charakteristika dienen als Ausgangspunkt für die weitere ökonomische (§ 2) wie kartellrechtliche Untersuchung (§§ 3–5).

152  S. o. 153  S. o. 154  S. o. 155  S. o. 156  S. o. 157  S. o.

§  1 A. § 1 B. II. 1. § 1 B. II. 2. und 3. § 1 C. III. § 1 C. V. § 1 D.

§ 2  Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen Das zweite Kapitel untersucht die ökonomischen Grundlagen, die Auswirkungen des gemeinsamen Einkaufs und der damit verbundenen Nachfragemacht sowie deren Wirkungszusammenhänge. Dabei wird zunächst den ambivalenten Auswirkungen von Einkaufskooperationen und der mit ihnen verbundenen Nachfragemacht nachgegangen (A.). Das gilt sowohl für (I.) positive als auch (II.) negative Wirkungen. Bestimmte Auswirkungen von Einkaufskooperationen lassen sich demgegenüber nicht klar als positiv oder negativ einordnen, sondern sind ungewiss (III.). Sodann werden die Faktoren herausgearbeitet, auf denen die Wirkungen basieren (B.), um letztlich Zusammenhänge zwischen Faktoren und Wirkungen beschreiben zu können (C.). Dabei werden die Theorien und Wirkungen der Nachfragemacht in diesem Kapitel rein aus einer ökonomischen Perspektive heraus betrachtet, unabhängig von einer Verortung in einer Norm oder der Subsumtion unter ein Tatbestandsmerkmal. Diese Verzahnung bleibt dem vierten und fünften Kapitel vorbehalten.

A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen Sinn und Zweck einer Einkaufskooperation ist es grundsätzlich, durch die Bündelung der Einkaufsvolumina von der Marktgegenseite bestmögliche Konditionen und Leistungen oder auch Technologien zu erreichen1. Dieses Ziel wird insbesondere durch Nachfragebündelung erreicht, die zu Effizienzvorteilen und dadurch zu Kosteneinsparungen im Einkauf führt. Konditionenvorteile können darüber hinaus durch Druck erzielt werden, etwa durch die Drohung der Einkaufskooperation bei einem anderen Anbieter einzukaufen, sollte der Lieferant nicht günstigere Konditionen gewähren. Einkaufskooperationen sind daher nicht per se positiv oder negativ zu bewerten, sondern, wie in der Einleitung erwähnt, ambivalent in ihren Wirkungen. Im 1  Vgl. FK-Bunte, Art.  101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn.  1; Wecker, S. 65; v. Einem, S. 26; Fritzsche, S. 5; Areeda/Hovenkamp, Rn. 2135b.

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

folgenden Unterabschnitt I. werden daher die positiven, anschließend im Unterabschnitt II. die negativen Auswirkungen des gemeinsamen Einkaufs dargestellt.

I. Positive Auswirkungen von Einkaufskooperationen Die bereits erwähnte Kaufmannsweisheit „Im Einkauf liegt der Gewinn“ hat einen wahren Kern. Beispielsweise betragen die durch gemeinsamen Einkauf erzielten Konditionenvorteile im Lebensmitteleinzelhandel ca. 1,5 Prozent2. Dieser Wert wird unter Berücksichtigung der relativ geringen Umsatzrendite im Lebensmitteleinzelhandel von durchschnittlich einem bis drei Prozent3 umso bedeutsamer und kann leicht zu einer Verdopplung des Gewinns führen4. Auch im Elektronikbereich kann beispielsweise die Senkung des Einstandspreises um 5 % den Gewinn eines Einkäufers verdoppeln5. Das erklärt sich anhand des folgenden Beispiels: Bei einem Einkaufspreis von 1.000.000 € wird nach Abzug aller sonstigen Ausgaben ein Umsatz von 1.010.000 € und damit ein Gewinn von 10.000 € erzielt, was einem Prozent entspricht. Wird der Einkaufspreis hingegen um 5 % auf 950.000 € gesenkt und derselbe Umsatz (abzüglich aller sonstigen Ausgaben) von 1.010.000 € erreicht, wird ein Gewinn von 60.000 €, d. h. ein sechsfacher Gewinn erzielt; realistisch sind Rabatte zwischen 1,5 % und 2 %. Doch selbst bei den realistischen 2 % Einsparmaßnahmen wird der Gewinn verdreifacht. Diese Einsparungsmöglichkeiten gründen sich nicht zuletzt auf die folgenden positiven Wirkungen gemeinsamen Einkaufs:

2  Wecker, S. 66; Ostler, S. 41 mit Verweis auf Kartte, SZ vom 18.1.1988, Wirtschaft S. 1. 3  Nach KPMG, Trends im Handel 2010, S. 51 betrug der Wert durchschnittlich 1 %; die Studie KPMG, Trends im Handel 2020, S. 41 bleibt hingegen vage und spricht von einer Rendite „im niedrigen einstelligen Bereich“; vgl. Genth, Äußerung beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Anhörung vom 5.7.2010; SPD Bundestagsfraktion, Nachfragemacht im Einzelhandel, S. 10: 2–3 %; Wecker, S. 66. 4  O. Christiansen, S. 17; v. Einem, S. 37. 5  Vgl. O. Christiansen, S. 17; vgl. das Beispiel bei Bontrup/Marquardt, S. 15 und dies., WRP 2006, 225, 225: „beträgt bei einem Handelsunternehmen der Wareneinstandspreis 60 v.H. der Selbstkosten und der Gewinn 10 v.H., so würde eine Reduktion des Einkaufspreises um 1 v.H. eine Erhöhung des Gewinns um 6 v.H. bewirken“.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 59

1. Economies of scale Der gemeinsame Einkauf führt zu Effizienzsteigerungen in Form von Skaleneffekten (economies of scale oder efficiency of scale). Diese zeigen sich auf Ebene der Kooperation als auch auf Ebene der Hersteller6. Auf Ebene der Hersteller resultieren Skaleneffekte aus Ersparnissen bei größeren Produktionsmengen. So können beispielsweise Maschinen besser ausgelastet werden oder Arbeitsprozesse unter Mitarbeitern effizienter aufgeteilt werden, indem sich jeder auf ein Aufgabengebiet spezialisiert7. In diesem Zusammenhang sind auch Lerneffekte zu erwähnen: je häufiger ein bestimmtes Produkt hergestellt werden muss, desto effizienter werden die Produktionsabläufe mit zunehmenden Erfahrungsgewinn der Mitarbeiter8. Von diesem Skaleneffekt profitieren nicht nur die Hersteller, sondern auch die Käufer. Denn die Effizienzgewinne der Hersteller können an die Käufer weitergegeben werden. Dadurch führen höhere Bezugsmengen üblicherweise zu Mengenrabatten. Auch beliefern zahlreiche Hersteller oder Großhändler ihre Kunden erst ab einer bestimmten Mindestabnahmemenge. Beispielsweise machte ein Kohleerzeuger eine Direktbelieferung davon abhängig, dass ein Mindestbezug von 6.000 Jahrestonnen abgenommen wird9, eine Menge, die für viele kleine und mittlere Unternehmen zu groß ist. Nur durch eine Einkaufsbündelung kann Chancengleichheit mit den Großunternehmen erreicht werden. Dann ermöglicht die Einkaufskooperation für ihre Mitglieder erst den Bezug einer Ware und den Zugang zum Markt, der ihr anderenfalls, wie eben beschrieben, wegen Mindestabnahmemengen oder auch im Fall schwieriger Beschaffung verwehrt worden wäre, etwa durch gemeinsame Bestellung großer Mengen aus dem weit entfernten Ausland10. Wie groß die Skaleneffekte tatsächlich sind, hängt von verschiedenen Umständen ab. So führt in der Praxis nicht jede Einkaufskooperation dazu, dass kleine Unternehmen plötzlich mit ihren großen Konkurrenten mithalten können. Dies zeigt die Entscheidung des BKartA zu Edeka/trinkgut, in der es 6  Die Begriffe „Hersteller“ und „Lieferanten“ werden im Folgenden stets synonym in ihrer Bedeutung als Verkäufer im Sinne der Marktgegenseite der Einkaufskooperation verwendet ohne dass damit eine Differenzierung etwaiger je nach Industriesektor bestehender Marktstufen (z. B. Herstellerebene, Großhandelsebene) beabsichtigt ist. 7  Van den Bergh/Camesasca, S.  169 f. 8  Van den Bergh/Camesasca, S.  169 f. 9  EuGH, Urt. v. 14.5.1974, Rs. 4/73 – Nold KG, Slg. 1974, 491, Rn. 7. 10  Kommission, First Report on Competition Policy (1971), Rn. 40; van Bael/ Bellis, S. 527; Morais, S. 471.

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

feststellte, dass einzelne in Einkaufskooperationen zusammengeschlossene Getränkeabholmärkte dennoch nicht derart günstige Einkaufskonditionen erhalten, wie die bundesweit tätigen Lebensmitteleinzelhändler11. Aber immerhin ermöglichen es die Kooperationen „derartige Produkte […] zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten zu können“12, um „auf diese Weise am Markt wenigstens eingeschränkt wettbewerbsfähig bleiben zu können“13. 2. Transaktionskostenreduktion Durch gemeinsamen Einkauf werden darüber hinaus Transaktionskosten reduziert14. Bei größerer Abnahmemenge können beispielsweise Transportkosten, Kosten der Kontaktaufnahme oder Verwaltungsaufwand pro Einheit reduziert werden15. Je kleiner die Zahl der Nachfrager ist, mit denen verhandelt werden soll, desto mehr Transaktionskosten lassen sich sparen. Die Bedeutung von Transaktionskosten ist nicht zu unterschätzen. Ein Beispiel der US-Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) zeigt, dass ein Krankenhaus durchschnittlich $ 155.000 pro Jahr an administrativen Kosten durch den gemeinsamen Einkauf von Medikamenten einsparen kann16. Die Ersparnisse werden beispielsweise dadurch erzielt, dass die Lieferanten im Lebensmitteleinzelhandel nicht mehr die einzelnen Mitglieder der Kooperation beliefern, sondern ein Distributionszentrum, von dem aus die Einkaufskooperation selbst den anschließenden Transport mit allen für den jeweiligen Supermarkt benötigten Produkten organisiert17. So bringt der Transport Fixkosten mit sich, die durch eine höhere Auslastung besser kompensiert werden können. Dies lässt sich am Beispiel dreier nah beieinander liegender lokaler Supermärkte festmachen, die dieselben Produkte benötigen18. Der Transport ist teuer, sodass die Käufer eine große Lieferung jedes 11  BKartA,

Beschl. v. 28.10.2010, B 2-47250 – Fa – 52/10, S. 82. Beschl. v. 28.10.2010, B 2-47250 – Fa – 52/10, S. 40. 13  BKartA, Beschl. v. 28.10.2010, B 2-47250 – Fa – 52/10, S. 101. 14  OFT, buyer groups, 3.7; Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 63 (1991); Kokkoris/Shelanski, 11.29; Blair/Durrance, 35 Manage Decis. Econ. 433, 435 (2014). 15  Ruppelt, S. 11; BKartA, Würdigung Stellungnahmen Sektoruntersuchung LEH, S. 13. 16  OFT, buyer groups, 3.14; FTC & DoJ, Health Care Report (2004), Chapter 4, S. 43. 17  Vgl. Clarke/Davies/Dobson/Waterson, S. 18; BWB, Untersuchung des österreichischen Lebensmittelhandels, S.  8; Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1079. Die Ersparnis von Transportkosten ist abhängig von der Ausgestaltung der Einkaufskooperation und liegen bei einer Direktlieferung der Mitglieder nicht vor, s. o. § 1 C. III. 3. 18  Beispiel nach OFT, buyer groups, 3.17. 12  BKartA,



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 61

Vierteljahr bevorzugen. Wenn nun alle drei Supermärkte ihre Einkaufszeiten miteinander abstimmen, spart dies Transportkosten19. Sollte ein Markt alle Waren verkauft haben und dringend eine teure Extralieferung benötigen, könnte dies durch gemeinsame Lagerhaltung vermieden werden20. Ebenso sparen die einzelnen Mitglieder der Einkaufskooperation durch Bündelung der Informationsbeschaffung Suchkosten21. Eine Einkaufskooperation als Anlaufstelle erweist sich dabei als deutlich effektiver: die Kommunikation wird vereinfacht, es kommt zu weniger Autoritätskonflikten zwischen Mitgliedern und der Einkaufskooperation als zwischen Mitgliedern und Lieferanten, und der Rückgriff auf bereits existierende Strukturen und Verträge macht die Verhandlungen günstiger22. Auch die Schwierigkeit, Verträge zu verfassen, die alle unvorhersehbaren Ereignisse umfassen können, diese auszuhandeln und die Einhaltung der Verträge zu überwachen und durchzusetzen, kann sehr kostspielig sein und durch gemeinsame Vertragsgestaltung und -überwachung durch eine Zentrale minimiert werden23. Diese Effizienzen kommen überwiegend den Mitgliedern der Einkaufskooperation durch niedrigere Einkaufspreise, aber zuweilen auch der Marktgegenseite (Hersteller/Lieferanten) in Form höherer Planungssicherheit und Auslastung zugute24. 3. Investitionsfördernde Effekte langfristiger Handelsbeziehungen Von einer Einkaufskooperation können auch anbieterfreundliche Wirkungen ausgehen. Eine langfristige Handelsbeziehung mit einer Einkaufskooperation, statt mit vielen kleinen Abnehmern, kann den Anbietern die Kostensicherheit und den damit verbundenen Anreiz geben, in Produkterneuerung und -verbesserung zu investieren25. buyer groups, 3.17; Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 63 (1991). 36 Antitrust Bull. 1, 63 (1991). 21  OFT, buyer groups, 3.8; ob die Ersparnis an Informationskosten stets positiv bewertet werden sollte, ist allerdings fraglich, da Märkte kompetitiver sein können, wenn die Konkurrenten weniger voneinander wissen; vgl. Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 63 (1991). 22  OFT, buyer groups, 3.8. 23  Stephen King, 36 UNSW L.J. 107, 113–115 (2013); Kokkoris/Shelanski, 11.28; in Bezug auf vertikale Zusammenschlüsse Schwalbe/Zimmer, S.  473 f. 24  Vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.11.2015, VI-Kart 6/14 (V) – Hochzeitsrabatte, Rn. 68, wonach einem Hersteller fusionsbedingte Einsparpotentiale zugutekommen könnten, da er „[…] zukünftig einen Kunden weniger zu betreuen und infolgedessen auch ein Jahresgespräch weniger zu führen hat […]“. Dies lässt sich auf einen gemeinsamen Bezug über eine Einkaufskooperation übertragen. 25  BWB, Untersuchung des österreichischen Lebensmittelhandels, S. 10. Peters, 16 Rev. Ind. Organ. 13 (2000) zeigt empirisch anhand von Daten aus der deutschen 19  OFT,

20  Jacobson/Dorman,

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Dadurch können sog. hold-up-Probleme neutralisiert werden26, die unter anderem dort entstehen können, wo Abnehmer oder Lieferanten besondere Investitionen tätigen müssen, um bestimmte vertikale Vereinbarungen erfüllen zu können. So muss eine Ölraffinerie eine kostspielige Pipeline errichten, um Öl vom Lieferanten beziehen zu können27. Durch diese sog. „versunkenen Kosten“ (sunk costs) wird der Abnehmer – oder je nach Fallgestaltung auch der Hersteller – zur „Geisel seines Investments“, denn er ist nun von der Verhandlungsmacht der Gegenseite abhängig28. Langfristige Vereinbarungen sind notwendig, um dieses Risiko zu mildern. Anderenfalls würden solche letztlich effizienten Investments gar nicht erst getätigt. 4. Belebung des Anbieterwettbewerbs Der gemeinsame Einkauf kann weiterhin den Anbieterwettbewerb beleben, indem die Einkaufskooperation einer vermachteten Marktgegenseite ein stärkeres Gegengewicht entgegenhalten kann, höhere Ausweichmöglichkeiten erlangen und dadurch kollusive Effekte auf der Anbieterseite minimieren. Countervailing power. Die auf Galbraith zurückzuführende Theorie der gegengewichtigen Marktmacht (countervailing power) besagt, dass ein marktstarker Nachfrager marktmächtigen Anbietern Paroli bieten kann29. Dann verhält es sich ähnlich wie im Fall des bilateralen Monopols: Die marktmächtigen Anbieter heben den Preis über den idealen Wettbewerbspreis. Die marktmächtigen Nachfrager bilden dazu ein Gegengewicht, indem sie den Preis unter den Wettbewerbspreis zu drücken versuchen. Das Ergebnis wird jedenfalls besser sein, als ein durch ein Anbietermonopol bestimmter Preis. Diese Gegengiftthese ist in der Kommissionspraxis insbesondere zu Fusionskontrollfällen ein weitverbreitetes Argumentationstopos30. Auch in der Literatur ist sie weitgehend anerkannt31, wenn sie vereinzelt auch angezweifelt wird32. Automobilzulieferindustrie, dass langfristige Verträge Investitionen in Innovationen fördern, vgl. auch Sillem, S. 30. 26  Petit/Henry, in: Gheur/Petit, S. 123, 129. 27  Wey, FIW-Seminar, S. 149, 157. 28  Wey, FIW-Seminar, S. 149, 157. 29  Galbraith; vgl. OECD, Nachfragemacht, S. 24 Rn. 61. 30  S.u. § 3 E. I. 2. b). 31  Kokkoris, 29 World Competition 139, 140 (2006); Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 794; Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 447. 32  Countervailing power würde nicht zwangsläufig zu günstigeren Preisen für die Endverbraucher führen; vgl. v. Ungern-Sternberg, 14 IJIO 507 (1996); Dobson/ Waterson, 107 Economic Journal 418 (1997); vgl. Chang/Seah, JECLP 2014, 287, 288. Eine Weitergabe der Einkaufsvorteile ist nur dann wahrscheinlich, wenn auf dem



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 63

Erhöhung der Ausweichmöglichkeiten der Käufer. Einkaufskooperationen beleben den Wettbewerb der Anbieter, da die Ausweichmöglichkeiten der Käufer erhöht werden und die Verhandlungsmacht zu ihren Gunsten verschoben wird33. Denn einerseits reduzieren Einkaufskooperationen die Wechselkosten von Anbieter zu Anbieter34. Andererseits können Einkaufskooperationen den Marktzugang neuer Anbieter fördern35. Dass diese Entwicklung nicht für alle Anbieter positiv ist, dürfte evident sein. Gesamtökonomisch ist sie aber überwiegend positiv zu bewerten. Empirisch wurde im Übrigen nachgewiesen, dass in Konstellationen, in denen die Machtverhältnisse in vor- und nachgelagerten Märkten kaum ausgeprägt sind, die Möglichkeiten zur Kosteneinsparung weniger konsequent genutzt werden36. Kollusionsmindernde Wirkung. Des Weiteren wird Einkaufskooperationen unter bestimmten Umständen die Wirkung zugesprochen, koordinierte Effekte der Anbieterseite, im Extremfall deren Kartellbildung, zu verhindern. Denn indem die Nachfrager ihre Bestellung zusammenfassen, können mit größeren zeitlichen Abständen Großaufträge vergeben werden, die für die Anbieter attraktiver sind und sie dazu bewegen können, zu günstigeren Preisen anzubieten und damit vom koordinierten Gleichgewicht abzuweichen37. Zudem erschwert eine aus wenigen Nachfragern bestehende Marktgegenseite den Kartellanten die Marktaufteilung38. Inwieweit das in der Praxis tatsächlich der Fall ist, ist umstritten. So wird darauf hingewiesen, dass auch marktAbsatzmarkt starker Wettbewerb herrscht, vgl. Chang/Seah, JECLP 2014, 287, 288. Zudem besteht nach Galbraiths Theorie von der gegengewichtigen Marktmacht die Tendenz, dass Marktmacht auf der einen Seite die Entwicklung von Marktmacht auf der anderen Seite fördert. Diese Entwicklung wäre dann negativ zu bewerten, wenn man der wettbewerbspolitischen These folgt, dass vollständiger Wettbewerb besser ist als ein Oligopolwettbewerb. In den wenigen Studien, die sich mit countervailing power beschäftigen, finden sich nur schwache empirische Hinweise, vgl. Bontrup/ Marquardt, S. 101. 33  OFT, buyer groups, 3.38. 34  OFT, buyer groups, 3.41; OECD, Roundtable 2008, S. 40; Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1083; Inderst/ Wey, S. 11; Binet, S. 38. 35  OFT, buyer groups, 3.42 m. w. N.; Doyle/Inderst, ECLR 2007, 210, 213; Binet, S. 38. 36  Vgl. Bontrup/Marquardt, S. 91 und 101. 37  Schwalbe/Zimmer, S. 348 m. w. N.; Hosp. Corp. of Am. v. FTC, 807 F.2d 1381, 1391 (7th Cir. 1986) (Posner, J.): „The concentration of the buying side of a market does inhibit collusion. The bigger a buyer is, the more easily and lucratively a member of the cartel can cheat on his fellows; for with a single transaction, he may be able to increase his sales and hence profits dramatically. But with all the members thus vying for the large orders of big buyers, the cartel will erode“; vgl. Reeves/Stucke, 86 Indiana L. J. 1527, 1563 (2011). 38  I. Schmidt/Haucap, S. 156.

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

mächtige Nachfrager von Kartellen gekauft haben39, wie die aktuellen Untersuchungen und Entscheidungen der Kommission zu Autozulieferern zeigen40. Auch das Drohpotential großer Nachfrager und damit auch von Einkaufskooperationen, potentiellen Wettbewerbern auf Anbieterseite zu einem Marktzutritt zu verhelfen oder selbst durch vertikale Integration auf dem Anbietermarkt tätig zu werden (z. B. im LEH durch Handelsmarken), kann die Stabilität eines Anbieterkartells bzw. koordinierter Effekte zwischen den Anbietern beeinträchtigen41. 5. Günstigere Endverkaufspreise Letztlich zeigen sich positive Effekte auch auf Ebene der Verbraucher. Einkaufskooperationen können aufgrund der oben dargestellten Effizienzen (wie auch aufgrund der sogleich dargestellten negativen Effekte) dazu führen, dass den Endverbrauchern günstigere Preise angeboten werden können, sofern die Einkaufskooperation Effizienzgewinne oder aus der Ausübung von Nachfragemacht erzielte Vergünstigungen an die Verbraucher weitergibt42.

II. Negative Auswirkungen von Einkaufskooperationen Einkaufskooperationen können sich auch negativ auswirken. Dabei wird im Folgenden zwischen den negativen Auswirkungen unterschieden, die erstens aus der Bildung der Einkaufskooperation als solcher resultieren (1.) und zweitens aus der mit einer Einkaufskooperation grundsätzlich verbundenen erhöhten Nachfragemacht entstehen (2.). 1. Negative Auswirkungen aufgrund der Kooperationsbildung Bei der ersten Gruppe handelt es sich nicht um ökonomische Wirkungen, die zwangsläufig durch die Bildung einer Einkaufskooperation eintreten, sondern um strukturbedingte Gefahren wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens, deren Eintrittswahrscheinlichkeiten sich aber durch die Bildung einer Einkaufskooperation signifikant erhöhen. Schwalbe/Zimmer, S. 348. nur die Pressemeldungen zum Autoglas-Kartell (IP/08/1685); Kabelbäume-Kartell (IP/13/673); Wälzlager-Kartell (IP/14/280). 41  Kommission, Entsch. v. 4.12.2007, COMP/M.4662 – Syniverse/BSG, Rn. 110; Kommission, Entsch. v. 19.7.2006, COMP/M.4170 – LSG Lufthansa Service Holding/Gate Gourmet Switzerland, Rn. 46; vgl. Schwalbe/Zimmer, S.  348 m. w. N. 42  Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 64 (1991). 39  Vgl. 40  Vgl.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 65

a) Erhöhte Gefahr der Kartellbildung Die Einkaufskooperation kann unter Umständen als Mittel oder Ausgangspunkt für Absprachen auf dem Absatzmarkt dienen. Die Kooperationsmitglieder könnten sich zusammenschließen, um Preisfestsetzungen, Gebietsaufteilungen oder ähnliche kartellrechtswidrige Praktiken auf den Verkaufsmärkten zu fördern. Dann dient die Einkaufskooperation nur als „Deckmantel“ eines Kartells oder – in den Worten der Horizontalleitlinien – als „verschleiertes Kartell“43. Diese Gefahr wird auch von der ökonomischen Literatur anerkannt44. Die Gefahr einer Kollusion besteht logischerweise nur dann, wenn die Mitglieder der Einkaufskooperation auf dem selben sachlichen und räumlichen Absatzmarkt tätig sind. Es sei denn, die Einkaufskooperation dient gerade der Aufteilung der räumlichen Absatzmärkte der potentiellen Wettbewerber45. b) Erhöhte Gefahr stillschweigender Kollusion Neben der direkten Kollusion kann eine Einkaufskooperation auch die stillschweigende Kollusion (tacit collusion) auf den Absatzmärkten fördern46. Stillschweigende Kollusion bezeichnet eine Situation, in der Unternehmen, obwohl es keine expliziten Vereinbarungen zwischen ihnen gibt, dennoch ihre Verhaltensweisen miteinander koordinieren47. Dies tun sie, da ein koordiniertes Vorgehen für sie günstiger ist als ein individuelles. Der gemeinsame Bezug über die Einkaufskooperation könnte den einzelnen Mitgliedern wichtige Informationen über die Geschäftstätigkeit ihrer Konkurrenten, insbesondere den Einkaufspreis und/oder die Einkaufsmenge, liefern. Je nach Grad der Zusammenarbeit kennen sie den Einkaufspreis ihrer Konkurrenten, entweder vollständig, wenn dieser gemeinsam festgesetzt wird, oder näherungsweise, wenn der Preis zwischen den Lieferanten und den einzelnen Mitgliedern individuell ausgehandelt wird. Denn im letzteren Fall bewegt sich der Preis im Rahmen einer von der Einkaufskooperation 43  Rn. 205 HLL; OFT, buyer groups, 1.45; vgl. auch Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 21 (1991). 44  González/Ayala, S. 29 untersuchen den Zusammenhang zwischen Kooperation und Kollusion anhand eines einfachen Modells zweier Abnehmer, die auf dem Absatzmarkt miteinander konkurrieren und ein homogenes Gut vom selben Hersteller einkaufen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Kooperation beim Einkauf eine Kollusion auf dem Verkaufsmarkt erleichtert. 45  Ratliff, in: Ezrachi/Bernitz, S. 283, 290. 46  OFT, buyer groups, 1.46. 47  Zu den ökonomischen Grundlagen stillschweigender Kollusion vgl. Ivaldi (u. a.).

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

festgesetzten Spanne und dürfte sich allenfalls geringfügig zwischen den einzelnen Mitgliedern unterscheiden48. Zudem könnten Mitglieder bei Kenntnis der Gesamtbezugsmenge die jeweils von den anderen Kooperationsmitgliedern bezogene Menge abschätzen können. Aus diesen Faktoren lassen sich wiederum Rückschlüsse auf deren Verkaufspreis ziehen. Dadurch kann sich auch ohne explizite Absprache zwischen den Mitgliedern eine stillschweigende Kollusion bezüglich der Angleichung des Verkaufspreises ergeben49. Letztlich verändert also die Bildung von Einkaufskooperationen die Marktstruktur in Richtung eines Oligopol. Dies erhöht die Transparenz und erleichtert damit die Abstimmung sowohl zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperationen als Wettbewerber auf dem Absatzmarkt als auch zwischen den Mitgliedern und dritten Wettbewerbern50, sodass kollusives Marktverhalten wahrscheinlicher wird. c) Schutz vor Konkurrenz oder verdeckte Übernahme Vereinzelt nutzen kleine Mitglieder die von größeren Konkurrenten betriebene Einkaufskooperation, um „vor dem Wettbewerb eines großen Konkurrenten geschützt zu sein und die eigene Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt im Wege der kooperativen und strukturellen Anbindung an einen großen Wettbewerber zu verbessern“51, wie das BKartA in seiner Sektoruntersuchung ausführt. Ob dieses Verhalten positiv zu bewerten ist, da es kleine und mittlere Unternehmen (sog. KMUs) vor Marktaustritten schützt, oder negativ als bloße Vorstufe zur Fusion, ist fraglich. Das BKartA misst diesem Verhalten jedenfalls negative Wirkungen zu. In der Sektoruntersuchung führt es aus, dass Einkaufskooperationen zur „Marktbereinigung zugunsten der führenden Lebensmitteleinzelhändler“52 bzw. verdeckten Übernahme kleiner Konkurrenten genutzt werden und dadurch die Prüfung im Rahmen der Fusionskontrolle, die sie wohl nicht oder nicht ohne Zugeständnisse (z. B. Veräußerungen einzelner Standorte) bestehen würden, unterlaufen werde. Dabei gehen die führenden Lebensmittelein48  Dies ist vom oben angesprochenen Faktor der Symmetrie abhängig; s. o. § 1 D. III.; siehe dazu auch unten § 2 C. I. 1. b). 49  Dieses Risiko wird maßgeblich vom Grad der Konvergenz zwischen den Kostenstrukturen der konkurrierenden Mitglieder beeinflusst (vgl. Morais, S. 473). Insoweit kommt der Gemeinsamkeit von Vor- und Endprodukt große Bedeutung zu; dazu unten unter § 2 B. I. 1. 50  Seehafer, WuW 2009, 728, 729. 51  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 98. 52  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Ergebnisse und Schlussfolgerungen, S. 1.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 67

zelhändler (z. B. EDEKA oder REWE) so vor, dass sie zunächst mit einem Mittelständler den gemeinsamen Einkauf von Waren vereinbaren53. Im nächsten Schritt übernimmt der Mittelständler dann auch die Handelsmarken des großen Lebensmitteleinzelhändlers, wodurch sich die Sortimente beider Kooperationsmitglieder gegenseitig angleichen54. Das hat zur Folge, dass die Abhängigkeit des kleinen Kooperationsmitglieds vom großen Partner wächst55. Die Unterschiede zur Fusion sind nur noch marginal56. Einkaufskooperationen werden damit zum Einfallstor der großen Lebensmittel­ einzelhändler für fusionsähnliche Verhältnisse, ohne dass es zu einer Fu­ sionskontrolle kommt57. d) Gefahren durch vertikale Verbindungen Die Koordination des Einkaufs kann auch auf vertikaler Ebene zu wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen führen. Diese können dabei sowohl zwischen den Mitgliedern und der Einkaufskooperation als auch zwischen der Einkaufskooperation und den Lieferanten entstehen. Einkaufskooperationen und Mitglieder. Zunächst können vertikale Strukturen zwischen Einkaufskooperationen und ihren Mitgliedern negative Auswirkungen haben. Zum einen fehlen durch langfristige Exklusivvereinbarungen die Möglichkeiten, aber auch die Anreize, vom kollusiven Verhalten (cheating) abzuweichen58. Zudem kann eine verstärkte vertikale Integration den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern fördern, der durch die Einkaufskooperation vermittelt wird (hub&spoke-Problematik). Dies erhöht wiederum die Kollusionsgefahr auf horizontaler Ebene59. Einkaufskooperationen und Lieferanten. Daneben können vertikale Verbindungen auch zwischen Lieferanten und Einkaufskooperationen etwa in Form von Exklusivvereinbarungen bestehen. Diese können zwar als positives Mittel gegen das hold-up-Problem fungieren60, haben jedoch ganz sicher negative Abschottungseffekte (foreclosure effects): Wenn Hersteller und Abnehmer Verträge mit festen Abnahmeverpflichtungen geschlossen haben, fällt es 53  BKartA,

Sektoruntersuchung LEH, S. 41 f. und 98 f. Sektoruntersuchung LEH, S. 41 f. und 98 f. 55  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 41  f. und 98 f.; vgl. auch Krueger, in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 49, 57. 56  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 41 f. und 98 f. 57  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 15. 58  Kokkoris, 29 World Competition 139, 153 (2006); Petit/Henry, in: Gheur/Petit, S. 123, 128. 59  Liesegang, WuW 2012, 1036; C. Becker, in: 46. FIW-Symposium, S. 57, 63. 60  S. o. § 2 A. I. 3. 54  BKartA,

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

neuen Herstellern schwerer, Fuß auf dem Markt zu fassen. Es entstehen Marktzutrittsschranken61. Darüber hinaus könnten mächtige Einkaufskooperationen mit Lieferanten Preisvereinbarungen treffen, die den Absatzwettbewerb einschränken62. Ein Beispiel aus den USA dafür ist – auch wenn er keine Einkaufskooperation, sondern ein einzelnes Unternehmen betrifft – der Fall Toys ‘R’ Us63. Der nachfragemächtige Spielzeughändler schloss mit sieben großen Spielzeugherstellern Vereinbarungen, die ihnen verboten, Discounter zu beliefern64. Auf diese Weise sah sich Toys ‘R’ Us keinem Wettbewerbsdruck durch die Discounter ausgesetzt und konnte seine Preise hochhalten. Die Gewinne wurden wahrscheinlich mit den Lieferanten geteilt (sog. rent-sharing), um deren Verluste an Absatzmöglichkeiten zu kompensieren65. 2. Negative Auswirkungen aufgrund erhöhter Nachfragemacht Die folgenden Auswirkungen resultieren aus der Nachfragemacht, die unter bestimmten Voraussetzungen von nachfragestarken Einkaufskooperationen ebenso ausgehen kann wie von einzelnen starken Nachfragern. Dabei werden zunächst der Begriff der Nachfragemacht umrissen (a)) und die ökonomischen Grundlagen erläutert (b)). Anschließend wird analysiert, unter welchen Voraussetzungen Einkaufskooperationen mit einzelnen Nachfragern gleichgestellt werden können (c)). Abschließend werden die Auswirkungen der Nachfragemacht aufgezeigt (d)). a) Begriff und Definitionsversuche In der Literatur findet sich eine Vielzahl von Definitionsversuchen des Phänomens Nachfragemacht. Allgemein umschreiben lässt sich Nachfragemacht etwa als „Fähigkeit, Einkaufsbedingungen einseitig zu beeinflussen, ohne dass dies auf Effizienzen beruht“66 oder aber nach der Definition des 61  Kokkoris, 29 World Competition 139, 153 (2006); Petit/Henry, in: Gheur/Petit, S. 123, 128. 62  Phaff, OFT, Präsentation, S. 15. 63  Vgl. OFT, buyer groups, 6.42. 64  Toys ‘R’ US, Inc. v. FTC, 221 F.3d 928 (7th Cir. 2000); OFT, buyer groups, 1.68. 65  OFT, buyer groups, 1.67 f. 66  Vgl. Thomas, ZWeR 2015, 210, 214 mit Verweis auf Grimes, 72 Antitrust L. J., 563, 565 (2005); vgl. dazu auch Chen, 53 Antitrust Bull. 241, 243 (2008); Blair/Harrison, S. 52–67.



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BKartA in der Sektoruntersuchung als „Fähigkeit eines Unternehmens, einseitig die Bezugskonditionen für die von ihm eingesetzten Vorprodukte zu seinen Gunsten gewinnsteigernd zu beeinflussen.“67 Demgegenüber finden sich konkretere Definitionen, die auf ökonomische Parameter abstellen. Nach der Definition der Monopolkommission bestehe Nachfragemacht: „in einer Situation, in der ein Handelsunternehmen auf den Beschaffungsmärkten Preise (und eventuell andere Konditionen) durchsetzen kann, die unter dem kompetitiven Niveau liegen oder aber – ohne Erbringung einer äquivalenten Gegenleistung – unter den Preisen eines vergleichbaren Wettbewerbers.“68 Das entspricht weitgehend der im OECD Roundtable entwickelten Definition: „a buyer has monopsony power if it can profitably reduce the price paid below competitive levels or its value of the marginal product“69. Die Vielzahl der Definitionen zeigt, dass eine exakte Definitionsbildung nicht gelingt – zu unterschiedlich sind die Ansatzpunkte, zu vielschichtig die Fallgestaltungen. Dabei birgt jede Definition auch die Gefahr in sich, dass Aspekte und neue Tendenzen nicht mehr beachtet werden können. Das Zusammenspiel dieser Definitionen mag für die hier nötigen Zwecke des Verständnisses der Auswirkungen von Nachfragemacht aber genügen. Als relevanter für das Verständnis der Nachfragemacht als eine verkürzte Definition erweist sich eine nähere Analyse der theoretischen Modelle, die diesen Definitionsversuchen zugrunde liegen. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit ihnen ist lohnenswerter und für die nachfolgende kartellrechtliche Bewertung unabdingbar. b) Ökonomische Modelle zur Erklärung von Nachfragemacht Grundlegend ist die Unterscheidung zwischen Monopson-Modell und Verhandlungsmodell.

67  BKartA,

Sektoruntersuchung LEH, S. 16. XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365,

68  Monopolkommission,

Rn. 132. 69  OECD, Roundtable 2008, S. 25; Noll, 72 Antitrust L. J. 589 (2005); darstellend Chen, 53 Antitrust Bull. 241, 242 (2008).

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aa) Monopson-Modell (1) Inhalt Das Monopson-Modell70 leitet sich unmittelbar vom klassischen MonopolModell ab und verhält sich spiegelbildlich zu diesem71. Dabei steht der Monopsonist als einziger Abnehmer zahlreichen Anbietern gegenüber. Während der Monopolist durch Reduktion der hergestellten Ware den Verkaufspreis in die Höhe treibt, wird ein Monopsonist davon profitieren, wenn er seine Bezugsmenge reduziert72. Da der Monopsonist gerade der einzige Abnehmer ist, haben die Anbieter gar keine andere Wahl als an ihn zu verkaufen. Senkt der Monopsonist nun seine Nachfragemenge, wird der Einkaufspreis sinken, da jedem der zahlreichen Anbieter daran gelegen ist, seine Waren zu verkaufen. Warum aber kann der Monopsonist durch Reduktion der Bezugsmenge seinen Profit maximieren? Dieser Effekt lässt sich mit Hilfe des folgenden Modells zum Konzept des vollständigen Wettbewerbs erläutern73 (s. nächste Seite). Abbildung 2 zeigt das Gleichgewicht auf einem Markt bei vollkommenem Wettbewerb. Die Nachfragefunktion verläuft von links oben nach rechts unten, da die Nachfrage nach einem bestimmten Produkt umso größer wird, je günstiger dessen Preis ist. Demgegenüber wird von einem Produkt grundsätzlich umso mehr produziert, je höhere Preise sich damit erzielen lassen, sodass die Angebotskurve diametral zur Nachfragekurve verläuft und bei den Produktionskosten ihren Ausgangspunkt hat. Im Schnittpunkt von Nachfrageund Angebotskurve liegt das optimale Verhältnis aus Menge und Preis. Denn 70  Der Begriff des Monopsons wurde erstmals von Joan Robinson, The Economics of Imperfect Competition (1933) verwendet. Er setzt sich aus den griechischen „µόνος“ für allein und „Όψωνία“ für Einkauf zusammen (vgl. Höft, S. 215); grundlegend zum Monopson-Modell vgl. Stigler, 72 J. Pol. Econ. 465 (1964); Blair/Harrison, 79 Cornell L. Rev. 297, 306 (1991). Zu den ökonomisch-mathematischen Grundlagen des Monopsons vgl. Wied-Nebbeling, Kap. II, 3, S. 73–85. 71  OECD, Nachfragemacht, S. 23, Rn. 58; Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 5 (1991); Noll, 72 Antitrust L. J. 589, 589 (2005); Devlin, 3 Hastings Bus. L. J. 223, 224 (2007); Alexander, 95 Geo. L. J. 1611, 1616 (2007); Inderst/Wey, S. 6; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 5; Thomas, ZWeR 2015, 210, 214; Carlton/Perloff, S. 107; M. Meyer, S. 155. 72  OFT, buyer groups, 1.16 und 3.62; OECD, Nachfragemacht, S. 23, Rn. 58; Mischitz, S. 44; Niels/Jenkins/Kavanagh, Rn. 3.109; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 5. 73  Auf mathematische Formeln wurde dabei bewusst verzichtet. Ausführliche mit Formeln untermauerte Darstellungen finden sich bei Blair/Harrison, S.  41 ff.; Bontrup/Marquardt, S.  45 ff.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 71

Abbildung 2: Gleichgewichtsmodell

bei diesem Preis-Mengen-Verhältnis ist die allokative Effizienz/Wohlfahrt am größten, d. h. die vorhandenen Ressourcen sind aus ökonomischer Sicht am sinnvollsten verteilt74. Die allokative Effizienz wird durch das Dreieck beschrieben, das zwischen Angebots- und Nachfragekurve liegt und in der Abbildung sowohl die graue Fläche (Konsumentenrente) als auch die grauweiß schraffierte Fläche (Produzentenrente) umfasst. Dessen Fläche ist beim idealen Preis-Mengen-Verhältnis am größten. Indem die ideale Menge auf der Preisachse abgetragen wird (hier die gestrichelte Linie pk), ergibt sich die Aufteilung der allokativen Effizienz/Wohlfahrt zwischen Produzentenrente75 und Konsumentenrente, d. h. dem Wohlfahrtsgewinn der Produzenten und dem der Konsumenten76. Auch sie werden durch die Größe der Dreiecke veranschaulicht. Dieses pareto-optimale Gleichgewicht aus Gleichgewichtspreis und Gleichgewichtsmenge setzt vollkommenen Wettbewerb voraus. Vollkommener Wettbewerb besteht bei Preisnehmerverhalten (d. h. die Unternehmen haben keinen Einfluss auf den Marktpreis), Produkthomogenität (d. h. die Produkte aller Unternehmen sind vollkommene Substitute) und freiem Markteintritt und -austritt77. Zudem bestehen nach diesem Modell keine 74  Allgemein zum Konzept der Allokationseffizienz vgl. etwa Schwalbe/Zimmer, S.  4 ff. 75  Produzentenrente ist die Differenz aus dem vom Produzenten erzielten tatsächlichen Marktpreis (Erlös) und seinen Herstellungskosten, vgl. Pindyck/Rubinfeld, S.  383 f. 76  Konsumentenrente meint die Differenz zwischen dem Preis, den ein Konsument maximal bereit wäre für ein Produkt zu zahlen und dem tatsächlichen Marktpreis, vgl. Pindyck/Rubinfeld, S. 185; I. Schmidt/Haucap, S. 123; Knieps, S. 129; Motta, S. 18. 77  Pindyck/Rubinfeld, S.  360 f.

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Transaktionskosten, stattdessen existiert vollständige Markttransparenz und die Marktteilnehmer reagieren sofort auf Veränderungen im Markt. Bei vollkommenem Wettbewerb würde das Produkt zu einem Preis angeboten werden, der bei den Grenzkosten des Produzenten liegt. Ein solcher Markt mit vollständiger Konkurrenz ist aber aufgrund der sehr restriktiven Annahmen letztlich theoretisch und in der Realität nicht zu finden78. Zudem ist es nicht erstrebenswert. Denn bei vollkommenem Wettbewerb würden die Produzenten keinen Gewinn erzielen und hätten daher keinen Anreiz überhaupt auf dem Markt tätig zu sein79. Schließlich gibt es in diesem Modell aufgrund vollständiger Information und Reaktionsgeschwindigkeit der Marktteilnehmer keine Möglichkeiten Pioniergewinne durch Innovationen zu erzielen. Ganz anders verhält sich die Situation im Monopson-Modell. Steht zahlreichen Anbietern nur ein Nachfrager gegenüber, so wird diesem kaum daran gelegen sein, die Menge abzunehmen, die für die Gesamtwohlfahrt am optimalsten ist, sondern die Menge, die seinen Gewinn maximiert. Verläuft die Angebotskurve auch hier aufwärts, so wird sich der Monopsonist Folgendes fragen: Führt der Kauf eines zusätzlichen Produktes dazu, dass seine zusätzlichen Kosten, die durch diesen Kauf entstehen, kleiner sind als sein Gewinn, der aus dem Verkauf des zusätzlichen Stücks resultiert? Verkauft der Monopsonist beispielsweise 100 Einheiten zum Preis von 50 € pro Stück und kostet bei einer Bestellmenge, die darüber hinausgeht – etwa aufgrund notwendiger Produktionserweiterung – ab der 101. Einheit jede Einheit plötzlich 51 €, so betragen die marginalen Kosten der 101. Einheit nicht 51 €, sondern 51 € × 101 – 50 € × 100 = 151 €80. Diese Voraussetzung der steigenden Angebotskurve muss zunächst hingenommen werden, um das Modell erklären zu können. Ob die Angebotskurve in der Realität tatsächlich steigend verläuft, ist stark situationsabhängig und wird sogleich in der Kritik näher hinterfragt. Die hier geschilderte Produktionserweiterung stellt einen solch typischen Fall dar, die aufgrund der Fixkosten etwa für Maschinen und Miete entstehen: Hat die Fabrik des Herstellers nur eine Kapazität für 100 Einheiten pro Tag, verlangt der Abnehmer aber 101 Einheiten, so entstehen dem Hersteller dadurch Kosten für eine weitere Maschine und gegebenenfalls für Räumlichkeiten, die dann auf den Verkaufspreis jeder Einheit umgelegt werden. Blair/Harrison führen als Beispiel einer steigenden Angebots78  Eucken, Nationalökonomie, Anm.  34, S. 257; vgl. Kling, Neoliberalismus, S. 88. 79  Vgl. I. Schmidt/Haucap, S. 9. Zur Kritik an der Theorie des vollkommenen Wettbewerbs vgl. ausführlich v. Hayek, Sinn des Wettbewerbs, S. 107; vgl. Künzler, S.  121 f.; Kling, Neoliberalismus, S. 86. 80  Vgl. Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 7 (1991); vgl. auch die Erläuterung bei Kokkoris/Shelanski, 11.17 sowie Carlton/Perloff, S. 108.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 73

kurve den Arbeitsmarkt in einer abgeschiedenen Kleinstadt mit nur einer großen Fabrik an81: Jeder zusätzliche Arbeiter kostet den Fabrikbetreiber etwas mehr. Diese höheren Gehälter gelten sodann für alle Arbeiter, da eine Gehaltsdiskriminierung nicht funktionieren würde82. Der Monopsonist orientiert sich bei der Beschaffung seiner (Vor-)produkte nicht an der Angebotskurve (für ihn die Preisbeschaffungsfunktion), sondern an den von ihr abgeleiteten Grenzkostenfunktion (bzw. für ihn Grenzausgabenfunktion). Abbildung 3 verdeutlicht, dass der Schnittpunkt aus Grenzkosten- und Nachfragekurven die vom Monopson nachgefragte Menge festlegt. Der dazugehörige Preis ergibt sich aus der Angebotskurve:

Abbildung 3: Monopson-Modell83

Der Monopsonist wird entsprechend nicht die gesamtökonomisch-optimale Menge mk beziehen, sondern zurückhaltend sein und die für ihn profitablere Menge mm abnehmen. Durch diese Verknappung kann der Monopsonist seine Einkaufspreise senken. Zwar sinkt dadurch auch die Zahl der zu verkaufenden Produkte, die dadurch „verlorenen Gewinne“ sind jedoch geringer als die Gewinne im Einkauf84. Er steigert dadurch seine Rente. Der Anbieter verliert hingegen einen Teil seiner Rente. Es kommt zum Wohlfahrtstransfer vom Anbieter zum Monopsonisten85. Dabei ist der Verlust des Produzenten 81  Blair/Harrison,

S. 41 f.; vgl. auch Carlton/Perloff, S. 107. S.  41 f. 83  Vgl. Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 9, Figure 3 (1991); Blair/Harrison, S. 111, Figure 5.3; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 17, Abbildung 1 und Höft, S. 216. 84  Vgl. Höft, S. 216. 85  Vgl. Höft, S. 216. 82  Blair/Harrison,

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größer als der korrespondierende Gewinn des Nachfragers (die graue Fläche ist größer als die weiße Fläche). Es entstehen Ineffizienzen in Form eines Nettowohlfahrtsverlusts (deadweightloss; im Graphen durch das schwarzschraffierte Dreieck dargestellt). Dadurch ist in aller Regel auch die Konsumentenwohlfahrt beeinträchtigt86. Theoretisches Monopson-Modell gilt auch in realen Oligopolsituationen. In einem zweiten Schritt ist die Brücke zu schlagen zwischen dem oben dargestellten theoretischen „Idealfall“ eines Monopsonisten, der den Herstellern als einziger Nachfrager gegenübersteht, und der in der Realität häufiger anzutreffenden Situation, dass der Nachfrager einer von mehreren ist (Oligopolsituation). Entsprechend bestehen für die Hersteller im Falle einer Reduktion der Abnahmemenge durch die Einkaufskooperation Ausweichmöglichkeiten auf andere Abnehmer. Sind diese mit der Einkaufskooperation konkurrierenden Abnehmer aber klein, so ist deren eigener Vorteil durch die Preisreduzierung am Markt größer, als wenn sie ihre Abnahmemenge erhöhen und der Preis dadurch wieder steigen würde87. Daher gelten die oben dargestellten Prinzipien auch auf Märkten, auf denen mehrere Nachfrager bestehen (Oligopolisten), die durch ihr Kaufverhalten Einfluss auf den Preis ausüben können88. Das Modell gilt damit sowohl für einzelne marktstarke Unternehmen (Oligopolisten) wie auch für Einkaufskooperationen mit beträchtlichem Marktanteil, die gewissermaßen de facto Monopsonisten sind89. Bei welcher Höhe aber liegt dieser beträchtliche Marktanteil? In der Literatur wird ein Marktanteil zwischen 40 % und 50 % vorgeschlagen90. Das US-amerikanische Department of Justice (DoJ) geht in Anlehnung an seine Merger Guidelines 86  Vgl. Blair/Harrison, 86 Northwestern U. L. R. 331 (1992); Mischitz, S. 44; zur Konsumentenwohlfahrt siehe näher unter § 4 B. I. 2. 87  Vgl. Thomas, ZWeR 2015, 210, 214. In Fußnote 29 verweist er darauf, dass es sich dabei um eine Art des Preisschirm-Effekts (umbrella effect) handelt. Dieser bezeichnet den Effekt, dass bei einem Kartell, auch diejenigen Wettbewerber, die nicht am Kartell beteiligt sind, ihre Preise erhöhen werden. Sie fahren sozusagen „im Windschatten“ des Kartells (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 5.6.2014, Rs. C-557/12 – KONE AG u. a.; Inderst/Maier-Rigaud/Schwalbe, JCLE 2004, 739). Entsprechend fahren die kleinen Wettbewerber gewissermaßen im Windschatten des großen Nachfragers wenn für sie die allgemeine Preissenkung im Markt vorteilhafter ist als eine Erhöhung ihrer Bezugs- und damit ihrer Absatzmenge. 88  Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 8 (1991); Noll, 72 Antitrust L. J. 589, 589 (2005); Lopatka, in: Blair/Sokol, S. 75 m. w. N.; Thomas, ZWeR 2015, 210, 214; Thomas, Working Paper, S. 8. 89  Zur Gleichsetzung zwischen Einkaufskooperationen und einzelnen Monopsonisten siehe sogleich unter § 2 A. II. 2. c) aa) sowie Blair/Harrison, S. 48 ff.: „collusive monopsony has the same deleterious effects on social welfare as does pure monpsony: Too few resources will be employed“. 90  Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 59 (1991).



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 75

von 35 % aus91. Nur so kann der Nachfragerückgang überhaupt einen Einfluss auf den Preis haben. Nur dann können sie Monopsonisten gleichgesetzt werden. Bedeutung des Absatzmarktes. Die Wettbewerbssituation auf dem Absatzmarkt ist besonders relevant für das Monopson-Modell.92 Denn steht der Nachfrager auf den Absatzmärkten in starken Wettbewerb, wird er hinter seinen dortigen Konkurrenten nicht zurückfallen wollen, dass er weniger als die von den Endkunden nachgefragte Menge einkauft und diesen dadurch einen Teil seiner potentiellen Kunden überlässt.93 In dieser Konstellation ist es eher unwahrscheinlich, dass der Nachfrager seine Einkaufsmenge reduziert. Das Monopson-Modell kann hier nicht zur Erklärung von Nachfragemacht herangezogen werden. Ist der Monopsonist hingegen auf dem Einkaufsmarkt und auf den Verkaufsmärkten ein Monopolist (sog. Monemporist94), so verstärken sich die negativen Effekte95. Da der Durchschnittspreis eines Produktes mit zunehmender Absatzzahl grundsätzlich sinkt, wird er einen Anreiz zur Reduktion seiner Absatzmenge haben, um seinen Profit zu maximieren96. (2) Kritik am Monopson-Modell Das Monopson-Modell ist weitreichender Kritik ausgesetzt. Zunächst wird ihm – wie zahlreichen Modellen – mangelnder Realitätsbezug vorgeworfen. Das Monopson-Modell geht von einer anonymen atomistischen Transaktion zum einheitlichen Marktpreis aus97. Tatsächlich finden aber auf den meisten Märkten bilaterale Verhandlungen zwischen Lieferanten und Nachfragern statt, die vom einheitlichen Marktpreis abweichen können98. Weiterhin ist das Modell statisch und erfasst keine dynamischen Wirkungen. Es geht da-

91  C. Rule, The Antitrust Division’s Approach to Shippers’ Associations (Oct. 21, 1985); vgl. Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 36 f. (1991). 92  Zum Zusammenhang zwischen Vor- und Endprodukt s. u. § 2 B. I. 1. 93  Thomas, ZWeR 2015, 210, 215. 94  Nichol (1943); vgl. Dobson/Waterson/Chu (1998), S. 12; Metz, S. 24. 95  OECD, Roundtable 2008, S. 21; Dobson u. a., buyer power, S. 11; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 19. 96  Vgl. BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 19. 97  Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 5; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 20; BKartA, Würdigung Stellungnahmen Sektoruntersuchung LEH, S. 11; Höft, S. 335; Raeder, S.  113 f.; Weidt, S. 70. 98  Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 5 f.; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 20; Ezrachi, JCLE 2012, 47, 50; Höft, S. 335.

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

von aus, dass die Hersteller auch dann, wenn ihr Gewinnanteil geringer wird, unverändert weiterproduzieren, statt sich umzuorientieren99. Zwar handelt es sich eben nur um ein Modell, sodass von ihm nicht erwartet werden kann, dass es alle denkbaren realen Konstellationen erfasst. Nichtsdestotrotz sollte es für eine Vielzahl von Fällen die Realität möglichst exakt beschreiben können, um als Grundlage für rechtliche Schlussfolgerungen zu dienen. Das Monopson-Modell ist aber auf die meisten Fälle in der Realität nicht anwendbar, sondern lediglich auf wenige überschaubare Konstellationen, in denen die folgenden drei Bedingungen erfüllt sind100: (1) neben der Monopson-Situation (bzw. einer oben beschriebenen de facto Monopson-Situation), bei der einem starken Nachfrager eine Vielzahl von Anbietern gegenübersteht101, müssen (2) die Marktzugangsschranken des Einkaufsmarktes hoch sein und (3) die Angebotskurve einen steigenden Verlauf aufweisen102 und (4) wenig Konkurrenz auf den Absatzmärkten bestehen. Ist nur eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, so stellt das Monopson-Modell kein zuverlässiges Modell zur Ermittlung der Auswirkungen dar. Zu den einzelnen Voraussetzungen: (1) Ohne einen gewissen Marktanteil kann das Unternehmen oder die Kooperation keine ausreichende Nachfragemacht entwickeln, um durch Reduzierung der Nachfrage die Preise zu verändern. Neben dem eher theoretischen Idealfall, bei dem nur ein Nachfrager, der Monopsonist besteht, vermag das Modell auch bei einem Unternehmen bzw. einer Einkaufskooperation mit beträchtlichem Marktanteil zu greifen. Dieser sollte aber bei mindestens 35 %, wenn nicht gar bei 40–50 % liegen103. Die erste Voraussetzung eines gewichtigen Marktanteils mag vereinzelt existieren. Doch selbst auf dem stark vermachteten LEH erreicht keiner der Marktteilnehmer einen derart hohen Marktanteil104. (2)  Ebenso wenig sind negative Auswirkungen zu befürchten, wenn keine hohen Marktzugangsschranken bestehen105, d. h. potentielle Mitbewerber die 99  BKartA,

Sektoruntersuchung LEH, S. 24. ECLR 2007, 210, 213 sprechen von einem bloßen „textbook view“. 101  Kirkwood, 72 Antitrust L. J. 625, 638 (2005); Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 70; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 5. 102  Nach Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 10 (1991); Clarke/Davies/Dobson/Waterson, S. 12. 103  S. o. Abschnitt aa). 104  Erzene, Global Antitrust Review 2012, S. 130; vgl. für einen Überblick zur Vermachtung des LEH, Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 31. 105  Solche bestehen z.  B. durch schwierig zu erhaltende öffentlichrechtliche Genehmigungen oder durch ein fehlendes erforderliches Vertriebsnetz. Auch hohe 100  Doyle/Inderst,



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 77

Möglichkeit haben, in den Markt einzutreten, um mit der Kooperation zu konkurrieren und die Nachfragereduktion des Monopsonisten durch ihre Nachfrage auszugleichen106. Auch deshalb sind Märkte für hoch spezialisierte Produkte anfälliger für die Entstehung von Nachfragemacht107. Die zweite Voraussetzung einer hohen Marktzugangsschranke ist in Branchen gegeben, die hohe Investitionen erfordern, um Märkte zu erschließen. Dies ist beispielsweise in der Automobilindustrie der Fall, im Einzelhandel und insbesondere auf digitalen Märkten hingegen nur in geringem Maße. (3) Weiterhin muss die Angebotskurve einen steigenden Verlauf haben, denn nur so ist der Preis von den marginalen Kosten der letzten Einheit abhängig: der Kauf einer zusätzlichen Einheit würde den Preis für alle anderen Einheiten erhöhen, was den Anreiz setzt, weniger zu kaufen108. Diese dritte Voraussetzung einer steigenden Angebotskurve erweist sich als besonders problematisch. Dies mag, wie im Beispiel beschrieben, auf bestimmten Arbeitsmärkten ebenso wie auf Dienstleistungs- und Agrarmärkten der Fall sein. Es trifft jedoch nicht auf alle Industriemärkte zu109. Es zeigt sich, dass in der Realität die meisten Angebotskurven keinen steigenden Verlauf aufweisen, sondern flach verlaufen110. In manchen Märkten sind die marginalen Kosten annähernd Null111. Nichtsdestotrotz sind sie nicht allein in die „theoretische Welt der Ökonomie-Lehrbücher“112 zu verdammen, sondern existieren auch in der Realität113. (4) Letztlich wird ein Nachfrager nur dann seine Bestellmenge reduzieren, wenn auf dem Absatzmarkt kein starker Wettbewerb herrscht, da er sonst Marktanteile an seine dortigen Konkurrenten verlieren würde114. sunk costs hemmen die Entstehung neuer Konkurrenz; vgl. Dowd, 76 Boston U. L. Rev., 1075, 1090 (1996). 106  Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 18 (1991); Palatzke, S. 58. 107  Palatzke, S. 58. 108  OFT, buyer groups, 3.60. 109  Vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 7. 110  Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 14 (1991); OFT, buyer groups, 1.16, 3.63. 111  Etwa bei der Herstellung von Software oder Arzneimitteln, vgl. Vgl. Bishop/ Walker, 2-037. 112  Berasategi, S. 23 (frei übersetzt). 113  Shea, 108 Q. J. Econ. 1 (1993) untersuchte 26 verarbeitende Industrien in den USA. 16 der 26 beispielhaft ausgewählten Industrien zeigten eine Angebotskurve mit steigenden Verlauf; vgl. Chen, 53 Antitrust Bull. 241, 248 (2008); Dobson u. a., buyer power, S.  10 f. 114  S. o. § 2 A. II. 2. b) aa) (1); Thomas, ZWeR 2015, 210, 215; Thomas, Working Paper, S. 9.

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Selbst wenn diese vier Voraussetzungen gegeben sind, gibt es Märkte in denen eine Reduktion der erforderlichen Bezugsmenge aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Man stelle sich Krankenhäuser vor, die gemeinsam einkaufen. Keines der Krankenhäuser wird die erforderliche Anzahl an medizinischen Geräten, Medikamenten oder Blutkonserven reduzieren, nur um günstigere Preise zu erzielen115. Aus alldem ergibt sich, dass das Monopson-Modell nur eine sehr unbedeutende Rolle im Wettbewerbsrecht spielt116. In den Fällen, in denen die Bedingungen aber erfüllt sind, sollte es nicht unbeachtet gelassen werden.117 (3) Zwischenergebnis zum Monopson-Modell Das Monopson-Modell ist in zahlreichen realen Konstellationen nicht geeignet, zuverlässige Ergebnisse zu liefern. In manchen Situation ist es aber durchaus nützlich. Das Monopson-Modell sollte in den Fallkonstellationen nicht unbeachtet bleiben, in denen die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind118: (1) die Einkaufskooperation muss einen gewichtigen Anteil des Beschaffungsmarktes bilden, (2) die Marktzugangsschranken des Einkaufsmarktes müssen hoch sein, (3) die Angebotskurve muss einen steigenden Verlauf aufweisen und (4) es darf kein starker Wettbewerb auf den Absatzmärkten bestehen119. bb) Verhandlungsmodell Aus der Kritik am Monopson-Modell heraus ist das realitätsnähere Erklärungsmodell der Nachfragemacht, das Verhandlungsmodell, entstanden120. Die Frage nach der Verteilung der Gewinnmarge steht im Mittelpunkt dieses Modells. (1) Inhalt Während das Monopson-Modell einen tatsächlichen Nachfragerückgang voraussetzt (der aber zumindest in den Fällen unwahrscheinlich ist, wenn der Blair/Durrance, 35 Manage Decis. Econ. 433, 435 (2014). S. 23 mit Verweis auf OECD, Roundtable 2008, S. 142 (Note by Canada). Es existieren aber auch empirische Nachweise für das Monopson-Modell, vgl. Carlton/Coleman/Israel, in: Blair/Sokol, S. 529, 531 m. w. N. 117  So auch Chen, 53 Antitrust Bull. 241, 248 (2008). 118  Vgl. auch die Kommissionsentscheidung v. 17.12.2007 (COMP/M.4662) – Friesland Foods/Campina; s. u. § 3 E. I. 2. b) dd). 119  Nach Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 10 (1991). 120  Vgl. statt vieler Inderst, WuW 2008, 1261, 1264 ff.; Inderst/Wey. 115  Vgl.

116  Berasategi,



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 79

Nachfrager auf dem Absatzmarkt Wettbewerb ausgesetzt ist), basiert das Verhandlungsmodell auf der Gefahr, dass der Nachfrager überhaupt nicht beim Hersteller einkauft, sondern etwa seine Nachfrage auf andere Hersteller verlagert (all-or-nothing-Angebot)121. Zu einer Mengenreduktion kommt es gerade nicht122. Die Kernfrage der Verhandlungstheorie lautet vielmehr: Wie teilen die Verhandlungsparteien (Hersteller und Abnehmer) den gemeinsamen Gewinn untereinander auf? Die Aufteilung wird durch die relative Attraktivität der jeweiligen Abbruchoptionen oder Drohpunkte (outside options) bestimmt123, d. h. den Alternativen der Parteien im Falle, dass die Verhandlungen nicht in einen Vertrag münden, sondern scheitern124. Am Beispiel einer Verhandlung zwischen einem Lebensmittelhersteller und einem Lebensmittelhändler festgemacht, würde sich der Händler insbesondere folgende Frage stellen: Wie viele Endkonsumenten würden zu konkurrierenden Händlern wechseln und wie hoch wäre der entgangene Gewinn bzw. Verlust, sollte eine Vereinbarung mit dem Hersteller über den Kauf des Produktes nicht zustande kommen? Der Hersteller würde sich die entsprechende Frage stellen: Wieviele Endkonsumenten würden zu austauschbaren Produkten wechseln und welcher kurz- wie langfristige Verlust entsteht dadurch, sollte ein Verkauf an den Händler scheitern? Nachfragemacht führt bei Verhandlungen dann zu einer Erhöhung des Anteils des Abnehmers am gemeinsamen Gewinn und äußert sich durch individuelle Preisnachlässe125. Abbruchoptionen (outside options). Kann ein Nachfrager ohne große Probleme ein Produkt des Herstellers durch Bezug bei einem anderen Hersteller oder gar durch eine Eigenmarke substituieren oder einfach sein Sortiment umstellen, ist die outside option des Nachfragers groß und somit auch seine Verhandlungsmacht126. 121  Kirkwood, 72 Antitrust L. J. 625, 638 f. (2005); Ezrachi, JCLE 2012, 47, 53; Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 71; Chen, 53 Antitrust Bull. 241, 244 (2008); BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 20; Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 59; Thomas, ZWeR 2015, 210, 215. 122  BKartA, Diskussionspapier, S. 3; Inderst/Wey, S.  7 f.; Höft, S. 335. 123  Inderst/Wey, S. 8; Inderst, WuW 2008, 1261, 1264; Doyle/Inderst, ECLR 2007, 210, 213 ff.; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 20; Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 59. 124  Inderst/Wey, S. 8; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 6; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 20; Niestrath, S. 111. 125  Inderst/Wey, S. 10. 126  Beispiel: BKartA, Beschl. v. 11.12.2012, B3-32501-Fa-127/12 – Fresenius/ Fenwal. In der Fusionsentscheidung Fresenius/Fenwal war das Deutsche Rote Kreuz mit einem Marktanteil von ca. 71 % größter Abnehmer der von den Zusammenschlussparteien hergestellten Bluttransfusionstechnologien. Zudem bestanden im Markt Überkapazitäten, und die Nachfrager hatten hinreichende Ausweichalternati-

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Im Gegensatz dazu ist die outside option und somit die Verhandlungsmacht des Herstellers groß, wenn dieser seine veranschlagte Liefermenge an andere Nachfrager verkaufen oder aber andere Verkaufswege nutzen kann127. Beispielsweise könnte ein Hersteller von Lebensmitteln statt über den Lebensmitteleinzelhandel den Direktvertrieb an die Gastronomie oder andere Großabnehmer verfolgen. Ebenso ist die Verhandlungsposition des Herstellers hoch, wenn er ein Markenprodukt anbietet, das für den Abnehmer von besonderem Interesse ist, um auf dem Absatzmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Diese sog. must-stock-Produkte128 sind den meisten Kunden aufgrund ihrer Qualität, ihres Markenimages oder sonstiger Gründe teilweise so bedeutsam, dass sie gar den Supermarkt wechseln würden, wenn dieser nicht mit den Produkten eingedeckt ist129. Dem Händler drohen insoweit durch die Auslistung überproportionale Umsatzrückgänge130. Dies zeigte sich etwa im Streit zwischen LIDL mit Coca-Cola im Jahr 2014. Dieses klassische muststock-Produkt wurde mangels Einigung in den Preisverhandlungen vom nachfragemächtigen Discounter aus dem Sortiment genommen, um wenige Wochen später nach erzielter Einigung doch wieder in den Regalen zu stehen131. Weist der Hersteller dagegen keine Markenbekanntheit auf, ist er etwa nur ein kleiner Anbieter von regionalen oder lokalen Spezialitäten, ist seine Marktstellung gegenüber den Nachfragern schlechter132. Demgegenüber wird die Verhandlungsmacht des Lebensmitteleinzelhändlers durch das one-stop-shop-Verhalten der Verbraucher gestärkt. Untersuchungen zeigen, dass Verbraucher möglichst in nur einem Shop einkaufen ven, sodass die Nachfragemacht entsprechend groß eingeschätzt und die Auswirkung der Fusion der Anbieter als gering angesehen wurde. 127  Inderst/Wey, S. 8; Inderst, WuW 2008, 1261, 1264; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 6. 128  Z. B. Knorr und Maggi im Bereich der Tütensuppen, Milka, Lindt und Ritter Sport bei Schokoladen; ein Überblick zu must-stock-Produkten findet sich in der HDE-Studie, S. 157, dabei ist besonders bei Biermarken, Tütensuppen- und soßen und Schokolade eine hohe Markenaffinität zu beobachten, bei Dosenobst hingegen nicht. 129  Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), Rn.  133* (Pressekurzfassung); Rn. 1070, BT-Drucks. 17/10365; Haucap/Heimeshoff/Thowarth/Wey, S.  7 f. 130  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 11; Haucap/Heimeshoff/Thowarth/Wey, S.  7 f. 131  Vgl. Spiegel-Online v. 29.1.2014: Discounter: LIDL nimmt Coca-Cola wieder ins Sortiment; vgl. dazu auch Weidt, S. 71. Berasategi, S. 44 berichtet von vergleichbaren Fällen: ein zeitweises Delisting von Coca-Cola durch einen US-Händler sowie von Unilever Produkten durch einen belgischen Händler und Carrefour, der den führenden Hersteller von Olivenöl auslistete. 132  Lademann, Expertenanhörung, S. 4.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 81

wollen (consumer lock-in)133. Die Nichtverfügbarkeit eines must-stock-Produktes hat dann entweder keine Auswirkung oder aber führt zu einer fatalen, nämlich zum kompletten Wechsel des Geschäfts. Ersteres ist dabei wahrscheinlicher134. Spezialisierung verstärkt das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Herstellern und Nachfragern und minimiert Abbruchoptionen zumindest auf kurze Sicht. Stellt etwa ein Zulieferer ein speziell an die Bedürfnisse eines Automobilherstellers angepasstes Vorprodukt her, sind dessen outside options zunächst mit Umstellungskosten verbunden und daher gering135. Demgegenüber kann eine oftmals mit Entwicklungskosten verbundene Übertragung ganzer Moduleinheiten auf den Zulieferer auch zu Abhängigkeiten des Automobilherstellers führen136. Die Nachfragemacht durch Verhandlungsmacht lässt sich graphisch wie folgt darstellen: Andere Nachfrager Andere Vertriebswege Must stock Produkte Spezialisierung Verderblichkeit

andere Anbieter

outside option Anbieter

Gewinnverteilung 10% | 25% | 50% | 75% | 90%

90% | 75% | 50% | 25% | 10%

Eigenmarken outside option Nachfrager

One-stop-shop Spezialisierung (Saisonware)

Abbildung 4: Verhandlungsmacht durch Abbruchoptionen und Drohpunkte

133  Vgl. Berasategi, S. 27; United Nations, Conference on Trade and Development, TD/B/C.I/CLP/38, Rn. 23; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 323; von der überwiegend deutschen Besonderheit der oftmals in räumlicher Symbiose lebenden Discounter und Vollsortimenter einmal abgesehen. 134  Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel, der stark von Discounter geprägt ist, erwarten die Kunden auch kein oder nur ein begrenztes Angebot an Markenprodukten, vgl. Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 11; vgl. aber die Untersuchung von Heimeshoff/Klein, die am Fall eines Lieferabbruchs eines Einzelhändlers mit einer lokalen Brauerei aufzeigen, dass die Treue der Verbraucher zur Herstellermarke so groß sein kann, dass sie verbunden mit dem Bedürfnis eines onestop-shoppings die Filiale wechseln; vgl. Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 20 und Haucap u. a., in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 11, 25. 135  Vgl. dazu Kessen, S.  49 f.; Palatzke, S. 39. 136  Palatzke, S. 39 Fn 152.

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Der erfolgreiche Verhandlungsabschluss hat einen Nettogewinn in Höhe des Gesamtgewinns abzüglich der Werte der besten Alternativen zum Inhalt137. Demnach werden die Parteien stets eine Abwägung zwischen ihrem Gewinnanteil aus der Verhandlungsmasse mit ihrer Abbruchoption vergleichen138. Es gilt: je besser der Drohpunkt, umso größer die Verhandlungsmacht139. Weitere Faktoren. Neben den Abbruchoptionen bzw. Drohpunkten (outside options) wird die Gewinnverteilung auch von weiteren Faktoren beeinflusst140: Informationsasymmetrie. Bessere Informationen sorgen für eine Gewinnverteilung zugunsten des besser Informierten141. Kennt beispielsweise ein Abnehmer die Kosten des Anbieters, andersherum der Anbieter aber nicht die Kosten und Margen des Abnehmers auf den Verkaufsmärkten, kann diese Informationsasymmetrie dazu führen, dass der schlechter Informierte die Verhandlungsmasse (d. h. den zwischen den Verhandlungspartner maximal zu verteilenden Gewinn) kleiner einschätzt, als sie in Wirklichkeit ist, was dem besser Informierten nützen kann142. Bessere „inside options“. Die Verhandlungen können gerade für kleine Nachfrager eine Belastung darstellen, während sie das für professionelle Einkaufsteams in geringerem Maße sind143. Dies mag für eine bessere Verhandlungsposition sorgen. Dabei erhöht auch schon die Reputation, ein harter Verhandlungspartner zu sein, die Chancen auf einen besseren Abschluss144. Verlustaversion. Aus verhaltensökonomischer Sicht könnte der Verlust einer langfristigen Lieferbeziehung für den Lieferanten schwerer wiegen als der Gewinn einer alternativen neuen Lieferbeziehung (sog. Besitztumseffekt oder endowment-Effekt)145. Für Nachfrager wiegt der Verlust der Lieferbeziehung hingegen (abseits bestimmter must-stock-Produkte) weniger schlimm, da mit ihm zumeist keine hohe Abwanderung an Kunden verbunden ist. 137  Inderst/Wey,

S. 8. WuW 2008, 1261, 1264. 139  Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 7. 140  OFT, buyer groups, 3.53. 141  OFT, buyer groups, 3.53; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 21 Fn 54; Monopolkommission, XIX.  Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1083. 142  OFT, buyer groups, 3.53. Dabei sind insbesondere die Nachfrager im LEH besser informiert, die eigene Handelsmarken anbieten, vgl. Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1083. 143  OFT, buyer groups, 3.54; Ezrachi/Jong, ECLR 2012, 257, 258. 144  OFT, buyer groups, 3.55. 145  Vgl. dazu Kahneman u. a., 98 J. Pol. Econ. 1325, 1329 f. (1990); Tversky/ Kahneman, 106 Q. J. Econ. 1039, 1041 f. (1991). 138  Inderst,



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 83

(2) Kritik am Verhandlungsmodell Letztlich wird auch das Verhandlungsmodell der Realität nicht vollends gerecht. Es stellt stets auf Fälle einzelner Verhandlungen ab. Von den Erfolgen und Zugeständnissen in einer Verhandlung sind aber oftmals die Gewinne zahlreicher weiterer zukünftiger Verhandlungen abhängig. Insoweit kann etwa die Angst vor langfristigen Folgen dazu führen, dass Zugeständnisse gemacht werden. Dies zeigt sich auch daran, dass Unternehmen oftmals langlaufende Verträge zu ungünstigeren Preisen schließen, die aber den Vorteil der langfristigen Belieferung haben. Zudem sagen fehlende Ausweichmöglichkeiten der Anbieter und eine daraus resultierende große bilaterale Verhandlungsmacht der Nachfrager noch nichts darüber aus, ob deren Ausnutzung auch ein wettbewerbspolitisches Problem darstellt146. Beispielsweise kann ein Drohpunkt auch durch Innovationen des Nachfragers entstanden sein147. Dies kann mit Blick auf die Schumpetersche Innovationstheorie kaum als negativ bewertet werden können148. Das Modell lässt den Rechtsanwender daher im Unklaren darüber, welche Folgen sich aus seinen Aussagen ziehen lassen. Er steht vor der Frage: Ist die Nachfragemacht positiv (wie im Fall der Innovation) oder negativ (wie als Ergebnis einer Kollusion) zu bewerten? Kerber hält daher die Verhandlungstheorie für einen guten Analyseansatz, aber nicht für ausreichend149. (3) Zwischenergebnis zum Verhandlungsmodell Das Verhandlungsmodell erklärt in der Theorie die weitreichenden Bedingungen und Einflüsse auf die Nachfragemacht. Sie vermag jedoch nicht zu beantworten, wie diese für die kartellrechtliche Bewertung fruchtbar gemacht werden können. cc) Verhältnis der beiden Modelle Die Kritikpunkte zeigen, dass beide Modelle nicht vollends geeignet sind, das Phänomen der Nachfragemacht zu erklären. Das Monopson-Modell vermag nur einen kleinen Bereich von Fällen abzudecken, das Verhandlungsmodell trifft keine sicheren Aussagen150. Das wirft die Fragen auf: In welchem Roundtable 2008, S. 27; Kerber, Präsentation BKartA, S. 5. Präsentation BKartA, S. 5. 148  Kerber, Präsentation BKartA, S. 5. 149  Kerber, Präsentation BKartA, S. 5. 150  S. o. § 2 A. II. 2. b) aa) (2) und bb) (2); Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 71. 146  OECD,

147  Kerber,

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Verhältnis stehen beide Modelle zueinander? Schließen sich beide Modelle gegenseitig aus? Ist eines der Modelle besser geeignet? Es gilt zu überlegen, ob es sinnvoll ist, die realistischste Grundlage für die Vielzahl der Fälle zu finden oder ob je nach Fallgestaltung eine unterschiedliche Theorie angewendet werden sollte. Dies ist eine Frage, die auch das BKartA aufwarf151. Zuweilen wird argumentiert, dass solange noch kein Modellrahmen existiere, der flexibel genug sei, um beide Modelle zusammenführen zu können, man sich für das geeignetere Modell entscheiden müsse152. Passender sei das Verhandlungsmodell, insbesondere wenn sich relativ wenige Firmen auf jeder Marktseite gegenüberstehen und die Produkte unterschiedlich sind153. Mit Blick auf eine treffsichere ökonomische Bewertung gilt: Das Verhandlungsmodell bildet die Realität im Vergleich zum Monopson-Modell besser ab. Sein Anwendungsbereich ist weitreichender. Allerdings weisen die Aussagen des Verhandlungsmodells nicht die gleiche Treffsicherheit auf wie das Monopson-Modell. Während unter den oben skizzierten engen Voraussetzungen die wettbewerbliche Wirkung der Nachfragemacht klar negativ ist, vermag das Verhandlungsmodell nicht sicher zu zeigen, ob die Auswirkungen der Nachfragemacht positiv oder aber negativ sind154. Mit Blick auf die Handhabbarkeit gilt: Das Monopson-Modell hat mit dem Verlauf der Angebotskurve, Marktzugangsschranken, hohem Marktanteil auf dem Einkaufsmarkt und geringem Wettbewerb auf dem Absatzmarkt relativ klare Prüfungsvoraussetzungen. Andere Faktoren werden hingegen vernachlässigt155. Das macht das Modell besonders handhabbar. Die Wettbewerbsbehörden haben nicht die Ressourcen allen Fällen nachzugehen, bei denen die geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Wettbewerb beeinträchtigt wird. Eine kombinierte bzw. differenzierte Anwendung beider Modelle dürfte daher die besten Erkenntnisse liefern156: Sind hohe Marktzugangsschranken, ein hoher Marktanteil sowie eine steigende Angebotskurve vorhanden, und ist der Wettbewerb auf den Absatzmärkten gering, eignet sich das MonopsonModell. In allen anderen Fällen bietet das Verhandlungsmodell die realistischste ökonomische Grundlage.

151  BKartA,

Nachfragemacht im Kartellrecht, Hintergrundpapier, S. 16 Frage 2. Vortrag, The Economics of Buyer Power, S. 2. 153  Inderst, Vortrag, The Economics of Buyer Power, S. 2. 154  S. o. § 2 A. II. 2. b) bb); Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 71. 155  OECD, Nachfragemacht, S. 25, Rn. 62. 156  So wohl auch das Verständnis der kanadischen Wettbewerbsbehörde, vgl. OECD, Roundtable 2008, S. 149 (Note by Canada). 152  Inderst,



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 85

c) Zusammenhang zwischen Nachfragemacht und Einkaufskooperationen In den vorherigen Abschnitten wurden das Monopson bzw. ein einzelnes nachfragemächtiges Unternehmen mit Einkaufskooperationen gleichgesetzt. Tatsächlich erklären die Modelle aber nur die ökonomischen Wirkungen einzelner nachfragemächtiger Unternehmen, statt einer Einkaufskooperation. Fraglich ist daher, ob Monopson- und Verhandlungsmodelle auch für Einkaufskooperation gelten, die aus mehreren Nachfragern besteht, die sich zum gemeinsamen Einkauf zusammengefunden haben. aa) Gleichstellung zwischen Monopson und Einkaufskooperation Für eine Gleichstellung zwischen Monopson und Einkaufskooperation spricht, dass das Monopson gewissermaßen die „Mutter“ der Nachfragekooperation ist, eine Grundform, die entscheidende Rückschlüsse im Wege eines argumentum a maiore zum ökonomischen Verständnis der Kooperation geben mag. So gehen zahlreiche Autoren von einer Gleichstellung beider Systeme aus157. Das Verhalten einer Einkaufskooperation durch das acting in concert ihrer Mitglieder gleicht dem eines Monopsonisten158. Ein Monopsonist kann durch Mengenreduktion die Preise drücken. Schließen sich Käufer zu einer Kooperation zusammen und beschließen sie, nicht im Einkauf miteinander zu konkurrieren, so sind die Wirkungen des „kollusiven Monopsons“ die gleichen wie beim normalen Monopson159. Auch wird regelmäßig nur die Kooperation mit den Anbietern verhandeln160. Insofern besteht auch die Möglichkeit, dass die gesamte Kooperation ihre Nachfrage nach den jeweiligen Produkten senken und dadurch die Preise reduzieren wird. Unterschiede zwischen Monopson und Einkaufskooperation. Nichtsdestotrotz muss das Modell um Facetten erweitert werden, will es eine realistische Beurteilung für sich in Anspruch nehmen. Denn es ergeben sich Besonderheiten, die auf den Unterschieden beruhen, welche die Koordination zwischen den einzelnen Kooperationsmitgliedern mit sich bringt161. Die Ein157  Vgl. nur Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 8 f. (1991); Blair/Harrison, 86 Northwestern U. L. R. 331, 334 (1992); DePasquale, 54 Antitrust Bull. 907, 908 (2009); Chen, 22 Res. L. & Econ. 17, 27 (2007); Ezrachi, JCLE 2012, 47, 49; Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 69; Ezrachi/Williams; Kokkoris/Shelanski, 11.28. 158  Blair/Harrison, 86 Northwestern U. L. R. 331, 334 (1992); Blair/Harrison, S. 106 und 48 f. 159  Blair/Harrison, 86 Northwestern U. L. R. 331, 334 (1992). 160  Das ist abhängig von der Ausgestaltung der Einkaufskooperation, s.  o. § 1 C. III. 161  Chen, 22 Res. L. & Econ. 17, 27 (2007).

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

kaufskooperation weist eine geringere Stabilität auf. Aus diesem Grund kann die durch das Monopson-Modell beschriebene Gefahr einer Reduktion der Einkaufsmenge bei Einkaufskooperationen deutlich niedriger sein als bei einem einzelnen mächtigen Nachfrager. Grund dafür ist die hohe Bereitschaft der einzelnen Kooperationsmitglieder zum cheating. Die einzelnen Mitglieder werden sich nicht darauf einlassen, weniger als die optimale Menge nachzufragen, die sie an ihre Kunden weiterverkaufen können oder die sie selbst benötigen162. Vielmehr würden sie an der Einkaufskooperation vorbei mehr einkaufen, etwa durch direkte Verhandlung mit den Herstellern, um sodann im Absatzwettbewerb – auch gegen die eigenen Mitglieder – einen Vorteil zu erzielen163. Zu einer Reduktion des Einkaufspreises kommt es freilich nur, wenn die Mehrheit der Kooperationsmitglieder ihre Nachfrage weiterhin reduziert, da der Preis sonst wieder in Richtung Normalniveau steigt164. Damit gilt auch, dass Kooperationsmitglieder mit einem gegenüber den anderen Mitgliedern erheblichen Anteil an der Bezugsmenge mangels Gewinnperspektive regelmäßig keinen Anreiz zum cheating haben. Voraussetzungen einer Gleichstellung von Monopson und Einkaufskooperation. Maßgeblich für die Gleichstellung eines Monopsons und einer Einkaufskooperation ist damit der Anreiz zu Cheating. Diesbezüglich gelten neben nachfragespezifischen Besonderheiten die Grundsätze über die Stabilität von Kartellen. Cheating bzw. positiver formuliert die „Gruppendisziplin“165 ist abhängig von den Anreizen durch mit cheating zu erzielende Mehrgewinne166 und von den Gefahren entdeckt zu werden. Dabei ist der durch die Abweichung vom gemeinsamen Marktverhalten zu erzielende Gewinn gegenüber den langfristigen Verlusten infolge der Bestrafung durch die übrigen Unternehmen167 multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit der Entdeckung durch diese, abzuwägen. In eine vereinfachte Formel gebracht gilt: Gewinn durch cheating >

162  Blair/Haynes,

Verlust durch Bestrafung × Wahrscheinlichkeit der Entdeckung

in: Elhauge, S. 246, 249; Blair/Harrison, S. 51. Rn. 2135b; Kokkoris, 29 World Competition 139, 141 (2006); Kokkoris/Shelanski, 11.07. 164  Vgl. für den Normalfall der Kartellbildung Knieps, S. 117. 165  Eickhof, S. 26. 166  Doyle/Han, S. 1; vgl. auch Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 135 mit weiteren Informationen zu den Einflussfaktoren der Stabilität kollusiven Verhaltens. 167  Ivaldi u. a., S. 5; Schweizer, S. 215 f.; vgl. auch Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 135. 163  Areeda/Hovenkamp,



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 87

Cheating tritt insbesondere dann auf, wenn keine interne Stabilität zwischen den Kooperationspartnern besteht168. Die interne Stabilität wird durch besondere Sicherungsmechanismen erreicht. Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass nicht-kooperationskonformes Verhalten bei einem Mitglied durch andere Mitglieder entdeckt wird und je schwerwiegender die drohenden Konsequenzen sind (z. B. dauerhafter Ausschluss von der Kooperation; gegen den Abweichler gerichteter intensivierter Wettbewerb), desto höher ist die Stabilität169. Ferner ist die Stabilität eines Kartells von äußeren Faktoren, insbesondere von Gegenstrategien Dritter abhängig. bb) Verhandlungsmodell und Einkaufskooperationen Wesentlich leichter lässt sich der Zusammenhang zwischen dem Verhandlungsmodell und Einkaufskooperationen begründen. Wenn sich Nachfragemacht durch die fehlenden Ausweichmöglichkeiten des jeweiligen Anbieters definiert, dann führt die Gründung einer Einkaufskooperation zu einer Steigerung der Verhandlungsmacht. Denn durch den gemeinsamen Einkauf reduziert sich die Zahl unabhängiger Nachfrager und mithin die Ausweichmöglichkeiten der Hersteller170. Besteht für die Mitglieder der Einkaufskooperation kein Bezugszwang, so haben Hersteller theoretisch noch immer die Möglichkeit, die einzelnen Mitglieder der Kooperation unabhängig von dieser zu beliefern. Tatsächlich sollte Letzteren aber jedweder Anreiz fehlen, an der Kooperation vorbei zu beziehen171. Schließlich entstehen dadurch höhere Transaktionskosten durch zusätzliche Verhandlungen und getrennte Belieferung. Zudem schädigt ein Kauf an der Kooperation vorbei deren Funktionsfähigkeit. Letztlich dürfte es in der Praxis nur selten zu Möglichkeiten kommen, getrennt von der Kooperation bessere Konditionen zu erlangen. Das liegt einerseits an nicht erzielten Skaleneffekten, andererseits auch am „Nivellierungseffekt“, der dafür sorgt, dass sich Anbieter aus Furcht vor den damit verbundenen Konsequenzen einer Nachforderung schon gar nicht mehr auf Preiszugeständnisse an kleinere Abnehmer einlassen172. Beim Verhandlungsmodell, bei dem die Einkaufskooperation – anders als beim oben aufgeführten Monopson-Modell – die Nachfragemenge nicht künstlich reduziert, haben die Mitglieder keinen 168  Dowd, 76 Boston U. L. Rev. 1075, 1084 ff. (1996). Für ein noch differenzierteres System aus wenigen Käufern, homogenen Produkten, geheimen Gebote und Unelastizität des Angebots vgl. Blair/Harrison, S.  49 f. 169  OFT, buyer groups, S. 111. 170  Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 233; Palatzke, S. 25. 171  Mischitz, S. 69. 172  Dazu sogleich unter § 2 A. II. 2. d) cc).

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Anreiz zum cheating durch Einkauf einer höheren Menge an der Kooperation vorbei173. Ein Kauf an der Kooperation vorbei wäre allenfalls in der seltenen Konstellation denkbar, wenn der Kooperation, etwa durch stures Beharren auf Preiszugeständnisse droht, ein Produkt nicht zu erhalten, auf welches das einzelne Mitglied aber dringender angewiesen ist als die restlichen Kooperationsmitglieder. Damit stehen Einkaufskooperationen einzelnen Nachfragern in ihren Wirkungen grundsätzlich in nichts nach. cc) Keine vollständige Gleichstellung zwischen Einkaufskooperationen und einzelnen Nachfragern Trotz der praktischen Seltenheit eines Einkaufs an der Kooperation vorbei, gilt es aber zu betonen, dass Einkaufskooperationen gegenüber einzelnen marktstarken Nachfragern grundsätzlich eine geringere Nachfragemacht ausüben. Im Monopson-Modell, das eine vorsätzliche Reduktion der Einkaufsmenge voraussetzt, rührt dies aus dem cheating einzelner Mitglieder, die an der Einkaufskooperation vorbei einkaufen würden, sofern ihnen das Vorteile gegenüber den anderen Kooperationsmitgliedern auf dem Verkaufsmarkt bringt. Doch auch im Verhandlungsmodell, das keine Reduktion der Einkaufsmenge voraussetzt, kann der Grad der Nachfragemacht durch den erhöhten Koordinationsbedarf und vereinzelte Interessenwidersprüche zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperation reduziert sein174. Das entspricht dem gefühlten Nachfragedruck durch Einkaufskooperationen auf Hersteller, wie sie die Sektoruntersuchung des BKartA untersucht hat. Der Nachfragedruck erreicht noch nicht den eines einzelnen Unternehmens, wie es aus einer Fusion herrühren würde, aber immerhin die Hälfte der

Raeder, S. 60. BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 97 wonach die Verhandlungsmacht einer Einkaufskooperation dadurch geschwächt werden könne, dass sich ihre Mitglieder nicht einig sind und unabhängig von der Einkaufskooperation mit dem Hersteller verhandeln. Dass es vereinzelt doch zu Konflikten zwischen den Interessen der Mitglieder einer Einkaufskooperation kommen kann, zeigt der Austritt von REWE aus der europäischen Einkaufskooperationen Core. Nach Streitigkeiten um die gemeinsamen Ziele der Einkaufskooperation verlies REWE im Jahr 2015, die erst ein Jahr zuvor gegründete europäische Einkaufskooperation Core (bestehend aus der französischen E.Leclerc, der schweizerischen Coop der belgischen Colruyt und der italienischen Conad), um im Jahr 2016 wiederum eine Einkaufsgesellschaft mit E.Leclerc zu gründen, vgl. Handelsblatt v. 5.6.2015, Rewe wechselt die Allianz; REWE, Pressemitteilung v. 22.6.2016, „E.Leclerc und REWE Group gründen gemeinsame Einkaufsgesellschaft EURELEC in Brüssel“. 173  Vgl. 174  Vgl.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 89

Befragten setzen den von Einkaufskooperationen ausgehenden Nachfragedruck dem einer Fusion folgenden gleich175. Zwischenergebnis. Demnach ist mit Einkaufskooperationen eine leicht abgeschwächte, von ihrer Begründung her aber vergleichbare Nachfragemacht verbunden, wie sie von einzelnen Monopsonisten und starken Nachfragern ausgeht. Damit ist das Fundament gelegt, um den Auswirkungen der Nachfragemacht nachzugehen. d) Auswirkungen der Nachfragemacht Der Nachfragemacht werden zahlreiche negative Effekte zugeschrieben. Ob diese in der Realität tatsächlich auftreten, ist hingegen nicht immer sicher176. aa) Nettowohlfahrtsverlust Sicher und ökonomisch fundiert ist die nach dem Monopson-Modell prognostizierte Wirkung bei einer gezielten Zurückhaltung der Nachfrage. Ihre praktische Seltenheit wurde allerdings bereits betont. Nur unter den oben beschriebenen Voraussetzungen können allokative Ineffizienzen in Form eines Nettowohlfahrtsverlustes (deadweight loss) entstehen177. bb) Wasserbetteffekt Mit dem Wasserbetteffekt (waterbed-effect) wird die Befürchtung beschrieben, dass die Anbieter versuchen werden, Preisabschläge für die nachfragemächtige Kundengruppe durch die Erhöhung von Preisen gegenüber anderen zumeist kleineren Kunden ohne oder mit geringerer Nachfragemacht zu kompensieren178. Die Metapher des Wasserbetts versinnbildlicht dies gut: 175  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 97. Ein Grund liege darin, dass die Drohung einer Auslistung durch einen einzelnen Nachfrager glaubwürdiger sei als bei einer Einkaufskooperation. 176  Eine Einordnung in die nächste Kategorie der ungeklärten Auswirkungen (Unterabschnitt § 2 A. III.) verbietet sich dennoch. Denn im Unterschied zu diesen sind die Auswirkungen klar negativ behaftet, allein die Wahrscheinlichkeit, dass sie auftreten, ist unwahrscheinlich. 177  S. o. § 2 A. II. 2. b) aa); OECD, Nachfragemacht, S. 31, Rn. 81; Blair/Harrison, S. 111; Mischitz, S. 44. 178  Zum Wasserbetteffekt vgl. Dobson, 72 Antitrust L. J. 529, 561 f. (2005); Dobson/Inderst, ECLR 2007, 393, 395; Inderst/Valletti, 59 J. Ind. Econ. 1 (2011); BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 25; Majumdar (2006); Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014,

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Ein nachfragemächtiges Unternehmen oder eine Einkaufskooperation werden durch ihr Gewicht an Verhandlungsmacht die Preise herunterdrücken, sodass die Preise auf der anderen Seite des „Bettes“, auf der sich die kleineren Unternehmen befinden, steigen. Damit führt die Nachfragemacht nicht zu Effizienzgewinnen oder -verlusten, sondern bestenfalls zu einer neutralen Umverteilung der Effizienzen unter den konkurrierenden Käufern. Diese gehen insbesondere zulasten von KMU, die aufgrund ihrer geringeren Nachfragemengen ohnehin nicht von Rabatten profitieren können. Wird deren Verhandlungsposition durch die Ausweitung der Verhandlungsmacht eines großen Abnehmers noch weiter verschlechtert, kann dies letztlich zum Marktaustritt der mit dem mächtigen Nachfrager konkurrierenden Unternehmen führen179. Kritik am Wasserbetteffekt. Das Konzept sollte allein aufgrund seiner Anschaulichkeit nicht unhinterfragt bleiben: Die Existenz eines solchen Wasserbetteffekts wird teilweise in Frage gestellt, ihm zumindest aber kein zu großer Einfluss zugemessen180. Zunächst lässt sich dem Wasserbetteffekt das folgende Argument entgegenhalten: Wenn ein Anbieter die Möglichkeit hat, von einzelnen Käufern einen höheren Kaufpreis zu verlangen, wieso tut er es dann nicht? Hätte ein Spielraum für Preiserhöhung bestanden, wäre dieser vom Zulieferer doch schon vorher genutzt worden, ohne dass es eines Auslösers durch ausgeübte Nachfragemacht eines einzelnen marktstarken Unternehmens oder einer Einkaufskooperation bedurft hätte181. Entsprechend gibt es bisher auch keine belastbaren Beweise, dass ein solcher Wasserbetteffekt tatsächlich existiert182. In der UK grocery store inquiry 69, 71; vgl. Lindberg, ECJ 2011, 433, 435. Niels/Jenkins/Kavanagh, Rn.  3.118 f.; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 7. 179  Niels/Jenkins/Kavanagh, Rn. 3.118. 180  Zu den Kritikern zählen etwa Bishop/Walker, 3-032; Lindberg, ECJ 2011, 433, 435; Ahlert, in: Ahlert/Kenning/Olbrich/Schröder, S. 107. Ausführlich beschrieben und theoretisch nachgewiesen wurde er von Inderst/Valletti, 59 J. Ind. Econ. 1 (2011). Allerdings zweifeln auch sie mittlerweile an dessen praktischer Relevanz. 181  OFT, buyer groups, 1.62; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 25; BKartA, Würdigung Stellungnahmen Sektoruntersuchung LEH, S. 17; Inderst/Mazzarotto, Distribution, S. 12; Lowe, Präsentation, Folie 18; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 7 f.: „Argument der optimalen Preissetzung“; Niels/ Jenkins/Kavanagh, Rn. 3.118; Ahlert, in: Ahlert/Kenning/Olbrich/Schröder, S. 107; Thomas, Working Paper, S. 13. Kritisch hingegen Weidt, S.  20 ff. 182  OECD, Roundtable 2008, S. 307; Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten, Rn. 134* (Pressekurzfassung), Rn. 1093  ff., BT-Drucks. 17/10365; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 8; Haucap u. a., in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 11, 26; M. Meyer führte ein Laborexperiment mit 240 Versuchsteilnehmern durch und konnte auf Basis dieser Datengrundlage einen Wasserbetteffekt nicht bestätigen, vgl. M. Meyer, S. 57.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 91

gaben lediglich 7 % der befragten Hersteller an, Preiszugeständnisse an einen Abnehmer durch Preiserhöhungen bei anderen Abnehmern zu kompensieren183. Das erklärt sich dadurch, dass einerseits die übrigen Nachfrager ebenfalls die Belieferung zu den günstigen Konditionen verlangen werden (me too-Effekt)184. Andererseits würde sich der Verkäufer durch eine einseitige Preiserhöhung zulasten kleinerer Nachfrager zur Kompensation von ungewollten Zugeständnissen gegenüber den mächtigen Nachfragern langfristig selbst schädigen. Denn legen einerseits die kleineren Nachfrager ihre Preiserhöhung und andererseits die nachfragemächtigen Händler ihre Preissenkungen auf die Verbraucher um, so dürfte dies dazu führen, dass die Verbraucher zum Wechsel vom kleinen zum großen Nachfrager veranlasst werden185. Das wiederum führt zum Umsatzrückgang durch kleinere Nachfrager und langfristig zum Verschwinden der angeblichen Kompensationsmöglichkeit für den Anbieter. Entsprechend fand das BKartA Hinweise, dass Hersteller aus strategischen Gründen ihre Verhandlungsmacht gegenüber kleinen Händlern nicht übermäßig ausgenutzt hätten, um diese zu stützen und sich dadurch Ausweichmöglichkeiten (outside options) offenzuhalten186. Mit zunehmender Konsolidierung und aus den sogleich zum Nivellierungseffekt genannten Gründen verzichteten Hersteller allerdings weitgehend auf derartige Stützungsmaßnahmen187. Zwischenergebnis. Am Wasserbetteffekt kann gezweifelt werden. Dieser Zweifel spiegelt sich auch in den Horizontalleitlinien wider: Wurden der Wasserbetteffekt in der Fassung der Horizontalleitlinien von 2001 noch als eine der Hauptsorgen der Nachfragemacht beschrieben und in einem eigenen Beispielsfall erläutert, wird er in der aktuellen Fassung der Horizontalleitlinien nicht mehr erwähnt188. Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Die Möglichkeit eines Wasserbetteffekts kann nicht als stichhaltiges Argument gegen Nachfragemacht vorgebracht werden und keine abstrakte theory of harm zulasten von Einkaufskooperationen begründen.

183  Competition Commission (2008), 5.19  ff. und Summary, Rn. 17; OECD, Roundtable 2008, S. 310. 184  Inderst, Vortrag, The Economics of Buyer Power, S. 4. 185  OFT, buyer groups, 1.62. 186  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 25 Fn 64; vgl. dazu die theoretische Begründung bei Chen, 34 RJE 612 (2007); vgl. Haucap/Heimeshoff/Thowarth/Wey, S. 7. Zu dieser „(durchaus nicht uneigennützigen) Verantwortung“ gegenüber kleineren Nachfragern vgl. auch Ahlert, in: Ahlert/Kenning/Olbrich/Schröder, S. 107. 187  Vgl. BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 25 Fn 64; vgl. auch Raeder, S. 200 m. w. N. 188  S.u. § 4 A. III. 2.; vgl. Rn. 123 und Rn. 135 (Beispiel 1) der HLL 2001; vgl. dazu bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 11; Morais, S. 475.

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

cc) Nivellierungseffekt Demgegenüber mag eine abgeschwächte Form des Wasserbetteffekts in der Realität tatsächlich auftreten. Sie soll hier als Nivellierungseffekt bezeichnet werden. Diesen Effekt beschrieb das BKartA in seiner Abmahnung gegen EDEKA wegen der Forderung sog. Hochzeitsrabatte189. EDEKA forderte nach der Übernahme von Plus von zahlreichen Lieferanten dieselben, teilweise darüber hinausgehende Konditionen, wie sie die Lieferanten auch Plus gewährt hatten. Die Ermittlungen des BKartA bestätigten, dass Lieferanten vor dem Hintergrund derartiger missbräuchlicher Forderungen durch ein zumindest relativ marktmächtiges Unternehmen „sich von vornherein davon abhalten lassen, kleineren Handelsunternehmen günstige Konditionen einzuräumen“190. Insoweit ist das häufig vorgetragene Argument, wonach den Mitgliedern der Kooperation ja die Möglichkeit verbleibe, an dieser vorbei einzukaufen nur von geringer praktischer Relevanz. Denn sobald es einem Mitglied der Kooperation gelingen sollte, abweichend von den anderen Mitgliedern und der Kooperation günstigere Bedingungen zu erzielen, besteht eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit, dass es der Kooperation und/oder den anderen Mitgliedern davon berichtet (sei es aufgrund von Pflichten gegenüber der Kooperation, kartellrechtlich möglichen oder illegalen Informationsaustauschs) oder sie es auf sonstige Weise erfahren. Die Gefahr, dass alle Mitglieder der Kooperation diese Konditionen einfordern werden, dürfte entsprechend groß sein. Praktisch wird sich daher kein Anbieter, der von der Mitgliedschaft des Nachfragers in der Einkaufskooperation Kenntnis hat, darauf einlassen, diesem bessere Konditionen zu erteilen. Das BKartA weist in der Sektoruntersuchung noch auf weitere praktisch relevante Aspekte hin, die mit diesem Effekt in Zusammenhang stehen: Sind einzelne Kooperationsmitglieder nicht nur Mitglied in einer Einkaufskooperation, sondern noch in einer weiteren oder mehreren, entstehen sog. Netzeffekte191. Die Kooperationsmitglieder bekommen dadurch umfassende Kenntnisse von den Einkaufskonditionen unterschiedlicher Kooperationen. Die Mitgliedschaft in mehreren Kooperationen sowie der Wechsel zwischen BKartA, Beschl. v. 3.7.2014, B2-58/09 – Anzapfverbot. Pressemitteilungen vom 24.7.2013 „Abmahnung für EDEKA wegen „Hochzeitsrabatten“ nach Plus-Übernahme“; vgl. BKartA, Beschl. v. 3.7.2014, B2-58/09 – Anzapfverbot, S. 5; vgl. dazu auch BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 45 f. Die Entscheidung wurde vom OLG Düsseldorf aufgehoben, vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.11.2015, VI-Kart 6/14 (V) – Hochzeitsrabatte. Der BGH bestätigte die Entscheidung des BKartA größtenteils, vgl. BGH, Beschl. v. 23.1.2018, KVR 3/17 – Hochzeitsrabatte. 191  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 15. 189  Vgl.

190  BKartA,



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 93

Kooperationen befördern damit den Nivellierungseffekt. Denn Lieferanten müssen befürchten, dass die Nachfrager bei Abgleich der jeweils besten Konditionen, in anschließenden Verhandlungen dieselben Konditionen fordern192. Die Konsequenzen können gar noch weitreichender sein: Hersteller stellen aus diesen Gründen häufig die Verhandlungen mit Einkaufskooperationen mit wechselwilligen kleinen Mitgliedern ein193. dd) Spiraleffekt Erhält ein nachfragemächtiger Käufer von den Anbietern auf dem Beschaffungsmarkt bessere Konditionen als seine Wettbewerber, kann er diese wiederum ganz oder teilweise an seine Kunden, d. h. die Endverbraucher, weitergeben, um dadurch seine Marktposition auf dem Absatzmarkt zu verbessern. Dies führt wiederum dazu, dass er größere Mengen zu günstigeren Konditionen bestellen kann, was seine Nachfragemacht auf dem Beschaffungsmarkt weiter steigen lässt und seine Position gegenüber kleineren Wettbewerbern auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten verbessert. Diese stärkere Position kann er erneut nutzen, um seine Position auf dem Absatzmarkt zu verbessern, was letztlich die Wettbewerbsfähigkeit und Existenz kleinerer Wettbewerber gefährdet. Dieser Mechanismus wird als Spiraleffekt bezeichnet.194 Obgleich sich das BKartA die Frage stellt, ob der sog. Spiraleffekt ebenso wie der Wasserbetteffekt nur eine theoretische Überlegung ist oder es sich um eine in der Praxis ernstzunehmende mögliche Auswirkung der Ausübung von Nachfragemacht handelt195, beschreibt es diesen Effekt doch ausführlich in den Fusionskontrollentscheidungen EDEKA/Tengelmann und EDEKA/ trinkgut und hält diesen Effekt im Lebensmitteleinzelhandel für gegeben196. Dabei stützt es sich auf die Kommissionsentscheidung REWE/Meinl197. Die 192  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 15; diese Feststellung trifft auch die italienische Wettbewerbsbehörde AGCM in ihrer Sektoruntersuchung „Indagine conoscitiva sul settore della GDO – IC43“, S. 106; vgl. Raffaelli, Italian Antitrust Review 2014, 33, 62. 193  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 15. 194  Vgl. BKartA, Beschl. v. 28.10.2010, B 2-47250 – Fa – 52/10 – EDEKA/trinkgut, S. 100; BKartA, Beschl. v. 3.7.2014, B2-58/09 – Anzapfverbot, Rn. 61 sowie BKartA, Pressemitteilungen vom 24.7.2013 und 03.7.2014. 195  BKartA, Nachfragemacht im Kartellrecht, Hintergrundpapier, S. 16 Frage 3. 196  Vgl. BKartA, Beschl. v. 28.10.2010, B 2-47250 – Fa – 52/10 – EDEKA/trinkgut, S. 100; BKartA, Beschl. v. 30.6.2008, B2-333/07 – EDEKA/Tengelmann (Plus), S.  103 f. 197  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 73; vgl. auch BWB, Untersuchung des österreichischen Lebensmittelhandels, S. 9.

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Kommission hat sich außerdem in den Fusionskontrollfällen Kesko/Tuko und Carrefour/Promodès mit diesem Effekt auseinandergesetzt198. Der Spiraleffekt tritt auf, wenn (i) die Einkaufskooperation auf beiden Märkten einen ausreichenden Marktanteil aufweist und (ii) auch die Anbieterseite aus marktstarken Anbietern besteht. Insofern besteht ein Paradoxon: einerseits ist die Einkaufskooperation positiv, um einer vermachteten Marktgegenseite Paroli bieten zu können, andererseits ist die Gefahr, dass ein Spiraleffekt entsteht, ohne eine solche vermachtete Marktgegenseite gering. Denn weisen die Anbieter gegenüber den kleineren Nachfragern nicht ausreichende Verhandlungsmacht auf, können sie diesen gegenüber keine Preissteigerungen durchsetzen. Trotz der Prüfung des Spiraleffekts durch die Wettbewerbsbehörden, wird seine praktische Relevanz bezweifelt199. Denn er setzt voraus, dass das Angebot der Hersteller trotz sinkender Verkaufserlöse gleich bleibt und auch die Wettbewerber des nachfragemächtigen Unternehmens ihr Sortiment unverändert lassen200. Zudem müssen sich die Wettbewerbsbehörden dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass sie durch die Figur des Spiraleffekts ineffiziente Wettbewerber künstlich am Leben erhalten und damit Wettbewerber vor Wettbewerb statt den Wettbewerb als solchen zu schützen201. ee) Abschottungs-/Verschließungseffekte Abseits der Effekte auf Preise könnten die Mitglieder einer Einkaufskooperation ihre Nachfragemacht dazu missbrauchen, Wettbewerbern den Zugang zu Lieferanten zu beschränken202. Das Prinzip wurde bereits oben in Form von vertikalen Exklusivvereinbarungen zwischen Einkaufskooperationen und Herstellern aufgezeigt203. Es kann aber auch ohne gegenseitige Vereinbarung durch Nachfragemacht entstehen. Nachfragemächtige Kooperationen könnten von den Herstellern fordern, dass sie im Extremfall keine anderen Händler beliefern, jedenfalls aber keine günstigeren Konditionen gewähren dürfen204. Voraussetzung dafür ist, dass der Nachfrager für den 198  Vgl.

dazu unten § 3 E. I. 2. b) bb) und cc). WuW 2008, 1261, 1268; Raeder, S.  195 f. 200  Inderst, WuW 2008, 1261, 1268; Raeder, S.  195 f. 201  Raeder, S. 195 f.; vgl. allgemein zu diesem Vorwurf im Rahmen des Art. 102 AEUV Wurmnest, S. 254 und 410; Mohr, S. 429. 202  Rn. 203 HLL; OFT, Short-form Opinion v. 27.4.2010 – P&H/Makro Joint Purchasing Agreement, 5.3; van Bael/Bellis, S. 528; K. Westermann/Bergmann, in: Fett/Spiering, Hdb. Joint Venture, Kap. 5, Rn. 167. 203  S. o. § 2 A. II. 1. d). 204  Vgl. Kokkoris/Shelanski, 11.31. 199  Inderst,



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 95

jeweiligen Hersteller von so großer Bedeutung ist, dass er dessen Verlust nicht zu riskieren vermag. Der Effekt wurde von der Monopolkommission untersucht, konnte aber nicht nachgewiesen werden oder tritt allenfalls in sehr seltenen Konstellationen auf205. Eine vergleichbar verdrängende Wirkung kleiner Konkurrenten hätte ein sog. predatory overbuying. Spiegelbildlich zum predatory pricing würde der mächtige Nachfrager den Herstellern bessere Konditionen zugestehen und/ oder mehr als die erforderliche Mengen einkaufen, um so eine Belieferung der Konkurrenten zu verhindern oder Preiserhöhungen für diese zu verursachen206. Dem Konzept des predatory overbuying muss zunächst derselbe Einwand entgegengehalten werden, die auch seinem Pendant, dem Konzept des predatory pricing, entgegengebracht werden: ein solcher Missbrauch ist sehr kostspielig207. Er rentiert sich nur, wenn die Verluste nach einem relativ schnellen Marktaustritt des Konkurrenten ebenso schnell durch monopsonartige Gewinne kompensiert werden können. Die Chicago School hielt dieses Verhalten für derart irrational, dass es von einer per se-Freistellung ausging208. Mittlerweile verfolgt die Rechtsprechung in den USA zwar einen rule of reason-Ansatz, und auch in Europa ist das Phänomen anerkannt, dennoch ist es sehr selten vorzufinden209. Bei Einkaufskooperationen sollte es gar noch seltener auftreten als bei einem einzelnen nachfragemächtigen Unternehmen. Denn eine Abstimmung einer derartig kostspieligen wie unsicheren – noch dazu mit dem Verdikt der Kartellrechtswidrigkeit belasteten – Entscheidung unter den Kooperationsmitgliedern dürfte deutlich schwerer fallen als durch einen einzelnen Entscheidungsträger. 205  Monopolkommission, XIX.  Hauptgutachten, Rn.  134* (Pressekurzfassung), Rn. 1097 ff., BT-Drucks. 17/10365. 206  Vgl. dazu Weyerhaeuser Co. v. Ross-Simmons Hardwood Lumber Co., 549 U.S. 312, 321 (2007) und Weyerhaeuser Co. V Ross-Simmons Hardwood Lumber Co., 127 S. Ct. 1069 (2007); Werden, 74 Antitrust L. J. 707 (2007); Salop, 72 Antitrust L. J. 669 (2005); Lopatka, in: Blair/Sokol, S. 72 ff.; vgl. BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 25; Lowe, Präsentation, Folie 19. 207  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 26. 208  Vgl. dazu ausführlich Pries, S.  20 ff. m. w. N. Aus verhaltensökonomischer Sicht betrachtet, lässt sich die Wahrscheinlichkeit für predatory pricing nur schwer einschätzen: einerseits dürfte predatory pricing noch seltener auftreten. Denn die Grundannahme kurzfristiger Verluste zum Erhalt langfristiger Gewinne liegt dem real handelnden Manager noch weniger als dem rational handelnden homo oeconomicus, und die zukünftig zu erwartenden Gewinne müssten also noch weit höher sein (hyperbolic discounting). Andererseits könnte predatory pricing häufiger auftreten, wenn die Wirksamkeit der Verdrängungsmaßnahme und die langfristig zu erzielenden Gewinne überschätzt werden (overconfidence bias); vgl. Heinemann, in: Mathis, S.  211, 226 f. m. w. N. 209  Vgl. dazu ausführlich Pries, S.  41 ff. m. w. N.

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

ff) Konzentrations- und kollusionsfördernde Effekte auf Anbieterseite Konzentrationsförderung. Einkaufskooperationen sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, Beschleuniger von Konzentrationsprozessen zu sein. Das gilt zunächst für die Nachfrageseite. Dort führt die Gründung der Einkaufskooperation selbst zur Konzentration, kann darüber hinaus aber auch Anreize für die Bildung weiterer Einkaufskooperationen setzen und Konzentrationsprozesse fördern210. Aber auch der Konzentrationsprozess der Anbieterseite kann durch die Einkaufskooperation verschärft werden211. Das BKartA bezeichnet ihn als „naheliegende Konsequenz der hohen Konzentration der Nachfrageseite“.212 Dasselbe gilt aber auch andersherum und entpuppt sich als Huhn-Ei-Problem, welches keiner Lösung zugeführt werden kann213. Kollusionsförderung. Starke Nachfragemacht erhöht zudem das Risiko von Kollusionen der Marktgegenseite, wie die zahlreichen Kartelle in der Automobilzuliefererindustrie beispielhaft zeigen.214 Strukturkrisen rechtfertigen aber keine illegale Kartellisierung. Illegales Verhalten kann Nachfragern nicht zum Vorwurf gemacht werden, sondern hat allein beim kartellrechtswidrig handelnden Unternehmen seinen Ursprung. Etwaige kartellrechtliche oder wettbewerbspolitische Entscheidungen haben daran anzuknüpfen.

210  Beleg dafür ist ein Fall aus Norwegen. Auch in Norwegen ist der Lebensmitteleinzelhandel stark konsolidiert. Er besteht aus vier vertikal integrierten LEH-Ketten. Der größte LEH, Norgesgruppen, wollte gemeinsam mit dem viertgrößten LEH, ICA, eine Einkaufs- und Verkaufsvereinbarung schließen. Die Vereinbarung wurde auf fünf Jahre geschlossen und sah vor, dass Norgesgruppen 60 % von ICAs Einkaufs- und Verwaltungsgeschäft ausführt. Als Reaktion darauf drohten die beiden verbleibenden LEHs ebenfalls eine gemeinsame Kooperation zu gründen, sollte die erste von der Wettbewerbsbehörde genehmigt werden. Die Wettbewerbsbehörde verbot die Kooperation schließlich, vgl. Global Competiton Review (GCR) v. 13.2.2014, Norway set to block supermarket agreement. 211  Dobson, Retailer Buyer Power, S. 20. 212  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Ergebnisse und Schlussfolgerungen, S. 2. 213  Bahr, S. 247 warnt davor Gegenmachtbildung als Rechtfertigung anzusehen. Das führe zu einem „Hinaufschaukeln“ gegenseitiger Marktkonzentration. 214  Vgl. Kommission, Pressemitteilung v. 8.3.2017, Kartellrecht: Kommission verhängt in Kartellvergleichsverfahren Geldbußen von 155 Mio. € gegen sechs Anbieter von Fahrzeugklimatisierungs- und Motorkühlsystemen; BKartA, Pressemitteilung v. 24.6.2015, Bundeskartellamt verhängt Bußgelder i. H. v. 75 Mio. € gegen Automobilzulieferer.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 97

gg) Sozialpolitische Effekte Die weitreichendsten Effekte sind sozialpolitischer Natur. Nachfragemacht führe bei Zulieferern und Unternehmen ohne Nachfragemacht zu einem erhöhten Preis- und Kostendruck, der nur durch Weitergabe an die Beschäftigten kompensiert werden könne: Entlassungen, Lohnsenkungen und längere Arbeitszeiten seien die Folge215. Derartige Effekte mögen mitunter denkbar sein. Allerdings ist fraglich, ob das Kartellrecht das geeignete Mittel ist, derartige Effekte zu korrigieren216. Vielmehr bieten sich hier arbeitsschutzrechtliche, steuer- und sozialpolitische Lösungen (beispielsweise durch Mindestlöhne, Tarifverträge, Subventionen) an.

III. Ungeklärte Auswirkungen von Einkaufskooperationen und Nachfragemacht Während die oben in den Abschnitten I. und II. dargestellten Wirkungen der Nachfragemacht klar als positiv oder negativ eingeordnet werden konnten – auch wenn ihre Eintrittswahrscheinlichkeiten mitunter unklar oder nur sehr gering waren –, ist bei den folgenden Auswirkungen bereits unklar, ob die Bildung von Einkaufskooperationen und die damit verbundene potentielle Entstehung bzw. Steigerung von Nachfragemacht überhaupt zu negativen oder positiven Wirkungen führt. 1. Qualitäts- und Innovationsverluste? a) Problemstellung Neben den oben genannten Auswirkungen, die überwiegend auf Preise wirken, könnte auch die Produktqualität und Innovation durch Einkaufskooperationen und die mit ihnen verbundene Nachfragemacht beeinträchtigt werden217. So werden in Rn. 200 HLL Qualitätsrückgang und das Nachlassen von innovativen Anstrengungen als mögliche negative Auswirkungen der Gründung von Einkaufskooperationen genannt.

215  Bontrup,

WRP 2006, 225, 231; Köhler, Nachfragemacht (2013), S. 2. gebotenen Zurückhaltung sozialer Erwägungen im Kartellrecht vgl. Kling, Neoliberalismus, S.  94 ff. 217  Vgl. dazu Inderst/Shaffer, 117 Econ. J. 45 (2007); Chen, 22 Res. L. & Econ. 17, 25 (2007); Kokkoris, 29 World Competition 139, 151 (2006); Ezrachi, JCLE 2012, 47, 53; Ezrachi/Jong, ECLR 2012, 257, 258; vgl. Lindberg, ECJ 2011, 433, 435. 216  Zur

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Es bestehe die Gefahr, dass die Hersteller die den mächtigen Nachfragern gewährten Preisnachlässe durch qualitative Einbußen kompensieren, indem sie etwa minderwertigere Grundsubstanzen verwenden. Zudem schädige Nachfragemacht die langfristigen Anreize der Lieferanten, in Innovationen zu investieren218. Denn durch die geringeren Gewinnmargen ist weniger Kapital vorhanden, das in Forschung und Entwicklung investiert werden könnte. Vor allem aber sinkt die Aussicht, die Investitionen in Forschung und Entwicklung durch anschließende Gewinne wieder kompensieren zu können. Der Innovationsanreiz werde auch durch den Imitationswettbewerb der Lebensmitteleinzelhändler durch Handelsmarken verringert219. All dies ist denkbar, jedoch keine ökonomische Gewissheit. Genauso gut könnten Hersteller versuchen, die Nachfrage der Endkunden nach ihren Produkten durch höhere Qualität zu stärken, neue innovative Produkte entwickeln oder Marken aufbauen, um auf diese Weise der Verhandlungsmacht der Nachfrager etwas entgegenzusetzen220. Nachfragemacht würde insoweit die extrinsische Motivation der Hersteller stärken qualitativ höherwertige und/ oder innovativere Produkte zu entwickeln und zu produzieren, um dadurch ihre eigene Verhandlungsmacht zu erhöhen221. Auch können marktstarke Nachfrager Investitionen in innovative Produkte absichern, indem sie Mindestabnahmemengen garantieren und damit hold-up-Probleme minimieren222. Ferner führen die Handelsmarken der Hersteller nicht zwangsläufig zu Qualitätsrückgängen. Handelsmarken fanden ihren Ursprung zwar im Niedrigpreissegment (und damit zumeist verbundener geringerer Qualität), sind nun aber zunehmend im gesamten Qualitätsspektrum vorhanden223. Zwar ist Innovationswettbewerb prinzipiell besser als Imitationswettbewerb. Doch die 218  Vgl. auch BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S.  24; Blair/Durrance, 35 Manage Decis. Econ. 433, 436 (2014); darstellend Niels/Jenkins/Kavanagh, Rn. 3.113. 219  Vgl. auch BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 24. 220  Vgl. auch OECD, Nachfragemacht, S. 30 Rn. 79; OFT, Short-form Opinion v. 27.4.2010 – P&H/Makro Joint Purchasing Agreement, 5.1; vgl. auch BKartA, Nachfragemacht im Kartellrecht, Hintergrundpapier, S. 5; vgl. auch BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 24; dazu bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 10; Niels/Jenkins/ Kavanagh, Rn. 3113; Thomas, ZWeR 2015, 210, 241; Haucap/Heimeshoff/Thowarth/ Wey, S. 3; Inderst, Studie Markenverband, S. II; Höft, S. 336; Raeder, S. 205 und 209. Zu derartigen must-stock-Produkten s. o. § 2 B. I. 2. 221  Inderst/Wey, 51 Eur. Econ. Rev. 647 (2007); Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn. 203 m. w. N. 222  Zum hold-up-Problem s. o. § 2 A. I. 3.; vgl. Inderst/Wey, 51 Eur. Econ. Rev. 647 (2007); Inderst/Wey; Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 10. 223  Krueger, in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 49, 52; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 10 m. w. N.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 99

Fähigkeit des Lebensmitteleinzelhandels zur schnellen Imitation sorgt auch dafür, dass eine größere Masse an Verbrauchern die innovativen Produkte zu günstigeren Bedingungen beziehen kann224. Realistischerweise wird der Anbieter seine Investitionen neben der Förderung von Qualität und Innovation vermehrt für flexibilitätsfördernde Maßnahmen einsetzen, etwa für die Suche nach neuen Absatzmärkten225. Der Druck durch die Nachfrager mag zudem Anreize für Hersteller schaffen ihre Produktionskosten zu reduzieren226. Das muss nicht unbedingt durch sozialpolitisch einschränkende Maßnahmen wie Entlassungen, Lohnsenkungen oder längere Arbeitszeiten227 geschehen, sondern kann ebenfalls durch Innovationen, etwa neuere Produktionsprozesse, realisiert werden. All dies ist nicht zwangsläufig negativ zu bewerten. b) Theoretische Grundlagen Damit handelt es sich um die altbekannte Kontroverse der Innovationstheorien (Schumpeter vs. Arrow) in neuem Gewand: Während Monopole nach der Preistheorie klar negativ zu bewerten sind, sind sie aus Sichtweise eines dynamischen Innovationswettbewerbs nach Schumpeter positiv zu betrachten, da sie die notwendige Finanzkraft haben, um in Forschung und Entwicklung zu investieren228. Entsprechend sollten fehlender Nachfragedruck und höhere Gewinne bei den Lieferanten diese dazu veranlassen, neue Produkte zu entwickeln. Demgegenüber führt eine höhere Wettbewerbsintensität nach Arrow zu einer Rivalität, die Innovationen begünstigt. Monopolisten fehle hingegen der Anreiz zur Innovation, da diese von neueren Entwicklungen absehen, die ihre eigenen bisherigen Anlagen entwerten229. 224  Haucap

u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 10. Commission, Supermarkets Report (2000), S. 7 Rn. 1.11; Mischitz, S.  47 f.; Inderst/Wey, 51 Eur. Econ. Rev. 647 (2007). 226  Inderst/Wey, 51 Eur. Econ. Rev. 647 (2007). 227  S. o. § 2 A. II. 2. d) gg). 228  Schumpeter (1934) und (1942); vgl. van den Bergh/Camesasca, S. 86; van Doorn, S. 50; Oxera, Innovation, S. 1. Größere Firmen können höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen, da diese für sie günstiger und die Risiken geringer sind, vgl. van den Bergh/Camesasca, S. 86. Es ist fraglich, ob Schumpeters Theorie heute – in Zeiten günstiger Zinsen, in denen zahlreiche Investoren auf der Suche nach Investments sind und sich Crowdfunding etabliert hat, sodass innovative Ideen stets finanzielle Unterstützung finden sollten – noch so gilt wie damals. Die Antwort wird auch vom Innovationsgrad des jeweiligen Industriesektors abhängig sein. 229  Arrow (1962), S. 609–625; Lüken, S. 16; van Doorn, S. 49; Oxera, Innovation, S. 1. 225  Competition

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§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Innovationsanreize

Die Antwort liegt wohl – wie so oft – in der Mitte230. So geht die Innovationsforschung heute überwiegend von einer umgekehrten U-Kurve aus231. Demnach steigen die Innovationsanreize entsprechend der Theorie von Arrow bis zu einem gewissen Grad an Wettbewerbsintensität und fallen bei zu starkem Wettbewerb entsprechend der Theorie von Schumpeter ab232. Denn je intensiver der Wettbewerb ist, desto kleiner sind die zu erwartenden Gewinne, und umso geringer ist der Anreiz, in Innovationen zu investieren, wenn diese nur zu kurzfristigen Monopolgewinnen führen233. Die optimale Wettbewerbsintensität liegt also zwischen Arrow-Effekt und Schumpeter-Effekt.

Optimum

Arrow

Schumpeter

Wettbewerbsintensität

Abbildung 5: Zusammenhang zw. Wettbewerbsintensität und Innovationsanreizen234

So anschaulich und überzeugend dieses Konzept ist, so bescheiden ist hingegen der daraus erwachsende Erkenntnisgewinn. Denn es bleibt unklar, welche Wettbewerbsintensität und damit welcher Grad an Innovationsanreiz im konkret zu beurteilenden Sektor besteht und wie die Wettbewerbsintensität durch die Bildung einer Einkaufskooperation beeinflusst wird235. Insoweit ist es bis heute nicht gelungen, die Innovationswirkungen im Falle von vollkommenen Wettbewerb auf der einen und durch Marktmacht eingeschränkten Motta, S. 57; Chauve/Renckens, JECLP 2015, 513, 526. dazu Aghion u. a., 120 Q. J. Econ. 701 (2005); Lüken, S. 23. 232  Vgl. dazu Aghion u. a., 120 Q. J. Econ. 701 (2005). 233  Vgl. Bishop/Walker, 2-037; Lüken, S. 21. Gerade das ist die ökonomische Rechtfertigung für einen Patentschutz. 234  Abbildung nach Chauve/Renckens, JECLP 2015, 513, 526 und Oxera, Innovation. 235  Vgl. Oxera, Innovation, S. 2. 230  Vgl. 231  Vgl.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 101

Wettbewerbs auf der anderen Seite in einem analytisch belastbaren Modell abzubilden236. c) Empirische Untersuchungen zu Innovations- und Qualitätsrückgang im Lebensmitteleinzelhandel Ebenso wenig existieren klare empirische Belege für einen negativen Zusammenhang zwischen Nachfragemacht und einem Innovationsrückgang auf der Herstellerseite237. So fand die Competition Commission in ihrer Studie zum Lebensmitteleinzelhandel im Vereinigten Königreich keine Anzeichen für den Rückgang bei Investition und Innovation, sondern vermutete lediglich einen höheren Grad bei funktionsfähigem Wettbewerb238. Im September 2014 veröffentlichte die Kommission die von ihr in Auftrag gegebene Studie „The economic impact of modern retail on choice and innovation in the EU food sector“. Auf 450 Seiten wurden dort die Veränderungen der Auswahl und Innovation im Lebensmitteleinzelhandel in neun EUMitgliedstaaten ökonometrisch untersucht. Die Studie zeigt, dass sich die Produktauswahl in den Jahren 2004–2008 stark und in dem durch die Finanzkrise betroffenen Zeitraum von 2008–2012 leicht verbessert hat239. Die ökonometrische Analyse fand keine klaren Beweise für eine Beziehung zwischen Handelskonzentration und Auswahlmöglichkeiten für Verbraucher in negativer oder positiver Hinsicht240. Dasselbe gilt für eine erhöhte Anbieterkonzentration241. Die Anzahl an Innovationen stieg in den Jahren 2006– 2008 und nahm von 2008–2012 ab. Auch beziehen sich die Innovationen in neuester Zeit eher auf neue bzw. verbesserte Verpackungen statt auf neue oder verbesserte Produkte242. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass 236  Kerber/Schwalbe, in: MünchKomm, Einl., Rn. 1025, 1051, 1089; I. Schmidt, in: FS Säcker, S. 939, 940; vgl. Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 10; Apel, S.  73 f. 237  Zur Kritik an bisherigen empirischen Untersuchungen vgl. C. Köhler/Rammer. Sie zeigen in ihrer empirischen Untersuchung auf, dass das Gegenteil gilt. Nachfragemacht kann die Innovationsanreize des Zulieferers erhöhen. Weiss/Wittkopp zeigen zwar auf, dass nachfragemächtige Käufer die Innovationsanreize in die Entwicklung neuer Standardprodukte im deutschen LEH reduzieren. Das gilt allerdings nicht für Premiumprodukte, die insoweit ein probates Mittel gegen nachfrageseitige Macht bilden. 238  Competition Commission (2008), 9.28; vgl. Niels/Jenkins/Kavanagh, Rn. 3.113; vgl. auch Raeder, S. 207. 239  Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 26. 240  Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 33. 241  Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 33 f. 242  In diesem Zusammenhang betont das BKartA die Schwierigkeit Innovationen empirisch zu erfassen. Die Ermittlung neuer Artikelnummern ist keine exakte Methode, da dadurch vermehrt bloße Verpackungsänderungen statt echter Innovatio-

102

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

eine höhere Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel zu weniger Innovation führt243. Im Gegenteil: Ein Ungleichgewicht zulasten von Herstellern und zugunsten der Anbieter führte grundsätzlich zu mehr Innovation244. Demgegenüber konnte aufgezeigt werden, dass eine größere Konzentration auf Anbieterseite negative Auswirkungen auf die Innovation hat245. Dies stimmt mit dem Grundsatz überein, dass eine höhere Wettbewerbsintensität zu mehr Innovation führt246. Die Studie konnte auch keine signifikanten Hinweise darauf finden, dass ein großer Anteil an Handelsmarken der Innovation abträglich sei247. d) Zwischenergebnis Insgesamt sind die Auswirkungen der Nachfragemacht auf Qualität und Innovation derart ungewiss, dass sie zwar im Einzelfall theoretisch denkbar sind, aber keine Pauschalvermutung zulassen248. Sie können daher keine stabile Grundlage für eine kartellrechtliche Bewertung bilden249. 2. Beeinträchtigung der Produktvielfalt? Unabhängig von der soeben beschriebenen Nachfragemacht wird der Bildung von Einkaufskooperationen zuweilen auch eine negative Auswirkung auf die Produktvielfalt zugesprochen. So bestehe die Gefahr, dass sich die Produktvielfalt durch die Bündelung des Einkaufs verringere, indem die Kooperation ihren Mitgliedern die Sortimentsentscheidung abnehme250. Es wird angeführt, dass bei Bezug aller individuell gewünschten Produkte günstige Einkaufspreise nicht mehr erzielt werden könnten251. Das mag mit Blick auf Skaleneffekte tatsächlich der Fall sein. Wie oben gezeigt, sind es aber nen gemessen werden, was die Ergebnisse verzerrt, vgl. BKartA, Würdigung Stellungnahmen Sektoruntersuchung LEH, S. 16. 243  Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 36; vgl. insoweit auch die Untersuchung von Weiss/Wittkopp (s. o. Fn. 237); vgl. Haucap/Heimeshoff/Thowarth/ Wey, S. 7. 244  Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 37. 245  Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 37. 246  Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 37. 247  Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 37. 248  Haucap/Heimeshoff/Thowarth/Wey, S. 7. 249  Vgl. dazu auch § 5 C. III. 1.; so auch Thomas, ZWeR 2015, 210, 241. 250  Ruppelt, S. 16. 251  Ruppelt, S. 16; zu potentiellen negativen Wirkungen von Nachfragemacht auf die Produktvielfalt im Rahmen einer Fusion vgl. Inderst/Shaffer, 117 Econ. J. 45, 47 ff. (2007); Raeder, S. 207.



A. Ambivalente Auswirkungen von Einkaufskooperationen 103

noch zahlreiche andere positive Effekte, die es einer Einkaufskooperation ermöglichen, Einsparungen zu erzielen (etwa reduzierte Transaktionskosten)252. Zudem werden sich die Mitglieder der Kooperation an den Kundenwünschen orientieren und ihre spezifischen Sortimentsbedürfnisse auch gegenüber der Kooperation kommunizieren253. Schließlich werden sich die Kooperationsmitglieder, die für ihr lokales Sortiment bedeutsamen Produkte, sollten sie nicht über die Einkaufskooperation zu beziehen sein, unabhängig von dieser beschaffen, ohne dass die Produktvielfalt eingeschränkt wird. Denn letztlich bestimmt die Nachfrage des Verbrauchers die Produktvielfalt254. Die Produktauswahl wird damit gerade zu einem entscheidenden Differenzierungsfaktor in konzentrierten Märkten, den sich die Kooperationsmitglieder zunutze machen, statt ihn zu schädigen255. 3. Förderung von Marktaustritten? Teilweise wurde befürchtet, dass Nachfragemacht zu einem Verschwinden kleinerer Hersteller führe. Eine Schädigung der Lieferanten durch die Einkaufskooperation ist aber größtenteils unwahrscheinlich. Entweder vermögen Einkaufskooperationen es nicht, die Lieferanten zu schädigen, da ihre Nachfragemacht zu gering ist oder sie wollen es nicht, um ihre eigenen Interessen nicht zu gefährden256. Schließlich wird selbst der monopsonistische Nachfrager keinen Pyrrhussieg erringen wollen. Er wird keine Preispolitik betreiben, die dazu führt, dass Hersteller und Lieferanten durch von ihm ausgelöste Gegenmacht aus dem Markt austreten müssen und sich so letztlich selbst schaden257.

252  S. o.

§ 2 A. I. 2. u. a., in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 11, 24 f. 254  Instruktiv am Beispiel des italienischen Chianti-Weins Meier, ZfgG Bd. 28 (1978), S. 251, 255. 255  Vgl. Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 33; Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn. 204. 256  OFT, buyer groups, 1.89; GA Maduro, Schlussanträge vom 10.11.2005, Rs. C-205/03 – FENIN, Slg. 2006, I-6295, Rn. 66; vgl. darstellend Holzinger, S.  123 f.; kritisch dazu Raeder, S. 177. 257  Mischitz, S.  46 f.; Niels/Jenkins/Kavanagh, Rn. 3.113. 253  Haucap

104

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

IV. Zwischenergebnis zu den ambivalenten Wirkungen von Einkaufskooperationen und Plädoyer für eine positive Bewer­ tung von Einkaufskooperationen Die ökonomischen Auswirkungen sind nicht immer eindeutig. Eine Tendenz ist jedoch ersichtlich, die zur Grundaussage berechtigt, dass die ökonomischen Wirkungen einer Einkaufskooperation im Zweifel positiv sind258. Denn die gegen Einkaufskooperationen vorgebrachten Argumente erweisen sich größtenteils als nicht stichhaltig oder nur wenig bedeutsam: Dies gilt zunächst für die Gefahr erhöhter Kollusion. Zwar ist ein Informationsaustausch der Mitglieder tatsächlich leichter möglich. Letztlich hängt das aber von der Gestaltung der Kooperation ab und liegt im Vergleich zu Absprachen außerhalb von Kooperationen oder innerhalb von Verbänden nicht deutlich höher. Auch aus vertikalen Vereinbarungen resultierende Abschottungseffekte treten in der Praxis selten auf, wie oben gezeigt. Was die aus Einkaufskooperationen hervorgehende Nachfragemacht betrifft, so zeigt die Analyse, dass sichere negative Auswirkungen in Form des Monopson-Modells nur in seltenen Fällen auftreten. Die Gefahr einer gezielten Nachfragereduzierung besteht allenfalls im schmalen Anwendungsbereich des Monopson-Modells ((i) mächtiger Nachfrager, (ii) steigende Angebotskurve, (iii) hohe Marktzutrittsschranken und (iv) geringer Wettbewerb auf dem Absatzmarkt). Zudem zeigen die Ausführungen, dass die durch das Monopson-Modell beschriebene Gefahr bei Einkaufskooperationen niedriger ist als bei einem einzelnen mächtigen Nachfrager. Grund dafür ist die potentielle Möglichkeit des cheatings der einzelnen Kooperationsmitglieder, d. h. des Kaufs an der Kooperation vorbei. Abgesehen von einem Unbefinden der Hersteller sind die Auswirkungen auf den Wettbewerb im Übrigen gering: Qualitäts- und Innovationsverlust als Hauptsorgen der Horizontalleitlinien entbehren ausreichender ökonomischer Fundierung und empirischer Nachweise und können daher nicht als Fundament rechtlicher Missbilligung von Nachfragemacht dienen. Auch weitere Gefahren der Nachfragemacht, etwa der sog. Wasserbetteffekt können nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. Demgegenüber können die positiven Wirkungen von Einkaufskooperationen in Form von Effizienzgewinnen, insbesondere der Erzielung von Skaleneffekten und der Ersparnis von Transaktionskosten, nicht geleugnet werden und sind empirisch nachgewiesen. Bei Abwägung dieser klaren positiven Wirkungen mit den zumeist nebulösen oder ungewissen negativen Wirkungen von Einkaufskooperationen kann auch an dieser Stelle auf Aristoteles verwiesen werden, der die hier heraus258  Im

Ergebnis auch Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 4 (1991).



B. Faktoren zur Bestimmung der Auswirkungen 105

gearbeiteten Erkenntnisse bereits in treffende Worte gekleidet hatte: „Denn von den Extremen ist das eine mehr, das andere weniger fehlerhaft.“259 Weniger fehlerhaft ist vorliegend eine positive Bewertung von Einkaufskooperationen. Die rechtliche Bewertung muss diese Tendenz durch eine positive Einstellung gegenüber Einkaufskooperationen widerspiegeln.

B. Faktoren zur Bestimmung der Auswirkungen Prägend für die Auswirkungen der Einkaufskooperationen sind kooperations-, produkt- und marktbezogene Faktoren. Mit kooperationsbezogenen Faktoren sind die im ersten Kapitel bereits herausgearbeiteten Charakteristika der Einkaufskooperation gemeint260. Dazu zählen die Organisationsform der Einkaufskooperation, die Anzahl ihrer Mitglieder, ihre Aktivität und Offenheit sowie ein eventueller Bezugszwang für ihre Mitglieder. Diese Faktoren werden im nächsten Abschnitt (C.) zur Analyse der Wirkungszusammenhänge zwischen Faktoren und Auswirkungen wieder aufgegriffen. In diesem Abschnitt werden die produkt- und marktbezogenen Faktoren näher beschrieben. Darunter fallen mit dem Produkt verbundene Faktoren, wie etwa die Gemeinsamkeit von Vor- und Endprodukt, die Preiselastizität sowie die Art des Produkts (I.). Prägend für die Auswirkungen der Einkaufskooperation sind zudem Faktoren, die den Markt betreffen, etwa die Marktanteile der Kooperation, der Konkurrenten und der Marktgegenseite sowie Marktzutrittsschranken (II.).

I. Produktbezogene Faktoren Relevante produktbezogene Faktoren sind die Gemeinsamkeit von Vorund Endprodukten (1.), die Art des Produkts (2.) sowie die vom Produkt abhängige Preiselastizität der Verbraucher (3.). 1. Gemeinsamkeit von Vor- und Endprodukten Der Grad der Gemeinsamkeit zwischen dem Vorprodukt, das durch die Kooperation gemeinsam eingekauft wird, und dem Endprodukt, das die jeweiligen Mitglieder herstellen und vertreiben, ist maßgebend für die Gefahr 259  Aristoteles, 260  S. o.

§ 1 D.

Nikomachische Ethik II, Kap. 9, 34, 1109a.

106

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

abgestimmten Verhaltens durch Einkaufskooperationen. Denn das Wissen um die Einkaufspreise der Kooperationsmitglieder fördert, soweit diese Wettbewerber auf dem Absatzmarkt sind, Preisabsprachen und Parallelverhalten bezüglich der Verkaufspreise261. Maßgeblich ist dabei der Grad der Gemeinsamkeit zwischen Vor- und Endprodukt. Dieser divergiert zwischen weiterverkaufender und weiterverarbeitender Industrie. So ist der Grad beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel, in dem dasselbe Produkt verkauft, das eingekauft wird, ohne dass es zu einem Verarbeitungsschritt kommt, sehr hoch262. In der Automobilindustrie als Beispiel eines weiterverarbeitenden Industriesektors ist er hingegen gering. Das einzelne Vorprodukt hat dort nur einen sehr geringen Einfluss auf den Preis des Endprodukts263. So kann aus den Kosten eines oder einiger weniger gemeinsam eingekaufter Zulieferteile (z. B. Scheibenwischer oder Sitze) von tausenden Zulieferteilen der Endverkaufspreis des Autos nicht erschlossen werden264. 2. Art des Produkts Auch die Art des Produkts, die der Hersteller verkauft, spielt für dessen Verhandlungsmacht eine entscheidende Rolle. Sie wurde im Rahmen der Erläuterung des Verhandlungsmodells bereits unter den Stichwörtern Spezialität und must-stock-Produkte besprochen265. Lediglich zu must-stock-Produkten sei hier ergänzt: Die Sektoruntersuchung des BKartA zeigt, dass diese Produkte tatsächlich existieren (als Beispiele sind für den deutschen Markt Nutella und Coca-Cola zu nennen). Allerdings sind laut der Sektoruntersuchung des BKartA nur ca. 6 % der untersuchten Markenartikel solche, deren Auslistung zu überproportionalen Umsatzeinbußen beim Supermarktbetreiber führen266. Damit überwiegt die Loyalität der Verbraucher zu ihrem Super261  FTC & DoJ, Health Care Guidelines, Statement 7A; Lindsay, 23 Antitrust 67 (2009). 262  Er liegt bei ca. 80 %, vgl. Lademann, WuW 2015, 716, 719. 263  Vgl. Areeda/Hovenkamp, Rn. 2135c; Skitol, 72 Antitrust L. J. (2005), 727, 741 nennt als Beispiel eine Kooperation aus TV-Herstellern, die vereinbaren für ein sog. Soundview-Patent nur 5 Cent pro Gerät zu bezahlen. Eine Kollusion auf den Absatzmärkten ist aufgrund dieser Vereinbarung nicht zu befürchten, denn Lizenzgebühren für Patente liegen bei weitem nicht in so hohen Bereichen, als dass sie eine Kollusion bewirken könnten. 264  Vgl. auch Areeda/Hovenkamp, Rn. 2135c. 265  S. o. § 2 A. II. 2. b) bb) (1). 266  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 353 und 379 und Sektoruntersuchung LEH, Ergebnisse und Schlussfolgerungen, S. 2.



B. Faktoren zur Bestimmung der Auswirkungen 107

markt bzw. deren Bequemlichkeit grundsätzlich gegenüber der Loyalität zu einzelnen Produkten267, zumal zahlreiche Produkte bereits durch Handelsmarken der Lebensmitteleinzelhändler substituierbar sind268. Vereinzelt wird von einem must-stock-Produkt ausgegangen, wenn der Marktanteil des Herstellers im jeweiligen Produktmarkt die Marktbeherrschungsvermutung (§ 18 Abs. 4 GWB) i. H. v. 40 % übersteigt269. Das mag eine grobe Daumenregel darstellen, vermag aber die Realität in beide Richtungen nicht abzubilden: Zum einen gibt es Hersteller, die in einem Produktmarkt Marktanteile von weit über 40 % innehaben, ohne dass die Verbraucher die speziellen Produkte geschweige denn den Hersteller kennen und einen Austausch durch vergleichbare Konkurrenzprodukte kaum bemerken würden270. Zum anderen kann ein must-stock-Produkt bereits bei weitaus niedrigeren Marktanteilen angenommen werden. Denn maßgeblich für die muststock-Eigenschaft sind primär Markenbekanntheit und Ansehen271. Entsprechend hat der BGH eine Spitzengruppenabhängigkeit für Rossignol-Skier bei einem Marktanteil von nur 8 % angenommen272. Letztlich versagt der Ansatz auch in Oligopolmärkten. So sind sowohl Maggi als auch Knorr im Markt für Tütensuppen als must-stock-Marken anzusehen. Ihr jeweiliger Marktanteil beträgt jedoch jeweils unter 35 %273. Im Ergebnis kann die must-stock-Eigenschaft eines Produktes nur im Einzel267  Berasategi, S. 10; die Studie der Rabobank, S. 8 zeigt, dass die Loyalität der Verbraucher zum Supermarkt oder zum Produkt sich zwischen Kontinenten und Kulturen unterscheidet. Während in Afrika und Indien der Kontakt zum regionalen „Tante-Emma-Laden“ überwiegt, nimmt er in entwickelten Ländern wie der Türkei zulasten kleinerer Supermärkte ab und führt zu einer Loyalität gegenüber den Produkten. Letztlich wandelt sich das Verhältnis in den Industrienationen USA und Westeuropa, in denen sich Verbraucher loyal zu großen Supermärkten verhalten; vgl. Berasategi, S. 46. 268  Vgl. Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 10 mit Verweis auf Bergès/Hassan/Monier-Dilhan, 65 Bull. Econ. Res. 1 (2013), die den französischen Einzelhandelsmarkt empirisch untersucht haben und aufzeigen, dass sich die Loyalität der Kunden für Handelsmarken und Herstellermarken kaum noch unterscheidet. 269  Weidt, S.  82 f. 270  Beispielsweise dominiert die Firma Fuchs den Markt für Gewürze mit einem geschätzten Marktanteil von 80 % ohne dass das Nichtvorhandensein ihrer Marken wie Ubena, Wagner oder Bamboo Garden Verbraucher zum Wechsel des Supermarktes bewegen dürften (vgl. Tagesspiegel v. 14.5.2015, „Firma Fuchs macht kleinen Gewürz-Anbietern das Leben schwer“). 271  Künzler, S. 437. 272  BGH, Urt. v. 20.11.1975, KZR 1/75, WuW/E BGH 1391 – Rossignol; vgl. Künzler, S. 438. 273  Vgl. Absatzwirtschaft Nr. 06 v. 25.5.2010.

108

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

fall – losgelöst vom Marktanteil – durch Kundenbefragungen oder durch empirische Auswertungen des Kundenverhaltens ermittelt werden274. 3. Preiselastizität der Nachfrage Die Eigenarten des Produkts beeinflussen auch die Preiselastizität der Nachfrage, die wiederum ein relevanter Faktor zur Bestimmung von Nachfragemacht ist. Abgebildet wird die Preiselastizität in einer Nachfragekurve. Die Kurve kann einen horizontalen, fallenden oder vertikalen Verlauf haben. Dabei lassen sich folgende Preiselastizitäten unterscheiden: Vollkommen elastisch

Sehr elastisch

Proportional elastisch

Unelastisch

Minimale Preisänderung bewirkt unendliche Mengen­ änderung

Preisänderung bewirkt über­ proportionale Mengen­ änderung

1 % Preis­ änderung bewirkt 1 % Mengen­ änderung

Preisänderung bewirkt unter­ proportionale Mengen­ änderung

5 €-Note für 4,99 €

ɳ = –∞

Enge Substitute (Nägel, Fruchtsaft ohne Marke) ɳ < –1

ɳ = –1

Vollkommen unelastisch

Grundnahrungsmittel

Lebenswichtige Medikamente; Sammlerstücke

–1 < ɳ < 0

ɳ=0

Abbildung 6: Preiselastizitäten275

Verläuft die Nachfragekurve im Koordinatensystem horizontal, ist sie vollkommen elastisch. Das bedeutet, dass minimale Preisänderungen unendliche Mengenänderungen bewirken.276 Dieser Fall tritt in der Realität eher selten 274  Ausführlich und instruktiv zu Faktoren von must-stock-Produkten vgl. Steuer, 81 Antitrust L. J., 447 (2017). 275  Abbildung nach Zorn, S.  37 f.; Bontrup, Volkswirtschaftslehre, S.  156 f.; Woll, Volkswirtschaftlehre, S. 81 (der durch Multiplikation mit -1 stets positive Werte für ɳ erhält), vgl. auch Wikipedia, Preiselastizität, abrufbar unter: https://de.wikipedia.org/ wiki/Preiselastizit %C3 %A4t. 276  Bontrup, Volkswirtschaftslehre, S. 157. Dies wäre der Fall, wenn der Verkäufer beispielsweise eine 5 €-Banknote zum Preis von 4,99 € verkaufen würde; vgl. Zorn, S. 37 f.; vgl. auch Wikipedia, Preiselastizität, a. a. O.



B. Faktoren zur Bestimmung der Auswirkungen 109

auf. Das andere Extrem ist der vollkommen unelastische Verlauf der Angebotskurve. Im Koordinatensystem verläuft die Nachfragekurve vertikal.277 In der Mitte dieser Extremfälle liegt der proportionale Verlauf, d. h. eine Preisänderung von 10 % führt zu einer Mengenänderung von 10 %. In der Realität, wie auch für die hier vorgenommene Analyse sind die Fälle der sehr elastischen Nachfragekurve und der unelastischen Nachfragekurve relevant. Bei der elastischen Nachfragekurve führt eine Preisänderung zu einer überproportionalen Mengenänderung278; bei unelastischen Nachfragekurven bewirkt eine Preisänderung eine unterproportionale Mengenänderung279. Daneben hängt die Preiselastizität der Nachfrage auch maßgeblich vom marktbezogenem Faktor Wettbewerb auf dem Absatzmarkt ab280. Je mehr Alternativen aus Verbrauchersicht bestehen, desto größer ist die Preis­ elastizität. Relevant ist dabei, inwieweit die Endverbraucher bestimmte Produkte als enge Substitute betrachten und deshalb wechselwillig sind oder nicht. Die Preiselastizität hat unterschiedliche Auswirkungen, auf die im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird281. Insbesondere führt eine geringe Preiselastizität zu geringeren Anreizen der Einkaufskooperation, Preisvorteile an die Verbraucher weiterzugeben.

II. Marktbezogene Faktoren Neben kooperationsbezogenen und produktbezogenen Faktoren werden die Auswirkungen einer Kooperation maßgeblich von marktbezogenen Faktoren geprägt. Dazu zählen ein ganzes Bündel von Faktoren, die helfen, die Marktmacht und die Markstellung der Einkaufskooperation im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern, aber insbesondere gegenüber der Lieferantenseite zu 277  Denkbar ist ein solcher Verlauf bei lebenswichtigen Medikamenten, für die ein Käufer auch unendliche Preissteigerungen in Kauf nehmen würde; Beck, S. 44; Zorn, S. 37 f.; vgl. auch Wikipedia, Preiselastizität, a. a. O. 278  Bontrup, Volkswirtschaftslehre, S. 156. Wird beispielsweise der Preis einer bestimmten Sorte Nägel oder eines Fruchtsafts ohne Marke erhöht, werden zahlreiche Kunden zur Konkurrenz wechseln, vgl. Zorn, S. 37 f.; vgl. Wikipedia, Preiselastizität, a. a. O. Auch auf Körperpflegeprodukte trifft dies zu, vgl. Bontrup, Volkswirtschaftslehre, S. 157. 279  Dies ist bei lebensnotwendigen Wirtschaftsgütern mit schlechter Substituierbarkeit der Fall, etwa bei Grundnahrungsmitteln; vgl. Woll, Volkswirtschaftslehre, S. 88; Bontrup, Volkswirtschaftslehre, S. 157; Zorn, S.  37 f. 280  S.u. § 2 B. II. 4.; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 4. 281  S.u. § 2 B. I. 3.

110

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

beschreiben. Dies sind vorwiegend die Größe der Kooperation und ihr Marktanteil, daneben auch der Umsatzanteil zwischen der Einkaufskooperation und den Lieferanten. Ausschlaggebend für die wettbewerblichen Wirkungen sind schließlich auch der Wettbewerb auf dem Absatzmarkt sowie Marktzutrittsschranken. Trotz dieser Vielzahl an Faktoren kann die nachfolgende Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern wird mangels einer geschlossenen Theorie der Nachfragemacht stets lückenhaft sein. 1. Größe der Kooperation/Beschaffungsmenge a) Bedeutung der Größe/Beschaffungsmenge Die Größe der Kooperation, hier verstanden als Größe der gemeinsamen Bezugsmenge282, hat in mehrfacher Hinsicht Bedeutung für die Auswirkungen: Zum einen kann die Wechselbereitschaft für größere Nachfrager höher sein als für einen kleinen Nachfrager. Denn ein Wechsel des Lieferanten ist typischerweise mit erheblichen Fixkosten verbunden283. Daher kann ein Wechsel für große Käufer profitabel sein, da sie die entstehenden Wechselkosten über eine große Absatzmenge umlegen können, während er für kleinere Käufer nicht immer lohnend ist284. Zum anderen verstärkt die Größe der gemeinsamen Bezugsmenge die Verhandlungsmacht des Nachfragers. Denn die Drohung eines Lieferantenwechsels wiegt für den bisherigen Lieferanten bei einer größeren Bezugsmenge schwerer, da sich für größere Mengen weniger leicht andere Abnehmer oder Absatzwege wie für kleine finden lassen oder die Produktion zurückgefahren werden kann285.

282  So

auch das Verständnis bei BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 22. S. 9; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49,

283  Inderst/Wey,

S. 9.

284  Inderst/Wey, S. 11; OFT, buyer groups, 3.41; OECD, Roundtable 2008, S. 307; Monopolkommission, XIX.  Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1083. 285  Inderst/Wey, S. 12; Inderst/Mazzarotto, Distribution, S. 7; Inderst, Studie Markenverband, S. 32; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 11; Monopolkommission, XIX.  Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1080.



B. Faktoren zur Bestimmung der Auswirkungen 111

b) Größe nicht alleiniger Maßstab Die Relevanz der Größe darf aber nicht überschätzt werden, wie die Realität zeigt: Nach der Übernahme des relativ betrachtet kleinen Lebensmittelhändlers allkauf durch die vergleichsweise gigantische Metro-Gruppe hat sich gezeigt, dass allkauf trotz ihrer geringen Größe bei vereinzelten Warenlieferungen günstigere Konditionen erhielt als der Großabnehmer Metro286. Als Metro versuchte, die gleichen Konditionen durchzusetzen, wie sie allkauf gewährt worden waren, rückte der Fall in den Fokus des BKartA287. Der Fall zeigt, dass die Ausweichmöglichkeiten (outside options) nicht allein von der Größe, sondern vielmehr von zahlreichen weiteren Faktoren abhängen. So mag Größe auch hinderlich sein, wenn sie zur Unflexibilität eines Nachfragers führt. Denn eine große Bezugsmenge kann zumindest kurzfristig nicht immer problemlos auf andere Lieferanten umgelegt werden. Diese müssen auch über ausreichende Produktionskapazitäten verfügen. Mit zunehmender Größe des Abnehmers wächst auch die Abhängigkeit vom Anbieter288. Der Chairman von Walmart führt als Erklärung für vereinzelte bessere Konditionen kleinerer Abnehmer an: Wer am meisten bezieht, d. h. den größten Anteil der Kunden ausmacht, muss über den durchschnittlichen Kosten (average total costs = variable Kosten zuzüglich Anteil der Fixkosten) liegen, damit die Vereinbarung langfristig wirtschaftlich sinnvoll sei. Bei kurzfristigen kleineren Verkäufen könne es hingegen auch schon einmal genügen, wenn nur die variablen Kosten gedeckt sind.289 Einer der Faktoren, der die Verhandlungsposition auch kleiner Nachfrager erhöht, ist die sog. gatekeeper-Rolle. Diese Türsteher-Macht besteht, wenn einzelne Supermärkte ein bestimmtes räumliches Gebiet dominieren und damit die einzige sinnvolle Möglichkeit für Anbieter darstellen, Verbraucher in diesem Gebiet mit ihren Produkten zu erreichen. Insoweit kann es zu der von Inderst/Wey beschriebenen Situation kommen, dass eine relativ kleine 286  Vgl. BKartA, Beschl. v. 26.2.1999, WuW/E DE-V 94 – Metro MGE Einkaufs GmbH; KG, Beschl. v. 29.11.2000, WuW/E DE-R 699 – Metro MGE Einkaufs GmbH; BGH, Beschl. v. 24.9.2002, WuW/E DE-R 984 – Konditionenanpassung; vgl. BKartA, Tätigkeitsbericht 1997/1998, BT-Drucks. 14/1139, S. 31 f.; vgl. ausführlich Wecker, S.  247 ff.; Mischitz, S. 209; Clarke/Davies/Dobson/Waterson, S. 128. 287  Ebd. 288  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 408. 289  Walton, 72 Antitrust L. J. 509, 523 (2005); vgl. dazu die ökonomische Begründung bei Raskovich, 51 J Ind Econ 405 (2003); vgl. Haucap/Heimeshoff/Thowarth/ Wey, S. 3; vgl. auch den ähnlichen Erklärungsansatz bei Ahlert, in: Ahlert/Kenning/ Olbrich/Schröder, S. 107 Fn. 135.

112

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Handelskette, die in einem ländlichen Absatzgebiet mit dünner Besiedelung operiert und auf dem landes- oder europaweiten räumlichen Einkaufsmarkt äußerst geringe Marktanteile innehat, über Türsteher-Macht verfügen kann, während eine große Handelskette, die in Ballungszentren mit vielen Wettbewerbern ansässig ist, nicht über eine vergleichbare exklusive Stellung verfügt290. Die Sektoruntersuchung des BKartA bestätigt, dass regionale Händler neben Discountern für die führenden Anbieter und für die Marktdurchdringung der Markenartikelhersteller bedeutsam sein können291. Das obige Beispiel darf aber nicht den Blick darauf versperren, dass zumeist große Unternehmen die gatekeeper-Rolle innehaben und von dieser weitaus stärker profitieren als kleine regional starke Unternehmen. Aus diesem Grund untersagte die Kommission in ihrer Entscheidung Kesko/Tuko den Zusammenschluss zweier führender finnischer Handelsketten mit Blick auf die gatekeeper-Rolle von Kesko gegenüber seinen Lieferanten292. Landesweit agierende Markenhersteller wären nach der geplanten Fusion vollständig abhängig von Kesko gewesen, um ihre Produkte an die Endkunden bringen zu können.293 Im konsolidierten deutschen Lebensmitteleinzelhandel gilt ähnliches. Hier stellen die führenden drei Vollsortimenter für Markenartikelhersteller ein solches „Nadelöhr für die deutschlandweite Verbreitung ihrer Produkte“294 dar. c) Die Mär um die Irrelevanz der Größe Die Argumentation, dass die Größe eine zu vernachlässigende Rolle spielt, geht daher zu weit. Bei dem oben angeführten Beispiel allkauf handelt es sich um einen Ausnahme-, nicht den Regelfall. So führte das BKartA zu den Verhältnissen im Getränkehandel in der EDEKA/trinkgut-Entscheidung aus, dass nach Aussagen der befragten Lieferanten kleinere Abnehmer keine günstigeren Konditionen als große Abnehmer aushandeln können295. Auch in der Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel stellt das BKartA klar, 290  Inderst/Wey, S. 11; vgl. auch Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 2 und 9; OECD, Roundtable 2008, S. 303; Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1080; Raeder, S. 62. 291  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 10. 292  Kommission, Entsch. v. 20.11.1996, Fall Nr. IV/M.784 – Kesko/Tuko, ABl. 1997 L 110/53; vgl. Inderst/Wey, S.  3 f. 293  Kommission, Entsch. v. 20.11.1996, Fall Nr. IV/M.784 – Kesko/Tuko, ABl. 1997 L 110/53; Inderst/Wey, S.  3 f. 294  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 10; vgl. auch Köhler, Nachfragemacht (2013), S. 8. 295  BKartA, Beschl. v. 28.10.2010, B 2-47250 – Fa – 52/10 – EDEKA/trinkgut, S. 101.



B. Faktoren zur Bestimmung der Auswirkungen 113

dass die These, wonach kleinere Nachfrager oft bessere Konditionen erhalten sollen als die Mitglieder der Spitzengruppe im Lebensmitteleinzelhandel, empirisch nicht belegt werden konnte296. Stattdessen zeigen empirische Untersuchungen vermehrt einen Zusammenhang von Konditionenvorteilen und Unternehmensgröße297. d) Finanzkraftvorteile Auch die mit der Größe verbundenen Finanzkraftvorteile schaffen Möglichkeiten, sich im Preiswettbewerb gegen ressourcenschwächere Wettbewerber298, aber auch gegenüber der Marktgegenseite299, zu profilieren. Dies gilt insbesondere für missbräuchliche Verhaltensweisen wie predatory overbuying300. Im Vergleich zu den anderen Faktoren kommt der Finanzkraft kein allzu großes Gewicht zu301. e) Zwischenergebnis Größe ist nicht alles, aber durchaus relevant! Nicht immer führt ein Größenvorteil auch zur Erhöhung der Verhandlungsmacht, sondern kann unter bestimmten oben aufgezeigten Umständen auch nachteilig sein. Nichtsdesto­ trotz erweist sich die Größe im überwiegenden Teil der Fälle als ein geeigneter – wenn auch nie als einziger302 – Indikator für ein Mehr an Verhandlungsund damit Nachfragemacht303. Entsprechend hat die Sektoruntersuchung des BKartA empirisch nachgewiesen, dass eine hohe Beschaffungsmenge zwar nicht die einzige, aber die bedeutsamste Ursache für Nachfragemacht ist304.

296  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Ergebnisse und Schlussfolgerungen, S. 2 und Sektoruntersuchung LEH, S. 45. 297  Vgl. die Nachweise bei Lademann, WuW 2015, 717, 719. 298  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 10 f. 299  Geck/G. Petry, S. 17. 300  S. o. § 2 A. II. 2. d) ee). 301  Vgl. HDE-Studie, S. 19; Kirschner, S.  117 m. w. N. 302  Haucap u. a., in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 11, 24. 303  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 8; Oinonen, ECJ 2014, 97, 107; Inderst, Vortrag, The Economics of Buyer Power, S. 3; so wohl auch Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 60. 304  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 10.

114

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

2. Marktanteil als Kriterium Der Marktanteil einer Einkaufskooperation auf dem Beschaffungsmarkt gibt wesentlichen Aufschluss über ihre Stellung im Markt und ihre Nachfragemacht305. Denn er gibt darüber Auskunft, wie weitreichend die noch verbleibenden Ausweichmöglichkeiten des Lieferanten sind306. Nachfragemacht ist nur dann zu erwarten, wenn der Marktanteil der Einkaufskooperation ein gewisses Maß überschreitet. Ökonomisch begründen lässt sich dies für den Wettbewerb mit homogenen Gütern durch das Cournot-Modell307. Es leitet eine klare Relation zwischen Marktmacht einerseits und Marktanteilen oder Konzentrationsgrad andererseits ab308. Wo genau das Maß zu erwartender Nachfragemacht liegt, ist strittig und bislang ungeklärt. Das Spektrum reicht von sicherlich unbedenklichen 15 % Marktanteil auf den Einkaufs- und Absatzmärkten, wie es durch die Horizontalleitlinien der Kommission statuiert wird309, über in der Literatur teilweise geforderte Schwellenwerte von 20 % oder 25 %310 über 30 %311 und 35 %312 bis hin zu 40–50 % nach einzelnen Literaturmeinungen, die allein die Nachfragemacht i. S. d. Monopson-Modells als kartellrechtlich relevante Wirkungen von Einkaufskooperationen anerkennen313. Andere warnen vor zu hohen Marktanteilsschwellen, da Nachfragemacht auch schon bei geringeren Marktanteilen bestehen und ausgenutzt werden könne314. Dabei liege die Marktanteilsschwelle zur Ausübung von Nachfragemacht niedriger als zur Ausübung von Verkaufsmacht315. Denn „take it or leave it“ bzw. „all or nothing“-Angebote bedrohen die Existenz bestimmter Hersteller mehr, als dass sie Auswirkungen auf den Nachfrager haben316. Relevanter als der absolute Marktanteil der Einkaufskooperation auf den Einkaufs- und Verkaufsmärkten ist aber ihre relative Stellung im Markt allgemein Schweizer, S. 21; Inderst/Wey, S. 10; Kirschner, S.  91 m. w. N. Niestrath, S.  294 f. 307  Inderst/Wey, S. 9. 308  Inderst/Wey, S. 9. 309  Rn. 208 HLL; vgl. dazu eingehend unter § 3 C. 310  Vgl. dazu unter § 4 A. II. 1. b). 311  Der finnische Gesetzgeber führte für den Lebensmitteleinzelhandel eine Marktanteilsschwelle von 30 % ein, ab der von Nachfragemacht auszugehen ist, vgl. Oinonen, ECJ 2014, 97. 312  Zur „35 %/20 %“-Regel der US-Wettbewerbsbehörden s. u. § 5 C. II. 1. b) cc). 313  Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 59 (1991). 314  Stucke, 62 Emory L. J. 1509, 1515 und 1533 (2013). 315  Noll, 72 Antitrust L. J. 589, 591 (2005); Foer, 72 Antitrust L. J. 505, 506 (2005). 316  Foer, 72 Antitrust L. J. 505, 506 (2005). 305  Vgl. 306  Vgl.



B. Faktoren zur Bestimmung der Auswirkungen 115

gegenüber ihren Wettbewerbern. Denn es sind keine kollusiven Effekte zu erwarten, wenn sie nur einen geringen Teil des Marktes und die Kartellaußen­ seiter einen höheren Teil einnehmen und so den Preis bilden. Ebenso wenig entfaltet die Einkaufskooperation Nachfragemacht gegenüber den meisten Lieferanten, da diese mit ihrer gesamten Kapazität auf größere Nachfrager ausweichen können – gegenüber einzelnen Lieferanten mag das im Einzelfall anders aussehen. Auch die Stabilität der Marktanteile spielt eine Rolle für die Bewertung von Nachfragemacht. Verändern sie sich ständig, ist der Markt also dynamisch, so sind die Gefahren der Nachfragemacht geringer, da es für die Her­ steller stets ausreichend wechselnde alternative Abnehmer zu geben scheint317. 3. Umsatzanteil Als Indikatoren von Nachfragemacht im Sinne von Verhandlungsmacht können neben der absoluten Größe von Nachfragern und deren Marktanteilen auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten auch die relativen Anteile eines Käufers am Gesamtumsatz eines einzelnen Verkäufers dienen318. Dieser Umsatzanteil wird teilweise als bedeutsamer angesehen als der Marktanteil des Nachfragers319. Denn die wechselseitigen Umsatzanteile von Abnehmer und Lieferant sind zur Bewertung der Abbruchoptionen (outside options) in bilateralen Verhandlungen aussagekräftiger: Entscheidet sich das Warenhaus A dafür, künftig keine Produkte des Lieferanten B mehr zu vertreiben, so würde As Gewinn beispielsweise um 0,1 % sinken, denn A vertreibt eine breite Palette an Produkten von zahlreichen Lieferanten320. Bs Gewinn würde hingegen um beispielhafte 10 % fallen. Solche hier beispielhaft gewählte Werte können insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel auftreten321. Denn nicht immer stehen den großen Lebensmittelhändlern ebenso mächtige, breit aufgestellte Hersteller entgegen322. Die Hersteller haben daher wesentlich mehr zu verlieren und folglich eine eingeschränkte Verhandlungsmacht. Auch hier 317  Vgl.

etwa Rn. 46 f. HLL. S. 12; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 408. 319  Foer, 72 Antitrust L. J. 505, 506 (2005). 320  Inderst/Wey, S. 12; vgl. Clarke/Davies/Dobson/Waterson, S. 40. Der vollständige Verlust eines Kunden ist demgegenüber eher selten und nur bei sog. must-stockProdukten denkbar. 321  Dies zeigt ein Fallbericht aus Spanien auf: Während die zwei größten Lebensmitteleinzelhändler in Spanien nur jeweils 10 % ihres Rums von einem Hersteller kaufen, liefert dieser Hersteller einen beachtlichen Anteil an die beiden großen Einzelhändler, vgl. OECD, Roundtable 2008, S. 309. 322  Das BKartA zeigt allerdings in der Sektoruntersuchung LEH auf, dass den mächtigen Lebensmitteleinzelhändlern bei zahlreichen Produkten drei bis vier ebenso 318  Inderst/Wey,

116

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

verbieten sich jedoch Pauschalurteile, sondern es ist stets eine Einzelfallanalyse erforderlich323. Andersherum lässt sich aus einem geringen Umsatzanteil zwischen großem Lebensmitteleinzelhändler und großem Hersteller nicht schließen, dass die Verhandlungsposition vom Letzteren besser wäre324. Sie wirken nur weniger bedrohlich. Denn gerade für große Hersteller sind die Absatzalternativen zu ihren großen Abnehmern sehr beschränkt, zumal alternative Vertriebswege kaum bestehen325. 4. Wettbewerb auf dem Absatzmarkt Die Auswirkungen der Einkaufskooperation hängen stets von den Verhältnissen auf beiden Märkten, dem Einkaufs- und dem Absatzmarkt, ab326. Die Situation auf dem Absatzmarkt beeinflusst die Gefahr abgestimmten Verhaltens. Herrscht zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperation kein Wettbewerb auf dem Absatzmarkt, ist eine Wettbewerbsbeschränkung durch Kollusion – egal in welcher Form – nicht zu erwarten327. Zudem entscheiden die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Absatzmarkt darüber, ob eine Weitergabe der Einkaufsvorteile an die Verbraucher wahrscheinlich ist. Ist die Macht der Kooperation auf dem Absatzmarkt groß, so wird sie keinen kompetitiven Anreiz haben, die auf dem Beschaffungsmarkt erzielten Preisvorteile auf den Absatzmärkten weiterzugeben328. Dann kommt es zu einem Effizienzverlust in Form eines Nettowohlfahrtsverlustes, der nicht durch eine Steigerung der Verbraucherwohlfahrt kompensiert wird. Die Auswirkungen der Nachfragemacht sind dann negativ. Sind die Mitglieder der Einkaufskooperation hingegen sog. Preisnehmer (price taker), d. h. ist ihr Marktanteil so gering, dass sie den Preis auf den Absatzmärkten nicht beeinträchtigen können, so sind negative Effekte nicht zu befürchten, denn sie werden die Einkaufsvorteile an die Endverbraucher weitergeben, um auf den Absatzmärkten Wettbewerbsvorteile zu erhalten329. mächtige große Konzerne entgegen stehen (z. B. Unilever, Nestlé, Procter&Gamble); vgl. BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 155 ff. und 408. 323  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 408. 324  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 408. 325  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 408. 326  Vgl. Rn.  199 HLL; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 2. 327  S.u. § 2 C. I. 1. a); vgl. Rn. 213 ff. HLL; OFT, buyer groups, 5.7. 328  Vgl. Rn. 201 und 219 HLL; Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 17 (1991). 329  Vgl. Rn. 204 HLL; Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 17 (1991).



B. Faktoren zur Bestimmung der Auswirkungen 117

5. Marktstellung und Marktkonzentration Neben der absoluten Größe der Einkaufskooperation bzw. ihrer Bezugsmenge und den relativen Marktanteilen entscheiden auch die Stellung und Nähe zwischen den Akteuren über die Auswirkungen der Nachfragemacht. Das gilt sowohl für die Anbieter als auch für die Käuferseite. Konkurriert der Hersteller mit anderen Herstellern, die enge Substitute anbieten, wird seine Verhandlungsmacht entsprechend geschwächt330. Auch macht es einen Unterschied, ob neben der Einkaufskooperation, die beispielsweise gemeinsam 16 % Marktanteil innehat, noch viele weitere Abnehmer mit jeweils 10–15 % auf dem Markt vorhanden sind oder aber drei mit einem Marktanteil von deutlich über 25 %, zwei mit einem Marktanteil von jeweils über 40 % oder gar ein Konkurrent mit einem Marktanteil von über 50 %. In den letzteren Fällen bildet die Kooperation aus kleinen Händlern eine für die Verkäufer völlig unbedrohliche Gegenmacht im Vergleich zu den marktstarken Abnehmern. Es kann gar dazu kommen, dass die Verkäufer die Kooperation unterstützen, um der Macht der anderen nachfragestarken Abnehmer entgegenzuwirken331. Angegeben wird der Konzentrationsgrad der führenden Unternehmen mit der Konzentrationsrate (CRx). Diese zeigt den Umsatzanteil der x stärksten Unternehmen an und gibt so Aufschluss über die Verteilung der Marktanteile332. Dabei meint beispielsweise die Konzentrationsrate CR3 die Summe der Marktanteile der drei in einem Markt führenden Wettbewerber. In Bezug auf die Anbieterkonzentration zeigt die Empirie, dass Nachfragekonzentrationen bei hohen Anbieterkonzentrationen eine klar beeinträchtigende Wirkung aufweisen333. Liegt der Anteil der fünf größten Nachfrager am Umsatz eines Lieferanten bei über 50 % (CR5 > 50 %), könne auf Abhängigkeiten geschlossen werden334. Demgegenüber könne bei einer geringen Anbieterkonzentration von CR4  40 %

Hoch

Teilweise

25 %–40 %

Mittel

Nein (oder nur geringe Über­ lappungen)

< 25 %

Niedrig

Mittel Elastisch

}

Risiko/ Eintrittswahrscheinlichkeit Direkte Kollusion Hoch Mittel Niedrig

Abbildung 7: Produkt- und marktbezogene Faktoren direkter Kollusion der Mitglieder von Einkaufskooperationen auf den Absatzmärkten369

b) Kooperationsbezogene Faktoren Besteht ein Nährboden für kollusives Verhalten, ist in einem nächsten Schritt zu untersuchen, ob die Voraussetzungen vorliegen, welche Absprachen zwischen den Mitgliedern ermöglichen. Dies ist weitgehend von der inneren Ausgestaltung der Kooperation abhängig, die wiederum kollusionsfördernd oder -mildernd wirken kann370. Zunächst befördern ein häufiger Kontakt zwischen den Kooperationsmitgliedern sowie ein enger Zusammen367  OFT,

buyer groups, 5.7. § 2 B. I. 3. 369  Diese schematische Darstellung dient nur als grobes Prüfungsraster und soll Orientierung zu den relevanten Faktoren und ihr Zusammenspiel geben. Sie ist jedoch keinesfalls abschließend zu verstehen und gilt nicht für jeden Einzelfall. Zu vielschichtig sind reale Fallgestaltungen. Die schematische Darstellung darf nicht derart missverstanden werden, dass beispielsweise jeweils alle Faktoren der dritten Zeile kumulativ vorliegen müssen, damit eine hohe Gefahrt direkter Kollusion anzunehmen ist. Vielmehr sind sie als Bündel sich gegenseitig beeinflussender Faktoren zu verstehen. So kann die Gefahr einer Kollusion trotz sehr hoher Marktanteil auf dem Absatzmärkten gering sein, wenn zugleich niedrige Marktzutrittsschranken und eine hohe Elastizität der Verbraucher bestehen. 370  OFT, buyer groups, 5.8. 368  S. o.

124

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

hang zwischen der Kooperation und den Mitgliedern die Kollusionsgefahr371. Insbesondere das Ausmaß des Informationsaustauschs zwischen den Kooperationsmitgliedern legt die Voraussetzungen für kollusives Verhalten, etwa wenn sie um die gekauften Mengen der anderen Mitglieder wissen372. Dem kann dadurch entgegengewirkt werden, dass Intermediäre eingeschaltet werden, um den Austausch zwischen den Mitgliedern auszuschließen373. Schließlich ist zu klären, ob die Umstände für die Stabilität des Kartells förderlich sind. Ein Kartell zwischen Nachfragern begegnet dabei dem gleichem Problem wie jedes Kartell: cheating auf dem Absatzmarkt374. Eine geringe Anzahl an Kooperationsmitgliedern steigert die Gefahr der Kollusion375. Denn erstens ist es leichter, sich abzustimmen, ohne entdeckt zu werden376. Zweitens sinkt die Zahl potentieller Whistleblower und damit das Risiko der Aufdeckung des Kartells377. Drittens sind die Gefahren des cheatings aufgrund erleichterter Kontrollmöglichkeiten bei wenigen Mitgliedern größer, und Vergeltungsmaßnahmen lassen sich leichter durchsetzen378. Demgegenüber ist der Anreiz zur Kartellbildung bei mehreren Marktteilnehmern größer, da dann der Kartellgewinn vergleichsweise höher ist als unter realen Wettbewerbsbedingungen379. Wie besprochen unterscheiden sich Einkaufskooperationen auch dadurch, ob sie all ihren Mitgliedern die gleichen Konditionen anbieten (Symmetrie) oder differenzieren (Asymmetrie), etwa größeren Mitgliedern bessere Konditionen anbieten380. So kritisch eine asymmetrische Ausgestaltung mit Blick auf einen marktmissbräuchliche Verhaltensweise auch sein kann,381 so beugt 371  OFT,

buyer groups, 5.9. buyer groups, 5.9. 373  Vgl. dazu die Lösungsvorschläge zur Gestaltung von Einkaufskooperationen unten unter § 4 E. III. 5. 374  Gemeint ist hier nicht der oben unter § 2 A. II. 2. c) als cheating umschriebene Einkauf der Mitglieder an der Einkaufskooperation vorbei, sondern mit Blick auf das hier beschriebene Kartell auf dem Absatzmarkt der Standardfall, dass ein Mitglied sich nicht an die Kartellabsprache hält und dadurch mehr Kunden gewinnt; vgl. Blair/ Haynes, in: Elhauge, S. 246, 249. 375  Grundlegend Stigler, 72 J. Pol. Econ. 465 (1964); vgl. Knieps, S. 123; Mest­ mäcker/Schweitzer, § 8 Rn. 15; OFT, buyer groups, 5.9. 376  Mestmäcker/Schweitzer, § 8 Rn. 15. 377  Schwalbe/Zimmer, S. 364. 378  I. Schmidt/Haucap, S. 155. 379  I. Schmidt/Haucap, S. 155 mit Verweis auf empirische und experimentelle Literatur. 380  S. o. § 1 D. III. 381  S.u. zur diskriminierungsfreien Ausgestaltung s. u. § 3 E. II. 2. b). 372  OFT,



C. Zusammenhang zwischen Faktoren und Auswirkungen 125

sie doch der Kollusion vor382, da die Rückschlüsse aus eingekaufter Menge noch keine Hinweise auf den genauen Preis geben. Schließlich erschweren offene Mitgliedschaften die Kollusion. Denn die Drohung, ein Mitglied bei Fehlverhalten aus der Kooperation zu verbannen, wiegt dann weniger schwer als in einer exklusiven Einkaufskooperation383. Entsprechend haben Normann/Rösch/Schultz in ihrer Studie empirisch nachgewiesen, dass geschlossene Einkaufskooperationen im Vergleich zu offenen Einkaufskooperationen stärker zu kollusivem Zusammenwirken neigen384. Kooperationsbezogene Faktoren Informationsaustausch

Anzahl

Symmetrie

Offenheit

hoch

gering

(+)

(–)

mittel

mittel

tw.

tw.

niedrig

hoch

(–)

(+)

}

Risiko/Eintrittswahrscheinlichkeit Direkte Kollusion hoch mittel niedrig

Abbildung 8: Kooperationsbezogene Faktoren direkter Kollusion der Mitglieder von Einkaufskooperationen auf den Absatzmärkten

Durch Auswertung dieser Faktoren lässt sich das Risiko einer direkten Kollusion näherungsweise bestimmen. 2. Stillschweigende Kollusion (tacit collusion) Die Voraussetzungen der stillschweigenden Kollusion entsprechen zunächst denen der direkten Kollusion. Insoweit ist die Gefahr einer Kollusion – sowohl explizit als auch stillschweigend – auf den Absatzmärkten gering, wenn (i) die Mitglieder der Einkaufskooperation auf verschiedenen Absatzmärkten tätig sind,385 (ii) der kombinierte Marktanteil der Mitglieder gering ist (jedenfalls unter 25 %)386; (iii) neben den Mitgliedern der Einkaufskooperation noch weitere Wettbewerber für Wettbewerb auf den Absatzmärkten sorgen387, (iv) die Marktzugangsschranken auf den Absatzmärk382  OFT,

buyer groups, 5.9. buyer groups, 5.9. 384  Normann/Rösch/Schultz, S. 22, 25; vgl. auch Morais, S. 478. 385  OFT, buyer groups, 5.7. 386  OFT, buyer groups, 5.7. 387  OFT, buyer groups, 5.7; Stephen King, 36 UNSW L.J. 107, 126 (2013). 383  OFT,

126

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

ten niedrig sind388 und (v) die Nachfragemacht der Endverbraucher groß ist (bzw. die Elastizität der Nachfrage hoch ist)389. Unterschiede zur direkten Kollusion liegen darin, dass keine direkte Absprache erfolgt, sondern es auch ohne eine solche zu Parallelverhalten kommen kann. Dabei besteht die Gefahr, dass die Mitglieder durch Kenntnis der Einkaufsmengen, -preise und bedingungen jedes Mitglieds auch über deren Absatzstrategien informiert sind und ihre eigenen daran orientieren. Der Anteil der gemeinsamen Kosten wird dabei zu einem besonders relevanten Faktor. Unterschiede in den Kostenstrukturen und unterschiedliche Qualitätsmerkmale der Produkte behindern die stillschweigende Kollusion hingegen390. Diesbezüglich ist der Zusammenhang zwischen Vor- und Endprodukt relevant. Je größer dieser Zusammenhang ist, desto größer ist die Gefahr, dass der gemeinsame Einkauf zu Kollusionen zwischen den Mitgliedern führen kann. Wo genau die Grenze der Gemeinsamkeit von Vor- und Endprodukten zu ziehen ist, ist unklar: In den USA wird jedenfalls ein Anteil i. H. v. 20 % als unproblematisch angesehen391. Werte, die darüber liegen, führen aber nicht allein zu einer wettbewerblichen Bedenklichkeit. Die US-Wettbewerbsbehörde DoJ nahm auch bei einem Preisanteil von 50 % keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung an, wenn die Mitglieder der Kooperation auf den Absatzmärkten nicht im Wettbewerb zueinander stehen392. Die europäische Rechtsprechung und Kommissionspraxis dazu werden im dritten Kapitel näher dargestellt393. buyer groups, 5.7; Stephen King, 36 UNSW L.J. 107, 126 (2013). buyer groups, 5.7. 390  Mason/Phillips/Nowell, 74 Rev. Econ. Stat. 663 (1992); vgl. Decker, S. 199; vgl. Knieps, S. 126. 391  S.u. § 5 C. II. 1. b) cc); FTC & DoJ, Health Care Guidelines, Statement 7A; DoJ, Antitrust Division, Assistant Attorney General, 13.5.1996, Statement to Jacobsen (das Vorprodukt Baryt macht weniger als 20 % des Endprodukts Bohrflüssigkeit aus); DoJ Business Review Letter to NSM Purchasing Association (13.1.1999), wonach der Sarg durchschnittlich 16,91 % der Beerdigungskosten ausmacht; Lindsay, 23 Antitrust 67 (2009); Health Care Enforcement Policy Statements and Business Review Letters = Business Review Letters from R. Hewitt Pate to Robert E. Marsh (17.10.2003); Joel I. Klein to Garret G. Rasmussen (Mar. 8, 2000), Joel I. Klein to Michael P. A. Cohen (13.1.1999), Joel I. lein to Jesse W. Markham (4.9.1998), Joel I. Klein to James J. Cusack (12.3.1998); Skitol, 72 Antitrust L. J. (2005), 727, 741; vgl. White/ Brau/Marx, Antitrust and Healthcare: A Comprehensive Guide, 2013, S. 397; Areeda/ Hovenkamp, Rn. 2135c tendieren zu einem höheren Wert. 392  DoJ, Business Review Letter to Containers America LLC (Mar. 8, 2000) bezüglich des gemeinsamen Bezugs des Vorprodukts Stahl durch eine Kooperation aus fünf Herstellern von Stahlfässern, die auf verschiedenen regionalen Märkten tätig sind. 393  S.u. § 3 B. II. 3. zur Kommissionsentscheidung NSAA I (Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, 388  OFT, 389  OFT,



C. Zusammenhang zwischen Faktoren und Auswirkungen 127

}

Entsprechend ist die Gefahr einer stillschweigenden Kollusion bei homogenen Produkten und weitreichender Transparenz größer394.

Produktbezogene Faktoren

Marktbezogene Faktoren

Elastizität der Nachfrage

Wettbewerber auf den Absatzmärkten

Marktanteil auf den Absatzmärkten

Markt­ zutrittsschranken

Niedrig

Ja (oder bewusste Aufteilung)

> 40 %

Hoch

20 %–50 %

Mittel

Teilweise

25 %–40 %

Mittel

< 20 %

Hoch

Nein oder nur gering

< 25 %

Niedrig

Gemeinsamkeit Vor-/ Endprodukt > 50 %

Risiko/ Eintrittswahrscheinlichkeit Indirekte Kollusion

Hoch

Mittel Niedrig

Abbildung 9: Produkt- und marktbezogene Faktoren stillschweigender Kollusion der Mitglieder von Einkaufskooperationen auf den Absatzmärkten

Was die interne Ausgestaltung der Einkaufskooperation angeht, kommt die ökonomische Literatur zu dem Ergebnis, dass Abhängigkeiten in der Einkaufskooperation stillschweigende Kollusion fördert. Das gilt insbesondere für die Gefahr bei zu großem Preiswettbewerb auf den Absatzmärkten aus einer geschlossenen Einkaufskooperation ausgeschlossen zu werden395. Nicht-exklusive Einkaufskooperationen, welche die Kommunikationsmöglichkeiten soweit möglich reduzieren, sind daher unbedenklicher in Bezug auf ihre wettbewerbsbeschränkende Wirkung396. Das Risiko einer stillschweigenden Kollusion steigt, umso höher die Kontakte und der Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern der Kooperation und umso symmetrischer die Bezugsbedingungen und Kosten und das Rn. 42) bei der Schwefel mit einem Anteil von etwa 80 % ein wesentliches Vorprodukt von Schwefelsäure darstellte. Das BKartA sah einen Kostenanteil des gemeinsam beschafften Vorproduktes i. H. v. 50–67 % an den Rohstoffkosten (die wiederum bis zu 25 % der Gesamtkosten des Produktes ausmachen) als mit Blick auf eine Kostenangleichung bedenklich an, vgl. BKartA, Beschl. v. 31.5.2007 – B4-1006/066, Rn.  136 f., 219. 394  Decker, S. 219 m. w. N.; zu weiteren ökonomischen Faktoren für tacit collusion vgl. Decker, S.  198 ff. 395  Normann/Rösch/Schultz, S. 25. 396  Normann/Rösch/Schultz, S. 26.

128

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

Maß an Standardisierung bzw. der Anteil des Vorproduktes am Endprodukt sind397. Interne Faktoren Bezugszwang

Informationsaustausch

Anzahl

Sym­ metrie

Offenheit

Umfangreich

Hoch

Gering

Ja

Nein

Teilweise

Mittel

Mittel

Teilweise

Teilweise

Niedrig

Hoch

Nein

Ja

Keiner

}

Risiko/Eintrittswahrscheinlichkeit Indirekte Kollusion Hoch Mittel Niedrig

Abbildung 10: Interne Faktoren stillschweigender Kollusion der Mitglieder von Einkaufskooperationen auf den Absatzmärkten

Die obige Analyse der Faktoren von Nachfragemacht zeigt auch, dass es weniger die kooperationsbezogenen Faktoren der Einkaufskooperation, sondern vielmehr die externen produkt- und marktbezogenen Faktoren sind, die das Risiko einer Kollusion ausmachen. Die Kooperation trägt – sofern sie ausreichende Maßnahmen zum Schutz des Informationsflusses zwischen ihren Mitgliedern getroffen hat – also nur wenig dazu bei. 3. Vertikale Kollusion Die Gefahr, dass es zu Kollusionen zwischen einer Einkaufskooperation und einem Hersteller kommt, die Abschottungseffekte (foreclosure effects) gegenüber weiteren Abnehmern mit sich bringen, besteht unter folgenden Voraussetzungen: Die Einkaufskooperation müsste einen beträchtlichen Marktanteil innehaben, da sich Hersteller anderenfalls nicht auf derartige Verpflichtungen einlassen würden. Zudem lässt sich ein Abschottungseffekt nur dann erzielen, wenn die Anzahl der Hersteller gering ist und Marktzutrittsschranken auf diesem vorgelagerten Markt existieren398. 4. Verdeckte Übernahme Die Gefahr einer „verdeckten Übernahme“ besteht bei Einkaufskoopera­ tionen, in denen ein marktmächtiges Mitglied als dominanter „Kopf“ mit ei397  Phaff,

OFT, Präsentation, S. 10; Mestmäcker/Schweitzer, § 8 Rn. 15. Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 2; vgl. auch Rn. 203 HLL.

398  FK-Bunte,



C. Zusammenhang zwischen Faktoren und Auswirkungen 129

nem oder mehreren kleineren Mitgliedern kooperiert, die eine wesentlich geringere Bestellmenge und einen wesentlich geringeren Marktanteil auf dem Einkaufsmarkt inne haben als ihr marktmächtiger Kooperationspartner399. Vereinzelt hohe Marktanteile auf regionalen Absatzmärkten fallen hingegen nicht ins Gewicht400. Über die bloße Einkaufsbündelung hinaus kommt es zumeist zu weiteren abhängigkeitsfördernden Maßnahmen, etwa zum Bezug der Eigenmarken des großen Kooperationspartners401.

II. Negative Auswirkungen aufgrund von Nachfragemacht 1. Monopson An dieser Stelle sei nochmal an die Voraussetzungen des Monopson-Modells erinnert: eine Gefahr der strategischen Reduktion der Nachfrage besteht nur, wenn die Einkaufskooperation (1) einen erheblichen Marktanteil auf dem Beschaffungsmarkt (upstream) aufweist (regelmäßig über 35 %), (2) hohe Marktzugangsschranken bestehen und (3) eine aufsteigende Angebotskurve vorliegt. Schließlich spricht (4) ein starker Wettbewerb auf den Absatzmärkten gegen eine strategische Reduktion der Nachfrage, so dass hohe Marktanteile auf dem Absatzmarkt ebenfalls Voraussetzung des MonopsonModells sind402.

Produktbezogene Faktoren

Marktbezogene Faktoren

Angebotskurve

Marktanteil auf dem Beschaffungsmarkt

Markt­ zutrittsschranken

Marktanteil auf dem Absatzmarkt

Steigend

> 35 %

Hoch

> 40 %

Neutral

15 %–35 %

Mittel

20 %–40 %

Fallend

< 15 %

Niedrig

< 20 %

}

Risiko/Eintrittswahrscheinlichkeit

Strategische Reduktion der Nachfrage Hoch Niedrig Niedrig

Abbildung 11: Voraussetzungen des Monopson-Modells 399  S. o. § 1 C. III. 5. und § 4 D. II. 9.; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 41 f. und 98 f. 400  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 41 f. und 98 f. 401  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 41 f. und 98 f. 402  Siehe dazu bereits ausführlich oben unter § 2 A. II. 2. b) aa) (1) und (2).

130

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

2. Verhandlungsmodell Die Verhandlungsmacht der Einkaufskooperation gegenüber ihren Lieferanten ist im Einzelfall zu prüfen und ist, wie oben beschrieben, von den jeweiligen Ausweichmöglichkeiten (outside options) der beiden Verhandlungspartner abhängig. Zum Zusammenhang zwischen den einzelnen Faktoren und dem Grad der Nachfragemacht können die folgenden Aussagen getroffen werden: Prägendes Merkmal ist zunächst die Höhe der Konzentration der Nachfrager in Relation zu den Anbietern: Denn die Nachfragemacht ist umso größer, je mehr Anbieter existieren, zu denen der Nachfrager wechseln kann. Umgekehrt ist die Macht der Anbieter umso geringer, je weniger Nachfrager auf dem Markt vorhanden sind, zu denen er bei Scheitern der Verhandlungen ausweichen könnte. Voraussetzung ist insoweit eine gewisse Marktmacht auf den Absatzmärkten403. Denn könnten die Endkunden den Händler frei wählen, hätten auch die Hersteller unzählige Ausweichoptionen404. Gerade dies ist im Lebens­ mittel­einzelhandel, der regional begrenzt ist und auf dem die dort bestehenden Händler den Zugang zu den in diesem Gebiet einkaufenden Endverbrauchern ermöglichen, der Fall405. Weiterhin fördert der Faktor Größe i. S. d. Umsatz- und Beschaffungsvolumens die Verhandlungsposition tendenziell positiv406. Darüber hinaus ist die relative Größe zwischen Hersteller und Handelsunternehmen relevant407. Außerdem hat der Grad der Produktdifferenzierung Einfluss auf die Verhandlungsmacht der Lieferanten408. Zahlreiche enge Substitute schwächen die Verhandlungsmacht des jeweiligen Herstellers409. Markenstärke, etwa in Form von must-stock-Produkten, fördern sie410. Sie wird auch durch Handelsmarken oder auch nur durch die glaubhafte Drohung des Einstiegs des Nachfragers in die Produktion des Zulieferers negativ beeinträchtigt411. 403  BKartA,

Sektoruntersuchung LEH, S. 22. Sektoruntersuchung LEH, S. 22. 405  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 22. 406  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 22; Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 60. 407  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 22. 408  Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, §  7, Rn.  60; Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1083. 409  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 23. 410  Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 60. 411  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 23. 404  BKartA,



C. Zusammenhang zwischen Faktoren und Auswirkungen 131

Letztlich sorgen niedrige Wechselkosten der Nachfrager für höhere Nachfragemacht412. Diese werden durch die Einkaufskooperation regelmäßig erzielt.

III. Positive Auswirkungen Folgende Zusammenhänge bestehen zwischen den Faktoren und den positiven Auswirkungen: 1. Economies of scale Eine Einkaufskooperation wird Skaleneffekte (economies of scale) erzielen, wenn sie über eine derartige Größe verfügt, dass sich durch große Bestellungen Preisreduzierungen erreichen lassen. Dabei gilt, dass die positiven Wirkungen für kleinere Kooperationsmitglieder relativ betrachtet größer sind als für ohnehin schon nachfragemächtige Mitglieder, da ihr Einsparpotential durch den gemeinsamen Einkauf zu niedrigeren Preisen gegenüber dem eigenständigen Einkauf prozentual höher liegt413. 2. Countervailing power Die Einkaufskooperation wird durch ihr Gegengewicht (countervailing power) zur Anbieterseite positive Auswirkungen erzielen, wenn (i) eine starke Vermachtung der Angebotsmärkte besteht und (ii) eine starke Gegenmacht durch hohe Verhandlungsmacht ausgeübt werden kann. 3. Günstigere Preise für Endverbraucher Die Einkaufskooperation wird die günstigen Preise an die Endverbraucher dann weitergeben, wenn auf dem Absatzmarkt ein starker Konkurrenzkampf mit Dritten, aber auch zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperation besteht414. Demgegenüber besteht die Gefahr, dass Effizienzgewinne nicht weitergegeben werden, wenn die Mitglieder der Einkaufskooperation (i) ei412  Monopolkommission, XIX.  Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/ 10365, Rn. 1083; OECD, Roundtable 2008, S. 40. 413  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 4 und Sektoruntersuchung LEH, S. 42 und 98 f. 414  Vgl. Rn. 204 und 219 HLL; vgl. auch Kommission, Leitlinien horizontale Zusammenschlüsse, Rn. 62; BWB, Untersuchung des österreichischen Lebensmittelhandels, S. 8; Niels/Jenkins/Kavanagh, Rn. 3.111.

132

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

nen hohen Marktanteil auf den Absatzmärkten innehaben und dieser (ii) größer ist als der der Konkurrenz415.

IV. Zwischenergebnis zum Zusammenhang zwischen Faktoren und Auswirkungen Zusammenfassend lässt sich zunächst festhalten, dass die Wirkungen von Einkaufskooperationen ambivalent sind: Positive Auswirkungen. Positiv zu bewerten sind (i) Einkaufskooperationen, die kleinen und mittleren Unternehmen erst ermöglichen auf einem Markt tätig zu werden, (ii) Einkaufskooperationen, die oligopolistischen Herstellern Gegenmacht entgegensetzen können und (iii) Einkaufskooperationen, die ihre Einkaufsvorteile an Endverbraucher weitergeben. Negative Auswirkungen. Eindeutig negativ zu bewerten sind demgegenüber Einkaufskooperationen, die (i) als Mittel zur Absprache auf den Absatzmärkten dienen, die (ii) abgestimmtes Verhalten vereinfachen und die (iii) zur Reduktion der Nachfrage oder zu Abschottungseffekten führen. Wirkungszusammenhänge. Für den Zusammenhang zwischen Faktoren und Auswirkungen gilt Folgendes: Die Wahrscheinlichkeit, dass Einkaufskooperationen in die erste Kategorie positiver Auswirkungen fallen ist umso größer, je restriktiver die kooperationsbezogenen Faktoren ausgestaltet sind. Für die Ausgestaltung bedeutet das: freiwilliger Bezug statt Bezugszwang, keine Mindestabnahmen, Offenheit statt Geschlossenheit, demokratisch-symmetrische statt asymmetrische Ausgestaltung. All dies sind Mittel, um die Wahrscheinlichkeit, dass die Einkaufskooperation zu positiven Wirkungen führt, zu erhöhen. Mit Blick auf produktbezogene Faktoren ist die Wahrscheinlichkeit negativer Effekte geringer, umso größer die Elastizität der Verbraucher bezüglich des Produkts ist und umso geringer die Gemeinsamkeit zwischen Vor- und Endprodukt ist. Bezüglich marktbezogener Faktoren gilt, dass ein großer Marktanteil ein Indiz für Nachfragemacht ist. Entscheidend sind auch der Anteil des Nachfragers am jeweiligen Hersteller und die Existenz von Marktzugangsschranken. Bei Abwägung der klar positiven mit den nur selten auftretenden oder zumeist völlig ungewissen negativen Wirkungen bleibt festzuhalten, dass Einkaufskooperationen im Zweifel positiv zu bewerten sind. 415  BKartA,

Sektoruntersuchung LEH, S. 46.



D. Zusammenfassung des zweiten Kapitels133

D. Zusammenfassung des zweiten Kapitels Einkaufskooperationen führen zu zahlreichen positiven ökonomischen Wirkungen. Mit ihnen lassen sich Skaleneffekte (economies of scale) und andere produktive Effizienzen erzielen, Transaktionskosten sparen, Investitionen fördern, und auch der Anbieterwettbewerb kann belebt werden. Im besten Fall kommt dies den Verbrauchern durch günstigere Endverkaufspreise, aber auch durch besseren Service oder eine weitere Verbreitung kleinerer und mittlerer Unternehmen, etwa in ländlichen Gebieten, zugute. Dem stehen zwei Stränge negativer Wirkungen gegenüber: (i) Durch die Kooperationsbildung entsteht eine erhöhte Gefahr der Kartellbildung sowohl auf dem Einkaufs- als auch dem Absatzmarkt. Ebenso wächst die Gefahr stillschweigender Kollusion (tacit collusion). Ermöglicht wird dies durch größere Kostensymmetrien, erhöhten Informationsaustausch und der Strukturveränderung hin zum Oligopol. Auch eine vertikale Kollusion zwischen Einkaufskooperation und Herstellern kann entstehen und insbesondere zu Abschottungseffekten gegenüber konkurrierenden Nachfragern führen. (ii)  Darüber hinaus vermag die Einkaufskooperation durch Bündelung der Nachfrage unter bestimmten Voraussetzungen Nachfragemacht gegenüber den Herstellern zu erzielen. Es besteht die Gefahr, dass sie diese missbräuchlich ausnutzt. Die dem Phänomen Nachfragemacht zugrundeliegenden Theorien, das Monopson-Modell und das Verhandlungsmodell, deren Berechtigung, aber auch ihre Schwächen wurden beschrieben416: Das Monopson-Modell hat einen zu engen Anwendungsbereich, sodass es in der Realität nur selten auftritt. Das Verhandlungsmodell gibt hingegen (noch) keine Antwort darauf, welche kartellrechtlichen Schlüsse aus ihm zu ziehen sind. Beide Modelle sollten nebeneinander angewendet werden. Sind die engen Voraussetzungen des Monopson-Modells gegeben, ist eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung zu vermuten. Im Übrigen sind die Aussagen des Verhandlungsmodells zu berücksichtigen. Demnach sind die jeweiligen Ausweichoptionen im Einzelfall zu untersuchen. Andere Wirkungen des gemeinsamen Einkaufs bleiben ungewiss. Insbesondere können Qualitäts- und Innovationsverluste sowie eine nachteilige Beeinträchtigung der Produktauswahl weder theoretisch noch empirisch hinreichend nachgewiesen werden. Sie können daher – von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, in denen derartige Wirkungen eindeutig nachgewiesen werden können – nicht als Grundlage wettbewerbsrechtlicher Beurteilung

416  S. o.

§ 2 A. II. 2. b).

134

§ 2 Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen

herhalten und nicht als Fundament rechtlicher Missbilligung von Nachfragemacht dienen. Damit bleibt eine Tendenz erkennbar, die zur Grundaussage berechtigt: Die ökonomischen Auswirkungen einer Einkaufskooperation sind im Zweifel positiv417. Die rechtliche Bewertung muss dieser Tendenz durch eine positive Einstellung gerecht werden. Diese Erkenntnisse um die regelmäßig positiven ökonomischen Wirkungen von Einkaufskooperationen und der mit ihnen verbundenen Nachfragemacht dienen als Orientierungspunkte und Gradmesser für die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen, die im folgenden dritten Kapitel dargestellt und im vierten und fünften Kapitel konkretisiert und auf den Prüfstand gestellt wird.

417  S. o.

§ 2 A. IV.

§ 3  Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis zu Einkaufskooperationen Das dritte Kapitel ergründet die Rahmenbedingungen der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen. Im Fokus stehen dabei die einzelnen Voraussetzungen des Art. 101 AEUV, die bisherige Rechtsprechung der Unionsgerichte zu Einkaufskooperationen sowie die aktuelle Kommissionspraxis, die in den Horizontalleitlinien niedergelegt ist. Dabei gilt es zu beachten, dass die bisherigen Entscheidungen der Unionsgerichte und der Kommission zu Einkaufskooperation bereits vor Jahrzehnten ergangen sind. Daher soll eingangs das gegenwärtige Kartellrechtssystems, das sich in den letzten Dekaden maßgeblich verändert hat, beleuchtet werden. Insoweit gilt es zunächst der Frage nachzugehen, was das gewandelte Kartellrechtssystem, in dem die heutige kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen vorzunehmen ist, auszeichnet (A.). Sodann wird Art. 101 AEUV als Rechtsrahmen zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen skizziert. Dabei wird insbesondere den folgenden Fragen nachgegangen: Welche Vorgaben lassen sich der Einzelfallrechtsprechung zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen im Rahmen von Art. 101 AEUV auf horizontaler Ebene entnehmen (B.)? Welche Vorgaben machen demgegenüber die Horizontalleitlinien der Kommission (C.)? Anschließend werden die durch Einkaufskooperationen entstehenden Vertikalverhältnisse rechtlich bewertet (D.). Dem folgt ein Seitenblick auf Rechtsprechung und Kommissionspraxis zur Nachfragemacht im Rahmen der Fusionskontrolle und des Missbrauchstatbestandes gem. Art. 102 AEUV. Dabei wird untersucht, ob und wie sich diese für die Bewertung von Einkaufskooperationen im Rahmen von Art. 101 AEUV fruchtbar machen lassen (E.). Abschließend werden in einem knappen Exkurs die Besonderheiten erläutert, die für Einkaufskooperationen gelten, die allein nach deutschem Kartellrecht zu bewerten sind (F.).

136 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

A. Das europäische Kartellrecht im Wandel der Zeit Das europäische Kartellrecht hat in den letzten zwei Dekaden weitreichende Änderungen erfahren. Sie lassen sich durch drei Entwicklungen charakterisieren: (I.) die Europäisierung und Harmonisierung, (II.) die Ökonomisierung sowie (III.) der Wandel hin zum System der Legalausnahme1.

I. Europäisierung und Harmonisierung Die erste Veränderung geht einher mit dem Zusammenwachsen aller Rechts-, Politik- und Lebensbereiche im vereinten Europa: die zunehmende Bedeutung des europäischen Kartellrechts sowie die Harmonisierung des Kartellrechts der einzelnen Mitgliedstaaten. Zwar brachte der Vertrag von Lissabon für das Kartellrecht keine Neuerungen, sondern führte lediglich zu einer Umbenennung der Vorschriften. Die für die Mitgliedstaaten bindenden Vorgaben der Kommission und der Unionsgerichte (EuGH und EuG) werden aber dennoch immer weitreichender. Dies bewirken die zahlreichen bindenden Verordnungen und in gewissem Maße auch die Leitlinien und sonstigen Vorgaben der Kommission2. Für eine weitgehende Harmonisierung sorgen in legislativer Hinsicht die Anpassungsprozesse der nationalen an die europäischen Regelungen, wie die 7., 8. und 9. GWB-Novelle exemplarisch für das deutsche Kartellrecht zeigen. Die Unterschiede zum europäischen Kartellrecht des AEUV wurden durch die drei Novellen weitgehend beseitigt und beschränken sich nunmehr nur noch auf marginale Besonderheiten3. Zu einer Harmonisierung der Judikative führen vermehrt Vorlagefragen nationaler Gerichte an den EuGH zur Auslegung der europäischen Wettbewerbsregeln4. Eine einheitliche Linie im Recht zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten wird angestrebt und auch auf exekutiver Ebene durch verstärkte Zusammenarbeit und Austausch der Wettbewerbsbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten verwirklicht. Dabei treibt das von der Kommission geführte

1  Vgl. etwa die Aufteilung bei Basedow in: Augenhofer, S. 1; Stopper, S.  28 ff.; Fuchs, ZWeR 2007, 369, 370 spricht von einer „Zeitenwende“. 2  Zur Kritik an deren Bindungswirkung siehe § 4 A. I. 3  Dazu unten unter § 3 F. 4  Vgl. nur die Vorabentscheidungsersuchen gem. Art. 267 AEUV des BGH in EuGH, Urt. v. 4.7.2014, Rs. C-451/13 – Gigaset (zur Gesamtschuld); des österreichischen Gerichtshofs in EuGH, Urt. v. 5.6.2014, Rs. C-557/12 – KONE AG u. a. (zum umbrella effect).



A. Das europäische Kartellrecht im Wandel der Zeit 137

europäische Netzwerk der nationalen Kartellbehörden (ECN) die kohärente Anwendung des Unionskartellrechts voran5.

II. Ökonomisierung Die zweite Veränderung des europäischen Kartellrechts, die Ökonomisierung, zeigt sich nicht nur in der ökonomischen und juristischen Literatur zum Kartellrecht, sondern ist auch Ausdruck des von der Kommission seit Anfang des Jahrtausends propagierten Ansatzes des more economic approach. Diese Neuausrichtung der europäischen Wettbewerbspolitik wird etwa im Diskussionspapier der Generaldirektion Wettbewerb von 20056 konkretisiert und prägt sich mittlerweile in zahlreichen Gruppenfreistellungsverordnungen und Leitlinien aus7. Auch mit den für Einkaufskooperationen besonders relevanten Horizontalleitlinien hat die Kommission versucht, einen rechtlichen Rahmen für horizontale Zusammenarbeit zu schaffen, der ökonomischen Erkenntnissen stärkeres Gewicht beimisst. Letztlich wird dieser Wandel auch in der personellen Struktur der Kommission deutlich. Seit 2003 wurden Industrieökonomen eingestellt, ein Chefökonom berufen und verstärkt auf externe ökonomische Experten zurückgegriffen8. Dieser neue Ansatz steht dem bisherigen Verständnis der Wettbewerbspolitik und des Wettbewerbsrechts, das die Wettbewerbsfreiheit als Schutzziel begriff, diametral entgegen. Daher ist der more economic approach auch mit Blick auf seine schwierige Handhabbarkeit und drohende Rechtsunsicherheit auf weitreichende Kritik gestoßen9. Auch der EuGH hat sich mehrfach für den Schutz des Wettbewerbs als solchen ausgesprochen10. Eine detailliertere Auseinandersetzung mit dem more economic approach und den dazu geäu5  Vgl. Commission Staff Working Paper accompanying the Communication from the Commission to the European Parliament and Council: Report on the functioning of Regulation 1/2003 v. 29.4.2009, Rn. 114. 6  Kommission, Discussion paper on the application of Article 82 of the Treaty to exclusionary abuses; vgl. Wurmnest, S.  203 ff. 7  Vgl. dazu näher unter § 4 B. I. 1.; vgl. exemplarisch die Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag, ABl. EU 2004 C 101/97, 100 Rn. 13; vgl. BKartA, Diskussionspapier v. 9./10.10.2000, S. 23 f. 8  Röller, in: Monopolkommission, Colloquium, S.  37, 38 f.; ders., in: Modelling European Mergers, S. 11, 14; A. Christiansen, Diskussionspapier, S. 4; Stevenson/ Filippi, ECLR 2004, 122. 9  A. Christiansen, WuW 2005, 285; Mestmäcker, WuW 2008, 6. 16; Behrens, in: FS H-B. Schäfer, S. 457; vgl. Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 2. 10  S.u. § 4 B. I. 3. c); EuGH, Urt. v. 4.6.2009, Rs. C-8/08 – T-Mobile Netherlands BV u. a., Slg. 2009, I-4529, Rn. 38; EuGH, Urt. v. 6.10.2009, verb. Rs. C-501/06 P u. a.  – GlaxoSmithKline, Slg. 2009 I-9291, Rn. 63; vgl. Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 2.

138 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

ßerten kritischen Stimmen soll daher nicht ausgespart werden, da sie für die Bewertung von Nachfragemacht unabdingbar ist11.

III. System der Legalausnahme Die dritte Veränderung hat ihren Ursprung in der VO Nr. 1/200312, die zum 1. Mai 2004 in Kraft trat, und wird oftmals als Dezentralisierung des Kartellverfahrens beschrieben. Gemeint ist die Verlagerung der Prüfung kartellrechtlicher Sachverhalte von der Kommission auf die Gerichte der Mitgliedstaaten und die jeweils betroffenen Unternehmen13: Während die Unternehmen früher die Möglichkeit hatten, bei der Kommission einen Freistellungsantrag für die von ihnen geschlossenen Vereinbarungen i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV zu stellen, der zur Freistellung und damit diesbezüglich zur Bußgeldfreiheit führte14, gilt seitdem das System der Legalausnahme bzw. Selbstbewertung. Es liegt nun nicht mehr an der Kommission, sondern an den Unternehmen selbst, die kartellrechtliche Bewertung – etwa von Einkaufskooperationen – vorzunehmen. Damit werden wettbewerbsbeschränkende Kooperationen heute nicht mehr ex ante, sondern ex post,15 etwa aufgrund von Beschwerden von Konkurrenten bei der Kommission oder nationalen Wettbewerbsbehörden oder im Rahmen von Gerichtsverfahren aufgedeckt und geprüft16. Die Änderung im System war notwendig, da der organisatorische Aufwand für die Kommission – nicht zuletzt durch die wachsende Zahl an Mitgliedstaaten in der Europäischen Union – immer größer wurde. Das Freistellungsverfahren war sehr umständlich und langwierig. Es dauerte im besten Fall ein Jahr, vereinzelt sogar drei Jahre und mehr17, was die Flexibilität der Unternehmen beeinträchtigte, wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen zu treffen. Insoweit ist der Wechsel zu begrüßen, führt er doch zu schnelleren und flexibleren Kooperationsmöglichkeiten, da nicht auf eine Einzelfreistellung durch die Kommission gewartet werden muss18. Dies gilt insbesondere für 11  S.u.

§ 4 B. I. (EG) Nr. 1/2003 des Rates v. 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1/1. 13  Stopper, S. 30; Imgrund, S. 14; Schweizer, S. 69; Bailey, 81 Antitrust L. J. 111 (2016). 14  Vgl. VO 17/62 des Rates v. 21.2.1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Art. 85 und 86 des Vertrages, ABl. 1962 L 13/204; Bechtold, GRUR 2012, 107, 107; Schweizer, S.  66 ff.; Imgrund, S. 14. 15  I. Schmidt/Haucap, S. 268. 16  Vgl. dazu näher § 4 D. I. 2.; Stopper, S. 30. 17  Altmann, S. 243; Fiebig, S. 184; Kaeding, S. 30. 18  Vgl. dazu im Ergebnis aber kritisch I. Schmidt/Haucap, S. 214. 12  Verordnung



A. Das europäische Kartellrecht im Wandel der Zeit 139

Einkaufskooperationen, da diese nur in wenigen Fällen wettbewerbsbeschränkend wirken19. Zudem ermöglicht es das neue System der Kommission, ihre Ressourcen stärker zur Verfolgung von Kartellverstößen und missbräuchlichem Verhalten zu nutzen20. Allerdings darf die Kehrseite dieses Systemwechsels, eine höhere Rechtsunsicherheit für die Unternehmen, nicht verschwiegen werden. Sie wird zu einem Leitthema dieser Arbeit werden21.

IV. Relevanz der Veränderungen Diese Veränderungen des Kartellrechtssystems im Großen sind auch für die Bewertung der Einkaufskooperationen im Kleinen relevant, die ebenso wenig von den weitreichenden Veränderungen des Kartellrechtssystems in den letzten zwei Dekaden verschont blieb. Denn wie die beiden nachfolgenden Abschnitte zeigen werden, orientiert sich die Bewertung einerseits an alter und möglicherweise überkommener Rechtsprechung und andererseits moderner, aber nicht unumstrittener Kommissionspraxis durch die Horizontalleitlinien. Daher erfordert die bisherige Rechtsprechung eine Neubewertung im Lichte der hier angerissenen Veränderungen22. Auch die Kommissionspraxis der Horizontalleitlinien sollte nicht unhinterfragt bleiben, sind doch bestimmte Abweichungen zur Rechtsprechung und die Grundvorstellung des more economic approach unter Umständen nicht stets gerichtsfest oder entfalten gar einen chilling effect23, der wettbewerbsförderliche Kooperationen in ihrer wirtschaftlichen Freiheit zu stark einschränkt24. 19  S. o.

§ 2 A. IV.

20  Erwägungsgrund

3 VO Nr. 1/2003; vgl. Kommission, Bekanntmachung über informelle Beratung bei neuartigen Fragen zu den Artikeln 81 und 82 des Vertrages, die in Einzelfällen auftreten (Beratungsschreiben), (2004/C 101/06), ABl. 2004 C 101/78 ff., Rn.  6. 21  S.u. § 4 A. I. 1. und § 5 B. I. 22  S.u. § 4 B und C. 23  Der chilling effect wurde ursprünglich von den US-Verfassungsgerichten zu Verletzungen des ersten Zusatzartikels geprägt, die damit eine Situation beschreiben, in der die freie Rede durch die Angst vor Bestrafung beschränkt wird. Insbesondere die Angst vor kostenintensiven und langwierigen Gerichtsverfahren kann zur Selbstzensur führen, was einen chilling effect auf die freie Rede hat. Der Effekt wurde auch vom EGMR und BVerfG zur Meinungsfreiheit erkannt, vgl. Maunz/Dürig, Art. 5 GG Rn. 103. Mittlerweile dient er allgemein der Umschreibung einer unnötigen Einschränkung legitimen Verhaltens aus Angst vor ungerechtfertigten Konsequenzen und hat sich auch im Kartellrecht zum geflügelten Wort entwickelt, vgl. etwa GAin Kokott, Schlussantrag vom 30.1.2014 in Rs C-557/12 – KONE AG u. a., Rn. 64 oder Wagner-von Papp, WuW 2010, 268, 277. 24  S.u. § 4 A. II. 1. b) cc).

140 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV Die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen betrifft die erste „Säule“ des europäischen Kartellrechts25 – Art. 101 AEUV. Sie bildet den Rahmen der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen und steht daher im Mittelpunkt der Darstellung. Es gibt gerade keine spezielle Gruppenfreistellungsverordnung für horizontale Vereinbarungen zum gemeinsamen Einkauf, was eine umso genauere Analyse der einzelnen Merkmale von Art. 101 AEUV nötig macht26. Das Kartellverbot des Art. 101 AEUV gliedert sich in den Verbotstatbestand nach Abs. 1 (dazu unter I. und II.) und den Freistellungstatbestand nach Abs. 3 (dazu unter III.). Dabei kommt dem Merkmal der Wettbewerbsbeschränkung die größte Bedeutung zu, sodass ihm ein eigener Unterabschnitt gewidmet ist (II.). Abschließend werden die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV dargestellt (IV.)

I. Allgemeine Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV In diesem Unterabschnitt werden die allgemeinen Voraussetzungen des Art. 101 AEUV behandelt, namentlich die Zwischenstaatlichkeitsklausel (1.), der Unternehmensbegriff (2.), die Vereinbarung bzw. die abgestimmte Verhaltensweise (3.) sowie die Spürbarkeit (4.). 1. Zwischenstaatlichkeitsklausel Zunächst muss die Anwendung des europäischen Kartellrechts festgestellt und dieses gegenüber dem nationalen Kartellrecht abgegrenzt werden. Das setzt voraus, dass der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt ist, wobei schon die bloße Eignung zur Beeinträchtigung ausreicht27. 25  Das europäische Kartellrecht ruht auf den drei Säulen der Strukturkontrolle durch Art. 101 AEUV, der Missbrauchskontrolle durch Art. 102 AEUV und der Fusionskontrolle durch die Fusionskontrollverordnung (FKVO). Diese Arbeit widmet sich – wie in der Einleitung erwähnt – der Strukturkontrolle gem. Art. 101 AEUV. Die anderen Säulen werden in § 3 E. behandelt um die Konturen der Strukturkontrolle zu schärfen und um Argumente aus den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu entwickeln. 26  Wecker, S. 78; Keßler, WuW 2002, 1162, 1169 f.; Ruppelt, S.  26 f. 27  EuGH, Urt. v. 1.2.1978, Rs. 19/77 – Miller International, Slg. 1978, 131 Leitsatz 2; EuGH, Urt. v. 9.11.1983, C-322/81 – Michelin, Slg. 1983, 3461/3522 f., Rn. 104; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 AEUV, Rn. 198 m.  w.  N.; Schweizer, S. 62.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV141

Die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels muss zudem spürbar sein. Trotz ähnlicher Voraussetzungen ist diese Art der Spürbarkeit von der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung zu unterscheiden28. Die Spürbarkeit der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels wird durch die Kommission in Leitlinien konkretisiert29. Demnach wird widerleglich vermutet, dass der zwischenstaatliche Handel nur dann nicht beschränkt wird, wenn der gemeinsame Marktanteil der Parteien – hier der Mitglieder der Einkaufskooperation – auf keinem relevanten Markt in der EU 5 % überschreitet und der gesamte Jahresumsatz mit den von der Vereinbarung erfassten Waren nicht mehr als 40 Mio. € beträgt30. Bei Vereinbarungen über den gemeinsamen Einkauf ist der Umsatz aus den gemeinsamen Käufen entscheidend31. Das gilt selbst für Kernbeschränkungen und sonstige bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen, wenn sich diese nicht auf einen ganzen Mitgliedstaat erstrecken32. Bei Einkaufskooperationen, die lediglich aus KMUs bestehen (d. h. nach der Definition der Kommission bei Unternehmen, die weniger als 250 Personen beschäftigen und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. € beläuft33), ist zu prüfen, ob diese grenzüberschreitend tätig sind oder nicht34. Aufgrund des zunehmend grenzüberschreitenden Einkaufs von Einkaufskooperationen und oftmals nicht nur auf das Inland begrenzter Mitgliedschaft werden die obigen Kriterien regelmäßig erfüllt sein35. Zwar zeigt das BKartA in der Sektoruntersuchung auf, dass im Lebensmitteleinzelhandel grundsätzlich nur im Inland eingekauft wird36. Dennoch geht es davon aus, dass Einkaufskooperationen nach deutschem und europäischem Recht zu prüfen 28  Siehe dazu unter § 3 B. I. 4.; vgl. Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 131; Lübbig, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 41. 29  Kommission, Leitlinien für den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art. 81 und 82 EGV, ABl. 2004 C 101/81 (nachfolgend: Zwischenstaatlichkeitsleitlinien). 30  Zwischenstaatlichkeitsleitlinien, Rn.  52 ff.; Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 132; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 119. 31  Zwischenstaatlichkeitsleitlinien, Rn. 52; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 118. 32  Zwischenstaatlichkeitsleitlinien, Rn. 50; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 119; Grave/Nyberg, in: LMR, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 331. 33  Art. 2, Anhang der Empfehlung der Kommission vom 6.5.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. 2003, L 124/36. 34  Zwischenstaatlichkeitsleitlinien, Rn. 50. 35  Bungenberg, S. 191; Welling, S. 69 f.; vgl. auch Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 14. 36  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Ergebnisse und Schlussfolgerungen, S. 1.

142 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

sind37. Zudem ist die Zwischenstaatlichkeitsklausel auch schon dann erfüllt, wenn die Einkaufskooperation sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt, da dadurch schon dem Wesen nach die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene verfestigt wird38. Von einer überregionalen Tätigkeit von Einkaufskooperationen ging auch der Gesetzgeber aus, als er die deutsche Sondervorschrift zu Einkaufskooperation mit der 7. GWB-Novelle abschaffte39. Sollten die oben genannten Spürbarkeitsschwellen nicht überschritten sein, findet Art. 101 AEUV mangels Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten keine Anwendung. Die Einkaufskooperation wird dann aber von der jeweiligen nationalen Wettbewerbsbehörde anhand der nationalen Kartellverbotsvorschrift überprüft40. 2. Unternehmensbegriff Das Kartellverbot des Art. 101 AEUV richtet sich allein gegen Unternehmen. Vereinbarungen zwischen natürlichen Personen werden nicht erfasst. Ein Unternehmen ist nach der funktionalen, am Sinn und Zweck der EUWettbewerbsregeln orientierten Auslegung durch den EuGH „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“41. Privatrechtliche Einkaufskooperationen fragen am Markt Waren nach, um diese auf dem Verkaufsmarkt weiterzuveräußern. Mithin üben sie eine wirtschaftliche Tätigkeit aus42. Der Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV ist in solchen Fällen privatrechtlicher Einkaufskooperationen unproblematisch eröffnet. 37  BKartA,

Sektoruntersuchung LEH, S. 39. Urt. v. 11.7.1985, Rs. C-42/84, Slg. 1985, 2545 – Remia, Rn. 22; EuGH, Urt. v. 13.7.2006, Rs. C-295/04 bis C-298/04, Slg. 2006, I‑6619, Rn. 45 – Manfredi, EuGH, Urt. v. 18.7.2013, C-136/12 – Consiglio nazionae dei geologi u. a., ECLI:EU:C:2013:489; WuW/EU-R 2844, Rn. 50; Zwischenstaatlichkeitsleitlinien, Rn. 78; Wecker, S. 87; Lettl, WRP 2014, 649, 650. 39  RegE 7. GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, S. 26  f.; zustimmend BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 39; die Abgrenzung zwischen europäischem und deutschem Recht anhand der Zwischenstaatlichkeitsklausel wird auch im Rahmen der deutschen Rechtslage behandelt, s. u. § 3 F. I. 40  Siehe zur deutschen Rechtslage unten unter § 3 F. I. 41  EuGH, Urt. v. 23.4.1991, Rs. C-41/90 – Höfner und Elsner, Slg. 1991, I-1979, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 17.2.1993, verb. Rs. C-159/91 und C-160/91 – Poucet und Pistre, Slg. 1993, I-637, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 19.1.1994, Rs. C-364/92 – SAT Fluggesellschaft, Slg. 1994, I-55, Rn. 18; Schuhmacher, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 101 AEUV, 53. Lfg. 2014, Rn. 17 m. w. N.; Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 25; Ruppelt, S.  39 ff. 42  Ruppelt, S. 39; Welling, S.  81 f. 38  EuGH,



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV143

Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand. Trotz dieser weiten Formulierung ist der europäische Unternehmensbegriff in eine andere Richtung jedoch eng zu verstehen: Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand sind nach der FENIN-Entscheidung des EuGH nur dann erfasst, wenn die Verwendung der Produkte einer wirtschaftlichen, nicht aber einer hoheitlichen Tätigkeit zugeordnet werden kann43. Wirtschaftliche Tätigkeit wird als jede selbständige Tätigkeit verstanden, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten44. Die alleinige Betätigung der Nachfrage ist damit keine wirtschaftliche Tätigkeit45. Dies gilt auch dann, wenn sich die öffentliche Hand privatrechtlicher Rechtsformen bedient. Dadurch unterscheidet sich der europäische vom deutschen, sog. funktionellen Unternehmensbegriff des GWB, der jede wirtschaftliche Betätigung erfasst46. An Beispielen aus der Rechtsprechung und Kommissionspraxis verdeutlicht bedeutet dies: Öffentlich-rechtlich organisierte Fernsehsender, die gemeinsam Senderechte erwerben, unterliegen, wenn sie Werbezeit vertreiben, als privatwirtschaftlich handelnd Art. 101 AEUV47. Demgegenüber unterfällt die Beschaffung medizinischer Erzeugnisse durch eine Kooperation aus mehreren gesetzlichen Krankenkassen nicht dem EU-Kartellrecht48. Begründet hat das EuG dies damit, dass Krankenkassen, die nur Gesetze anwenden und keine Möglichkeit haben, auf die Höhe der Beiträge, die Verwendung der Mittel und die Bestimmung des Leistungsumfangs Einfluss zu nehmen, lediglich einen rein sozialen Zweck erfüllen und daher keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben49. Im Einzelfall kann die Abgrenzung schwierig sein50. 43  EuGH, Urt. v. 11.7.2006, Rs. C-205/03P – FENIN, Slg. 2006, I-6295; darauf aufbauend EuGH, Urt. v. 26.3.2009, Rs. C-113/07 P – SELEX Sistemi Integrati SpA, Slg. 2009 I-2207, Rn. 102; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 45; ausführlich zur wirtschaftlichen Tätigkeit nach der FENIN-Rechtsprechung Werner. 44  EuGH, Urt. v. 18.6.1998, Rs. C-35/96 – Kommission/Italien, Slg. 1998, I-3851, Rn. 36; EuGH, Urt. v. 11.7.2006, Rs. C-205/03P – FENIN, Slg. 2006, I-6295, Rn. 25. 45  Vgl. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB, Rn. 234. 46  S.u. § 3 F. II. 1. 47  Kommission, Entsch. v. 11.6.1993, ABl. 1993 L 179/23 – EBU; Entsch. v. 10.5.2000, ABl. 2000 L 151/18 – Eurovision; EuG, Entsch. v. 11.7.1996, 649; Entsch. v. 8.10.2002, Slg. 2002, 3805 – Metrople u. a.; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 20. 48  EuG, Urt. v. 4.3.2003, Rs. T-319/99 – FENIN, Slg. 2003, II-357 Rn. 39 ff.; EuGH, Urt. v. 11.7.2006, Rs. C 205/03P – FENIN, Slg. 2006, I-6295, Rn. 25 f. 49  EuG, Urt. v. 4.3.2003, Rs. T-319/99 – FENIN, Slg. 2003, II-357 Rn. 39; vgl. Kling, Neoliberalismus, S. 94. 50  Vgl. dazu Kling/Dally, ZWeR 2014, 3.

144 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

An diesem Verständnis wird in der Literatur vermehrt Kritik geäußert51. Denn es erscheint nur schwer nachvollziehbar, Anbieter schutzlos zu stellen, die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen gegenüberstehen, von denen eine erhebliche Nachfragemacht ausgehen kann52. Zudem schafft dieses Verständnis Rechtsunsicherheit, da insbesondere für den Lieferanten nur schwer erkennbar ist, ob die Produkte von der öffentlichen Hand zur wirtschaftlichen oder nicht wirtschaftlichen hoheitlichen Verwendung erworben wurden53. Letztlich kann sie nur als eine dem Kartellverbotstatbestand vorgelagerte wettbewerbspolitische Einschränkung des Wettbewerbsrechts zugunsten mitgliedstaatlicher Sozial- und Daseinsvorsorge verstanden werden54. 3. Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen Art. 101 Abs. 1 AEUV statuiert das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen. Das Merkmal der Vereinbarung ist wenig problematisch. Es gilt hier bei Einkaufskooperationen nichts anderes als bei Verkaufskooperationen: Der Begriff ist weit gefasst, sodass nicht nur rechtlich verbindliche vertragliche Vereinbarungen umfasst sind, sondern auch bloße moralisch bindende bzw. wirtschaftlich sanktionierte gentlemen’s agreements55. Üblicherweise werden die Kooperationsmitglieder je nach Ausgestaltung eine Einkaufskooperation gründen, indem sie sich durch einen Gesellschaftsvertrag, eine Satzung oder eine sonstige Vereinbarung rechtlich binden. Diese Gründungsvereinbarung stellt dann eine horizontale Vereinbarung i.  S.  d. Art. 101 Abs. 1 AEUV dar56. Daneben kann es noch zu weitreichenderen Vereinbarungen auf vertikaler Ebene zwischen den einzelnen Mitgliedern und der zentralen Einkaufskooperation sowie zu Vereinbarungen zwischen der Einkaufskooperation und einzelnen Lieferanten kommen57.

51  Für einen Überblick vgl. Kling/Thomas, § 5, Rn. 24 m. w. N.; Füller, in: KölnKomm, Art.  101 AEUV, Rn.  23 m. w. N.; Raeder, S.  25 ff. 52  FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 45; Ruppelt, S. 41; Säcker/ Mohr, WRP 2011, 793, 799; T. Müller, S.  389 m. w. N.; Raeder, S. 25. 53  Schröter, in: FS Baudenbacher, S. 593, 612. 54  T. Müller, S.  617 f.; 385 ff. 55  Aus jüngster Zeit etwa EuGH, Urt. v. 20.1.2016, C-373/14 P, ECLI:EU:C:2016: 26, Rn. 23 – Toshiba; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 AEUV, Rn. 60 m. w. N.; Ruppelt, S. 37; Welling, S. 11. 56  Geiger, Verbundgruppen, S. 48. 57  Welling, S. 82.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV145

Auch abgestimmte Verhaltensweisen sind als Vorstufe einer Vereinbarung vom Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV umfasst58. Sie werden vom EuGH als „Form der Koordinierung“ definiert, „die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt“59. Eine Abgrenzung zwischen beiden Formen ist stets entbehrlich, da sie nur alternativ vorliegen müssen60. Von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen abzugrenzen ist bloßes Parallelverhalten, das nicht unter den Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt61. Ein solches ist aber bei Einkaufskooperationen kaum denkbar. Denn Einkaufskooperationen müssen sich, um ihre Funktion erfüllen zu können, durch Vereinbarungen binden. Anderenfalls ist eine Koordinierung des gemeinsamen Einkaufs sowie das glaubhafte Auftreten als Nachfrager gegenüber den Anbietern kaum möglich62. 4. Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Art. 101 Abs. 1 AEUV ist nach ständiger Rechtsprechung und Kommissionspraxis die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung63. Mit Blick auf die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung verneinte die Kommission in den Entscheidungen Socemas64 und Intergroup65 jeweils die Spürbarkeit zweier Einkaufskooperationen, da die Mitglieder im ersten Fall lediglich 0,1 %, im zweiten Fall nur 0,06–0,89 % ihres Gesamtumsatzes über die Einkaufskooperation bezogen.

58  Geiger,

Verbundgruppen, S.  42 f. Urt. v. 16.12.1975, verb. Rs. 40–48, 50, 54–56, 111, 113 und 114/73 – Suiker Unie, Slg. 1975, 1663, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 4.6.2009, C-8/08 – T-Mobile Netherlands, Slg. 2009, I-4529, Rn. 26; Fournier/Majzesowicz, in: LMR, Art. 81 Abs. 1 EGV Rn. 95; Welling, S. 12. 60  Vgl. im Detail zur Abgrenzung Welling, S. 11. 61  EuGH, Urt. v. 14.7.1972, Rs 48/69, Slg. 1972, 619, Rn. 64/67 – Teerfarben; Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 64; Mestmäcker/Schweitzer, § 10 Rn.  47 m. w. N.; Geiger, Verbundgruppen, S. 43. 62  Ruppelt, S. 38. 63  Zur davon zu unterscheidenden Spürbarkeit der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, s. o. § 3 B. I. 1. 64  Kommission v. 17.7.1968 – Socemas, ABl. 1968 L 201/4. 65  Kommission, Entsch. v. 14.7.1975 – Intergroup, ABl. 1975 L 212/23. 59  EuGH,

146 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Für die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung gilt nunmehr die aktuelle de minimis-Bekanntmachung66. Danach ist die Spürbarkeit einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung erst ab einem gemeinsamen Marktanteil der Kooperationsbeteiligten auf jedem relevanten Markt von über 10 % anzunehmen67. Mit Blick auf die Bewertung von Einkaufskooperationen kommt der Frage besondere Bedeutung zu, auf welchen Markt es dabei ankommt – allein auf den Beschaffungsmarkt oder auch auf den Absatzmarkt? Dieser Frage wird im vierten Kapitel näher nachgegangen68. Die Privilegierung durch die de minimis-Bekanntmachung gilt in Umsetzung der Expedia-Rechtsprechung des EuGH nicht für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen69 wie z.  B. eine Marktaufteilung, Festsetzung der Weiterverkaufspreise oder Produktions-/Absatzbeschränkungen70. Ebenso wenig fallen Kernbeschränkungen von Gruppenfreistellungsverordnungen in den Anwendungsbereich der Bekanntmachung71. Diese sind damit stets spürbar. Normale Einkaufskooperationen sind hingegen von der de minimisBekanntmachung erfasst, wie die Kommission im zugehörigen guidance paper mit Verweis auf Rn. 206 HLL klarstellt72. Gleiche Einkaufskonditionen der Mitglieder der Einkaufskooperation könnten zwar zu einer Angleichung der Verkaufspreise führen73. Das spricht aber nicht zwangsläufig für eine be­zweckte Wettbewerbsbeschränkung, da zum einen nicht alle Kooperations66  Kommission, Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union den Wettbewerb nicht spürbar beschränken (de minimis-Bekannt­ machung), ABl. 2014 C 291/1 v. 30.8.2014. 67  Insoweit liegt die Spürbarkeitsschwelle deutlich höher als diejenige für die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, die nur bei 5 % liegt, s. o. § 3 B. I. 1.; vgl. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB, Rn. 144. 68  Vgl. dazu unter § 4 C. II. 69  EuGH, Urt. v. 13.12.2012, C-226/11, ECLI:EU:C:2012:795 – Expedia, Rn. 35–38; Kommission, de minimis-Bekanntmachung, Rn. 2; Schlussanträge der GAin Kokott v. 17.11.2016, Rs. C-469/15 P – FSL u. a., ECLI:EU:C:2016:884, Rn. 107; Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 88. 70  Eine detaillierte Beschreibung welche Wettbewerbsbeschränkungen bezweckt sind und nicht von der de minimis-Bekanntmachung erfasst werden, findet sich in den zugehörigen Commission Staff Working Document „Guidance on restrictions of competition „by object“ for the purpose of defining which agreements may benefit from the De Minimis Notice“, SWD(2014) 198 final v. 25.6.2014. 71  Kommission, de minimis-Bekanntmachung, Rn.  13 f. 72  Kommission, Commission Staff Working Document, „Guidance on restrictions of competition „by object“ for the purpose of defining which agreements may benefit from the De Minimis Notice“, SWD(2014) 198 final v. 25.6.2014, 2.1.2., S. 7; zu Rn. 206 HLL s. u. § 3 C. II. 2. a). Ebenso entschied die ungarische Wettbewerbs­ behörde, s. u. § 4, Fn. 442. 73  S. o. § 2 C. I. 1. und 2.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV147

mitglieder Wettbewerber auf den Absatzmärkten sind und zum anderen die Festsetzung des Verkaufspreises die autonome Entscheidung eines jeden Unternehmens bleibt74. Ferner differenziert die de minimis-Bekanntmachung danach, ob es sich bei den Parteien um Wettbewerber handelt oder nicht. Bei Vereinbarungen zwischen Nichtwettbewerbern gilt gar ein safe harbour i. H. v. 15 %. Bei Einkaufskooperationen handelt es sich aber regelmäßig um Wettbewerber. Zwar bestehen Einkaufskooperationen oftmals aus Mitgliedern, die keine Wettbewerber auf dem Absatzmarkt sind, beispielsweise eine europaweite Einkaufskooperation nationaler Lebensmitteleinzelhändler, deren regionale Absatzmärkte sich nicht überschneiden, oder eine Einkaufskooperation aus mehreren Chemieunternehmen, die eine Grundchemikalie gemeinsam beziehen, aber daraus jeweils unterschiedliche Folgeprodukte herstellen. Auf dem Einkaufsmarkt sind die Kooperationsmitglieder allerdings Wettbewerber, sonst würde der gemeinsame Einkauf keinen Sinn ergeben75. Letztlich hat die Spürbarkeit neben den Horizontalleitlinien, die einen safe harbour bei einem Marktanteil von 15 % sowohl auf dem Einkaufs- wie auf dem Absatzmarkt statuieren, keinen großen praktischen Anwendungsbereich76. Neben der Betrachtung der Marktanteile als rein quantitatives Kriterium bezieht der EuGH mitunter aber auch qualitative Gesichtspunkte, z. B. den wirtschaftlichen Zusammenhang, die Stellung und Bedeutung der Beteiligten auf dem jeweiligen Markt sowie dessen Struktur, die Art und Menge der betroffenen Erzeugnisse und sonstige Umstände des Einzelfalles, mit ein77. Auf etwaige Unterschiede wird im vierten Kapitel näher eingegangen78.

74  Wecker,

S. 104; vgl. dazu im Einzelnen unter § 3 B. II. 2. auch Welling, S. 79. 76  Siehe dazu unten § 4 C. II.; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 94; Schroeder, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 101 AEUV, Rn. 556; Säcker/ Mohr, WRP 2011, 793, 805; Valdés Burgui/Faura Enriquez, in: Wijckmans/Tuyt­ schaever, Horizontal Agreements, Rn. 10.26. 77  EuGH, Urt. v. 12.12.1995, Rs. C-399/93 – Oude Luttikhuis, Slg. 1995 I-4515, Rn. 10; EuGH, Urt. v. 12.9.2000, verb. Rs. C-180/98 bis C-184/98, ECLI:EU:C: 2000:428, Rn. 91 – Pavlov/Stichting Pensioenfonds; Lübbig, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 42; Welling, S. 95. 78  S.u. § 4 D. II. 1. 75  Vgl.

148 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

II. Die horizontale Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV in der bisherigen Rechtsprechung und Kommissionspraxis Die Wettbewerbsbeschränkung im Horizontalverhältnis, d. h. zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperation, bildet den Kernpunkt der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen79. Ihre Analyse ergibt ein nicht immer klares und stringentes, sondern teilweise verworrenes Bild. Seinen Grund hat dies in der mosaikartigen Rechtsprechung und Kommissionspraxis. Es gibt nur eine Handvoll Entscheidungen der Kommission und der Unionsgerichte zu Einkaufskooperationen. Diese reichen teilweise zurück in die späten 60er Jahre80 und sind insoweit mit Blick auf die in Abschnitt A. dargestellten Veränderungen des Kartellrechts in den letzten Jahrzehnten veraltet. Dabei unterscheidet sich insbesondere der Blickwinkel von tradierter Rechtsprechung und von der Kommission, die mit ihren Horizontalleitlinien einen more economic approach verfolgt. Dies bedingt die nachfolgende getrennte Darstellung: In diesem Abschnitt werden zunächst die Entscheidungen der Unionsgerichte sowie die bisherige Kommissionspraxis zu Einkaufskooperationen zusammengefasst, systematisiert und deren maßgebliche Bewertungskriterien herausgearbeitet, sodass der „rote Faden“ der bisherigen Rechtsprechung und Kommissionspraxis zur Beurteilung von Einkaufskooperationen erkennbar wird. Sodann wird im nächsten Abschnitt (C.) auf die Bewertung von Einkaufskooperationen nach den Horizontalleitlinien eingegangen. Erst im vierten Kapitel werden beide zusammengeführt, nachdem die bisherige Rechtsprechung im Lichte der Veränderungen des Kartellrechtssystems neu interpretiert wurde. Im Rahmen des Verbotstatbestands des Art. 101 Abs. 1 AEUV lässt sich aus der bisherigen Rechtsprechung zu Einkaufskooperationen folgende Vorgehensweise bei der Bestimmung der Wettbewerbsbeschränkung erkennen: Zunächst sind bestimmte wettbewerbsförderliche Sachverhalte im Wege der Tatbestandsreduktion aus dem Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV herauszunehmen (1.). Sind diese nicht einschlägig, ist zwischen (2.) bezweckter und (3.) bewirkter Wettbewerbsbeschränkung zu unterscheiden.

79  Zum

Vertikalverhältnis s. u. § 3 D. Kommission, Entsch. v. 17.7.1968 – Socemas, ABl. 1968 L 201/4; Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 31; EuGH, Urt. v. 25.3.1981, Rs. 61/80 – Coöperative Stremselen Kleurselfabriek/Kommission (Lab-Urteil), Slg. 1981, 851; EuGH, Urt. v. 15.12. 1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641 ff. 80  Vgl.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV149

1. Tatbestandliche Reduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV: Notwendige Wettbewerbsbeschränkungen und Arbeitsgemeinschaftsgedanke Schon früh wurde offenkundig, dass die tatbestandliche Weite des Verbotstatbestands des Art. 101 AEUV einer Korrektur bedurfte. Die dogmatische Begründung variiert dabei: Sie reicht von einer teleologischen Reduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV nach der Lehre von den Nebenabreden81 über Annäherungen an die sog. Immanenztheorie des deutschen Rechts bis hin zur USamerikanischen ancillary restraints-Theorie82. In der Rechtsprechung sind insbesondere zwei Ausprägungsformen dieses Gedankens anerkannt: die Figur der notwendigen Wettbewerbsbeschränkung und der Arbeitsgemeinschaftsgedanke. a) Notwendige Wettbewerbsbeschränkung Die Kernaussage der Figur der notwendigen Wettbewerbsbeschränkung lautet: Eine Vereinbarung ist nicht wettbewerbsbeschränkend, wenn sie notwendig ist, um einen rechtlich gebilligten Hauptzweck zu erfüllen83. Klassisches Beispiel einer solchen Vereinbarung ist das Wettbewerbsverbot im Zusammenhang mit dem Verkauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen84. Denn würde der Verkäufer nach dem Verkauf weiterhin in Wettbewerb mit dem Käufer treten, würde eine Veräußerung nicht realisiert werden, da sich kaum jemand darauf einlassen würde. Denn „[d]er Verkäufer, der das veräußerte Unternehmen in allen seinen Einzelheiten besonders gut kennt, könnte seine frühere Kundschaft unmittelbar nach der Unternehmensveräußerung wieder zurückgewinnen und so dem veräußerten Unternehmen die Existenzgrundlage entziehen“.85

81  EuGH, Urt. v. 12.12.1995, Rs. C-399/93 – Oude Luttikhuis, Slg. 1995 I-4515, Rn. 12 ff.; EuGH, Urt. v. 11.9.2014, C-382/12 P – Mastercard, ECLI:EU:C:2014:2201, Rn. 89 ff.; EuG, Urt. v. 18.9.2001, Rs. T-112/99 – Métropole (M6), Slg. 2001 II-2459, Rn.  104 ff. 82  Vgl. zu den unterschiedlichen Begründungsansätzen, deren Gemeinsamkeiten und Unterschieden Füller, in: KölnKomm, Art.  101 AEUV, Rn.  234  ff. sowie O. Christiansen, S.  118 ff. 83  Möschel, § 5 Rn. 197; Stockenhuber, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art.  101 AEUV, Rn. 151 f.; differenzierend O. Christiansen, S. 120 und 137. 84  EuGH, Urt. v. 11.7.1985, Rs. C-42/84, Slg. 1985, 2545 – Remia, Rn. 19; Kommission, Entsch. v. 12.12.1983 – Nutricia, ABl. 1983 L 376/22, 26, Rn. 28; Beuthien, S.  124 ff.; Säcker/Molle, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 97. 85  EuGH, Urt. v. 11.7.1985, Rs. C-42/84, Slg. 1985, 2545 – Remia, Rn. 19.

150 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

b) Der Arbeitsgemeinschaftsgedanke In Bezug auf Einkaufskooperationen sind nach dem Arbeitsgemeinschaftsgedanken insbesondere Wettbewerbsbeschränkungen notwendig, die aus Mindestabnahmemengen der Anbieter resultieren, welche die beteiligten Unternehmen einzeln nicht erreichen könnten86, oder Wettbewerbsbeschränkungen, durch die ausländische Versorgungsmärkte erschlossen werden können87. In diesen Konstellationen wird der Wettbewerb nicht beschränkt, sondern – im Gegenteil – erst gefördert88. c) Tatbestandliche Reduktionen in der bisherigen Rechtsprechung des EuGH: Gøttrup-Klim/DLG Unionsgerichte und Kommission sehen daher derartige notwendige Wettbewerbsbeschränkungen und solche, die auf dem Arbeitsgemeinschaftsgedanken beruhen, als nicht von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst an. Dies wird allgemein in zahlreichen Entscheidungen deutlich89. In Bezug auf Einkaufskooperationen ist die Zahl der Fälle dagegen spärlich gesät und zunächst schien es, als ob von der tatbestandlichen Reduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV erst gar kein Gebrauch gemacht wird. Der EuGH hat dann aber mit der Entscheidung Gøttrup-Klim/DLG90 auch für Einkaufskooperationen klargestellt, dass der heutige Art. 101 Abs. 1 AEUV91 86  Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 91; vgl. dazu Säcker/Molle, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 96; Raeder, S. 265; zur deutschen Rechtslage Köhler, S. 192; Fritzsche, S. 128. 87  EuGH, Urt. v. 30.6.1966, Rs. 56/65 – LTM/Maschinenbau Ulm, Slg. 1966, 282, 303 f.; Kommission, First Report on Competition Policy (1971), Rn. 40; Kommission, Entsch. v. 17.7.1968, ABl. 1968 L 201, 4, 5 – Socemas; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 9; Beuthien, S. 135; Geiger, Verbundgruppen, S. 63. 88  FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 9; Säcker/Molle, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 97; zur deutschen Rechtslage Köhler, S. 192; Ebenroth, DB 1985, 1825, 1827 f. 89  EuGH, Urt. v. 11.7.1985, Rs. C-42/84, Slg. 1985, 2545 – Remia, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 12.12.1995, Rs. C-399/93 – Oude Luttikhuis, Slg. 1995 I-4515, Rn. 12 ff.; EuGH, Urt. v. 11.9.2014, C-382/12 P – Mastercard, ECLI:EU:C:2014:2201, Rn. 89 ff.; EuG, Urt. v. 18.9.2001, Rs. T-112/99 – Métropole (M6), Slg. 2001 II-2459, Rn.  104 ff.; vgl. Beuthien, S.  123 ff. 90  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641 ff.; eine Zusammenfassung der Entscheidung findet sich auch bei Ruppelt, S. 33, eine Darstellung der rechtlichen Bewertung bei Geiger, Verbundgruppen, S.  74 f. 91  Im Folgenden wird stets allein auf die aktuelle Fassung des Kartellverbots nach Art. 101 AEUV und des Missbrauchsverbots nach Art. 102 AEUV verwiesen, wenn sich die Gerichts- und Kommissionsentscheidungen oder die Literatur auf die inhalts-



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV151

nicht von einem absoluten Verbot horizontaler Wettbewerbsbeschränkungen ausgeht, sondern vielmehr Wettbewerbsbeschränkungen vom Anwendungsbereich entzieht, die unerlässlich sind, um einen im übrigen zulässigen Hauptzweck zu erreichen. Nach der Entscheidung Gøttrup-Klim/DLG kann das Verbot der Doppelmitgliedschaft in der Satzung einer Bezugsgenossenschaft eine solche notwendige Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Sachverhalt: Die dänische landwirtschaftliche Waren- und Verwertungsgenossenschaft DLG übernahm für ihre Mitglieder den gemeinsamen Einkauf landwirtschaftlicher Produktionsmittel, darunter Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Sie hatte zunehmend damit zu kämpfen, dass zahlreiche Mitglieder mit ihrer Arbeit nicht mehr zufrieden waren. Diese gründeten daher eine eigene Kooperation, die ebenfalls den Einkauf von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln anbot. Der Rückgang der getätigten Einkäufe führte schließlich zu schlechteren Einkaufskonditionen für die DLG92. Um dem entgegenzuwirken, änderte sie ihre Satzung dahingehend, dass eine Doppelmitgliedschaft in einer anderen landwirtschaftlichen Bezugsgenossenschaft verboten wurde93. Den Mitgliedern blieb jedoch weiterhin die Möglichkeit, Dünge- und Pflanzenmittel aus anderen Quellen, die keine Mitgliedschaft erforderten, zu beziehen. Das hatte zur Folge, dass die Mitglieder anderer Bezugsgenossenschaften entweder aus diesen austreten oder nach Weigerung aus der DLG ausgeschlossen wurden94. Gegen den Ausschluss erhoben einzelne Mitglieder Klage. Das dänische Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung des Verbots der Doppelmitgliedschaft zur Entscheidung vor95. Entscheidung des EuGH: Der EuGH entschied, dass das Verbot der Doppelmitgliedschaft schon nicht gegen Art. 85 Abs. 1 EWG-Vertrag a. F. (= Art. 101 Abs. 1 AEUV) verstößt, sondern einem wirksamen Wettbewerb unter Umständen sogar förderlich sein kann96. Bezugsgenossenschaften können ein bedeutendes Gegengewicht zur Vertragsgestaltungsmacht der Großerzeuger bilden. Diese Funktion wird aber gefährdet, wenn die Mitglieder selber dem Zweck der Genossenschaft entgegenwirken könnten97. Zweck der Genossenschaft ist es gerade, im Bereich der gleichen Vorgängerregelungen, namentlich Art. 81 EGV und Art. 82 EGV bzw. Art. 85 und 86 EG a. F., beziehen. 92  Schlussanträge des GA Tesauro v. 16.6.1994, Rs. C-250/92, Slg. 1994 I-5644, Rn. 6. 93  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn. 7. 94  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn. 12; Schlussanträge des GA Tesauro v. 16.6.1994, Rs. C-250/92, Slg. 1994 I-5644, Rn. 7 und 9. 95  Eine Entscheidung der Kommission erging nicht, da diese die Entscheidung des EuGH in dem Vorlageverfahren abwarten wollte; vgl. Schlussanträge des GA Tesauro v. 16.6.1994, Rs. C-250/92, Slg. 1994 I-5644, Rn. 8. 96  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn. 32. 97  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn. 33.

152 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis Dünge- und Pflanzenschutzmittel günstige Preise durch erhöhte Nachfrage auszuhandeln. Dieser Zweck werde aber dann unterlaufen, wenn zahlreiche Mitglieder durch den Bezug über andere Genossenschaften die Nachfrage verringern und so die Ziele der Genossenschaft beeinträchtigen und ihre Vertragsgestaltungsmacht gefährden98. Demnach sei eine Beschränkung des Wettbewerbs insoweit gerechtfertigt, als sie notwendig ist, um das ordnungsgemäße Funktionieren der Genossenschaft sicherzustellen und ihre Vertragsgestaltungsmacht gegenüber den Produzenten zu erhalten99. Dabei stellte der EuGH ausdrücklich fest, dass die mit der betriebenen Einkaufsgemeinschaft dänischer Landwirte verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen nicht über das erforderliche Maß hinausgingen, weil der einzelne Landwirt zwar nicht Mitglied einer weiteren Einkaufskooperation werden durfte, aber weiterhin berechtigt war, außerhalb der Einkaufskooperation Einkäufe zu tätigen, etwa direkt beim Hersteller100.

Diese Praxis einer Einschränkung des Art. 101 Abs. 1 AEUV wird mitunter kritisch bewertet, und der EuGH hätte den obigen Fall wohl auch im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV lösen können101. Grundsätzlich ist die Rechtsprechung jedoch ebenso richtig wie eindeutig: Notwendige Wettbewerbsbeschränkungen sind aus dem Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV herauszunehmen. Sie recht­fertigt sich durch die simple Wahrheit, dass nichts wettbewerbsbeschränkend sein kann, was den Wettbewerb fördert. Jedoch existiert aufgrund der Einzelentscheidung kein geschlossenes, sondern lediglich ein unvollständiges Bild. Die Markterschließung102 und Genossenschaftsfunktionalität103 sind jedenfalls anerkannt. Im Übrigen sollten tatbestandliche Reduktionen als Ausnahme zu Art. 101 Abs. 1 AEUV restriktiv erfolgen. Insbesondere geht der Arbeitsgemeinschaftsgedanke nicht so weit, dass Einkaufskooperationen allgemein dem Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV entzogen wären104. Denn die Mitglieder der Einkaufskoopera98  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn. 33 f.; vgl. ausführlicher die Schlussanträge des GA Tesauro v. 16.6.1994, Rs. C-250/92, Slg. 1994 I-5644, Rn. 19. 99  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn.  34 f. 100  Auch waren Nicht-Mitglieder berechtigt, die von der DLG angebotenen Produkte zu denselben Konditionen wie Mitglieder einzukaufen; sie hatten aber keinen Anspruch auf Auszahlung des sich aus den erzielten Umsätzen ergebenden Jahresüberschusses, EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, 5688, Rn. 38. 101  Vgl. dazu unten § 4 D. II. 2. 102  EuGH, Urt. v. 30.6.1966, Rs. 56/65 – LTM/Maschinenbau Ulm, Slg. 1966, 282, 303 f. 103  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn. 34 f.; EuGH, Urt. v. 12.12.1995, Rs. C-399/93 – Oude Luttikhuis, Slg. 1995 I-4515, Rn. 14. 104  Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 802.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV153

tion dürften regelmäßig in der Lage sein, Güter auch ohne die Kooperation am Markt zu beschaffen105. Dann liegt der Arbeitsgemeinschaftsgedanke definitionsgemäß nicht vor, da durch die Bündelung des Einkaufs kein zusätzlicher Wettbewerber auf den Markt tritt106. Eine Einkaufskooperation, die den Mitgliedern lediglich günstigere Bezugsmöglichkeiten ermöglicht, rechtfertigt demnach keine Freistellung vom Kartellverbot107. 2. Bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen Ist die Wettbewerbsbeschränkung nicht notwendig, ist zu prüfen, ob mit der Gründung der Einkaufskooperation und den zwischen den Mitgliedern geschlossenen Vereinbarungen bezweckte oder bewirkte Wettbewerbsbeschränkung verbunden sind. a) Relevanz der Abgrenzung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung Die Notwendigkeit einer Abgrenzung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 101 Abs. 1 AEUV („bezwecken oder bewirken“)108. Zwar prüft die Kommission oftmals beide Arten der Wettbewerbsbeschränkung nebeneinander109, und das BKartA lässt vereinzelt eine Abgrenzung dahinstehen, wenn jedenfalls eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung gegeben ist und eine bezweckte sich oftmals nur schwer oder kaum nachweisen lässt110. Dadurch wird eine Differenzierung aber nicht entbehrlich111. Denn die Abgrenzung ist für die 105  Vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 12 f.; zustimmend Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 802; vgl. zu § 1 GWB Ebenroth, DB 1985, 1825, 1828; Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 451. 106  Fritzsche, S. 129; L. Ulmer, S. 59; zur Problematik der Mischfälle vgl. unten unter § 4 D. II. 2. 107  Fritzsche, S. 129; Schroeder, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 101 AEUV, Rn.  535 m. w. N.; Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 451; L. Ulmer, S. 59. 108  EuGH, Urt. v. 30.6.1966, Rs. 56/65 – LTM/Maschinenbau Ulm, Slg. 1966, 282, 303; EuGH, Urt. v. 6.10.2009, verb. Rs. C-501/06 P u. a. – GlaxoSmithKline, Slg. 2009 I-9291, Rn.  55; EuGH, Urt. v. 16.7.2015, C-172/14 – ING Pensii, ECLI:EU:C:2015:484, Rn. 30; EuGH, Urt. v. 20.1.2016, C-373/14 P – Toshiba, ECLI:EU:C:2016:26, Rn. 24. 109  Vgl. in Bezug auf Einkaufskooperationen beispielsweise Kommission, Entsch. v. 11.6.1993, ABl. 1993 L 179/23, 31 – EBU/Eurovision-System und Kommission, Entsch. v. 15.9.1989, 89/536/EWG, ABl. 1989 L 284/36, 89 – ARD/MGM. 110  Vgl. etwa BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, B9-66/10 – HRS-Bestpreisklausel, Rn. 8. 111  Eckard, S. 256.

154 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Selbstbewertung der Unternehmen von elementarer Bedeutung112: Erstens braucht die Wettbewerbsbehörde bei einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung die Effekte der Vereinbarung nicht mehr zu prüfen113. Bei einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung muss die Wettbewerbsbehörde hingegen zunächst darlegen, dass wettbewerbsschädliche Wirkungen vorliegen. Zweitens bleibt dem Unternehmen zwar auch bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen theoretisch die Möglichkeit der Effizienzeinrede nach Art. 101 Abs. 3 AEUV114, diese ist aber im Einzelfall nur schwer zu beweisen115. Letztlich sind die Sanktionen durch Bußgelder und auch das Verfolgungsrisiko bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen deutlich höher als bei bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen116. b) Merkmale und Fallgruppen der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung Bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen wohnt die beschränkende Wirkung so unmittelbar inne, dass ohne weitergehende Prüfung der Auswirkungen der Vereinbarung oder des abgestimmten Verhaltens von einer Wettbewerbsbeschränkung ausgegangen werden kann, da sie „schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs 112  Wie unter § 3 B. I. 4. dargestellt, ist die Differenzierung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung auch im Rahmen der Spürbarkeit relevant, da nach der Entscheidung des EuGH in der Sache Expedia und der de minimisBekanntmachung der Kommission bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen stets spürbar sind. Der safe harbour der de minimis-Bekanntmachung i. H. v. 10 % gilt für diese nicht. 113  EuGH, Urt. v. 13.7.1966, verb. Rs. 56/64 und 58/64 – Consten und Grundig/ Kommission, Slg. 1966, 322, 390 f.; vgl. auch EuGH, Urt. v. 4.6.2009, Rs. C-8/08 – T-Mobile Netherlands BV u. a., Slg. 2009, I-4529, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 6.10.2009, verb. Rs. C-501/06 P – GlaxoSmithKline, Slg. 2009 I-9291, Rn. 55; EuGH, Urt. v. 20.1.2016, C-373/14 P – Toshiba, ECLI:EU:C:2016:26, Rn. 24; vgl. Bechtold/Bosch/ Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 79; Kuhn, ZWeR 2014, 143, 144. 114  EuG, Urt. v. 15.7.1994, Rs. T-17/93 – Matra Hachette, Slg. 1994 II-595, Rn. 85; EuGH, Urt. v. 8.9.2016, T-460/13 – Sun Pharmaceuticals Industries Ltd, ECLI:EU:T:2016:453, Rn. 228. 115  Kuhn, ZWeR 2014, 143, 144 m. w. N.: „praktisch ausgeschlossen“; Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 93; Wolf, NZKartA 2015, 78, 84 f.; Jones/Kovacic, S. 31. 116  Kuhn, ZWeR 2014, 143, 144; Immenga/Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, Einl. D., Rn. 3; Witt, S. 121 f.; so hat die Kommission seit 2007 nur bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen, nicht aber bewirkte verfolgt, was im Widerspruch zum more economic approach steht; vgl. Kuhn, ZWeR 2014, 143, 144. Bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen werden hingegen eher durch Settlement-Verfahren statt durch Bußgeldentscheidungen gelöst, vgl. Jones/Kovacic, S. 38.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV155

angesehen werden können“117. Klassische bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen sind die in Art. 101 Abs. 1 lit. a) bis e) AEUV genannten Kernbeschränkungen wie Preisvereinbarungen, Marktaufteilungen oder die Reduzierung der Produktion118. In Bezug auf Einkaufskooperationen sind sog. „verschleierte Kartelle“ typische Fälle einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung. Deren Ziel ist es, unter dem Deckmantel einer Kooperation, Kernbeschränkungen (insbesondere Preisabsprachen) zu treffen. Beispiele solcher Einkaufskartelle – die allerdings nicht im Rahmen einer Einkaufskooperation gebildet wurden – waren Gegenstand der Kommissionsentscheidungen Rohtabak Spanien und Rohtabak Italien119. Die spanischen bzw. italienischen Tabakverarbeiter vereinbarten Höchstpreise sowie die Zuteilung der aufzukaufenden Menge an Rohtabak. Die Kommission verhängte ein Bußgeld i. H. v. 20 Mio. € bzw. 54 Mio. €. Die Entscheidungen wurden vom EuG bestätigt120. Ein weiteres Beispiel ist das von der französischen Kartellbehörde aufgedeckte Kartell von Schweineschlachtbetrieben, die sich darauf einigten, weniger Schweine als benötigt einzukaufen, um dadurch die Einkaufspreise fallen zu lassen121. 117  EuGH, Urt. v. 20.11.2008, Rs. C-209/07 – Irish Beef, Slg. 2008, I-8637, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 4.6.2009, Rs. C-8/08 – T-Mobile Netherlands, Slg. 2009, I-4529, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 14.3.2013, C-32/11 – Allianz Hungária Biztosító, ECLI:EU:C:2013:160, Rn. 35; EuGH, Urt. v. 11.9.2014, Rs. C-67-13 PX – Groupement des cartes bancaires (CB), ECLI:EU:C:2014:2204, Rn. 50; EuGH, Urt. v. 20.1.2016, C-373/14 P – Toshiba, ECLI:EU:C:2016:26, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 27.4.2017, C-469/15 P – FSL u. a., ECLI:EU:C:2017:308, Rn. 103; Immenga, ZWeR 2006, 346, 349; Kuhn, ZWeR 2014, 143, 144; C. Becker, in: 46. FIW-Symposium, S. 57, 61; Wollmann/Herzog, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 171. 118  Detaillierte Hinweise zur Einordnung als bezweckte und bewirkte Wettbewerbsbeschränkung geben die Leitlinien zur de minimis-Bekanntmachung: „Guidance on restrictions of competition „by object“ for the purpose of defining which agreements may benefit from the De Minimis Notice“, SWD(2014) 198 final v. 25.6.2014. 119  Kommission, Entsch. v. 20.10.2004, COMP/C.38.238/B.2 – Rohtabak Spanien, ABl. 2007, L 102/14; Entsch. v. 20.10.2005, COMP/C.38.281/B.2 – Rohtabak Italien; ABl. 2006 L 353/45: „Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen, mit denen die Transaktionspreise direkt oder indirekt festgesetzt oder Mengen aufgeteilt werden, beschränken ihrem Wesen nach den Wettbewerb“; vgl. auch Ezrachi, JCLE 2012, 47, 55. Darüber hinaus finden sich auch Entscheidungen nationaler Kartellbehörden in Griechenland, Bulgarien und Litauen, welche Käuferkartelle im Markt für Rohmilch und andere Milchprodukte betrafen, vgl. ECN, Food Report, S. 53 f. 120  EuG, Urt. v. 8.9.2010, T-29/05 – Deltafina, Slg. 2010, II-4077; EuG, Urt. v. 11.4.2013, C-652/11 P – Mindo, ECLI:EU:C:2013:229; EuG, Urt. v. 26.9.2013, C-668/11 P und C-679/11 P – Alliance One International, ECLI:EU:C:2013:614. 121  Autorité de la concurrence, Entsch. v. 13.2.2013, Nr. 13-D-03 relative à des pratiques mises en œuvre dans le secteur du porc charcutier. Das Vorgehen des Kartells war durch die Eigenarten des französischen Schweinemarktes noch attraktiver als im Standard-Monopson-Modell. Während eine künstliche Reduktion im Modell

156 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Diese Einordnung der oben im Rahmen des Monopsonmodells beschriebenen absichtlichen Einkaufsreduktion als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung entspricht der US-Rechtsprechung, die derartige reine Kartellvereinbarungen als per se illegal einordnet122. Abseits dieser eindeutigen Fälle bereitet die Einordnung von Wettbewerbsbeschränkungen als bezweckte oder bewirkte gemeinhin große Schwierigkeiten. Das gilt sowohl allgemein als auch speziell in Bezug auf Einkaufskooperationen und den mit ihnen verbundenen typischen Vereinbarungen. Eine Kernfrage kreist darum, ob die zwischen den Kooperationsmitgliedern zum Zwecke des gemeinsamen Einkaufs getroffenen Preisvereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellen. Hierauf wird im vierten Kapitel näher eingegangen, nachdem sowohl die Antwort der Horizontalleitlinien auf diese Frage dargestellt als auch die aktuelle Rechtsprechung im Lichte des gewandelten Kartellrechtssystems näher beleuchtet wurden. c) Der Bezugszwang als Kern der Wettbewerbsbeschränkung in der bisherigen Rechtsprechung und Kommissionspraxis In der bisherigen Rechtsprechung und Kommissionspraxis war der Bezugszwang stets maßgebliches Kriterium zur Abgrenzung wettbewerbsbeschränkender und nicht wettbewerbsbeschränkender Vereinbarung in Bezug auf Einkaufskooperationen123 – er bildete stets den Kern der Wettbewerbsbeschränkung.

auch zu geringeren Verkaufsmengen führt, bezog sich die künstliche Reduktion hier nur auf Schweine im Département Ille-et-Villaine, das als Referenzgebiet für die Preise in ganz Frankreich gilt. In den anderen Gebieten Frankreichs mussten die Kartellanten ihre Menge nicht reduzierten, profitierten aber dennoch von günstigeren Einkaufspreisen. Andererseits führte dieser Mechanismus auch dazu, dass der Schaden für die Verbraucher außerhalbs von Ille-et-Villaine gering war, da es weder zu Mengenreduktionen noch zu Preissteigerungen kam. Allein die Landwirte auf der Marktgegenseite wurden geschädigt. 122  Mandeville Island Farms v. Am. Crystal Sugar Co., 334 U.S. 219 (1948); vgl. Alexander, 95 Geo. L. J. 1611, 1622 f. (2007). 123  Vgl. auch Braun, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 210; Nordemann, in: LMR, § 2 GWB, Rn. 92; Lampert/Michel, K&R 2002, 505, 512.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV157

aa) Vollständiger Bezugszwang als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (1) EuGH: Coöperative Stremsel- en Kleurselfabriek (Lab-Urteil) Der EuGH nahm im Urteil Coöperative Stremsel- en Kleurselfabriek (LabUrteil)124 – ebenso wie die Kommission in der zugrundeliegenden Entscheidung – bei einem vollständigen Bezugszwang, der mit einem erheblichen Austrittsgeld verbunden war, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung an. Sachverhalt: Sämtliche niederländische Molkereien waren in der „Coöperatieve Stremsel- en Kleurselfabriek“ verbunden, die das zur Produktion von Käse erforderliche Vorprodukt Lab für ihre Mitglieder herstellte. Die Satzung sah eine Bezugsverpflichtung vor. Zudem statuierte sie für den Fall des Austritts eine Zahlungspflicht, wobei durch die Regelung insbesondere die Mitglieder mit hohen Umsätzen besonders stark getroffen wurden. Gerade diese Unternehmen könnten wirtschaftlich lohnende Abnehmer von potentiellen Wettbewerbern der Coöperative sein oder auch durch die Aufnahme einer eigenen Produktion selbst zu Wettbewerbern werden125. Kommissionsentscheidung: Die Kommission hat die ausschließliche Bezugsverpflichtung sowie das Austrittsgeld als Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV eingestuft. Auch Art. 101 Abs. 3 AEUV sei nicht erfüllt. Denn das Ziel, die Molkereien mit für die Käseherstellung notwendigen und qualitativ hochwertigen Lab zu beliefern, habe zwar auch für die Verbraucher einen hohen Nutzen. Eine solch weitreichende Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit durch Bezugszwang und Strafzahlung bei Austritt sei aber nicht erforderlich, um diese Funktion zu gewährleisten126. Entscheidung des EuGH: Der EuGH bestätigte die Entscheidung der Kommission. Die Satzungsregelung mit der die Kooperationsmitglieder verpflichtet wurden, ihren Gesamtbedarf an Lab über die Coöperatieve zu beziehen und die mit der Zahlung eines Austrittsgeldes verbunden waren hatten „eindeutig den Zweck zu verhindern, daß die Genossen ihren Bedarf bei anderen Lieferanten von Lab oder Farbstoffen decken oder diese Erzeugnisse selbst herstellen, wenn dies Qualitäts- oder Preisvorteile versprechen sollte.“127

124  EuGH, Urt. v. 25.3.1981, Rs. 61/80 – Coöperative Stremsel- en Kleurselfabriek/Kommission (Lab-Urteil), Slg. 1981, 851. 125  Vgl. zum Sachverhalt und zur Entscheidung auch Ruppelt, S.  30 f. 126  Kommission, Entsch. v. 5.12.1979, IV/29.011 – Lab, ABl. 1980 L 51/19, Rn. 31. 127  EuGH, Urt. v. 25.3.1981, Rs. 61/80 – Coöperative Stremsel- en Kleurselfabriek/Kommission (Lab-Urteil), Slg. 1981, 851, Rn. 12 (Hervorhebung durch Verf.); vgl. auch FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 4.

158 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

(2) Weitere Entscheidungen Demgegenüber hat die Kommission in der Entscheidung NSAA I bei einem Bezugszwang von 25 % der jährlichen Bestellmenge eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung angenommen (ohne aber explizit eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu verneinen)128. Auch in der oben zur notwendigen Wettbewerbsbeschränkung dargestellten Entscheidung des EuGH in der Sache Gøttrup-Klim/DLG kam dem fehlenden Bezugszwang eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung der wettbewerblichen Unbedenklichkeit der gesamten Einkaufskooperation zu129. Demgegenüber beurteilte die schwedische Wettbewerbsbehörde eine Einkaufskooperation der drei größten schwedischen Holzverarbeitungsbetriebe zum Kauf von Holz als wettbewerbswidrig, insbesondere weil es den Herstellern untersagt war, die Kooperationsmitglieder unabhängig von der Kooperation zu beliefern130. Im Ergebnis setzte die bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis daran an, dass durch den Bezugszwang die Handlungsfreiheit der Kooperationsmitglieder beschränkt wird. Sie wurden daran gehindert, selbst die Konditionen mit dem Lieferanten auszuhandeln oder bei anderen Lieferanten zu bestellen131. Ob die kartellrechtliche Bewertung des Bezugszwangs auch heute noch Bestand hat, nachdem die Rechtsprechung die Bedeutung der Handlungsfreiheit relativiert hat, wird im vierten Kapitel geklärt132. bb) Faktischer Bezugszwang Über den rechtlich verbindlichen Bezugszwang hinaus kann auch ein faktischer Bezugszwang genügen, um eine Wettbewerbsbeschränkung zu be­jahen. 128  Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 31. 129  Den Mitgliedern wurde zwar die Mitgliedschaft in anderen Kooperation verboten, ihnen blieb aber weiterhin die Möglichkeit, Dünge- und Pflanzenmittel aus anderen Quellen, die keine Mitgliedschaft erfordern, zu beziehen. Dabei stellte der EuGH ausdrücklich fest, dass die mit der betriebenen Einkaufsgemeinschaft dänischer Landwirte verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen nicht über das erforderliche Maß hinausgingen, weil der einzelne Landwirt berechtigt war, auch außerhalb der Einkaufskooperation Einkäufe zu tätigen, etwa direkt beim Hersteller. 130  Konkurrensverket, Dnr 1231/93, 25.6.1996; Stockholm District Court: 8-90-96, 30.12.1997; Market Court: Dnr A 1/98, 18.12.1998 (MD 1998:21); vgl. OECD, Annual Reports by Competition Agencies on recent developments, Sweden (1998), Rn. 24. 131  FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 11. 132  S.u. § 4 C. und § 4 D. II.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV159

In der Entscheidung NSAA II133 hat die Kommission das noch verneint: Der Umstand, dass die Mitglieder von ihrer Möglichkeit, ihren Schwefelbedarf über andere Quellen zu decken, gar keinen Gebrauch machen, ändere nichts an der wettbewerblichen Bewertung. Der Bezug erfolgt rein freiwillig und aufgrund vorteilhafter Konditionen heraus und kann nicht auf die Kooperation zurückgeführt werden134. In den späteren Entscheidungen EBU und Eurovision hat die Kommission aber auch einen faktischen Bezugszwang als für eine bezweckte und bewirkte Wettbewerbsbeschränkung ausreichend erachtet135. In den Entscheidungen heißt es, dass auch ohne einen Bezugszwang, allein aufgrund der Natur der Vereinigung als ein System der Solidarität, eine „Art Druck“ bestehe, der die Kooperationsmitglieder zum gemeinsamen Einkauf verpflichte136. Die Ansicht, einen faktischen Bezugszwang genügen zu lassen, findet sich in der deutschen Rechtsprechung schon seit 1982, als das Kammergericht in den Sachen HFGE und Selex-Tania entschied137. Bewertung. Die Entscheidung, einen faktischen Bezugszwang einem rechtlichen Bezugszwang gleichzustellen, überzeugt. Ausschließlich auf den rechtlichen Bezugszwang abzustellen, bringt zwar den Vorteil mit sich, dass an ein konkretes fassbares Kriterium angeknüpft wird. Auch wird nur durch 133  Ausführlich zum Fall s. u. § 3 B. III. 5.; Kommission, Entsch. v. 9.6.1989, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association II, ABl. 1989 L 190/22. 134  Kommission, Entsch. v. 9.6.1989, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association II, ABl. 1989 L 190/22, Rn. 9. 135  Kommission, Entsch. v. 11.6.1993 – EBU, ABl. 1993 L 179, 23, Rn. 47, 49; Kommission, Entsch. v. 10.5.2000, IV/32.150 – Eurovision, ABl. 2000 L 151/18, Rn. 73; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 11. 136  Kommission, Entsch. v. 11.6.1993 – EBU, ABl. 1993 L 179, 23 Rn. 49: „Die Einschränkung des Wettbewerbs besteht ungeachtet der Tatsache, daß die internen EBU-Regeln für die Aushandlung und den Erwerb der Rechte nur den Charakter von Empfehlungen haben und nicht rechtsverbindlich sind. Aus der EBU-Satzung (Artikel 13 Absatz 4) wie auch aus dem Wesen von Eurovision als Solidaritätssystem folgt, daß sich die Mitglieder freiwillig verpflichten, das gemeinsame Interesse zu wahren und sich an die in diesem gemeinsamen Interesse festgelegten internen Regeln zu halten. Mitglieder, die am Erwerb der Rechte interessiert sind, beteiligen sich somit de facto an den gemeinsamen Verhandlungen und treten nur dann in gesonderte Verhandlungen ein, wenn die gemeinsamen Verhandlungen offiziell für gescheitert erklärt worden sind. Diese Fälle stellen eine seltene Ausnahme dar“; Kommission, Entsch. v. 10.5.2000, IV/32.150 – Eurovision, ABl. 2000 L 151/18, Rn. 73: „Die einzelnen Mitglieder sind somit einer Art Druck ausgesetzt, sich an gemeinsamen Verhandlungen zu beteiligen“; vgl. dazu auch Mischitz, S. 143; vgl. für eine Zusammenfassung des Falles Ruppelt, S. 35. 137  KG, Urt. v. 16.6.1982 WuW/E OLG 2745 – HFGE; KG, Urt. v. 26.2.1986, WuW/E OLG 3737 – Selex-Tania; vgl. auch BT-Drucks. 11/4610; vgl. dazu auch Ruppelt, S. 35; O. Christiansen, S.  165 ff.

160 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

einen rechtlichen Bezugszwang die Handlungsfreiheit der Mitglieder derart eingeschränkt, dass von einer Beschränkung gesprochen werden kann. Wenn allerdings die rechtliche Freiheit der Mitglieder aus wirtschaftlichen Gründen nur zur bloßen theoretischen Möglichkeit der Mitglieder verkommt, unabhängig von der Einkaufskooperation einzukaufen, steht der faktische Bezugszwang dem rechtlichen in nichts nach. Das ist etwa der Fall, wenn sich die Mitglieder der Einkaufskooperation bzw. den anderen Mitgliedern gegenüber zum Bezug verpflichtet fühlen, da sie nur aufgrund der Entsagung eigenständiger Kaufverhandlungen Konditionen erzielen können, die mit denjenigen großer Nachfrager zu vergleichen sind138. Ein Bezug an der Kooperation vorbei würde dieser gemeinsamen Zwecksetzung widersprechen und sie aufs Spiel setzen139. Üblicherweise werden die Mitglieder einer Einkaufskooperation aber aus der ganz simplen wirtschaftlichen Überlegung heraus über diese beziehen, dass ihnen die Kooperation gerade die günstigsten Konditionen bietet. Damit stehen weniger eine Verbundenheit und faktische Verpflichtung gegenüber der Kooperation und den anderen Mitgliedern, sondern vielmehr wirtschaftliche Überlegungen im Mittelpunkt der Entscheidung für und gegen einen Einkauf über die Einkaufskooperation. Gerade der Fall Gøttrup-Klim/DLG140 zeigt, dass Kooperationsmitglieder sehr wohl ein Interesse daran haben können, an der Kooperation vorbei einzukaufen (hier über eine andere Kooperation), wenn sie mit der Kooperation selbst nicht zufrieden sind. Das BKartA ging bereits in HFGE und Selex-Tania davon aus, dass sehr günstige Konditionen den Entscheidungsspielraum der Kooperationsmitglieder begrenzen141. Ob dieser wirtschaftliche Zwang dem rechtlichen oder faktischen Bezugszwang gleichsteht oder als bloße „wirtschaftliche Sogwirkung“ nicht vergleichbar ist, ist fraglich. Eine bloße wirtschaftliche Sogwirkung, d. h. ein Bezug über die Einkaufskooperation aufgrund ihrer günstigen Konditionen, genüge noch nicht für einen Bezugszwang142. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen. Ein faktischer bzw. wirtschaftlicher Bezugszwang kann eine Wettbe138  Zimmer,

in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB, Rn. 235. in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB, Rn. 235 mit Verweis auf die deutsche Rechtsprechung zu öffentlich-rechtlichen Einkaufskooperationen. 140  S. o. § 3 B. II. 1. c); die Kooperation DLG hatte zunehmend damit zu kämpfen, dass zahlreiche Mitglieder mit ihrer Arbeit nicht mehr zufrieden waren. Diese gründeten daher eine eigene Kooperation, die ebenfalls den Einkauf von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln anbot. 141  KG, Urt. v. 16.6.1982 WuW/E OLG 2745 – HFGE; KG, Urt. v. 26.2.1986, WuW/E OLG 3737 – Selex-Tania; vgl. auch BT-Drucks. 11/4610; vgl. Ruppelt, S. 35; Wecker, S. 69 f.; kritisch O. Christiansen, S.  165 ff. 142  Köhler, S. 192; Beuthien, Handelskooperationen, S. 28; Mischitz, S.  141 f.; Wecker, S. 97; Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 96. 139  Zimmer,



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV161

werbsbeschränkung darstellen, „sofern er in seinen Wirkungen einer rechtlichen Bezugspflicht gleichkommt“143. Daneben – und das ist mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung der Unions­gerichte144 das relevante Kriterium – wird aber auch die Handlungsfreiheit Dritter beschränkt: Die Wirkungen des gemeinsamen Einkaufs treffen Dritte, d. h. Lieferanten, Konkurrenten und gegebenenfalls auch die Verbraucher, unabhängig davon, ob die Mitglieder zum Bezug verpflichtet sind oder diese aufgrund eines faktischen Zwangs handeln. Im Ergebnis bedeutet das, dass auch ohne einen rechtlichen Bezugszwang eine Wettbewerbsbeschränkung vorliegen kann. In einem zweiten Schritt ist zu fragen, ob diese auch eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellt oder besser als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen ist. Dies wird im nächsten Kapitel untersucht, nachdem die Abgrenzung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung nach der aktuellen Rechtsprechung behandelt wurde145. An dieser Stelle soll der Hinweis genügen, dass die Kommission in der Sache EBU einen faktischen Bezugszwang genügen ließ, um eine bezweckte und bewirkte Wettbewerbsbeschränkung zu bejahen. cc) Zwischenergebnis zum Bezugszwang Damit sind die Grenzen, die sich mit Blick auf den Bezugszwang aus der – zugegebenermaßen spärlichen146 – Entscheidungspraxis der Unionsgerichte und der Kommission ergeben, abgesteckt: ein vollständiger rechtlicher Bezugszwang stellt eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung dar, ein teilweiser Bezugszwang wurde als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung eingeordnet und ein faktischer Bezugszwang kann einem rechtlichen in seiner Wirkung gleichstehen. Vertragsklauseln, die einem Bezugszwang gleichstehen bzw. dazu führen, sind entsprechend zu behandeln. Dazu zählen Mindestumsatzklauseln, Kostendeckungsklauseln, Konzentrationsrabatte oder Sortimentsabsprachen147. Neben dem Bezugszwang hat die Kommission auch weitere mit dem gemeinsamen Einkauf in Zusammenhang stehende Regelungen als wettbe143  Nordemann,

in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 96. unten unter § 4 B. I. 3. c). 145  S.u. § 4 C. III. 146  Vgl. Schröter, FIW-Seminar, S. 67, 69 und 76; Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 449; Nordemann, in: LMR, § 2 GWB, Rn. 92. 147  Vgl. dazu unten unter § 4 D. II. 6.; vgl. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB, Rn. 236; Wecker, S.  97 ff. 144  Dazu

162 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

werbsbeschränkend eingestuft148. Dazu zählt die Festsetzung von Einkaufshöchstpreisen149 sowie die Verwendungsbeschränkungen für die bezogene Ware, insbesondere ein Verbot, die bezogene Ware an Dritte zu verkaufen150. 3. Bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen Vereinbarungen, die sich nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen qualifizieren lassen, könnten als bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen einzuordnen sein. Abgrenzung. Prägend für die bewirkte Wettbewerbsbeschränkung ist einerseits in Abgrenzung zur bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, dass ihre wettbewerbsschädliche Wirkung nicht evident ist. In Abgrenzung zu den nicht wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, der notwendigen Wettbewerbsbeschränkung oder des Arbeitsgemeinschaftsgedankens, wirken sie andererseits nicht primär markterschließend oder sind Ausdruck gemeinsamen Wettbewerbs151. Voraussetzung ist dort, dass der gemeinsame Einkauf ohne die Vereinbarung – etwa eines Doppelmitgliedschaftsverbotes – gar nicht erst zustande gekommen wäre152. Die Mehrzahl der Mitglieder einer Einkaufskooperation wird hingegen regelmäßig in der Lage sein, auch selbständig einzukaufen153. Die Einkaufskooperation sorgt allein dafür, dass dies zu günstigeren Konditionen möglich ist. In diesen Konstellationen liegt keine notwendige Wettbewerbsbeschränkung oder eine Arbeitsgemeinschaft vor, sodass die bewirkte Wettbewerbsbeschränkung des Art. 101 Abs. 1 AEUV näher zu prüfen ist154. Analyse der Auswirkungen. Im Rahmen der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung sind im Unterschied zur bezweckten Wettbewerbsbeschränkung die wettbewerbsschädigenden Wirkungen unter Beachtung des gesamten 148  Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 88; Braun, in: Langen/ Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 219. Dabei blieb jeweils unklar, ob eine bezweckte oder eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung angenommen wurde. 149  Kommission, Fifth Report on Competition Policy (1975), Rn. 36 f. – Union professionnelle des utilisateurs belges de bois d’industrie; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 12; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 88. 150  Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 52 f.; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 12; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 88. 151  S. o. § 3 B. II. 1.; vgl. Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 801. 152  S. o. § 3 B. II. 1.; vgl. Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 802. 153  S. o. § 3 B. II. 1.; vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 12 f.; zustimmend Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 802. 154  S. o. § 3 B. II. 1.; Vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 12 f.; zustimmend Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 802.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV163

wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmens näher zu analysieren155. Die Wirkungen auf dem Markt hängen dabei maßgeblich von den wirtschaftlichen Bedingungen auf dem Markt ab156. Dazu gehören insbesondere Marktmacht und Marktstrukturen157. So hängt die Wettbewerbswidrigkeit eines Bezugszwangs verbunden mit einem Austrittsgeld im Lab-Urteil auch damit zusammen, dass die Einkaufskooperation einen Marktanteil auf den Absatzmärkten von über 90 % innehatte158. In der Entscheidung Gøttrup-Klim/DLG hingegen wird auch die Marktstellung zwischen der Einkaufskooperation und der mit ihr konkurrierenden Kooperation angeführt, um die Notwendigkeit einer Wettbewerbsbeschränkung (hier eines Doppelmitgliedschaftsverbots) zu untermauern159. Mit Blick auf typische mit Einkaufskooperationen verbundene Vereinbarungen nahm die Kommission, wie oben erwähnt, in der Entscheidung NSAA I bei einem Bezugszwang von 25 % eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung an160. Sachverhalt. Die englischen Schwefelsäurehersteller gründeten die National Sulphuric Acid Association (NSAA) zum gebündelten Einkauf von Schwefel. Schwefel stellt das bedeutendste Vorprodukt zur Herstellung von Schwefelsäure dar. Etwa 80 % der Herstellungskosten von Schwefelsäure entfallen darauf161. Zunächst sah die Kooperationsvereinbarung eine Verpflichtung zum vollständigen Bezug des Schwefels über die Kooperation sowie zahlreiche weitere Beschränkungen vor. Nach Bedenken der Kommission wurde die Bezugspflicht auf 25 % des jeweiligen Bedarfs des einzelnen Mitglieds beschränkt. 155  EuGH, Urt. v. 23.11.2006, Rs. C-238/05 – Asnef-Equifax, Slg. 2006, I-11125, Rn. 49 m. w. N.; EuGH, Urt. v. 4.6.2009, Rs. C-8/08, T-Mobile Netherlands BV u. a., Slg. 2009, I-4529, Rn. 29; vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 12. 156  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn. 31: „Die Vereinbarkeit der Satzung einer solchen Vereinigung mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln kann nicht abstrakt beurteilt werden. Sie hängt von den einzelnen Bestimmungen der Satzung der Vereinigung und den wirtschaftlichen Bedingungen auf den relevanten Märkten ab.“ 157  Schroeder, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 101 AEUV, Rn. 552; Wecker, S. 83. 158  EuGH, Urt. v. 25.3.1981, Rs. 61/80 – Coöperative Stremsel- en Kleurselfabriek/Kommission (Lab-Urteil), Slg. 1981, 851, Rn. 18 (in Bezug auf Art. 101 Abs. 3 AEUV). 159  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn. 43. 160  Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 42; Kommission, Entsch. v. 9.6.1989, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association II, ABl. 1989 L 190/22, Rn. 7; eine Zusammenfassung der Entscheidung findet sich auch bei Ruppelt, S. 31. 161  Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 35; Schröter, FIW-Seminar, S. 67, 73.

164 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis Kommissionsentscheidung. Nach Ansicht der Kommission schränkt die Bezugspflicht von 25 % die Kooperationsmitglieder in ihrer Freiheit ein. Darüber hinaus werden die Lieferanten beschränkt, da es ihnen insoweit verwehrt ist direkt an die Mitglieder zu verkaufen und sie allein an die Einkaufskooperation verkaufen können. Art. 101 Abs. 1 AEUV sei daher erfüllt. Das Kartell wurde allerdings nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt162. Hierbei spielte auch der große Zusammenhang zwischen Einkaufs- und Verkaufsmarkt eine Rolle. Dieser ist bei der weiterverarbeitenden Industrie zwar norma­ lerweise eher gering. Im vorliegenden Fall entfielen jedoch 80 % der Herstel­ lungskosten von Schwefelsäure auf das Vorprodukt Schwefel, sodass sich der Schwefelbezugspreis unmittelbar in den Preisen für Schwefelsäure, aber auch für zahlreiche weitere Erzeugnisse, die Schwefelsäure als Zusatzstoff erfordern, niederschlug163.

Auch das in Gøttrup-Klim behandelte Doppelmitgliedschaftsverbot wäre wohl vom EuGH, wenn es nicht schon notwendig gewesen wäre, als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung eingeordnet worden, wie die Formulierung nahelegt, die allein auf eine negative Auswirkung auf den Wettbewerb statt auf einen Zweck abstellt164. 4. Zwischenergebnis Damit ist die Linie der bisherigen Rechtsprechung und Kommissionspraxis skizziert. Eine detaillierte Analyse zur Verortung von Einkaufskooperationen und den mit ihr typischerweise verbundenen Vereinbarungen im Spannungsfeld zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung erfolgt im vierten Kapitel165. Denn diese wird maßgeblich von Themen geprägt, die in den nachfolgenden Abschnitten zunächst noch erarbeitet werden müssen: die Bewertung durch die Horizontalleitlinien der Kommission166, die aktuelle und teils gewandelte Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung167 sowie eine nähere 162  Dazu

sogleich unter § 3 B. III. 3. Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 35; Bennett u. a., in: Faull/Nikpay, Rn. 7.399. 164  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn. 35: „Es ist jedoch zuzugeben, daß eine Bestimmung in einer Satzung einer Bezugsgenossenschaft, die die Möglichkeit ihrer Mitglieder beschränkt, sich an anderen, konkurrierenden Formen der Zusammenarbeit zu beteiligen, und sie auf diese Weise davon abhält, sich anderweitig einzudecken, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben kann.“ 165  S.u. § 4 B. III. 166  Dazu unter § 3 C. 167  Dazu unter § 4 B. III. 163  Kommission,



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV165

Betrachtung der Voraussetzungen des Freistellungstatbestands gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV168.

III. Freistellung vom Kartellverbot gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV Eine Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV kann im zweiten Prüfungsschritt gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt sein. Abermals ist festzuhalten, dass auf horizontaler Ebene mangels spezieller Gruppenfreistellungsverordnung auf die primärrechtlichen Kartellvorschriften zurückzugreifen ist169, d. h. Einkaufskooperationen und die mit ihnen verbundenen Vereinbarungen sind, soweit sie die oben genannten Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllen, auf ihre Einzelfreistellungsfähigkeit nach Art. 101 Abs. 3 AEUV hin zu untersuchen. Sinn und Zweck der Freistellung ist es, Wettbewerbsbeschränkungen, die zu einer besseren Versorgung der Märkte führen, nicht zu verbieten170. Bei der Auslegung der einzelnen Merkmale sind die Leitlinien der Kommission zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag zu beachten171. Vom Kartellverbot freigestellt sind Vereinbarungen, die alle vier in Art. 101 Abs. 3 AEUV genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllen172: (1.) Die Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung, die Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts; (2.) die Beteiligung des Verbrauchers an diesen Effizienzvorteilen; (3.) die Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung sowie (4.) keine Ausschaltung des Wettbewerbs. Das umfasst theoretisch auch Kernbeschrän-

168  Dazu

sogleich unter § 3 B. III. bereits oben § 3 B.; vgl. BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 39; O. Christiansen, S.  190 ff.; Mischitz, S. 245. 170  Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 156; Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 7; O. Christiansen, S. 180; Mischitz, S.  245 f. 171  Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag (2004/C4 101/08), ABl. 2004 C 101/97 vom 27.4.2004 (nachfolgend: Freistellungsleitlinien). Die in § 3 C. I. und § 4 A. I. an der Rechtsnatur von Leitlinien geübte Kritik gilt hier nicht in gleichem Maße, da die Freistellungsleitlinien anders als die Horizontalleitlinien in Bezug auf Einkaufsvereinbarungen auf Rechtsprechung der Europäischen Gerichte basieren und mithin legitimiert sowie rechtssicher sind, da keine Abweichungen zur Rechtsprechung, die über das übliche Maß der Rechtsfortbildung hinausgeht, zu befürchten sind. 172  EuGH, Urt. v. 17.1.1984, verb. Rs. 43/82 und 63/82 – VBVB und VBBB, Slg. 1984, S. 19, Rn. 61; EuG, Urt. v. 8.10.2002, verb. Rs. T-185/00 u. a. – Métropole Télévision (M6) u. a./Kommission, Slg. 2002, II-3805, Rn. 86; EuG, Urt. v. 15.7.1994, Rs. T-17/93 – Matra Hachette, Slg. 1994 II-595, Rn. 85; Freistellungsleitlinien, Rn. 42. 169  Vgl.

166 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

kungen173 (da es im europäischem Kartellrecht kein per se-Verbot gibt)174, auch wenn sie regelmäßig nicht die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen werden175. Insbesondere schaffen sie weder objektive wirtschaftliche Vorteile, noch bringen sie Verbrauchern Vorteile und sind regelmäßig nicht unerlässlich176. Die Freistellung erfolgt ipso iure im Wege der Legalausnahme, d. h. eine Freistellung durch die Kommission ist anders als vor Inkrafttreten der VO Nr. 1/2003 nicht mehr nötig177. Es obliegt dem durch Art. 101 Abs. 3 AEUV begünstigten Unternehmen, die Voraussetzungen der Freistellung selbst zu prüfen178. Es trägt gem. Art. 2 S. 2 VO Nr. 1/2003 auch die Beweislast für das Vorliegen der Freistellungsvoraussetzungen. 1. Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung, Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts Erste Voraussetzung der Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV ist die Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung bzw. die Förderung technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts. Dabei muss es sich um spürbare objektive ökonomische Vorteile handeln. Effizienzgewinne. Die typischen Effizienzgewinne von Einkaufskooperationen wurden im zweiten Kapitel bereits ausführlich erläutert179 und werden auch in Rn. 217 HLL exemplarisch beschrieben. Dazu zählen primär günstigere Einkaufspreise180, verursacht etwa durch Skalenerträge181, Kostenein173  Dazu zählen insbesondere die in Art. 101 Abs. 1 AEUV genannten Preisabsprachen, Gebietsaufteilungen sowie alle in Gruppenfreistellungsverordnungen, Leitlinien und Bekanntmachungen der Kommission aufgeführten schwarzen Klauseln und Kernbeschränkungen, vgl. Freistellungsleitlinien, Rn. 46. 174  EuG, Urt. v. 15.7.1994, Rs. T-17/93 – Matra Hachette, Slg. 1994 II-595, Rn. 85. 175  Freistellungsleitlinien, Rn. 46; Bechtold/Bosch/Brinker, Art.  101 AEUV, Rn. 150; vgl. Kling/Thomas, § 5, Rn. 267; Valdés Burgui/Faura Enriquez, in: Wijckmans/Tuytschaever, Horizontal Agreements, Rn. 10.34. 176  Freistellungsleitlinien, Rn. 46. Der gemeinsame Einkauf über die Kooperation stellt jedoch entsprechend der Klarstellung der Kommission in den Horizontalleitlinien sowie der hier vertretenen Ansicht keine derartige Kernbeschränkung dar, vgl. Rn. 206 HLL; siehe dazu näher unter § 4 D. II. 3. Unabhängig davon, ist jedenfalls Art. 101 Abs. 3 AEUV genauer zu prüfen, wie auch die Vertreter der anderen Ansicht anerkennen, vgl. Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 315. 177  Kling/Thomas, § 5, Rn. 266. 178  Zum Wandel hin zum System der Legalausnahme s. o. § 3 A. III. 179  S. o. § 2 A. I. 180  Rn. 217 HLL; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 97. 181  S. o. § 2 A. I. 1.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV167

sparungen in Fertigung und Vertrieb, größere Mengenrabatte182 durch bessere Auslastung der Produktionsanlagen, geringere Lagerungs- oder Transportkosten183 oder eine Verbesserung des Vertriebsablaufs184. Zudem lassen sich durch den gemeinsamen Einkauf Transaktionskosten sparen, etwa da weniger Verhandlungen notwendig sind185. Ebenso können durch den Einkauf über eine Kooperation Effizienzen erzielt werden, wenn erfahrenes und spezialisiertes Personal die Verhandlungen führt186. Auch die Möglichkeiten der Mitglieder, über die Kooperation eine größere Produktpalette anbieten oder ausländische Einkaufsquellen besser erschließen zu können, führen zur Verbesserung der Warenerzeugung187. Außerdem können eine höhere Belieferungssicherheit und die Möglichkeit, Engpässe zu vermeiden, Effizienzvorteile darstellen188. Günstigere Einkaufskonditionen, die auf Effizienzgewinnen dieser Art beruhen, sind positiv zu beurteilen und erfüllen die erste Voraussetzung des Art. 101 Abs. 1 AEUV189. Effizienzgewinne durch bloße Ausübung von Nachfragemacht? Demgegenüber ist fraglich, ob auch solche Kosteneinsparungen als Effizienzvorteile i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV charakterisiert werden können, die bloße Folge einer erhöhten Nachfragemacht und einer Umverteilung der Gewinne von den Anbietern auf die Nachfrager sind. Dagegen spricht die explizite Formulierung in Rn. 49 der Freistellungsleitlinien, wonach derartige Einsparungen 182  Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24; Braun, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 222. 183  Rn. 217 HLL; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 97. 184  Kommission, Entsch. v. 23.12.1977, IV/171 u.  a. – Campari, ABl. 1978 L 70/69, 75; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 97; van Bael/Bellis, S. 533; Wecker, S. 84; Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 806; Bennett u. a., in: Faull/ Nikpay, Rn. 7.404. 185  § 2 A. I. 2.; Kommission, Entsch. v. 10.5.2000, Nr. IV/32.150 – Eurovision, ABl. 2000 L 151/18 Rn. 86: „Der gemeinsame Erwerb hilft die Transaktionskosten, die eine Vielzahl gesonderter Verhandlungen mit sich bringen würde, niedrig zu halten“; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 97. 186  Kommission, Entsch. v. 10.5.2000, Nr. IV/32.150 – Eurovision, ABl. 2000 L 151/18 Rn. 86. 187  Kommission, Entsch. v. 15.9.1989, 89/536/EWG, ABl. 1989 L 284/36, 89 – ARD/MGM, Rn. 49 und 54; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 97; Wecker, S. 84; K. Westermann/Bergmann, in: Fett/Spiering, Hdb. Joint Venture, Kap. 5, Rn. 168. 188  Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 42; Kommission, Entsch. v. 9.6.1989, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association II, ABl. 1989 L 190/22, Rn. 7; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 97. 189  Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1079.

168 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

keine Effizienzgewinne darstellen190. Die Horizontalleitlinien sind demgegenüber nicht eindeutig. Sie sprechen in Rn. 217 HLL generell von Kosteneinsparungen, ohne eine derartige Einschränkung zu machen, obwohl der Kommission die Problematik aus den Freistellungsleitlinien bekannt war und obwohl sie in Rn. 132 der früheren Fassung der HLL aus dem Jahr 2001 noch explizit ausgeschlossen wurden191. Daraus könnte gefolgert werden, dass die Kommission nunmehr auch nachfragemachtbedingte Kosteneinsparungen als Effizienzvorteile für berücksichtigungsfähig hält192. Mangels eindeutiger Feststellung könnte sie aber auch auf die Freistellungsleitlinien rekurrieren. Letztlich muss die Frage nach der Auslegung der Effizienzvorteile aber – aufgrund des unverbindlichen Charakters der Freistellungsleitlinien wie auch der Horizontalleitlinien – allein anhand von Art. 101 Abs. 3 AEUV beantwortet werden193. Saldierung. Letztlich müssen die Effizienzvorteile größer als die mit der Absprache verbundenen Nachteile sein194. Beispielsweise ist es denkbar, dass die Einkaufskooperation zwar zu Kostenreduzierungen durch Mengenrabatte und geringere Transaktionskosten führt, das aber dadurch gleichzeitig die Produktauswahlmöglichkeiten eingeschränkt werden, da sich die Mitglieder der Kooperation auf eine bestimmte Produktauswahl beschränkt haben. Die Rationalisierungswirkung ist dann im Wege einer Saldierung der Effizienzvorteile und -nachteile zu ermitteln195. Die Situation, die durch die Absprache herbeigeführt wird, ist zu prognostizieren und mit der Situation zu vergleichen, die ohne sie bestehen würde196. Da solch eine Prognose nicht mit Sicherheit möglich ist, soll es ausreichen, wenn aufgrund konkre190  Freistellungsleitlinien, Rn. 49; vgl. Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 155. 191  Auch das BKartA entschied in seinem ein Altglas-Einkaufskartell betreffenden Beschluss mit Verweis auf Rn. 132 der HLL 2001, dass „Kosteneinsparungen, die allein durch die Ausübung von Macht realisiert werden und den Abnehmern keine Vorteile bringen, […] nicht [als Leistungsgewinn i. S. v. Art. 101 Abs. 3 bzw. § 2 GWB] berücksichtigt werden [können].“, vgl. BKartA, Beschl. v. 31.5.2007 – B4-1006/066, Rn. 158. 192  So wohl das Verständnis von Wolf, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 912 und Daskalova, S. 195. 193  Dazu näher unter § 4 D. II. 10. 194  EuGH, Urt. v. 13.7.1966, verb. Rs. 56/64 und 58/64 – Consten und Grundig/ Kommission, Slg. 1966, 322, 397; EuGH, Urt. v. 11.9.2014, C-382/12 P – Mastercard, ECLI:EU:C:2014:2201, Rn. 234; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 156; Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 37; Wolf, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 901. 195  Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 156. 196  Kommission, Entsch. v. 22.12.1972, IV/243, 244, 245 – Cimbel, ABl. 1972 L 303/24, Rn. 19.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV169

ter Erfahrungen der Eintritt der beabsichtigten Folgen in hohem Maße wahrscheinlich ist197. Beweismaßstab. Synergie- und Rationalisierungseffekte sind gerade Sinn und Zweck von Einkaufskooperationen und liegen daher typischerweise vor198. Nichtsdestotrotz stellt die Kommission hohe Anforderungen an ihren Nachweis199. Nach den Freistellungsleitlinien der Kommission soll der Wert der Effizienzgewinne beziffert werden, um so im Rahmen der Abwägungsentscheidung mit den wettbewerbswidrigen Wirkungen geprüft werden zu können200. Für die Unternehmen gilt es insbesondere – zumindest nach den insoweit eindeutigen Freistellungsleitlinien – nachzuweisen, dass die erzielten Kostenersparnisse nicht die bloße Folge einer höheren Nachfragemacht sind, sondern aus tatsächlichen wirtschaftlichen Effizienzgewinnen resultieren. Damit dürften jedenfalls hohe praktische Schwierigkeiten verbunden sein, insbesondere mit Blick auf rein qualitative Effizienzen, die sich im Vergleich zu Kosteneinsparungen nur schwer messen lassen201. In Anbetracht dieser hohen Substantiierungsanforderungen empfiehlt es sich für die Unternehmen, ein ökonomisches Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben202. 2. Verbraucherbeteiligung Des Weiteren müssen die Verbraucher angemessen am Gewinn partizipieren. Der Verbraucherbegriff ist dabei weit auszulegen und so sind nicht nur Endverbraucher, sondern alle Abnehmer der betroffenen Erzeugnisse gemeint203. Eine „angemessene Beteiligung“ liegt nach Rn. 85 der Freistellungsleitlinien vor, wenn „die Weitergabe der Vorteile die tatsächlichen oder voraussichtlichen negativen Auswirkungen mindestens ausgleicht, die den 197  Komm, Entsch. v. 17.7.1968, Sache IV/26.045 – ACEC-Berliet, ABl. 1968 L 201/7, 9 (bzgl. Zusammenarbeit in der Forschung und Entwicklung); Wolf, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 901. 198  O. Christiansen, S. 196. 199  Vgl. auch Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 157; FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 177; J. Petry, S. 208 f. und 334. 200  Freistellungsleitlinien, Rn.  55 f. 201  Vgl. zu den praktischen Schwierigkeiten BKartA, Würdigung Stellungnahmen Sektoruntersuchung LEH, S. 14. Weniger problematisch bewerten dies Kling/Thomas, § 5, Rn. 283: „es dürfte daher den Begründungs- und Quantifizierungsanforderungen der Kommission in diesen Fällen genügen, die Vorteile zu beschreiben“. 202  J. Petry, S. 207 ff. und 334. 203  Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 162; Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 224; Kling/Thomas, § 5, Rn. 285 f.; Welling, S. 107; O. Christiansen, S. 197.

170 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Verbrauchern durch die Wettbewerbsbeschränkung […] entstehen“. Kurz gesagt: Die Verbraucher sollen durch die Vereinbarung nicht schlechter gestellt werden204. Es genügt nicht, wenn Effizienzgewinne allein den Kooperationsmitgliedern zugutekommen205. Angemessen meint allerdings nicht, dass alle Vorteile an die Verbraucher weitergegeben werden müssen206. Eine angemessene Beteiligung der Verbraucher liegt etwa vor, wenn die jeweilige Absprache den Bezug von Waren oder Dienstleistungen erleichtert207, zu Preissenkungen für den Verbraucher oder zu Qualitätsverbesserungen bei gleichbleibendem Preis führt208. Auch ein gleichbleibender Preis trotz gestiegener Kosten kann ein Vorteil sein, an dem der Verbraucher angemessen beteiligt ist209. Gleiches gilt, wenn die Auswahl verbessert wird210 oder Produkte schneller verfügbar sind211, allgemein die Produktion oder der Vertrieb rationalisiert werden. Es ist davon auszugehen, dass bei wettbewerblichen Verhältnissen automatisch der Verbraucher an den erzielten Vorteilen beteiligt wird212. Haben die Kooperationsmitglieder hingegen auf den Absatzmärkten ebenfalls eine gewichtige Stellung, so könnte ihnen der Anreiz fehlen, die Preisvorteile an die Verbraucher weiterzutragen. In diesem Fall wäre die Kooperation nicht freistellungsfähig213. Für den Nachweis der Weitergabe von Effizienzvorteilen an die Verbraucher sollten insbesondere Preissenkungen dokumentiert 204  Kling/Thomas,

§ 5, Rn. 288; Wolf, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 969. HLL. 206  Vgl. EuGH, Urt. v. 25.10.1977, Rs, 26/76 – Metro/Kommission, Slg. 1977, 1875, Rn. 48; Wecker, S. 84; Wolf, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 970; Daskalova, S. 196. 207  Kommission, Entsch. v. 24.6.1996, IV/34.607 – BNP/Dresdner Bank, ABl. 1996, L 188/37, Rn. 19. 208  Komm, Entsch. v. 17.7.1968, Sache IV/26.045 – ACEC-Berliet, ABl. 1968 L 201/7, 9 (bzgl. Zusammenarbeit in der Forschung und Entwicklung); Kommission, Entsch. v. 12.12.1990, IV/32.363 – KSB/Goulds/Lowara/ITT, ABl. 1991 L 19/25, Rn. 27. 209  Kommission, Entsch. v. 12.12.1990, IV/32.363 – KSB/Goulds/Lowara/ITT, ABl. 1991 L 19/25, Rn. 27, 28; Welling, S. 107. 210  Kommission, Entsch. v. 16.1.1996, IV/35.545 – LH/SAS, ABl. 1996 L 54/28, Rn. 74; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 98. 211  Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 162. 212  Freistellungsleitlinien, Rn. 97; Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 47; O. Christiansen, S. 198, Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 806; Braun, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 223; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 98. 213  Rn. 219 HLL; O. Christiansen, S. 198; Braun, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 223; BKartA, Würdigung Stellungnahmen Sektoruntersuchung LEH, S. 14. 205  Rn. 219



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV171

werden214. Auch hier empfiehlt sich in Anbetracht der hohen Substantiierungsanforderungen ein ökonomisches Sachverständigengutachten215. 3. Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung Zudem muss die Wettbewerbsbeschränkung unerlässlich sein, d. h. es darf keine weniger wettbewerbsbeschränkende Möglichkeit bestehen, die Effizienzvorteile zu realisieren216. Durch dieses Kriterium wird die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung überprüft217. Wie eingangs erwähnt, werden Kernbeschränkungen und andere bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen zwar auch von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfasst, sind aber regelmäßig nicht angemessen218. Der gemeinsame Einkauf über die Kooperation fällt nach der Klarstellung der Kommission in den Horizontalleitlinien und der hier vertretenen Ansicht jedoch nicht darunter219. Auch die Literaturstimmen, die Preisvereinbarungen im Rahmen von Einkaufskooperationen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einordnen, verweisen darauf, dass eine Lösung über Art. 101 Abs. 3 AEUV möglich ist220. Regelmäßig nicht unerlässlich sind Vereinbarungen zwischen der Kooperation und ihren Mitgliedern, welche den Verbrauch und den Weiterverkauf der bezogenen Produkte sowie die individuelle Preispolitik regeln oder beeinflussen221. Ferner sind unnötige oder untaugliche Wettbewerbsbeschränkungen sowie solche, die zu den erreichten Vorteilen im Missverhältnis stehen, nicht unerlässlich222.

214  Bechtold/Bosch/Brinker, Art.  101 AEUV, Rn. 170. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sich Preissenkungen nicht nur als vermeintliche Effizienzgewinne entpuppen sollten, die „eigentlich Qualitätsverschlechterungen sind oder langfristig die Innovationsfähigkeit oder -bereitschaft verringern“, vgl. BKartA, Würdigung Stellungnahmen Sektoruntersuchung LEH, S. 14. 215  J. Petry, S. 215 ff. und 334. 216  Freistellungsleitlinien, Rn.  75 f.; Braun, in: Langen/Bunte, Nach Art.  101 AEUV, Rn. 224; Kling/Thomas, § 5, Rn. 290. 217  Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 164; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 162; Kling/Thomas, § 5, Rn. 290; O. Christiansen, S. 199. 218  § 3 B. III. 3.; Freistellungsleitlinien, Rn. 79; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 164; Kling/Thomas, § 5, Rn. 292. 219  Rn. 206 HLL; siehe dazu unter § 4 C. III. 220  Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 315; vgl. zur Problematik auch Ezrachi, JCLE 2012, 47, 65. 221  Hirsbrunner, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Nach Art. 101 AEUV – Fallgruppen, Rn. 227. 222  Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 165.

172 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Bezugszwänge. Ein hundertprozentiger Bezugszwang wurde von der Kommission stets als nicht unerlässlich angesehen223. So wurde etwa in der Entscheidung NSAA I zunächst ein Bezugszwang von 100 % nach Beratung mit der Kommission auf 25 % gesenkt224. Bei einem Bezugszwang i. H. v. 25 % bejahte die Kommission Art. 101 Abs. 1 AEUV225. Das Kartell wurde aber gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt: Hauptargument war, dass die Kooperation eine höhere Versorgungssicherheit bot. Auch in Zeiten der Schwefelknappheit sei garantiert, dass jedes Mitglied versorgt werden könne. Aufgrund des Wettbewerbs auf den nachgelagerten Absatzmärkten zwischen den Kooperationsmitgliedern und anderen Herstellern von Schwefelsäure sei sichergestellt, dass die aus der Tätigkeit des Kartells erwachsenden Kostenvorteile auf den Verbraucher übergingen226. Die 25 %-Bezugsverpflichtung sei erforderlich, um die Glaubwürdigkeit des Kartells zu gewährleisten. Für die Kommission ändert sich auch nicht dadurch, dass die Mitglieder von ihrem Recht, 75 % des Schwefelbedarfs über andere Quellen zu decken, gar keinen Gebrauch machen. Diese Folge sei rein freiwilliger Natur und ausschließlich auf die vorteilhaften Konditionen der Kooperation zurückzuführen227. Auch eine Ausschaltung des Wettbewerbs lag nach Ansicht der Kommission nicht vor228. In der Kommissionsentscheidung Lab229 – welche dem Urteil des EuG in der Sache Coöperatieve Stremsel- en Kleurselfabriek zugrunde lag230 und die eine ausschließliche Bezugsverpflichtung verbunden mit einem Austrittsgeld betraf – bejahte die Kommission die ersten beiden Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV. Denn die Gründung der Coöperatieve habe tatsäch223  Kommission, Entsch. v. 5.12.1979, IV/29.011 – Lab, ABl. 1980 L 51/19, Rn. 31; Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 48 f., 51; Kommission, Entsch. v. 16.1.1991, IV/32 732 – IJseelcentrale, Abl. 1991 L 28/32, Rn. 53; Wecker, S. 85; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 99; Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 499. 224  Zum Sachverhalt vgl. bereits oben unter § 3 B. II. 3.; Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 49, 51; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 99. 225  Siehe dazu bereits oben unter § 3 B. II. 3. 226  Kommission, Entsch. v. 9.6.1989, IV/27.958 – National Sulphuric Acid Association II, ABl. 1989 L 190/22, Rn. 8. 227  Kommission, Entsch. v. 9.6.1989, IV/27.958 – National Sulphuric Acid Association II, ABl. 1989 L 190/22, Rn. 9. 228  Kommission, Entsch. v. 9.6.1989, IV/27.958 – National Sulphuric Acid Association II, ABl. 1989 L 190/22, Rn. 7. 229  Kommission, Entsch. v. 5.12.1979, IV/29.011 – Lab, ABl. 1980 L 51/19. 230  EuGH, Urt. v. 25.3.1981, Rs. 61/80 – Coöperative Stremsel- en Kleurselfabriek/Kommission (Lab-Urteil), Slg. 1981, 851.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV173

lich zur Verbesserung der Qualität des Labs beigetragen, auch seien die Verbraucher an den Einsparungen bei den Produktionskosten beteiligt gewesen231. Die dritte und vierte Voraussetzung von Art. 101 Abs. 3 AEUV verneinte sie jedoch. Denn es gebe weniger restriktive Mittel zur Erreichung dieser Vorteile als eine ausschließliche Bezugsverpflichtung verbunden mit einem Austrittsgeld232. Eine Mindestabnahmemenge und die Verpflichtung beim Austritt eine Kündigungsfrist einzuhalten, hätten genügt233. Da die Coöperatieve rund 90 % des niederländischen Marktes für Lab abdeckte, schaltete sie praktisch auch jeden Wettbewerb aus234. Demgegenüber halten die Horizontalleitlinien im Einzelfall mitunter auch einen vollständigen Bezugszwang für unerlässlich, wenn dieser zur Erzielung von Größenvorteilen notwendig ist235. Dies widerspricht der soeben genannten bisherigen Kommissionspraxis in NSAA I236. Auch das BKartA hält einen Bezugszwang mit Blick auf die Unerlässlichkeit i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB für problematisch237. Die Aussage in den Horizontalleitlinien sollte daher sehr vorsichtig und zurückhaltend angewendet und verstanden werden, nämlich nur insoweit, dass sich dies nur auf sehr seltene Einzelfälle bezieht, in denen für die Kooperationsmitglieder tatsächlich keine anderen Möglichkeiten bestehen, die Effizienzvorteile zu erreichen238. Letztlich dürften damit fast immer Sachverhalte gemeint sein, die dem in der Entscheidung des EuGH in der Sache Gøttrup-Klim/DLG entsprechen239. Es ist zu vermuten, dass die Kommission ihre Aussage in den Horizontalleitlinien mit Blick auf dieses EuGH-Urteil getroffen hat. Dort ist aber bereits eine notwendige Wettbewerbsbeschränkung bejaht worden, sodass es auf die Prüfung des Art. 101 Abs. 3 AEUV gar nicht mehr ankommt. 231  Kommission, Entsch. v. 5.12.1979, IV/29.011 – Lab, ABl. 1980 L 51/19, Rn.  29 f. 232  Kommission, Entsch. v. 5.12.1979, IV/29.011 – Lab, ABl. 1980 L 51/19, Rn. 31. 233  Kommission, Entsch. v. 5.12.1979, IV/29.011 – Lab, ABl. 1980 L 51/19, Rn. 31. 234  Kommission, Entsch. v. 5.12.1979, IV/29.011 – Lab, ABl. 1980 L 51/19, Rn. 32. 235  Rn. 218 HLL; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 99; Mattfeld, in: Münch. Hdb. GsR, Bd. I, § 33, Rn. 36; zustimmend Schulte, S. 76. 236  Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 49. 237  BKartA, Merkblatt über Kooperationsmöglichkeiten für kleinere und mittlere Unternehmen, März 2007, Rn. 38; vgl. Mattfeld, in: Münch. Hdb. GsR, Bd. I, § 33, Rn. 36. 238  So wohl auch FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 36. 239  S. o. § 3 B. II. 1. c).

174 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Mitgliederstruktur. Neben der Vereinbarung von Bezugszwängen sind auch die Ausgestaltung der Mitgliederstruktur bzw. die Eintrittsmöglichkeiten anhand der Unerlässlichkeit zu messen. Insoweit sind Einkaufskooperationen, die grundsätzlich offen gestaltet sind, d. h. weiteren Mitgliedern die Möglichkeit geben, sich an ihr zu beteiligen oder über sie einzukaufen, positiv zu beurteilen240. Die Verhinderung des Zugangs von Mitgliedern in die Kooperationen dürfte demgegenüber vielfach bedenklich sein und nicht als unerlässlich eingestuft werden241. Rn. 76 der Freistellungsleitlinien führt sinngemäß an, dass die Mitglieder einer Einkaufskooperation nachweisen müssen, warum sie nicht jeweils allein – etwa durch internes Wachstum – die effiziente Mindestgröße erzielen können, um die Effizienzvorteile, insbesondere Skaleneffekte, zu verwirklichen. Das dürfte bei den meisten Kooperationen mit kleinen Mitgliedern leicht möglich sein. Schwerer fällt die Argumentation allerdings bei Einkaufskooperationen mit einer inhomogenen Mitgliederstruktur, in der sich insbesondere kleine Mitglieder an einen dominierenden „Kopf“242 halten. In solchen Fallkonstellationen ist fraglich, ob die Argumentation ausreicht, dass es für das kleinere Mitglied unerlässlich ist, an der Kooperation teilzunehmen243. Zeitliche Dimension. Bestimmte Wettbewerbsbeschränkungen können auch nur für einen gewissen Zeitraum unerlässlich sein244. Beispielsweise sieht die Vertikal-GVO vor, dass Wettbewerbsverbote maximal für eine Dauer von 5 Jahren vereinbart werden dürfen245. 4. Keine Ausschaltung des Wettbewerbs Schließlich darf die Einkaufskooperation nicht den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der Waren ausschalten. Das ist dann anzunehmen, wenn sie auf dem Einkaufs- oder dem Verkaufsmarkt zu einer marktbeherrschenden Stellung führt246. Hier steht die Analyse der Marktverhältnisse im Vordergrund247. Je höher der gemeinsame Marktanteil auf beiden Märkten ist, desto Merkmal s. o. § 1 D. II.; Ruppelt, S. 80. S. 200. 242  S.u. § 4 D. II. 9. 243  Siehe dazu kritisch § 4 D. II. 9. 244  Freistellungsleitlinien, Rn. 81; Bechtold/Bosch/Brinker, Art.  101 AEUV, Rn. 163. 245  Art. 5 Abs. 1 lit. a) Vertikal-GVO. 246  Rn. 220 HLL; Schröter, FIW-Seminar, S. 67, 73; Hirsbrunner, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Nach Art. 101 AEUV – Fallgruppen, Rn. 226. 247  Wecker, S. 85; Braun, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 226; Kling/ Thomas, § 5, Rn. 296. 240  Zum

241  O. Christiansen,



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV175

höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Wettbewerb ausgeschaltet wird248. Der erste Pol wird von der schon bekannten Entscheidung Coöperative Stremsel-en Kleurselfabriek249 gebildet. Kommission und EuGH verneinten eine Freistellung bei einem Marktanteil von 90 %250. Demgegenüber bestehen bei einem Marktanteil von 10 % für die Kommission keine Bedenken251. Die Marktanteilsschwellen liegen sicher über denen, die eine Spürbarkeit nach Art. 101 Abs. 1 AEUV entfallen lassen252. Auch in der Entscheidung NSAA II wurde der Wettbewerb nicht gänzlich ausgeschaltet. Den einzelnen Mitgliedern wurde ein Bezugszwang von 25 % ihrer Gesamtmenge auferlegt, die anderen 75 % konnten sie frei, also auch unabhängig von der Kooperation beziehen253. Die markante Schwelle liegt bei 50 %254. Neben diesen Marktanteilsgrenzen sind weitere Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehört die Marktstellung der verbleibenden Konkurrenten und der Marktgegenseite ebenso wie die Frage, ob Marktzugangsschranken bestehen und potentielle Wettbewerber existieren255. Die starke Marktstellung kann durch einen diskriminierungsfreien Zugang für Dritte kompensiert werden256. Dies zeigt sich in der Kommissionsentscheidung ARD/MGM257. Die Kommission entschied dort über den gemeinsamen Kauf von Filmrechten durch die ARD als Kooperation aus staatlichen Fernsehsendern. Der zwischen ARD und MGM geschlossene Exklusivlizenzvertrag wurde als wettbewerbsbeschränkend eingestuft, aber freigestellt. Die Kommission stufte die Vereinbarung sog. 248  Van Bael/Bellis, S. 535; Braun, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 226. 249  S. o. § 3 B. II. 2. c) aa) (1); EuGH, Urt. v. 25.3.1981, Rs. 61/80 – Coöperative Stremsel- en Kleurselfabriek/Kommission (Lab-Urteil), Slg. 1981, 851. 250  EuGH, Urt. v. 25.3.1981, Rs. 61/80 – Coöperative Stremsel- en Kleurselfabriek/Kommission (Lab-Urteil), Slg. 1981, 851, Rn. 18. 251  Kommission, Entsch. v. 2.12.1988, IV/31.697 – Charles Jourdan, ABl. 1989 L 35/31, Rn. 41. 252  O. Christiansen, S. 201. 253  Kommission, Entsch. v. 9.6.1989, IV/27.958 – National Sulphuric Acid Asso­ ciation II, ABl. 1989 L 190/22, Rn. 9. 254  Kommission, Entsch. v. 22.12.1976, IV/24.510 – Gerofabriek, ABl. 1977 L 16/8, 12; Entsch. v. 17.12.1980, IV/29.869 – Gußglas in Italien, ABl. 1980 L 383/19, 25; Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 166; Kamann/Bergmann, BB 2003, 1743, 1746; Wecker, S. 85; Kling/Thomas, § 5, Rn. 296. 255  Rn. 220 HLL; Kommission, Entsch. v. 17.7.1996 – Atlas, Abl. 1996 L 239/23, Rn.  45 ff.; Welling, S. 109. Auch in der Entscheidung EBU/Eurovision war die Ausschaltung des Wettbewerbs einer der Hauptbedenken der Kommission, vgl. Kommission, Entsch. v. 11.6.1993, ABl. 1993 L 179/23, 31 – EBU/Eurovision-System; Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 499. 256  Braun, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 226. 257  Kommission, Entsch. v. 15.9.1989, 89/536/EWG, ABl. 1989 L 284/36, 89 – ARD/MGM, Rn. 55; vgl. Bennett u. a., in: Faull/Nikpay, Rn. 7.404.

176 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

„Fenster“, durch die Dritten die Möglichkeit gegeben wurde, gewisse Lizenzen zu erwerben, als unerlässliche Wettbewerbsbeschränkung ein. Durch diese Regelung wurde eine verbleibende Exklusivität garantiert, die für nötig gehalten wurde. 5. Beständigkeit der Freistellungsvoraussetzungen In Bezug auf alle oben genannten Voraussetzungen ist zu bedenken, dass sie kumulativ während des gesamten Bestehens der Einkaufskooperation vorliegen müssen258. Es genügt beispielsweise nicht, wenn die Einkaufskooperation zunächst dadurch Effizienzen erzielt, dass sie zu einer Kostenreduktion durch gemeinsamen Transport führt, diese Kostenreduktion dann aber (etwa durch neue Transportmöglichkeiten) wegfällt und die Preisreduzierung nur noch auf der Nachfragemacht der Einkaufskooperation beruht. Ebenso wenig genügt es, wenn Preisvorteile zunächst an die Verbraucher weitergegeben werden, diese später aber keine Preisvorteile mehr erhalten. Beispielsweise nachdem die Kooperation, etwa nach dem Marktaustritt eines bisher besonders kompetitiven Wettbewerbers (maverick), eine marktbeherrschende Stellung auf dem Absatzmarkt erlangt hat. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Voraussetzungen in regelmäßigen Abständen und insbesondere bei weitreichenden Änderungen der Marktstruktur zu prüfen und Anpassungsklauseln zu implementieren259.

IV. Rechtsfolgen Die Rechtsfolgen eines Kartellverstoßes durch Einkaufskooperationen entsprechen denen eines jeden anderen Kartellverstoßes: 1. Nichtigkeit der Einkaufskooperation bzw. Einkaufsvereinbarung Erweist sich die Einkaufskooperation oder eine Einkaufsvereinbarung als kartellrechtswidrig, so ist sie ex tunc nichtig und der Betrieb der Einkaufskooperation bzw. die Verwendung der Klausel wird durch die Kommission im Wege einer Abstellungsverfügung gem. Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 1/2003 oder durch die nationalen Wettbewerbsbehörden untersagt werden. 258  Freistellungsleitlinien, Rn. 44; Bechtold/Bosch/Brinker, Art.  101 AEUV, Rn. 151 und 170. 259  S.u. § 4 E. III. 1. und 4.; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 170; FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 170.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV177

2. Bußgelder Je nach Schwere des Falles werden den Mitgliedern der Kooperation Bußgelder auferlegt260. Dies ist bei Nachfragekartellen regelmäßig der Fall, wie die oben genannten Entscheidungen in den Rohtabak-Fällen in Spanien und Italien zeigen, in denen die Kommission Bußgelder i. H. v. 20 Mio. € bzw. 54 Mio. € verhängte261. Bei einer Einkaufskooperation, die nicht als „verdecktes Nachfragekartell“ genutzt wurde, dürfte es hingegen grundsätzlich nicht zu diesem worst case kommen. Gerade in komplizierten, unklaren Fallkonstellationen ist das Risiko eines Bußgeldes gering. Ergibt es sich nicht aus allgemeinen Texten, Rechtsprechung oder Entscheidungspraxis, dass ein bestimmtes Verhalten eine Zuwiderhandlung darstellt, verhängt die Kommission nur einen symbolischen Be­ trag in Höhe von regelmäßig 1.000 €.262 Dennoch verbleibt die Bußgeldentscheidung im Ermessen der Kommission und ist nicht immer leicht vorherzusehen. Auch schützt ein Verbotsirrtum nicht vor Strafe263. In jedem Fall bleibt die Rechtsfolge der Nichtigkeit – und die kann im Einzelfall deutlich schwerwiegender sein als ein Bußgeld.264 3. Schadensersatzansprüche Ein aufgedecktes Nachfragekartell kann zudem zu Schadensersatzforderungen von Lieferanten, Wettbewerbern und Verbrauchern führen. Praktisch scheitern die Ansprüche von Verbrauchern an der geringen Höhe der einzel260  Die Höhe der Bußgelder bemisst sich nach den Bußgeldleitlinien der Kommission von 2006 (Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, ABl. EU 2006 C 210/2). 261  S. o. § 3 B. II. 2. b); vgl. Kommission, Entsch. v. 20.10.2004, COMP/C.38.238/ B.2 – Rohtabak Spanien, ABl. 2007, L 102/14; Entsch. v. 20.10.2005, COMP/ C.38.281/B.2 – Rohtabak Italien; ABl. 2006 L 353/45. 262  Kommission, Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, ABl. C 210/2 v. 1.9.2006; vgl. Kommission, Bekanntmachung über informelle Beratung bei neuartigen Fragen zu den Artikeln 81 und 82 des Vertrages, die in Einzelfällen auftreten (Beratungsschreiben), (2004/C 101/06), ABl. 2004 C 101/78 ff. Rn. 4. 263  EuGH, Urt. v. 18.6.2013, C-681/11 – Schenker, ECLI:EU:C:2013:404, Leitsatz 1. 264  Sollte das Mitglied eines Nachfragekartells sich auf dem Absatzmarkt an öffentlichen Ausschreibungen der öffentlichen Hand beteiligen, ist zudem der Ausschluss vom Vergabeverfahren als nicht zu unterschätzende Rechtsfolge zu betonen, vgl. Art. 57 Abs. 4 S. 1 lit. d) VergabeRL (RL 2014/24/EG v. 17.4.2014), ABl. 2014 L 94/65.

178 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

nen Schadensposten265 und stoßen jedenfalls auf große Schwierigkeiten des Schadensnachweises und der Bezifferung der Schadenshöhe266. Das gilt vor allem bei Einkaufskooperationen, die grundsätzlich nicht zu steigenden Verbraucherpreisen führen. Das Risiko von Schadensersatzansprüchen der betroffenen Lieferanten dürfte hingegen weitaus größer sein. Deren Anspruch auf Schadensersatz wird von der Kartellschadensersatzrichtlinie explizit erwähnt267. Für diese ist die Bezifferung der Schadenshöhe zwar noch immer kompliziert, aber ihnen stehen anders als den Verbrauchern genügend Informationen zur Verfügung, um diesen zu berechnen (etwa durch Vergleich von Zeiträumen vor der Bildung des Nachfragekartells oder durch Vergleich mit den durch andere Nachfrager ausgehandelten Preisen). Dass die Lieferanten mit Blick auf eine künftige weitere Vertragsbeziehung mit den einzelnen Mitgliedsunternehmen („Ross-und-Reiter“-Problematik268) von einer Durchsetzung absehen, ist dann – auch vor dem Hintergrund der Pflichten der Geschäftsführung gegenüber der Gesellschaft269 – eher unwahrscheinlich. 4. Keine strafrechtlichen Konsequenzen Strafrechtlichen Konsequenzen haben die Initiatoren eines Nachfragekartells in Deutschland und Kontinentaleuropa nicht zu befürchten, solange sie sich nicht an Ausschreibungen i. S. v. § 298 StGB beteiligen270.

265  Hempel,

S.  156 ff. DePasquale, 54 Antitrust Bull. 907 (2009). 267  Vgl. Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.11.2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union („Kartellschadensersatzrichtlinie“), ABl. 2014 L 349/1, Erwägungsgrund 38. 268  Monopolkommission, XIX.  Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1002; Clarke/Davies/Dobson/Waterson, S. 40; vgl. bereits zur Virulenz der Problematik in den 70er Jahren, Kartte, WRP 1976, 1, 2. Für einen aktuellen Lösungsvorschlag vgl. Weidt, S.  220 ff. 269  Vgl. zu den Voraussetzungen einer möglichen Pflicht des Vorstands bzw. Geschäftsführers zur Verfolgung von Kartellschadensersatzansprüchen i. S. d. business judgement rule gem. § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG Stancke, WuW 2015, 822. 270  Anders als in den USA, Großbritannien und Irland, die für gewisse Vereinbarungen, sog. Hardcore-Kartelle, Vorstände oder Angestellte mit Geld- und Freiheitsstrafen bestrafen können, werden in Kontinentaleuropa (bislang) nur die Unternehmen mit Geldbußen belegt. Strafrechtliche Konsequenzen drohen bis auf die Besonderheit des § 298 StGB (wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen) nicht. 266  Vgl.



B. Das Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV179

5. Verpflichtungszusagen (Commitments) Neben einem Bußgeldverfahren und einem Nichtigkeitsbeschluss können je nach Fallkonstellation auch Verpflichtungszusagen (Commitments) gegenüber der Kommission oder den nationalen Wettbewerbsbehörden abgegeben werden. Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung der italienischen Wettbewerbsbehörde zur Einkaufskooperation Centrale Italiana271: Am 4. Dezember 2013 eröffnete die italienische Wettbewerbsbehörde ein Verfahren gegen die größte italienische Einkaufsgemeinschaft Centrale Ita­ liana, gebildet aus den großen italienischen Lebensmitteleinzelhändlern Coop Italia, Despar Servizi, Gartico, Discoverde und Sigma. Mit Entscheidung vom 17. September 2014 bewertete die Wettbewerbsbehörde die Vereinbarungen zwischen der Centrale Italiana und ihren Mitgliedsunternehmen als Verstoß gegen Art. 101 AEUV. Die Einkaufskooperation wurde als horizontale Vereinbarung zwischen ihren Mitgliedern bewertet, deren Hauptzweck die Koordination und Verhandlung von Einkaufsvereinbarungen mit Lieferanten ist. Nach Ansicht der Wettbewerbsbehörde förderte sie die Nachfragemacht ihrer Mitglieder und dies führte zu negativen Auswirkungen sowohl auf den Einkaufs- als auch auf den Absatzmärkten. Die Wettbewerbsbehörde fand auch Hinweise auf Kollusionen durch Informa­ tionsaustausch über die Einkaufskooperation. Auf eine Rechtfertigung i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV haben sich die Kooperationsmit­glieder nicht berufen. Die Weitergabe der Effizienzgewinne an die Verbraucher wäre aufgrund der hohen Marktanteile der Kooperationsmitglieder auf den Absatzmärkten wohl nur schwer nachzuweisen gewesen272. Stattdessen gaben die Kooperationsmitglieder die folgenden Verpflichtungszusagen (Commitments) ab: (i) Die zwei größten Mitglieder kündigen ihre Mitgliedschaft in der Einkaufskooperation zum 31.12.2014 auf; (ii) Coop Italia, Discoverde und Sigma, deren gemeinsamer Marktanteil auf den Einkaufsmärkten unter 20 % beträgt, dürfen die Einkaufskooperation unter den Voraussetzungen fortführen, dass nur noch Verhandlungen mit Herstellern geführt werden, die einen Gesamtumsatz von über 2 Mio. € haben (und keine Hersteller von Handelsmarken sind)273.

271  AGCM, Entsch. v. 17.9.2014 – Centrale Italiana (nur auf Italienisch verfügbar); eine Zusammenfassung in englischer Sprache findet sich auf der Website der Kommission (ICA Accepts Commitments from Supermarkets to Halt Purchasing Alliance in Retail Sector); vgl. auch Sciaudone/Caravà, JECLP 2015, 424, 428. 272  Giannino, e-Competitions No. 69341. 273  AGCM, Entsch. v. 17.9.2014 – Centrale Italiana (nur auf Italienisch verfügbar); vgl. auch Sciaudone/Caravà, JECLP 2015, 424.

180 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Der Fall zeigt – ebenso wie bereits die Kommissionsentscheidung NSAA I 274 –, dass es nicht immer zu einer Abstellverfügung oder Bußgeldern kommen muss, sondern auch Einigungen mit der Wettbewerbsbehörde und die Beschränkung der Kooperation auf ein zulässiges Maß möglich sein können275. Ein Anspruch besteht darauf allerdings nicht, sodass eine rechtssichere Ausgestaltung der Einkaufskooperation weiterhin bedeutsame Maxime sein sollte276.

V. Zwischenergebnis Damit sind der Rechtsrahmen und der rote Faden der bisherigen Rechtsprechung und Kommissionspraxis zu horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen und ihrer Freistellung herausgearbeitet. Daran muss sich die Frage anschließen, inwieweit diese alte Rechtslage mit Blick auf die weitreichenden Veränderungen des Kartellrechts in den letzten fünfzehn Jahren noch Bestand hat (dazu später unter § 4 C.) und sich die Kommissionspraxis durch die Horizontalleitlinien verändert hat (sogleich unter D.). Nur so lässt sich letztlich der „gordische Knoten der Abgrenzungsproblematik“277 entwirren.

C. Die Horizontalleitlinien der Kommission Die Horizontalleitlinien der Kommission von 2011 bieten derzeit den aktuellsten und umfassendsten Leitfaden zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen. Wenn die Leitlinien auch in der Entscheidungspraxis der europäischen Gerichte bisher keine nennenswerte Rolle gespielt haben, so sind sie doch für die Unternehmen, die bei ihrer Vertrags- bzw. Kooperationsgestaltung auf Rechtssicherheit angewiesen sind, von großer Bedeutung. Darüber hinaus kommt ihnen auch in rechtsdogmatischer Hinsicht große Bedeutung zu: wie auch die FKVO, die Freistellungsleitlinien, die Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse und die Vertikal-GVO278 274  S. o. § 3 B. II. 3.; nach Bedenken der Kommission an einem vollständigen Bezugszwang hat die Kooperation die Bezugspflicht auf 25 % des jeweiligen Bedarfs des einzelnen Mitglieds beschränkt. 275  Ob die hier getroffene Verpflichtungszusage wettbewerbspolitisch wirklich sinnvoll ist, ist fraglich, vgl. dazu unten § 4 E. III. 4. 276  S.u. § 4 E. Handlungsempfehlungen. 277  Reymann, S. 64. 278  Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20.4.2010 über die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. 2010 L 102/1.



C. Die Horizontalleitlinien der Kommission181

sind sie maßgeblich vom more economic approach – dem neuen Leitbild des Wettbewerbsrechts der Kommission – geprägt. Damit sind die Horizontalleitlinien auch ein Lackmustest für die Ergiebigkeit des more economic approach, der doch vor allem in Deutschland auf Kritik gestoßen ist279. Die Horizontalleitlinien werden im Folgenden in Form eines Dreischrittes behandelt: In diesem Kapitel wird zunächst der Inhalt der Horizontalleitlinien dargestellt. Sodann werden die Horizontalleitlinien im vierten Kapitel kritisch beleuchtet und der Rechtsprechung gegenübergestellt. Diese Kritik dient letzt­lich als ein Ausgangspunkt für Verbesserungsvorschläge de lege ferenda zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen, die im fünften Kapitel behandelt werden. Innerhalb jeden Schrittes stehen (I.) die Rechtsnatur, (II.) das System und die Kriterien sowie (III.) die Dogmatik der Horizontal­leitlinien zur Diskussion.

I. Rechtsnatur und Bindungswirkung Ihrer Rechtsnatur nach sind Leitlinien ebenso wie Mitteilungen und Bekanntmachungen Akte sui generis280. Sie sind kein primäres Gemeinschaftsrecht. Auch zum sekundären Recht sind sie nicht zu zählen: Mangels Verbindlichkeit lassen sie sich nicht den Verordnungen und Richt­linien gem. Art. 288 Abs. 2 bis Abs. 4 AEUV zuordnen281. Demgegenüber kommt ihnen eine höhere Verbindlichkeit zu als bloßen Stellungnahmen i. S. v. Art. 288 Abs. 5 AEUV282. Bekanntmachungen, Mitteilungen und Leitlinien liegen damit außerhalb der regulären Regelungsinstrumente des europäischen Rechts283. Anders als sekundäres Gemeinschaftsrecht, wie z. B. Gruppenfreistellungsverordnungen, gehen sie auf keine ausdrückliche Ermächtigung zurück, sondern legen lediglich die Rechtsauffassung der Kommission dar. 1. Keine Bindungswirkung gegenüber den Unionsgerichten Daher entfalten Leitlinien den Unionsgerichten gegenüber keine rechtliche Bindungswirkung284. Möglicherweise sind die Unionsgerichte jedoch faktisch an den Inhalt der Horizontalleitlinien gebunden. 279  Vgl. nur Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Teil 1, Einleitung C, Rn.  28 ff.; Möschel, JZ 2009, 1040 ff. m. w. N. 280  Vgl. zur Irrelevanz der unterschiedlichen Begrifflichkeiten „Leitlinien“, „Mitteilung“ und „Bekanntmachung“ vgl. Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Einl. Rn. 74. 281  Thomas, EuR 2009, 423, 424; Pampel, EuZW 2005, 11, 12. 282  Thomas, EuR 2009, 423, 424; Pampel, EuZW 2005, 11, 12. 283  Dittrich, S. 57. 284  Behrens, § 9, Rn. 421; Keßler, WuW 2002, 1162, 1171.

182 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Faktische Bindungswirkung. Eine faktische Bindungswirkung kraft Ursprungs kann angenommen werden, wenn die Horizontalleitlinien keinen wesentlich eigenen Inhalt haben, sondern auf der Rechtsprechung des EuGH oder EuG basieren285. Die Horizontalleitlinien basieren aber vorwiegend auf dem more economic approach der Kommission und können nicht vollständig auf Entscheidungen der Unionsgerichte zurückgeführt werden286. Doch selbst wenn dies möglich wäre, bestünde keine Bindungswirkung. Denn Gerichte sind an ihre bisherigen Entscheidungen nicht absolut gebunden. Sie können verändert werden oder – soweit der Vertrauensschutz in eine konsistente Rechtsprechung dies zulässt – von ihnen abweichen. Anderenfalls wäre eine Rechtsentwicklung nicht denkbar. Eine faktische Bindungswirkung könnte sich kraft Sachverstandes der Kommission ergeben. Wird der Sachverstand der Kommission zur Beurteilung von Kartellrechtsfällen und der Ermittlung der wirtschaftlichen Daten als so überragend angesehen, dass sich auch die Unionsgerichte davon leiten lassen?287 In zahlreichen Entscheidungen wurde der Kommission immer wieder ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, was die Einschätzung komplexer wirtschaftlicher Zusammenhänge angeht288. Auch wird betont, dass es nicht Aufgabe des Gemeinschaftsrichters sei, seine wirtschaftliche Beurteilung an die Stelle derjenigen der Kommission zu setzen289. Demgegenüber weisen diverse Entscheidungen eine intensivierte Überprüfung der Gerichte bei der Tatsachenermittlung, Vollständigkeit der Daten und auch der Bewertung im Lichte ökonomischer Theorie auf290. So bestätigte der EuGH in der Tetra Laval-Entscheidung die Rechtsauffassung des EuG, wonach die Kommission 285  Üblicherweise fassen Leitlinien bisherige Rechtsprechung der Unionsgerichte zusammen und werden maßgeblich von dieser geprägt. Beispielsweise stützen sich die Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Abs. 3 EG-Vertrag, ABl. 2004 C 101/97 auf weit über 30 Urteile des EuGH und die de minimis-Bekanntmachung der Kommission ist maßgeblich vom Expedia-Urteil des EuGH geprägt. Demgegenüber verweisen die HLL im Abschnitt zu Einkaufsvereinbarungen lediglich auf zwei Entscheidungen des EuGH (zur Definition einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung). 286  Dazu näher unten § 4 A. und D. 287  Zur Sachkompetenz der Kommission in wirtschaftlichen Fragen vgl. auch Mischitz, S.  125 ff.; Bailey, CMLR 2004, 1327, 1335 ff. 288  EuGH, Urt. v. 13.7.1966, verb. Rs. 56/64 und 58/64 – Consten und Grundig/ Kommission, Slg. 1966, 322, 396; EuGH, Urt. v. 25.10.1977, Rs. 26/76 – Metro SBGroßmärkte, Slg. 1977, 1875, Rn. 45; EuGH, Urt. v. 11.7.1985, Rs. C-42/84, Slg. 1985, 2545 – Remia, Rn. 34; vgl. Mischitz, S.  125 ff.; Fuchs, ZWeR 2005, 1, 18 f. 289  EuG, Urt. v. 3.4.2003, Rs. T-342/00 – Petrolessence, Slg. 2003, II-1161, Rn. 101 ff.; EuG, Urt. v. 23.2.2006, T-282/02 – Cementbouw, Slg. 2006, II-319, Rn. 197; Körber, WuW 2014, 250, 257. 290  EuG, Urt. v. 8.7.2008, AC-Treuhand/Kommission, Slg. 2008, S. I-1501 Leitsatz 3; vgl. aus jüngster Zeit EuGH, Urt. v. 11.9.2014, Rs. C-67-13 PX – Groupement des cartes bancaires (CB), ECLI:EU:C:2014:2204, Rn. 46; vgl. Pohlmann, in:



C. Die Horizontalleitlinien der Kommission183

bei den von ihr angeführten Verbotsgründen den Stand der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung nicht vollends berücksichtigt habe291. Sicherlich werden die Unionsgerichte den wirtschaftlichen Sachverstand der Kommission schätzen. Das heißt aber nicht, dass sie zwangsläufig dem Votum der Kommission folgen. Die Gerichte haben genügend Möglichkeiten sich eine eigene Meinung – auch der wirtschaftlichen Hintergründe – zu bilden292. Dabei werden die betroffenen Unternehmen mit Gutachten namhafter Ökonomen und Juristen aufwarten, um die Bedenken der Kommission zu widerlegen293. Die Gerichte werden weitere Sachverständige anhören, gerade wenn wie hier die ökonomischen Grundlagen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Nachfragemacht ungeklärt sind. Darüber hinaus kommt gerade dem Schlussantrag des Generalanwalts eine große faktische Bedeutung zu294 und auch der muss nicht der Kommissionsbewertung entsprechen295. Von einer faktischen Bindungswirkung von Leitlinien gegenüber den Unionsgerichten kraft Sachverstandes der Kommission kann daher nicht gesprochen werden. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine Bindungswirkung der Leitlinien gegenüber den Europäischen Gerichten weder rechtlich noch faktisch besteht. 2. Selbstbindung der Kommission Die Leitlinien legen aber die Rechtsauffassung der Kommission dar. Damit binden sie immerhin die Kommission selbst296. Sie darf von Regeln, die FS Möschel, S. 471, 475 mit zahlreichen Beispielen; Roth, ZHR 172 (2008), 670, 697; Körber, WuW 2014, 250, 258. 291  EuGH, Urt. v. 15.2.2005, C-12/03 P – Tetra Laval, Slg. 2005 I-987, Rn. 39 ff.; EuG, Urt. v. 25.10.2002, T-5/02 – Tetra Laval, Slg. 2002 II-4381; kritische Besprechung bei Nothdurft, ZWeR 2006, 306. Mischitz, S. 128 versteht die Tetra LavalEntscheidung als Beitrag für eine zukünftig erweiterte Kontrolldichte der Gerichte. Vgl. auch EuG, Urt. v. 6.6.2002, T-342/99 – Airtours, Slg. 2002 II-2585; EuG, Urt. v. 22.10.2002, T-310/01 – Schneider Electric, Slg. 2002 II-4071. 292  Lübking/v. Koppenfels, in: Immenga/Körber, S. 59, 83; Frenz, WRP 2013, 428, 435; Pohlmann, FS Möschel, S. 471, 475. 293  Es kommt gewissermaßen zu einem battle of the experts; vgl. H. Peukert, in: Blanke u. a., S. 81, 93; vgl. auch Frenz, WRP 2013, 428, 435; Immenga, ZWeR 2006, 346, 364. 294  In 75 % aller Fälle folgt der Gerichtshof den Schlussanträgen des General­ anwalts, vgl. Gündisch/Wienbues, Rechtsschutz in der EU, S. 84; bei Betrachtung der 11 zu Art. 101 AEUV ergangenen Entscheidungen des EuGH ergibt sich allerdings nur eine Quote von 64 %, vgl. dazu New York Law School, „Error Types“, Übersicht 1–2 abrufbar unter: http://www.eucomplaw.com/error-types/. 295  Vgl. beispielhaft aus jüngster Zeit GA Wahl, Schlussanträge v. 27.3.2014, C-67/13 P – Groupement des cartes bancaires, ECLI:EU:C:2014:1958. 296  EuGH, Urt. v. 28.6.2005, verb. Rs. C-189/02 P, C-202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P – Dansk Rørindustri, Slg. 2005, I‑5425, Rn. 211; Urt. v.

184 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

sie sich selbst gegeben hat, aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung nicht abweichen297. Entsprechend wurde eine abweichende Entscheidung der Kommission im Einzelfall, die der Selbstbindung und damit dem Vertrauensschutz und dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht, vom EuGH für nichtig erklärt298. Die Reichweite und Grenzen dieser Selbstbindung werden aufgezeigt: Die obere Grenze der Selbstbindung der Kommission liegt beim Primär- und Sekundärrecht. Eine Bindung an rechtswidrige Leitlinien besteht somit nicht. Allerdings existiert ein Einschreitermessen aufgrund des durch die Unternehmen investierten Vertrauens in die Richtigkeit der Leitlinien299. In Fällen, die durch die Leitlinien umfasst sind, darf nicht zum Nachteil des Betroffenen abgewichen werden300. Es sei denn, es liege – nach den Worten der Kommission – eine „in Stahlbeton gegossene Rechtfertigung“ dafür vor301. Solche Fälle können nur die theoretische Ausnahme bilden. Denkbar sind Konstellationen, die so neuartig sind, dass sie zwar von den Horizontalleitlinien noch erfasst werden, jedoch noch nicht berücksichtigt wurden. Beispielhaft sei in Bezug auf die Horizontalleitlinien die in den letzten Jahren vermehrt untersuchte kartellrechtliche Bewertung von Internet-Plattformen zum gemeinsamen Einkauf genannt302. Es konnte aber keine Veränderung zur Beurteilung herkömmlicher Einkaufskooperationen festgestellt werden, die so weitreichend wäre, als dass sich die Horizontalleitlinien nicht auch auf diese neuartigen Konstellationen anwenden ließen303. Die untere Grenze liegt demgegenüber beim Regelungsumfang der Horizontalleitlinien. Wird der Fall von den Leitlinien schon nicht mehr erfasst, so kann die Kommission eine Einzelfallbeurteilung vornehmen304. Die Leitli11.9.2008, verb. Rs. C-75/05 P und C-80/05 P – Deutschland u. a./Kronofrance, Rn. 60; EuG, Urt. v. 10.7.2012, T-304/08 – Smurfit, ECLI:EU:T:2012:351, Rn. 84; v. Graevenitz, EuZW 2013, 169, 171. 297  Ebd., sowie grundlegend und unabhängig von Leitlinien EuGH, Urt. v. 5.6.1973, Rs. 81/72 – Kommission/Rat, Slg. 1973, 575 Rn. 9; EuGH, Urt. v. 30.1.1974, Rs. 148/73 – Louwage, Slg. 1974, 81, Rn. 11 ff.; vgl. EuG, Urt. v. 17.12.1991, T-7/89 – Hercules Chemicals, Slg. 1991, II-1711, Rn. 53; Lübking/v. Koppenfels, in: Immenga/Körber, S. 59, 67; Ştefan, S.  16 f. m. w. N. 298  EuGH, Urt. v. 30.1.1974, Rs. 148/73 – Louwage, Slg. 1974, 81, Rn. 11 ff. 299  Thomas, EuR 2009, 423, 427. 300  Thomas, EuR 2009, 423, 427. 301  Vgl. Zitat der Vertreterin der Kommission in Schlussantrag GA Alber v. 8.5.2000, Rs. C-204/97 – Portugal/Kommission, Slg. 2001, I-3175, Rn. 36; Thomas, EuR 2009, 423, 428. 302  Vgl. Lochen; Henrich; Tröller. 303  Vgl. Lochen, S. 201; vgl. allgemein zu Kooperationen im Kontext der Globalisierung, Schweizer, S.  228 ff. 304  Thomas, EuR 2009, 423, 427.



C. Die Horizontalleitlinien der Kommission185

nien legen lediglich die Grundsätze und die Auffassung der Kommission zur Bewertung horizontaler Kooperationen fest, können aber nicht auf alle Fragen der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Einkaufskooperationen eine Antwort geben305. Letztlich ist die Selbstbindung der Kommission durch ihre Modifikationsmöglichkeiten beeinflusst. Die Kommission hat die Befugnis ihre Leitlinien zu modifizieren und zu novellieren306, wie sie es im Januar 2011 tat. Ein Vertrauensschutz besteht nur für die Vergangenheit, nicht aber für zukünftige Fälle307. Für Unternehmen, die gerade planen, eine Einkaufskooperation zu gründen, ist die Frage von entscheidender Bedeutung. Schließlich kann die Gründung einer Einkaufskooperation langwierig und mit hohen Kosten verbunden sein. Richten sich die Unternehmen gerade darauf ein, die Kooperationsvereinbarungen konform zu den Vorgaben in den Horizontalleitlinien abzuschließen, und ändern sich diese dann, kann das schwerwiegende Folgen haben. Da die Horizontalleitlinien erst 2011 modifiziert wurden, sind in nächster Zeit (vor 2021) nochmalige Änderungen nicht zu erwarten. Jedenfalls wird die Kommission durch Vertrauensschutz und das Verhältnismäßigkeitsprinzip dazu verpflichtet sein, eine angemessene Übergangsregelung zu schaffen308. Mithin besteht die Selbstbindung der Kommission in den Grenzen, die durch das Gemeinschaftsrecht und den Regelungsumfang der Horizontalleitlinien abgesteckt sind. Mit einer Überprüfung und möglichen Modifikation der Leitlinien in fernerer Zukunft (etwa 2021) kann allerdings gerechnet werden, da die Kommission deren Anwendung aufmerksam verfolgt und bei Bedarf anpasst wie sie in Rn. 18 HLL betont. Diesbezüglich existiert keine Bindung an die bestehenden Regeln. 3. Zur Bindungswirkung gegenüber nationalen Gerichten und Kartellbehörden So leicht eine Bindungswirkung gegenüber den Unionsgerichten verneint und gegenüber der Kommission bejaht werden kann, so schwer war sie bis zum Erlass zweier EuGH-Urteile gegenüber den nationalen Gerichten und Kartellbehörden zu beurteilen. Teilweise wurde eine solche als Reflex aus Art. 4 Abs. 3 EU (= ex-Art. 10 EGV) abgeleitet, der die einheitliche Anwen305  Zu

den Lücken der Horizontalleitlinien s. u. § 4 C. Urt. v. 23.11.2000, Rs. C-1/98 P – British Steel (Corus UK), Slg. 2000, I-10349, Rn. 52; vgl. Thomas, EuR 2009, 423, 429. 307  EuGH, Urt. v. 16.12.1975, verb. Rs. 40–48, 50, 54–56, 111, 113 und 114/73 – Suiker Unie, Slg. 1975, 1663, Rn. 555 f.; vgl. Thomas, EuR 2009, 423, 430. 308  Thomas, EuR 2009, 423, 431 m. w. N. 306  EuGH,

186 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

dung und Geltung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten sichert und gewährleistet (Loyalitätspflicht)309. Dagegen spricht jedoch, dass sich Loyalitätspflichten allein auf die in Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV) aufgezählten Handlungsinstrumente beziehen, sich aber nicht aus Leitlinien und Bekanntmachungen ergeben können310. Ansonsten könnte die Kommission für die Mitgliedstaaten verbindliche Regelungen schaffen, ohne die für eine Verordnung erforderliche spezielle Ermächtigung zu benötigen311. Die Mitgliedstaaten haben sich aber im Rat bewusst gegen eine Generalermächtigung der Kommission zum Erlass von GVOs ausgesprochen312. Diese Entscheidung würde unterlaufen, wollte man eine Bindungswirkung der Kommissionsleitlinien für die Mitgliedstaaten annehmen313. Ganz überwiegend wurde daher eine Bindungswirkung gegenüber nationalen Gerichten und Kartellbehörden verneint314. Nunmehr hat der EuGH in Pfleiderer und Expedia mehrfach deutlich gemacht, dass Mitteilungen und Bekanntmachungen der Kommission, wie etwa die Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen315 oder die damalige de minimis-Bekanntmachung, für Wettbewerbsbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten nicht verbindlich sind.316 Dies muss entsprechend für Leitlinien wie die Horizontalleitlinien gelten, da deren Rechtscharakter sich gegenüber Mitteilungen und Bekanntmachungen nicht unterscheidet und sie daher gemeinsamen allgemeinen Regelungen zu unterwerfen sind317. Die unterschiedliche Bezeichnung ist irrelevant318. 309  Schweda,

WuW 2004, 1133, 1142 f.; Dittrich, S. 62. S. 52. 311  BKartA, Diskussionspapier v. 9./10.10.2000, S. 26 f.; Thomas, EuR 2009, 423, 435. 312  Pampel, EuZW 2005, 11, 13; Rabus, S. 163; Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 103 AEUV, Rn. 18 Fn. 52. Eine solche Generalermächtigung wurde auch nicht durch Art. 105 Abs. 3 AEUV geschaffen. Dieser bemächtigt die Kommission allein dazu Gruppenfreistellungsverordnungen zu erlassen, zu denen der Rat bereits eine Verordnung oder Richtlinie erlassen hat, vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 103 AEUV, Rn. 18 Fn. 52. 313  Pampel, EuZW 2005, 11, 13. 314  BKartA, Diskussionspapier v. 9./10.10.2000, S. 26; Geiger, EuZW 2000, 325, 325; vgl. Heckenberger, in: LMR, Anh. zu Art. 81 EG, Rn. 26; Rabus, S. 163; Stopper, S. 51; Pohlmann, WuW 2005, 1005, 1008; a. A. Bechtold, GRUR 2012, 107, 108. 315  Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen, 2006/C 298/11, ABl. 2006, C 298/17. 316  EuGH, Urt. v. 14.6.2011, C-360/09 – Pfleiderer, Slg. 2011, I-5161, Rn. 21 ff.; Urt. v. EuGH, Urt. v. 13.12.2012, C-226/11, ECLI:EU:C:2012:795 – Expedia, Rn. 24 ff.; vgl. auch Divivier, S. 586. 317  Vgl. dazu allgemein Schramm, S. 8. 318  Vgl. Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Einl. Rn. 74. 310  Stopper,



C. Die Horizontalleitlinien der Kommission187

Damit hat der EuGH Klarheit geschaffen, dass Leitlinien für Gerichte der Mitgliedstaaten und Wettbewerbsbehörden nicht verbindlich sind. Nach den obigen Ausführungen besteht Bindungswirkung gegen­über den nationalen Instanzen, wenn die Leitlinien Teil von Einzelentscheidungen geworden sind, die vom Gerichtshof bestätigt wurden319. In solchen Konstellationen entfalten die Leitlinien indirekt eine Bindungswirkung über die Rechtsprechung des EuGH. Denn gem. Art. 16 VO Nr. 1/2003 dürfen weder nationale Gerichte noch Wettbewerbsbehörden Entscheidungen treffen, die Entscheidungen der Kommission zuwiderlaufen320. Wie erwähnt, fehlt jedoch mit Blick auf Einkaufskooperationen Rechtsprechung und Kommissionspraxis als Ankerpunkt, die zu einer Bindungswirkung führen könnte. Sie ist aufgrund des Systems der Legalausnahme und der Selbstbewertung der Unternehmen auch in naher Zukunft nicht zu erwarten. Eine rechtliche Bindungswirkung von Leitlinien gegenüber den nationalen Gerichten und Behörden besteht damit nicht. Die faktische Wirkung der Horizontalleitlinien darf aber auch mit Blick auf nationale Gerichte und Wettbewerbsbehörden nicht unterschätzt werden321. Insbesondere durch das European Competition Network (ECN) geht für die nationalen Wettbewerbsbehörden ein Druck zur einheitlichen Rechtsanwendung aus322. Auch das BKartA betont, dass es zwar nicht an die Horizontalleitlinien gebunden ist, sich aber dennoch an ihnen orientiert323. Dies erklärt sich zudem dadurch, dass die Horizontalleitlinien in enger Abstimmung mit nationalen Wettbewerbsbehörden entstanden sind324. Außerdem sind die nationalen Wettbewerbsbehörden bei Kartell- und Missbrauchskont319  Vgl. oben § 3 C. I. 1.; Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag vom 12.5.1999, ABl. 1999 C 321, Rn. 86; Stopper, S. 52. 320  Vgl. auch EuGH v. 28.2.1991, Rs. C-234/89 – Delimitis, Slg. 1991, I-935 Rn. 47; EuGH v. 14.12.2000, Rs. C-344/98 – Masterfoods, Slg. 2000, I-11369 Rn. 51; vgl. Palatzke, S. 6. 321  Diese erkennt das BKartA selbst an, vgl. BKartA, Diskussionspapier v. 9./10.10.2000, S. 27; vgl. ferner v. Graevenitz, EuZW 2013, 169, 169 und 173; Bechtold, EWS 2001, 49, 53; Heckenberger, in: LMR, Anh. zu Art. 81 EG, Rn. 26; Pampel, EuZW 2005, 11; GRUR, Stellungnahme, GRUR 2010, 897, 897. 322  Palatzke, S. 6; vgl. BKartA, Diskussionspapier v. 9./10.10.2000, S. 27. 323  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 39 sowie Ergebnisse und Schlussfolgerungen, S. 3; BKartA, Merkblatt über die Kooperationsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen, 2007, Rn. 38; vgl. FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 9; vgl. Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 449. Auch die französische Wettbewerbsbehörde orientiert sich bei der Bewertung von Einkaufskooperationen an den Horizontalleitlinien der Kommission, vgl. Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn. 75 ff. 324  Schubert, ZWeR 2013, 54, 63; Besen/Gronemeyer, CCZ 2013, 137, 139.

188 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

rollfällen nach Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 1/2003 dazu verpflichtet, der Kommission 30 Tage vor Erlass einer Entscheidung diese der Kommission zu übermitteln. Die Kommission hat dann die Möglichkeit, eine potentielle Abweichung von ihren Leitlinien zu verhindern, indem sie informelle oder schriftliche Stellungnahmen abgibt oder durch eine Verfahrenseinleitung den Fall an sich zieht, wodurch die Zuständigkeit der nationalen Behörde gem. Art. 11 Abs. 6 VO Nr. 1/2003 entfällt325. So sehr dieses Verfahren zu begrüßen ist, um die Kohärenz der europäischen Wettbewerbsregeln zu sichern326, stellt sie doch eine faktische Beschränkung der nationalen Wettbewerbsbehörden dar. Gegenüber nationalen Gerichten gilt zudem zu beachten, dass Leitlinien insoweit faktische Wirkung entfalten, als eine Abweichung von ihnen zu einer Vorlagepflicht des Gerichts nach Art. 267 AEUV an den EuGH führt, da die Auslegung des Unionsrechts dann nicht mehr klar und eindeutig ist327. Der nationale Richter wird damit vor die Wahl gestellt: entweder er folgt den Leitlinien328 oder er legt die Entscheidung dem EuGH vor. Letzteres stellt eine Hürde dar, die vermutlich nicht jeder Richter zu überspringen beabsichtigt, wenn es sich denn vermeiden lässt. Zusammenfassend gilt: Es besteht keine rechtliche Bindungswirkung von Leitlinien gegenüber den europäischen wie deutschen Gerichten und Kartellbehörden. Letztere werden aber durch eine faktische Bindungswirkung beein­flusst. 4. Bindungswirkung gegenüber Unternehmen Unternehmen werden sich bei der kartellrechtlichen Bewertung stets restriktiv verhalten. Eine allzu großzügige kartellrechtliche Einschätzung entgegen den Vorgaben von Leitlinien werden Rechtsberater nicht empfehlen und Entscheidungsträger nicht riskieren. Dafür sind die öffentlich-rechtlichen Konsequenzen (insbesondere Bußgelder) wie auch die privatrechtlichen Konsequenzen (insbesondere die Unwirksamkeit der geschlossenen Verträge und 325  Palatzke, S. 6; Divivier, S. 586 und 588 f.; wie erwähnt ist der Anwendungsbereich rein nationalen Kartellrechts, bei der eine solche Pflicht nicht bestehen wird, nur sehr klein, s. o. § 3 B. I. 1. 326  Divivier, S. 589. 327  Geiger, EuZW 2000, 165, 169; Imgrund, S.  64 f. 328  Ein Beispiel für die faktische Bindungswirkung ist das Urteil des LG Hannover vom 15.6.2011, 21 O 25/11, WRP 2012, 99 in dem sich das Gericht deutlich an den Vorgaben der Horizontalleitlinien orientierte. Die Entscheidung betraf den Fall einer Einkaufskooperation von gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen zum gemeinsamen Einkauf von Grippe-Impfstoffen. Für weitere Beispiele vgl. Kersting/Walzel, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 568 m. w. N.



C. Die Horizontalleitlinien der Kommission189

private Kartellschadensersatzklagen) zu groß. Für Unternehmen entspricht es daher dem „Gebot der praktischen Vernunft“329, die in den Leitlinien aufgestellten Grundsätze zu beachten330. Die faktische Wirkung der Horizontalleitlinien kann insofern nicht nur nicht geleugnet werden, sie entfalten gegenüber Unternehmen gar quasi-legislative Wirkung331.

II. System und Kriterien der Horizontalleitlinien 1. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich der Horizontalleitlinien ist weit. Er bezieht sich auf alle Einkaufsvereinbarungen. Dabei spielt es gem. Rn. 194 HLL keine Rolle, wie die Einkaufskooperation gesellschaftsrechtlich strukturiert ist332. Ob der gemeinsame Einkauf über ein gemeinsam kontrolliertes Unternehmen, vertragliche Regelungen zwischen den Kooperationsmitgliedern oder in sonstiger Weise erfolgt, ist ebenso irrelevant. Naturgemäß können durch diese Weite des Anwendungsbereichs sowohl horizontale Vereinbarungen (insbesondere die Vereinbarung zur Gründung einer Einkaufskooperation zwischen den Mitgliedern) als auch vertikale Vereinbarungen (etwa zwischen den Kooperationsmitgliedern und der Verbundzentrale) bestehen. Die Horizontalleitlinien erfassen gem. Rn. 195 HLL jedoch nur die horizontalen Vereinbarungen. Vertikale Vereinbarungen werden anhand der Vertikal-GVO und den dazugehörigen Vertikalleitlinien überprüft333. 2. Allgemeine Bewertung i. R.d. Art. 101 AEUV Zunächst nennen die Horizontalleitlinien grundlegende kartellrechtliche Bedenken (theories of harm), die dafür sprechen, Art. 101 Abs. 1 AEUV zu bejahen. Dies sind die im Rahmen der ökonomischen Analyse genannten negativen Auswirkungen334. Dazu gehört zunächst gem. Rn. 200 HLL die Sorge, dass Nachfragemacht zu Angebotsrückgang, Qualitätsrückgang oder zum Nachlassen von Innovationsanstrengungen – sowohl auf dem Einkaufs329  Thomas,

EuR 2009, 423, 442; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Einl. Rn. 77. EuR 2009, 423, 442; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Einl. Rn. 77. 331  Bornkamm/M. Becker; ZWeR 2005, 213, 230; Pohlmann, WuW 2005, 1005, 1008; K. Schmidt, BB 2006, 1397, 1404; Immenga, EuZW 2006, 481; Immenga, in: Immenga/Körber, S. 9, 25; Apel, S. 77; Wolters, S. 334; allgemein zur großen praktischen Bedeutung von soft law vgl. Ştefan, S.  16 ff. 332  Vgl. oben § 1 C. V. 333  S.u. § 3 D. 334  S. o. § 2 A. II. 330  Thomas,

190 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

wie auf dem Verkaufsmarkt – führt. Insoweit gehen die Horizontalleitlinien wie selbstverständlich vom Zusammenhang zwischen Einkaufskooperationen und Nachfragemacht aus335. Weiter stellen die Horizontalleitlinien die Vermutung auf, dass Wettbewerbern auf nachgelagerten Märkten der Anreiz zu Preiswettbewerb auf den Verkaufsmärkten verlorengeht, wenn sie erstens einen erheblichen Teil ihrer Produkte zusammen einkaufen und zweitens auf dem Verkaufsmarkt über einen erheblichen Grad an Marktmacht verfügen (Rn. 201 HLL). Verfügt die Kooperation über Nachfragemacht, bestehe die Gefahr der Verringerung der Angebotspalette bzw. der Qualität der angebotenen Produkte (Rn. 202 HLL). Zudem benennen die Horizontalleitlinien Marktabschottungseffekte gegenüber konkurrierenden Einkäufern als Gefahr, die von nachfragemächtigen Kooperationen ausgehen kann (Rn. 203 HLL). Als Unterscheidungsmerkmal zwischen wettbewerbsschädlicher und unbedenklicher Wirkung wird die Marktmacht auf den Verkaufsmärkten gewählt: Ist diese nicht gegeben, so bestehe kein Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken (Rn. 204 HLL). a) Keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (insbesondere kein „verschleiertes Kartell“) In einem ersten Prüfungsschritt sortieren die Horizontalleitlinien bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen aus, die ganz sicher wettbewerbsschädigend sind. Einkaufskooperationen dienen dann, wie Rn. 205 HLL es beschreibt, als sog. „verschleiertes Kartell“, d. h. als Mittel zu Preisfestsetzungen, zur Beschränkung der Produktion oder Zuteilung von Märkten. In Rn. 206 HLL wird klargestellt, dass die Einigung der Kooperationsbeteiligten über Einkaufspreise, „die den Anbietern auf der Grundlage der gemeinsamen Einkaufsregelung für unter den Liefervertrag fallende Produkte gezahlt werden“ soll, nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung angesehen werden kann336. Weitere Hinweise zur Einordnung einer Wettbewerbsbeschränkung als bezweckt oder bewirkt finden sich nicht. b) Bewertung bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen: Die 15 %-Marktanteilsschwelle Liegt eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nicht vor, wird die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Einkaufskooperation bzw. der Einkaufsvereinbarungen untersucht. Die Abgrenzung kartellrechtlich bedenklicher 335  Vgl.

§ 2 A. II.; Mischitz, S. 26; van Bael/Bellis, S. 527. dazu näher unter § 4 C. III. und § 4 D. II. 3.

336  Siehe



C. Die Horizontalleitlinien der Kommission191

von unbedenklichen Einkaufsvereinbarungen wird an der Marktmacht der Einkaufskooperation festgemacht. Die Horizontalleitlinien statuieren in Rn. 208 HLL einen safe harbour, der als Proxy für die Marktmacht der Einkaufskooperation dient337: Bei einem gemeinsamen Marktanteil der Kooperationsmitglieder sowohl auf den Einkaufsmärkten als auch auf den Verkaufsmärkten von nicht mehr als 15 % sei es unwahrscheinlich, dass von ihnen Marktmacht ausgehe. Die Schwelle stellt dabei bewusst keinen archimedischen Punkt dar, sondern einen flexiblen, was Rn. 208 HLL auch klar zum Ausdruck bringt338. Eine starre Grenze wird explizit ausgeschlossen. c) Einzelfallanalyse mit weiteren Faktoren Liegen die Marktanteile jenseits der 15 %-Marktanteilsschwelle, so ist eine Einkaufsvereinbarung noch nicht unzulässig, sondern wird einer eingehenden Bewertung ihrer Auswirkungen unter Einbeziehung zusätzlicher Faktoren unterzogen339. Dazu zählen insbesondere die Marktkonzentration und die Gegenmacht starker Anbieter, aber auch weitere Faktoren wie Marktzutrittsschranken. Kooperationsmitglieder, die nicht auf dem Absatzmarkt konkurrieren, sind unschädlich. Zunächst gehen die Horizontalleitlinien gem. Rn. 212 HLL davon aus, dass einer Einkaufskooperation, deren Mitglieder keine Wettbewerber auf ihren Absatzmärkten sind, grundsätzlich keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung zukommt, solange sie ihre Stellung auf den Einkaufsmärkten nicht dazu nutzen können, Wettbewerber auf den Absatzmärkten zu beeinträchtigen340. Marktkonzentration. Die Marktkonzentration gibt Aufschluss über die Stellung und Anzahl der Wettbewerber auf dem jeweiligen Markt341. Bezog sich die Kommission in den alten Horizontalleitlinien von 2001 noch auf den Herfindahl-Hirshman-Index (HHI)342, um die Marktkonzentration zu ermit337  Jones/Kovacic,

S. 37. HLL: „Es gibt keine absolute Schwelle, bei deren Überschreiten davon ausgegangen werden kann, dass eine gemeinsame Einkaufsregelung Marktmacht begründet, sodass sie wahrscheinlich wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen im Sinne von Artikel 101 Abs. 1 hat.“ 339  Rn. 209 HLL. 340  Dies entspricht weitgehend Rn. 123 HLL 2001, der Einkaufsvereinbarungen zwischen Kooperationsmitgliedern, die nicht auf den Absatzmärkten miteinander konkurrierten bereits in einem ersten Prüfungsschritt als „von Artikel 81 Absatz 1 nicht erfasste Vereinbarungen“ klassifizierte. 341  Rn. 209 HLL; zu HLL 2001 a. F. vgl. auch Geiger, EuZW 2000, 325, 327. 342  Rn. 29 HLL 2001; Bueren, WRP 2004, 567, 571; Geiger, EuZW 2000, 325, 327; weitere Informationen zur Berechnungsmethode s. o. § 2 B. II. 5. 338  Rn. 208

192 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

teln, fehlt die Angabe dieser Berechnungsmethode in den aktuellen Horizontalleitlinien343. Gegenmacht starker Anbieter. Als weiteren Faktor nennen die Horizontalleitlinien die Gegenmacht starker Anbieter (Rn. 209 HLL). Dies entspricht der im zweiten Kapitel geschilderten countervailing power-Argumentation344 und findet sich auch in zahlreichen Fusionskontrollentscheidungen345 wieder. Weitere Faktoren. Die Aufzählung der Horizontalleitlinien ist bewusst nicht abschließend. Neben der Marktkonzentration und der Gegenmacht beeinflussen noch zahlreiche weitere Faktoren die Marktmacht. Dazu gehören die langfristige Stabilität der Marktanteile, Marktzutrittsschranken sowie die Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts346. Negative Auswirkungen seien von einer horizontalen Vereinbarung nicht zu erwarten, wenn ein Marktzutritt relativ leicht möglich ist347. Damit entsprechen die Horizontalleitlinien den oben dargestellten ökonomischen Erkenntnissen348. d) Kollusionsergebnis Als weitere Gefahr neben der Entstehung und Ausnutzung von Nachfragemacht führen die Horizontalleitlinien in den Rn. 213–216 die Kollusion an. Anteil gemeinsamer Kosten. Die Kollusion erleichtern kann dabei ein hoher Anteil gemeinsamer Kosten349. Zur Frage, wo genau dieser Anteil liegt, schweigt die aktuelle Fassung der Horizontalleitlinien und beschränkt sich auf bloße Beispiele350. In Beispielsfall 2 der HLL351 wird lediglich ein offensichtlich wettbewerbsbeschränkender Extremfall geschildert. Demnach beziehen die Unternehmen über die Kooperation Produkte, die einen Anteil von 80 % ihrer variablen Kosten entsprechen. Informationsaustausch. Als einen weiteren kollusionsfördernden Faktor benennt Rn. 215 HLL den Informationsaustausch. Dabei geben die Horizontalleitlinien bereits Hinweise, wie sich ein Informationsaustausch vermeiden lässt. Die Daten sollten im Rahmen der gemeinsamen Einkaufsregelung zunäher unter § 4 A. III. 2; vgl. auch Clifford Chance, Stellungnahme, 4.24. § 2 A. I. 4. 345  S.u. § 3 E. I. 2. b). 346  Rn. 45 HLL. 347  Rn. 47 HLL. 348  S. o. § 2 B. II. 7. 349  Rn. 213 HLL; Rn. 128 HLL 2001; van Bael/Bellis, S. 529; Bennett u. a., in: Faull/Nikpay, Rn. 7.382. 350  Vgl. Rn. 214 HLL. 351  Dazu sogleich näher in Unterabschnitt 4. 343  Dazu 344  S. o.



C. Die Horizontalleitlinien der Kommission193

sammengestellt, jedoch nicht an die Parteien weitergegeben werden352. Im Übrigen wird auf Kapitel 2 der Horizontalleitlinien zum Informationsaustausch verwiesen. Grundsätzlich gilt: Geht der Informationsaustausch nicht über den Austausch der Daten hinaus, die für den gemeinsamen Einkauf erforderlich sind, sollte zumindest Art. 101 Abs. 3 AEUV nicht erfüllt sein353. 3. Bewertung des Art. 101 Abs. 3 AEUV Die Horizontalleitlinien begreifen die Weitergabe der Preisvorteile an die Verbraucher als elementar für die Bewertung von Einkaufskooperationen. Sie ordnen sie nunmehr – anders als die HLL 2001 – als Voraussetzung einer Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV ein354. Durch unerlässliche Beschränkungen erzielte Effizienzgewinne müssen in einem Maße an die Verbraucher weitergegeben werden, welche die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen der Einkaufsvereinbarung aufwiegen. Zudem können auch vollständige Bezugszwänge unerlässlich sein355. 4. Die Beispielsfälle Die Horizontalleitlinien verdeutlichen in Rn. 221–224 HLL durch vier Beispielsfälle die Bewertungslinien der Kommission. Beispiel 1 stellt ein Beispiel einer eindeutig zulässigen Kooperation dar. Es betrifft eine Kooperation aus zahlreichen KMU mit einem Marktanteil von 23 % auf dem Beschaffungs- und dem Absatzmarkt, die mit zwei Wettbewerbern mit höheren Marktanteilen konkurriert. Ein Bezugszwang i. H. v. 50 % besteht und die Kooperation führt zu Effizienzvorteilen. Eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung ist trotz einer gewissen Kostenangleichung nicht zu erwarten, da die Kooperation keine Marktmacht auf dem Absatzmarkt besitzt. Beispiel 2 ist ein Beispiel einer eindeutig unzulässigen Kooperation. Es betrifft eine Einkaufskooperation zweier Supermärkte, deren Marktanteil auf dem Beschaffungsmarkt zwischen 25 %-40 % und auf dem Absatzmarkt bei 60 % liegt, während die vier Wettbewerber jeweils nur einen Marktanteil von 10 % innehaben und mit einem Marktzutritt nicht zu rechnen ist. Aufgrund der Marktmacht der Einkaufskooperation auf dem Verkaufsmarkt besteht ein hohes Kollusionsrisiko. Zudem haben die Mitglieder Anreize, die nachgefragte Menge künstlich zu reduzieren, um die Preise auf dem Verkaufsmarkt zu erhöhen (das entspricht dem Monopson-Modell). Eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV ist unwahrscheinlich, da die 352  Rn. 215

HLL; vgl. näher dazu § 4 E. III. 5. HLL. 354  Rn. 219 HLL; vgl. demgegenüber die Rn. 132–134 HLL 2001. 355  S. o. § 3 B. III. 3. 353  Rn. 216

194 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis Effizienzvorteile bei einer hohen Marktmacht auf den Absatzmärkten regelmäßig nicht in Form von Kosteneinsparungen an die Verbraucher weitergegeben werden. Beispiel 3 erläutert schließlich die Bewertung bei Unternehmen, die auf verschiedenen räumlichen Märkten tätig sind und Beispiel 4 widmet sich dem Informationsaustausch.

Die Fälle veranschaulichen, welche Faktoren bei der Bewertung besonders relevant sind. Sie entsprechen weitgehend den hier im zweiten Kapitel (§ 2) entwickelten Faktoren. Leider beschränken sie sich auf Schwarz/Weiß-Fälle, statt Graufälle, d. h. komplexe Grenzfälle, zu klären.

III. Dogmatik der Horizontalleitlinien Die Horizontalleitlinien sind gemeinsam mit anderen Leitlinien und Verordnungen Ausdruck des neuen von der Kommission verfolgten Wettbewerbskonzepts des sog. more economic approach356. Danach sind ökonomische Grundlagen und Erkenntnisse vermehrt in die rechtliche Bewertung mit einzubeziehen357. In den Horizontalleitlinien kommt er durch den Fokus auf Marktanteile, insbesondere durch den safe harbour i. H. v. 15 %, zum Ausdruck. Zudem wird die Weitergabe der Vorteile an die Endverbraucher in den Mittelpunkt gestellt358.

D. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen I. Allgemeines Neben horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen können von Einkaufskooperationen auch vertikale Wettbewerbsbeschränkungen ausgehen. Vertikale Beziehungen können – je nach Struktur der Einkaufskooperation359 – zwischen den Mitgliedern der Kooperation und der übergeordneten Gesellschaft oder zwischen der Einkaufskooperation und den Lieferanten auf vorgelagerter Stufe bestehen360.

356  S. o.

§ 3 A. II. zu den Ausprägungen des more economic approach siehe unten unter § 4 B. I. 358  Inwieweit dieser Ansatz als sinnvoll oder eher kritisch bewertet werden sollte, wird im vierten Kapitel beleuchtet, vgl. § 4 A. II. 1. c). 359  Vgl. dazu oben unter § 1 C. IV. 360  Vgl. Rn. 196 HLL; Welling, S. 100. 357  Ausführlich



D. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen195

1. Vertikalverhältnisse Vertikalverhältnis Einkaufskooperation und Mitglieder. Das Verhältnis von Einkaufskooperationen und ihren Mitgliedern ist überwiegend ein horizontales, da die Einkaufskooperation nur das Mittel des gemeinsamen Einkaufs der Mitglieder ist, die zumindest auf dem Einkaufsmarkt Wettbewerber sind. Überdies sind heutige Einkaufskooperationen, wie die Darstellung im ersten Kapitel zeigte, derart entwickelt, dass sie rechtlich und wirtschaftlich verselbständigt sind und ihnen selbst Unternehmenseigenschaft zukommt361. Zwischen dieser Art der Einkaufskooperation und ihren Mitgliedern können auch vertikale Vereinbarungen geschlossen werden. Die Horizontalleitlinien gehen in solchen Fällen entsprechend von einer zweistufigen Prüfung aus362. Zunächst werden die horizontalen Vereinbarungen der gemeinsam einkaufenden Mitglieder der Einkaufskooperation anhand der Horizontalleitlinien geprüft. Sollten diese keine wettbewerblichen Bedenken aufweisen, werden anschließend vertikale Vereinbarungen überprüft363. Dabei geben die Vertikal-GVO und die Vertikalleitlinien364 Orientierung. Die Bewertung nach den Horizontalleitlinien hat dabei keine Auswirkungen auf die Bewertung nach der Vertikal-GVO365. Insoweit bestehen keine Wechselwirkungen. Allerdings kann eine nach den Grundsätzen der Horizontalleitlinien gegen Art. 101 AEUV verstoßende Vereinbarung nicht mehr durch die Vertikal-GVO freigestellt werden366. Vertikalverhältnis Einkaufskooperation und Lieferanten. Darüber hinaus können Vertikalvereinbarungen zwischen Einkaufskooperationen und ihren Lieferanten bestehen. Diese stellen keine Besonderheit der Einkaufskooperation dar, sondern können ebensogut von einem einzelnen Unternehmen abgeschlossen werden367. Aufgrund ihrer praktischen Relevanz sollen diese Vereinbarungen zwischen Einkaufskooperationen und den Lieferanten aber nicht

361  S. o. § 1 C. III. 4.; Schulte/Geiger, EuZW 2000, 396, 396; Nolte, in: Langen/ Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 325; Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 Vertikal-GVO Rn. 55; Ruppelt, S. 66. 362  Rn. 195 HLL. 363  Rn. 195 und 196 HLL. 364  Leitlinien für vertikale Beschränkungen vom 19.5.2010, ABl. 2010 C 130/01 (nachfolgend: Vertikalleitlinien). 365  Vgl. Art. 2 Abs. 2 Vertikal-GVO; Wijckmans/Tuytschaever/Vanderelst, Rn. 2.304. 366  Vgl. Vertikalleitlinien, Rn. 30; Wijckmans/Tuytschaever/Vanderelst, Rn. 2.305; Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 Vertikal-GVO, Rn. 72. 367  Vgl. Ruppelt, S. 64, der die Beschreibung dieses Vertikalverhältnisses daher unberücksichtigt lässt.

196 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

unbeachtet gelassen werden. Sie rücken in den Fokus der Betrachtung typischer Vertikalvereinbarungen in Unterabschnitt III. 2. Ökonomische Wirkungen Die ökonomischen Wirkungen vertikaler Vereinbarungen sind im zweiten Kapitel angeklungen. Durch vertikale Vereinbarungen sowohl zwischen Her­ stellern und Einkaufskooperationen als auch zwischen Einkaufskooperationen und ihren Mitgliedern lassen sich Transaktionskosten einsparen368. Eine weitere positive Wirkung vertikaler Vereinbarungen kann in der Beseitigung sog. hold-up-Probleme liegen369. Demgegenüber beziehen sich die üblicherweise mit vertikalen Vereinbarungen verbundenen Vorteile (die Neutralisierung von Trittbrettfahrer-Effekten370) überwiegend auf selektive Vertriebssysteme und treten bei Einkaufskooperationen grundsätzlich nicht auf371. Die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen vertikaler Vereinbarungen wurden ebenfalls im zweiten Kapitel erwähnt372. Dazu gehören insbesondere Abschottungseffekte (foreclosure effects), indem die nachfragemächtige Einkaufskooperation derart auf die Hersteller einwirkt, dass es dritte Nachfrager schwerer haben, beliefert zu werden. Besondere Beachtung verdient zudem der Umstand, dass die Supermärkte durch ihre Eigenprodukte auch in einen horizontalen Wettbewerb mit den Herstellern treten. Sie können ihre eigenen Produkte fördern, indem sie die Produkte der Hersteller unnötig verteuern, um ihre Handelsmarken besser zu positionieren. Im Ergebnis sind die positiven Effekte vertikaler Vereinbarungen bei Einkaufskooperationen eher gering und beschränken sich weitgehend auf Effizienzgewinne durch Einsparung von Transaktionskosten. Allerdings sind auch die Gefahren eher ungewiss oder aber von bestimmten Voraussetzungen des Einzelfalls abhängig. Diese Erkenntnisse werden insbesondere für die Einzelfreistellung gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV relevant sein373. 368  S. o.

§ 2 A. I. 2. § 2 A. I. 3.; Petit/Henry, in: Gheur/Petit, S. 123, 129; Wey, FIW-Seminar, S. 149, 157 hält diese Effekte im Handel, der auf längerfristige Geschäftsbeziehungen angelegt ist, für unwahrscheinlich. 370  Petit/Henry, in: Gheur/Petit, S. 123, 129. Der Begriff Trittbrettfahrer-Effekte meint, bei vertikalen Vereinbarungen etwa, dass sich Kunden bei Händler A beraten lassen und die Produkte sodann beim günstigeren Händler B einkaufen, der keine oder weniger Beratungsleistungen liefert, vgl. BKartA, Hinweise zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels, v. 25.1.2017, Rn. 30. 371  S.u. § 3 D. III. 2. a). 372  § 2 B. II. 1. d). 373  Hier gelten die in § 3 B. III. zu horizontalen Vereinbarungen getroffenen Ausführungen entsprechend. 369  S. o.



D. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen197

II. Vertikal-GVO der Kommission Zunächst können vertikale Vereinbarungen i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV durch die Vertikal-GVO der Kommission freigestellt sein, sofern (1.) deren Anwendungsbereich für Einkaufskooperationen eröffnet ist und (2.) deren inhaltliche Voraussetzungen erfüllt werden, d. h. insbesondere der safe harbour i. H. v. 30 % Marktanteil auf dem Beschaffungsmarkt eingehalten wird. 1. Zur Anwendbarkeit auf Einkaufskooperationen Art. 2 Abs. 2 Vertikal-GVO. Für Unternehmensvereinigungen – und damit auch für Einkaufskooperationen374 – und ihren Mitgliedern sowie ihren Lieferanten findet sich mit Art. 2 Abs. 2 Vertikal-GVO eine spezielle Regelung. Diese schränkt den Anwendungsbereich der Vertikal-GVO auf Einkaufskooperationen (Verbundgruppen) ein, deren Mitglieder Wareneinzelhändler sind und von denen keines einen jährlichen Umsatz von 50 Mio. € übersteigt375. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, ausschließlich kleinen und mittleren Unternehmen einen strukturellen Nachteilsausgleich durch die Gruppenfreistellung zu ermöglichen376. Nach den Vertikalleitlinien ist auch die Überschreitung der Umsatzschwelle durch einige wenige Mitglieder unbedenklich, „wenn auf diese Mitglieder weniger als 15 % des Gesamtumsatzes aller Mitglieder der Vereinigung entfällt“377. Die Formulierung kann aber nicht als Konkretisierung oder Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vertikal-GVO verstanden werden. Dafür ist der Wortlaut der VertikalGVO zu klar, und das würde zu einer nicht legitimierten Erweiterung von Sekundärrecht durch bloßes soft law führen. Sie ist damit lediglich Aus­ 374  Vgl. Nolte, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 324; Baron, in: LMR, Art. 2 Vertikal-GVO, Rn. 103; Mischitz, S. 264. 375  Vgl. Art. 2 Abs. 2 Vertikal-GVO; maßgeblich sind die Konzernumsätze der Mitglieder, vgl. Art. 8 Vertikal-GVO; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 2 VO 330/2010, Art. 2 Rn. 6. Zudem gilt die Toleranzschwelle des Art. 8 Abs. 2 Vertikal-GVO, sodass der jährliche Umsatz der Unternehmen auch an zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren bis zu 55 Mio. € betragen darf; vgl. Nolte, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 327. 376  Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 Vertikal-GVO, Rn. 59; Baron, in: LMR, Art. 2 Vertikal-GVO, Rn. 103; Nolte, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 326; Ruppelt, S.  94 f.; Welling, S. 101. Darüber hinaus sei Zweck der Regelung noch, Unternehmensvereinigungen gegenüber integrierten Unternehmen nicht schlechter zu stellen, vgl. Pukall, NJW 2000, 1375, 1377; Mischitz, S. 264; Welling, S. 100. Das erklärt aber nicht, warum nur Unternehmensvereinigungen von KMUs von der Vertikal-GVO erfasst werden und nicht alle; kritisch dazu auch FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 39. 377  Vertikalleitlinien, Rn. 29.

198 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

legungshilfe im Rahmen einer Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV378. Zudem erfasst die Vertikal-GVO allein die Freistellung von Vereinigungen von Wareneinzelhändlern. Diese sind in den Vertikalleitlinien näher definiert als „Händler, die Waren an den Endverbraucher weiterverkaufen“379. Demgegenüber fallen Kooperationen reiner Dienstleister (z.  B. HandwerkerInnungen380) nicht unter die Vertikal-GVO. Dasselbe gilt für Kooperationen auf Großhandelsebene381. Die Ratio dieser Differenzierung bleibt unklar382. Für die Praxis bedeutet dies: Die Teilnahme von Großunternehmen an Einkaufskooperationen sowie Vereinbarungen zwischen Einkaufskooperationen mit Großunternehmen als Mitglieder oder Lieferanten werden nicht durch die Vertikal-GVO freigestellt. Sie stehen damit auf äußerst rechtsunsicherem Boden. Sollte die Vereinbarung einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck oder eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung haben, gelten weder der safe harbour der Vertikal-GVO i. H. v. 30 % noch der safe harbour der Horizontalleitlinien i. H. v. 15 % für derartige Vereinbarungen. Eine Freistellung kann dann allein über Art. 101 Abs. 3 AEUV erfolgen – verbunden mit der Beweislast zulasten des sich selbst bewertenden Unternehmens und den Schwierigkeiten, Effizienzvorteile, eine angemessene Verbraucherbeteiligung sowie dessen weitere Tatbestandsvoraussetzungen nachzuweisen. Art. 2 Abs. 4 Vertikal-GVO. Nach Art. 2 Abs. 4 Vertikal-GVO gilt die Vertikal-GVO im Grundsatz nicht für vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern. Hier ist der Einzelfall zu untersuchen. Im Verhältnis der Einkaufskooperation zu ihren Mitgliedern besteht auf dem Absatzmarkt keine Wettbewerbssituation, da die Mitglieder über die Kooperation einkaufen, sie aber selbst nicht auf dem Absatzmarkt tätig ist 378  Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 2 VO 330/2010, Art. 2 Rn. 6; Baron, in: LMR, Art. 2 Vertikal-GVO, Rn. 103. 379  Vertikalleitlinien, Rn. 29; Baron, in: LMR, Art. 2 Vertikal-GVO, Rn. 104; Welling, S. 101. Zudem müssen die weiterverkauften Waren mit den eingekauften identisch sein (Umpacken und ähnliches ist dabei unschädlich), vgl. Schultze/Pautke/ Wagener¸ Vertikal-GVO, Rn. 367 mit Verweis auf die alte Alleinbezugs-VO; vgl. Nolte, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 326. 380  Ruppelt, S. 96. 381  Schulte/Geiger, EuZW 2000, 396, 398; Geiger, Verbundgruppen, S. 102; Ruppelt, S. 96; Nolte, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 326. 382  Vgl. Ruppelt, S. 96; Schulte/Geiger, EuZW 2000, 396, 398 führen sie auf Abstimmungsdifferenzen aber auch Verständigungsprobleme im politischen Prozess mit Blick auf die spezifische und unterschiedliche Bedeutung der Begriffe „Verbundgruppen“ und „Kooperation“ im deutschen und französischen Sprachgebrauch zurück. Zur Kritik an Art. 2 Abs. 2 Vertikal-GVO vgl. auch Baron, in: LMR, Art. 2 VertikalGVO, Rn.  108 m. w. N.



D. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen199

und auch nicht tätig sein wird. Auf dem Einkaufsmarkt stehen die Einkaufskooperation und die Mitglieder aber im Wettbewerb, soweit die Mitglieder – zumindest potenziell – die Möglichkeit haben, an der Einkaufskooperation vorbei einzukaufen, was üblicherweise der Fall ist. Dennoch ist die Einkaufskooperation kein typischer Wettbewerber im Verhältnis zu ihren Mitgliedern, da sie nicht völlig losgelöst und unabhängig von diesen Entscheidungen treffen kann. Sie steht den Mitgliedern vielmehr als Lieferant gegenüber. Die Einkaufskooperation stellt daher eine Art verbundenes Unternehmen dar. Sie ist deshalb kein Wettbewerber i. S. d. Art. 1 Abs. 1 lit. d) Vertikal-GVO. Zudem ist Rn. 27 der Vertikalleitlinien zu beachten. Er stellt klar, dass gem. Art. 2 Abs. 4 der Vertikal-GVO Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die überwiegend horizontaler Natur sind, nicht durch die Vertikal-GVO geregelt werden. Das gilt allerdings nicht für „die vertikalen Elemente solcher Vereinbarungen“, die nach den Vertikalleitlinien beurteilt werden sollen383. Dass das Verhältnis von Einkaufskooperation und Mitgliedern nicht von Art. 2 Abs. 4 Vertikal-GVO erfasst werden soll, zeigt sich allein schon in der Existenz des zuvor beschriebenen Art. 2 Abs. 2 Vertikal-GVO. Diese Vorschrift würde bei der obigen Interpretation einer Wettbewerbssituation zwischen Einkaufskooperation und ihren Mitgliedern im Verhältnis zu Lieferanten leerlaufen. Im Ergebnis findet Art. 2 Abs. 4 Vertikal-GVO im Verhältnis der Einkaufskooperation zu ihren Mitgliedern keine Anwendung, sodass eine Freistellung unter den Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 Vertikal-GVO möglich ist. Im Verhältnis Einkaufskooperation zu Lieferanten ist dies üblicherweise unkritisch, da beide auf verschiedenen Marktstufen tätig und damit keine aktuellen oder potenziellen Wettbewerber i. S. v. Art. 1 Abs. 1 lit. d) VertikalGVO sind. Unterhält der Lieferant neben dem Vertrieb über die Einkaufskooperation auch eigene Vertriebswege zu den Endkunden (zweigleisiger Vertrieb), ist dies wegen der Ausnahme des Art. 2 Abs. 4 lit. a) Vertikal-GVO auch unproblematisch, solange die Einkaufskooperation selbst kein konkurrierender Hersteller von Waren ist. Zudem werden eine Einkaufskooperation bzw. ihre Mitglieder nicht dadurch Wettbewerber eines Lieferanten, dass sie Eigenmarken herstellen lassen. So stellt Rn. 27 der Vertikalleitlinien klar, dass „ein Händler, der einem Hersteller Spezifikationen erteilt, damit dieser bestimmte Waren unter dem Markennamen des Händlers herstellt, […] nicht selbst [als] Hersteller dieser Eigenmarkenwaren anzusehen [ist]“. Die Vertikal-GVO bleibt insoweit anwendbar384. 383  Vertikalleitlinien,

Rn. 27. ZVertriebsR 2012, 138, 142; Wissel, S. 18; Möschel, ECLR 2014, 29, 32; vgl. Berasategi, S. 263. 384  Metzlaff,

200 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Etwas anderes gilt allerdings in Konstellationen, in denen die Mitglieder einer Einkaufskooperation oder die Einkaufskooperation ihre Eigenmarken tatsächlich selbst herstellen oder zumindest eine eigene Produktion potentiell ohne große Hindernisse erwartet werden kann385. So betätigen sich Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland verstärkt in der Eigenproduktion (etwa in der Warengruppe Fleisch und Wurstwaren), die sie unter ihrer Handelsmarke verkaufen386. In derartigen Konstellationen ist die VertikalGVO nicht anwendbar, und die Freistellung ist anhand von Art. 101 Abs. 3 AEUV zu prüfen387. 2. Inhalt und System der Vertikal-GVO Sollte die Einkaufskooperation vom Anwendungsbereich der VertikalGVO erfasst sein, so gilt aufgrund ihres Charakters als sog. Schirm-Verordnung388 Folgendes: Alle vertikalen Vereinbarungen sind freigestellt, wenn der Anteil des Anbieters und der Anteil des Abnehmers auf dem jeweils relevanten Markt, d. h. dem Absatzmarkt des Anbieters sowie dem Beschaffungsmarkt der Einkaufskooperation389, jeweils einen Marktanteil von 30 % nicht überschreiten (Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO) und keine Kernbeschränkungen vorliegen390. Letztere sind in Art. 4 Vertikal-GVO abschließend definiert. Darunter fallen etwa die Beschränkung des Abnehmers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen, Gebiets- oder Kundenbeschränkungen, Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs und von Querlieferungen. Kernbeschränkungen können zwar theoretisch außerhalb der Gruppenfreistellungsverordnung durch Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt werden391, praktisch werden sie aber nur selten dessen Voraussetzungen (etwa die Unerlässlichkeit) erfüllen392.

385  Zur

Definition des potentiellen Wettbewerbs vgl. Rn. 27 der Vertikalleitlinien. BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 79 ff. für einen Überblick über die vertikale Integration der Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland. 387  Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 Vertikal-GVO, Rn. 102. 388  Vgl. Schultze, FIW-Seminar, S. 125, 125; Baron, in: LMR, Art. 2 VertikalGVO, Rn. 76. 389  Vertikalleitlinien, Rn. 87. 390  Entsprechendes gilt für vertikale Vereinbarungen zwischen Einkaufskooperationen und ihren Mitgliedern, vgl. Welling, S. 103. 391  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, C-439/09 – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, Slg. 2011, I-9419, Rn. 59; EuG, Urt. v. 15.7.1994, Rs. T-17/93 – Matra Hachette, Slg. 1994 II-595, Rn. 85; EuGH, Urt. v. 8.9.2016, T-460/13 – Sun Pharmaceuticals Industries Ltd, ECLI:EU:T:2016:453, Rn. 228. 392  Vertikalleitlinien, Rn. 47; Freistellungsleitlinien, Rn. 46. 386  Vgl.



D. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen201

Letztlich bestehen mit den in Art. 5 Vertikal-GVO genannten nicht freigestellten Beschränkungen Klauseln, die zwar nicht von der Vertikal-GVO erfasst sind, die aber nicht für die Unwirksamkeit der ganzen Vereinbarung, sondern lediglich für die Unwirksamkeit der einzelnen Klausel sorgen. Dazu zählen Wettbewerbsverbote, die für eine Dauer von mehr als fünf Jahren vereinbart werden, Verpflichtungen, die den Abnehmer veranlassen, Waren nicht herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen, oder die Verpflichtung der Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems, Marken bestimmter konkurrierender Anbieter nicht zu verkaufen. 3. Kriterien außerhalb der Vertikal-GVO Findet die Vertikal-GVO keine Anwendung – sei es, da die Umsatzschwellen des Art. 2 Abs. 2 Vertikal-GVO überschritten wurden, es sich nicht um einen Wareneinzelhändler handelt oder der safe harbour der Vertikal-GVO nicht eingehalten wurde –, sollten zunächst die Spürbarkeit der vertikalen Vereinbarung sowie ihre wettbewerbsbeschränkende Wirkung ausführlich geprüft werden. Anschließend verbleibt noch immer die Möglichkeit einer Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV. Spürbarkeit der vertikalen Vereinbarung. Die de minimis-Bekanntmachung der Kommission sieht für Vereinbarungen zwischen Nichtwettbewerbern, die keine Kernbeschränkungen enthalten, eine (im Vergleich zu Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern höhere) Spürbarkeitsgrenze von 15 % vor393. Von ihr können auch Einkaufskooperationen profitieren, die nicht nur bzw. überwiegend aus KMUs bestehen. Dies gilt wiederum nicht für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere für die in der Vertikal-GVO genannten Kernbeschränkungen. Art. 101 Abs. 3 AEUV. Ansonsten gilt es, die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV genau zu prüfen. Kernbeschränkungen können zwar theoretisch auch durch Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt werden394, praktisch dürften dessen Voraussetzungen aber nicht erfüllt sein395.

de minimis-Bekanntmachung, Rn. 8 lit. b); Vertikalleitlinien, Rn. 9. Urt. v. 13.10.2011, C-439/09 – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, Slg. 2011, I-9419, Rn. 59; EuG, Urt. v. 15.7.1994, Rs. T-17/93 – Matra Hachette, Slg. 1994 II-595, Rn. 85; EuGH, Urt. v. 8.9.2016, T-460/13 – Sun Pharmaceuticals Industries Ltd, ECLI:EU:T:2016:453, Rn. 228. 395  Vertikalleitlinien, Rn. 47; Freistellungsleitlinien, Rn. 46. 393  Vgl.

394  EuGH,

202 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

III. Typische vertikale Beziehungen Um welche vertikalen Vereinbarungen i. S. d. Art. 101 AEUV es sich bei Einkaufskooperationen typischerweise handelt, wird im Folgenden aufgezeigt. 1. Vertikale Beziehungen zwischen Verbundzentrale und den Kooperationsmitgliedern Typische vertikale Beschränkungen zwischen der Verbundzentrale und den einzelnen Kooperationsmitgliedern sind Alleinbezugsverpflichtungen bzw. Bezugszwänge396. Zu diesen wurden oben im Rahmen der horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen bereits Ausführungen gemacht397. Die Verortung ist dem Umstand geschuldet, dass Bezugszwänge sowohl als horizontale Vereinbarungen zwischen den Kooperationsmitgliedern (etwa innerhalb eines Gesellschaftsvertrags oder einer Satzung) als auch als vertikale Vereinbarung zwischen Verbundzentrale und Kooperationsmitglied geschlossen werden können398. Die Vertikalleitlinien erwähnen den Bezugszwang und Gebietsschutzvereinbarungen daher explizit399. Ob es sich beim Bezugszwang je nach Ausgestaltung um eine horizontale oder vertikale Vereinbarung handelt, ändert nichts an seiner Wirkung im Rahmen des Art. 101 AEUV. Zumindest Letzterer ist jedoch zusätzlich anhand der Vertikal-GVO zu überprüfen, sollte ihr Anwendungsbereich eröffnet sein. Ist die Alleinbezugsverpflichtung nicht in einzelnen vertikalen Austauschverträgen, sondern in der Satzung geregelt, so ist umstritten, ob diese von der Vertikal-GVO erfasst ist400. Vorsichtshalber sollte die VertikalGVO geprüft werden. Letztlich ist die Einordnung von geringer Relevanz: ist die Vertikal-GVO anwendbar, sind die Anforderungen der Horizontalleitlinien ohnehin strenger als die der Vertikal-GVO. Denn beim Bezugszwang liegt weder eine Kernbeschränkung i. S. d. Art. 4 Vertikal-GVO vor, noch ist grundsätzlich eine der in Art. 5 Vertikal-GVO genannten nicht freigestellten Beschränkungen erfüllt401. Daher ist der Bezugszwang nach der VertikalGVO bis zu einem Marktanteil der Einkaufskooperation von 30 % auf dem 396  Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 Vertikal-GVO, Rn. 69; Baron, in: LMR, Art. 2 Vertikal-GVO, Rn. 105. 397  S. o. § 3 B. II. 2. c). 398  Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 2 VO 330/2010, Art. 2 Rn. 5; Mischitz, S. 268. 399  Vertikalleitlinien, Rn. 30. 400  Dagegen Mischitz, S. 268 f. mit Verweis auf die befürwortende Ansicht bei Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, ErgBd., Rn. 84 (alte Auflage). 401  Dazu sogleich unter 2.a); vgl. Ruppelt, S. 97.



D. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen203

Beschaffungsmarkt freigestellt, während der safe harbour der Horizontalleitlinien nur bei 15 % liegt402. Zu beachten ist allerdings, dass der Bezugszwang oder andere Wettbewerbsverbote maximal für eine Dauer von fünf Jahren vereinbart werden dürfen, um von der Vertikal-GVO freigestellt werden zu können (Art. 5 Abs. 1 lit. a), Abs. 2 Vertikal-GVO)403. Ist die Vertikal-GVO aufgrund ihres engen Anwendungsbereichs nicht anwendbar oder überschreitet das vereinbarte Wettbewerbsverbot (beispielsweise der Bezugszwang) die zeitlichen Grenzen von grundsätzlich 5 Jahren, ist eine Prüfung anhand von Art. 101 Abs. 3 AEUV erforderlich. Hier gelten dann weitgehend dieselben Maßstäbe wie oben im Rahmen der horizontalen Vereinbarungen dargestellt404. Mit Blick auf die Besonderheiten vertikaler Vereinbarungen bzw. der Vorgaben der Vertikal-GVO erscheint insbesondere dann ein längeres Wettbewerbsverbot (etwa ein Bezugszwang) als freistellungswürdig, wenn dieses erforderlich und angemessen ist, um größere vertragsspezifische, insbesondere wiederkehrende Investitionen des Lieferanten abzusichern, für die sich die starre Jahresgrenze als nicht sachgerecht erweist405. 2. Vertikale Beziehungen zwischen Einkaufskooperationen und Lieferanten a) Alleinvertrieb Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen bestehen etwa dann, wenn die einzelnen Mitglieder der Einkaufskooperation gezwungen sind, ihren gesamten oder einen Teil ihres Einkaufs bei einem bestimmten Anbieter zu tätigen406. Dies führt unter anderem zur Ausschaltung des Wettbewerbs und Marktzutrittsschranken407. Demgegenüber können mit einer Alleinvertriebsverpflichtung auch Effizienzgewinne verbunden sein, etwa durch erleichterte Logistik 402  Ruppelt,

S. 97. in: LMR, Art. 5 Vertikal-GVO, Rn. 354. Eine Verlängerung nach erneuter Verhandlung durch die Parteien um maximal weitere fünf Jahre wird im Umkehrschluss zu Art. 5 Abs. 1 lit. a) und Unterabs. 2 Vertikal-GVO als zulässig angesehen (sog. Kettenverträge), vgl. Schultze/Pautke/Wagener, Vertikal-GVO, Rn. 861; Mesch, WuW 2017, 62, 67. 404  S. o. § 3 B. III. 405  Baron, in: LMR, Art. 5 Vertikal-GVO, Rn. 359, der mit Blick auf die strikten Vorgaben der Vertikal-GVO auf die bestehende Rechtsunsicherheit in derartigen Konstellationen hinweist. 406  Vertikalleitlinien, Rn.  151 ff.; Blair/Durrance, 35 Manage Decis. Econ. 433, 436 (2014). 407  Vertikalleitlinien, Rn. 151; Palatzke, S. 138. 403  Baron,

204 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

oder Investitionen in ein Markenimage408. Effizienzgewinne durch Alleinvertriebsvereinbarungen bestehen allerdings am ehesten bei neuen und komplexen Produkten, bei denen das Trittbrettfahrer-Problem bekämpft wird. Dieses entsteht etwa dann, wenn sich Kunden bei Händler A (beispielsweise ein stationärer Händler) beraten lassen und die Produkte sodann beim günstigeren Händler B (beispielsweise ein Online-Händler), der keine oder weniger Beratungsleistung anbietet, kaufen409. Beratungsintensive Produkte finden sich im Lebensmitteleinzelhandel grundsätzlich nicht, und sie werden tendenziell weniger über Einkaufskooperationen eingekauft. Eine der wesentlichen Effizienzen vertikaler Vereinbarungen können demnach nicht erzielt werden, sodass Alleinvertriebsvereinbarungen zwischen Einkaufskooperationen (jedenfalls beim Einkauf wenig beratungsintensiver Produkte) grundsätzlich bedenklich erscheinen. Das praktische Bedürfnis von Alleinvertriebsverpflichtungen dürfte allerdings eher gering sein, da sich Einkaufskooperationen in ihren Ausweichmöglichkeiten zumeist nicht beschränken wollen, wenn sie dadurch einen Großteil ihrer Verhandlungsmacht einbüßen. b) Alleinbelieferung Ähnliches gilt für den umgekehrten Fall der Alleinbelieferungsverpflichtung zwischen der Einkaufskooperation und den Lieferanten. Auch sie führen zu Abschottungseffekten410. Andererseits werden durch sie auch Skaleneffekte (economies of scale) erzielt und Investitionsanreize durch die Beseitigung von hold-up-Problemen geschaffen411. Solche Vereinbarungen stellen jedoch weder eine Kernbeschränkung gem. Art. 4 lit. a) GVO, noch eine unzulässige Verpflichtung gem. Art. 5 lit. a) GVO dar412. Bedenklich ist die Klausel, wenn der Abnehmer auf dem Absatzmarkt über Marktmacht verfügt und die Verpflichtung länger als fünf Jahre angelegt ist413. Skaleneffekte scheinen aber auch durch eine weniger einschneidende Maßnahme, etwa über eine Mindestbezugsmenge, erzielt werden zu können414, was gerade i. R.d. Art. 101 Abs. 3 AEUV zu berücksichtigen ist, wenn die Vertikal-GVO Rn. 164; Palatzke, S. 138. Rn. 164; BKartA, Hinweise zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels, v. 25.1.2017, Rn. 30. 410  Vertikalleitlinien, Rn. 194; Mischitz, S. 269; Palatzke, S. 139. 411  Vertikalleitlinien, Rn. 198; Wijckmans/Tuytschaever/Vanderelst, 10.120; zum hold-up-Problem s. o. § 2 A. I. 3. 412  Vgl. Vertikalleitlinien, Rn. 193; Mischitz, S. 269. 413  Vertikalleitlinien, Rn. 195; Palatzke, S. 138. 414  Wijckmans/Tuytschaever/Vanderelst, 10.120; Palatzke, S. 139. 408  Vertikalleitlinien, 409  Vertikalleitlinien,



D. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen205

keine Anwendung findet. Die Kombination aus Alleinbelieferung und Alleinvertrieb wird als besonders problematisch angesehen, da der Intra-BrandWettbewerb reduziert und Marktaufteilung gefördert wird415. c) Rabatte Rabatte können faktisch oftmals die gleiche Wirkung haben wie ein Bezugszwang. Solche Vereinbarungen führen zu einer Marktverschließung. Vereinzelt wird argumentiert, dass die Vereinbarung eines Mengenrabatts, die eine Einkaufskooperation typischerweise zu erlangen versucht, bereits eine Preisabsprache i. S. d. Art. 101 Abs. 1 lit. a) AEUV darstelle, sodass fast jede Einkaufsbündelung bereits eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle416. Das greift zu weit. Rabatte können nicht über die Wirkungen einer Alleinbelieferungspflicht hinausgehen. Demnach gilt das in b) zur Alleinbelie­ fer­­ung Gesagte entsprechend, falls die Vergleichbarkeit besteht417. d) Meistbegünstigungsklauseln zulasten des Lieferanten Durch Meistbegünstigungsklauseln verpflichtet sich der Lieferant gegenüber der Einkaufskooperation, diesem keine ungünstigeren Konditionen zu gewähren als anderen Abnehmern418. Derartige Klauseln entfalten wettbewerbsbeschränkende Wirkungen i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV419. Die Vertikal-GVO verbietet in Art. 4 lit. a) zwar Beschränkungen der freien Preissetzung des Abnehmers. Für den umgekehrten Fall der Verpflichtungen des Lieferanten gegenüber dem Abnehmer gilt diese Kernbeschränkung aber schon dem Wortlaut nach nicht420. Aus demselben Grund liegt darin keine unzulässige Verpflichtung nach Art. 5 lit. a) GVO, da das dort genannte Wettbewerbsverbot nach der Definition des Art. 1 Abs. 1 lit. d) Vertikal-GVO 415  Vertikalleitlinien, Rn. 162; Wijckmans/Tuytschaever/Vanderelst, 10.128; Klotz, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje, Nach Art. 101 AEUV – Fallgruppen, Rn. 495. 416  Welling, S. 84. 417  Ferner können Rabatte je nach Ausgestaltung missbräuchlich i. S. d. Art. 102 AEUV, sofern dessen Anwendungsbereich eröffnet ist (vgl. dazu unter § 3 E. II. 1.); detailliert zu den verschiedenen Arten von Rabatten vgl. Kling/Thomas, § 6, Rn.  165 ff.; Deselaers, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 102 AEUV, Rn. 435 ff. 418  Vgl. Schulte, S.  39 f.; Olesch, S. 77; Palatzke, S. 24; Mischitz, S.  269 f.; Ruppelt, S. 15. 419  Schultze/Pautke/Wagener, Vertikal-GVO, Rn. 580. 420  Schultze/Pautke/Wagener, Vertikal-GVO, Rn. 583; Baron, in: LMR, Art.  4 Vertikal-GVO, Rn. 204; Mischitz, S. 270; Welling, S. 103; Ruppelt, S. 98.

206 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

ebenfalls nur Anbieter umfasst421. Im Ergebnis sind Meistbegünstigungsklauseln zwischen Einkaufskooperationen und Lieferanten damit freistellungsfähig, soweit die Vertikal-GVO Anwendung findet und die doppelte Marktanteilsschwelle des Art. 3 Vertikal-GVO von 30 % nicht überschritten wird422. e) Gebühren/Zahlungen Zwischen Nachfragern und Herstellern, insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel, haben sich zahlreiche Arten von Gebühren entwickelt. Dazu zählen sog. listing fees, d. h. fixe Zahlungen des Herstellers, damit dessen Produkte überhaupt gelistet werden. Auch fallen Regalgebühren (slotting allowances) darunter. Dabei handelt es sich um Zahlungen der Hersteller, um Zugang zur Verkaufsfläche im Geschäft des Abnehmers zu erhalten423. Zudem haben sich rückwirkende Rabattzahlungen, besondere Bonuszahlungen, etwa um eine Ladeneröffnung zu unterstützen, und lange Zahlungsziele fest etabliert. Diese Zahlungen können zu wettbewerbsschädigenden Marktverschließungseffekten führen. Dadurch werden vorzugsweise kleinere Anbieter, die sich anders als große Anbieter den Zugang zu Verkaufsflächen nicht ohne weiteres erkaufen können, geschädigt424. Regalgebühren werden nach den Vertikalleitlinien aber grundsätzlich akzeptiert425. Die Existenz dieser Vereinbarungen allein spricht jedoch noch nicht für ihren wettbewerbsbeschränkenden Charakter. Denn sie können auch bloße Zugeständnisse angemessener Verhandlungen sein426. Daher betont die Sektoruntersuchung des BKartA die oft schwierige Abgrenzung zwischen „harten Verhandlungen“ und missbräuchlichem Verhalten427. Das zeigt sich etwa in der Entscheidung des OLG Düsseldorf zu Hochzeitsrabatten, die EDEKA nach der Übernahme von Plus von seinen Lieferanten forderte. Während das BKartA dadurch eine missbräuchliche Verhaltensweise erfüllt sah, würdigte das Beschwerdegericht die Effizienzvorteile, die den Lieferanten durch die Fusion zugutekamen, und wertete die Preiszugeständnisse der Lieferanten als Ergebnis harter Verhandlungen428. Der BGH wiederum bestätigte die Linie des Bundeskartellamts429. 421  Wegner/Johannsen, in: KölnKomm, Art. 4 Vertikal-GVO, Rn. 52; vgl. Ruppelt, S. 98 (noch zur alten Vertikal-GVO 2790/1999). 422  Mischitz, S. 270; Welling, S. 103. 423  Petit/Henry, in: Gheur/Petit, S. 123, 137 f. 424  Petit/Henry, in: Gheur/Petit, S. 123, 138. 425  Vertikalleitlinien, Rn. 203–208; Schultze, FIW-Seminar, S. 125, 132. 426  Clarke/Davies/Dobson/Waterson, S. 18. 427  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 415. 428  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.11.2015, VI-Kart 6/14 (V) – Hochzeitsrabatte. 429  BGH, Beschl. v. 23.1.2018, KVR 3/17 – Hochzeitsrabatte.



E. Einkaufskooperationen u. Nachfragemacht außerhalb des Kartellverbots207

IV. Zwischenergebnis zu vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen Das Zwischenergebnis zur Bewertung vertikaler Vereinbarungen von Einkaufskooperationen ist ernüchternd. Typische Vereinbarungen zwischen Einkaufskooperationen und ihren Mitgliedern sind sowohl anhand der Horizontalleitlinien als auch der Vertikal-GVO zu überprüfen. Die Vertikal-GVO bietet allerdings aufgrund ihres engen Anwendungsbereichs, der sich allein auf KMUs bezieht, für eine Vielzahl von Kooperationen mit umsatzstärkeren Mitgliedern keine Rechtssicherheit. So bleibt auch hier – ebenso wie bei der überwiegenden Zahl horizontaler Vereinbarungen – nur eine Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen und der Freistellungsvoraussetzungen nach Art. 101 Abs. 3 AEUV. Alle Kooperationen die nicht vom Anwendungsbereich der Vertikal-GVO erfasst sind, sollten daher auf weitreichende vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, etwa einen Bezugszwang, verzichten. Mit Blick auf Vertikalvereinbarungen zwischen Einkaufskooperationen und Lieferanten gilt dasselbe. Hier können, wenn der Anwendungsbereich der Vertikal-GVO für Einkaufskooperationen mit umsatzstarken Mitgliedern nicht eröffnet ist, die Vorgaben der Vertikal-GVO nur als Auslegungshilfen im Rahmen einer Prüfung des Art. 101 Abs. 3 AEUV dienen – eine rechtssichere Freistellung ist hingegen nicht möglich. Zwischenstand. Die bisherige Rechtsprechung und aktuelle Kommissionspraxis zu horizontalen und vertikalen Vereinbarungen von Einkaufskooperationen, wie sie in den Horizontalleitlinien und der Vertikal-GVO zum Ausdruck kommt, wurden dargestellt. Damit ist die erste Säule – das Kartellverbot – als Kernstück dieser Arbeit skizziert.

E. Einkaufskooperationen und Nachfragemacht außerhalb des Kartellverbots Im Folgenden soll analysiert werden, inwieweit die Behandlung von Einkaufskooperationen in den anderen Gebieten des Kartellrechts, dem Missbrauchstatbestand und der Fusionskontrolle, Hilfe bei der Bewertung von Einkaufskooperationen im Rahmen von Art. 101 AEUV geben kann.

I. Einkaufskooperationen und Nachfragemacht in der Fusionskontrolle Im Zusammenhang mit der Fusionskontrolle sind vorliegend zwei Themengebiete relevant. Zunächst gilt es, aufgrund unterschiedlicher kartellrechtlicher Bewertung die Einkaufskooperation vom konzentrativen Voll-

208 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

funktionsgemeinschaftsunternehmen abzugrenzen (1.). Zum anderen kann eine Analyse der umfangreichen Rechtsprechung und Kommissionspraxis zur Nachfragemacht in Fusionskontrollfällen auch das Verständnis für die Bewertung von Nachfragemacht durch Einkaufskooperationen im Rahmen von Art. 101 AEUV schärfen (2.). 1. Abgrenzung von Einkaufskooperation und konzentrativen ­Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen a) Problemstellung Bei Einkaufskooperationen handelt es sich typischerweise um Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen430. Sie sind, wie bereits die Ausführungen zur Definition der Einkaufskooperation im ersten Kapitel gezeigt haben, von den verschiedenen Arten von Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen abzugrenzen. Für diese gilt auf Ebene des europäischen Rechts nicht Art. 101 AEUV als Prüfungsmaßstab, sondern die Fusionskontrollverordnung431 (FKVO).432 Denn diesen kommt – anders als Einkaufskooperationen – eine konzentrative Wirkung zu, d. h. sie verändern die Marktstruktur vollständig und dauerhaft433. Entsprechend ordnet Art. 3 Abs. 4 FKVO an, dass auch diese einen Zusammenschluss i. S. d. FKVO darstellen. Ferner ist zwischen konzentrativen und kooperativen Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen zu unterscheiden. Während für beide Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen die FKVO Anwendung findet, werden die kooperativen Wirkungen des kooperativen Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens im Rahmen des FKVO-Verfahrens in materiellrechtlicher Hinsicht434 nach Art. 101 AEUV bewertet435. Auf 430  Siehe dazu im Detail unten in Unterabschnitt c), § 3 E. I. 1. c); Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 86; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 6; Fritzsche, S. 108; Welling, S. 75. 431  Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20.1.2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (EG-Fusionskontrollverordnung) v. 29.1.2004, ABl. 2004 L 024, S. 1–22. 432  Montag/Kacholt, in: Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, 30. Erglfg. 2012, H. I. § 4, Rn. 172 m. w. N.; Säcker/Mohr, WRP 793, 795. 433  Kersting, in: LMR, Art. 3 FKVO, Rn. 41. 434  In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist eine Unterscheidung zwischen konzentrativen und kooperativen Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen, die nach der alten Fassung der FKVO noch für deren Anwendung relevant war, mit Änderung der FKVO im Jahr 1998 obsolet geworden, vgl. Montag/Kacholt, in: Dauses, Hdb. EUWirtschaftsrecht, 30. Erglfg. 2012, H. I. § 4, Rn. 27; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 24. 435  Vgl. Art. 2 Abs. 4 FKVO; Kersting, in: LMR, Art. 3 FKVO, Rn. 41; Schroe­der, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 24. Für einen Überblick zu den Prüfungsmaß-



E. Einkaufskooperationen u. Nachfragemacht außerhalb des Kartellverbots209

Ebene des deutschen Kartellrechts gibt es wiederum Unterschiede. Hier werden sowohl konzentrative als auch kooperative Gemeinschaftsunternehmen anhand der fusionskontrollrechtlichen Bestimmungen der §§ 35 ff. GWB überprüft, kooperative darüber hinaus auch noch anhand von § 1 GWB (Doppelkontrolle)436. Das gilt sowohl für Voll- als auch für TeilfunktionsGemeinschaftsunternehmen437. Mit der Ausgestaltung der Einkaufskooperation als Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen sind weitreichende Unterschiede verbunden. Diese kartellrechtlichen Vor- und Nachteile dienen Unternehmen neben wirtschaftlichen Erwägungen auch als Entscheidungsgrundlage für und gegen eine bestimmte Art der Zusammenarbeit. Die strategische Ausgestaltung der Einkaufskooperation als klassische Einkaufskooperation oder Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen sollte daher die kartellrechtlichen Auswirkungen nicht unberücksichtigt lassen. Die unterschiedlichen Konsequenzen einer Kontrolle nach der FKVO oder Art. 101 AEUV werden daher im vierten Kapitel näher beschrieben438. Aufgrund dieser Gemengelage unterschiedlicher Prüfungsmaßstäbe und der Konsequenzen einer Entscheidung für eine Art der Ausgestaltung ist es von großer Bedeutung, die verschiedenen Arten von Gemeinschaftsunternehmen voneinander abzugrenzen. Die dafür relevanten Kriterien werden nachfolgend aufgezeigt. Dabei erweist sich die Abgrenzung infolge der zunehmenden Intensivierung des Kooperationsgrades bei den verschiedenen Arten der Einkaufskooperationen, deren Aufgaben oftmals weit über den bloßen Einkauf hinausgehen, als schwierig439. So weist auch die Kommission in ihren Horizontalleitlinien darauf hin, dass die „Trennungslinie zwischen Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen und Nichtvollfunktionsgemeinschaftsunternehmen, […] haarfein“ ist, ohne jedoch weitere Hinweise zur Abgrenzung zu geben440.

stäben der unterschiedlichen Arten von Gemeinschaftsunternehmen sowie zu den Unterschieden zwischen nationalen und europäischen Kartellrecht vgl. die schematische Darstellung bei Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 25. 436  Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 23; Kersting, in: LMR, Art. 3 FKVO, Rn. 43. 437  S.u. § 3 F. II. 2. 438  S.u. § 4 E. I. 439  S. o. § 1 C. III. 4; vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S.  13 f. 440  Rn. 21 HLL; vgl. Mand/Malkus, Stellungnahme, S.  13 f.; Pohlmann, WuW 2003, 473, 476: „Lücke für kooperative Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen in Horizontalleitlinien“.

210 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

b) Definition des Gemeinschaftsunternehmens/Abgrenzungsmerkmale Die Anwendung der Fusionskontrollvorschriften erfordert gem. Art. 3 Abs. 4 FKVO, dass das Gemeinschaftsunternehmen „auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt“441. Dieser Vollfunktionscharakter wird durch die konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen konkretisiert442. aa) Positive Merkmale Die Kommission teilt darin u. a. folgende positive Abgrenzungsmerkmale mit, die für ein Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen sprechen: (1) Ausreichende Ressourcen für eine eigenständige Marktpräsenz443 und (2) eine auf Dauer angelegte Wirtschaftstätigkeit444. (1) Ausreichende Ressourcen für eine eigenständige Marktpräsenz Das Gemeinschaftsunternehmen muss über finanzielle, personelle und sachliche Ressourcen verfügen, die ausreichen, um die Tätigkeit langfristig ausüben zu können445. Dies erfolgt etwa durch weitgehende Übertragung von Vermögenswerten und Personal auf das Gemeinschaftsunternehmen446. Das Gemeinschaftsunternehmen sollte alle Funktionen aufweisen, die auch andere Unternehmen auf dem betreffenden Markt erfüllen447. Üblicherweise 441  Vgl. dazu auch Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 AEUV, Rn. 308; Bishop/Walker, 5-056; Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 795; Welling, S. 73. 442  Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2008 C 95/1; berichtigt im ABl. 2009 C 43/10 (nachfolgend: Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen). 443  Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn. 94. 444  Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn. 103 ff. 445  Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn.  94; Kommission, Entsch. v. 19.12.2007, COMP/M.4912 – Calyon/Société Générale/Newedge, Rn. 9; Entsch. v. 11.8.1999, COMP/JV.19 – KLM/Alitalia, Rn. 13; Rosenthal/Thomas, Rn. 77; Montag/Kacholt, in: Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, 30. Erglfg. 2012, H. I. § 4, Rn. 27. 446  Kommission, Entsch. v. 31.3.2006, COMP/M.4139 – Sony/NEC/JV, Rn. 10;, Entsch. v. 24.10.1997, Fall Nr. IV/M.994 – DuPont/Hitachi, Rn.  8 ff.; Entsch. v. 20.12.1999, COMP/M.1781 – Electrolux/Ericsson, Rn. 6; Montag/Kacholt, in: Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, 30. Erglfg. 2012, H. I. § 4, Rn. 28; vgl. exemplarisch BKartA, Beschl. v. 26.10.2012 – B9-32/12/12 – GM/PSA, Rn. 19 und 50. 447  Kommission, Entsch. v. 2.12.1995, Fall Nr. IV/M.527 – Thomson/Deutsche Aerospace AG, Rn. 10.



E. Einkaufskooperationen u. Nachfragemacht außerhalb des Kartellverbots211

verfügt es über eigene Produktionsstätten448, eigene Patente, eigenes Knowhow und eigene Warenzeichen449. Zudem muss es über ein Management verfügen, welches das Tagesgeschäft betreibt450. (2) Eine auf Dauer angelegte Wirtschaftstätigkeit Weiterhin muss die Tätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens auf Dauer angelegt sein451. Dies ist der Fall, wenn das Gemeinschaftsunternehmen seine Tätigkeit zeitlich unbegrenzt oder zumindest langfristig ausübt452. Wird das Bestehen des Gemeinschaftsunternehmens befristet, muss die Frist ausreichend lang sein, „um eine dauerhafte Veränderung der Struktur der betroffenen Unternehmens herbeizuführen“453. Nur für einen kurzen, begrenzten Zeitraum – etwa zur Durchführung eines bestimmten Projektes – gegründete Kooperationen stellen kein Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen dar454. bb) Negative Merkmale Gegen das Vorliegen eines Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens sprechen insbesondere (1) eine bloße Hilfstätigkeit durch das Gemeinschaftsunternehmen und (2) ein zu hoher Grad der tatsächlichen Abhängigkeit von der Muttergesellschaft. 448  Kommission, Entsch. v. 10.3.2011, COMP/M.6147 – Rosneft Oil Company/BP/ Ruhr Oel, Rn. 7; Entsch. v. 20.12.1999, COMP/M.1781 – Electrolux/Ericsson, Rn. 6. 449  Kommission, Entsch. v. 18.7.1997, Fall Nr. IV/M.953 – Thomson/Siemens/ ATM, Rn. 8; Entsch. v. 2.12.1995, Fall Nr. IV/M.527 – Thomson/Deutsche Aerospace AG, Rn. 10. 450  Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn.  94; Kommission, Entsch. v. 20.12.2007, COMP/M.4971 – MPC/Viga-Villacero/MAN/Coutinho & Ferrostaal (JV), Rn. 8; Rosenthal/Thomas, Rn. 74. 451  Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn.  103  ff.; Montag/ Kacholt, in: Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, 30. Erglfg. 2012, H. I. § 4, Rn. 31; Rosenthal/Thomas, Rn. 74. 452  Kommission, Entsch. v. 24.10.1997, Fall Nr. IV/M.994 – DuPont/Hitachi, Rn. 8; Entsch. v. 2.12.1995, Fall Nr. IV/M.527 – Thomson/Deutsche Aerospace AG, Rn. 10. 453  Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn. 103 m. w. N. Kommission, Entsch. v. 14.1.1992, Fall Nr. IV/M.152 – Volvo/Atlas, Rn. 8 (mindestens 5 Jahre); Entsch. v. 4.2.2003, COMP/M.2982 – Lazard/Intesa BCI/JV (mindestens 5 Jahre); Entsch. v. 27.11.1992, Fall Nr. IV/M.259 – British Airways/TAT, Rn. 10 (6,5 Jahre); Entsch. v. 30.4.2003, COMP/M.2903 – Daimler-Chrysler/Deutsche Telekom/JV, Rn. 12 (12 Jahre); Montag/Kacholt, in: Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, 30. Erglfg. 2012, H. I. § 4, Rn. 31; vgl. auch Wiedemann, in: Wiedemann, HdbKartellR, §  15, Rn.  69c ff. m. w. N.; Kersting, in: LMR, Art. 3 FKVO, Rn. 64 f. m. w. N. 454  Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn. 104.

212 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

(1) Bloße Hilfsfunktion Die Aktivität eines Gemeinschaftsunternehmens muss über eine spezifische Funktion für die Muttergesellschaften hinausgehen455. Ist das Gemeinschaftsunternehmen nur ein Hilfsinstrument für die wirtschaftliche Tätigkeit der Gründer, das keine von den Gründern unterscheidbaren Interessen verfolgt, stellt es kein Gemeinschaftsunternehmen dar456. Als Beispiele benennt die Kommission Gemeinschaftsunternehmen zur Forschung und Entwicklung, zur gemeinsamen Produktionstätigkeit und Verkaufsagenturen457. In diese Aufzählung werden sich auch die meisten Einkaufskooperationen einreihen458. (2) Grad der tatsächlichen Abhängigkeit von Muttergesellschaften Eine zu enge Verzahnung mit den Muttergesellschaften spricht gegen den Charakter als Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen459. Je größer die Abhängigkeit, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass ein Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen besteht460. Dazu zählt insbesondere „eine starke Präsenz der Muttergesellschaften in vorgelagerten oder nachgelagerten Märkten, die zu umfangreichen Käufen bzw. Verkäufen zwischen den Muttergesellschaften und dem Gemeinschaftsunternehmen führt“461. In diesen Konstellationen ist nicht zu erwarten, dass sich die Struktur der beteiligten Unternehmen dauerhaft ändert. Die FKVO soll ihrer Intention nach aber nur solche Unternehmen erfassen, deren Struktur sich dauerhaft verändert462. Dies entspricht dem Telos der Fusionskontrolle, denn die Privilegierung durch die FKVO gegenüber der Kartellkontrolle nach Art. 101 455  Konsolidierte

Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn. 95. Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn. 95; Montag/Kacholt, in: Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, 30. Erglfg. 2012, H. I. § 4, Rn. 27; Rating, in: v. der Groeben/Schwarze/Hatje, Nach Art. 101 AEUV – Fallgruppen, Rn. 301; vgl. die Nichtanwendungsentscheidung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a) der Kommission, Entsch. v. 13.4.1992, Fall Nr. IV/M.168 – Flachglas/Vegla, Rn. 13. 457  Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn. 95; Rosenthal/Thomas, Rn. 79. 458  Dazu sogleich unter c); vgl. BKartA, Beschl. v. 26.10.2012 – B9-32/12/12 – GM/PSA, Rn. 50: „Das Gemeinschaftsunternehmen übernimmt durch den gemein­ samen Einkauf im wesentlichen Hilfsfunktionen für die Mütter“. 459  Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn. 97. 460  Rosenthal/Thomas, Rn. 81. 461  Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn. 97; O. Christiansen, S. 206. 462  FKVO, Erwägungsgrund 20; vgl. auch Hirsbrunner/Rating, in: v. d. Groeben/ Schwarze/Hatje, VO (EG) 139/2004, Art. 3, Rn. 53. 456  Konsolidierte



E. Einkaufskooperationen u. Nachfragemacht außerhalb des Kartellverbots213

AEUV ist nur dann gerechtfertigt, wenn mit der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Strukturveränderungen einhergehen, welche Effizienzen erwarten lassen. Bei der Bewertung der Abhängigkeit zur Muttergesellschaft ist der Anteil der Verkäufe an Dritte ein wichtiger Bewertungsfaktor: wenn mehr als 50 % des Umsatzes auf Verkäufe an Dritte entfallen, geht die Kommission grundsätzlich von einem Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen aus463; aber auch ein geringerer Anteil kann genügen, wenn das Joint Venture mit den Muttergesellschaften zu normalen Marktbedingungen (at arm’s length) handelt464. Demgegenüber spricht ein eigenständiges Verhandeln und Kontrahieren des Gemeinschaftsunternehmens mit seinen Kunden für dessen Eigenständigkeit465. Eine nur anfängliche Abhängigkeit in den ersten drei Jahren ist hin­ gegen unschädlich466. c) Anwendung auf Einkaufskooperationen Bei Einkaufskooperationen ist es branchenüblich, dass diese allein zum gemeinsamen Einkauf gegründet werden, um Güter oder Dienstleistungen an ihre Gesellschafter zu gleichen Konditionen weiterzuverkaufen467. Auf der Absatzseite treten sie hingegen nur selten auf, übernehmen weder Vermarktung noch Weiterveräußerung der eingekauften Güter an Endkunden468. Diese Funktion wird weiterhin durch die Mitglieder der Kooperation vorgenommen. Insoweit erfüllt die Einkaufskooperation grundsätzlich nicht sämtliche Funktionen eines selbständigen Unternehmens469. Der Einkauf ist bloße Hilfsfunktion gegenüber den Gründerunternehmen. Die Einkaufskooperation ist daher in den überwiegenden Fällen kein Vollfunktionsgemeinschaftsunter463  Kommission, Entsch. v. 16.2.2004, COMP/M.3334 – Arcelor/ThyssenKrupp/ Steel24-7, Rn. 9; vgl. auch Entsch. v. 27.10.2010, COMP/M.5881 – ProSiebenSat.1/ RTL interactive/JV, Rn. 13 (zum Betrieb einer Internet-Plattform für Fernsehinhalte, der sich neben den Parteien voraussichtlich auch 30–40 % an Drittsendern beteiligt hätten); Rosenthal/Thomas, Rn. 83 Fn 213; vgl. auch BKartA, Beschl. v. 26.10.2012 – B9-32/12 – GM/PSA, Rn. 49; einschränkend Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 795. 464  Wiedemann, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 15, Rn. 65 m. w. N. 465  Kommission, Entsch. v. 20.12.1999, COMP/M.1781 – Electrolux/Ericsson, Rn. 6; Kersting, in: LMR, Art. 3 FKVO, Rn. 56. 466  Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, Rn. 97 m. w. N.; Kommission, Entsch. v. 30.3.2001, COMP/M.2334 – DMData/Kommunedata/e-Boks JV, Rn. 7; Kersting, in: LMR, Art. 3 FKVO, Rn. 59 m. w. N. 467  Frenz, Handbuch Europarecht, Band 2: Europäisches Kartellrecht, 2006, Rn. 1616; Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 795; s. o. § 1 A. II. 468  Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 795; s. o. § 1 A. II. 469  Mestmäcker/Schweitzer, § 12 Rn. 55; Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 795.

214 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

nehmen, sondern Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen470. Eine Zusammenschlusskontrolle anhand der FKVO erfolgt daher in der Regel nicht471. Allein wenn die Einkaufskooperation derart hochentwickelt ist, dass sie neben dem Einkauf auch selbständig auf den Angebotsmärkten tätig ist, den Kooperationsmitgliedern wie dritten Dienstleistungsunternehmen gegenübertritt und nach den obigen Abgrenzungskriterien auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt472, muss sie anhand der FKVO überprüft werden473. Beispielsweise wurden Einkaufsplattformen im Internet als Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen bewertet, da eigene Ressourcen (Räumlichkeiten und Personal) vorhanden waren und die Gründer wie Dritte (at arm’s length) behandelt wurden474. Ist die Abgrenzung trotz intensiver Prüfung unklar, so empfiehlt es sich – trotz Prüfungsdauer und -kosten –, im Zweifel aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung erheblicher Bußgelder wegen Vollzugs eines Zusammenschlusses ohne Anmeldung die Kooperation bei der zuständigen Wettbewerbsbehörde anzumelden. Hält die Kommission die Einkaufskooperation für nicht anmeldepflichtig, wird sie eine Nichtanwendbarkeitsentscheidung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a) FKVO erlassen. Entsprechendes gilt für die nationalen Wettbewerbsbehörden475. d) Zwischenergebnis zur Abgrenzung Ein nur dem gemeinsamen Einkauf dienendes Gemeinschaftsunternehmen ist typischerweise ein Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen auf das zumindest nach europäischem Recht nicht die Regelungen der FKVO, sondern allein Art. 101 AEUV Anwendung findet476. Die oben genannten Abgrenzungskriterien sind bei der Ausgestaltung der Einkaufskooperation zu beachten477.

470  Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 86; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 6; Fritzsche, S. 108; Welling, S. 75; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 2: Europäisches Kartellrecht, 2006, Rn. 1616. 471  Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 86; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 6; Welling, S. 75. 472  Vgl. Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 795. 473  Zu den Besonderheiten des deutschen Rechts s. u. § 3 F. II. 2. 474  Kommission, Entsch. v. 4.8.2000, COMP/M.1969 – UTC/Honeywell/i2/My Aircraft.com, Rn. 9. 475  Zu den Besonderheiten des deutschen Rechts s. u. § 3 F. II. 2. 476  Zur deutschen Rechtslage siehe sogleich unter § 3 F. II. 2. 477  Dazu unter § 4 E. I.



E. Einkaufskooperationen u. Nachfragemacht außerhalb des Kartellverbots215

2. Nachfragemacht in Fusionskontrollfällen Während, wie in Abschnitt § 3 B. II. gezeigt, die Anzahl der Gerichts- und Kommissionsentscheidungen zu Einkaufskooperationen und der aus ihnen resultierenden Nachfragemacht dünn gesät ist, gibt es aufgrund der Anmeldepflicht systembedingt mehr Fusionskontrollentscheidungen, aus denen sich Erkenntnisse zur kartellrechtlichen Berücksichtigung von Nachfragemacht gewinnen lassen. Darüber hinaus geben die Leitlinien zu horizontalen Zusammenschlüssen Hinweise zu den Merkmalen der Nachfragemacht. a) Die Leitlinien zu horizontalen Zusammenschlüssen In der Fusionskontrollverordnung ist die Nachfragemacht nicht ausdrücklich genannt. Sie kann sie aber als Ausprägung der Marktstellung nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) einordnen478. Die Leitlinien zur Beurteilung horizontaler Unternehmenszusammenschlüsse479 geben einen Überblick über die Kommissionspraxis zur Nachfragemacht und konkretisieren sie480: Bestehen glaubwürdiger Alternativen. Bestehen für den Nachfrager glaubwürdige Bezugsalternativen, auf die er im Falle einer Preiserhöhung durch die Anbieter ohne großen Aufwand ausweichen kann, so hat dieser eine hohe Nachfragemacht. Das ist insbesondere davon abhängig, ob andere Anbieter ausreichende Kapazitäten haben, um den Bedarf des Nachfragers zu decken481. Langfristig können die Nachfrager auch potentielle Wettbewerber zum Markteintritt bewegen482 oder aber selbst damit drohen, auf der Marktstufe des Herstellers tätig zu werden (sog. vertikale Integration)483. Für diese Drohpotentiale gilt, dass sie umso glaubwürdiger sind, je größer die von dem 478  Riesenkampff/Steinbarth,

in: LMR, Art. 2 FKVO, Rn. 110. zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (nachfolgend: Leitlinien horizontale Zusammenschlüsse), ABl. 2004 C 31/5. 480  Nach Schwalbe/Zimmer, S.  202 ff. 481  Kommission, Entsch. v. 25.11.1998, Sache IV/M.1225 – Enso/Stora, ABl. 1999 L 254/9, Rn. 84 ff.; Entsch. v. 17.12.2007, COMP/M.5046 – Friesland Foods/ Campina, Rn. 280; Schwalbe/Zimmer, S. 202; Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1083. 482  Leitlinien horizontale Zusammenschlüsse, Rn. 65; Kommission, Entsch. v. 19.7.2000, COMP/M.1882 – Pirelli/BICC, Rn. 76: „Außerdem haben die Versorgungsunternehmen aufgrund ihrer erheblichen Kaufkraft die Möglichkeit, andere Kabelanbieter durch strategische Zuteilung von Aufrägen anzuziehen […].“; vgl. Schwalbe/Zimmer, S.  202 f. 483  Leitlinien horizontale Zusammenschlüsse, Rn. 65; Kommission, Entsch. v. 23.1.2008, COMP/M.4781 – Norddeutsche Affinerie/Cumerio, Rn.  151  f.; vgl. Schwalbe/Zimmer, S. 202. 479  Leitlinien

216 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Nachfrager abgenommene Produktmenge und je größer die Finanzstärke der Abnehmer ist484. Eingeschränkt werden die Alternativen nach der Kommissionspraxis durch sog. must-stock-Produkte, d. h. durch solche Produkte, die von den Kunden der Nachfrager erwartet werden485. Anreiz zur Ausübung von Nachfragemacht. Ein Anreiz zur Ausübung von Nachfragemacht bestehe dann nicht, wenn die Nachfrager erhöhte Preise der Anbieter an ihre Kunden weitergeben könnten, ohne Kunden zu verlieren486. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Nachfrager auf ihren Absatzmärkten keinem großen Wettbewerb ausgesetzt sind. Struktur und Umfang der Nachfragemacht. Letztlich ist die Symmetrie zwischen Anbieter- und Nachfrageseite relevant487. Nachfragemacht sei dann nicht neutralisiert, wenn zwar große Anbieter in der Lage sind, dieser entgegenzutreten, kleine Anbieter hingegen nicht488. b) Ausgewählte Entscheidungen Die überwiegende Zahl an Kommissionsentscheidungen betrifft Zusammenschlüsse von Anbietern. In diesen wird regelmäßig – zumeist in gebotener Kürze – auf die Nachfragemacht der Konsumentenseite eingegangen, die dem Zusammenschluss als Gegenmacht entgegengehalten werden kann. Ist die Nachfragemacht der Gegenseite groß, neutralisiert dies die potentiell negativen Effekte des Zusammenschlusses. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Konsumenten jederzeit und ohne große Umstände die Anbieter wechseln oder mit einer vertikalen Integration drohen können489. Im Folgenden werden hingegen einzelne ausgewählte Entscheidungen analysiert, die Zusammenschlüsse von Nachfragern betreffen und die sich daher besonders gut eignen, um die dort getroffenen Ausführungen zur Nachfragemacht auf Einkaufskooperationen übertragen zu können. Der Schwerpunkt liegt dabei aufgrund seiner Relevanz für die Fallpraxis zu Einkaufskooperationen auf Entscheidungen zum Lebensmitteleinzelhandel. 484  Kommission, Entsch. v. 17.12.2007, COMP/M.5046 – Friesland Foods/Campina, Rn. 279; vgl. Schwalbe/Zimmer, S. 203. 485  Schwalbe/Zimmer, S.  203 m. w. N.; Clarke/Davies/Dobson/Waterson, S. 128. 486  Vgl. Schwalbe/Zimmer, S.  204 m. w. N. 487  Vgl. Schwalbe/Zimmer, S.  204 f. 488  Leitlinien horizontale Zusammenschlüsse, Rn.  67; vgl. Schwalbe/Zimmer, S. 205. 489  Kommission, Entsch. v. 25.11.1998, Sache IV/M.1225 – Enso/Stora, ABl. 1999 L 254/9, Rn. 84 ff.; Hirsbrunner/Hacker, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 2 VO (EG) 139/2004, Rn. 237 ff. m. w. N.



E. Einkaufskooperationen u. Nachfragemacht außerhalb des Kartellverbots217

aa) REWE/Meinl In der Kommissionsentscheidung REWE/Meinl, die den Zusammenschluss zweier Lebensmitteleinzelhändler in Österreich betraf, entschied die Kommission, dass REWE nur einen Teil des Filialnetzes von Meinl übernehmen durfte490. Denn sie befürchtete anderenfalls eine Verschließung des Beschaffungsmarktes auf lokalen Märkten491. Zur Beurteilung von Nachfragemacht trifft die Kommission besonders relevante Aussagen. Zunächst macht sie Ausführungen zur Marktabgrenzung auf der Anbieterseite. Dabei sind die Angebotsumstellungsflexibilität und ihre Absatzalternativen maßgeblich492. Zudem führt sie den Spiraleffekt an, d. h. die Wechselwirkungen zwischen Verkaufs- und Einkaufsmarkt, bei der günstigere Einkaufskonditionen zu vorteilhaften Bedingungen auf den Absatzmärkten führen, was wiederum zu günstigeren Konditionen im Einkauf führt, welche letztlich Wettbewerber aus den Markt drängen könnte493. Die Kommission benennt weiterhin Faktoren, die für die Nachfragemacht relevant sind. Dazu zählen die geringen Wechselmöglichkeiten der Hersteller. Der Lebensmitteleinzelhandel ist für die meisten Hersteller mit Abstand der bedeutsamste Vertriebsweg und ein Wechsel zu anderen Vertriebswegen extrem schwierig494. Must-stock-Produkte stünden der Nachfragemacht nicht entgegen und Handelsmarken würden von den Lebensmitteleinzelhändlern strategisch genutzt495. Das entspricht den im zweiten Kapitel dargestellten empirischen Erkenntnissen496. Besonders relevant sind die Ausführungen der Kommission zur Quantifizierung des Drohpunkts. Durch Befragungen der Hersteller bestimmt sie einen Umsatzanteil, ab dem ein Abnehmer für die Hersteller „nur unter schwersten wirtschaftlichen Verlusten oder überhaupt nicht mehr ersetzbar [ist]“497. Die490  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1. 491  Inderst, WuW 2008, 1261, 1261. 492  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 76. 493  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 72; vgl. Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 77; Ratliff, in: Ezrachi/ Bernitz, S. 283, 287 f. 494  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 96; vgl. Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 77. 495  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 104 ff. und 111 ff.; vgl. Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 77. 496  S. o. § 2 B. I. 2. 497  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 101.

218 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

ser Umsatzanteil des Nachfragers am Hersteller liege im Lebensmitteleinzelhandel im Durchschnitt bei 22 %498. bb) Kesko/Tuko In der Entscheidung Kesko/Tuko untersagte die Kommission den Zusammenschluss der zwei führenden finnischen Handelsketten unter anderem auch wegen ihrer zu starken Nachfragemacht499. Die Abhängigkeit der Anbieter gegenüber den Nachfragern Kesko und Tuko trat dabei offen zu Tage. Denn ihr Anteil machte bei den meisten Herstellern 50–75 % der gesamten Verkäufe der Hersteller in Finnland aus500. Das daraus resultierende gatekeeper-Problem wurde im zweiten Kapitel bereits näher beschrieben501. Zudem war der Markteintritt ausländischer Lebensmitteleinzelhändler in den finnischen Markt unwahrscheinlich502. Die Befürchtung lag darin, dass Kesko/ Tukos gemeinsame Nachfragemacht, insbesondere durch den Mangel an Regalfläche und den Erfolg von Handelsmarken503, zu derart niedrigen Preisen auf den Absatzmärkten führten, dass die dortigen Wettbewerber nicht mehr konkurrieren konnten bzw. ihnen jedweder Anreiz genommen und sie letztlich aus dem Markt gedrängt würden504. cc) Carrefour/Promodès In der Entscheidung Carrefour/Promodès505 erwähnte die Kommission Wettbewerbsverzerrungen durch Nachfragemacht aufgrund des Spiraleffekts und nahm Bezug auf den in REWE/Meinl beschriebenen Drohpunkt506. Auch 498  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 101; Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 82; vgl. Mischitz, S.  207 f.; BWB, Untersuchung des österreichischen Lebensmittelhandels, S. 10. 499  Kommission, Entsch. v. 20.11.1996, Fall Nr. IV/M.784 – Kesko/Tuko, ABl. 1997 L 110/53; vgl. Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 78. 500  Kommission, Entsch. v. 20.11.1996, Fall Nr. IV/M.784 – Kesko/Tuko, ABl. 1997 L 110/53, Rn. 150; vgl. Kokkoris/Shelanski, 11.99. 501  S. o. § 2 B. II. 1. b). 502  Kommission, Entsch. v. 20.11.1996, Fall Nr. IV/M.784 – Kesko/Tuko, ABl. 1997 L 110/53, Rn. 154–161; vgl. Kokkoris/Shelanski, 11.100. 503  Kommission, Entsch. v. 20.11.1996, Fall Nr. IV/M.784 – Kesko/Tuko, ABl. 1997 L 110/53, Rn. 133. 504  Kommission, Entsch. v. 20.11.1996, Fall Nr. IV/M.784 – Kesko/Tuko, ABl. 1997 L 110/53, Rn. 134. 505  Kommission, Entsch. v. 25.1.2000, COMP/M.1684 – Carrefour/Promodès; Mischitz, S.  206 f.; Kokkoris/Shelanski, 11.97. 506  Kommission, Entsch. v. 25.1.2000, COMP/M.1684 – Carrefour/Promodès, Rn. 52; Mischitz, S. 206; Kokkoris/Shelanski, 11.97.



E. Einkaufskooperationen u. Nachfragemacht außerhalb des Kartellverbots219

in Carrefour/Promodès hat die Kommission einen durchschnittlichen Umsatzanteil in Höhe von 22 % ermittelt, dessen Verlust zu einer ernsthaften Existenzgefährdung des Herstellers führen würde507. Ansonsten legte die Kommission den Schwerpunkt ihrer wettbewerbsrechtlichen Bedenken auf die absolute Größe der Fusion508. dd) Friesland Foods/Campina Die Entscheidung Friesland Foods/Campina betraf den Zusammenschluss der zwei größten Milchproduktekooperativen in den Niederlanden509. Die Kommission stellte fest, dass deren Marktmacht durch den Zusammenschluss ein solches Ausmaß annehmen würde, dass sie nicht durch eine etwaige Nachfragemacht der niederländischen Lebensmitteleinzelhändler begrenzt werden könne, was zur Folge habe, dass eine Erhöhung der Preise nach der Fusion nicht ausgeschlossen werden kann. Die Kommission trifft zahlreiche Aussagen zu Faktoren, die für die Verhandlungsmacht von Anbieter und Nachfragern relevant sind: (i) Insbesondere verfüge ein Großabnehmer zwar grundsätzlich über weitreichendere Verhandlungsmacht als kleinere Abnehmer. Die Größe bereitet ihm aber – zumindest auf dem im Fall relevanten konsolidierten Herstellermarkt für Frischmilch – entsprechend größere Schwierigkeiten, einen Lieferanten durch einen anderen zu ersetzen510; (ii) ferner wird Frischmilch als ein must-stockProdukt klassifiziert511; (iii) schließlich behandelt die Entscheidung auch die Türsteher (gatekeeper)-Problematik512. Anders als im oben geschilderten Fall Kesko/Tuko sah die Kommission bei keinem der niederländischen Lebensmitteleinzelhändler eine solche Monopolstellung oder Quasi-Monopolstellung in Bezug auf Frischmilch gegeben513.

507  Kommission, Entsch. v. 25.1.2000, COMP/M.1684 – Carrefour/Promodès, Rn. 52; Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 82; Mischitz, S.  207 f. 508  Kokkoris/Shelanski, 11.97. 509  Kommission, Entsch. v. 17.12.2007, COMP/M.5046 – Friesland Foods/Campina. 510  Kommission, Entsch. v. 17.12.2007, COMP/M.5046 – Friesland Foods/Campina, Rn. 280. Das entspricht der Darstellung zur Bedeutung der Größe eines Nachfragers unter § 2 B. II. 1. 511  Kommission, Entsch. v. 17.12.2007, COMP/M.5046 – Friesland Foods/Campina, Rn. 280. 512  S. o. § 2 B. II. 1. b). 513  Kommission, Entsch. v. 17.12.2007, COMP/M.5046 – Friesland Foods/Campina, Rn. 282.

220 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

ee) Promodès/Dirsa Als positives Gegenstück zu REWE/Meinl und Carrefour/Promodès ist die bereits 1990 zu Promodès/Dirsa ergangene Entscheidung der Kommission anzuführen, die eine Übernahme im spanischen Lebensmitteleinzelhandel betraf. Neben den geringen Marktanteilen auf den Verkaufsmärkten führte die Kommission als wesentliches Argument für eine Freistellung an, dass die gemeinsamen Umsätze der Parteien bei ihren wichtigsten Lieferanten nicht mehr als 15 % deren Gesamtumsatzes ausmachten514. ff) Coca-Cola Company/Carlsberg A/S Erwähnenswert ist schließlich die Entscheidung Coca-Cola Company/ Carlsberg A/S515. Hier betonte die Kommission die Bedeutung von Markenprodukten. Trotz nachfragemächtiger Supermarktketten führten diese nach Ansicht der Kommission nicht zu einer ausreichenden Gegenmacht der Käufer (countervailing buyer power), welche die Wirkung des Zusammenschlussvorhabens neutralisiert hätte. c) Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf Einkaufskooperationen Die Unterschiede zwischen Fusionskontrolle als Strukturkontrolle und einer Verhaltenskontrolle anhand des Kartellverbots sind in verfahrensrechtlicher wie auch in materieller Hinsicht groß516. Daher stellt sich die Frage, inwieweit die Ausführungen der Kommission zur Nachfragemacht in Fusionskontrollentscheidungen für die Bewertung von Einkaufskooperationen im Rahmen des Art. 101 AEUV direkt übertragen oder auf andere Art und Weise fruchtbar gemacht werden können. Teilweise wird dies mit dem Verweis verneint, dass bei der Fusionskontrolle die Marktbeherrschung im Vordergrund stehe und unterschiedliche Methoden der Nachfragemachtbestimmung angewendet würden517. Das greift zu weit. Verkürzt dürfte aufgrund der unterschiedlichen Untersagungsschwellen zwischen Fusionskontrolle und Verbotstatbestand gelten518: Wenn eine Fusion zu untersagen ist, gilt das erst recht für die Kooperation. 514  Kommission, Entsch. v. 17.12.1990, Fall Nr. IV/M.027 – Promodès/Dirsa; vgl. Vogel, ECLR 1998, 4, 10. 515  Kommission, Entsch. v. 15.5.1998, Fall Nr. IV/M.833 – The Coca-Cola Company/Carlberg A/S, ABl. 1998 L 145/41. 516  S. o. § 3 E. I. 1. sowie unten unter § 4 E. I. 517  Mischitz, S. 273, jedoch wiederum einschränkend für die Analyse des LEH. 518  Dazu mehr unter § 4 E. I.



E. Einkaufskooperationen u. Nachfragemacht außerhalb des Kartellverbots221

Andersherum lassen sich aus einer erlaubten Fusion aber noch keine Schlussfolgerungen für die Zulässigkeit der Kooperation ziehen, wie die Entscheidung zur geplanten Einkaufskooperation REWE/Wasgau deutlich macht519. Obwohl das BKartA Zweifel an der Zulässigkeit der Kooperation äußerte, wurde die Fusion freigegeben. Ferner ist fraglich, ob Ausführungen, die sich auf fusionierende Parteien beziehen, die sich schließlich zu einem einzelnen Nachfrager zusammenschließen werden, auf Einkaufskooperationen übertragen lassen. Denn zwischen einzelnen Nachfragern und Einkaufskooperationen besteht der Unterschied, dass Anbieter die Möglichkeit haben, die einzelnen Mitglieder zum Einkauf an der Einkaufskooperation vorbei zu bewegen. Dies wird allerdings nur selten der Fall sein, da die faktische Sogwirkung zu stark ist520. Denkbar wäre dies etwa bei unterschiedlichen Interessen der Mitglieder am Bezug von Produkten, wenn beispielsweise ein Mitglied auf bestimmte must-stockProdukte für seine Kunden angewiesen ist, ein anderes hingegen darauf verzichten kann. Die Ausführungen zur Nachfragemacht in den Fusionskontrollentscheidungen unterscheiden sich auch nicht wesentlich von den in der Rechtsprechung und Kommissionspraxis getroffenen Ausführungen zu Einkaufskooperationen. Zudem entsprechen sie weitgehend den im zweiten Kapitel skizzierten ökonomischen Grundlagen. All dies spricht für eine grundsätzliche Übertragbarkeit. d) Erkenntnisse aus den Fusionskontrollentscheidungen der Kommission Nachdem festgestellt wurde, dass sich die Aussagen der Kommission zur Nachfragemacht in Fusionskontrollfällen auf die Behandlung von Nachfragemacht im Rahmen der Bewertung von Einkaufskooperationen übertragen lässt, sind es insbesondere die folgenden Erkenntnisse, die festgehalten werden sollten: Die Fusionskontrollentscheidung Friesland Foods/Campina bestätigt zahlreiche der im zweiten Kapitel getroffenen Aussagen zum Verhandlungsmodell sowie zu weiteren ökonomischen Faktoren der Nachfragemacht, etwa der gatekeeper-Funktion. 519  Vgl. BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 13 f. Demgegenüber geht die britische Wettbewerbsbehörde (damals noch OFT) in seiner Short-form Opinion v. 27.4.2010, P&H/Makro Joint Purchasing Agreement, 6.9. noch weiter. Die OFT geht davon aus, dass wenn keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken von einem Zusammenschluss ausgehen können, dann erst Recht nicht von einer Kooperation. Schließlich müssten sich Kooperationen erst noch koordinieren. 520  S. o. § 3 B. II. 2. c) bb).

222 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Die wichtigste Lehre aus der fusionskontrollrechtlichen Fallpraxis dürfte indes in der Bestimmung des relativen Umsatzanteils liegen, der Nachfragemacht vermuten lässt. Die Kommission hat in den Fusionskontrollverfahren REWE/Meinl und Carrefour/Promodès den Drohpunkt als den maximalen Umsatzanteil definiert, den ein Hersteller verlieren kann, ohne in Insolvenzgefahr zu rücken521. Dieser Umsatzanteil liegt im Lebensmitteleinzelhandel zwischen 20 % und 22 %522. Einen darüber hinausgehenden Umsatzverlust könne der Hersteller nicht verkraften523. Ein solcher Umsatzanteil kann bei Lieferbeziehungen von Einkaufskooperationen etwa zu kleinen regionalen Herstellern, die sich weitgehend auf die Herstellung weniger Produkte spezialisiert haben, schnell der Fall sein. Diese Erkenntnisse und Aussagen in Fusionskontrollverfahren dürften sich auch auf die kartellrechtliche Kontrolle im Rahmen von Art. 101 AEUV übertragen lassen.

II. Die Einkaufskooperation und der Missbrauchstatbestand gem. Art. 102 AEUV 1. Anwendungsbereich des Art. 102 AEUV und Verhältnis zu Art. 101 AEUV Die praktische Relevanz des Art. 102 AEUV ist bei Einkaufskooperationen gering, setzt sie doch eine marktbeherrschende Stellung der Kooperation voraus, die wiederum einen beträchtlichen Marktanteil erfordert. Zulässige Einkaufskooperationen dürften sich aber regelmäßig unter diesen Schwellen 521  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 101; Kommission, Entsch. v. 25.1.2000, COMP/M.1684 – Carrefour/Promodès, Rn. 52; OFT, Short-form Opinion v. 27.4.2010 – P&H/Makro Joint Purchasing Agreement, Parties’ Statements of Facts, 2.10; Overd, ECLR 2001, 249; vgl. Mischitz, S.  206 ff.; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 16; Lowe, Präsentation, Folie 4. 522  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 101; Kommission, Entsch. v. 25.1.2000, COMP/M.1684 – Carrefour/Promodès, Rn. 52; in Kommission, Entsch. v. 23.6.2008 – Fall COMP/M.5047, Rn.  93 f.  – REWE/ADEG ging die Kommssion von einem Marktanteil von 22 % aus; vgl. dazu Thomas, ZWeR 2015, 210, 216 Fn. 40. Die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat in ihrer Untersuchung des österreichischen Lebensmittelhandels basierend auf Befragungen von Lieferanten ermittelt „dass nur ein Umsatzverlust von jedenfalls unter 10 % ohne Probleme ausgeglichen werden kann. Bei einem Verlust von 10–20 % ergeben sich wirtschaftliche Nachteile“, vgl. BWB, Untersuchung des österreichischen Lebensmittelhandels, S. 10. 523  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 101; vgl. Mischitz, S. 206 ff.; kritisch dazu Overd, ECLR 2001, 249, 250.



E. Einkaufskooperationen u. Nachfragemacht außerhalb des Kartellverbots223

und eher im Bereich um den safe harbour i. H. v. 15 % bewegen, wobei sie regelmäßig im Wettbewerb mit größeren Konkurrenten stehen sollten. Mangels marktbeherrschender Stellung findet Art. 102 AEUV dann schon gar keine Anwendung524. Insofern sind die folgenden Ausführungen eher theoretischer Natur. Sie können aber nach deutschem Recht für Einkaufskooperationen relevant sein, wenn die Missbrauchstatbestände bereits an eine relativ marktbeherrschende Stellung i. S. d. § 20 GWB anknüpfen525. Sollten Art. 102 AEUV oder die §§ 18 ff. GWB doch einmal anwendbar sein, so stellt sich die Frage, ob Vertikal-GVO oder Horizontalleitlinien und insbesondere Art. 101 Abs. 3 AEUV noch angewendet werden dürfen, wenn in der Vereinbarung zugleich ein Verstoß gegen den Missbrauchstatbestand liegt526. Dies ist mit der Rechtsprechung zu bejahen, denn es besteht Idealkonkurrenz zwischen den Vorschriften527. Beide streben „auf verschiedenen Ebenen […] das gleiche Ziel der Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt an“528. Dieses Ziel sollte umfassend geschützt werden. Jedwede Beschränkung des Art. 101 AEUV unter Hinweis auf nachträgliche oder parallele Möglichkeiten zur Korrektur einzelner Vereinbarun524  Jötten, S. 109 ff. will demgegenüber auch im Rahmen des Art. 102 AEUV eine relative Marktmacht genügen lassen. Diese bestehe in Orientierung an der Kommissionspraxis im Fusionskontrollfall REWE/Meinl ab einem Marktanteil von 22 %. Selbst wenn man Parallelen zwischen Fusionsfällen und Missbrauchstatbeständen zur Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung ziehen will, widerspricht eine solche Einschätzung bereits Erwägungsgrund 32 der FKVO. Dieser stellt klar, dass ein Marktanteil, der 25 % nicht überschreitet, ungeeignet ist, eine marktbeherrschende Stellung zu begründen (vgl. de Bronett, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 22 Rn. 23). Darüber hinaus vermengt Jötten hier den Marktanteil und den von der Kommission in REWE/Meinl betrachteten Umsatzanteil des Nachfragers am jeweiligen Lieferanten i. H. v. 22 % (siehe dazu § 3 E. I. 2. b) aa)). 525  Diese Missbrauchstatbestände knüpfen nicht an eine absolute Marktmacht des Unternehmens (insbesondere i. S. d. 40 %-Marktanteilsvermutung gem. § 18 Abs. 4 GWB), sondern an das unterschiedliche Kräfteverhältnis zwischen den Parteien an. Die relative Marktmacht wird in § 20 Abs. 1 GWB definiert als Abhängigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen „als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise […], dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen“. Ausführlich zum Missbrauch relativer Nachfragemacht siehe Weidt. 526  Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 102 AEUV, Rn. 3 m. w. N. 527  EuGH, Urt. v. 21.2.1973, Rs. 6/72 – Continental Can, Slg. 1973, 215, Rn. 25; EuG, Urt. v. 10.7.1990, Rs. T-51/89 – Tetra Pak I, Slg. 1990, II-309, Rn. 25; vgl. Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 102 AEUV, Rn. 3; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art.  102 AEUV, Rn.  26 m. w. N.; de Bronett, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 22 Rn. 136. 528  EuGH, Urt. v. 21.2.1973, Rs. 6/72 – Continental Can, Slg. 1973, 215, Rn. 25; vgl. Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 102 AEUV, Rn. 22; Kling/Thomas, § 6, Rn. 2.

224 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

gen, sobald sie sich als missbräuchliche Maßnahmen auswirken, ist eine Absage zu erteilen529. 2. Theoretische Fallkonstellationen missbräuchlichen Verhaltens a) Verhältnis Einkaufskooperation und Kooperationsmitglieder Im Verhältnis der Einkaufskooperation zu ihren Mitgliedern sind missbräuchliche Verhaltensweisen eher selten anzutreffen. Denkbar wäre etwa der Fall, dass ein Mitglied der Einkaufskooperation grundlos aus dieser ausgeschlossen wird530. Dieser Fall dürfte aber eine seltene Ausnahme bilden. Schließlich ist Einkaufskooperationen grundsätzlich daran gelegen, möglichst viele Mitglieder anzuziehen, um ihre Verhandlungsstärke zu erhöhen. Jedenfalls dürfte ein Ausschluss kaum grundlos erfolgen, sondern wird seinen Ursprung zumeist in Meinungsdifferenzen bezüglich der strategischen Ausrichtung der Kooperation haben. In diesen Fällen kann es sinnvoll sein, wenn einzelne Mitglieder mit diametralen – nicht mehrheitsfähigen – Zielen ausgeschlossen werden. Darin kann dann kein Missbrauch liegen. Darüber hinaus können missbräuchliche Tatbestände auch bei asymmetrisch ausgestalteten Einkaufskooperationen erfüllt sein, in denen der dominierende Kopf bessere Konditionen erhält als die kleineren Mitglieder531. Allerdings kann auch in diesen Konstellationen nicht jede Differenzierung zwischen den Mitgliedern als diskriminierend bewertet werden. Vielmehr gilt es zu berücksichtigen, dass eine derartige Aufteilung zugunsten des dominierenden Kopfes auch gerechtfertigt sein kann, schließlich ist er für den Großteil der bestehenden Nachfragemacht verantwortlich, von dem der kleinere Kooperationspartner profitiert532.

529  Entsprechendes gilt für die umgekehrte Forderung, Art. 102 AEUV einschränken zu wollen, wenn sich dessen Anwendungsbereich mit Art. 101 AEUV überschneidet (etwa bei Rabatt- oder Alleinbezugsvereinbarungen), vgl. dazu kritisch Wurmnest, S.  73 f. 530  So ein Fall aus der US-Rechtsprechung, Northwest Wholesale Stationers v. Pacific Stationery & Printing Co., 472 U.S. 284 (1985), vgl. Hovenkamp, S. 138. 531  S.u. § 4 D. II. 9. 532  Insofern kann neben einer rein an Umsätzen orientierten Aufteilung der Kooperationsgewinne auch an eine ökonomisch fairere Aufteilung nach dem ShapleyWert gedacht werden, sofern diese Berechnung nicht auf zu große praktische Schwierigkeiten stößt; vgl. dazu einführend (in Bezug auf die Aufteilung von Kartellschadensersatzansprüchen) Oldehaver/Napel, NZKart 2015, 135.



E. Einkaufskooperationen u. Nachfragemacht außerhalb des Kartellverbots225

b) Missbräuchliches Verhalten gegenüber Nichtmitgliedern der Einkaufskooperation Unter der Prämisse, dass die Einkaufskooperation überhaupt eine marktbeherrschende Stellung innehat, können auch gegenüber Nichtmitgliedern Missbrauchstatbestände bestehen. Als problematisch erweist sich dabei etwa eine Satzungsvereinbarung, die lediglich ausgewählten Mitgliedern den Zutritt zur Einkaufskooperation erlaubt. Allerdings kann eine geschlossene Ausgestaltung mitunter notwendig sein, um eine Einkaufskooperation mit zahlreichen entgegengesetzten Zielvorstellungen koordinieren zu können. Geradezu notwendig sind eine Kontrolle und gegebenenfalls eine Beschränkung der Mitgliedschaft aber mit Blick darauf, dass die Einkaufskooperation mit zunehmender Anzahl der Mitglieder über die kartellrechtlich noch unbedenklichen Marktanteile hinaus wächst. Entsprechend der zum diskriminierungsfreien Zugang entwickelten Rechtsprechung sollte auf eine Ausgestaltung anhand objektiver Kriterien geachtet werden. c) Vereinbarungen zwischen der Einkaufskooperation und Lieferanten Sollte wie dargestellt eine marktbeherrschende Stellung einer Einkaufskooperation vorliegen, so unterscheidet sich der Missbrauch der Nachfragemacht zwischen Einkaufskooperationen und ihren Lieferanten nicht von dem einzelner marktbeherrschender Unternehmen. Dies liegt darin begründet, dass die einzelnen Mitglieder den Lieferanten als eine „kollektive Einheit“ gegenübertreten533. Insofern wird auf die einschlägige Rechtsprechung und Literatur zum Thema verwiesen534. Im Ergebnis kann die Missbrauchskontrolle, die Bewertung von Einkaufskooperationen anhand des Kartellverbots nicht anleiten.

III. Verhältnis zum Lauterkeitsrecht Die oben in Unterabschnitt II. 1. getroffenen Ausführungen gelten entsprechend für die Frage, ob nicht das Recht des unlauteren Wettbewerbs (in Deutschland etwa durch das UWG geregelt) besser geeignet ist, um anstelle 533  Vgl. zu dieser Voraussetzung EuGH, Urt. v. 16.3.2000, Rs. C-395/96 P – Compagnie maritime belge Transports u. a., Slg. 2000, I-1365, Rn. 39; de Bronett, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 22 Rn. 137. 534  Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.11.2015, VI-Kart 6/14 (V) – Hochzeits­ rabatte; Wecker, S. 175; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 42 ff.

226 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

des Art. 101 AEUV dem Phänomen der Nachfragemacht zu begegnen535. Die Antwort muss auch hier lauten, dass Kartell- und Lauterkeitsrecht parallel nebeneinander Anwendung finden. Neben dem Kartellrecht kann der Missbrauch von Nachfragemacht auch über das Lauterkeitsrecht (nach § 4 Nr. 1 und Nr. 10 UWG) bekämpft werden. Das Lauterkeitsrecht hat aber nur sekundäre Bedeutung, da die Wertungen des Kartellrechts mit berücksichtigt werden müssen536.

F. Exkurs: Besonderheiten der kartellrechtlichen ­Bewertung von Einkaufskooperationen nach deutschem Recht Das Schwergewicht der Arbeit liegt auf dem europäischen Kartellrecht. Dies ist den folgenden Umständen geschuldet: Zum einen müssen auch die deutschen Wettbewerbsbehörden Art. 101 Abs. 1 AEUV prüfen und dieser hat, sofern sein Anwendungsbereich eröffnet ist537, gegenüber den §§ 1 ff. GWB Vorrang. Zum anderen bestehen mit der Angleichung des GWB an das europäische Kartellrecht seit der 7. GWB-Novelle kaum noch Abweichungen zwischen beiden Rechtsordnungen538. Diese weitreichende Harmonisierung der Kartellrechtssysteme539 führt dazu, dass die Bewertung von Einkaufskooperationen nach deutschem Recht weitgehend dem hier dargestellten europäischem Recht entspricht. Detaillierte Ausführungen zur deutschen Rechtslage sind insoweit entbehrlich. Vielmehr kann sich, nachdem der Anwendungsbereich des deutschen Kartellrechts abgesteckt wurde (I.), die Behandlung der deutschen Rechtslage auf Ausführungen zu den wenigen Besonderheiten und Unterschieden zur europäischen Rechtslage beschränken (II.). Sie betreffen insbesondere den divergierenden Unternehmensbegriff, der nach deutschem Verständnis traditionell auch Einkaufskooperationen des Staates erfasste, sowie § 3 GWB, einer spezifischen Regelung zum Schutz des Mittelstandskartells.

535  Vgl. schon Köhler, S. 19 ff. (zur Bekämpfung des Anzapfens ist § 1 UWG einsetzbar). 536  Vgl. GK-UWG/Peifer, § 4 Nr. 10 Rn. 40; Markenverband, Anzapfverbot. 537  S. o. § 3 B. I. 1. und sogleich unter § 3 F. I. 538  Vgl. RegE 7. GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, S. 1 und 21  f.; Säcker/ Mohr, WRP 2011, 793, 794; Ruppelt, S. 112 mit der unglücklich gewählten Bezeichnung „Gleichschaltung“ des Kartellverbots. 539  S. o. § 3 A. I.



F. Exkurs: Deutsche Rechtslage227

I. Anwendungsbereich des deutschen Kartellrechts: Die Zwischenstaatlichkeitsklausel Einen eigenständigen Anwendungsbereich hat das deutsche Kartellrecht immer dann, wenn das europäische Kartellrecht nicht eingreift. Dessen Anwendungsvorrang ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 S. 1 VO Nr. 1/2003. Die Grenzziehung erfolgt durch die Zwischenstaatlichkeitsklausel des Art. 101 Abs. 1 AEUV. Demnach sind vom europäischen Kartellrecht nur Vereinbarungen erfasst „welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind“. Ihre Voraussetzungen werden durch die Rechtsprechung der Unionsgerichte540 und die Leitlinien der Kommission zum zwischenstaatlichen Handel (Zwischenstaatlichkeitsleitlinien) konkretisiert wie oben bereits näher erläutert wurde541. Darauf sei an dieser Stelle verwiesen und nur ergänzend erwähnt, dass sich ein Sachverhalt nicht zwangsläufig über die Grenzen Deutschlands hinaus bewegen muss, um den Zwischenstaatlichkeitscharakter bejahen zu können, sondern bereits eine Eignung dazu genügt542. Ab einer bestimmten Größe der Kooperation wird eine Auswirkung auch auf andere Staaten vermutet. Bei einer Beschaffung von Produkten im Ausland ist jedenfalls von einer Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels auszugehen. Bei einer bloß regionalen Tätigkeit ist die Zwischenstaatlichkeit hingegen zu verneinen543. Der deutsche Gesetzgeber geht grundsätzlich davon aus, dass Einkaufskooperationen nach deutschem und europäischem Recht zu prüfen sind wie er in der Regierungsbegründung zur 7. GWB-Novelle betont544.

540  Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 13.7.1966, verb. Rs. 56/64 und 58/64 – Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322, 389 f.; EuGH, Urt. v. 30.6.1966, Rs. 56/65 – LTM/Maschinenbau Ulm, Slg. 1966, 282, 303. 541  S. o. § 3 B. I. 1. 542  S. o. § 3 B. I. 1. m. w. N.; EuGH, Urt. v. 18.7.2013, C-136/12 – Consiglio nazionae dei geologi u. a., ECLI:EU:C:2013:489; Lettl, WRP 649, 650; WimmerLeonhardt, WuW 2006, 486, 487. 543  Vgl. BKartA, Merkblatt des Bundeskartellamtes über Kooperationsmöglichkeiten für kleinere und mittlere Unternehmen, März 2007, Rn. 20. 544  RegE 7. GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, S. 26 f.: „In aller Regel haben Einkaufskooperationen spürbare Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten. Denn vielfach sind Einkaufskooperationen über größere regionale Räume tätig und schon deshalb grenzüberschreitend [i. S. d. Art. 101 AEUV]. Selbst wo dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, stehen sie im Wettbewerb zu zwischenstaatlich relevanten Marktteilnehmern. Außerdem sind häufig auch ausländische Produkte bzw. Lieferanten betroffen.“; zustimmend BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 39; vgl. Mattfeld, in: Münch. Hdb. GsR, Bd. I, § 33, Rn. 37.

228 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

II. Besonderheiten der deutschen Rechtslage Hat die Einkaufskooperation rein nationale Auswirkungen, gelten die folgenden Besonderheiten deutscher Gesetze, Rechtsprechung und der Praxis des BKartA: (1.) ein divergierender Unternehmensbegriff, (2.) die Doppelkontrolle von Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen, (3.) ein traditionelleres Verständnis der Wettbewerbsbeschränkung sowie (4.) die Sonderregelung für Mittelstandskartelle (§ 3 GWB). 1. Der deutsche Unternehmensbegriff – Einkauf durch den Staat Große Unterschiede zwischen deutschem und europäischem Recht ergeben sich in der Behandlung von Einkaufskooperationen des Staates545. Die Unionsgerichte gehen davon aus, dass die reine Beschaffungstätigkeit keine wirtschaftliche Tätigkeit ist, soweit ihr keine anbietende Tätigkeit gegenübersteht546. Damit erfüllen Einkaufskooperationen des Staates, die den Einkauf allein aus sozialen Zwecken heraus tätigen, nicht den Unternehmensbegriff547. Dem deutschen Wettbewerbsrecht liegt hingegen der funktionale Unternehmensbegriff zugrunde, der jegliche wirtschaftliche Tätigkeit umfasst, egal von wem sie ausgeht548. Wie § 185 GWB (= § 130 GWB a. F.) deutlich macht, werden davon auch Unternehmen der öffentlichen Hand erfasst und entsprechend auch Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand. Klassische Beispiele sind Gemeinden, die durch gemeinsamen Einkauf etwa von Feuerlöschzügen549 oder Polizeidienstkleidung550 sparen möchten. Für 545  Roth, in: FS Bechtold, S. 393 ff.; ders., in: FS Loewenheim, S. 545; Basedow, in: Blaurock, S. 59 ff.; Holzinger; Ahner; Grüniger; Baudisch, ELR 2007, 20; Klees, EWS 2010, 1; Wissel, in: FS Doepner, S. 99 ff;. Jansen/Johannsen, PharmR 2010, 576; Haas, S.  109 ff.; T. Müller, S.  385 ff.; C. Weiß, S.  135 ff.; Weidt, S.  127 ff. m. w. N.; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB, Rn. 27 m. w. N.; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 106; Raeder, S. 25–51. 546  Vgl. zum europäischen Unternehmensbegriff oben § 3 B. I. 2.; vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.2006, Rs. C 205/03P – FENIN, Slg. 2006, I-6295, Rn. 25 f; EuGH, Urt. v. 16.3.2004 – AOK Bundesverband, Slg. 2004, I-2493, Rn. 45 ff.; EuG, Urt. v. 4.3.2003, Rs. T-319/99 – FENIN, Slg. 2003, II-357 Rn. 39 ff; vgl. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB, Rn. 27 und 234. 547  S. o. § 3 B. I. 2.; vgl. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB, Rn. 27 und 234. 548  Nordemann, in: LMR, § 1 GWB, Rn. 27. 549  BGH, Urt. v. 12.11.2002, BGHZ 152, 347 = WuW/E DE-R 1087, 1089 – Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge; OLG Düsseldorf v. 12.5.1998 WuW/E DE-R 150 – Löschfahrzeuge. 550  BKartA, Tätigkeitsbericht 2003/2004, BT-Drucks. 15/5790 – Polizeidienstkleidung; vgl. Nordemann, in: LMR, § 2 GWB, Rn. 89.



F. Exkurs: Deutsche Rechtslage229

die Praxis bedeutsamste staatliche Kooperationen sind solche der öffentlichrechtlichen Krankenkassen. Nach der Rechtsprechung des BGH war bisher allein maßgeblich, dass sich die öffentliche Hand wirtschaftlich betätigen, was durch die Nachfrage nach Produkten am Markt der Fall ist. Ob die nachgefragten Produkte in unmittelbarem Zusammenhang mit einer hoheitlichen Tätigkeit stehen oder die öffentliche Hand selbst Endverbraucher ist, spielte dabei keine Rolle551. Fraglich ist, ob der BGH diese Linie auch nach der klaren Entscheidung des EuGH zur Auslegung des Unternehmensbegriffs des Art. 101 AEUV in FENIN im Jahr 2006552 noch weiterverfolgen wird. Bisher hat er die Frage ausdrücklich offengelassen, da entweder eine wirtschaftliche Angebotstätigkeit bejaht werden konnte553 oder es aus anderen Gründen nicht darauf ankam554. Demgegenüber wird spekuliert, ob der EuGH seine FENIN-Doktrin555 modifizieren wird, da er Krankenversicherungen in einem späteren Urteil jedenfalls als Gewerbetreibende i. S. d. UGP-Richtlinie556 angesehen hat557. Das würde allerdings einen einheitlichen Unternehmensbegriff im Kartellund Lauterkeitsrecht voraussetzen. Ein solcher wird aber vom EuGH und BGH nicht anerkannt558. Insoweit besteht weiterhin Unklarheit. Die Literatur 551  BGH, Urt. v. 12.11.2002, BGHZ 152, 347 = WuW/E DE-R 1087, 1089 – Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.5.1998 WuW/E DE-R 150 – Löschfahrzeuge. 552  S. o. § 3 B. I. 2.; EuGH, Urt. v. 11.7.2006, Rs. C 205/03P – FENIN, Slg. 2006, I-6295. 553  BGH, Beschl. v. 14.8.2008, KVR 54/07, WuW/E DE-R 2408, 2412 – Lottoblock, Rn. 25; BGH, Beschl. v. 16.1.2008, BGHZ 175, 333 = WuW/E DE-R 2327, 2329 – Kreiskrankenhaus Bad Neustadt, Rn. 21; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.10.2016, VI-U (Kart) 2/16, WuW 2016, 598; Rn. 54; vgl. auch BKartA, Beschl. v. 9.7.2015, B1-72/12, WuW 2016, 44 – Rundholzvermarktung; vgl. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB, Rn. 28. 554  Vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.2007, KVR 23/98, WuW 2008, 189 – Tariftreu­ erklärung III, Rn. 12 – dort konnte die Frage im Rahmen einer summarischen Prüfung einer für erledigt erklärten Rechtssache offengelassen werden; vgl. auch BGH, Urt. v. 6.11.2013, KZR 58/11 – VBL-Gegenwert, Rn. 52; vgl. Zimmer, in: Immenga/ Mestmäcker, § 1 GWB, Rn. 28; Nordemann, in: LMR, § 1 GWB, Rn. 26; Wiedemann, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 4 Rn. 9. 555  Löwisch/Rieble, in: Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, § 4 TVG, Rn. 433. 556  Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken, ABl. 2005 L 149, 22. 557  EuGH, Urt. v. 3.10.2013, C-59/12 – BKK Mobil Oil/Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, ECLI:EU:C:2013:634; U. Becker/Schweitzer, NJW 2014, 269, 270; Löwisch/Rieble, in: Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, § 4 TVG, Rn. 433. 558  Vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2017, KZR 63/14, WuW 2017, 289, 290, Rn. 11 (zu § 132a SGB V), das die entsprechende Argumentation des OLG Dresden, Urt. v. 26.11.2014, U 6/14 Kart darstellt; der EuGH entschied in EuGH, Urt. v. 3.10.2013, C-59/12 – BKK Mobil Oil/Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, ECLI:EU:C:2013:634 in Abweichung zur AOK-Entscheidung ohne aber auf eine

230 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

ist vollends gespalten559. Teilweise wird trotz des Gleichlaufs zwischen deutschem und europäischem Kartellrecht weiterhin vom alten Verständnis des Unternehmensbegriffs ausgegangen, auch wenn dieser dem europäischen diametral widerspricht560. Begründet wird dies damit, dass der Begriff des Unternehmens ein eigenständiger sei. Es sei Sache des deutschen Gesetzgebers, den Begriff eigenständig zu interpretieren. Dabei dürfe er von der europäischen Auslegung abweichen. § 22 Abs. 2 GWB und Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1/2003, die bei grenzüberschreitenden Sachverhalten einen Anwendungsvorrang des europäischen Kartellrechts statuieren, vermögen in dieser Konstellation nicht zu greifen. Denn die Regelung bestimme den Vorrang des europäischen Rechts nur in Konstellationen, in denen das Tatbestandsmerkmal „Vereinbarung zwischen Unternehmen“ bereits erfüllt ist561. Dem wird entgegengesetzt, dass der Zweck des Art. 3 VO Nr. 1/2003 darin zu sehen ist, einen umfassenden Gleichlauf zwischen europäischen und nationalen Regelungen zu gewährleisten562. Abweichende nationale Auslegungen sind ausdrücklich nur im Rahmen der Missbrauchskontrolle, nicht aber im Rahmen des Kartellverbots erwünscht563. Dieser Zweck sollte nicht durch eine rein formalistische Interpretation des Begriffs Unternehmen umgangen werden564. Auch die Regelung des § 69 Abs. 2 SGB V, der die Geltung der nationalen Kartellrechtsregelungen für Krankenkassen explizit anordnet, zeige, dass der Gesetzgeber von der Geltung des europäischen Unternehmensbegriffs ausgehe565. Dem wird wiederum eine unterschiedliche Zielsetzung des europäischen und deutschen Kartellrechts entgegengehalten. Für eine eigenständige Auslegung des Unternehmensbegriffs bestehe immer dann Raum, wenn sich die Auslegung des EuGH allein auf Regelungszwecke stützt, die dem deutGleichstellung der Unternehmensbegriffe durch GA Bot einzugehen, vgl. GA Bot, Schlussanträge vom 4.7.2013, C-59/12, Rn. 32 – BKK Mobil Oil; kritisch dazu Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 95 („UWG als kleine Schwester des GWB“). 559  Vgl. nur aus der neuesten Kommentarliteratur jeweils mit weiteren Nachweisen: dafür Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB, Rn. 18 f.; Nordemann, in: LMR, § 1 GWB, Rn. 26; dagegen Bechtold/Bosch, § 1 GWB, Rn. 8 ff.; FK-Roth/ Ackermann, § 1 GWB, Rn. 56 ff. 560  Jaeger, ZWeR 2005, 31 ff.; Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 446; vgl. darstellend Raeder, S.  31 m. w. N. 561  Scheffler, EuZW 2006, 601, 602, Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 799; Ruppelt, S. 119. 562  Säcker, in: MünchKomm, § 130 GWB, Rn. 3 (entspricht § 185 n. F. zur Fassung vor Änderung durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz zum 18.4.2016). 563  Säcker, in: MünchKomm, § 130 GWB, Rn. 4; Glöckner, Rn. 871. 564  Säcker, in: MünchKomm, § 130 GWB, Rn. 3; Keßler, WRP 2014, 765, 769. 565  BKartA, Tätigkeitsbericht 2003/2004, BT-Drucks. 16/13500, S. 8; vgl. FKRoth/Ackermann, § 1 GWB, Rn. 54 und 60 mit Verweis auf den Bericht des Gesundheitsausschusses, BT-Drucks. 4247, 35.



F. Exkurs: Deutsche Rechtslage231

schen §  1 GWB fremd sind (beispielsweise auf den Zweck der Marktintegration)566. Das sei bei der FENIN-Rechtsprechung der Fall – sie fuße auf der Intention, den Mitgliedstaaten weitreichende Freiräume bei der Gestaltung ihrer Sozialversicherungssysteme einzuräumen567. Bewertung. Ideal und wünschenswert wäre es, wenn die Unionsgerichte selbst ihre bisherige Rechtsprechung zum Unternehmensbegriff korrigieren568 und die Pfadabhängigkeit569 nicht noch weiter vertiefen würden. Denn sie basiert allein auf sozialpolitischen Erwägungen. Diese können zwar zweifelsohne mit dem Wettbewerbsrecht in Konflikt stehen. Ein solcher Konflikt sollte aber nicht durch eine restriktive Auslegung allgemeiner und elementarer Begriffe des Wettbewerbsrechts gelöst werden, die den Anwendungsbereich für künftige Fälle unangemessen beschränkt. Stattdessen sollte auf Mittel zurückgegriffen werden, die sich besser dazu eignen, einen Ausgleich der Zielkonflikte herbeizuführen, etwa einzelne, konkrete und durch den Gesetzgeber legitimierte Bereichsausnahmen für den Sozialbereich570. Ein derartiges Eingeständnis der Unionsgerichte ist jedoch eher unwahrscheinlich, der „Pfad“ durch die Judikate FENIN und SELEX schon zu stark ausgetreten. So bleibt es dem BGH überlassen, die Frage abschließend zu klären, nachdem dies dem Gesetzgeber im Zuge der 8. GWB-Novelle nicht gelungen ist571. Der sieht sich dem Dilemma ausgesetzt, dass – so wünschenswert eine Korrektur der Linie des EuGH auch ist – ein Widerspruch zum europäischen Recht strikt vermieden werden sollte. Das gilt aus Gründen des Schutzes eines einheitlichen Binnenmarktes wie auch eines levelplaying-fields zwischen staatlichen Nachfragern aus Deutschland und denen aus anderen Mitgliedstaaten. Zudem würde eine derartige Differenzierung zu dem widersinnigen und ungerechtfertigten Ergebnis führen, dass für kleine und regionale staatliche Nachfrager, die als solche die Schwelle der Zwischenstaatlichkeit nicht überschreiten (etwa einzelne Gemeinden), die strengen Regelungen des deutschen Kartellrechts gelten würden, während sie für größere nationale und europaweit tätige Nachfrager (etwa dem Bund), nicht gelten würden.

566  Nordemann,

in: LMR, § 1 GWB, Rn. 26. in: LMR, § 1 GWB, Rn. 26. 568  So auch die Hoffnung von Schröter, in: FS Baudenbacher, S. 593, 613. 569  Vgl. zum Begriff der Pfadabhängigkeit durch Rechtsprechung Schmidtchen, WuW 2006, 6, 6 sowie einführend zur Pfadabhängigkeit Hoffmann-Riem, S.  213 ff. 570  S. o. § 3 B. I. 2.; vgl. dazu auch T. Müller, S.  617 f.; 385 ff. 571  Die Suche nach einer legislativen Lösung mündete in einer Kompromisslösung, wonach mit § 69 Abs. 2 S. 1 SGB V lediglich die Nachfragetätigkeit der Krankenkassen als ein Anwendungsbereich der FENIN-Rechtsprechung geregelt wurde, vgl. Schwensfeier/Knauff, in: LMR, § 130 GWB, Rn. 57 m. w. N. 567  Nordemann,

232 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

Bis zur judikativen Klärung herrscht für staatliche Nachfrager, die absatzseitig nicht wirtschaftlich aktiv sind, wie auch für deren Lieferanten, die deren Nachfragemacht gegenüberstehen, Rechtsunsicherheit: für die einen, weil sie ihre Kooperationsvereinbarungen neben den ohnehin schon bestehenden sozialgesetzgeberischen und vergaberechtlichen Regelungen auch innerhalb der möglicherweise bestehenden Grenzen des Kartellrechts ausrichten müssen; für die anderen, weil ihnen möglicherweise der Schutz durch das Kartellrecht gerade in Situationen entzogen wird, in denen sie dem Staat als besonders starken Nachfrager gegenüberstehen. 2. Die Doppelkontrolle von Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen Auch in Bezug auf den Prüfungsmaßstab in Folge der diffizilen Abgrenzung zwischen Einkaufskooperation und Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen ergeben sich Unterschiede zwischen deutscher und europäischer Rechtslage. Während ein Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen nach europäischem Recht ausschließlich nach der FKVO überprüft wird, wenn es die relevanten Schwellenwerte überschreitet572, ist nach deutschem Recht eine Doppelkontrolle sowohl nach den Fusionskontrollvorschriften (§§  35  ff. GWB) als auch nach dem Kartelltatbestand (§§ 1, 2 GWB) durchzuführen573. Zu einer Privilegierung des Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens kommt es insofern im deutschen Recht nicht574. 3. Die Wettbewerbsbeschränkung im deutschen Recht Anders als die Kommission erklärt das BKartA nicht die Konsumentenwohlfahrt im Rahmen eines more economic approach575, sondern weiterhin die Wettbewerbsfreiheit zur obersten Maxime. Birgit Krueger, Direktorin beim BKartA576, stellte diesbezüglich klar, dass das BKartA – anders als die § 3 E. I. 1.; Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 795. Beschl. v. 1.10.1985, KVR 6/84, BGHZ 96, 69 = WuW/E BGH 2169 – Mischwerke, Ls. 1; BGH, Beschl. v. 8.5.2001, KVR 12/99, BGHZ 147, 325, WuW/E DE-R 711, 713 – Ost-Fleich, Ls. 2; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 108; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 6; Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 795. 574  Vgl. dazu unten § 3 F. II. 575  Siehe dazu näher unter § 4 B. I. 2. a). 576  Birgit Krueger war bis Mitte Oktober 2015 Leiterin der insbesondere für den Lebensmitteleinzelhandel zuständigen zweiten Beschlussabteilung des BKartA und ist seitdem Leiterin der Abteilung „Grundsatzfragen des Kartellrechts“. 572  S. o.

573  BGH,



F. Exkurs: Deutsche Rechtslage233

Kommission – den Wettbewerbsprozess in alle Richtungen und damit auch in Richtung der Hersteller schütze577. Dasselbe gilt für zahlreiche deutsche Instanzgerichte, die den Schutz der Wettbewerbsfreiheit als oberstes Ziel betonen578, während der Schutz der Verbraucher dabei letztlich nur Reflex sei579. Die unterschiedliche Sichtweise auf die Schutzziele des Wettbewerbs zwischen EuGH und Kommission, die in Bezug auf Einkaufskooperationen und der von ihnen ausgehenden Nachfragemacht zu Divergenzen führen können580, treten damit in der Praxis des BKartA und der Rechtsprechung nicht zutage. Die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen und Nachfragemacht sollte nach Verständnis der deutschen Wettbewerbsbehörde allein an der Wettbewerbsfreiheit ausgerichtet werden und damit auch Wettbewerbsbeschränkungen zulasten der Anbieter und Wettbewerber der Einkaufskooperation miteinbeziehen. 4. Das Mittelstandskartell gem. § 3 GWB Der Einkaufskooperation kam in der deutschen Wettbewerbspolitik stets eine besondere Rolle zu, wie im ersten Kapitel i. R.d. historischen Entwicklung bereits erwähnt wurde581. Seit der 5. GWB-Novelle 1989 existierte mit § 5c GWB a. F., seit der 6. GWB-Novelle mit § 4 Abs. 2 a. F. GWB eine spezielle Norm, welche die Voraussetzungen einer Freistellung für Einkaufskooperationen explizit und umfassend regelte. Mit der 7. GWB-Novelle wurde diese Privilegierung aus Gründen der Harmonisierung zum Europäischen Recht abgeschafft. Daraus soll aber nicht geschlossen werden, dass mittelständische Einkaufskooperationen nicht mehr freigestellt werden können. Vielmehr sind sie nun im Rahmen des Art. 101 AEUV nach den Auslegungsgrundsätzen der Horizontalleitlinien zu beurteilen, wie der Regierungsentwurf erläutert582. Bei rein nationalen Sachverhalten kann eine Freistellung entsprechend im Rahmen der §§ 1 und 2 GWB erfolgen. Auch sind Rechtsprechung und Verwaltungspraxis sowie die zahlreichen Ausführungen in der deutschen Literatur zur Privilegierung von Einkaufskooperationen nach 577  SPD

Bundestagsfraktion, Nachfragemacht im Einzelhandel, S. 11. Entsch. v. 26.11.1980, Kart 32/79 – Fertigfutter, WuW/E OLG 2403, 2405; KG, Entsch. v. 14.4.1978, Kart 8/78 – Rama-Mädchen, WuW/E OLG 1983, 1985; vgl. Bodenstein, S. 159. 579  OLG Düsseldorf, Entsch. v. 21.2.2001, U Kart 33/00, WuW/E DE-R 880, 884 – Strom&Fon; vgl. auch Kling, Neoliberalismus, S. 80. 580  S.u. § 4 D. I. 2. 581  S. o. § 1 B. I. 582  RegE 7. GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640 v. 12.8.2004, S. 27; vgl. Rißmann, WuW 2006, 881, 885. 578  KG,

234 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

§ 4 Abs. 2 a. F. GWB583 noch nicht gänzlich zur Makulatur geworden, sondern können teilweise weiterhin im Rahmen von § 2 GWB berücksichtigt werden584. Daneben findet sich das Mittelstandsprivileg des § 4 Abs. 1 GWB a. F. noch nahezu unverändert im heutigen § 3 GWB wieder. § 3 GWB enthält einen Freistellungstatbestand für sog. Mittelstandskartelle, der so im europäischen Recht nicht existiert585. § 3 GWB erweist sich damit als ein nach der 7., 8. und 9. GWB-Novelle nur noch selten aufzufindendes „Relikt eines eigenständigen nationalen Kartellrechts“586. Zweck der Regelung ist offensichtlich die Förderung der mittelständischen Wirtschaft587. Anwendungsbereich. Der Anwendungsbereich der Norm ist beschränkt. § 3 Abs. 1 GWB ist zwar auch bei zwischenstaatlichen Sachverhalten zu prüfen; das europäische Recht ist aber parallel zu prüfen und im Konfliktfall setzt sich Letzteres durch588. Damit kommt § 3 Abs. 1 GWB bei Fällen die zwischenstaatliche Relevanz haben, keine eigenständige Bedeutung zu589. Insgesamt scheint die praktische Bedeutung des § 3 GWB bisher gering590, auch wenn sie sich im System der Legalausnahme nicht anhand von Fallzahlen beim BKartA beurteilen lässt591. Horizontale Vereinbarungen. Zunächst erfasst § 3 Abs. 1 GWB nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut nur horizontale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, nicht hingegen vertikale Vereinbarungen592. Wettbewerbsfähigkeit der KMU. Zweitens muss die horizontale Vereinbarung dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit von KMU zu verbessern. Eine Definition für KMU findet sich nicht, es bietet sich aber eine Orientierung an § 35 GWB an593. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 GWB ist ein Unter583  Keßler, WuW 2002, 1151, 1165; für einen Überblick vgl. auch Wecker, S. 75 m. w. N. 584  So Ruppelt, S. 113. 585  Umfassend zu § 3 GWB vgl. Dittrich und Dittrich, WuW 2009, 1006; Ruppelt, S. 112. 586  Dittrich, WuW 2009, 1006; BKartA, Merkblatt des Bundeskartellamts über Kooperationsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen, 2007, Rn. 15: „stellt den einzigen vom europäischen Recht abweichenden Freistellungstatbestand dar“. 587  RegE 7. GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640 v. 12.8.2004, S. 28; Pampel, in: MünchKomm, § 3 GWB, Rn. 10; vgl. dazu Nordemann, in: LMR, § 3 GWB, Rn. 2. 588  Vgl. RegE 7. GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, S. 45; Bechtold/Bosch, § 3 GWB, Rn. 4; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 3 GWB, Rn. 19. 589  Wecker, S. 345. 590  Nordemann, in: LMR, § 3 GWB, Rn. 4. 591  Pampel, in: MünchKomm, § 3 GWB, Rn. 7. 592  Bechtold/Bosch, § 3 GWB, Rn. 6. 593  Bechtold/Bosch, § 3 GWB, Rn. 11.



F. Exkurs: Deutsche Rechtslage235

nehmen mit weniger als 10–25 Mio. € Umsatz immer Kleinunternehmen. Ein Unternehmen mit mindestens 500 Mio. € Umsatz hingegen regelmäßig Großunternehmen gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1594. Auch wenn Zweck der Vorschrift die Privilegierung von KMU ist, beschränkt sie sich ihrem Wortlaut nach nicht darauf, allein Vereinbarungen zwischen KMU freizustellen. Vielmehr lässt der Wortlaut auch für Kooperationen zwischen KMU und Großunternehmen Raum. Entsprechend wollen Rechtsprechung und BKartA auch solche Kooperationen von § 3 GWB erfasst wissen595. Dessen Sinnhaftigkeit mag angesichts der negativen Bewertung derartiger von einem nachfragemächtigen Mitglied dominierten Kooperationen durch das BKartA596 in Frage gestellt werden. Sie ist aber auch dann hinzunehmen, wenn nicht alle erzielten Einkaufsvorteile an die KMU weitertransferiert werden. Entscheidend ist allerdings, dass „die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen erst durch die Beteiligung auch großer Unternehmen an der Kooperation ermöglicht wird“597. Auch die letzte Voraussetzung des § 3 GWB – die wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs – kann durch solch eine Kooperation gefährdet sein598. Weiterhin werden von der Norm auch Einkaufskooperationen von kleinen und mittleren Gemeinden erfasst. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut „kleines oder mittleres Unternehmen“, aber aus dem Regelungszweck des § 3 GWB, dem Ausgleich struktureller Nachteile599. Voraussetzung ist hierbei allerdings wiederum, dass die Gemeinden den gemeinsamen Einkauf zum Zwecke wirtschaftlicher Absatztätigkeit vornehmen oder man das FENIN-Urteil des EuGH im Rahmen von § 1 GWB unberücksichtigt lässt600. In diesem Fall ist die öffentliche Hand als Unternehmen i. S. v. 594  Bechtold/Bosch,

§ 3 GWB, Rn. 11. Merkblatt des Bundeskartellamts über Kooperationsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen, 2007, Rn. 37; Bechtold/Bosch, § 3 GWB, Rn. 11. 596  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 4. 597  BGH, Urt. v. 12.11.2002, BGHZ 152, 347 = WuW/E DE-R 1087, 1089 – Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge, II. 2. b); BKartA, Merkblatt des Bundeskartellamts über Kooperationsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen, 2007, Rn. 37. 598  Vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2002, BGHZ 152, 347 = WuW/E DE-R 1087, 1089 – Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge, II. 2. b). 599  BGH, Urt. v. 12.11.2002, BGHZ 152, 347 = WuW/E DE-R 1087, 1089 – Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge, II. 2. a). Diese zur Vorgängervorschrift § 4 Abs. 2 GWB a. F. (bis zum 30.6.2005) getroffene Rechtsprechung dürfte auch für § 3 GWB gelten, da die Regelung in Bezug auf die relevante Voraussetzung „kleines oder mittleres Unternehmen“ nicht geändert wurde; so auch das Verständnis des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, Sachstand, Zulässigkeit von Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand, WD 7 – 3000 – 160/16, S. 7. 600  S. o. § 3 F. II. 1. 595  BKartA,

236 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

§ 1 GWB zu bewerten, sodass im Rahmen des § 3 GWB der gleiche Maßstab anzulegen ist und eine Freistellung erfolgen kann, wenn es ein strukturelles Ungleichgewicht bei der Beschaffung gegenüber größeren Gemeinden auszugleichen gilt601. Rationalisierungseffekt. Weitere Voraussetzung ist die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge. Dazu können auch Rationalisierungen im Einkauf gehören602. Erforderlich ist aber eine Verbesserung zwischen Aufwand und Ertrag603. Der gemeinsame Einkauf allein stellt noch keine erforderliche Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit i. S. d. § 3 GWB dar604. Er muss vielmehr „in enger oder sogar notwendiger Verbindung mit der angestrebten Rationalisierungsmaßnahme stehen“605. Ebenso wenig genügt die rein marktmachtbedingte Reduktion von Einkaufspreisen606. Während der bisherige § 4 Abs. 2 GWB a. F. mittelständische Einkaufsgemeinschaften freigestellt hat, wenn bloßer Machtzuwachs, z. B. durch bessere Einkaufskonditionen erzielt wurde, gilt § 3 GWB nur für mittelständische Einkaufsgemeinschaften mit Rationalisierungseffekt607. Keine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Letztlich darf der Wettbewerb durch die Kooperation nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Dies setzt eine Gesamtwürdigung im Einzelfall voraus, wobei insbesondere die Marktstellung der Kooperation gemessen an ihren Marktanteilen zu berücksichtigen ist608. Das BKartA geht hier von einer kritischen Grenze bei einem Marktanteil von 10–15 % auf dem Nachfragemarkt aus, soweit sie sich auf kritische Absprachen wie Preise bezieht. Ansonsten könne der Marktanteil auch höher liegen609. Damit zeigt sich, dass die Privilegierung kleiner und mittlerer Unternehmen in zahlreichen Fällen gar nicht über diejenige in 601  BGH, Urt. v. 12.11.2002, BGHZ 152, 347 = WuW/E DE-R 1087, 1089 – Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge, II. 2. a). 602  BKartA, Merkblatt des Bundeskartellamts über Kooperationsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen, 2007, Rn. 29. 603  BKartA, Merkblatt des Bundeskartellamts über Kooperationsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen, 2007, Rn. 32. 604  BKartA, Merkblatt des Bundeskartellamts über Kooperationsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen, 2007, Rn. 32; Pampel, in: MünchKomm, § 3 GWB, Rn. 43; K. Westermann/Bergmann, in: Fett/Spiering, Hdb. Joint Venture, Kap. 5, Rn. 170. 605  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.10.2006, Kart 14/06 (V), WuW 2007, 1129 (unter B. II. 2. b)) m. w. N.; Bechtold/Bosch, § 3 GWB, Rn. 11. 606  Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 3 GWB, Rn. 59. 607  Nordemann, in: LMR, § 3 GWB, Rn. 4. 608  BKartA, Merkblatt des Bundeskartellamts über Kooperationsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen, 2007, Rn. 34. 609  Ebd., Rn. 35.



F. Exkurs: Deutsche Rechtslage237

den Horizontalleitlinien hinausgeht610. Gewisse Erleichterungen gilt es doch zu betonen, die auch für das Verhältnis von § 3 und § 2 GWB relevant sind. Unterschiede zwischen § 2 Abs. 1 GWB und § 3 Abs. 1 GWB. § 3 Abs. 1 GWB ist teilweise großzügiger als § 2 Abs. 1 GWB, da auch Kernbeschränkungen freigestellt werden können, solange die Zwischenstaatlichkeitsklausel nicht erfüllt ist und es insoweit nicht zu einem Konflikt mit dem europäischem Recht kommt (bei dem eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV eher theoretischer Natur ist)611. Damit können selbst Preis-, Mengen- und Quotenabsprachen freigestellt werden612. Der Streit um die Einordnung von Preisvereinbarungen bei Einkaufskooperationen entfällt dann613. Das gilt erst Recht für das Verbot der Doppelmitgliedschaft, sofern die oben genannten Voraussetzungen, insbesondere der Rationalisierungseffekt, dadurch erfüllt werden614. Entsprechendes muss auch für Bezugszwänge gelten. Entscheidender Unterschied der Normen ist darüber hinaus, dass § 3 Abs. 1 GWB keine Verbrauchervorteile fordert, sondern für eine Freistellung allein die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen genügen lässt615.

III. Zwischenergebnis Unterhalb der Zwischenstaatlichkeitsschwelle verbleibt dem deutschen Kartellrecht nur noch ein kleiner Spielraum gegenüber dem europäischen Kartellrecht. Diesen füllt es mit einem eigenständigen Unternehmensbegriff, der – je nach Auffassung – auch Einkaufskooperationen des Staates erfassen kann, mit denen keine wirtschaftliche Angebotstätigkeit verbunden sind. Zudem bestehen Divergenzen bei der Bewertung von Vollfunktionsgemein610  Ebd., Rn. 35; kritisch zur im Verhältnis der de minimis-Bekanntmachung und der HLL viel zu niedrig angesetzten Schwelle Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 117. 611  Dittrich, WuW 2009, 1006, 1013; Bechtold/Bosch, § 3 GWB, Rn. 4; BKartA, Merkblatt des Bundeskartellamts über Kooperationsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen, 2007, Rn. 31. 612  Dittrich, WuW 2009, 1006, 1011; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 3 GWB, Rn. 20. 613  S. o. § 4 C. III. 614  Vgl. dazu OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.2.1989, 6 VA 1/82, WuW/E OLG 4495, 4498 – Doppelgenossen; vgl. Pampel, in: MünchKomm, § 3 GWB, Rn. 34. Insoweit missverständlich Bechtold/Bosch, § 3 GWB, der auf den Beschluss des OLG Frankfurt v. 20.9.1982, 6 VA 1/82, WuW/E OLG 2771 – Taxi-Funk-Zentrale Kassel Bezug nimmt von dessen dort vertretenen Rechtsansicht das OLG Frankfurt im oben genannten Beschluss v. 10.2.1989 ausdrücklich aufgibt. 615  Dittrich, WuW 2009, 1006, 1013.

238 § 3 Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis

schaftsunternehmen. Weiterhin wird der Fokus der Kommission auf die Konsumentenwohlfahrt vom BKartA und der deutschen Rechtsprechung nicht geteilt, sondern primär der Schutz der Wettbewerbsfreiheit verfolgt. Schließlich besteht die Sonderregelung des § 3 GWB, die aber nur in Einzelfällen über den safe harbour der Horizontalleitlinien hinausgeht.

G. Zusammenfassung des dritten Kapitels Das europäische Kartellrecht wurde in den letzten Dekaden von drei maßgeblichen Veränderungen geprägt: der Europäisierung durch Harmonisierung des Kartellrechts der Mitgliedstaaten, der Ökonomisierung durch den more economic approach und dem Wandel hin zum System der Legalausnahme durch die VO Nr. 1/2003.616 Diese Veränderungen beeinflussen maßgeblich die Auslegung der bisherigen Rechtsprechung und Praxis der Kartellbehörden zu Einkaufskooperationen. Diese wiederum gibt, durch wenige Einzelfallentscheidungen konturiert, nur ein mosaikartiges Bild der Thematik wieder. Sie lässt aber bestimmte Grundlinien erkennen: Dazu gehören die Spürbarkeit, die Einschränkung des Verbotstatbestandes durch notwendige Wettbewerbsbeschränkungen und die hohe Bedeutung des (rechtlichen wie faktischen) Bezugszwangs – das Selbständigkeitspostulat und damit die Handlungsfreiheit der Kooperationsmitglieder standen stets im Mittelpunkt der Argumentation.617 Dagegen zeichnen die vom more economic approach geprägten Horizontalleitlinien der Kommission ein divergierendes Bild. Sie sind vom safe harbour i. H. v. 15 %, dem Abstellen auf Marktanteile und dem Fokus auf Einkaufs- und Absatzmarkt zur Bestimmung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung von Einkaufskooperationen geprägt.618 Vertikale Vereinbarungen sind anhand der Vertikal-GVO zu überprüfen. Dieser kommt aber aufgrund ihres engen Anwendungsbereichs für Einkaufskooperationen nur bedingt Bedeutung zu, sodass nur eine allgemeine Prüfung der Spürbarkeit, des Art. 101 Abs. 1 AEUV und gegebenenfalls des Art. 101 Abs. 3 AEUV vorgenommen werden kann.619 Letztlich lassen sich aus der Kommissionspraxis in Fusionskontrollfällen Aussagen zur Bewertung von Nachfragemacht übertragen, insbesondere die Bedeutung des relativen Nachfrageanteils.620 616  S. o.

§  3 A. § 3 B. II. 618  S. o. § 3 C. 619  S. o. § 3 D. 620  S. o. § 3 E. 617  S. o.



G. Zusammenfassung des dritten Kapitels239

Die Rechtslage in Deutschland ist durch die weitgehende Anpassung an das europäische Kartellrecht nur noch durch wenige Unterschiede gekennzeichnet. Diese liegen im Unternehmensbegriff und im (wenn auch geringen) Anwendungsbereich des § 3 GWB, der Kooperationen des Mittelstandes privilegiert. Zudem fokussiert sich das BKartA anders als die Kommission auf einen Schutz des Wettbewerbs in seiner Gesamtheit, statt allein auf die Konsumentenwohlfahrt abzustellen.621

621  S. o.

§ 3 F.

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata Das dritte Kapitel zeigte, dass die bisherige Rechtsprechung vor dem weitgehenden Wandel des Kartellrechtssystems – geprägt durch Europäisierung, Ökonomisierung und Dezentralisierung – ergangen ist und somit nur bedingt Orientierung für die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen bieten kann. Zugleich weichen die Horizontalleitlinien als aktuellste Antwort der Kommission auf die Frage nach der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen stark von der bisherigen Rechtsprechung ab. Sie sollten daher nicht unreflektiert angewendet werden. Zu bedeutsam sind ihre Kritikpunkte, zu weitreichend vereinzelte Abweichungen zwischen ihnen und der bisherigen Rechtsprechung sowie zu aktuellen ökonomischen Erkenntnissen, zu groß manche Unklarheiten, Ungenauigkeiten und Lücken. Das vierte Kapitel widmet sich daher der übergeordneten Frage: Wie können Unternehmen ihre Einkaufskooperation rechtssicher ausgestalten, ohne in Konflikt mit der Kommission auf der einen und ohne in Konflikt mit der Rechtsprechung der Unionsgerichte auf der anderen Seite zu geraten? Um die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata zu analysieren, wird den folgenden Fragen nachgegangen: − Welche Kritikpunkte lassen sich gegen die Horizontalleitlinien vorbringen (A.)? − Hat die bisherige Rechtsprechung im durch Ökonomisierung und Dezentralisierung gewandelten Kartellrechtssystem noch Bestand oder ist sie mit Blick auf den Wandel zu modifizieren – und wenn ja, wie (B.)? − Welche Unklarheiten und Lücken bestehen in den Horizontalleitlinien und wie lassen sich diese lösen (C.)? − Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten bestehen zwischen den Horizontalleitlinien und einer künftigen potentiellen Rechtsprechung zu Einkaufskooperationen (D.)? − Welche Handlungsempfehlungen lassen sich daraus für Unternehmen, die eine Einkaufskooperation gründen wollen, ableiten (E.)?



A. Kritik an den Horizontalleitlinien241

A. Kritik an den Horizontalleitlinien Die Kommission hat mit den Horizontalleitlinien versucht, einen rechtlichen Rahmen zur Bewertung von Einkaufskooperationen zu schaffen. Dieser ist sowohl in Bezug auf seine Rechtsnatur und Dogmatik als auch inhaltlich auf Kritik gestoßen. Zumindest bringt er zahlreiche diskussionswürdige Fragen mit sich, denen im Folgenden nachgegangen wird1. Das Verständnis ihrer aus ihrem Rechtscharakter, ihrem Inhalt und ihrer Dogmatik resultierenden Kritikpunkte macht deutlich, warum eine unreflektierte Orientierung an den Horizontalleitlinien nicht immer möglich oder sinnvoll ist.

I. Kritik an der Rechtsnatur der Horizontalleitlinien Der erste gravierende Nachteil der Leitlinien liegt in ihrer Rechtsnatur. Leitlinien formulieren lediglich Auslegungsdirektiven. Sie sind ihrer Rechtsnatur nach Akte sui generis, die zwar die Kommission selbst zu binden vermögen, nicht aber die Unionsgerichte. Auch gegenüber nationalen Gerichten und Kartellbehörden besteht allenfalls eine faktische, nicht aber eine rechtliche Bindungswirkung2. 1. Rechtsunsicherheit Die fehlende Bindungswirkung der Horizontalleitlinien führt zu einer gewissen Rechtsunsicherheit3: 1  Am 31.12.2010 lief die erste Fassung der Horizontalleitlinien aus und wurde zum 14.1.2011 neugefasst. Zum Zweck der Neufassung forderte die Kommission im Dezember 2008 dazu auf, Stellungnahmen zu den Horizontalleitlinien abzugeben. Zahlreiche Verbände, Anwaltskanzleien und Unternehmen kamen dem nach (abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/consultations/2009_horizontal_agreements/in dex.html). Im Mai 2010 veröffentlichte die Kommission einen Entwurf überarbeiteter Leitlinien und gab wiederum Gelegenheit, eine Stellungnahme zum Entwurf abzugeben (abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/consultations/2010_horizontals/ index.html). Auf diesen Stellungnahmen beruht ein Großteil der in diesem Abschnitt geschilderten Kritik. Da die überarbeitete Fassung der Horizontalleitlinien zumindest in Bezug auf die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen zwar strukturelle, jedoch inhaltlich keine allzu weitreichenden Veränderungen enthält, bleiben viele der Fragen und Kritikpunkte bestehen. Dabei ist zu beachten, dass die Stellungnahmen, insbesondere der Verbände, nicht rein sachlich und objektiv, sondern zumeist von den subjektiven Interessen der Institutionen und Unternehmen geprägt sind und daher selbst nicht unre­flektiert bleiben sollten. 2  S. o. § 3. C. I. 3. 3  Geiger, EuZW 2000, 325, 328; Geiger, Verbundgruppen, S. 122; Polley/Seeliger, WRP 2001, 494, 506.

242

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Zum einen besteht die Gefahr, dass die Unionsgerichte eine Einkaufskooperation für kartellrechtswidrig erklären, obwohl die kooperierenden Unternehmen die Vorgaben der Horizontalleitlinien eingehalten haben, etwa weil sie andere Bewertungsmaßstäbe anlegen oder die Auswirkungen der betroffenen Interessen unterschiedlich gewichten4. Zum anderen entsteht durch die fehlende Bindungswirkung gegenüber nationalen Gerichten und Behörden die Gefahr eines mangelnden Entscheidungseinklangs innerhalb der EU5. Bei nationalen Sachverhalten kann dies dazu führen, dass trotz Orientierung der Kooperation an den Horizontalleitlinien die nationale Kartellbehörde die Kooperation als kartellrechtswidrig einstuft. Diese Gefahr ist zwar gering, da widersprüchliche Entscheidungen zwischen europäischen Wettbewerbsbehörden durch den engen Austausch im Rahmen des ECN bereits deutlich reduziert werden6. Ebenso bildet die Ausgestaltung des Verfahrensrechts durch Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 1/2003 einer allzu divergierenden Praxis nationaler Kartellbehörden Einhalt, da Entscheidungen zu Art. 101 AEUV und Art. 102 AEUV vor Erlass durch die nationalen Wettbewerbsbehörden der Kommission zumindest zur Information vorgelegt werden müssen. Durch deren Eingriffsmöglichkeiten wird die faktische Bindungswirkung der Horizontalleitlinien erhöht7. Dennoch ist die Gefahr fehlender Harmonisierung nicht gänzlich unbegründet: divergierende Entscheidungen zwischen den Wettbewerbsbehörden verschiedener Mitgliedstaaten finden sich immer wieder8. Dies gilt auch für die gerichtliche Überprüfung kartellrechtlicher Vereinbarungen gerade mit Blick darauf, dass nicht in allen Staaten der EU die zuständigen Gerichte eine hohe Kenntnis und Erfahrung mit Kartellrechtsstreitigkeiten und deren Besonderheiten haben9. 4  Vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 4; zu Höhe und Risiko und dessen Eindämmung s. u. § 4 D. II. m. w. N. 5  Vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S.  4; Geiger, Verbundgruppen, S. 122. 6  Commission Staff Working Paper accompanying the Communication from the Commission to the European Parliament and Council Repot on the functioning of Regulation 1/2003 v. 29.4.2009 Rn. 114. 7  S. o. § 3 C. I. 3.; Divivier, S. 586 und 588 f. 8  Amice, Stellungnahme, S. 2 führt als Beispiel eine abweichende Entscheidung finnischer Wettbewerbsbehörden an. Als Beispiel divergierender Beurteilung nationaler Kartellbehörden dient auch das Vorgehen gegen Bestpreisklauseln von Hotelbuchungsplattformen wie HRS und booking.com. Während das Bundeskartellamt eine negative Entscheidung gegen booking.com erließ, stellten die britische, irische und dänische Wettbewerbsbehörden ihr Verfahren ein, und die französische, schwedische und italienische Wettbewerbsbehörde akzeptierten Verpflichtungszusagen des Unternehmens, vgl. BKartA, Beschl. v. 22.12.2015, B9-121/13 – Booking.com, Rn.  70 ff., 107 ff. 9  AmCham, Stellungnahme, S. 6; vgl. auch van Bael & Bellis, 4., S. 6. Es besteht zwar gem. Art. 15 Abs. 1 VO Nr. 1/2003 die Möglichkeit, dass die Gerichte der Mit-



A. Kritik an den Horizontalleitlinien243

Letztlich wurden beide Rechtsunsicherheiten durch die Reform des Kartellrechts – so sinnvoll dieser Wechsel auch war10 – erheblich erhöht: Durch den Systemwechsel vom Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt („vorherige Genehmigung“) zum Prinzip der Legalausnahme durch die VO Nr. 1/200311 sind die Unternehmen selbst zur kartellrechtlichen Prüfung ihrer Vereinbarungen verpflichtet. Nunmehr sind, statt einer klaren Freistellung, lediglich Rückfragen bei der Kommission möglich12. Umso größer ist heute das Bedürfnis an Rechtssicherheit durch bindende Regelungen. 2. Fehlende Legitimation der Horizontalleitlinien Neben der Rechtsunsicherheit, die von ihnen ausgeht, leiden die Horizontalleitlinien auch unter fehlender Legitimation13. Andere Leitlinien schöpfen ihre Legitimation aus den ihnen zugrundeliegenden Entscheidungen der Unionsgerichte sowie gerichtlich überprüfter Kommissionspraxis14. Sie dienen als Kondensat, als verständliche Zusammenfassung bisheriger gerichtlicher Vorgaben. Den Horizontalleitlinien fehlt es in Bezug auf Einkaufsvereinbarungen aber daran, wie die Darstellung im dritten Kapitel zeigt15. Zwar gibt es einzelne Entscheidungen, doch diese sind größtenteils zu alt, um eine zeitgemäße Orientierung bieten zu können. Mangels Fallpraxis sind die in den Horizontalleitlinien enthaltenen Regelungen zu Einkaufsvereinbarungen ein rein abstraktes Gebilde16. gliedstaaten die Kommission um Stellungnahmen und Fragen zur Anwendung der Wettbewerbsregeln bitten können, das Verfahren wurde aber mit 26 Stellungnahmen im Zeitraum 2004–2013 (vgl. Mitteilung der Kommission, Zehn Jahre Kartellrechtsdurchsetzung auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Ergebnisse und Ausblick, COM(2014) 453 final, Rn. 22) eher selten genutzt. Auch funktionierte das Verfahren, wonach die Kommission über die Urteile der nationalen Gerichte zu Art. 101 oder 102 AEUV zu unterrichten ist, bisher nicht sonderlich gut (ebd.). 10  Vgl. dazu bereits oben unter § 3 A. III. 11  Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates v. 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1/1. 12  S.u. § 4 E. II. m. w. N.; Heckenberger, in: LMR, Anh. zu Art. 81 EG, Rn. 26. 13  Zur Kritik an der fehlenden Legitimation von Leitlinien vgl. Wolters, S. 332 m. w. N. 14  Beispielsweise stützen sich die Freistellungsleitlinien auf weit über 30 Urteile des EuGH und die de minimis-Bekanntmachung der Kommission ist maßgeblich vom Expedia-Urteil des EuGH geprägt. 15  Die HLL verweisen im Abschnitt zu Einkaufsvereinbarungen lediglich auf zwei Entscheidungen des EuGH (zur Definition einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung). 16  Berasategi, S. 152.

244

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Zwischenergebnis. Diese Kritik an der Rechtsnatur der Horizontalleitlinien und der aus ihrer unvollständigen Bindungswirkung resultierenden Rechtsunsicherheit sollte verständlich machen, dass die Horizontalleitlinien zwar die aktuellste und umfassendste Orientierung zur Bewertung von Einkaufskooperationen bieten, aber dennoch nicht gänzlich unreflektiert angewendet werden sollten. Basierend auf dieser Erkenntnis wird ihre Unvollkommenheit in Abschnitt C. näher beschrieben. In Abschnitt D. werden die Unterschiede und Widersprüche zur bisherigen Entscheidungspraxis der Gerichte und der Kommission aufgezeigt. Abschließend wird im fünften Kapitel (§ 5) ein Lösungsvorschlag unterbreitet, wie den Kritikpunkten an der Rechtsnatur der Horizontalleitlinien de lege ferenda durch Schaffung einer Horizontal-GVO begegnet werden könnte.

II. Kritik am System und an den Kriterien der Horizontalleitlinien 1. Die 15 %-Marktanteilsschwelle Im Mittelpunkt der Kritik am System der Horizontalleitlinien steht das sie prägende Merkmal, die Marktanteilsschwelle i. H. v. 15 %. Nach Rn. 208 HLL ist es unwahrscheinlich, dass Marktmacht besteht, wenn die Mitglieder der Einkaufskooperation sowohl auf den Einkaufsmärkten als auch den Verkaufsmärkten einen gemeinsamen Marktanteil von nicht mehr als 15 % innehaben, sodass schon Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht erfüllt sei. a) Bedürfnis einer Marktanteilsschwelle Zunächst lässt sich bereits die Sinnhaftigkeit der Marktanteilsschwelle bezweifeln. aa) Kritik an der Handhabbarkeit Gegen die Schwelle lassen sich insbesondere praktische Hindernisse der Handhabbarkeit anführen. Praktische Schwierigkeiten bei der Bestimmung des relevanten Marktes. Die Anwendung von Marktanteilsschwellen setzt zunächst eine Marktabgrenzung voraus17. Dies stößt in der Praxis auf große Schwierigkeiten. Zunächst existiert längst nicht für alle relevanten Märkte eine Entscheidungspraxis, und wenn sie existiert, wird die Frage nach einer eindeutigen Marktabgren17  Schweizer,

S. 253.



A. Kritik an den Horizontalleitlinien245

zung in den Fusionskontrollentscheidungen der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden zumeist offen gelassen. Damit gibt die Entscheidungspraxis nur Indizien, gewährt aber selten ausreichende Gewissheit, die für eine rechtssichere Einschätzung notwendig wäre. Stattdessen muss mit dem Bedarfsmarktkonzept gearbeitet werden, und nach den Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite gefragt werden. Sollen Hersteller die Präferenzen ihrer Abnehmer bewerten oder hier Nachfrager die Ausweichmöglichkeiten und die Umstellungsflexibilität ihrer Lieferanten18, führt dies jedoch zu subjektiven Bewertungen, die gegenüber der objektiven und auf Markttests beruhenden Analyse durch die Wettbewerbsbehörden nur ein verzehrtes Bild darstellen können. Alternativ wäre eine unternehmenseigene Marktbefragung und ökonomische Analyse notwendig, welche für die Unternehmen nur schwer selbst handhabbar bzw. mit weitreichenden Kosten verbunden ist. Zwar können – ebenso wie die Wettbewerbsbehörden, die die genaue Marktabgrenzung mitunter dahinstehen lassen können – auch die kooperierenden Unternehmen die exakte Marktabgrenzung offen lassen oder mit großzügig geschätzten Daten zum Gesamtmarkt arbeiten, wenn nach allen denkbaren Möglichkeiten der Marktabgrenzung die einschlägigen Marktanteilsschwellen nicht überschritten werden19. Die Mehrzahl der Einkaufskooperationen wird jedoch versuchen, eine derart kritische Masse zu generieren, dass die Effizienzgewinne möglichst hoch sind und die Kooperation gegenüber ihren Lieferanten ein ausreichendes Maß an Verhandlungsmacht erzielt. Insoweit besteht das betriebswirtschaftliche Bestreben nach einer möglichst großen Einkaufskooperation, um deren Nutzen zu maximieren. Aus rechtlicher Sicht werden sich die zu bewertenden Einkaufskooperationen daher eher den durch das Kartellrecht gesetzten Grenzen annähern (diese gegebenenfalls gar ausreizen), statt weit hinter ihnen zurückzubleiben. Praktische Schwierigkeiten der Berechnung von Marktanteilen. Darüber hinaus bereitet es vielen Unternehmen Schwierigkeiten, ihre eigenen Marktanteile, die ihrer Kooperationspartner und diejenigen der Konkurrenten zu ermitteln. Die Erfahrung in der anwaltlichen Praxis zeigt, dass die Kartellbehörden die Möglichkeiten der Unternehmen, ihre eigenen Marktanteile sicher zu ermitteln, überschätzen20: Neben den Unsicherheiten der sachlichen und räumlichen Marktabgrenzung können Unternehmen oftmals weder die Marktgröße noch die Marktanteile ihrer wichtigsten Wettbewerber mit hinreichender Sicherheit abschätzen21. Denn nicht in allen Märkten sind ausrei18  Siehe

zur Marktabgrenzung unten unter § 4 C. I. S. 254. 20  Lübbig, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 55. 21  Lübbig, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 55; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, VO (EU) 1217/2010, Art. 7, Rn. 2; Bechtold, GRUR 2012, 107, 109; Carpag­ 19  Schweizer,

246

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

chende Daten, insbesondere die Umsatzzahlen des Gesamtmarktes, vorhanden22. Sind Marktanteilsstatistiken verfügbar, können sie die Bestimmung erleichtern; aber auch sie weisen Lücken auf, weil z. B. nicht alle Marktteilnehmer erfasst sind oder die Statistik mit anderen Produktkategorien arbeitet, als es für die sachliche Marktabgrenzung erforderlich ist23. Daher ist es den betroffenen Unternehmen nur im Ausnahmefall gänzlicher Markttransparenz möglich, das Marktvolumen und den eigenen Marktanteil präzise zu ermitteln. In der Mehrzahl der Fälle sind sie hingegen auf relativ vage Schätzungen angewiesen24. Der Wandel hin zum System der Legalausnahme hat die Einschätzung noch erschwert: Die Vertragspartner konnten damals in ihrem Antrag auf Erteilung eines Negativattests oder einer Freistellung gegenüber der Kommission ihre jeweiligen Marktdaten offenlegen25. Heute ist ein Austausch von Marktanteilsdaten kaum mehr möglich, kann er doch leicht zu einem Verstoß gegen Art. 101 AEUV führen26. Jedenfalls ist die Ermittlung der Marktanteilsschwelle nur durch kostspielige Marktuntersuchungen, statistische Feststellungen und intensive Beratung mit Kartellanwälten und gegebenenfalls durch eine Abstimmung mit den Wettbewerbsbehörden möglich27. Dabei sind es gerade die kleinen Unternehmen, denen die Schwelle eigentlich zugutekommen sollte, die nicht immer in der Lage sein werden, diese auch exakt zu bestimmen28. Spezielle Schwierigkeiten bei Nachfragemärkten. Neben den generellen Schwierigkeiten bei der Bestimmung von Marktanteilen gibt es bei Nachfragemärkten zusätzliche Besonderheiten zu beachten. Nach den Horizontalleitlinien gilt es vorliegend nicht nur die Marktanteile auf den Beschaffungsmärkten, sondern auch noch auf den Absatzmärkten zu bestimmen (jedenfalls dann, wenn die Kooperationsmitglieder auf dem Absatzmarkt im Wettbewerb miteinander stehen). Die Schwierigkeiten kumulieren sich daher. Die Bestimmung der Marktanteile auf den Absatzmärkten kann mitunter besonders

nano, in: Këllezi/Kilpatrick/Kobel, S. 15; Polley/Seeliger, WRP 2001, 494, 498; Schweizer, S. 253; Schütz, in: KölnKomm, Art. 29 VO 1/2003, Rn. 26. 22  Monopolkommission, Sondergutachten 32 – Folgeprobleme der europäischen Kartellverfahrensform, S. 53; Schweizer, S. 253. 23  GRUR, Stellungnahme, GRUR 2010, 897. 24  GRUR, Stellungnahme, GRUR 2010, 897. 25  Kamann/Bergmann, BB 2003, 1743, 1747. 26  Herrmann, in: KölnKomm, Art. 3 TT-GVO, Rn. 5. 27  Triantafillakis, S. 107; Carpagnano, in: Këllezi/Kilpatrick/Kobel, S.  15; Schweizer, S. 253; FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 170 m. w. N. 28  Triantafillakis, S. 107; Carpagnano, in: Këllezi/Kilpatrick/Kobel, S.  15; in Bezug auf die allgemeine Rechtsunsicherheit durch den more economic approach I. Schmidt, in: FS Eickhof, S. 65, 73.



A. Kritik an den Horizontalleitlinien247

komplex sein, wenn – wie etwa im LEH – hunderte einzelne regionale Märkte untersucht werden müssen29. bb) Kritik an der Rechtssicherheit Aus der Beratungspraxis wird auch die Unstetigkeit von Marktanteilen als Argument gegen eine Marktschwellenlösung angeführt30. Die Orientierung an einer Marktanteilsschwelle wirft nämlich die Frage auf, wie sich plötzlich verändernde Marktanteile zu beurteilen sind. Dabei kann sich die Marktlage durchaus abrupt und unvorhersehbar ändern. Einerseits bedingt durch die Marktumstände, etwa auf schnelllebigen dynamischen Innovationsmärkten31 oder beispielsweise durch die Insolvenz eines großen Konkurrenten, die dafür sorgt, dass der eigene Marktanteil signifikant steigt32, andererseits durch das eigene Bestreben der Einkaufskooperation, ihre Marktanteile zu erhöhen. Ziel der Einkaufskooperation ist es gerade, die Konditionen für ihre Mitglieder zu verbessern, was durch höhere Marktmacht und damit auch regelmäßig durch höhere Marktanteile erzielt wird. Jede Schwankung des Marktverhältnisses kann den rechtlichen Bestand der Kooperation untergraben. Überschreitet die Kooperation die 15  %Schwelle, besteht zumindest die Gefahr, dass sie nun gegen das Kartellrecht verstößt. Insoweit droht eine Einkaufskooperation ab einem gewissen Marktanteil in eine „widersinnige Leistungsspirale“33 zu geraten: je erfolgreicher sie arbeitet, desto mehr Mit­glieder lockt sie an und desto stärker wachsen ihre Marktanteile auf beiden Märkten. Demnach wächst die Gefahr der Kartellrechtswidrigkeit einer Einkaufskooperation mit zunehmender Leistung im Wettbewerb34.

29  S.u.

§ 4 C. I. 2. Bruckhaus Deringer, Stellungnahme, 2.7.; vgl. auch Schütz, in: KölnKomm, Art. 29 VO 1/2003, Rn. 26; Herrmann, in: KölnKomm, Art. 3 TT-GVO, Rn. 3. 31  Freshfields Bruckhaus Deringer, Stellungnahme, 2.7. 32  Vgl. UGAL, Stellungnahme, Rn. 18; Schnelle/Bartosch/Hübner, S. 103. 33  So der von Beuthien, S. 97 verwendete Begriff zur Beschreibung der Situation im Rahmen des Spürbarkeitskriteriums des Art. 101 Abs. 1 AEUV. 34  Beuthien, S. 97; vgl. dazu auch Schweizer, S. 256. 30  Freshfields

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

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cc) Kritik an der Treffsicherheit Neben diesen die Praktikabilität betreffenden Kritikpunkten lässt sich auch Kritik an der Treffsicherheit einer Marktanteilsschwelle erheben. Die Besonderheiten oligopolistischer Marktstrukturen werden durch die pauschale Grenze nicht gewürdigt35. Es sind Situationen denkbar, in denen die Einkaufskooperation zwar die 15 %-Schwelle überschreitet, sie aber auf dem Beschaffungs- und Absatzmarkt im Wettbewerb mit Großbetrieben steht und die Einkaufskooperation allein dazu dient, vergleichbare Einkaufskonditionen zu erzielen, um im Wettbewerb mit den Großbetrieben bestehen zu können36. dd) Zwischenergebnis Diese Kritikpunkte geben Anlass de lege lata der Marktanteilsschwelle bei der kartellrechtlichen Prüfung von Einkaufskooperationen nicht unbedacht alles unterzuordnen, sondern die Kriterien der Rechtsprechung genau zu analysieren. De lege ferenda sollte nach Alternativen zur Marktanteilsbetrachtung gesucht und der Frage nachgegangen werden, ob diese eine treffsicherere Bewertung von Einkaufskooperationen ermöglichen37. b) Höhe der Marktanteilsschwelle Erachtet man die Marktanteilsschwelle an sich für zweckmäßig, stellt sich die Frage, ob ihre von der Kommission gewählte Höhe sinnvoll erscheint. aa) Die Höhe der Marktanteilsschwelle der Horizontalleitlinien im systematischen Vergleich Größtenteils wird – und das nicht nur von Unternehmens- bzw. Beraterseite – eine Anhebung der Marktanteilsschwelle gefordert38. Das Europäische Parlament äußerte bereits im Jahr 2000 Bedenken, dass durch die Horizontalleitlinien (wie in der heutigen Rn. 208 HLL) „ein willkürlicher Marktmacht35  Mischitz,

S. 280. Stellungnahme v. 30.1.2009, S. 5; UGAL, Stellungnahme, Rn. 15. 37  S.u. § 5 C. II. 1. b). 38  Vgl. Kommission, Overview of the Feedback Received from Stakeholders in the Public Consultation on the Draft Texts Published in 2010, Rn. 41; OFT, buyer groups, 1.84; Freshfields Bruckhaus Deringer, Stellungnahme, 2.7.; Baker & McKenzie, Stellungnahme, 6.5. 36  ÖGV,



A. Kritik an den Horizontalleitlinien249

grenzwert von 15 % festgelegt wird, und fordert[e] die Kommission dringend auf, diesen Grenzwert auf einen Mindestwert von 20 % zu erhöhen“39. Zumeist wird eine Anhebung auf 25 % gefordert40. Diese Forderungen werden überwiegend mit einem Gleichklang zu anderen Regelungen begründet41. So sei insbesondere nicht klar, wieso der gemeinsame Einkauf bis 15 %, gemeinsame Produktionsvereinbarungen gem. Rn. 169 HLL dagegen bis 20 % kartellrechtlich unbedenklich sein sollen42. Ebenso dienen die Spezialisierungs-GVO43 und F&E-GVO als Orientierung, die Marktanteilsschwellen i. H. v. 20 % bzw. 25 % statuieren. Ferner soll beachtet werden, dass in der Fusionskontrolle erst ab einem Marktanteil von 25 % von einer marktbeherrschenden Position ausgegangen wird44. Ist schon eine Fusion unbedenklich, sollte doch erst Recht die Einkaufskooperation unbedenklich sein, da Letztere das Verhalten der Mitglieder noch koordinieren muss45. Zudem könnte dies für Kooperationen mit einem Marktanteil von 15–25 % einen Anreiz setzen, ihre Kooperation so auszugestalten, dass sie unter die Fusionskontrolle fällt46. Eine Anhebung von 15 % auf 30 % würde 39  Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission über die Wettbewerbsregeln für Vereinbarungen über horizontale Zusammen­ arbeit (C5-0304/2000 – 2000/2154(COS)), ABl. 2001 C 146/106 v. 17.5.2001, Rn. 10; vgl. auch Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, Wettbewerbsregeln für Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl. 2001 C 14/16 v. 16.1.2001, 3.5.3. 40  Vgl. Kommission, Overview of the Feedback Received from Stakeholders in the Public Consultation on the Draft Texts Published in 2010, Rn. 41; Unternehmen wie EDEKA fordern natürlich zunächst die generelle Abschaffung der Schwelle, vgl. EDEKA, Stellungnahme, B. III), S. 8; eine Anhebung auf 25 % wird auch im Joint Working Paper of the Bars & Law Societies of UK, Stellungnahme, Rn. 19, S. 4 und von der AmCham, Stellungnahme, S. 6 gefordert. 41  GRUR, Stellungnahme, GRUR 2010, 897, 898. 42  Van Bael/Bellis, EC Competition Law Reporter, No. 99 – June 2010, Vol. 1, 31–530. 43  Verordnung (EU) Nr. 1218/2010 der Kommission vom 14.12.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen, ABl. 2010 L 335/43. 44  Erwägungsgrund 32 der FKVO; Leitlinien horizontale Zusammenschlüsse, Rn. 18; OFT, buyer groups, 1.84; Baker & McKenzie, Stellungnahme, 6.3, S. 6; Fresh­ fields, Stellungnahme 3.5, S. 4; Joint Working Paper Bars & Law Societies of UK, Stellungnahme, Rn. 19, S. 4. 45  OFT, buyer groups, 1.84; The City of London Law Society Competition, Stellungnahme, 6.3, S. 8; OFT, Short-form Opinion, P&H/Makro Joint Purchasing Agreement; vgl. Baker & McKenzie, Stellungnahme, 6.3 f., S. 6. 46  Van Bael/Bellis, EC Competition Law Reporter, No. 99 – June 2010, Vol. 1, 31–530; s. u. § 4 E. I.

250

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

zu einer Vergleichbarkeit mit vertikalen Vereinbarungen führen und etwaige Abgrenzungsschwierigkeiten lösen47. Gegen eine Erhöhung der Marktanteilsschwelle allein zum Zwecke der Angleichung spricht hingegen, dass unterschiedliche Schwellenwerte für unterschiedliche Arten horizontaler Kooperationen (20 % SpezialisierungsGVO, 25 % F&E-GVO, 15 % Horizontalleitlinien für gemeinsamen Einkauf) gerade beabsichtigt und sinnvoll sind48. Dieser sliding scale gibt einen klaren Anhalts­punkt für die Wettbewerbsrisiken und -vorteile der verschiedenen Vereinbarungen. Forschung und Entwicklung (F&E) birgt eben geringere Risiken für den Wettbewerb bzw. bringt weitreichendere dynamischer Effizienzen und höhere Chancen für den Innovationswettbewerb mit sich als Einkaufsvereinbarungen. Insoweit ist es wettbewerbspolitisch gerade sinnvoll, für F&E weniger strenge Regelungen einzuführen, um dadurch Innovationen zu fördern. Dasselbe gilt für unterschiedliche Risiken und Chancen horizontaler und vertikaler Vereinbarungen, die gegen eine Angleichung an die Marktanteilsschwellen der Vertikal-GVO sprechen, so sehr ein Gleichlauf auch wünschenswert wäre, um teils schwierige Abgrenzungsfragen zwischen beiden Regelungsmechanismen entbehrlich werden zu lassen. Horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen wohnt grundsätzlich ein bedeutend höheres wettbewerbspolitisches Gefährdungspotential inne als vertikalen Vereinbarungen49, da diese zu einem verringerten Wettbewerb zulasten der Marktgegenseite führen50, während vertikale Vereinbarungen demgegenüber erhebliche Effizienzgewinne ermöglichen51. Ebenso wenig ist eine Angleichung an die Schwellenwerte der Fusionskontrolle wettbewerbspolitisch erforderlich. Eine Angleichung der materiellen Schwellenwerte würde die schwierige Abgrenzung zwischen Einkaufskooperation und kooperativen Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen, für die das Verfahren der FKVO gilt, nicht obsolet machen52. Vor allem unterscheiden sich aber die Effizienzen und Risiken zwischen Kooperationen und Fusionen stark voneinander, da eine vollständige Fusion grundsätzlich höhere Synergieeffekte als eine punktuelle Kooperation mit sich bringt53. 47  EuroCommerce,

Stellungnahme, S. 4. Stellungnahme, S. 3: „this sliding scale of risk is useful“. 49  Vertikalleitlinien, Rn.  98; BKartA, Hinweise zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels v. 25.1.2017, Rn. 23. 50  Vgl. Baron, in: LMR, Einf. Vertikal-GVO, Rn. 2. 51  Vertikalleitlinien, Rn. 6; vgl. zudem zur selbstdisziplinierenden Wirkung vertikaler Vereinbarungen, Vertikalleitlinien, Rn. 98 f. 52  S.u. § 4 A. IV. 2. 53  Kersting, in: LMR, Anhang zu § 1 GWB Gemeinschaftsunternehmen, Rn. 14. Letztlich stellt auch Erwägungsgrund 32 der FKVO zur 25 %-Marktanteilsschwelle in 48  Ashurst,



A. Kritik an den Horizontalleitlinien251

Letztlich setzt die Kommission Einkaufs- und Vermarktungsvereinbarungen innerhalb der Horizontalleitlinien gleich, indem sie beiden einen safe harbour mit einem Marktanteil i. H. v. 15 % zuweist54. Auch das mag mit Blick auf unterschiedliche Gefahren oder Effizienzen zwischen beiden Vereinbarungen vereinzelt kritisiert werden55, die spiegelbildliche Anwendung eines einheitlichen Schwellenwertes ist aber im abgestuften System der Horizontalleitlinien nur konsequent. Darüber, warum die gemeinsame Produktion mit 20 % einen höheren Schwellenwert zugewiesen bekommt, kann mangels näherer Begründung nur spekuliert werden56. Aus Sicht der Kommission mag diese höhere Effizienzen mit sich bringen als ein gemeinsamer Einkauf oder eine gemeinsame Vermarktung. Ob dies tatsächlich der Fall ist, sodass eine unterschiedliche Marktanteilsschwelle gerechtfertigt ist, erfordert einen ausführlichen Vergleich der ökonomischen Risiken beider Arten von Vereinbarungen und lässt sich pauschal kaum beantworten. Die Unterscheidung lässt dennoch Zweifel aufkommen, auf welcher Grundlage die Kommission die Marktanteilsschwellen in den Horizontalleitlinien bestimmt hat und ob sie tatsächlich mehr als willkürliche Daumenregeln sind. bb) Die Höhe der Marktanteilsschwelle der Horizontalleitlinien im Vergleich zur US-Praxis Darüber hinaus bemühen andere Stimmen einen Vergleich zur US-Praxis, die eine Marktanteilsschwelle von 20 % vorsieht57. Tatsächlich ist die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen in den USA komplexer und setzt nicht allein an einer Marktanteilsschwelle an58. Zudem sind unreflektierte „Rechtstransplantationen“ aufgrund der großen Unterschiede der Kartellrechtssysteme zumindest mit Vorsicht zu genießen und erfordern jedenfalls eine eingehende Analyse der Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Rechtssysteme. der Fusionskontrolle explizit darauf ab, dass diese Regelung nur für die Fusionsprüfung, nicht aber für eine Prüfung im Rahmen des Kartellverbots gilt („unbeschadet der Artikel 81 und 82 des Vertrags“). 54  Vgl. Rn. 240 HLL. 55  Vgl. Raeder, S. 60, der die wettbewerblichen Gefahren, die von Einkaufsvereinbarungen ausgehen, höher einschätzt als die von Vermarktungsvereinbarungen, da Letztere weitaus anfälliger für cheating seien. 56  Weidt, S. 78 will den Unterschied darin begründet sehen, dass „eine horizontale Zusammenarbeit umso gefährlicher [sei], je näher sie am Verbraucher [liege]“. 57  ICC, Stellungnahme, S. 11; EuroCommerce, Stellungnahme, S. 4 mit Verweis auf FTC & DoJ, Antitrust guidelines for collaborations among competitors, April 2000; section 4.2. 58  Zur sog. „35/20“-Regel in der US-Praxis s. u. § 5 C. II. 1. cc).

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

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cc) Die Höhe der Marktanteilsschwelle der Horizontalleitlinien mit Blick auf die positiven Wirkungen von Einkaufskooperationen und der Vermeidung eines chilling effect Im Ergebnis ist die Forderung nach einer Erhöhung der Marktanteilsschwelle – ganz unabhängig von dem Argument der Angleichung an andere Schwellenwerte – sinnvoll und zu befürworten. Denn eine Erweiterung des safe harbour erhöht die Handhabbarkeit und die Rechtssicherheit bei der Bewertung von Einkaufskooperationen59. Auch leidet die treffsichere Bewertung wettbewerblicher Risiken und Chancen einer Einkaufskooperation nicht darunter. Denn die 15 %-Schwelle ist nichts anderes als eine Daumenregel, die jedweder ökonomischer Forschungsbasis entbehrt. Sie beruht allein auf der Vermutung, dass die positiven ökonomischen Auswirkungen die negativen Auswirkungen überwiegen werden, wenn Unternehmen mit einem zusammengesetzten Marktanteil von weniger als 15 % eine Kooperation bilden. Dass dies nicht der Fall ist, wird in den nachfolgenden Abschnitten mit Blick auf die ökonomischen Wirkungen von Einkaufskooperationen und den Voraussetzungen wettbewerbsschädigender Nachfragemacht nach den ökonomischen Modellen der Nachfragemacht erläutert. Es wird sich zeigen, dass die Schwelle ohne Weiteres auch bei 20 % oder 25 % liegen kann60. Vor allem aber wird durch einen höheren safe harbour einem wettbewerbspolitisch bedenklichen chilling effect vorgebeugt. Der safe harbour mit einem Marktanteil i. H. v. 15 % soll zwar offiziell nur grober Orientierungspunkt sein. Denn auch bei höheren Marktanteilen ist nicht zwangsläufig von einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung auszugehen, wie die Horizontalleitlinien explizit betonen61. Faktisch wirkt er dennoch auf die sich selbstbewertenden Unternehmen als Scheidepunkt zwischen einer nach Art. 101 Abs. 1 AEUV zulässigen Gestaltung und einer Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV, die nur unter engen Voraussetzungen einer Beweislastverteilung zulasten der Unternehmen und unter einem strengen Beweismaßstab möglich ist. Auf diese werden sich Unternehmen nur ungern einlassen. Als Konsequenz werden eigentlich zulässige und effiziente Einkaufskooperationen gar nicht erst umgesetzt oder sie werden auf einen weniger effizienten Umfang herabgestutzt. Diese Einschätzung resultiert auch daraus, dass die Horizontalleitlinien die Grenzen zwischen Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV in Rn. 208 HLL nicht klar genug herausarbeiten, sondern verwischen. Der aktuelle safe harbour mit einem Marktanteil i. H. v. 15 % wirkt folglich als zu 59  BDI,

Stellungnahme, A., S. 3; Bird&Bird, Stellungnahme, 5., S. 6. § 5 C. II. 2. 61  Vgl. Rn. 209 HLL. 60  S.u.



A. Kritik an den Horizontalleitlinien253

enge Barriere einer kartellrechtlich zulässigen Ausgestaltung von Einkaufskooperationen und verstärkt damit einen chilling effect. dd) Zwischenergebnis Es existieren neben den oben angeführten Scheinargumenten zur fehlenden Vergleichbarkeit mit anderen Marktanteilsschwellen auch reichlich überzeugende Argumente, die gegen die 15 %-Schwelle und für eine Erhöhung derselben sprechen. Eine solche kann freilich nur de lege ferenda – hier verstanden als Modifizierung der Horizontalleitlinien – erfolgen. Bis dahin sollte der safe harbour als das verstanden werden, was er trotz aller Kritik und der Schwierigkeit, die Marktanteile sowohl auf den Einkaufs- als auch auf den Verkaufsmärkten zu bestimmen, noch immer ist: ein bedeutsamer Richtwert, der gegenüber der Kommission, für Rechtssicherheit sorgt62. c) Fokus auf Beschaffungs- und Absatzmarkt Als weiterer Kritikpunkt an den Horizontalleitlinien wird deren Fokus auf beide Märkte – den Beschaffungs- sowie den Absatzmarkt – angeführt. Teilweise wird gefordert, nicht beide Märkte, sondern allein die Marktanteile auf den Beschaffungsmärkten zu betrachten63. Ansonsten würden Einkaufskooperationen großer Unternehmen regelmäßig in den Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV fallen64. Diese Argumentation überzeugt allerdings nicht. Im zweiten Kapitel wurde aufgezeigt, wie wichtig es ist, die Wechselbeziehungen zwischen beiden Märkten bei der kartellrechtlichen Bewertung zu berücksichtigen65. Sind die Verkaufsmärkte durch heftigen Wettbewerb geprägt, ist zu erwarten, dass die Kooperation ihre auf den Beschaffungsmärkten erlangten Kosteneinsparungen an die Kunden weitergeben wird66. Ein Faktor, der spätestens im Rahmen der Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV relevant wird. Ebenso ist es gerade die Struktur des Absatzmarktes, welche die Wahrscheinlichkeit eines kartellrechtswidrigen Verhaltens, insbesondere einer Kollusion, mitbestimmt67. Daher ist es sowohl für die Bewertung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen i.  R.v. Art. 101 Abs. 1 bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 11. Kommission, Overview of the Feedback Received from Stakeholders in the Public Consultation on the Draft Texts Published in 2010, Rn. 41; BDI, Stellungnahme, S. 4; Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 456. 64  BDI, Stellungnahme, A. II. 5., S. 14; vgl. Mischitz, S. 198. 65  S. o. § 2 B. II. 4. und § 2 C. I. 1. 66  S. o. § 2 B. II. 4.; vgl. Rn. 201 HLL. 67  Vgl. Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 43 (1991). 62  Vgl. 63  Vgl.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

AEUV als auch zur Bestimmung der Spürbarkeit entscheidend, auf beide Märkte abzustellen68. Diese Kritik erweist sich damit als wenig stichhaltig. Sie gibt aber Anlass, darüber zu diskutieren, ob ein Marktanteil von 15 % sowohl auf den Beschaffungs- als auch den Absatzmärkten eine sinnvolle Höhe darstellt, was teilweise in Frage gestellt wurde69. Zudem erinnert sie daran, in der folgenden Untersuchung stets zu hinterfragen, welche Faktoren tatsächlich relevant sind, um die Wirkungen von Einkaufskooperationen und Nachfragemacht beurteilen zu können. d) Marktanteilsschwelle als einziges Kriterium Das leitet über zu einem entgegengesetzten Kritikpunkt am System der Horizontalleitlinien. Zuweilen wird es als kritisch angesehen, den Marktanteil als alleinigen Maßstab für Marktmacht anzusehen. So äußerte das Europäische Parlament bereits im Jahr 2000 zum Entwurf der Horizontalleitlinien 2001 seine Bedenken, ausschließlich Marktanteilsschwellen als Indikator für Marktmacht zu verwenden. Stattdessen forderte sie die Kommission auf, „zusätzliche Instrumente für eine exaktere Einschätzung solcher Marktmacht zu prüfen“70. Hier gilt das soeben Gesagte entsprechend: Im Laufe der folgenden Untersuchung muss der Blick auf weitere von der Rechtsprechung für relevant erklärte Kriterien gerichtet werden sowie hinterfragt werden, welche weiteren Kriterien für eine treffsichere kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen erforderlich sind, ohne dass sie die Prüfung unnötigerweise erschweren71. Das gilt gerade vor dem Hintergrund, dass auch die exakte Bestimmung von Marktanteilen schon nicht immer leicht ist. Werden die Horizontalleitlinien darüber hinaus mit zusätzlichen Kriterien überfrachtet, könnten sie ihre ursprüngliche Funktion als Leitfaden und Orientierung für Unternehmen und deren Rechtsberater verlieren. Eine an ihnen orientierte Prüfung würde sich kaum von einer umfassenden Einzelfallanalyse anhand des Art. 101 Abs. 3 AEUV unterscheiden und nur in beschränktem Maße für ein Mehr an Rechtssicherheit sorgen.

68  Vgl.

dazu unter § 4 C. II. § 4 D. II. 4. b) bb) und § 4 D. II. 8.; Bird&Bird, Stellungnahme, 5.1., S. 6 halten den Marktanteil auf den Absatzmärkten für relevanter, da dieser darüber entscheidet, ob die Einkaufsvorteile an die Verbraucher weitergegeben werden oder nicht; Clifford Chance, Stellungnahme, 4.13., S. 7 schlagen vor, dass die Marktanteilsschwelle auf den Absatzmärkten mindestens 20 % betragen sollte. 70  Entschließung des Europäischen Parlaments, a. a. O. (Fn. 39), Rn. 6. 71  § 5 C. II. 1. b). 69  S.u.



A. Kritik an den Horizontalleitlinien255

2. Die Beispielsfälle Die Horizontalleitlinien erfüllen noch immer nicht das Bedürfnis der Unternehmen und Beratungspraxis an Beispielsfällen, insbesondere aus dem „weißen und grauen Bereich“. Sie sollen nicht nur die klar unzulässigen Verhaltensweisen kennzeichnen, sondern ebenso Stellung zu den zulässigen Verhaltensweisen und den besonders problematischen Grenzfällen nehmen72. Dieses Bedürfnis resultiert daraus, dass aktuelle Kommissionspraxis, vor allem aber Gerichtsentscheidungen zu Einkaufskooperationen fehlen. Vor Einführung des Systems der Legalausnahme entstand durch die veröffentlichten Einzelfallentscheidungen, die teilweise durch den EuGH überprüft wurden, ein konsistentes System, das ungeklärte Rechtsfragen gelöst hat73. Diese Rechtsfragen bewegten sich überwiegend im komplexen und besonders klärungsbedürftigen Graubereich zwischen kartellrechtlich zulässigen und unzulässigen Vereinbarungen74. Die Horizontalleitlinien führen hingegen nur Beispielsfälle unproblematischer Kartellrechtsanwendung an. Die drohenden Konsequenzen zu geringer Orientierungshilfe durch Gerichte und Wettbewerbsbehörden sind im Rahmen der Selbsteinschätzung groß: das positive wirtschaftliche Potential der Zusammenarbeit wird vielfach nicht genutzt werden75. Daher soll zumindest ein Teil der Graubereiche in den folgenden Abschnitten einer Lösung zugeführt werden76.

III. Kritik an der Dogmatik der Horizontalleitlinien In dogmatischer Hinsicht stoßen die Horizontalleitlinien in Bezug auf den more economic approach auf Kritik. 1. Kritik am more economic approach Die Horizontalleitlinien fußen auf dem more economic approach. Ein schwieriges Unterfangen, wenn die ökonomischen Grundlagen – wie im zweiten Kapitel dargestellt – nebulös sind77. Neben der allgemeinen Kritik 72  GRUR,

Stellungnahme, GRUR 2010, 897, 898. GRUR 2012, 107, 107. 74  Bechtold, GRUR 2012, 107, 107. 75  GRUR, Stellungnahme, GRUR 2010, 897, 898; zum chilling effect siehe bereits oben unter § 3 A. IV. 76  S.u. § 4 C. IV. 4. 77  Vgl. Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 3. 73  Bechtold,

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

an diesem Ansatz78 stößt sich die Kritik speziell daran, dass nunmehr die wettbewerblichen Auswirkungen im Mittelpunkt stehen, während die bisherige Rechtsprechung noch der Freiheit der Kooperationsmitglieder (insbesondere dessen Beschränkung durch einen Bezugszwang) eine entscheidende Rolle zugemessen hat79. Weiter liegt die Zielrichtung der Horizontalleitlinien allein beim Wohl des Verbrauchers, während der Schutz der Hersteller und Lieferanten, des Wettbewerbs als solcher und seinen Strukturen keine Relevanz zugemessen wird. Auf diese Aspekte wird, da sie den Widerspruch zwischen Horizontalleitlinien und Rechtsprechung betreffen, in Abschnitt D. näher eingegangen80. 2. „Less economic approach“ Andererseits verwundert die aktuelle Fassung der Horizontalleitlinien, da sie an manchen Stellen ökonomische Wertungen nicht mehr mit einbezieht. Statt eines more economic approach scheinen die neuen Leitlinien im Vergleich zur alten Fassung aus dem Jahr 2001 einen „less economic approach“ zu verfolgen. Zum einen verzichtet die Kommission in den Horizontalleitlinien 2011 auf den Herfindahl-Hirshman-Index (HHI) bei der kartellrechtlichen Bewertung von Marktanteilen und Konzentration. Möglicherweise reagiert die Kommission damit auf die zunehmende Kritik in den USA am HHI und seiner mangelnden Bedeutung81. Kritisch gegenüber dem HHI anzumerken ist, dass er nur teil-monopolistische Strukturen ausreichend erfasst, die häufigeren Oligopole hingegen nicht82. Zudem gelingt eine Berechnung nur mit den Daten aller führenden Unternehmen, die oftmals nicht zu beschaffen sind83. Der Verzicht auf den HHI ist aber insoweit unverständlich, als dass der Index in der Fusionskon­trolle weiterhin genutzt wird84. Scheinbar wollte sich die 78  Vgl. nur Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Teil 1, Einleitung C, Rn.  28 ff.; Möschel, JZ 2009, 1040 ff. m. w. N. 79  S. o. § 3 B. II. 2. 80  S.u. § 4 D. II. 4. 81  So sagte die Leiterin der Antitrust Division des DoJ, AAG Christine Varney: „guidelines overstate the importance of HHIs in merger analysis“, vgl. Varney. Zu Zweifeln an der praktischen Bedeutung vgl. auch A. Christiansen, S. 148. 82  Am Beispiel verdeutlicht vgl. I. Schmidt/Ries, WuW 1983, 525, 530; bezugnehmend Bueren, WRP 2004, 567, 572. Insoweit entspricht der HHI der Philosophie der Chicago School, die Oligopole tendenziell untergewichtet hat, vgl. Schmidt/Ries, WuW 1983, 525, 530 Fn 6; Bueren, WRP 2004, 567, 573. 83  Bueren, WRP 2004, 567, 572. 84  Kommission, Leitlinien horizontale Zusammenschlüsse, Rn.  16, 19  ff.; zur Anwendung vgl. exemplarisch Kommission, Fall Nr. COMP/M.5075 – Vienna Insu-



A. Kritik an den Horizontalleitlinien257

Kommission nicht auf starre Zahlen festlegen85. Damit bleibt ein Sinnbild der Ökonomisierung des Kartellrechts nunmehr unerwähnt. Rechtssicherheit ist damit jedenfalls nicht gewonnen. Zum anderen erwähnt die Fassung von 2011 den Wasserbetteffekt nicht mehr. Das ist verständlich, da die Möglichkeit eines solchen Effekts ausschließlich in der ökonomischen Theorie aufgezeigt werden konnte86. Die Ausführungen im zweiten Kapitel zeigen, dass ein solcher Effekt in der Realität nur äußerst selten auftritt und die empirischen Untersuchungen klar gegen ein verbreitetes Phänomen sprechen87. Insoweit ist es grundsätzlich zu befürworten, dass auf den Wasserbetteffekt verzichtet wurde. Denn kartellrechtliche Bestimmungen und Auslegungshilfen wie die Horizontalleitlinien sind in regelmäßigen Abständen weiterzuentwickeln und anzupassen, sodass sie die aktuellen, gefestigten und weitgehend anerkannten ökonomischen Theorien reflektieren88. Dennoch ist der Verzicht der Kommission auf dieses Merkmal in dogmatischer Hinsicht bedenklich. Denn entfallen nach den ökonomischen Erkenntnissen die dynamischen Effekte89 und werden bei Verfolgung eines von der Kommission favorisierten Konsumentenwohlfahrtstandards die Beeinträchtigung der Händler in ihren Handlungsfreiheiten nicht berücksichtigt, so sind bei Wegfall des Wasserbetteffekts kaum noch tragfähige Angriffspunkte gegen eine Nachfragemacht des Handels ersichtlich90. Monopson-Modell. Die Horizontalleitlinien lassen nicht zweifelsfrei erkennen auf welchen ökonomischen Analysemethoden sie beruhen91. Rn. 202 HLL (Beispielsfall 2) lässt allerdings erahnen, dass auch das Monopson-Modell „Mutter des Gedankens“ ist92. Sie sind allerdings nicht eindeutig, da eine Reduktion der Einkaufsmenge gerade nicht ausdrücklich erwähnt wird. Eine reservierte Haltung gegenüber dem Monopson-Modell erscheint nach dem rance Group/EBV, ABl. 2004 C 229/13; zur Argumentation vgl. auch Clifford Chance, Stellungnahme, 4.24. 85  Zur vereinzelt zurückhaltenden Anwendung des HHI durch die Kommission vgl. den Vorwurf der Klägerin in EuG, Urt. v. 7.6.2013, T-405/08 – Spar Österreich, ECLI:EU:T:2013:306, Rn.  63 ff. 86  Inderst/Valletti, 59 J. Ind. Econ. 1 (2011); Inderst, Int. J. of Industrial Organization 2007, Vol. 25, Issue 5, S. 908; Dobson/Inderst, ECLR 2007, 393; vgl. dazu bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 10. 87  S. o. § 2 A. II. 2. d) bb); Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 10 f. 88  Kerber, in: FS Möschel, S. 341, 346. 89  S. o. § 2 A. III. 90  Vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 11; vgl. Ezrachi/Ioannidou, ECJ 2014, 69, 72 ff. 91  Vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 6; zustimmend Raeder, S. 158. 92  Vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 6; zustimmend Raeder, S. 158.

258

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

im zweiten Kapitel herausgearbeiteten Erkenntnissen zu seinem nur eng umgrenzten Anwendungsbereich angebracht93. Dennoch: eine gänzliche Verneinung erscheint nicht sinnvoll. In der Konsequenz gilt es besonders auf die Voraussetzungen des Monopson-Modells zu achten. Sind diese erfüllt, wird die Einkaufskooperation aber auch stets von den Horizontalleitlinien erfasst. Denn das Monopson-Modell setzt einen erheblichen Marktanteil auf dem Einkaufsmarkt von über 35 % voraus, der ohnehin den safe harbour der Horizontalleitlinien überschreitet. 3. Einkaufskooperationen und Nachfragemacht Die Horizontalleitlinien gehen wie selbstverständlich vom Zusammenhang zwischen Einkaufskooperation und Nachfragemacht aus. Dem ist im Grundsatz zuzustimmen. Allerdings sollten auch die Voraussetzungen und Schwierigkeiten einer Gleichsetzung berücksichtigt werden, wie sie im zweiten Kapitel herausgearbeitet wurden94. Insbesondere kann das Erfordernis einer Abstimmung zwischen den Mitgliedern dazu führen, dass eine Einkaufskooperation ihre Nachfragemacht nicht mit der gleichen Intensität ausüben kann wie einzelne oder fusionierte Unternehmen. Die Marktstrukturen und -bedingungen sollten daher auch daraufhin untersucht werden, ob sie Kollusionsabweichungen (cheating) und den Bezug an der Kooperation vorbei begünstigen oder unwahrscheinlicher machen95.

IV. Konsequenzen Aus dieser Kritik können zwei Konsequenzen gezogen werden: De lege lata sollten die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Regelungen der Horizontalleitlinien zu Einkaufsvereinbarungen und der Rechtsprechung sorgfältig analysiert werden. Dieser Weg wird in Abschnitt D. beschritten und mündet in Handlungsempfehlungen in Abschnitt E. Zuvor muss jedoch die Bestandskraft der bisherigen Rechtsprechung überprüft und gegebenenfalls im Lichte des gewandelten Kartellrechtssystems neu interpretiert werden (B.). De lege ferenda können aus dieser Kritik weitreichende Verbesserungsvorschläge erwachsen. Diese werden im fünften Kapitel erarbeitet.

§ 2 A. II. 2. b) aa) (2); vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 7. A. II. 2. c). 95  Zu den Einflussfaktoren der Stabilität kollusiven Verhaltens siehe oben unter § 2 C. I. 1. sowie Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 135 m. w. N. 93  S. o. 94  § 2



B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit259

B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit Mit Blick auf die weitreichenden Veränderungen im Kartellrecht Anfang des Jahrtausends96 stellt sich die Frage: Hat die alte Rechtslage, die auf einzelne Entscheidungen aus den Jahren 1968 bis 2001 zurückgeht, heute noch Bestand? Welche Aussagekraft kommt den bisherigen Entscheidungen zu Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV, die den Bezugszwang und damit die Handlungsfreiheit der Kooperationsmitglieder in den Mittelpunkt der kartellrechtlichen Bewertung rücken, noch zu? Die Erkenntnisse zur alten Rechtslage97 bedürfen einer erneuten Überprüfung vor dem Hintergrund der weitreichenden Veränderungen, um eine zeitgemäße Antwort auf die Frage nach der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen formulieren zu können. Geprägt wird die Rechtsprechung dabei insbesondere von der zunehmenden Ökonomisierung und der Einführung des Systems der Legalausnahme.

I. Ökonomisierung Der more economic approach der Kommission, die Ökonomisierung des Kartellrechts, könnte auch auf die europäischen Gerichte Einfluss haben. Die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen könnte dann in der Begründung, aber auch im Ergebnis zur alten Rechtslage divergieren. 1. Entstehung des more economic approach und Entwicklungslinien Die Kommission verfolgte in ihren frühen Jahren einen sehr formalen Ansatz98. Seinen Anfang nahm der neue Ansatz im Jahr 1999, als der damalige Kommissionspräsident Mario Monti eine Neuausrichtung hin zu mehr Ökonomie propagierte99 und im Weißbuch über die Modernisierung der 96  S. o.

§  3 A. § 3 B. II. 98  Vgl. Roth, in: Schmidtchen/Albert/Voigt, S. 37, 47 ff. 99  Vgl. M. Monti, EU Competition Policy, Speech/02/533: „I should like to underline that an increased economic approach in the interpretation of our rules was, indeed, one of my main objectives when I took on my new responsibilities as Competition Commissioner three years ago.“, vgl. auch die weiteren Nachweise bei Behrens, in: FS Möschel, S. 115, 119; ders., § 9, Rn. 406; vgl. dazu auch A. Christiansen, Fusionskontrolle, S. 22. Nachdem die bisherigen Kommissionspräsidenten überwie97  S. o.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Vorschriften zur Anwendung von Art. 85 und 86 EGV erstmals festschrieb100. Befeuert wurde seine Umsetzung im Jahr 2002, als das EuG im Zeitraum von nur drei Monaten drei Kommissionsentscheidungen (Airtours101, Schneider Electric102 und Tetra Laval103) wegen fehlerhafter ökonomischer Tatsachenaufarbeitung und Wertungen aufgehoben hat104. Seitdem verfolgt die Kommission in zahlreichen Verordnungen und Leitlinien den more economic approach. Dazu gehören die Vertikalleitlinien und Leitlinien zur Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV. Darüber hinaus zeigt sich der more economic approach in den Horizontalleitlinien, nach denen verstärkt die Auswirkungen auf den Wettbewerb und Effizienzgewinne berücksichtigt werden sollen105. In der Fusionskontrollverordnung 139/2004 (FKVO) wird der Marktbeherrschungstest durch den SIEC-Test106 als ökonomischeres Verfahren zur kartellrechtlichen Bewertung ersetzt, bei dem nachgewiesen werden muss, dass der Zusammenschluss zu keiner erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führt107. Dabei werden in Abkehr vom bisherigen Marktbeherrschungstest, der auf Marktstrukturen abstellte, nunmehr die Marktergebnisse betrachtet108. Auch bei der Marktabgrenzung sollen verstärkt empirische Analysemethoden eingesetzt werden109. Insbesongend Rechtswissenschaften oder Politik studiert hatten, war Mario Monti der erste Ökonom, der dieses Amt innehatte, vgl. Witt, S. 34. 100  Kommission, Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag, ABl. 1999 C 132/1, Rn. 78: „Bei der Behandlung von Einzelfällen wird die Kommission bei der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 einem stärker wirtschaftlichen Ansatz folgen, wodurch der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf Unternehmen mit einer gewissen Marktmacht beschränkt werden wird“; vgl. Mohr, S.  422 f. 101  Kommission, Entsch. v. 22.9.1999, Fall Nr.  IV/M.1524 – Airtours/First Choice, ABl. 2000 L 93/1; EuG, Urt. v. 6.6.2002, T-342/99 – Airtours, Slg. 2002 II-2585. 102  Kommission, Entsch. v. 10.10.2001, COMP/M.2283 – Schneider/Legrand, ABl. 2004 L 101/1; EuG, Urt. v. 22.10.2002, T-310/01 – Schneider Electric, Slg. 2002 II-4071. 103  Kommission, Entsch. v. 30.1.2002, COMP/M.2416 – Tetra Laval/Sidel, ABl. 2004 L 43/13; EuG, Urt. v. 25.10.2002, T-5/02 – Tetra Laval, Slg. 2002 II-4381. 104  Vgl. Witt, S. 27, die insofern treffend vom „annus horribilis“ spricht; vgl. dazu auch van den Bergh/Camesasca, S. 3; Kling/Thomas, § 2, Rn. 41; Wolters, S. 73; Röller, in: Modelling European Mergers, S. 11, 13. 105  S. o. § 3 C. III.; BKartA, Diskussionspapier v. 9./10.10.2000, S. 24 f. 106  SIEC steht für significant impediment to effective competition. 107  Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art.  2 FKVO, Rn.  183; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB, Rn. 21; Wurmnest, S. 202; Röller, in: Monopolkommission, Colloquium, S. 37, 38 und 39. 108  Instruktiv dazu Zimmer, Vortrag Kirchner, S. 10 ff. 109  Vgl. Schwalbe/Zimmer, S.  172 ff.; Wurmnest, S. 202.



B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit261

dere im Rahmen von Art. 102 AEUV wird nunmehr eine wirtschaftlichere Betrachtungsweise an den Tag gelegt110. Diese inhaltliche Neuausrichtung spiegelt sich auch in der Praxis wider: Die Kommission verstärkte sich mit zahlreichen Ökonomen, die in den jeweiligen case teams mitarbeiten und setzte einen Chefökonomen ein111. 2. Fragen zum more economic approach Begriff und Inhalt des more economic approach soll sich in Form klassischer Fragen genähert werden. a) Was? – Begriff und Ausprägungen des more economic approach Der schillernde Begriff des more economic approach ist in aller Munde112. Was aber genau verbirgt sich dahinter? Es zeigt sich schnell, dass zahlreiche unterschiedliche Prinzipien und Vorgänge unter diesen Begriff gefasst werden können113. Eine genauere Begriffsbestimmung ist daher unvermeidlich. Im Wesentlichen sind drei Ausprägungen zu unterscheiden: aa) Implementierung ökonomischer Erkenntnisse Zweifelsfrei bedeutet more economic approach, dass die kartellrechtliche Bewertung durch ökonomische Erkenntnisse angereichert werden soll114. Dabei können ökonomische Erkenntnisse bereits auf der normativen Ebene der Regelbildung durch den Gesetzgeber implementiert werden115. Beispiele 110  Mitteilung der Kommission, Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen, ABl. 2009 C 45/7; vgl. Wurmnest, S.  205 f.; Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 17. 111  S. o. §  3 A. II. m. w. N. 112  Vgl. aus der Flut an Literatur nur C. C. v. Weizsäcker, WuW 2007, 1078; Böge, WuW 2004, 726; Basedow, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 114 (2007), 4; Röller, in: Monopolkommission, Colloquium, S. 37; Fuchs, ZWeR 2007, 369; Bueren, WRP 2004, 567; Budzinski, in: FS Eickhof, S. 15; Künzler. 113  Vgl. Haucap, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 114 (2007), S. 12, 12. 114  Palatzke, S. 157; Kerber, in: FS Möschel, S. 341, 344; vgl. Basedow, in: Basedow/Wurmnest, S. 1, 5. 115  Zu dieser Unterscheidung vgl. Zimmer, Thesen.

262

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

dafür sind der SSNIP-Test für die Marktabgrenzung116 oder die Anwendung des SIEC-Tests oder des Herfindahl-Hirschman-Index (HHI) in der Fusionskontrolle. Genauso gut können aber auch die Gesetzesanwender bei der Gesetzesauslegung verstärkt ökonomische Erkenntnisse nutzen. Der more economic approach soll die Anwender von Wettbewerbsregeln dazu bewegen, die Regeln vor einem ausdifferenzierten ökonomischen Hintergrund anzuwenden. Ob eine Vereinbarung, ein Verhalten oder ein Zusammenschluss eine wesentliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs erzeugt oder aber die Effizienz der beteiligten Unternehmen steigert, soll nach den jeweils anerkannten ökonomischen Analysekriterien festgestellt werden117. bb) Wirkungsbasierter Ansatz (effects based approach) Daneben wird der Begriff des more economic approach nur allzu oft benutzt, um zu beschreiben, dass Effizienzgesichtspunkte eine größere Rolle spielen müssen. Damit wird er zum Synonym für einen effects based approach. Im Unterschied zum form based approach rücken nicht abstrakt-generalisierende Normen und deren Auslegung, sondern die Untersuchung der Wirkungen im Einzelfall in den Mittelpunkt118. Dieser wirkungsbasierte Ansatz wird auch in den Horizontalleitlinien mit ihrem Fokus auf anhand von Marktanteilen bemessene Marktmacht verfolgt. cc) Konsumentenwohlfahrt (consumer welfare) Letztlich wird der Begriff des more economic approach häufig mit der wettbewerbsrechtlichen Perspektive der Konsumentenwohlfahrt (consumer welfare) verknüpft119. Dabei stehen sich zwei Perspektiven gegenüber: der sog. consumer welfare standard und der total welfare standard. Der Konsumentenwohlfahrtsansatz erachtet allein solche wettbewerbspolitischen Maßnahmen für sinnvoll, die der Maximierung der Konsumentenrente dienen120. 116  SSNIP = Small but Significant Non-transitory Increase in Price; vgl. dazu näher unter § 4 C. I. 1. a). 117  Stopper, S. 156 zum Zusammenschluss. 118  Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 474; Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 17; Kerber, in: FS Möschel, S. 341, 344. 119  Möller, S.  16 f. m. w. N. sowie S.  233; Palatzke, S. 156; Albers, in: Ahrens/ Behrens/v. Dietze, Marktmacht und Missbrauch, S. 11, 12 m. w. N. 120  Vgl. Höft, S. 68; vgl. Möller, S. 47 zu den verschiedenen Ausprägungen des consumer welfare-Standards.



B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit263

Konsumentenrente meint, wie im zweiten Kapitel erläutert121, die Differenz zwischen dem Preis, den ein Konsument maximal bereit wäre für ein Produkt zu zahlen und dem tatsächlichen Marktpreis122. Eine Steigerung der Konsumentenwohlfahrt liegt daher insbesondere vor, wenn bei gleichbleibenden Leistungen die Preise fallen123. Darüber hinaus werden aber auch Qualitätsund Innovationsverbesserungen zu gleichen Preisen erfasst124. Demgegenüber statuiert der total welfare standard die Maximierung der Gesamtwohlfahrt zum wettbewerbspolitischen Ziel125. Demnach ist die Summe aus Konsumenten- und Produzentenrente maßgeblich. Dabei gilt es zu betonen, dass sich der more economic approach selbst nicht auf eine der Wohlfahrtsper­spektiven festlegt, sondern allein ein „Mehr an Ökonomie“ fordert126. Das Verständnis resultiert vielmehr aus der Entscheidung der Kommission, die einen consumer welfare standard verfolgt, wie sich in Bezug auf Art. 101 AEUV etwa in ihren Vertikalleitlinien und Freistellungsleitlinien zeigt127. Aufgrund dieser Nähe wird der more economic approach allerdings unweigerlich mit dem Bekenntnis zur Konsumentenwohlfahrt verknüpft. b) Warum? – Vor- und Nachteile des more economic approach Die Diskussion um die Vor- und Nachteile des more economic approach ist ebenso wie seine Ausprägungen vielschichtig und sollte entsprechend differenziert geführt werden.

121  S. o.

§ 2 A. II. 2. b) aa) (1). wurde maßgeblich vom Ökonomen Alfred Marshall geprägt, vgl. I. Schmidt/Haucap, S. 123; Knieps, S. 129; Motta, S. 18. 123  Motta, S. 18; Höft, S. 68. 124  Palatzke, S. 82. 125  Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 475; vgl. darstellend Hertfelder, S. 193; Höft, S. 68. 126  Vgl. etwa Möller, S. 38 m. w. N.; vgl. etwa zur Diskussion bei der Fusionskontrolle pro total welfare Oldale/Padilla, 55 Antitrust Bull. 953 (2010). 127  Vertikalleitlinien: „Der Schutz des Wettbewerbs zum Wohle der Verbraucher und zur effizienten Verteilung der Ressourcen ist das Hauptziel der EG-Wettbewerbspolitik“ und Freistellungsleitlinien, Rn. 13: „Artikel 81 soll den Wettbewerb im Markt schützen, um den Wohlstand der Verbraucher zu fördern und eine effiziente Ressourcenallokation zu gewährleisten“; darüber hinaus finden sich Hinweise in den Erläuterungen zum Behinderungsmissbrauch, ABl. 2009 C 45/7 Rn. 5 und den Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, Rn. 8; vgl. Palatzke, S. 114. 122  Sie

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

aa) Implementierung ökonomischer Erkenntnisse Soweit es darum geht, ökonomische Erkenntnisse für die kartellrechtliche Bewertung fruchtbar zu machen, ist dies grundsätzlich zu begrüßen. Dies bringt eine höhere Operationalität mit sich, die wettbewerbsschädliches Verhalten treffgenauer erfasst und die Entscheidungspraxis transparenter macht128. In praktischer Hinsicht ist damit aber unweigerlich auch die Gefahr einer wesentlich komplexeren Handhabbarkeit verbunden. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die ihr Verhalten selbst bewerten müssen, aber auch für Gerichte der Mitgliedstaaten, die – so lautet ein Vorwurf – künftig auf die Hilfe der Kommission angewiesen sein werden, um negative Marktauswirkungen feststellen zu können129. Beides stößt sich am gewandelten Verständnis des Kartellrechts, das von einer Dezentralisierung statt von einer Zentralisierung der Wettbewerbspolitik bei der Kommission ausgeht130. Diese Kritik zeigt, dass sich nicht jede theoretische ökonomische Erkenntnis ohne Weiteres in die rechtliche Bewertung implementieren lässt, sondern eine Beschränkung auf handhabbare Kriterien nötig ist. bb) Wirkungsbasierter Ansatz (effects based approach) Was die Diskussion zwischen einem wirkungsbasierten Ansatz nach dem more economic approach und einem form basierten Ansatz betrifft, ist umstritten, ob die Wirkungen auf den Wettbewerb oder aber die Beschränkung der Handlungsfreiheit Ansatzpunkt der wettbewerblichen Würdigung sein sollen. Nach dem effects based approach sollen durch die Analyse der Wirkungen von Wettbewerbsbeschränkungen exaktere Bewertungen als nach dem form based approach ermöglicht werden131. Demgegenüber wird seine Operationalität angezweifelt, der zu Rechtsunsicherheit führt132.

128  Wurmnest, S. 221; Bishop/Marsden, ECJ 2006, 1  ff.; Albers, in: Ahrens/ Behrens/v. Dietze, Marktmacht und Missbrauch, S. 11, 13 f.; Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 17. 129  Mestmäcker, in: FS Möschel, S. 409, 421. 130  Mestmäcker, in: FS Möschel, S. 409, 421; s. o. § 3 A. III. 131  Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 17. 132  I. Schmidt/Haucap, S.  244 f. m. w. N.



B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit265

cc) Diskussion um den richtigen Wohlfahrtstandard Die Entscheidung der Kommission für einen Konsumentenwohlfahrtstandard soll im Folgenden auf ihre Richtigkeit hin untersucht werden. (1) Grundpositionen Konsumentenwohlfahrtstandard. Befürworter des Konsumentenwohlfahrtstandards finden sich überwiegend in den USA133. Allerdings richten auch die Mehrzahl der Wettbewerbsbehörden ihre Wettbewerbspolitik auf die Konsumentenwohlfahrt aus134, wenn dabei auch das Schutzziel und das Verständnis vom schützenswerten Verbraucher nicht immer einheitlich verstanden wird. Als Hauptargumente für einen Konsumentenwohlfahrtstandard werden seine gerechtere Verteilung und erleichterte Operationalität angeführt. Gesamtwohlfahrtstandard. Demgegenüber sprechen sich die meisten Ökonomen für den Gesamtwohlfahrtstandard aus135. Aus ökonomischer Sicht sei es selbstverständlich, zunächst den gesamten Wohlstand zu maximieren und erst anschließend, in einem zweiten Schritt, die Frage einer gerechten Verteilung zu klären136. Bildhaft gesprochen: der Kuchen müsse erst möglichst groß gemacht werden, bevor er verteilt wird137. (2) Argumentationsstränge Grundentscheidung zugunsten eines Wohlfahrtstandards im europäischen Recht? Ein Streit um den Wohlfahrtstandard wäre weitgehend entbehrlich, wenn das Primärrecht klare Vorgaben zugunsten eines Standards machen würde. Mitunter wird ausgeführt, dass die Gesamtwohlfahrt mit dem europä133  Lande, 34 Hastings L. J. 1, 65 (1982); Salop, 22 Loy. Cons. L. Rev. 336 (2010); vgl. die Nachweise auf die US-Rechtsprechung bei Werden, 74 Antitrust L. J., 707, 724 (2007); vgl. aber auch aus der europäischen Literatur etwa Bishop/Walker, 2-017 und 2-019. Der Begriff wurde geprägt von Bork, The Antitrust Paradox, der allerdings darunter einen aggregierten Wohlfahrtstandard, d. h. einen Gesamtwohlfahrtstandard, verstand (vgl. Salop, 22 Loy. Cons. L. Rev. 336 (2010); Werden, 74 Antitrust L. J., 707, 722 (2007)). 134  Vgl. Motta, S. 20; G. Monti, in: Zäch/Heinemann/Kellerhals, S. 3, 6 f. 135  G. Monti, in: Zäch/Heinemann/Kellerhals, S. 3, 6, 27; Motta, S. 18–22; Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 475; vgl. darstellend Hertfelder, S.  193 f. m. w. N. 136  Carlton, 21 JEP 155, 157 ff. (2007); Kaplow/Shavell, 23 J. Legal Stud. (1994), 667; Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 475; vgl. Hertfelder, S. 194. 137  Blair/Harrison, 79 Cornell L. Rev. 297, 302 (1991); Eidenmüller, S. 171; Möschel, in: FS Mestmäcker, S. 355, 364; vgl. auch T. Müller, S.  64 m. w. N.; Höft, S. 70; Hertfelder, S. 194.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

ischen Recht nicht vereinbar sei138. Insbesondere stehe Art. 101 Abs. 3 AEUV dem entgegen, der gerade davon spricht, dass der Verbraucher am Effizienzvorteil partizipieren muss139. Dasselbe gilt für Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO140. Richtig ist, dass beide Regelungen die Verbraucherinteressen betonen. Darin allein kann aber noch keine Entscheidung für oder gegen ein ökonomisches Modell gesehen werden141. So stellen die Abs. 2 und 3 des Art. 2 FKVO auf den wirksamen Wettbewerb im Gemeinsamen Markt ab und Abs. 1 lit. b) FKVO spricht gerade nur von „berücksichtigen“142. Art. 101 Abs. 3 AEUV betont lediglich, dass der Verbraucher an Effizienzvorteilen zu beteiligen ist143. Darüber hinaus schützt er aber nicht nur den Endverbraucher, sondern jeden Marktteilnehmer der Gegenseite144 und zudem, wie aus seiner vierten Voraussetzung (keine Ausschaltung wesentlichen Wettbewerbs) deutlich wird, auch den Wettbewerb als solchen145. Eine Wertentscheidung für oder gegen einen Wohlfahrtstandard besteht daher nicht. Zum Argument der Operabilität. Die schier überwältigende Anwendungspraxis des Konsumentenwohlfahrtstandards durch Wettbewerbsbehörden hängt sicher mit der praktischen Handhabbarkeit dieses Ansatzes zusammen: Die Konsumentenwohlfahrt weist eine bessere Operabilität auf, die Berechnung der Auswirkungen ist weniger komplex und damit praktikabler, denn es genügt, steigende Preise für die Verbraucher nachzuweisen146. Demgegenüber ist es schwieriger, Effizienzgewinne bei den Produzenten147 oder gar die langfristigen Auswirkungen regulatorischer Maßnahmen auf die gesamte Wirtschaft ermitteln zu wollen148. Insoweit ist der Konsumentenwohlfahrtstandard vorteilhaft. 138  Zimmer,

in: Zimmer, S. 486, 493 ff. 2-017; van den Bergh, in: Schmidtchen/Albert/Voigt, S. 27, 30; Schuhmacher, S.  231 f.; Zimmer, in: Zimmer, S. 486, 493; Behrens, in: FS H-B. Schäfer, S. 457, 468. 140  Vgl. van den Bergh, in: Schmidtchen/Albert/Voigt, S. 27, 30; Schuhmacher, S.  231 f. 141  Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 FKVO, Rn. 335; Böni/Palzer, RIW 2012, 528, 530; a. A. insbesondere mit Blick auf die Missbrauchskontrolle Höft, S.  70 ff. 142  Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 FKVO, Rn. 335. 143  L. Ulmer, S. 22. 144  S. o. § 3 B. III. 2. m. w. N.; Böni/Palzer, RIW 2012, 528, 530. 145  Vgl. FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 34. 146  Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 478; vgl. darstellend Kerber, in: Drexl/Idot/Monéger, S. 93, 102; Motta, S. 22; Glöckner, Rn. 103; Hertfelder, S.  196 f.; Witt, S. 82. 147  Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 478. 148  Motta, S. 21; Hertfelder, S.  197 f. 139  Bishop/Walker,



B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit267

Verbraucherschutz. Nicht zuletzt ist die Ausrichtung auf den Schutz des Verbrauchers – je nach Perspektive – „politische Notwendigkeit“149 oder politisches Kalkül150, und mag die Akzeptanz der europäischen Wettbewerbspolitik erhöhen151. Im Detail wird angeführt, dass Verbraucher besonders schutzwürdig seien, da sie keine eigene Lobby haben und der Schaden durch Wettbewerbsbeschränkungen für sie jeweils zu klein ist, um etwas gegen ihn zu unternehmen152. Die Gewinne der Unternehmen durch Wettbewerbsbeschränkungen, die zahlreiche Verbraucher schaden, sind demgegenüber groß und die Unternehmen hätten Möglichkeiten zum Lobbyismus, für den die Gesamtwohlfahrtsperspektive aufgrund ihrer geringeren Transparenz anfälliger sei153. Dabei ist etwa zu bedenken, dass die Behörden bei Fusionskon­ trollent­ scheidungen überwiegend von den Angaben der Parteien ausgehen154. Diese Argumentation knüpft an die Unzulänglichkeiten der Behörden und Gerichte an, die bei Anwendung des Konsumentenwohlfahrtstandards zu besseren Entscheidungen kämen155. Damit tut sie den mit Spezialisten besetzten Wettbewerbsbehörden ebenso unrecht wie den zumeist bestehenden Spezialgerichten. Auch ist die Anfälligkeit für Lobbyismus bei Behörden, die ein Gesetz anwenden und der Kontrolle durch die Unionsgerichte unterliegen gering156. Zweifelsohne ist Verbraucherschutz ein hohes Ziel – auch des EU-Rechts. Es wird durch zahlreiche Regelungen zugunsten von Verbrauchern umgesetzt. Das Kartellrecht ist jedoch – neueren Entwicklungen zum Trotz157 – kein Verbraucherschutzrecht158. 149  Vgl. darstellend Carlton, 21 JEP 155, 158 (2007); Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 477. 150  Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 478: „das […], eher auf Populismus setzende Argument […], dass in einer Demokratie die Konsumenteninteressen das A und O der Politik darstellen“. 151  I. Schmidt, in: FS Säcker, S. 939, 940. 152  Vgl. instruktiv Motta, S. 20. 153  Neven/Röller, 23 IJIO, 829 (2005); vgl. Hüschelrath, in: Möschel, 50 Jahre GWB, S. 165, 185; darstellend Kerber, in: Drexl/Idot/Monéger, S. 93, 105. 154  Zugunsten der Konsumentenwohlfahrt sprechen aus ökonomischer Sicht: Aufgrund von Informationsasymmetrien zwischen Unternehmen und Wettbewerbsbehörden sei es sinnvoll, einen Konsumentenwohlfahrtsansatz zu verfolgen, weil dadurch die Informationsvorteile der Unternehmen ausgeglichen werden könnten, vgl. Besanko/Spulber, 9 J. L. Econ & Org. (1993), 1; vgl. Motta, S. 21; vgl. Hüschelrath, in: Möschel, 50 Jahre GWB, S. 165, 185 m. w. N.; vgl. darstellend Palatzke, S. 83. 155  Neven/Röller, 23 IJIO (2005), 829; vgl. darstellend Hertfelder, S. 195. 156  Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 478. 157  Vgl. Podszun/Schmieder, in: Kersting/Podszun, Kap. 6, Rn. 121. Mit der 9. GWB-Novelle hat der deutsche Gesetzgeber dem BKartA Kompetenzen im Verbrau-

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Zum Argument der Verteilungsgerechtigkeit. Für den Konsumentenwohlfahrtstandard spreche, dass er dafür Sorge trägt, dass Wohlfahrtsgewinne an Verbraucher als besonders schutzbedürftige Akteure im Wettbewerbsprozess weitergetragen werden. Diese Umverteilung sei im Vergleich zum Gesamtwohlfahrtstandard positiv zu bewerten, da der Nutzen für ärmere Konsumenten höher sei als für reiche Produzenten159. Das mag im Grundsatz stimmen, stößt sich aber zunächst daran, dass Konsumenten nicht zwangsläufig ärmer sind als Produzenten. Als Beispiel sei ein Landwirt erwähnt, der seine Milch aufgrund des Konkurrenzdrucks, der Nachfragemacht großer Supermärkte und der geringen Zahlungsbereitschaft der Konsumenten zu für ihn kaum rentablen Preisen verkaufen muss. Das spricht eher dafür, dass Vorteile der Produzenten (producer surplus) nicht hinter denen der Verbraucher (consumer surplus) zurückstehen, sondern gleich behandelt werden sollten160. Zudem spricht gegen eine solche Argumentation, dass letztlich ohnehin nicht zwischen Konsumenten und Produzenten getrennt werden kann161. Oder ist der erwähnte Landwirt als Produzent von Lebensmitteln nicht zugleich auch Konsument in allen anderen Industriesektoren? Letztlich scheitert die Argumentation aber daran, dass das Kartellrecht gerade nicht zum Verteilungssystem instrumentalisiert werden sollte. Für politische Fragen der Umverteilungen sind andere Systeme besser geeignet, insbesondere das Steuer- und Sozialleistungssystem162. Schließlich wurde cherschutzrecht zugewiesen. Diese beschränken sich jedoch bisher allein auf eine beo­bachtende und beratende Rolle, indem das BKartA nunmehr auch zum Verbraucherschutzrecht Sektoruntersuchungen durchführen und sich als amicus curiae in verbraucherrechtliche Gerichtsverfahren einbringen kann, vgl. Podszun/Schmieder, in: Kersting/Podszun, Kap. 6, Rn. 1 und 78. Weitergehende Befugnisse (insbesondere Sanktionsbefugnisse) erhielt das BKartA allerdings nicht, vgl. dazu Podszun/Schmieder, in: Kersting/Podszun, Kap. 6, Rn. 91 ff. 158  Vgl. auch Kling, Neoliberalismus, S. 80. 159  Vgl. van Doorn, S. 64 m. w. N.; vgl. darstellend Witt, S. 82. 160  Vgl. Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 475. 161  Diesbezüglich wird argumentiert, dass Verbraucher als Aktionäre wiederum an Unternehmen beteiligt sein können, sodass Gewinne an sie zurückfließen, vgl. Motta, S. 18; Carlton, 21 JEP 155, 158 (2007); Schmidtchen, WuW 2006, 6, 10; vgl. darstellend Hertfelder, S. 194; Höft, S. 68. Das überzeugt allerdings nicht, denn die Mehrheit der schützenswerten Verbraucher sind gerade keine wohlhabenden Aktionäre, vgl. darstellend Hertfelder, S. 197 m. w. N., sondern allenfalls in geringem Maße indirekt über Pensions- und Investmentfonds beteiligt, vgl. Bishop/Walker, 2-017; Motta, S. 18 und 21. 162  Kaplow/Shavell, 23 J. Legal Stud. (1994), 667; Blair/Harrison, 79 Cornell L. Rev. 297, 302 (1991); vgl. Eidenmüller, S. 171; Möschel, in: FS Mestmäcker, S. 355, 364; Kerber, in: Drexl/Idot/Monéger, S. 93, 102; Höft, S. 69.



B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit269

Letzteres gerade zu Umverteilungszwecken geschaffen und ist als unmittelbare Maßnahme sinnvoller als eine mittelbare über das Kartellrecht163. Diese Systeme vermögen dabei auch die von der Konsumentenwohlfahrt vorgebrachten Zwecke gezielter zu verwirklichen, die einkommensschwächeren Konsumenten gegenüber den einkommensstarken Konsumenten zu bevorzugen. Durch geringe Preise für alle Verbraucher kommt das Kartellrecht den einkommensstarken Verbrauchern überproportional zugute, da diese grundsätzlich mehr konsumieren164. Damit ist nicht gesagt, dass Steuer- und Sozialsysteme ideale Instrumente darstellen, um für Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen165. Sie erweisen sich aber gegenüber dem Kartellrecht als geeigneter. Fragen der Verteilungsgerechtigkeit sollten daher durch diese Systeme beantwortet werden. Ziel des Kartellrechts ist es gerade, den „Wohlstandskuchen“ zu vergrößern, nicht ihn zu verteilen. Over-enforcement und Anreizreduzierung. Ein Beispiel, das in diesem Zusammenhang typischerweise gegen einen reinen Konsumentenwohlfahrtstandard angeführt wird, ist das einer Fusion, die zu weitreichenden Effizienzgewinnen führt, aber auch zu höheren Verbraucherpreisen. Aus Sicht der Gesamtwohlfahrt wäre die Transaktion vorteilhaft und müsste genehmigt werden, aus Sicht der Konsumenten ist sie hingegen nachteilhaft166. Der Konsumentenwohlfahrtstandard führt damit aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit dazu, dass der „Wohlstandskuchen“ schon nicht vergrößert wird. Wie bereits erwähnt, wäre es aus ökonomischer Sicht sinnvoller, den Wohlstand erst zu maximieren und sich anschließend um eine gerechte Verteilung (etwa durch das Steuerrecht) zu kümmern. Ein allein auf die Wohlfahrt der Konsumenten zielender Ansatz würde auch der Anreiz- und Innovationsfunktion des Wettbewerbs schaden. Denn wird allein auf die Wohlfahrt der Konsumenten abgestellt und soll ihnen statt den Unternehmen der Gewinn zufließen, so führt das – bei einer dynamischen Wettbewerbsbetrachtung – dazu, dass Letzteren jedwede Investitionsund Innovationsanreize verloren gehen werden167. 163  Kaplow,

in: Zimmer, S. 3, 5. in: Zimmer, S. 3, 8. 165  So bringt das Steuerrecht enorme Verwaltungskosten mit sich, vgl. Salop, 22 Loy. Cons. L. Rev. 336, 351 (2010); Höft, S. 69; vgl. darstellend Hertfelder, S. 197. Zudem knüpft das Steuerrecht an das Einkommen an und vermag damit nicht, den Wohlfahrtsverlust durch Ausnutzen von Marktmacht zu kompensieren, vgl. Zimmer, in: Zimmer, S. 486, 495. Schließlich gelingt es zahlreichen, insbesondere großen Firmen, etwa durch Verlagerung ihres Firmensitzes in ein steuerfreundliches Land, das Steuersystem zu umgehen, vgl. Zimmer, in: Zimmer, S. 486, 495. 166  Vgl. Carlton, 21 JEP 155, 157 (2007); Bishop/Walker, 2-024; Schmidtchen, WuW 2006, 6, 11; Kerber, in: Drexl/Idot/Monéger, S. 93, 102; Mischitz, S. 76. 167  S. o. § 2 A. III. 1. zu Innovationstheorien; vgl. Motta, S. 21. 164  Kaplow,

270

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Konsistentes Konzept oder Schutzlücken? Letztlich erweist sich ein Wohlfahrtstandard dann nicht als sinnvoll, wenn er wesentliche Schutzlücken aufweist und damit kein konsistent logisches Konzept darstellt, um alle kartellrechtlichen Probleme zu erfassen168. Das Hauptargument gegen den Konsumentenwohlfahrtstandard ist, dass er die wettbewerbsschädlichen Wirkungen der Nachfragemacht unberücksichtigt lässt169. Konsequent angewendet müsste ein reiner Konsumentenwohlfahrtstandard dazu führen, dass Käuferkartelle legalisiert werden müssten, sofern diese zur Reduktion der Verbraucherpreise führen170. Dies wird auch von den Vertretern des Konsumentenwohlfahrtstandards nicht akzeptiert171, sodass seine Anwendung in diesen Konstellationen durch Ausnahmen korrigiert werden muss. Etwa dadurch, dass versucht wird zu argumentieren, dass die Konsumenten langfristig doch auch von übermäßiger Nachfragemacht getroffen werden172. Letztlich wird dadurch aber nur die inkonsistente Logik des Konsumentenwohlfahrtstandards entlarvt173. Zwar führt auch das Gesamtwohlfahrtskonzept nicht immer dazu, dass Hersteller und Lieferanten vor Nachfragemacht geschützt werden. Denn kommt es allein zu Gewinnumverteilungen von Herstellern/Lieferanten zu den Nachfragern, führt die Saldierung der Gewinne der Nachfrager mit den Verlusten der Nachfrager zu einer rein neutralen Wirkung. Das spricht allerdings nicht in gleicher Weise gegen das Konzept der Gesamtwohlfahrt wie gegen das der Konsumentenwohlfahrt. Denn das Konzept der Gesamtwohlfahrt zielt allein auf Wohlfahrtssteigerung, ohne irgendeine Entscheidung zur Verteilung treffen zu wollen. Die Entscheidung, wie verteilt wird, ist eine normative Frage, die erst im Anschluss zu beantworten ist. Mit Blick auf die Bewertung von Einkaufskooperationen stellt sich daher in einem nächsten Schritt die Frage, ob der Schutz der Lieferanten Ziel im Sinne des Kartellrechts ist und wie sich deren Schutz zu einem Schutz der Verbraucher verhält174.

darstellend Hertfelder, S. 195. S. 84. 170  Carlton, 21 JEP 155, 158 (2007); G. Monti, in: Zäch/Heinemann/Kellerhals, S. 3, 6; Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 477. 171  Vgl. Salop, 22 Loy. Cons. L. Rev. 336, 342 (2010). 172  Vgl. zum US-Recht darstellend Alexander, 95 Geo. L. J. 1611, 1628 ff. (2007). 173  Carlton, 21 JEP 155, 158 (2007); Schmidtchen, in: FS H-B. Schäfer, S. 473, 477. 174  Dazu unter § 4 D. II. 4. 168  Vgl.

169  Palatzke,



B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit271

c) Wer? – Anwender des more economic approach Die Befürchtungen einer weitreichenden ökonomischen Implementierung und Anwendung wirkungsbasierter Ansätze sind groß: Rechtsanwender könnten mit der Anwendung des more economic approach hoffnungslos überfordert175, Gerichte nicht in der Lage sein, ökonomische Urteile zu fällen176. Daher wird die ökonomische Theorie teilweise als Gesetzgebungstheorie verstanden177. Der more economic approach sei sinnvoll, die Bewertung von Effizienzgesichtspunkten sollte allerdings nicht den Gerichten, geschweige denn den Behörden überlassen werden. Stattdessen sollte der demokratisch legitimierte Gesetzgeber allein Effizienzgesichtspunkte mit in die Gesetze einarbeiten178. Dem ist nur bedingt zuzustimmen: In den Kartellbehörden arbeiten Ju­risten und Ökonomen in regem Austausch zusammen und es existieren auch Abteilungen für ökonomische Grundsatzfragen, sodass von einer Expertise ausgegangen werden sollte, die eine Anwendung des more economic approach ermöglicht179. Auch bei den Gerichten kommen wenig Zweifel auf: Zumindest in Deutschland existieren spezialisierte Spruchkörper für kartellrechtliche Streitigkeiten180. Auf europäischer Ebene beschäftigt sich das EuG immer wieder mit kartellrechtlichen Streitigkeiten181. Letztlich können Unternehmen auf das Kartellrecht spezialisierte Anwälte sowie auf ebenso spezialisierte Ökonomen zurückgreifen, wenn sie ihr Verhalten selbst bewerten182, auch wenn das erhebliche zusätzliche Kosten mit sich bringt183. Demgegenüber ist auch der Gesetzgeber nicht frei von systematischen Fehlent-

Wurmnest, S. 235. Diskussion vgl. Eidenmüller, S.  427 ff.; Wurmnest, S.  257 ff. m. w. N.; aus der amerikanischen Literatur Black, S. 75. 177  Eidenmüller, S.  426 ff. 178  Allgemein unabhängig vom Kartellrecht Eidenmüller, S.  414 ff. 179  Wurmnest, S.  236 ff. 180  Insbesondere die Kartellsenate des OLG Düsseldorf für Beschwerden gegen Entscheidungen des BKartA sowie der Kartellsenat des BGH (vgl. §§ 91 und 94 GWB); Wurmnest, S. 258. 181  Wurmnest, S. 236 f. sowie S. 238 ff. zur Frage, ob Ökonomen auf die Richterbank berufen werden sollten. 182  I. Schmidt, in: FS Bechtold, S. 409, 411. Insbesondere in komplexen Fusionskontrollfällen vor der Kommission, aber auch vor dem BKartA ist dies gängige Praxis wie die Existenz der „Best Practices For The Submission Of Economic Evidence And Data“ der GD Wettbewerb sowie „Standards für ökonomische Gutachten“ v. 20.10.2010 des BKartA demonstrieren; vgl. Schwalbe/Zimmer, S. 533. 183  Vgl. FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 170 m. w. N. 175  Vgl. 176  Zur

272

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

scheidungen (biases)184. Wird ihm allein die Umsetzung ökonomisch komplexer Theorien in das Recht zugewiesen, bewahrt auch das nicht vor Fehleinschätzungen. Vielmehr ist es aufgrund der Komplexitiät der Wirklichkeit unrealistisch zu glauben, dass der Gesetzgeber schon alle denkbaren Fälle auf der „Ebene der Regelformulierung“ berücksichtigen könne185. Im Ergebnis sollte der more economic approach nur wegen seiner Anwendungsschwierigkeiten nicht allein auf den Gesetzgeber beschränkt, sondern vielmehr maßvoll eingesetzt werden, sodass er für alle Anwender handhabbar bleibt. Dieser letzten Frage nach der richtigen Dosierung, sozusagen nach dem „Wieviel more economic approach?“, wird im fünften Kapitel nachgegangen186, nachdem die dafür nötigen Grundlagen mit Blick auf Rechtssicherheit und Handhabbarkeit gelegt wurden. Für die Bewertung de lege lata ist stattdessen das Verständnis und die Position der Rechtsprechung zum more economic approach relevant. 3. Der more economic approach in der Rechtsprechung a) Implementierung ökonomischer Erkenntnisse Was zunächst die Implementierung ökonomischer Erkenntnisse anbelangt, war es – wie oben dargestellt – ja gerade das EuG, das in Airtours, Schneider Electric und Tetra Laval, die Kommission durch Aufhebung ihrer Entscheidungen dazu veranlasste, die ökonomischen Begründungen zu vertiefen187. Auch der EuGH hat in einzelnen Entscheidungen ökonomische Wertungen mit einbezogen. So hat er in Entscheidungen zum Fusionskontrollrecht eine verstärkte ökonomische Sichtweise erkennen lassen, indem er etwa den SSNIP-Test in der Entscheidung France Télécom anerkannte188. Insoweit sind sich Kommission und Unionsgerichte einig, dass ökonomische Erkenntnisse in Gruppenfreistellungsverordnungen, Leitlinien und Entscheidungen zu implementieren sind. Neben dem „ob“ kann aber das „wie“, also die Frage nach dem Ausmaß der Implementierung ökonomischer Kriterien und Erkenntnisse, unterschiedlich bewertet werden. 184  Vgl. einführend zu dieser Behavioral Public Choice-Argumentation als Teil der Behavioral Law & Economics-Strömung Englerth, in: Engel u. a., S. 60, 120 m. w. N.; ausführlich Lucas/Tasić, 118 W. Va. L. Rev. 199 (2015). 185  Hellwig, S. 17. 186  S.u. § 5 B. II. 2. und § 5 B. IV. 3. 187  S. o. § 4 B. I. 1. m. w. N. 188  EuGH, Urt. v. 2.4.2009, Rs. C-202/07 P – France Télécom, Slg. 2009, I-2369, Rn. 105; vgl. Palatzke, S. 157; Glöckner, Rn. 110.



B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit273

b) Entscheidung für einen wirkungsbasierten Ansatz (effects based approach) Neben der Kommissionspraxis zeichnet sich auch in der Rechtsprechung eine klare Tendenz in Richtung eines wirkungsbasierten Ansatzes ab. Seinen Ursprung hatte ein verstärkt wirkungsbasierter Ansatz bereits im Jahre 1966 als der EuGH in LTM/Maschinenbau Ulm entschied: „[…] bei der Entscheidung darüber, ob ein Vertrag, […] wegen seines Zwecks oder seiner Wirkung als verboten anzusehen ist, [sind] insbesondere Art und Menge der den Gegenstand der Vereinbarung bildenden Erzeugnisse in Betracht zu ziehen; ferner ist zu prüfen, welche Stellung und Bedeutung der Lieferant […] auf dem Markt dieser Erzeugnisse inne [hat].“189

Mit der Delimitis-Entscheidung fand die ökonomisch geprägte Entscheidungspraxis im Jahr 1991 einen weiteren Höhepunkt, als der EuGH entschied, dass ein Alleinbezugsvertrag nicht automatisch dem Kartellverbot unterfällt, sondern auf die konkrete Wirkung der Vertragsklausel, insbesondere auf die von ihr ausgehende Marktabschottung abzustellen ist190. Ebenso finden sich in den Entscheidungen John Deere und European Night Services des EuG Ansätze des effects based approach191. Schließlich hat das EuG in der Entscheidung Métropole (M6) klargestellt, dass nicht jede Beschränkung der Handlungsfreiheit einer Partei ausreicht, eine Wettbewerbsbeschränkung zu begründen192. Vielmehr müssen die tatsächlichen Bedingungen der Funktion und der Struktur des relevanten Marktes berücksichtigt werden193. Dieser Fokus auf den wirtschaftlichen Kontext zeigt sich auch in der Entscheidung AC Treuhand194. Die Entscheidungen liegen ganz auf einer Linie mit den Ausführungen zur Handlungsfreiheit in der neueren 189  EuGH, Urt. v. 30.6.1966, 56/65 – LTM/Maschinenbau Ulm, Slg. 1966, 281, 304; vgl. Roth, in: Schmidtchen/Albert/Voigt, S. 37, 43 f. 190  EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. C-234/89 – Delimitis, Slg. 1991, I-977, Rn. 15, 22 ff.; vgl. Eilmansberger, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV, Rn. 55. 191  EuG, Urt. v. 27.10.1994, Rs. T-35/92 – John Deere, Slg. 1994, II-957, Rn. 92; EuG, Urt. v. 15.9.1998, verb. Rs. T-374/94 u. a. – European Night Services, Slg. 1998 S. II-3141, Rn. 136. 192  EuG, Urt. v. 18.9.2001, Rs. T-112/99 – Métropole (M6), Slg. 2001 II-2459, Rn. 76; vgl. Leupold/Weidenbach, WuW 2006, 1003, 1007. 193  EuG, Urt. v. 18.9.2001, Rs. T-112/99 – Métropole (M6), Slg. 2001 II-2459, Rn. 76. 194  EuG, Urt. v. 8.7.2008, AC-Treuhand/Kommission, Slg. 2008, S.  I-1501, Rn. 126; vgl. auch v. Jeinsen, S. 139 f. Der Fall betraf eine Besonderheit, in der das Kartell von einem Unternehmen organisiert wurde, das selbst nicht auf dem Markt tätig ist. Allein um Umgehungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV durch derartige Gestaltungen zu verhindern, mussten die Ausführungen so getroffen werden, dass eine Beschränkung der eigenen Handlungsfreiheit nicht nötig sei.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Rechtsprechung des EuGH in Wouters195, Meca-Medina196 und Folgeentscheidungen197. Dort heißt es: „Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass nicht jede Vereinbarung zwischen Unternehmen oder jeder Beschluss einer Unternehmensvereinigung, durch die die Handlungsfreiheit der Parteien oder einer der Parteien beschränkt wird, automatisch vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag erfasst werden. Bei der Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall sind nämlich der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zustande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere dessen Zielsetzung zu würdigen […].“198

Bedeutung für die bisherige Rechtsprechung. Mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung zu Einkaufskooperationen, die den Bezugszwang und damit die Beschränkung der Handlungsfreiheit der Kooperationsmitglieder in den Mittelpunkt der kartellrechtlichen Bewertung rückte, zeigen die Entscheidungen, dass eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der Parteien allein nicht ausreicht, um eine Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV anzunehmen. Vielmehr sind stets die rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge einer Vereinbarung zu bewerten. Das überzeugt. Schließlich würde ansonsten jeder Vertrag eine Wettbewerbsbeschränkung darstellen199. Dafür spricht auch die Ratio der Wettbewerbsvorschriften, die den Wettbewerb als Institution schützen und nicht die einzelnen Marktteilnehmer200. Insofern zeigt sich deutlich, dass eine Einschränkung der Handlungsfreiheit der Parteien weder eine notwendige noch eine hinreichende Voraussetzung für eine Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellt201. Nichtsdestotrotz kann die Einschränkung der Handlungsfreiheit – sei es die der Kooperationsmitglieder wie auch die Dritter, d. h. Lieferanten und Konkurrenten – dennoch als erster Anhaltspunkt, sozusagen als Proxy für eine Wettbewerbsbeschränkung dienen, die nicht unterschätzt werden sollte202. Insbesondere kann sie erheblichen Einfluss auf die im Rahmen der 195  EuGH, 196  EuGH,

Urt. v. 19.2.2002, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, I-1577, Rn. 97. Urt. v. 18.7.2006, Rs. C-519/04P – Meca-Medina, Slg. 2006, S. I-7006,

7023, Rn. 42. 197  Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 18.7.2013, Rs. C-136/12 – Consiglio nazionale die geologi, ECLI:EU:C:2013:489, Rn. 53; vgl. Wiedemann, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 2, Rn. 3b. 198  EuGH, Urt. v. 19.2.2002, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, I-1577, Rn. 97. 199  EuG, Urt v. 27.9.2006, T-168/01 – GlaxoSmithKline Services/Kommission, Slg. 2006, II-2969, Rn. 171; vgl. Waelbroeck/Slater, in: Bourgeois/Waelbroeck, S. 131, 138; Kapp, S. 23; L. Ulmer, S. 19. 200  Hertfelder, in: FS Möschel S. 281, 287 m. w. N. 201  Eckard, S.  286 ff. m. w. N.; vgl. Eilmansberger, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV, Rn. 53 ff.; Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 201; vgl. Wiedemann, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 2, Rn. 3b; Raeder, S. 246. 202  Vgl. Eilmansberger, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV, Rn. 49 ff.



B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit275

bewirkten Wettbewerbsbeschränkung des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu prüfenden Auswirkungen der Einkaufskooperation haben203. c) Entscheidung für den Schutz des Wettbewerbs als solchen und Schutz der Wettbewerbsstrukturen Was die Entscheidung für das Schutzziel des Wettbewerbsrechts anbelangt sind die folgenden Entscheidungen aussagekräftig: In British Airways204 stellt der EuGH zum Missbrauchstatbestand fest, dass dieser sich nicht allein auf Verhaltensweisen beziehe, die den Verbrauchern schaden, sondern auch auf solche, die ihnen durch Eingriff in die Struktur des Wettbewerbs Schaden zufügen205. Aber auch in Bezug auf Art. 101 AEUV stellt der EuGH in seiner T-Mobile Netherlands-Entscheidung die Bedeutung der tradierten Schutzzwecke dar206. Unzweifelhaft deutlich wird dies in der Entscheidung des EuGH in der Sache GlaxoSmithKline, in der er den consumer welfare-Ansatz des EuG korrigierte207. Im Urteil heißt es zum heutigen Art. 101 AEUV: „Zum einen geht aus dieser Vorschrift nicht hervor, dass nur Vereinbarungen, die den Verbrauchern bestimmte Vorteile entziehen, einen wettbewerbswidrigen Zweck haben könnten. Zum anderen hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 81 EG, wie auch die übrigen Wettbewerbsregeln des Vertrags, nicht nur dazu bestimmt ist, die unmittelbaren Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher zu schützen, sondern die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb als solchen.“208

Damit hat der EuGH klargestellt, dass der Schutz des Wettbewerbs und der Wettbewerbsstruktur das Ziel des Kartellrechts seien. Jedenfalls dem Konsumentenwohlfahrtstandard als alleinigem Ziel ist damit eine klare Absage erteilt209. 203  S.u.

§ 4 C. IV. 2. Urt. v. 15.3.2007, Rs. C-95/04 P – British Airways, Slg. 2007, I-2331. 205  EuGH, Urt. v. 15.3.2007, Rs. C-95/04 P – British Airways, Slg. 2007, I-2331, 2441 Rn. 106; vgl. Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 FKVO, Rn. 336; Zimmer, WuW 2007, 1198, 1204 ff.; Künzler, S.  464 f.; Möschel, JZ 2009, 1040, 1044; vgl. Wurmnest, S.  213 f.; Wolters, S. 132. 206  EuGH, Urt. v. 4.6.2009, Rs. C-8/08 – T-Mobile Netherlands BV u. a., Slg. 2009, I-4529, Rn. 36 ff.; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 FKVO, Rn. 336; Wolters, S. 132. 207  EuGH, Urt. v. 6.10.2009, verb. Rs. C-501/06 P u. a. – GlaxoSmithKline, Slg. 2009 I-9291; vgl. auch Behrens, in: FS Möschel, S. 115, 129; Kling/Thomas, § 2, Rn. 45; Raeder, S. 76 und 80. 208  EuGH, Urt. v. 6.10.2009, verb. Rs. C-501/06 P u. a. – GlaxoSmithKline, Slg. 2009 I-9291, Rn. 63. 209  Behrens, in: FS Möschel, S. 115, 130; vgl. Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 6. 204  EuGH,

276

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

4. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Kommission der maßgebliche Treiber des more economic approach ist. Die Rechtsprechung ist demgegenüber nicht allen Ausprägungen dieses Ansatzes gegenüber aufgeschlossen. So hält der EuGH trotz vereinzelt positiver Anwendung ökonomischer Methoden an den tradierten Schutzzwecken fest210. Er steht dem Konsumentenwohlfahrtstandard kritisch gegenüber und betont stets den Schutz der Wettbewerbsstruktur. Mit Blick auf diese Rechtsprechung sprengt eine Proklamation der Konsumentenwohlfahrt zum alleinigen Schutzziel des Wettbewerbsrechts durch die Kommission klar den Rahmen ihrer Befugnisse211. Ein Perspektivwechsel hin zu einem Konsumentenwohlfahrtstandard, der die bisherige Linie der Rechtsprechung zu Einkaufskooperationen verändern könnte, besteht damit nicht. Mit Blick auf die Konsumentenwohlfahrt ist die bisherige Rechtsprechung zu Einkaufskooperationen damit weiterhin gültig und die kartellrechtliche Bewertung wird auch künftig nicht vom Konsumentenwohlfahrtstandard beeinflusst. Allerdings steht der Bezugszwang nicht mehr im Mittelpunkt, wie die neuere Rechtsprechung der Unionsgerichte zum wirkungsbasierten Ansatz deutlich macht. Stattdessen sind die Auswirkungen im jeweiligen Einzelfall maßgeblich. Die Aufweichungstendenzen des Selbständigkeitspostulats sorgen dafür, dass ein Bezugszwang zwar noch immer ein gewichtiges Indiz für eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung darstellt, er aber keine hinreichende Voraussetzung mehr für eine solche ist212. Verfehlt er im Einzelfall weitgehend seine Wirkung, vermag er keine Wettbewerbsbeschränkung zu begründen. Der Fokus auf die Auswirkungen sorgt andersherum dafür, dass der Bezugszwang auch keine notwendige Voraussetzung mehr für eine Wettbewerbsbeschränkung ist213. Deswegen kann auch ein faktischer Bezugszwang für eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung ausreichend sein. Auch die bisherige Frage nach dem Schutz Dritter dürfte sich damit erübrigt haben, da es nicht mehr auf die Einschränkung von Handlungsfreiheiten, sondern vielmehr auf die Auswirkungen ankommt. Von diesen sind Dritte ebenso erfasst.

210  Wurmnest,

S. 228; Hertfelder, S.  247 f.; Apel, S. 90. EuZW 2006, 481; Zimmer, WuW 2007, 1198, 1204; Dreher, WuW 2008, 23, 24; Wurmnest, S. 228; Apel, S. 79. 212  Eckard, S.  286 ff. m. w. N.; vgl. Eilmansberger, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV, Rn. 53 ff.; Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 201; vgl. Wiedemann, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 2, Rn. 3b; Raeder, S. 246. 213  Eckard, S.  284 ff. m. w. N. 211  Immenga,



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II. System der Legalausnahme Neben der Ökonomisierung des Kartellrechts wirft auch die Einführung des Systems der Legalausnahme die Frage auf, ob die bisherige Rechtsprechung zu Einkaufskooperationen künftig noch Bestand haben wird. 1. Einfluss auf die Auslegung tatbestandlicher Reduktionen des Art. 101 Abs. 1 AEUV Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob die bisherige Rechtsprechung, die den Verbotstatbestand durch das Konzept der notwendigen Wettbewerbsbeschränkungen oder den Arbeitsgemeinschaftsgedanken einschränkte, heute noch haltbar ist. Diese Fragestellung ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Figur der notwendigen Wettbewerbsbeschränkung: Im früheren System der Einzelfreistellung konnte nur die Kommission den heutigen Art. 101 Abs. 3 AEUV anwenden, musste unzählige Vereinbarungen prüfen und war dadurch überlastet214. Nationale Gerichte und nationale Behörden hingegen durften keine Einzelfreistellungen erteilen. Daher lösten sie Fälle gerne bereits durch eine Einschränkung des Abs. 1, sodass es einer Entscheidung der Kommission nicht bedurfte215. Das galt auch für das EuG und den EuGH, da auch diese damals keine eigene Freistellungsentscheidung treffen durften, sondern sich darauf beschränken mussten zu prüfen, ob die Kommission den Freistellungstatbestand richtig angewandt hatte216. Insoweit wird vertreten, dass die Aufweichungstendenzen zwischen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 101 Abs. 3 AEUV systembedingt waren217 und letztlich auf rein pragmatischen Gründen beruhten. Mit der VO Nr. 1/2003 wandelte sich nun aber das System der kartellrechtlichen Bewertung von einem System mit Erlaubnisvorbehalt zu einem System der Legalausnahme. Die Unternehmen müssen kartellrechtliche Vereinbarungen nunmehr selbst bewerten. Damit greift die bisherige vermeintliche Rechtfertigung der Tatbestandsreduktion nicht mehr. Einer Reduktion des Tatbestandsmerkmals der Wettbewerbsbeschränkung mag daher kritisch entgegengehalten werden, dass Art. 101 Abs. 3 AEUV als Korrektiv nicht nur völlig ausreichend ist, sondern auch ein weitaus detaillierter geregeltes Instrument der kartellrechtlichen Bewertung bietet. Statt ungenauer Abwä214  S. o.

§ 3 A. III. FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 121; Kaeding, S. 30. 216  Vgl. FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 121. 217  Reymann, S. 332. 215  Vgl.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

gung und unbestimmter richterlicher Interpretation gibt Art. 101 Abs. 3 AEUV Kriterien vor. Für eine tatbestandliche Reduktion bestehe daher grundsätzlich und auch im Hinblick auf Einkaufskooperationen kein Bedürfnis mehr218. 2. Aktuelle Rechtsprechung zu tatbestandlichen Reduktionen So charmant diese Lösung in dogmatischer Hinsicht auf den ersten Blick zu sein scheint, so sehr muss doch daran gezweifelt werden, dass die Rechtsprechung plötzlich ihre jahrzehntelang verfolgte Linie ändern wird. So wird in der Literatur auch heute noch die Möglichkeit der Einschränkung des Art. 101 Abs. 1 AEUV aufgrund der notwendigen Wettbewerbsbeschränkung bejaht und dabei auf Gøttrup-Klim verwiesen, ohne dass diesbezüglich auf die Veränderungen im Kartellrechtssystem eingegangen wird219. Zwar findet sich zu Einkaufskooperationen – soweit ersichtlich – keine Entscheidung, die nach dem Wandel hin zum System der Legalausnahme im Jahre 2004 getroffen wurde. Mit dem O2-Urteil des EuG220 existiert aber eine Entscheidung, die aufzeigt, dass auch nach dem Systemwandel für eine Einschränkung des Art. 101 Abs. 1 AEUV noch Raum ist221. In der Entscheidung hatte O2 eine Roaming-Vereinbarung zu überprüfen, die vorsah, dass O2 das Netz des Marktführers T-Mobile nutzen könne, um seinen Kunden mobiles Internet der dritten Generation (3G oder UMTS) anbieten zu können. Das EuG beanstandete die Kommissionsentscheidung, da sie eine Wettbewerbsbeschränkung annahm, ohne zu prüfen, ob die Vereinbarung notwendig gewesen wäre, damit O2 überhaupt auf den UMTS-Markt hätte vordringen können222. Dann aber wäre die Vereinbarung nicht wettbewerbsbeschränkend, sondern wettbewerbsfördernd gewesen, indem dem kleinsten Betreiber ermöglicht wurde, mit den anderen Mobilfunkanbietern in Wettbewerb zu treten, sodass schon kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV vorlag223. Auch in der Entscheidung Mastercard gehen EuGH und EuG weiterhin davon aus, dass die Wettbewerbsbeschränkung tatbestandlich (hier als Nebenabrede zu einer 218  Rabus, S.  128 f.; Schweizer, S. 267; Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 794. Reymann, S. 324 ff. und 364 hebt hervor, dass diesbezüglich zwar ein „Reduktionstelos“ existiere, es jedoch an einer verdeckten Gesetzeslücke mangele, da mit Art. 101 Abs. 3 AEUV bereits eine „äquivalent effektive Legitimierung“ gegeben sei. 219  Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 794 mit Verweis auf die ständige, aber eben vor 2004 ergangene, Rechtsprechung des EuGH. 220  EuG, Urt. v. 2.5.2006, Rs. T-328/03 – O , Slg. II-1234. 2 221  EuG, Urt. v. 2.5.2006, Rs. T-328/03 – O , Slg. II-1234, 1255 f. Rn. 68. 2 222  EuG, Urt. v. 2.5.2006, Rs. T-328/03 – O , Slg. II-1234, 1255 f. Rn. 74 ff. 2 223  EuG, Urt. v. 2.5.2006, Rs. T-328/03 – O , Slg. II-1234, 1255 f. Rn. 109; Leu2 pold/Weidenbach, WuW 2006, 1003, 1006.



B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit279

Hauptmaßnahme) eingeschränkt werden kann224. Damit ist festzuhalten: Eine Wettbewerbsbeschränkung liegt zumindest dann nicht vor, wenn die Vereinbarung den Marktzutritt eines neuen Wettbewerbers ermöglicht. 3. Bewertung Dieses Ergebnis ist richtig. Das hat zunächst dogmatische Gründe: Eine andere Auslegung wäre dogmatisch ungenau, denn sie lässt das Tatbestandsmerkmal „Wettbewerbsbeschränkung“ gänzlich außer Acht. Die Wettbewerbsbeschränkung ist gerade Tatbestandsmerkmal. Es hieße sonst „jede Vereinbarung“ und das Merkmal wäre überflüssig. Die Auslegung der Gerichte ist damit auch dogmatisch fundiert und nicht allein auf eine praktisch notwendige Umgehung der Einzelfreistellung durch die Kommission zurückzuführen, für die heute kein Bedürfnis mehr besteht. Darüber hinaus macht es auch heute im System der Legalausnahme, in dem die Unternehmen eine kartellrechtliche Selbstbewertung vornehmen müssen, noch einen Unterschied, ob die Figur der notwendigen Wettbewerbsbeschränkung anerkannt und angewendet wird oder eine Wettbewerbsbeschränkung allein anhand von Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt werden kann. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn sich die Beweislastverteilung zwischen notwendiger Wettbewerbsbeschränkung im Rahmen des Art. 101 Abs. 1 AEUV und einer Freistellung i. R.v. Art. 101 Abs. 3 AEUV unterscheidet. Für letztere trifft gem. Art. 2 S. 2 VO Nr. 1/2003 unzweifelhaft das Unternehmen, das sich auf die Freistellung beruft, die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV vorliegen225. Die Kommission bzw. die nationalen Wettbewerbsbehörden tragen demgegenüber gem. Art. 2 S. 1 VO Nr. 1/2003 die Beweislast für eine Zuwiderhandlung gegen den Verbotstatbestand nach Art. 101 Abs. 1 AEUV. Fraglich ist, ob diese nicht nur die negativen, sondern auch das Fehlen positiver Wirkungen nachweisen müssen. So wird vertreten, dass die Beweislast für die notwendige Wettbewerbsbeschränkung als „ungeschriebene Ausnahme“ bei demjenigen liegt, der sich darauf beruft226. Demnach gelte nicht die Beweislastregel des Art. 2 S. 1 VO Nr. 1/2003, sondern stattdessen müsse Art. 2 S. 2 VO Nr. 1/2003 analog angewendet werden227. Dafür spricht, dass dann derjenige die Tatsache zu beweisen hat, die gerade für ihn günstig ist. Dieses Grund224  EuGH, Urt. v. 11.9.2014, Rs. C-382/12 P, ECLI:EU:C:2014:2201, Rn. 89 ff.; EuG, Urt. v. 24.5.2012, Rs. T-111/08 – Mastercard, ECLI:EU:T:2012:260, Rn. 79 ff. 225  S. o. § 3 B. III. 226  Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 8; FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 99. 227  FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 122.

280

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

prinzip überzeugt im vom Beibringungsgrundsatz geprägten Zivilprozess, ist jedoch im verwaltungsrechtlichen Verfahren der Wettbewerbsbehörden, die grundsätzlich der Offizialmaxime und dem Amtsermittlungsgrundsatz unterworfen sind228, keinesfalls zwingend. Allerdings gilt Art. 2 VO Nr. 1/2003 für alle Verfahrensarten, d. h. neben dem Verwaltungs- und Bußgeldverfahren auch für Zivilverfahren, in denen der Kläger einen Kartellverstoß behauptet und die Möglichkeit haben muss diesen nachzuweisen229. Nichtsdestotrotz widerspricht eine solche Auslegung der klaren Dichotomie des Art. 2 VO Nr. 1/2003230, so dass eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung des Satzes 2 begründen könnte, nicht ersichtlich ist. Letztlich kann die Frage dahingestellt bleiben. Denn unabhängig von der Beweislast, ist jedenfalls der Beweismaßstab ein anderer. Wie im dritten Kapitel aufgezeigt, stellt die Kommissionspraxis strenge Anforderungen an die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV231. Insoweit kann der Verzicht auf eine Tatbestandsreduktion zu ungewollten Konsequenzen führen: Verbote einer kartellrechtlich unbedenklichen Kooperation durch die Kommission könnten sich häufen (sog. Typ-II-Fehler, overenforcement)232. Das ist dann der Fall, wenn notwendige Wettbewerbsbeschränkungen, die eigentlich schon nicht von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst würden, nach der obigen Theorie als wettbewerbsbeschränkend i.  S.  v. Art. 101 Abs. 1 AEUV eingestuft werden und nicht durch Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt werden können. Zugegebenermaßen sind solche Fallkonstellationen eher selten, da eine notwendige Wettbewerbsbeschränkung grundsätzlich auch unerlässlich ist und zu Effizienzen führen dürfte. Allerdings ist nicht immer eindeutig, ob die Verbraucher auch angemessen daran beteiligt sind. Dennoch sind derartige Fallkonstellationen denkbar, in denen das gerade nicht der Fall ist. Denn die materiellen Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV können in gewissen Konstellationen strenger sein als die der Tatbestandseinschränkung des Art. 101 Abs. 1 AEUV233. Das gilt gerade vor dem Hintergrund des strengen Verständnisses der Kommission zu den Prüfungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV und deren hohe Beweisanforderungen an die einzelnen Freistellungsvoraussetzungen234. 228  K. Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, VO 1/2003, Art. 2, Rn. 38; Bechtold/ Bosch/Brinker, Art. 2 VO 1/2003, Rn. 20, 26. 229  K. Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, VO 1/2003, Art. 2, Rn. 16 ff.; PufferMariette, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 2 VO (EG) 1/2003, Rn. 10. 230  So im Ergebnis auch Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 2 VO 1/2003, Rn. 12 ff. 231  S. o. § 3 B. III. 232  Ausführlicher zu Fehlern erster und zweiter Art s. u. § 5 B. II. 1. 233  FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 99. 234  S. o. § 3 B. III.



B. Bestandskraft der alten Rechtslage im Wandel der Zeit281

Insoweit gestehen selbst die Gegner einer tatbestandlichen Reduktion ein, dass ein Bedürfnis dafür besteht, solche funktionsnotwendigen Wettbewerbsbeschränkungen von Art. 101 Abs. 1 AEUV auszuklammern, die eine Notwendigkeitsprüfung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV nicht erfolgreich durchlaufen können235. Typ-II Fehler müssen auf diese Weise dezimiert werden236. Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die bisherige Praxis der Einschränkung des Art. 101 Abs. 1 AEUV durch notwendige Wettbewerbsbeschränkungen allgemein und in Bezug auf Einkaufskooperationen trotz Einführung des Systems der Legalausnahme nicht verändert hat oder verändern wird.

III. Zwischenergebnis Die Analyse der Rechtsprechung zeigt, dass der Wandel des Kartellrechtssystems, insbesondere in Form der Ökonomisierung unter dem Stichwort „more economic approach“ in all seinen vielfältigen Ausprägungen und der Wechsel zum System der Legalausnahme, die Bestandskraft der bisherigen Rechtsprechung zur Einkaufskooperation nicht gänzlich entfallen lassen. Deren Grundzüge gelten noch heute. Das gilt für die Einschränkung der Wettbewerbsbeschränkung durch die Figur der notwendigen Wettbewerbsbeschränkung und des Arbeitsgemeinschaftsgedankens ebenso wie für die altbewährte wettbewerbspolitische Sichtweise, welche den Wettbewerb als Ganzes und nicht nur den Endverbraucher zu schützen beabsichtigt. Der strikte Fokus auf die Beschränkung der Handlungsfreiheit, insbesondere durch Bezugszwänge, ist heutzutage allerdings nicht mehr zeitgemäß, zu oft betonten die Unionsgerichte die Bedeutung der jeweiligen Wirkungen im Einzelfall. Damit ist der Kreis der zu erwartenden künftigen Rechtsprechung in Bezug auf Einkaufskooperationen skizziert und kann im folgenden Abschnitt C. zur Analyse der von den Horizontalleitlinien nicht behandelten Problemfelder genutzt werden sowie in Abschnitt D. dem Verständnis der Kommission gegenübergestellt werden.

235  Reymann,

S.  63 f. zu Fehlern erster und zweiter Art s. u. § 5 B. II. 1.

236  Ausführlicher

282

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

C. Lösungsvorschläge für Unklarheiten und Lücken in den Horizontalleitlinien de lege lata In den folgenden Abschnitten sollen typische mit der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen verbundene Fragen vertieft werden, mit denen sich die Horizontalleitlinien entweder gar nicht oder nur am Rande befassen und die daher noch konkretisierungsbedürftig sind, um den Anwendern die Ausgestaltung einer kartellrechtskonformen Einkaufskooperation zu erleichtern. Zudem werden zentrale Wertungen der Horizontalleitlinien im Lichte der oben dargestellten gewandelten Rechtsprechung auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Dies betrifft die Marktabgrenzung (I.), die Spürbarkeit (II.), die Abgrenzung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung (III.) sowie die detaillierte Prüfung der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung (IV.).

I. Marktabgrenzung Die Horizontalleitlinien geben in Rn. 198  f. HLL zwar Hinweise zur Marktabgrenzung237, eine Vertiefung ist jedoch angebracht. Denn die Marktabgrenzung ist, da die Horizontalleitlinien gerade eine Marktanteilsschwelle – noch dazu eine sehr niedrige – als bestimmendes Kriterium zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen etablieren, ein bedeutendes Thema238. Ihre Bedeutung kann daher – auch vor dem Hintergrund der oben geschilderten praktischen Schwierigkeiten der Marktabgrenzung und Marktanteilsbestimmung239 – nicht oft genug betont werden. Wird sie zu eng gewählt, erscheint die Nachfragemacht der Kooperation ungerechtfertigt 237  Rn. 198 und 199 HLL verweisen zu Bestimmung der Einkaufs- und Verkaufsmärkte auf die in der Bekanntmachung über den relevanten Markt beschriebenen Methoden der Marktabgrenzung. Zudem treffen sie die folgende Aussage: „Der einzige Unterschied zur Definition der „Verkaufsmärkte“ besteht darin, dass die Substituierbarkeit aus der Sicht des Angebots und nicht der Sicht der Nachfrage zu definieren ist. Mit anderen Worten: Bei der Ermittlung des Wettbewerbsdrucks auf die Einkäufer sind die Alternativen der Anbieter ausschlaggebend.“ 238  Daneben kann eine exakte Marktabgrenzung auch noch im Rahmen der Prüfung vertikaler Vereinbarung nach der Vertikal-GVO (s. o. § 3 D.) sowie in folgenden Prüfungskriterien des Art. 101 AEUV eine Rolle zukommen: der Zwischenstaatlichkeitsklausel (s. o. § 3 B. I. 1.), der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung (s. o. § 3 B. I. 4.), dem wettbewerbsbeschränkenden Charakters einer horizontalen Vereinbarung (s. o. § 3 B. II.) sowie beim Wettbewerbsausschluss nach Art. 101 Abs. 3 lit. b) AEUV (s. o. § 3 B. III.). Vgl. allgemein zur Relevanz der Marktabgrenzung im Rahmen des Kartellverbots Hahne, S.  61 ff. m. w. N. 239  S. o. § 4 A. II. 1. a) aa).



C. Lösungsvorschläge283

hoch. Wird der Markt hingegen zu weit abgegrenzt, werden die Gefahren der Nachfragemacht unterschätzt240. Zwar besteht keine spezielle Entscheidungspraxis der Kommission zur Marktabgrenzung bei Einkaufskooperationen, auf die hier zurückgegriffen werden könnte. Die allgemeinen Prinzipien der Marktabgrenzung gelten aber auch hier. Dabei gibt die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes Orientierung241. Zudem können die in Fusionskontrollentscheidungen zur Marktabgrenzung getroffenen Aussagen der Kommission auch auf die Bewertung von Einkaufskooperationen im Rahmen des Kartellverbots übertragen werden242. Anders als bei Missbrauchsfällen ist in Fusionskontroll- und Kartellverbotsfällen jeweils derselbe Zeithorizont der ex ante-Kontrolle zu beachten243. Diese Gemeinsamkeit spricht für eine Übertragbarkeit der Methodik der Kommission zur Marktabgrenzung in Fusionskontrollfällen auf die hier vorliegende Konstellation der kartellrechtlichen Selbstbewertung von Einkaufskooperationen. 1. Der sachlich relevante Markt a) Keine Besonderheiten auf dem Absatzmarkt Die Marktabgrenzung mit Blick auf den Absatzmarkt erfolgt nach den altbekannten Methoden, insbesondere nach dem Bedarfsmarktkonzept244. Zudem ist der SSNIP-Test anwendbar245. Der SSNIP-Test lautet: Führt eine Preissteigerung von 5–10 % bei Produkt A dazu, dass die Nachfrage nach den Produkten signifikant sinkt, da die Verbraucher auf Produkt B ausweichen? Ist dies der Fall, sind die Produkte miteinander austauschbar und der hypothetische Markt zu eng definiert, da Produkt B ebenfalls zum selben Markt

240  Clarke/Davies/Dobson/Waterson,

S. 171; Mischitz, S. 231. der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft („Bekanntmachung über den relevanten Markt“) (97/C 372/03), ABl. 1997 C 372/5; vgl. Rn. 198 HLL; Bennett u. a., in: Faull/Nikpay, Rn. 7.365. 242  Vgl. Mischitz, S.  234 f.; Wecker, S. 96 geht ohne nähere Diskussion von einer Übertragbarkeit aus. 243  Vgl. zur Bedeutung des unterschiedlichen Zeithorizonts, Rn. 12 der Bekanntmachung über den relevanten Markt. 244  Rn. 199 HLL; vgl. statt vieler Schwalbe/Zimmer, S. 69–213. 245  Rn. 198 HLL; SSNIP = Small but Significant Non-transitory Increase in Price; vgl. Clarke/Davies/Dobson/Waterson, S. 171 f.; vgl. für eine detaillierte Erläuterung der empirischen Verfahren zur Marktabgrenzung Schwalbe/Zimmer, S.  100 ff.; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 2 FKVO, Rn. 11. 241  Bekanntmachung

284

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

gehört. Bleibt die Nachfrage hingegen gleich, so ist davon auszugehen, dass der Markt richtig definiert wurde246. b) Besonderheiten auf dem Beschaffungsmarkt Die Marktabgrenzung auf dem Beschaffungsmarkt ist hingegen weniger gebräuchlich. Sie bedarf einer Modifizierung. Die Abgrenzung erfolgt hier spiegelbildlich247. Es darf nicht nach den Ausweichmöglichkeiten der Verbraucher, sondern es muss nach denen der Anbieter gefragt werden248. Auch hier gilt die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes. Demnach ist vom Anbieter auszugehen und zu fragen, welche alternativen Vertriebswege und Verkaufsmöglichkeiten für seine Produkte bestehen249. Zudem ist die Angebotsumstellungsflexibilität des Herstellers mit einzubeziehen250. Sie ist dann anzunehmen, wenn ein Wechsel ohne unverhältnismäßigen Aufwand, zusätzliche Investitionen und zeitliche Verzögerungen möglich ist251. Auch hier kann sich am SSNIP-Test orientiert werden. Er ist jedoch spiegelverkehrt als „SSNDP-Test“ anzuwenden, d. h. statt einem increase wird ein decrease relevant252. Der Test lautet entsprechend: Führt eine Reduzierung des Kaufpreises durch die Nachfrager um 5–10 % dazu, dass Hersteller ihre Produkte nicht verkaufen, sondern andere Absatzwege suchen wer246  Bekanntmachung über den relevanten Markt, Rn. 17; statt vieler van Bael/ Bellis, S. 525. 247  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 76; O. Christiansen, S.  210 f.; Björkroth, ECJ 2013, 175, 187; Weidt, S. 7; zur deutschen Rechtslage BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 118; KG, Beschl. v. 5.11.1986, Kart. 15/84, WuW/E OLG 3917, 3928 – Coop/Wandmaker; KG, Beschl. v. 30.7.1999, Kart 27/97, WuW 1999, 1210. 248  Rn. 198 HLL; Bennett u. a., in: Faull/Nikpay, Rn. 7.365; van Bael/Bellis, S. 525; Gleiss/Hirsch, Art. 85 Rn. 209; Bergmann, S. 151 und 157; Schröter, FIWSeminar, S. 67, 68; Wecker, S. 54; Weidt, S. 8; zur entsprechenden deutschen Rechtslage Bechtold/Bosch, § 18 GWB, Rn. 29 m. w. N.; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 118. 249  Vgl. Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, VO (EU) 330/2010, Art. 3, Rn. 22; Palatzke, S. 29; van Bael/Bellis, S. 525.; Wecker, S.  54 f. 250  I. Schmidt/Haucap, S. 70. 251  Bekanntmachung über den relevanten Markt, Rn. 23; vgl. Ellger, in: Immenga/ Mestmäcker, VO (EU) 330/2010, Art. 3, Rn. 22; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 2 FKVO, Rn. 12; vgl. dazu auch Wecker, S.  55 m. w. N. 252  Vgl. Rn. 198 HLL; Bekanntmachung über den relevanten Markt, Rn. 20; vgl. Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, VO (EU) 330/2010, Art. 3 Rn. 22; Bennett u. a., in: Faull/Nikpay, Rn. 7.365; Kokkoris/Shelanski, 11.54; Kokkoris, 29 World Competition 139, 147 (2006); Jötten, S.  104 f.



C. Lösungsvorschläge285

den253? Wird die Frage bejaht, so ist der Markt zu eng definiert, wird sie verneint, wurde der Markt richtig abgegrenzt254. c) Sachliche Marktabgrenzung im Lebensmitteleinzelhandel Für die sachliche Marktabgrenzung im für Einkaufskooperationen besonders relevanten Lebensmitteleinzelhandel gilt Folgendes255: Absatzmarkt. Auf dem Absatzmarkt ist eine Marktabgrenzung aus Sicht der Endkonsumenten vorzunehmen, die im Lebensmitteleinzelhandel einkaufen. Hier gilt sowohl nach der Kommissionspraxis als auch nach der Praxis des BKartA der Sortimentsgedanke256. Demnach erfasst der LEH die Bereiche Lebensmittel und ein Randsortiment, das von Verbrauchern üblicherweise in Lebensmittelgeschäften erwartet wird257. Für diesen Sortimentsgedanken spricht, dass Verbraucher diese Produkte nur selten getrennt, sondern grundsätzlich auf einmal beziehen (one-stop-shopping)258. Dabei sind Spezialeinzelhandelsgeschäfte (wie Bäckereien, Metzgereien) nicht einzubeziehen259. Beschaffungsmarkt. Auf dem Beschaffungsmarkt gilt der Sortimentsgedanke allerdings nicht. Denn die einzelnen Lebensmittelhersteller bieten stets nur einen kleinen Teil der im gesamten Lebensmitteleinzelhandel nachgefragten Produkte an, sodass eine Betrachtung des Gesamtbeschaffungsmarktes nicht sachgerecht wäre, sondern stets zu marginalen Marktanteilen führen 253  Clarke/Davies/Dobson/Waterson,

S. 172; Kokkoris/Shelanski, 11.54. Rn. 198 HLL; vgl. Bekanntmachung über den relevanten Markt, Rn. 7; Clarke/Davies/Dobson/Waterson, S. 172; Kokkoris/Shelanski, 11.54; Kokkoris, 29 World Competition 139, 147 f. (2006). 255  Vgl. im Detail auch BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 118 ff. 256  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 10 ff.; BKartA, Beschl. v. 31.3.2015, B2-96/14 – EDEKA/Kaiser’s Tengelmann, Rn. 161; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 5. 257  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 10; Das BKartA unterscheidet dabei die Kategorien Food, NonFood I (d. h. Artikel, die üblicherweise in Lebensmittelgeschäften erwartet werden, wie z. B. Hygieneartikel, Reinigungsmittel oder Tierfutter) und Non-Food II (d. h. weitere Waren, die keinen größeren Bezug zum Lebensmitteleinzelhandel aufweisen und vom Verbraucher dort nicht erwartet werden, wie z. B. DVDs oder Fahrräder), vgl. BKartA, Beschl. v. 31.3.2015, B2-96/14 – EDEKA/Kaiser’s Tengelmann, Rn. 161; vgl. auch Monopolkommission, Sondergutachten 70, Rn. 23; BKartA, Beschl. v. 28.10.2016, B 2-51/16 – REWE/Coop, Rn.  91 ff. 258  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 13; O. Christiansen, S. 211. 259  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 11; OLG Düsseldorf, Beschl. vom 19.12.2001, Kart 21/00, WuW/E DE-R 781, 786 – Wal*Mart; Wecker, S. 53. 254  Vgl.

286

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

würde260. Stattdessen sind Einzelmärkte abzugrenzen, die identische und verwandte Produkte bzw. Produktbereiche umfassen261. Unterschiedliche Vertriebsschienen. Weiterhin ist fraglich, ob unterschiedliche Vertriebsschienen (z. B. über Supermärkte, Drogerien, Warenhäuser) und ob insbesondere der Export gesonderte Märkte darstellen262. Die Kommission ließ die Frage in REWE/Meinl letztlich offen, tendierte aber sehr stark dazu, einen eigenständigen Beschaffungsmarkt für den LEH anzunehmen, da das Ausweichen auf andere Absatzwege für die Hersteller nicht kurzfristig und problemlos möglich ist (etwa aufgrund unterschiedlicher Verpackungsgrößen oder Verkaufsstrategien), sondern erhebliche Investitionen in die Umstellung von Produktion und Vertrieb erfordert263. Handelsmarken und Herstellermarken. Nach der Sektoruntersuchung des BKartA erweist sich die Frage, ob Handelsmarken und Herstellermarken eigene Märkte bilden, als besonders problematisch264. Das BKartA nimmt nunmehr eine Einzelfallprüfung vor265. Entscheidend ist dabei hauptsächlich die Umstellungsflexibilität der Hersteller. Die Produktion von Handelsmarken muss wirtschaftlich sinnvoll sein, d. h. die Umstellungskosten dürfen nicht zu hoch, die möglichen Gewinne nicht zu niedrig sein und ein Kannibalisierungseffekt durch eigene Handelsmarken zulasten der eigenen Herstellermarken sollte nicht eintreten266. Obwohl die technischen Hürden der Umstellung für die Hersteller oftmals sehr niedrig liegen, kann je nach Markt zwischen Handelsmarken und Herstellermarken zu trennen sein267. Denn 260  BKartA,

Sektoruntersuchung LEH, S. 119. Sektoruntersuchung LEH, S. 119; Monopolkommission, XIX. Hauptgutachten (2010/2011), BT-Drucks. 17/10365, Rn. 1055. 262  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S.  35; dagegen Genth, in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 65, 67. 263  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 80 f.; auch das BKartA hat die Frage bisher offengelassen. Die französische Wettbewerbsbehörde nahm bei zahlreichen Produkten gesonderte Märkte je nach Vertriebsweg an; vgl. Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr.  15-A-03, Rn.  103 m. w. N. Haucap u. a. plädieren dafür, verschiedene Vertriebsschienen mit einzubeziehen, indem sie auf dem Markt für Windeln einen SSNIP-Test durchführten, bei dem neben Vollsortimentern und Discountern auch Drogerien und Warenhäuser in den Markt mit einzubeziehen waren. Ob sich dieses Ergebnis aber auch auf reine Lebensmittel übertragen lässt, ist allerdings fraglich, vgl. Haucap u. a., WuW, 2014, 946 = DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 101; Haucap u. a., in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 11, 21 ff. m. w. N. 264  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 34 f. 265  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 34 f. 266  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 34 f. 267  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 131; vgl. Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn. 96–101. 261  BKartA,



C. Lösungsvorschläge287

Markenartikelhersteller müssen wesentlich mehr Investitionen in Marketing tätigen, während bei Handelsmarken die günstigsten Konditionen über die Auftragserteilung durch den Handel entscheiden268. Demgegenüber gibt es auch zahlreiche Anbieter, die beides anbieten. Dann liegt wiederum ein gemeinsamer Markt vor269. In fünf der sieben vom BKartA in der Sektoruntersuchung analysierten Beschaffungsmärkte wurde eine Trennung von Märkten für Handels- und Herstellermarken angenommen270. 2. Der räumlich relevante Markt Für die Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes bestehen keine Besonderheiten. Auf den Absatzmärkten ist wiederum auf die Austauschbarkeit aus Sicht der Verbraucher abzustellen, auf den Beschaffungsmärkten wiederum auf die Austauschmöglichkeiten der Hersteller – diesmal auf deren räumliche Austauschmöglichkeiten271. Der räumliche Markt dürfte bei den meisten Handelsunternehmen zumindest bundesweit abzugrenzen sein272. Je nach Art des Produktes kann er auch enger sein, etwa bei Produkten, bei denen Transportkosten einen weiten Bezug unattraktiv machen (z. B. Zement)273. Beschaffungsmärkte LEH. Einkaufskooperationen im Lebensmitteleinzelhandel beschaffen ihre Waren – anders als oft vorgetragen – überwiegend auf nationaler Ebene wie die Sektoruntersuchung des BKartA, aber auch die Kommission in REWE/Meinl für den Markt in Österreich betont274. In den untersuchten Beschaffungsmärkten lag der Anteil von Importen unter 3 %275. Das liegt darin begründet, dass die Verbraucher überwiegend inländische 268  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 5; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 131; vgl. Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn. 100 f. 269  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 5. 270  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 131. 271  Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 Rn. 44; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 123; Wecker, S.  56 m. w. N. 272  Vgl. Wecker, S. 56. 273  Vgl. die kanadische Entscheidung 321665 Alberta Ltd. v. ExxonMobil Canada Ltd and Husky Oil Operations Ltd. zum Transport von Öl; vgl. für den Transport von Zement Pierenkemper. 274  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Ergebnisse und Schlussfolgerungen, S. 1 sowie S. 123; Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 83; vgl. auch Kommission, EU Food Sector Report 2014, S. 32. Von einem nationalen Beschaffungsmarkt geht auch die französische Wettbewerbsbehörde aus, vgl. Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn.  105 f. 275  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 5.

288

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Produkte nachfragen276 und dass fast alle internationalen Hersteller mit Niederlassungen oder Tochtergesellschaften in den jeweiligen Ländern vertreten sind277. Entsprechend nimmt die Kommission in ihren Fusionskontrollfällen im LEH nationale Beschaffungsmärkte an. Absatzmärkte LEH. Der räumlich relevante Absatzmarkt ist von der Bereitschaft des Verbrauchers abhängig, für den Erwerb des Produktes Strecken zurückzulegen. Diese wächst mit der Bedeutung des jeweiligen Produktes und ist abhängig vom jeweils in der Region verfügbaren Angebot. Das BKartA bestimmt daher im LEH den räumlich relevanten Markt durch eine FahrtzeitIsochrone von maximal 20 km bzw. 20 Autominuten um das regionale Oberzentrum278. Dies entspricht dem maximalen Anfahrtsweg, den Verbraucher zurücklegen, um Lebensmittel zu erwerben. Auf diese Weise werden beispielsweise in Deutschland 345 regionale Markträume gebildet279. In innerstädtischen Bereichen sind allerdings noch engere räumliche Märkte zu bilden (von bis zu 3 km), da dort die Dichte der Lebensmitteleinzelhändler wesentlich größer ist und der Radius für Verbraucher sinkt, da sie entweder ohne Auto einkaufen oder die Fortbewegung in Ballungszentren mehr Zeit kostet280. Die Kommission geht allerdings im Lebensmitteleinzelhandel von einem nationalen Absatzmarkt aus281. Sie begründet dies wie folgt: zwar kaufen Verbraucher regional ein, eine Beschränkung auf regionale Märkte würde aber den wettbewerblichen Auswirkungen eines Zusammenschlusses nicht gerecht, wenn sich viele der lokalen Märkte überschneiden und „derart zusammenhängen, daß sie sich jeweils überschneiden und nahtlos eine größere Region oder gar das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaates abdecken“282. 276  Kommission, Entsch. v. 20.11.1996, Fall Nr. IV/M.784 – Kesko/Tuko, ABl. 1997 L 110/53, Rn. 36 f.; Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 83 ff.; Mischitz, S. 236. 277  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 85. 278  BKartA, Beschl. v. 30.6.2008, B2-333/07 – EDEKA/Tengelmann (Plus), S. 32; BKartA, Beschl. v. 28.10.2016, B 2-51/16 – REWE/Coop, Rn. 3; gerichtlich bestätigt durch OLG Düsseldorf, Beschl. vom 19.12.2001, Kart 21/00, WuW/E DE-R 781, 786 – Wal*Mart. 279  BKartA, Beschl. v. 31.3.2015, B2-96/14 – EDEKA/Kaiser’s Tengelmann, Rn. 209; BKartA, Beschl. v. 28.10.2016, B 2-51/16 – REWE/Coop, Rn. 3. 280  BKartA, Beschl. v. 31.3.2015, B2-96/14 – EDEKA/Kaiser’s Tengelmann, Rn. 212; BKartA, Beschl. v. 28.10.2016, B 2-51/16 – REWE/Coop, Rn. 4. 281  Kommission, Entsch. v. 20.11.1996, Fall Nr. IV/M.784 – Kesko/Tuko, ABl. 1997 L 110/53, Rn. 21; Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 18; vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 GWB, Rn. 38; O. Christiansen, S. 213. 282  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 18.



C. Lösungsvorschläge289

Mit Blick auf die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen ist die räumliche Marktabgrenzung der Kommissionspraxis im Lebensmittel­ einzelhandel gegenüber der Praxis des BKartA zu bevorzugen. Demnach ist auf einen einheitlichen nationalen Absatzmarkt abzustellen statt auf hunderte regionaler Verkaufsmärkte. Anderenfalls würde die kartellrechtliche Bewertung unnötigerweise erschwert werden, ohne dass die Beschränkung der Handhabbarkeit und Rechtssicherheit durch einen höheren Erkenntnisgewinn gerechtfertigt wäre. 3. Zwischenergebnis zur Marktabgrenzung Die Ausführungen in den Horizontalleitlinien zur Marktabgrenzung sind ausreichend, denn es gilt die allgemeine Bekanntmachung zur Marktabgrenzung. Die Kommission plädiert für eine spiegelbildliche Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts und des SSNIP-Tests. Bei der Marktabgrenzung zwischen Handels- und Herstellermarken bedarf es einer Untersuchung des jeweiligen Einzelfalls. Die Kommissionspraxis und die Entscheidungspraxis des BKartA geben diesbezüglich zahlreiche Hinweise.

II. Relevanter Markt zur Bestimmung der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung Mit Blick auf die Bewertung von Einkaufskooperationen kommt der Frage besondere Bedeutung zu, auf welchen Markt es für die Bestimmung der Spürbarkeit ankommt – allein auf den Beschaffungsmarkt oder auch auf den Absatzmarkt? 1. Relevanz der Frage Kommt es allein auf den Marktanteil auf dem Beschaffungsmarkt an283, so werden Einkaufskooperationen mit einem Marktanteil von unter 10 % auf dem Beschaffungsmarkt nicht von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst, auch wenn ihr Marktanteil auf dem Absatzmarkt weitaus größer ist. Als Beispiel einer solchen Konstellation kann eine Einkaufskooperation mehrerer Supermärkte mit einem regionalen Schwerpunkt angeführt werden, die zwar auf dem nationalen Beschaffungsmarkt weit hinter ihren großen Konkurrenten zurück-

283  Vgl. Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 454; Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 316.

290

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

bleiben, auf einem bestimmten regionalen Markt allerdings Marktanteile von weit über 10 % innehaben284. Das hätte folgende Konsequenz: Liegt der gemeinsame Marktanteil auf dem Absatzmarkt bei über 15 %, würde die Einkaufskooperation nicht vom safe harbour der Horizontalleitlinien erfasst werden, wäre aber nicht spürbar i. S. d. de minimis-Bekanntmachung. In dieser Konstellation würde dann der Spürbarkeitsschwelle der de minimis-Bekanntmachung doch eine eigenständige Rolle neben den Horizontalleitlinien zukommen, die ihr heute überwiegend abgesprochen wird285. Kommt es hingegen auch bei der Bewertung der Spürbarkeit auf beide Märkte an286, hat die Spürbarkeit neben dem safe harbour der Horizontalleitlinien keine eigenständige Bedeutung mehr287. 2. Bewertung der Kommissionspraxis und Rechtsprechung Kommissionspraxis. Schon der Wortlaut der de minimis-Bekanntmachung ist relativ eindeutig. Er stellt in Rn. 8 lit. a) auf den „von den an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen insgesamt gehaltene[n] Marktanteil auf keinem der von der Vereinbarung betroffenen relevanten Märkte“ ab. Dies impliziert, dass es nicht nur auf den Absatzmarkt ankommen kann288. Eine Einkaufsvereinbarung wirkt sich, wie im Laufe dieser Arbeit mehrfach gezeigt, auf beide Märkte, den Beschaffungs- und den Absatzmarkt, aus. Für eine Betrachtung beider Märkte spricht in systematischer Hinsicht ein Vergleich zu den Horizontalleitlinien. Diese sind bei der Bewertung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung von Einkaufsvereinbarungen eindeutig: Es kommt auf beide Märkte an. Sie sind auch Ausdruck der generellen Einschätzung der Kommission. 284  Vgl. auch das bei Binet, S. 29 angeführte Beispiel eines Autoherstellers, der Stahl einkauft. 285  S. o. § 3 B. I. 4.; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 94; Schroeder, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 101 AEUV, Rn. 556; Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 98; Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 805; Valdés Burgui/ Faura Enriquez, in: Wijckmans/Tuytschaever, Horizontal Agreements, Rn. 10.26. 286  So vertreten von Valdés Burgui/Faura Enriquez, in: Wijckmans/Tuytschaever, Horizontal Agreements, Rn. 10.26. 287  Valdés Burgui/Faura Enriquez, in: Wijckmans/Tuytschaever, Horizontal Agree­ ments, Rn. 10.26. 288  Valdés Burgui/Faura Enriquez, in: Wijckmans/Tuytschaever, Horizontal Agreements, Rn. 10.26; zur entsprechenden Auslegung der deutschen Bagatellbekanntmachung mit weitgehend identischem Wortlaut Wecker, S. 100 (vgl. BKartA, Bekanntmachung Nr. 18/2007 über die Nichtverfolgung von Kooperationsabreden mit geringer wettbewerbsbeschränkender Bedeutung („Bagatellbekanntmachung“) v. 13.5.2007).



C. Lösungsvorschläge291

Die bisherigen Entscheidungen der Kommission zu Einkaufsvereinbarungen sind demgegenüber weniger ergiebig, sprechen aber eher für die Berücksichtigung beider Märkte289. Rechtsprechung. Auch die Rechtsprechung tendiert klar in diese Richtung. Sie geht seit jeher vom wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang der Vereinbarung sowie den Umständen des Einzelfalles aus290. Bei Einkaufskooperationen sind insoweit die Strukturen auf beiden Märkten relevant, um eine Spürbarkeit verneinen zu können291. Vorsichtige kartellrechtliche Bewertung. Letztlich gebietet es der Vorsichtsgedanke, die Spürbarkeit im Zweifel eng auszulegen und damit die Marktanteile sowohl der Beschaffungs- als auch der Absatzmärkte zu berücksichtigen292. 3. Zwischenergebnis Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die de minimis-Bekanntmachung oder andere Bekanntmachungen der Kommission die Konstellation expliziter geregelt hätten. Nach den obigen Ausführungen ist aber klar, dass – nicht zuletzt aus Gründen einer gebotenen vorsichtigen kartellrechtlichen Bewertung – auch bei der Bestimmung der Spürbarkeit auf die Marktanteile auf den Beschaffungs- und den Absatzmärkten abzustellen ist, auch wenn der 289  In den Einkaufskooperationen betreffenden Kommissionsentscheidungen Socemas (Kommission, Entsch. v. 17.7.1968 – Socemas, ABl. 1968 L 201/4) und Intergroup (Kommission, Entsch. v. 14.7.1975 – Intergroup, ABl. 1975 L 212/23) wurde die Spürbarkeit verneint. Allerdings nicht mit der Begründung, dass die Marktanteile auf dem Beschaffungs- oder Absatzmarkt zu gering sind, sondern weil der Bezug über die Kooperation lediglich 0,1 % bzw. 0,06–0,89 % des Gesamtumsatzes der Mitglieder ausmachte. Die Entscheidungen sind alt. Socemas ist bereits im Jahr 1968 entschieden wurden als es noch keine de minimis-Bekanntmachung gab. Insoweit ist die Aussagekraft nur gering. Intergroup ist im Jahr 1975 entschieden wurden und damit nach Veröffentlichung der ersten Fassung der de minimis-Bekanntmachung im Jahr 1970. Die de minimis-Bekanntmachungen haben sich zwar im Laufe der Zeit verändert, relevant waren aber stets auch Marktanteile. Die Kommissionsentscheidungen sprechen daher weder klar für noch gegen eine Betrachtung des Beschaffungsmarktes oder beider Märkte. Sie belegen aber eine gewisse Flexibilität der Kommission bei der Bestimmung der Spürbarkeit einer Vereinbarung, die von der Bestimmung der Marktanteile abweichen kann. Dies entspricht der Tendenz in der Rechtsprechung, die Spürbarkeit nicht zu quantifizieren. 290  S. o. § 3 B. I. 4. m. w. N.; vgl. auch Hengst, in: Langen/Bunte, Art. 101 AEUV, Rn.  242 m. w. N. 291  A. A. Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 456, der anführt, dass die „marktübergreifende Gesamtbetrachtung der Kommission […] nicht aus der Rechtsprechung der europäischen Gerichte ableitbar [sei]“. 292  S.u. § 4 E. Handlungsempfehlungen.

292

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Spürbarkeitsschwelle dann neben den Horizontalleitlinien keine eigenständige Bedeutung zukommt.

III. Der gemeinsame Einkauf im Spannungsfeld zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung Die Einordnung von mit Einkaufskooperationen typischerweise verbundenen Vereinbarungen als bezweckte oder bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen bereitet – abseits der im dritten Kapitel geschilderten evidenten Fälle der „verschleierten Kartelle“ – gemeinhin große Schwierigkeiten. Schließlich erweist sich der Begriff der Wettbewerbsbeschränkung als ähnlich konturlos wie der Begriff des Wettbewerbs selbst. Auch die Horizontalleitlinien schaffen keine vollständige Klarheit. Sie differenzieren zwar nunmehr anders als die HLL 2001 entsprechend der Systematik des Art. 101 Abs. 1 AEUV zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen293. Zudem benennen sie sog. Hardcore-Vereinbarungen, d. h. Wettbewerbsbeschränkungen die ganz sicher wettbewerbsschädigend und daher per se verboten sind. Dazu zählen Preisfestsetzungen, Beschränkungen der Produktion oder die Zuteilung von Märkten294 und mit Blick auf Einkaufskooperationen insbesondere das „verschleierte Kartell“, das der Absprache auf dem Absatzmarkt dient295. Letztlich findet sich in Rn. 206 HLL der Hinweis, dass Preisabsprachen von Einkaufskooperationen gerade keine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken296. Dadurch wird zwar eine „schwarze Liste“ skizziert und ein „weißer Punkt“ benannt, darüber hinaus bieten die Horizontalleitlinien aber wenig Hilfestellung horizontale Wettbewerbsbeschränkungen der Dichotomie des Art. 101 Abs. 1 AEUV zuzuordnen297. Das ist zwar bedauerlich, aber nicht verwunderlich, denn anders als im US-amerikanischen Recht werden in der Kommissionspraxis 293  Zur Unterscheidung durch die Rechtsprechung s. o. § 3 B. II. 2. b); FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 3; vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 12. 294  Vgl. dazu Rn. 23 der Freistellungsleitlinien, wonach die in GVOs, Leitlinien und Bekanntmachungen der Kommission aufgezählten „schwarzen Klauseln“ und Kernbeschränkungen eine „nicht erschöpfende Orientierungshilfe zur Ermittlung bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen“ bilden. 295  S. o. § 3 B. III. 2. b); Rn. 205 HLL; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 3. 296  Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 13; FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 3. 297  Vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 12.



C. Lösungsvorschläge293

und europäischen Rechtsprechung keine Fallgruppen bezweckter Vereinbarungen im Sinne von per se-Regeln gebildet298. Durch Auswertung der aktuellen Rechtsprechung und insbesondere unter Zuhilfenahme der Schlussanträge der Generalanwälte lassen sich dennoch Hinweise zur Einordnung erkennen299. 1. Vorgaben der Rechtsprechung Die jüngeren Entscheidungen der Unionsgerichte verwässerten eine klare Grenzziehung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen. Die bezweckte Wettbewerbsbeschränkung wurde immer weitreichender auf Fälle außerhalb der Kernbeschränkungen ausgedehnt. Dies gilt etwa für den Informationsaustausch in T-Mobile Netherlands300 und die Einschränkung des Parallelhandels mit Arzneimitteln in GlaxoSmithKline Spanien301. Während das EuG eine bewirkte, aber keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung annahm302, hielt der EuGH ohne Prüfung der wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhänge eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung für gegeben303. Daraufhin hatte der EuGH die Anforderungen an eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung in Allianz Hungária304 wie folgt umrissen: Um als eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingeordnet zu werden, sind neben dem Inhalt der Vereinbarung die mit ihr verfolgten Ziele und der wirtschaftliche wie rechtliche Zusammenhang zu berücksichtigen. Im Rahmen der Beurteilung des Zusammenhangs sind auch die Natur des betroffenen Gutes oder der Dienstleistung sowie die Struktur und das Funktionieren des betrof-

298  EuGH, Urt. v. 8.9.2016, T-460/13 – Sun Pharmaceuticals Industries Ltd, ECLI:EU:T:2016:453, Rn. 295; EuG, Urt. v. 15.7.1994, Rs. T-17/93 – Matra Hachette, Slg. 1994 II-595, Rn. 85; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 78. 299  Ebd.; Eckard, S. 256. 300  EuGH, Urt. v. 4.6.2009, Rs. C-8/08, T-Mobile Netherlands BV u. a., Slg. 2009, I-4529, Rn. 31 ff.; vgl. Whish/Bailey, S. 125; Kuhn, ZWeR 2014, 143, 145. 301  EuGH, Urt. v. 6.10.2009, verb. Rs. C-501/06 P – GlaxoSmithKline, Slg. 2009 I-9291. 302  EuG, Urt v. 27.9.2006, T-168/01v – GlaxoSmithKline Services/Kommission, Slg. 2006, II-2969, Rn. 147; vgl. Kuhn, ZWeR 2014, 143, 145. 303  EuGH, Urt. v. 6.10.2009, verb. Rs. C-501/06 P – GlaxoSmithKline, Slg. 2009 I-9291, Rn. 63; vgl. Kuhn, ZWeR 2014, 143, 152. 304  EuGH, Urt. v. 14.3.2013, C-32/11 – Allianz Hungária Biztosító, ECLI:EU: C:2013:160, Rn. 34 mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 13.10.2011, C-439/09 – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, Slg. 2011, I-9419, Rn. 35 u. a.

294

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

fenen Marktes zu berücksichtigen305. Ferner muss die Vereinbarung geeignet sein, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zu zeitigen306. Diese weite Auslegung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung stieß allgemein auf Kritik und veranlasste die Generalanwälte Wahl in Groupement Cartes Bancaires (CB) und Wathelet in Toshiba dazu, vom EuGH eine Klarstellung zu fordern, da durch diese Ausdehnung der Prüfungsvoraussetzungen im Rahmen der bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen die Grenzen zur bewirkten Wettbewerbsbeschränkung verwischt wurden307. Dem Urteil Groupement Cartes Bancaires (CB) lag eine Entscheidung des EuG zugrunde, in der dieses entschied, dass eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nicht offensichtlich sein muss308. Demgegenüber hielt GA Wahl nur Beschränkungen für bezweckt, „deren schädlicher Charakter angesichts gesicherter Erfahrung und der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse feststeht und leicht nachweisbar ist, nicht aber Vereinbarungen, die angesichts des Zusammenhangs, in den sie sich einfügen, ambivalente Auswirkungen auf den Markt haben“309. Die Berücksichtigung der rechtlichen oder wirtschaftlichen Begleitumstände kann die Analyse der Bestimmung der Vereinbarung nur stützen oder neutralisieren, nicht aber eine Vereinbarung, aus der ein solcher Zweck selbst nicht zu erkennen ist, ersetzen310. Sie dient allein der Begrenzung, nicht aber der Ausweitung der Figur der bezweckten Beschränkung311. Der EuGH hob sodann die Entscheidung des EuG in Groupement Cartes Bancaires (CB) wegen Rechtsfehlern auf und verwies sie zurück an das Gericht. Aus der Entscheidung lässt sich entnehmen, dass die bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zwar nicht auf die in Art. 101 Abs. 1 AEUV 305  EuGH, Urt. v. 14.3.2013, C-32/11 – Allianz Hungária Biztosító, ECLI:EU: C:2013:160, Rn. 34. 306  EuGH, Urt. v. 14.3.2013, C-32/11 – Allianz Hungária Biztosító, ECLI:EU:C: 2013:160, Rn. 38. 307  GA Wahl, Schlussanträge v. 27.3.2014, C-67/13 P – Groupement des cartes bancaires, ECLI:EU:C:2014:1958, Rn.  51  ff.; GA Wathelet, Schlussanträge v. 25.6.2015, Rs. C-373/14 P – Toshiba, ECLI:EU:C:2015:427, Rn. 54; vgl. auch Whish/ Bailey, S. 126; Wolf, NZKart 2015, 78, 81. 308  EuG, Urt. v. 29.11.2012, T-491/07 – Groupement des cartes bancaires/Kommission, ECLI:EU:T:2012:633, Rn. 146 (nicht auf deutsch verfügbar); vgl. Kuhn, ZWeR 2014, 143, 151. 309  GA Wahl, Schlussanträge v. 27.3.2014, C-67/13 P – Groupement des cartes bancaires, ECLI:EU:C:2014:1958, Rn. 56; dem zustimmend EFTA Court, EFTAGerichtshof, Urt. v. 22.12.2016, Rs. E-3/16, Rn. 61. 310  GA Wahl, Schlussanträge v. 27.3.2014, C-67/13 P – Groupement des cartes bancaires, ECLI:EU:C:2014:1958, Rn. 44, 45; Kuhn, ZWeR 2014, 143, 151. 311  Kuhn, ZWeR 2014, 143, 151.



C. Lösungsvorschläge295

genannten Kernbeschränkungen begrenzt, aber aufgrund seiner beweiserleichternden Wirkung dennoch eng auszulegen ist312. Dazu gehören jedenfalls alle Vereinbarungen, die weitere wirtschaftliche Prüfungen nötig machen, sodass erkennbar nicht davon ausgegangen werden kann, die Vereinbarung sei „schon ihrer Natur nach“ als schädlich einzustufen313. Damit hat der EuGH auch die ausufernde Interpretation der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung in Allianz Hungária wieder „gerade gerückt“. Allianz Hungária stellt sich als eine Abweichung, als ein besonderer, spezifischer Fall dar, aus dem keine verallgemeinerungsfähigen Schlüsse gezogen werden dürfen314 und aus dem keine Pfadabhängigkeit erwächst. Im Gegenteil: Mit der Entscheidung Groupement Cartes Bancaires (CB) hat der EuGH den ursprünglich verfolgten Pfad wieder betreten315. Dieses restriktive Verständnis der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ist richtig316. Als Begründung kann nur auf die Ausführungen von GA Wahl in Groupement Cartes Bancaires (CB) zur Ratio der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung verwiesen werden, die bereits von GAin Kokott in ihren Schlussanträgen in T-Mobile Netherlands317 vorgetragen wurden. Demnach führt der Rückgriff auf den Begriff des wettbewerbswidrigen Zwecks zu „Berechenbarkeit und somit zu Rechtssicherheit für die Unternehmen“, da sie die Rechtsfolgen bestimmter Maßnahmen absehbar macht und den Unternehmen so Gelegenheit gibt, ihr Verhalten daran anzupassen318. „Damit hat die Identifizierung von Absprachen mit wettbewerbsbeschränkendem Zweck auch eine abschreckende Wirkung und trägt dazu bei, wettbewerbswidrige Verhaltensweisen zu verhindern. Schließlich dient sie der Verfahrensökonomie, indem sie es den Wettbewerbsbehörden erlaubt, angesichts bestimmter Formen der Kollusion auf deren wettbewerbsbeschränkende Wirkung zu schließen, ohne eine häufig 312  EuGH, Urt. v. 11.9.2014, Rs. C-67-13 PX – Groupement des cartes bancaires (CB), ECLI:EU:C:2014:2204, Rn. 58. 313  Vgl. EuGH, Urt. v. 11.9.2014, Rs. C-67-13 PX – Groupement des cartes bancaires (CB), ECLI:EU:C:2014:2204, Rn. 82. 314  Vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 25.6.2015, Rs. C-373/14 P – Toshiba, ECLI:EU:C:2015:427, Rn. 84, 85: „Die nach diesem Urteil ergangene Rechtsprechung bestätigt den spezifischen und isolierten Charakter des Urteils Allianz Hungária Biztosító u. a.“. 315  Vgl. zum Begriff der Pfadabhängigkeit durch Rechtsprechung Schmidtchen, WuW 2006, 6, 6 sowie einführend zur Pfadabhängigkeit Hoffmann-Riem, S.  213 ff. 316  Vgl. auch Whish/Bailey, S. 126; Wolf, NZKart 2015, 78, 84; Calzado/Scordamaglia-Tousis, JECLP 2015, 495. 317  GAin Kokott, Schlussanträge v. 19.2.2009, Rs. C-8/08 – T-Mobile Netherlands BV u. a., Slg. 2009, I-4529, Rn. 43; vgl. dazu auch Whish/Bailey, S. 128. 318  GA Wahl, Schlussanträge v. 27.3.2014, Rs. C-67/13 P – Groupement des cartes bancaires, ECLI:EU:C:2014:1958, Rn. 35.

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komplizierte und mühsame Untersuchung ihrer potenziellen oder tatsächlichen Auswirkungen auf den relevanten Markt vornehmen zu müssen.“319 Diese Vorteile können aber nur dann entstehen, „wenn der Rückgriff auf den Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung eindeutig eingegrenzt ist“320. 2. Konsequenzen Aus alldem sollten für die Abgrenzung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung folgende Schlüsse gezogen werden: Die Voraussetzungen für eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung sind nach den deutlichen Worten des EuGH wieder restriktiv zu verstehen. Eine Einordnung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung verbietet sich jedenfalls dann, wenn keine empirisch gesicherten ökonomischen Grundlagen existieren, die zeigen, dass eine bestimmte Art von Vereinbarungen zu einer hinreichend beschränkenden negativen Wirkung führt321. Das bloße Argument, die Bildung einer Einkaufskooperation, die Vereinbarung eines Bezugszwangs oder anderer typischer Vereinbarungen belaste die Qualität-, Auswahl oder Innovation, kann nach den Erkenntnissen aus dem zweiten Kapitel nicht gelten, da die Auswirkungen unklar sind und sich eine eindeutig negative Wirkung auf Qualität, Auswahl oder Innovation empirisch nicht nachweisen lässt322. Dasselbe gilt für Aussagen, dass derartige Vereinbarungen zu einem Wasserbetteffekt führen323. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung muss auch die Vereinbarung über den Einkaufspreis im Rahmen einer Einkaufskooperation in das dichotome System des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfolgen. 319  GA Wahl, Schlussanträge v. 27.3.2014, Rs. C-67/13 P – Groupement des cartes bancaires, ECLI:EU:C:2014:1958, Rn. 35; ebenfalls aufgegriffen von GA Wathelet, Schlussanträge v. 25.6.2015, Rs. C-373/14 P – Toshiba, ECLI:EU:C:2015:427, Rn. 58. 320  GA Wahl, Schlussanträge v. 27.3.2014, Rs. C-67/13 P – Groupement des cartes bancaires, ECLI:EU:C:2014:1958, Rn. 36; vgl. auch GA Wathelet, Schlussanträge v. 25.6.2015, Rs. C-373/14 P – Toshiba, ECLI:EU:C:2015:427, Rn. 59. 321  Vgl. EuGH, Urt. v. 11.9.2014, Rs. C-67-13 PX – Groupement des cartes bancaires (CB), ECLI:EU:C:2014:2204, Rn. 51; ausdrücklicher GA Wahl, Schlussanträge v. 27.3.2014, C-67/13 P – Groupement des cartes bancaires, ECLI:EU:C:2014:1958, Rn. 56 (wie oben zitiert); vgl. Kuhn, ZWeR 2014, 143, 168; Wolf, NZKart 2015, 78, 84; ähnlich auch Jones/Kovacic, S. 45. Wolf, NZKart 2015, 78, 82 f. interpretiert das Urteil des EuGH sogar so, dass „wettbewerblich ambivalente Verhaltensweisen im Zweifel keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellen“. Demnach können Einkaufsvereinbarungen aufgrund ihrer ambivalenten Wirkungen nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen klassifiziert werden. 322  S. o. § 2 A. III. 323  S. o. § 2 A. II. 2. d) bb).



C. Lösungsvorschläge297

3. Vereinbarungen über Einkaufspreise als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung? Die bisherige Kommissionspraxis und Rechtsprechung haben grundsätzlich auf den Bezugszwang als maßgebliches Kriterium zur Bestimmung wettbewerbsbeschränkender Wirkungen von Einkaufskooperationen abgestellt, sodass die Frage, ob bereits der gemeinsame Einkauf an sich, ohne Bezugszwang, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellt, nicht ausdrücklich beantwortet wurde324. Teilweise wird die Entscheidung des EuGH in der Sache Coöperative Stremsel- en Kleurselfabriek (Lab-Urteil) dahingehend interpretiert, dass eine Preisfestsetzung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft wurde325. Tatsächlich hat der EuGH aber einen vollständigen Bezugszwang als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft. Zudem hat der EuGH bereits in Gøttrup-Klim/DLG klargestellt, dass Vereinbarungen einer Einkaufskooperation nicht „abstrakt beurteilt werden können“, sondern auch von den wirtschaftlichen Bedingungen im Markt abhängen und je nach den Bedingungen „einem wirksameren Wettbewerb förderlich sein“ können326. Die Horizontalleitlinien der Kommission stellen explizit klar, dass die Einigung über Einkaufspreise im Rahmen einer gemeinsamen Einkaufsregelung keine bezweckte, sondern allenfalls eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung darstellt327. a) Preisvereinbarungen als per se bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen Dennoch wird in der Literatur mitunter argumentiert, dass die Vereinbarungen über den Einkaufspreis auch innerhalb einer Einkaufskooperation stets bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellen328. Das verwundert 324  S. o.

§ 3 B. II. 2. c). wird diese Rechtsprechung vom EFTA-Gerichtshof als Fallgruppe einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung aufgeführt, vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 22.12.2016, Rs. E-3/16, Rn. 90. Im guidance paper der Kommission zur de minimis-Bekanntmachung bleibt das Urteil hingegen unerwähnt (vgl. Nachweis in § 3, Fn. 72). 326  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn. 31 und 32; vgl. Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 800. 327  Rn. 206 HLL. 328  Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 315 und 221; Kokkoris, ECLR 2007, 473, 477 ff.; U. Arndt, BB 1977, 1377, 1379 ff.; vgl. auch die weiteren Nachweise aus der älteren deutschen Literatur bei Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 800 Fn. 93. 325  So

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mit Blick darauf, dass die „Festsetzung der An- oder Verkaufspreise“ in Art. 101 Abs. 1 lit. a) AEUV gerade als eine klassische Kernbeschränkung aufgeführt ist, nicht. Daraus wird dann geschlossen, dass die Einordnung durch die Horizontalleitlinien, wonach die Festlegung von Einkaufspreisen eine Wettbewerbsbeschränkung nicht bezwecken könne, den Unterschied zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen „verschleifen“ würde und falsch sei329. Zudem sei es widersprüchlich zwischen der Vereinbarung von Einkaufspreisen und der Vereinbarung von Einkaufspreisen im Rahmen von Einkaufsgemeinschaften zu unterscheiden330. Letztlich messe die Kommission mit „zweierlei Maß“, wenn sie Preisfestsetzungen im Rahmen von Vermarktungsvereinbarungen besonders kritisch bewertet und auch Art. 101 Abs. 1 lit. a) AEUV nicht zwischen Preisfestsetzungen beim Verkauf und beim Einkauf unterscheidet331. Diese Ungleichbehandlung sei ökonomisch nicht zu erklären, sondern beruhe auf politischen Motiven332. b) Preisvereinbarungen im Rahmen von Einkaufskooperationen sind keine bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen Demgegenüber wird überwiegend entsprechend der Horizontalleitlinien davon ausgegangen, dass die Gründung einer Einkaufskooperation allein noch keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, sondern regelmäßig allenfalls eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung darstellt333. Begründet wird dies damit, dass der gemeinsame Einkauf allein auf die Realisierung größenbedingter Vorteile zielt334. Er „bezweckt also keine Beschränkung des Einkaufs-Preiswettbewerbs“335 – die Preisvereinbarungen im Rahmen von Einkaufskooperationen führen zu wirtschaftlichen Effizienzgewinnen und können daher nicht als per se schädlich angesehen werden336. Vielmehr ist eine konkrete Abwägung erforderlich und das kann nur unter dem Merkmal der „bewirkten Wettbewerbsbeschränkung“ geschehen337. Die Einigung über einen gemeinsamen Einkaufspreis ist notwendig, um kartellrechtlich zulässige 329  Füller,

in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 315. in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 315. 331  Raeder, S. 56, 58 und 159. 332  Raeder, S. 159. 333  Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 93; Ruppelt, S.  42 ff.; Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 800; Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 453; Valdés Burgui/Faura Enriquez, in: Wijckmans/Tuytschaever, Horizontal Agreements, Rn. 10.36. 334  Ruppelt, S. 43; Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 453. 335  Ruppelt, S. 43. 336  Ruppelt, S. 43. 337  Ruppelt, S. 43. 330  Füller,



C. Lösungsvorschläge299

Einkaufskooperationen zu betreiben338. Ferner können sie gegenüber marktstarken Lieferanten ein Marktgleichgewicht wiederherstellen339. Letztlich werden in einer Einkaufskooperation nicht zwangsläufig genaue Einkaufspreise festgelegt, sondern es wird zumeist vereinbart, so günstig wie möglich einzukaufen340. Entsprechend scheint auch das BKartA von einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung auszugehen, indem es Einkaufskooperationen mit einem geringen Marktanteil (allein) im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB freistellen will341. c) Bewertung Zunächst gilt es zu betonen, dass nicht in jeder Einkaufskooperation zwangsläufig Preise abgesprochen werden. Wie im ersten Kapitel dargestellt, existiert eine Vielzahl von Einkaufskooperationen mit unterschiedlichen Organisationsgraden. Marktinformations- und Verhandlungsgemeinschaften handeln keine Preise aus, sondern suchen Produkte und/oder verhandeln Rahmenverträge, ohne bereits Preise zu vereinbaren. Diese werden erst im Nachhinein individuell zwischen den Mitgliedern der Kooperation und den Lieferanten ausgehandelt342. Bei diesen Formen von Einkaufskooperationen ist insoweit nicht von einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung in Form einer Preisvereinbarung auszugehen. Bestellgemeinschaften und hochentwickelte Einkaufskooperationen werden demgegenüber regelmäßig Preise vereinbaren – sei es in Form von exakten Bezugspreisen, Höchstpreisen oder Preiskorridoren343. Damit bleibt für eine Vielzahl an Einkaufskooperationen die Frage, ob ihre Preisvereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen i. S. v. Art. 101 AEUV zu bewerten sind. Für eine solche Einordnung der Vereinbarung spricht allein die einfache Handhabbarkeit. Wie die Analyse der oben dargestellten Rechtsprechung 338  Valdés Burgui/Faura Enriquez, in: Wijckmans/Tuytschaever, Horizontal Agree­ ments, Rn. 10.36. 339  Maritzen, in: KölnKomm, § 1 GWB, Rn. 453. 340  Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 802. 341  BKartA, Merkblatt über Kooperationsmöglichkeiten für kleinere und mittlere Unternehmen, März 2007, Rn. 38; BKartA, Bagatellbekanntmachung, Rn. 14 Fn. 2. 342  Das betrifft beispielsweise die Einkaufskooperation zwischen den französischen Lebensmitteleinzelhändlern Intermarché und Casino, vgl. Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn. 68. Gleiches gilt für die italienische Einkaufskooperation Centrale Italiana, vgl. Sciaudone/Caravà, JECLP 2015, 424, 428; Raffaelli, Italian Antitrust Review 2014, 33, 46. 343  Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 315; Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 134.

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gezeigt hat, sind für die Abgrenzung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung klare und handhabbare Kriterien nötig, um deren Zwecke einer rechtssicheren Einschätzung und der Verfahrensökonomie zu erfüllen. Eine solche Einordnung verkehrt aber die oben aufgeführte Argumentation des EuGH und der Generalanwälte in ihr Gegenteil. Aus ihr folgt gerade keine ausufernde Auslegung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, sondern – wie der EuGH klarstellt – eine restriktive Auslegung. Die wettbewerblichen Auswirkungen von Einkaufskooperationen, welche eine Einigung über Preise voraussetzen, sind regelmäßig ambivalent344. Sie sind, wie im zweiten Kapitel gezeigt wurde, abhängig von den Marktstrukturen und kooperations- und produktbezogenen Faktoren und können sowohl wettbewerbsfördernd als auch wettbewerbsschädigend sein345. Deshalb ist es erforderlich, den Einfluss und die Intensität jeder Einkaufsvereinbarung auf den Wettbewerb hin zu untersuchen. Eine Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung würde dem nicht gerecht346. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie bei Einkaufskooperationen – keine empirisch gesicherten ökonomischen Grundlagen existieren, die aufzeigen, dass diese Vereinbarungen zu einer hinreichend beschränkenden negativen Wirkung führen347. Die zahlreichen positiven Wirkungen einer Einkaufskooperation lassen sich demgegenüber nicht abstreiten. Folgt man der Lesart, wonach Preisvereinbarungen im Rahmen von Einkaufskooperationen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen anzusehen sind, würden diese jedoch schlicht ausgeblendet. Die Bewertung von Einkaufskooperationen, die Effizienzvorteile mit sich bringen, fiele dann nicht anders aus, als wenn die Käufer ein klassisches Käuferkartell bilden, indem sie Preise oder Mengenreduktion miteinander absprechen. Dem Bedürfnis nach einer Prüfung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen kann auch nicht entgegengehalten werden, dass Preisvereinbarungen im Rahmen von Einkaufskooperationen grundsätzlich entbehrlich sind. Zwar lassen sich zahlreiche Einkaufsprozesse auch ohne Preisvereinbarungen gemeinsam effizienter realisieren. Dazu gehören zunächst die erste und dritte Funktionsebene des gemeinsamen Einkaufs, namentlich die Suche nach geeigneten Lieferanten und Produkten sowie die Etablierung eines gemeinsamen Logistikprozesses und eines Einkaufsnachvollzugs. Die Vorteile der 344  S. o. § 2 A. und B.; vgl. auch Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 93. 345  S. o. § 2 A. und B. 346  Allgemein dazu Kerber, in: FS Möschel, S. 341, 343. 347  S. o. § 2 A. II. und III.



C. Lösungsvorschläge301

Einkaufsbündelung, allen voran Konditionenvorteile durch ein erhöhtes Beschaffungsvolumen, etwa durch das Erreichen von Rabattschwellen, zu erzielen, lassen sich dabei auch ohne genaue Preisverhandlungen realisieren. Nichtsdestotrotz kann eine Preisvereinbarung mit Blick auf die Transaktionskosten zu noch weitreichenderen Effizienzen führen. Transaktionskosten sinken dann, wenn die Anzahl an Verhandlungsgesprächen und an unterschiedlichen Verträgen reduziert wird. Werden hingegen keine gemeinsamen Preisvereinbarungen getroffen und bleibt die Anzahl der Vertragsverhandlungen weitgehend gleich, sind die Effizienzgewinne durch die Einkaufskooperation mit Blick auf eine Ersparnis von Transaktionskosten im Bestellprozess gering. Nicht nur das: ohne Preisvereinbarungen sind Verhandlungen in mehreren Stufen nötig. Zunächst wird die Einkaufskooperation jährlich einen Rahmenvertrag verhandeln (in dem etwa die Produktmerkmale, Rabatte und Gebühren ausgehandelt werden)348, in einem zweiten Schritt müssen dann die Mitglieder noch jeweils den exakten Preis aushandeln. Das kann den Einkaufsprozess verkomplizieren und verlängern, statt ihn effizienter zu gestalten349. Damit ist festzuhalten, dass Preisvereinbarungen zwar grundsätzlich nicht notwendig sind, um eine Einkaufskooperation mit vorteilhaften Wirkungen zu betreiben. Sie sind aber andererseits nicht entbehrlich, will man die Effizienzpotentiale einer gemeinsamen Beschaffung gänzlich ausreizen. Diese Überlegungen sind nicht nur im Rahmen der Prüfung der Unerlässlichkeit i. R.v. Art. 101 Abs. 3 AEUV relevant, sondern zeigen auch auf, dass der Preisvereinbarung im Rahmen einer Einkaufsvereinbarung keineswegs der erforderliche Makel evidenter Wettbewerbsschädlichkeit anhaftet. Letztlich muss die Einordnung einer Preisvereinbarung im Rahmen einer Einkaufskooperation als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung auch mit Blick auf das Gesamtsystem aus Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV erfolgen. Denn diese sind zwei Seiten einer Medaille, die niemals isoliert voneinander betrachtet werden sollten, sondern als Gesamtsystem verstanden werden müssen. Insofern ist Art. 101 Abs. 3 AEUV auch für die Auslegung von Art. 101 Abs. 1 AEUV bedeutsam. Eine Einordnung der gemeinsamen Preisfestsetzung hätte zur Folge, dass Einkaufskooperationen stets den Tatbestand des Kartellverbots erfüllen würden, ohne dass eine genauere Analyse ihrer Wirkungen auf den Markt nötig wäre. Sie könnten dann allein durch Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt werden. 348  Vgl. Sciaudone/Caravà, JECLP 2015, 424, 428 und Raffaelli, Italian Antitrust Review 2014, 33, 46 zur italienischen Einkaufskooperation Centrale Italiana. 349  Vgl. Sciaudone/Caravà, JECLP 2015, 424, 428 mit Verweis auf eine derartige Feststellung der italienischen Wettbewerbsbehörde AGCM in ihrer Sektorunter­ suchung „Indagine conoscitiva sul settore della GDO – IC43“.

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Das BKartA hält eine Bewertung von Einkaufskooperationen im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB für sinnvoll350. Sie stimmt der Einordnung der Horizontalleitlinien, die bei geringen Marktanteilen bereits eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung für unwahrscheinlich hält, nicht zu, spricht sich aber auch nicht explizit dagegen aus. Diese den Meinungsstand des BKartA von 2007 reflektierende Äußerung ist aber auch vor dem Hintergrund der deutschen Rechtslage zu interpretieren: Dort besteht mit § 3 GWB weiterhin ein Tatbestand, der die Freistellung auch von Einkaufskooperationen spezieller regelt. Insofern gibt es für das BKartA keinen Anlass, über eine exakte Abgrenzung zwischen der bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkung im Rahmen von Einkaufskooperationen nachzudenken351. Eine solche Verschiebung allein in Art. 101 Abs. 3 AEUV, mit all seinen Nachteilen für die betroffenen Unternehmen, namentlich die Beweislast und der sehr strenge Beweismaßstab352, wäre aber nicht sachgerecht353. Unter Abwägung der oben aufgeführten Argumente sprechen die überzeugenderen Gründe dafür, Preisvereinbarungen im Rahmen von Einkaufskooperationen nicht als bezweckte, sondern vielmehr als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung einzuordnen. Im Ergebnis ist es keineswegs widersprüchlich, zwischen der Vereinbarung von Einkaufspreisen und der Vereinbarung von Einkaufspreisen im Rahmen von Einkaufskooperationen zu unterscheiden. Dieser Unterscheidung scheint sich auch der EuGH bewusst zu sein, wenn er in Groupement Cartes Bancaires (CB) und Maxima Latvija nicht einfach von der Festsetzung von Preisen (price fixing) spricht, sondern stattdessen feinsäuberlich differenzierend von der „Festsetzung der Preise durch Kartelle“ („horizontal price-fixing by cartels“)354.

350  BKartA, Merkblatt über Kooperationsmöglichkeiten für kleinere und mittlere Unternehmen, März 2007, Rn. 38; BKartA, Bagatellbekanntmachung, Rn. 14 Fn. 2; FK-Bunte, § 3 GWB 2005, Rn. 12. 351  So prüfte das BKartA in seiner Entscheidung Hintermauerziegelkartell v. 25.10.2005 (B1-248/04) eine Einkaufskooperation primär anhand von § 3 GWB, ohne näher auf die Voraussetzungen eine Wettbewerbsbeschränkung gem. § 1 GWB einzugehen; vgl. Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 105. 352  S. o. § 3 B. III. 353  A. A. Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 315. 354  EuGH, Urt. v. 11.9.2014, Rs. C-67-13 PX – Groupement des cartes bancaires (CB), ECLI:EU:C:2014:2204, Rn. 51; EuGH, Urt. v. 26.11.2015, C-345/14 – Maxima Latvija, EU:C:2014:2204, Rn. 19; vgl. Ibanez Colomo, Comment.



C. Lösungsvorschläge303

d) Folgefrage nach der Abgrenzung zwischen Preisvereinbarungen im Rahmen und außerhalb von Einkaufskooperationen Richtig ist aber, dass die Unterscheidung unweigerlich zur Folgefrage führen: Wie genau lassen sich Vereinbarungen im Rahmen von Einkaufskooperationen von anderen Preisvereinbarungen abgrenzen? Welche ihrer wettbewerblich erwünschten Wirkungen kann dazu führen, dass Preisvereinbarungen als typische Hardcore-Vereinbarungen nicht mehr als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen einzuordnen sind?355 Eine derartige Abgrenzung kann erstens aufgrund der konturenunscharfen Definition der Einkaufskooperationen – wie sie im ersten Kapitel aufgezeigt wurde356 – nur negativ erfolgen. Zweitens hat sie sich an die in den vorherigen Abschnitten dargestellten und analysierten Vorgaben der aktuellen Rechtsprechung zur Abgrenzung von bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen zu orientieren, die eine restriktive Auslegung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung fordern357. Maßgeblich sind daher greifbare Kriterien, die nur eine evident schädliche Wirkung der Kooperationsvereinbarung offenbaren. Alle anderen Einkaufskooperationen sind einer näheren Untersuchung ihrer Wirkungen im Rahmen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV zu unterwerfen. Zu den evident bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen zählt zunächst offensichtlich das in den Horizontalleitlinien genannte „verschleierte Kar­ tell“358 für Kernbeschränkungen wie Preisfestsetzungen und Gebietsaufteilungen auf dem Absatzmarkt. Dessen Zwecksetzung lässt keinen Zweifel daran, dass die Gewinnvorteile durch Kernbeschränkungen erzielt werden sollen statt durch Effizienzvorteile in Form der im zweiten Kapitel genannten positiven Auswirkungen des gemeinsamen Einkaufs (insbesondere economies of scale und Transaktionskostenreduktion). Darüber hinaus sind auch Absprachen bloß konkurrierender Nachfrager über die Beschaffung, die keine Beschränkung des Absatzmarktes bezwecken, als Preisvereinbarungen einzuordnen359, da mit ihnen ebenfalls au­ gen­scheinlich und greifbar keine positiven Effekte von Einkaufskooperationen verbunden sein können. Es fehlt an einem Mindestmaß an „institutionelle[r] Verstetigung und Verfestigung der Kooperation“360, die bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 12. § 1 A. I. 357  S. o. § 4 C. III. 1. und 2. 358  Rn. 205 HLL; s. o. § 3 B. II. 2. 359  Vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 12  f.; ebenso Ezrachi, JCLE 2012, 47, 64. 360  Vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 13. 355  Vgl. 356  S. o.

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Grundvoraussetzungen sind, um Effizienzvorteile durch einen gemeinsamen Einkauf zu erzielen361.

IV. Die bewirkte Wettbewerbsbeschränkung Liegt keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vor, ist zu prüfen, ob die Einkaufskooperation bzw. die in ihrem Rahmen geschlossenen Einkaufsvereinbarungen bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen i. S. v. Art.  101 Abs.  1 AEUV darstellen. Die bewirkte Wettbewerbsbeschränkung ist, da bereits eine Definition des Wettbewerbs überhaupt fehlt, auch nicht eindeutig definiert. Sie wird aber durch Rechtsprechung konturiert und in verschiedenen Leitlinien der Kommission konkretisiert. Dabei ist die Prüfung der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung abhängig vom Konzept der Wettbewerbsbeschränkung. 1. Ökonomischer Ansatz der Kommission Die Kommission verfolgt in ihren Horizontalleitlinien einen more economic approach, wonach es bei der Prüfung einer Wettbewerbsbeschränkung nicht auf den Inhalt einer Vereinbarung ankommt (form based approach), sondern die konkreten Auswirkungen auf den relevanten Markt zu berücksichtigen sind (effects based approach)362. Auf eine Beschränkung der Handlungsfreiheiten kommt es der Kommission hingegen nicht an363. Relevanter ist vielmehr, ob die Vereinbarung zu einer Verschlechterung der Marktergebnisse führt, die sich insbesondere in einer Preissteigerung für die Verbraucher zeigt364. Die Kommission wählt damit in ihren Freistellungsleitlinien365 einen simplen Test, der jedenfalls bei einer ex post-Bewerauch Ezrachi, JCLE 2012, 47, 50, 64. die Definition in Rn. 24 der Freistellungsleitlinien: „Vereinbarungen, die eine wettbewerbsbeschränkende Auswirkung haben, müssen den gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerb in einem solchen Ausmaß beeinträchtigen können, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit negative Auswirkungen auf Preise, Produktionsmengen, Innovationen oder Vielfalt bzw. Qualität von Waren und Dienstleistungen erwartet werden können“. 363  Vgl. Kommission, Entsch. v. 3.10.2007, COMP/34.570 – Morgan Stanley/ Visa, Rn. 125 f. in der die Kommission trotz fehlender Beschränkung der Handlungsfreiheiten der Parteien unter Verweis auf die HLL eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung annahm, vgl. Hertfelder, in: FS Möschel, S. 281, 283 und 287. 364  Freistellungsleitlinien, Rn. 27; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Art.  101 Abs. 1 AEUV, Rn. 108; FK-Roth/Ackermann, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 EG, Rn. 343. 365  Freistellungsleitlinien, Rn. 27. 361  Vgl. 362  Vgl.



C. Lösungsvorschläge305

tung wie der nachträglichen Überprüfung einer Einkaufsvereinbarung leicht durchzuführen ist. Er ist allerdings für die Bewertung der Auswirkungen von Einkaufskooperationen gänzlich ungeeignet, da sie grundsätzlich – mit Ausnahme „verdeckter Kartelle“ oder bei künstlicher Reduzierung der Einkaufsmenge nach dem Monopson-Modell – nicht zu höheren Preisen für die Verbraucher führt. Im Gegenteil: Je nach den Bedingungen auf dem Absatzmarkt werden die durch die Einkaufskooperation erzielten Vorteile an die Verbraucher weitergetragen, sodass diese von günstigeren Preisen profitieren. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung einer Einkaufskooperation und ihrer Einkaufsvereinbarungen hängt damit primär von ihrer Marktmacht ab. Diese wird anhand der Marktanteile, Marktstrukturen und weiterer Faktoren gemessen. 2. Ansätze in der Rechtsprechung Demgegenüber ging die Rechtsprechung, aber auch die ältere Kommis­ sionspraxis, wie im dritten Kapitel aufgezeigt, von Konzepten der Wettbewerbsbeschränkung aus, die an die Beschränkung von Handlungsfreiheiten anknüpfen. Traditionelles Verständnis. Dabei zeigten die Entscheidungen zu Bezugszwängen, dass traditionell die Einschränkung der Handlungsfreiheiten der Kooperationsmitglieder als Verstoß gegen das „Selbständigkeitspostulat“ maßgebliches Kriterium war366. Die Einschränkung der Handlungsfreiheit der Kooperationsmitglieder allein genügt nicht mehr. Nach dem im letzten Abschnitt aufgezeigten Wandel der Rechtsprechung, die in zahlreichen Entscheidungen betonte, dass es auf die Beschränkung der Handlungsfreiheiten der an einer Vereinbarung beteiligten Unternehmen allein nicht mehr ankommt367, ist die bisherige Praxis überholt und kann nur noch als Indiz für eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung einer Vereinbarung dienen. Dafür spricht die Ratio der Wettbe366  § 3 B. II. 2. c); EuGH, Urt. v. 25.3.1981, Rs. 61/80 – Coöperative Stremselen Kleurselfabriek/Kommission (Lab-Urteil), Slg. 1981, 851; Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 31. 367  S. o. § 4 B. I. 3. b); EuGH, Urt. v. 19.2.2002, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, I-1577, Rn. 97; EuGH, Urt. v. 18.7.2006, Rs. C-519/04P – Meca-Medina, Slg. 2006, S. I-7006, 7023, Rn. 42; EuGH, Urt. v. 18.7.2013, Rs. C-136/12 – Consiglio nazionale die geologi, ECLI:EU:C:2013:489, Rn. 53; Freistellungsleitlinien, Rn. 24, Fn. 31 mit Verweis auf EuG, Urt. v. 18.9.2001, Rs. T-112/99 – Métropole (M6), Slg. 2001 II-2459, Rn. 76 f.; vgl. Hertfelder, in: FS Möschel S. 281, 286 f.

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

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werbsvorschriften, die den Wettbewerb als Institution schützen, nicht die einzelnen Marktteilnehmer368. Beschränkung der Handlungsfreiheiten Dritter. Insoweit liegt der Schwerpunkt der Prüfung auf den Auswirkungen der Vereinbarung auf Dritte und den Binnenmarkt369. Dabei kann nicht nur aktueller, sondern auch potentieller Wettbewerb beschränkt werden. Die Handlungsfreiheiten der Hersteller/ Lieferanten werden durch die Bildung der Einkaufskooperation beschränkt. Allerdings dürften die Wirkungen zumeist nur marginal sein, denn in den meisten Fällen (in denen kein Bezugszwang besteht) ist noch immer eine gesonderte Verhandlung möglich. Die Ausweichmöglichkeiten der Hersteller/ Lieferanten werden daher zumeist nicht sonderlich schwer beeinträchtigt. Aktuelles Konzept. In seinen jüngeren Entscheidungen verlangt der EuGH, „dass bei der Beurteilung der Wirkungen einer Wettbewerbsvereinbarung, der wirtschaftliche und rechtliche Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen ist, in dem die Vereinbarung steht und zusammen mit anderen zu einer kumulativen Auswirkung auf den Wettbewerb führen kann“370. Damit lassen sich die im zweiten Kapitel entwickelten Faktoren für die Bewertung der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung heranziehen und die dort aufgezeigten Wirkungszusammenhänge übertragen. 3. Orientierung an den theories of harm der Horizontalleitlinien Im Folgenden werden die typischen durch die Horizontalleitlinien aufgezeigten theories of harm überprüft371. Dabei wird auf die im zweiten Kapitel analysierten Faktoren und Wirkungszusammenhänge zurückgegriffen. (i) Kollusion auf den Absatzmärkten Die erste wettbewerbsbeschränkende Wirkung, die durch Einkaufskooperationen hervorgerufen werden könnte, ist eine Kollusion auf dem Absatzmarkt. Hertfelder, in: FS Möschel S. 281, 287 m. w. N. v. 28.2.1991, Rs. C-234/89 – Delimitis, Slg. 1991, I-935 Rn. 23 f.; EuGH, Urt. v. 7.12.2000, C-214/99 – Neste, Slg. 2000, I-11121, Rn. 25; vgl. Hertfelder, in: FS Möschel, S. 281, 285. 370  EuGH, Urt. v. 26.11.2015, C-345/14 – Maxima Latvija, EU:C:2014:2204, Rn. 26 mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. C-234/89 – Delimitis, Slg. 1991, I-977, Rn. 14; vgl. auch (zu Alleinbezugsverträgen) EuGH, Urt. v. 7.12.2000, C-214/99 – Neste, Slg. 2000, I-11121, Rn. 25; EuGH, Urt. v. 2.4.2009, Rs. C-260/07 – Pedro IV Servicios SL, Slg. 2009, I-2437, Rn. 83. 371  Die folgende Darstellung orientiert sich an der Bewertung von Einkaufskooperationen im LEH durch die französische Wettbewerbsbehörde, vgl. Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03. 368  Vgl.

369  EuGH



C. Lösungsvorschläge307

(a)  Kollusion aufgrund von Informationsaustausch. Diese wiederum kann sich aus einem erhöhten Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperation ergeben, die zum Betrieb der Einkaufskooperation nötig ist und Rückschlüsse auf Preise, Mengen und viele weitere wesentliche Wettbewerbsparameter zulassen kann372. Sie gilt es, durch geeignete Strukturmaßnahmen auf das für den Betrieb unbedingt Nötigste zu minimieren373. (b) Kollusion aufgrund erhöhter Symmetrie der Einkaufsbedingungen. Gefahren der Kollusion werden durch erhöhte Symmetrie der Mitglieder befördert. Die Angleichung der Einkaufspreise und Einkaufsbedingungen, aber auch der Logistikprozesse, kann – je nach Zusammenhang zwischen Vor- und Endprodukt – einen signifikanten Teil der Verkaufskosten ausmachen und zu Kostenangleichungen zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperation führen374. Marktstrukturen. Die Gefahr der Kollusion wird darüber hinaus von Marktstrukturen beeinträchtigt: Ist ein Markt besonders transparent, erhöht das die Kollusion375. Das ist beispielsweise im LEH der Fall, in dem wie auch auf anderen großen Handelsmärkten zahlreiche Daten erhoben werden (etwa auf Befragungen der Marktteilnehmer beruhende sog. Paneldaten oder Scannerdaten). Ein enges Oligopol mit hohen Marktzutrittsschranken – wie es wiederum auf den meisten nationalen LEH-Märkten besteht – ist ebenfalls anfälliger für kollusives Verhalten376. Wettbewerbliche Nähe der Kooperationsmitglieder auf dem Absatzmarkt. Eine Kollusion ist auch vom Wettbewerbsgrad der Kooperationsmitglieder auf dem Absatzmarkt zueinander abhängig (wie er aus Fusionskontrollfällen bekannt ist). So ist der Wettbewerbsgrad umso geringer, je weniger regionale Märkte sich überlappen (ein Mitglied beispielsweise primär in ländlichen Gebieten, ein anderes vermehrt in Innenstädten tätig ist). Die wettbewerbliche Nähe ist dann gering, wenn sich die Kooperationsmitglieder an unterschiedliche Kundengruppen richten (z. B. ein Kooperationsmitglied im Premiumsektor tätig ist, ein anderes sich primär an preissensitive Kunden richtet). (ii) Wettbewerbsbeschränkende Wirkungen der Nachfragemacht Die Nachfragemacht kann zu zahlreichen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen führen. 372  S. o.

§ 2 C. I. 1. b). dazu die Handlungsempfehlungen unter § 4 E. III. 5.; vgl. zu praktischen Umsetzungsschwierigkeiten Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn. 142 ff. 374  Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn. 163 ff. 375  Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn. 178. 376  Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn. 178. 373  Vgl.

308

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

(a) Kein Wasserbetteffekt oder Spiraleffekt. Wie im zweiten Kapitel gezeigt, sind manche dieser Wirkungen eher theoretischer Natur und lassen sich in der Praxis kaum nachweisen. Dazu zählen insbesondere der Wasserbetteffekt und der Spiraleffekt. Eine Prüfung dieser Wirkungen ist – abseits klarer ganz erheblicher Hinweise darauf – grundsätzlich entbehrlich. Insoweit wird auf die Ausführungen im zweiten Kapitel verwiesen377. (b) Monopson-Modell. Etwas anderes gilt für das Monopson-Modell. Das ist zwar, wie dargelegt, in der Realität kaum anzutreffen, da seine Voraussetzungen nur äußerst selten vorliegen378. Liegen sie aber vor, so sollte es aufgrund seiner klar wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen nicht unberücksichtigt gelassen werden. Denn die künstliche Nachfragereduktion führt zu Ineffizienzen in Form eines Nettowohlfahrtsverlusts (deadweight loss) und regelmäßig zu höheren Preisen für die Verbraucher. Sie ist damit unabhängig von der angelegten Wohlfahrtsperspektive nachteilhaft. Das entspricht den Ausführungen in Beispiel 2 der Horizontalleitlinien379. Dabei gilt es zuvor zu prüfen, ob der Einkaufskooperation bzw. ihren Mitgliedern nachgewiesen werden kann, dass diese ihre optimale Bezugsmenge tatsächlich künstlich reduzieren. In diesem Fall ist bereits eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu bejahen. (c) Abschottungswirkung. Zu den wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen zählt schließlich nach Rn. 203 HLL die Abschottungswirkung. Sie tritt auf, wenn die Einkaufsregelung dazu führt, dass konkurrierenden Einkäufern der Zugang zu effizienten Anbietern beschränkt wird. Dies ist allerdings nur dann wahrscheinlich „wenn die Zahl der Anbieter begrenzt ist und auf der Angebotsseite des vorgelagerten Marktes Zutrittsschranken bestehen.“380. In der Mehrzahl der hier behandelten Märkte, insbesondere im LEH, ist dies nicht der Fall, da dort zahlreiche Anbieter existieren. Anders mag dies bei Zulieferern in der Automobilindustrie sein. (iii) Nachteilhafte Preisentwicklung zulasten der Verbraucher. Wie eingangs erwähnt, ist der Nachweis negativer Preisentwicklungen zulasten der Verbraucher ein klarer Nachweis wettbewerbsbeschränkender Wirkungen. Er wird aber in der Praxis bei Einkaufskooperationen nur selten vorliegen381. 377  S. o.

§ 2 A. II. 2. d) bb) und dd). sind die Folgenden: (1) die Einkaufskooperation muss einen gewichtigen Anteil des Beschaffungsmarktes bilden; (2) die Marktzugangsschranken des Einkaufsmarktes müssen hoch sein; (3) die Angebotskurve muss einen steigenden Verlauf aufweisen und (4) es darf kein starker Wettbewerb auf den Absatzmärkten bestehen; s. o. § 2 A. II. 2. b) aa) (2). 379  Rn. 222 HLL. 380  Rn. 203 HLL. 381  S. o. § 4 C. IV. 1. 378  Dies



C. Lösungsvorschläge309

(iv)  Innovations-, Qualitäts- und Produktvielfaltverluste. Ein Hauptgrund für das Vorgehen gegen Nachfragemacht liegt in potentiellen Innovationsund Qualitätsverlusten sowie der Einschränkung der Produktvielfalt. Wie die Analyse im zweiten Kapitel jedoch gezeigt hat, sind die Wirkungen übermäßiger Nachfragemacht auf diese Faktoren nur schwer nachzuweisen. Vermutlich führt übermäßige Nachfragemacht entsprechend der aktuellen ökonomischen Theorien zum dynamischen Wettbewerb zu einer Verringerung der Innovationsanreize382. Der Grad an fördernder und schädlicher Nachfragemacht lässt sich aber kaum bestimmen und kann von Sektor zu Sektor und von Lieferant zu Lieferant divergieren. Daher sind die Auswirkungen derart unklar, dass es grundsätzlich nur sehr schwer möglich sein wird, derartige Effekte nachzuweisen. 4. Analyse anhand von typischen Fallkonstellationen Die Bewertung wettbewerbsbeschränkender Wirkungen soll im Folgenden anhand von typischen Fallkonstellationen veranschaulicht werden. Die Fallgruppen und Marktstrukturen sind aufgrund der Vielgestaltigkeit nicht abschließend, sondern exemplarisch zu verstehen. Sie basieren überwiegend auf Fallpraxis nationaler Kartellbehörden und sind daher besonders praxisrelevant383. Sie ergänzen die von den Horizontalleitlinien beschriebenen vier Beispielsfälle. Im Unterschied zu diesen bilden sie aber keine offensichtlichen „Schwarz/Weiß“-Fälle, sondern problematische Fälle im rechtlichen Graubereich, deren Lösung gerade nicht offensichtlich und eindeutig ist. a) Beispielsfall 2b Sachverhalt (Centrale Italiana)384: Fünf nationale Lebensmitteleinzelhändler gründen eine Einkaufskooperation zur gemeinsamen Beschaffung von Lebensmitteln auf dem nationalen Beschaffungsmarkt. Ihr Marktanteil auf dem nationalen Beschaffungsmarkt beträgt 23 %, der ihrer zwei größten Wettbewerber 14 % bzw. 13 %. Der LEH ist mit einem Umsatzanteil von 70 % die wichtigste Vertriebsschiene für die meisten Lieferanten. In der Mehrzahl der regionalen Absatzmärkte liegt der gemeinsame Marktanteil der Mitglieder bei über 40 %. 382  S. o.

§ 2. A. III. 1. nationalen Wettbewerbsbehörden prüfen dabei auch stets Art. 101 AEUV sowie das nationale Äquivalent, z. B. § 1 GWB. 384  Dieser Beispielsfall beruht auf der Entscheidung Centrale Italiana der italienischen Wettbewerbsbehörde, vgl. AGCM, Entsch. v. 17.9.2014 – Centrale Italiana (für Nachweise s. o. § 3, Fn. 271). 383  Die

310

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Modifizierung von Beispiel 2 der HLL. Beispielsfall 2b konkretisiert das evidente Beispiel 2 der Horizontalleitlinien (Rn. 222 HLL), das in künftigen Horizontalleitlinien als Beispiel 2a dienen könnte. Basierend auf der realen Entscheidung der italienischen Wettbewerbsbehörde in der Sache Centrale Italiana, setzt Beispiel 2b die Marktanteilsschwellen auf einen eher unproblematischen „Graubereich“ herab. Zum einen liegt der Marktanteil auf dem Beschaffungsmarkt hier nur bei 23 % statt bei 25 %-40 % wie in Beispiel 2. Maßgeblich ist dabei auch das Verhältnis der Einkaufskooperation zu ihren Wettbewerbern. Im Unterschied zu Beispiel 1 (Rn. 221 HLL), in der ein Marktanteil auf dem Beschaffungsmarkt i. H. v. ebenfalls 23 % als unkritisch angesehen wurde, weil die zwei Wettbewerber höhere Marktanteile (von 25 % und 35 %) innehatten, hat die vorliegende Einkaufskooperation den höchsten Marktanteil auf dem Beschaffungsmarkt inne. Das sensibilisiert dafür, dass der Marktanteil allein kein hinreichender Indikator im Rahmen einer umfassenden Analyse der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen ist. Vielmehr muss er stets auch im Zusammenhang mit den Marktstrukturen betrachtet werden. Zum anderen liegt der gemeinsame Marktanteil auf den Absatzmärkten zwar immer noch im hohen Bereich von über 40 %, aber damit noch deutlich unter dem in Beispiel 2 angegebene Marktanteil i. H. v. 60 %. Anders als in Beispiel 2, in dem zudem betont wird, dass die weiteren Wettbewerber deutlich geringere Marktanteile von je 10 % innehaben und mit einem Marktzutritt nicht zu rechnen ist, fehlen derartige Feststellungen in der Entscheidung der italienischen Wettbewerbsbehörde. Diese Angaben sind maßgeblich, um die in Beispiel 2 angenommene Zurückhaltung in der Nachfrage nach dem Monopson-Modell begründen zu können. Eine solche Gefahr scheidet in der vorliegenden Fallkonstellation aber bereits an der ersten Voraussetzung des Monopson-Modells385. Denn der Marktanteil der Einkaufskooperation auf dem Beschaffungsmarkt ist mit einem Marktanteil von 23 % nicht gewichtig genug, als dass eine Mengenreduktion weitreichende Wirkungen auf den Einkaufspreis haben würde. Sollte es doch zu kurzfristigen günstigeren Konditionen kommen, dürfte die Mengenreduktion durch eine erhöhte Einkaufsmenge der Wettbewerber kompensiert werden. Analyse der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung. Die Analyse anhand der im zweiten Kapitel herausgearbeiteten Kriterien und den von den Horizontalleitlinien und der Rechtsprechung üblicherweise genannten theories of harm ergibt Folgendes: (i)  Gefahr der Kollusion auf dem Absatzmarkt. Es ist wahrscheinlich, dass die Einkaufskooperation ihren Mitgliedern die Möglichkeit eröffnet, ihr Ver385  Zu

den Voraussetzungen des Monopson-Modells s. o. § 2 A. II. 2. b) aa).



C. Lösungsvorschläge311

halten auf dem Absatzmarkt zu koordinieren, was ein Kollusionsergebnis zur Folge hätte. Denn die Mitglieder haben Marktmacht auf dem Absatzmarkt und der gemeinsame Einkauf führt zu einer Angleichung der Kostenstrukturen. Ausschlaggebend dafür ist der enge Zusammenhang zwischen Vor- und Endprodukt im LEH. (ii)  Gefahr des Ausnutzens von Nachfragemacht gegenüber Lieferanten. Die Verhandlungsmacht der Lieferanten wird durch die Einkaufskooperation wesentlich verringert. Die Verhandlungsmacht der Einkaufskooperation gegenüber ihren Lieferanten ist – soweit dies durch die gegebenen Sachverhaltsinformationen ersichtlich wird – groß. Hinweise auf eine hohe Marktkonzentration der Lieferanten oder eine starke Gegenmacht (etwa aufgrund der Größe der Lieferanten oder spezieller must-stock-Produkte) sind nicht ersichtlich. Die Einkaufskooperation stellt im Vergleich zu ihren Wettbewerbern den größten Nachfrager dar (23 %). Verliert ein Lieferant die Bezugsmenge eines derart bedeutenden Nachfragers, kann er sie nur schwer in glei­cher Höhe auf einen anderen Nachfrager umleiten. Vielmehr müsste er mit dem zweit- und drittgrößten Nachfrager (die gemeinsam einen Marktanteil von 27 % aufweisen) bzw. mit einem der beiden und zahlreichen weiteren kleineren Nachfragern Verträge abschließen, um diese Verluste kompensieren zu können. Ein Verkauf über andere Vertriebsschienen ist kaum möglich, da der LEH mit einem Umsatzanteil von 70 % die wichtigste Vertriebsschiene für die meisten Lieferanten darstellt. Letztlich wird die Nachfragemacht der Einkaufskooperation durch den hohen Marktanteil auf den Absatzmärkten verstärkt, der bei einem Anteil von über 40 % auf einzelnen regionalen Märkten eine gatekeeper-Funktion innehaben könnte386. (iii) Abschottungseffekte gegenüber konkurrierenden Nachfragern sind vorliegend nicht ersichtlich. (iv) Innovationsverlust/Produktauswahl. Die AGCM stützte sich in ihrer Entscheidung auch darauf, dass die Nachfragemacht die Auswahl und Menge der Produkte beeinträchtigt und Innovationsanreize der Lieferanten reduziert würden, da ihre Lieferantengewinne durch die von der Einkaufskooperation ausgehenden höheren Verhandlungsmacht reduziert werden würde. Nach der hier vertretenen These genügt allein der Nachweis von Nachfragemacht nicht, um Innovations- und Qualitätsverluste oder eine Beeinträchtigung der Produktauswahl annehmen zu können.

386  S. o.

§ 2 B. II. 1. b).

312

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

b) Beispielsfall 3b Sachverhalt387: Die europäische Einkaufskooperation E besteht aus den nationalen Mitgliedern A (der ganz überwiegend in Deutschland tätig ist), B (der ganz überwiegend in Belgien tätig ist), C (der ganz überwiegend in Frankreich tätig ist) und D (der ganz überwiegend in Italien tätig ist). Durch die europäische Einkaufskooperation sollen unionsweit zu beschaffende Waren eingekauft werden. Der Marktanteil auf dem Beschaffungsmarkt beträgt je nach Warengruppe ca. 22 %. Auf dem Beschaffungsmarkt gibt es drei weitere ähnlich große Unternehmen. Auf den nationalen Absatzmärkten überlappen sich die Gebiete der Mitglieder teilweise, etwa in Grenzregionen oder dann, wenn ein einzelnes Mitglied mit wenigen Märkten im Land eines anderen Mitglieds aktiv ist. Der gemeinsame Marktanteil liegt in den sich überlappenden Gebieten zwischen 20 % und 30 %. Der Anteil der gemeinsam bezogenen Ware, der in den sich überlappenden Gebieten verkauft wird, macht 5 % der Gesamtbezugsmenge aus. Modifizierung von Beispiel 3 der HLL. Beispielsfall 3b gleicht dem in den Rn. 223 HLL beschriebenen Beispiel 3, das in künftigen Horizontalleitlinien als Beispielsfall 3a dienen könnte. Anders als dort überlappen sich die geographischen Absatzmärkte allerdings leicht. Das dürfte der Realität eher entsprechen, wenn die Kooperationsbeteiligten auf demselben sachlichen Markt tätig sind und keine Marktzugangsschranken (etwa durch nationale Regulierungsvorschriften) bestehen. Analyse der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung. (i)  Gefahr der Kollusion auf dem Absatzmarkt. Voraussetzung für eine Kollusion auf dem Absatzmarkt ist zunächst, dass die Kooperationsmitglieder aktuelle oder jedenfalls potentielle Wettbewerber auf diesem Markt sind388. Sind sie es nicht, ist eine Kollusionsgefahr ohnehin ausgeschlossen. Doch auch bei der hier bestehenden unerheblichen Überlappung scheinen die Gefahren für den Wettbewerb gering zu sein. Denn die Überlappung auf einzelnen Absatzmärkten, auf die nur ein Bruchteil des gemeinsamen Einkaufs entfällt, setzt weder Anreize zur Kollusion noch ermöglicht oder erhöht sie die Wahrscheinlichkeit für kollusives Verhalten der Kooperationsmitglieder auf diesen Absatzmärkten. Die Mitglieder sind national agierende Unternehmen, die 95 % ihrer Umsätze auf Märkten generieren, in denen sie nicht mit den Kooperationspartnern im Wettbewerb stehen. Für eine Kollusion auf 387  Diese Fallkonstellation beruht auf typischen europäischen Einkaufskooperationen, wie Coopernic (ehemals Core) oder ALIDIS; vgl. dazu detailliert Chauve/Renckens, JECLP 2015, 513, 516. 388  Rn. 212 HLL.



C. Lösungsvorschläge313

für sie unerheblichen regionalen Teilmärkten besteht daher grundsätzlich kein ausreichender Anreiz. (ii)  Gefahr des Ausnutzens von Nachfragemacht gegenüber Lieferanten. Problematischer ist, inwieweit diese Konstellation Nachfragemacht auf den Beschaffungsmärkten hervorbringt. Zwar wird in der Literatur vor der sog. gatekeeper-Funktion gewarnt. Nichtsdestotrotz bestehen für nationale oder internationale Anbieter bei einem Marktanteil von 22 % und drei weiteren Nachfragern in dieser Größenordnung genügend Möglichkeiten, auf diese oder weitere Abnehmer oder Vertriebskanäle auszuweichen, sodass eine Nachfragemacht schon nicht existiert. Aus diesem Grund besteht auch keine Gefahr einer Mengenreduktion nach dem Monopson-Modell, zumal auch auf dem Absatzmarkt noch ausreichender Wettbewerb herrscht. c) Beispielsfall 5 In Ergänzung zu den Beispielsfällen 1–4 der Horizontalleitlinien könnte die folgende Fallkonstellation als Beispielsfall 5 dienen: Sachverhalt (EDEKA/Budnikowsky)389: Der national tätige Lebensmitteleinzelhändler E und der regional tätige Drogeriemarktbetreiber B vereinbaren den Betrieb einer Kooperation zum gemeinsamen Einkauf von Drogeriewaren. B wird diese nicht mehr selbst einkaufen, sondern über E beziehen. Der gemeinsame Marktanteil der Einkaufskooperation auf dem Beschaffungsmarkt für Drogeriewaren beträgt sortimentsübergreifend weit unter 15 %. Die national tätigen Drogeriemarktbetreiber D und R haben jeweils weitaus größere Marktanteile auf dem Beschaffungsmarkt inne. Der Marktanteil der B beträgt auf einzelnen lokalen Absatzmärkten 30–35 %. Der Marktanteil von E beträgt dort 5–10 %. Während B ein Vollsortiment an Drogerieartikeln vertreibt, bietet E als Lebensmitteleinzelhändler nur ein Teilsortiment an Drogerieartikeln an. B ist auf den einzelnen lokalen Absatzmärkten mit deutlichem Abstand Marktführer, steht aber in starkem Wettbewerb zu den Drogeriemarktbetreibern D und R, die national weit tätig sind, aufgrund ihrer Größe bessere Konditionen im Einkauf erhalten und eine aggressive Preispolitik betreiben. Ihr Marktanteil wächst stetig, während der von B rückläufig ist. Analyse der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung. (i) Gefahr der Kollusion auf dem Absatzmarkt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Einkaufskooperation ihren Mitgliedern die Möglichkeit eröffnet, ihr 389  Dieser Beispielsfall beruht auf der Entscheidung EDEKA/Budnikowsky des BKartA, vgl. BKartA, Entsch. v. 19.5.2017, B2-25/17 – EDEKA/Budnikowsky, vgl. Fallbericht v. 19.5.2017.

314

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Verhalten auf dem Absatzmarkt zu koordinieren, was ein Kollusionsergebnis zur Folge hätte. Die Anreize und Möglichkeiten einer solchen Kollusion sind zu gering. Zum einen könnte sich die Kollusion nur auf einzelne lokale Märkte beziehen, auf denen B tätig ist. Zum anderen ist eine „gegenseitige Rücksichtnahme zwischen E[…] und B[…] unwahrscheinlich, da beide Unternehmen nicht in einem engen Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen“390. Während B Vollsortimenter für Drogerieartikel ist, ist E Lebensmitteleinzelhändler, der nur ein Teilsortiment an Drogerieartikeln anbietet. B steht stattdessen in unmittelbarem Wettbewerb zu D und R und wird daher ihren Fokus auf diese Hauptwettbewerber ausrichten müssen391, sodass schon nur eine geringe und nicht lohnende Möglichkeit einer Kollusion mit E besteht. (ii)  Gefahr des Ausnutzens von Nachfragemacht gegenüber Lieferanten. Die Verhandlungsmacht der Lieferanten wird durch die Einkaufskooperation nicht wesentlich beeinträchtigt, da der gemeinsame Marktanteil der Einkaufskooperation sortimentsübergreifend bei unter 15 % liegt. Da B lediglich regional tätig ist, fällt der Wegfall seiner eigenständigen Einkaufstätigkeit auf dem nationalen Beschaffungsmarkt kaum ins Gewicht. Für die Lieferanten bestehen weiterhin zahlreiche Ausweichmöglichkeiten zu größeren Abnehmern wie D und R. Insoweit nimmt B auch keine gatekeeper-Rolle auf den lokalen Märkten ein, da er dort zwar Marktführer ist, jedoch keine marktbeherrschende Stellung inne hat oder durch die Einkaufskooperation erlangt392. (iii)  Weitere Gefahren, etwa Abschottungseffekte, Innovationsverluste oder ein Rückgang der Produktauswahl sind nicht ersichtlich. (iv) Positive Effekte der Einkaufskooperation. Die Einkaufskooperation hat demgegenüber weitreichende positive Effekte. Die allein regional tätige B hat gegenüber ihren national tätigen und damit weitaus größeren Hauptwettbewerbern D und R in der Beschaffung Kosten- und Konditionennachteile, die sie allein nicht ausgleichen kann393. Diese Vorteile in der Beschaffung intensivieren den Wettbewerb zwischen D und R und kommen damit dem Verbraucher zugute394. 390  BKartA, Entsch. v. richt v. 19.5.2017, S. 3. 391  BKartA, Entsch. v. richt v. 19.5.2017, S. 3. 392  BKartA, Entsch. v. richt v. 19.5.2017, S. 2. 393  BKartA, Entsch. v. richt v. 19.5.2017, S. 3. 394  BKartA, Entsch. v. richt v. 19.5.2017, S. 3.

19.5.2017, B2-25/17 – EDEKA/Budnikowsky, vgl. Fallbe19.5.2017, B2-25/17 – EDEKA/Budnikowsky, vgl. Fallbe19.5.2017, B2-25/17 – EDEKA/Budnikowsky, vgl. Fallbe19.5.2017, B2-25/17 – EDEKA/Budnikowsky, vgl. Fallbe19.5.2017, B2-25/17 – EDEKA/Budnikowsky, vgl. Fallbe-



D. Schnittmengenanalyse315

Im Ergebnis kann ein Verstoß gegen das Kartellverbot des Art. 101 AEUV bzw. des § 1 GWB mangels einer bewirkter Wettbewerbsbeschränkung nicht angenommen werden395. 5. Zwischenergebnis zur bewirkten Wettbewerbsbeschränkung Die Bewertung der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung von Einkaufskooperationen muss sich an den typischen theories of harm der Horizontalleitlinien orientieren: (i) Kollusionsgefahr, (ii) Gefahr der Nachfragemacht durch das Monopson-Modell, (iii) Preisentwicklung zulasten der Verbraucher und (iv) Innovations-, Qualitäts- und Produktauswahlverluste. Dabei kann sie nur anhand einer Einzelfallanalyse eines sich gegenseitig bedingenden Geflechts aus Marktstrukturkriterien (sowohl des Beschaffungs- als auch des Absatzmarktes), kooperations- und produktbezogener Faktoren erfolgen. Die im zweiten Kapitel aufgezeigten ökonomischen Wirkungszusammenhänge können dazu Hilfestellung geben, die soeben aufgezeigten exemplarischen Bewertungen aus der Praxis nationaler Wettbewerbsbehörden als Orientierung dienen.

D. Schnittmengenanalyse zwischen Kommissionspraxis und gewandelter Rechtsprechung Die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen kann weder bei der unreflektierten Anwendung der Horizontalleitlinien noch bei der bloßen Ausrichtung an der bisherigen Rechtsprechung stehen bleiben. Zu unterschiedlich sind die Ansätze der bisherigen Rechtsprechung und der in den Horizontalleitlinien niedergelegten Bewertung durch die Kommission. Diese Unterschiede sind in zweierlei Weise bedeutsam: Zum einen schützt eine Ausgestaltung der Einkaufskooperation, die sich an den Vorgaben der Kommission in ihren Horizontalleitlinien sowie an der de minimis-Bekanntmachung orientiert, zwar, wie die obigen Ausführungen zur Bindungswirkung gezeigt haben, gegen eine Verfolgung durch die Kommission. Es besteht aber noch immer die Möglichkeit, dass nationale Gerichte, etwa in Streitigkeiten mit Lieferanten, die Kooperationsvereinbarung gem. Art. 101 AEUV für unwirksam halten. Auch Schadensersatzansprüche vor nationalen Gerichten wegen Kartellverstoßes lassen sich nicht allein mit einem Verweis auf die Horizontalleitlinien abweisen. Diese mögen ein gewichtiges Indiz sein, primär gibt aber die europäische Rechtsprechung die Auslegung des 395  BKartA, Entsch. v. 19.5.2017, B2-25/17 – EDEKA/Budnikowsky, vgl. Fallbericht v. 19.5.2017, S. 3.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Art. 101 AEUV vor. Sollte Letztere strenger sein, so ist es denkbar, dass die nationalen Gerichte entgegen den Horizontalleitlinien oder der de minimisBekanntmachung zulasten der Kooperation entscheiden. Eine Orientierung an der Rechtsprechung ist und bleibt daher bislang mangels rechtsverbindlicher Regelungen, insbesondere aufgrund einer fehlenden Gruppenfreistellungsverordnung, unverzichtbar396. Zum anderen können die Horizontalleitlinien strenger sein als die Rechtsprechung. Daraus sind dann folgende Konsequenzen zu ziehen: Das vorsichtige Unternehmen wird jegliche Überschreitung der Horizontalleitlinien vermeiden, um der Gefahr einer Kommissionsentscheidung zulasten der Kooperation mit all ihren oben dargestellten Rechtsfolgen zu entgehen397. Die Handlungsempfehlungen im nächsten Abschnitt bieten dabei Hilfestellungen und dienen als Leitfaden einer angesichts der kartellrechtlichen Risiken notwendigen risiko-aversen Ausgestaltung von Einkaufskooperationen398. Befriedigend ist das allerdings nicht. Letztlich darf dies nicht zur Maxime sinnvoller kartellrechtlicher Beratung werden. Ein solches Vorgehen verstärkt die faktische Bindungswirkung der Leitlinien der Kommission, für die keinerlei Legitimation besteht. Stattdessen müssen gerade Graubereiche bis an die Grenzen des rechtlich Zulässigen ausgelotet werden. Zum einen, um sie einer Kontrolle durch die Unionsgerichte überhaupt erst zugänglich zu machen. Zum anderen aber, um sie zum Wohl des Wettbewerbs vollständig auszuschöpfen399. Ein chilling effect ist zu vermeiden! Insoweit sollte sich durch genaue Analyse der Rechtsprechung im Lichte des gewandelten Kartellrechtssystems und in Ausprägung aktueller zu anderen Bereichen des Art. 101 AEUV ergangener Rechtsprechung an das rechtlich Mögliche herangetastet werden. Folglich können Horizontalleitlinien einerseits und Rechtsprechung andererseits als diametrale Ausgangspunkte eines Spektrums rechtlicher Bewertung angesehen werden, deren Schnittmengen und Unterschiede im Folgenden untersucht werden.

396  Vgl. schon oben § 4 A. I. 1.; so auch Wecker, S. 82; Geiger, EuZW 2000, 325, 325, Keßler, WuW 2002, 1162, 1171. 397  S.  o. § 3 B. IV. zu den Rechtsfolgen. Vgl. dazu treffend Bechtold, GRUR 2012, 107, 111: „Ein Unternehmen, das kartellrechtliche Risiken unter allen Umständen vermeiden will, kann im Nebel des Economic Approach nicht klar genug erkennen, was zulässig ist und was nicht – mit dem Ergebnis, dass man sich an der nicht auszuschließenden Unzulässigkeit ausrichtet.“ 398  S.u. § 4 E. 399  Vgl. auch Bechtold, GRUR 2012, 107, 112.



D. Schnittmengenanalyse317

I. Mögliche Schnittmengen In diesem Spektrum rechtlicher Bewertungsmöglichkeiten von Einkaufskooperationen können Rechtsprechung und die in den Horizontalleitlinien und der de minimis-Bekanntmachung niedergelegte Kommissionsansicht in Form zweier konzentrischer Kreise in vier Konstellationen zueinander stehen: (1)

(3) Kommission - HLL - de minimis

(2)

(4)

Rspr

Abbildung 12: Schnittmengen rechtlicher Bewertung von Einkaufskooperationen durch Kommission und Rechtsprechung

1. Unproblematische Konstellationen Die Konstellationen 1 und 2 sind unproblematisch. In Konstellation 1 begreifen weder die Kommission noch die Rechtsprechung der Unionsgerichte die Einkaufskooperation als wettbewerbsbeschränkend i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV oder halten sie beide für durch Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt. In Konstellation 2 bewerten sowohl die Kommission als auch die Gerichte die Einkaufskooperation als wettbewerbsbeschränkend i.  S.  v. Art. 101 Abs. 1 AEUV ohne dass sie durch Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt ist. Welche konkreten Konstellationen unter diese Gruppen zu fassen sind, wird sich erst nach einer detaillierten Analyse der Unterschiede zwischen dem Verständnis der Kommission und der Rechtsprechung herausstellen400. 2. Problematische Konstellationen Die Konstellationen 3 und 4 sind demgegenüber problematischer. Sie beschreiben die Fälle, in denen sich die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen zwischen Kommission und Rechtsprechung unter­ scheidet. 400  Siehe

dazu unter § 4 D. III.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Relevanz. Damit soll allerdings keine Aussage darüber getroffen werden, dass diese Konstellationen besonders häufig auftreten. Im Gegenteil: Die Mehrzahl der zu bewertenden Einkaufskooperationen wird unter die Konstellationen 1 oder 2 fallen. So mögen zwar die Herangehensweisen zur Bestimmung der Spürbarkeit durch die Kommission (rein quantitative Bewertung nach der de minimis-Bekanntmachung) und der Rechtsprechung (Spürbarkeit auch bei Marktanteilen unter 10 % und qualitative Bewertung) unterschiedlich sein. Dennoch wird der Großteil der Fälle im Ergebnis identisch entschieden werden. Insoweit darf die oben geübte Kritik an den Horizontalleitlinien nicht dahin missverstanden werden, dass die Unterschiede zur Rechtsprechung stets gravierend sind. Zudem statuieren die Horizontalleitlinien mit der 15  %-Marktanteilsschwelle einen safe harbour, der in manchen – wenn auch bedauerlicherweise in zu wenigen Fällen – zu einem Gewinn an Rechtssicherheit führt und damit die Bewertung deutlich erleichtert. Das gilt jedenfalls in den Fällen, in denen die Marktabgrenzung relativ leicht vorzunehmen bzw. sich Marktanteile relativ leicht bestimmen lassen und keinen zu hohen Schwankungen unterliegen. Dann ist eine Einschätzung im Vergleich zu einer komplexeren Einzelfallprüfung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen i.  R.v. Art. 101 Abs. 1 AEUV oder gar einer Freistellung anhand von Art. 101 Abs. 3 AEUV wesentlich leichter möglich. Damit konkretisieren die Horizontalleitlinien die gesetzlichen Vorgaben, die mit Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV bestehen und erleichtern ihre Anwendung, ohne dass sich die Bewertung zwischen Horizontalleitlinien und Rechtsprechung im Gros der Fälle unterscheidet. Auch in den Konstellationen, in denen die 15 %-Marktanteilsschwelle überschritten wird, kommt es nur selten zu unterschiedlichen Bewertungen zwischen den Horizontalleitlinien und einer an der Rechtsprechung orientierten Bewertung. Denn sobald die Marktanteilsschwelle überschritten wurde, verweisen auch die Horizontalleitlinien auf eine Einzelfallbewertung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen im Rahmen von Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. auf eine Freistellung im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV, sodass mit Ausnahme einiger Konkretisierungen401 durch die Horizontalleitlinien keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Zweck der folgenden Darstellung ist es daher nicht, vor zu großen Unterschieden zwischen der Bewertung von Einkaufskooperationen durch die Kommission und die Rechtsprechung zu warnen, denn eine solche besteht tatsächlich nicht. Vielmehr soll sie für die Grenzfälle sensibilisieren, in denen Abweichungen existieren. Dadurch wird die Grundlage einer möglichst kar401  S.u. § 4 D. II. 10 zum Effizienzvorteil i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV sowie § 3 B. III. 3. zur Unerlässlichkeit vollständiger Bezugszwänge i. R.v. Art. 101 Abs. 3 AEUV.



D. Schnittmengenanalyse319

tellfesten Bewertung gelegt, aber auch einem aus einer zu risiko-aversen Anwendung der Kommissionsvorgaben entstehenden chilling effect vorgebeugt. Konstellation 3 beschreibt Fälle, in denen eine Vereinbarung zwar nach der Rechtsprechung kartellrechtlich zulässig ist, nach den Horizontalleitlinien jedoch nicht. Sie tritt etwa dann ein, wenn die Kommission eine Kooperation für kartellrechtswidrig erklärt und gegebenenfalls ein Bußgeld erlässt und die Kooperation bzw. ihre Mitglieder gegen diese Entscheidung vor den Unionsgerichten klagen. Die Frage wird immer dann relevant, wenn Unternehmen die durch die Horizontalleitlinien klar gesetzten Grenzen bewusst überschreiten oder aber die zahlreichen unklaren, nebulösen Grenzen der Horizontalleitlinien fahrlässig übertreten. Konstellation 4 umfasst schließlich Fälle, in denen eine nach den Horizontalleitlinien oder der de minimis-Bekanntmachung erlaubte Vereinbarung nach der Rechtsprechung verboten ist. Hier kann sich die Kooperation sicher sein, dass die Kommission selbst nicht einschreiten wird, da die Vorgaben der de minimis-Bekanntmachung oder der Horizontalleitlinien – so schwammig sie in ihren Grenzen auch sein mögen – etwa durch besonders restriktive Kooperationsgestaltung und niedrige Marktanteile sicher eingehalten werden. In diesem Fall gilt auch im verwaltungsrechtlich ausgestalteten Kartellrecht sinngemäß der Grundsatz „wo kein Kläger, da kein Richter“402. Ein Dritter, zumeist ein Konkurrent oder ein benachteiligter Anbieter, eventuell auch ein Verband, müssten die Kommission zwingen können, die Kooperation zu untersuchen oder aber direkt vor die Gerichte ziehen können. Den Dritten steht allerdings nur die Möglichkeit der Beschwerde bei den Wettbewerbsbehörden zu403, nicht aber ein Antragsrecht404. Die Einleitung des Verfahrens steht im pflichtgemäßen Ermessen der Kommission, die dem Beschwerdeführer hierbei rechtliches Gehör gewähren sowie Verfahrensgarantien einhalten muss. Die Kommission wird die Beschwerde bei Einhaltung der Horizontalleitlinien als unbegründet zurückweisen. Eine Klage des Dritten hiergegen ist jedenfalls unwahrscheinlich. Erfolgsversprechender könnte eine Beschwerde bei nationalen Wettbewerbsbehörden sein. Ob sich nationale Wettbewerbsbehörden auch dann an den Horizontalleitlinien orientieren, wenn die Rechtsprechung der Unionsgerichte dagegen spricht, ist ungewiss, erscheint aber unwahrscheinlich. 402  Nullo actore nullus iudex, es entspricht der Dispositionsmaxime wie sie in § 253 Abs. 1 ZPO zur Geltung kommt. 403  Vgl. dazu Bekanntmachung der Kommission über die Behandlung von Beschwerden durch die Kommission gem. Art. 81 und 82 EG-Vertrag, ABl. 2004, C  101/65 ff. 404  Kapp, S. 209.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Besonders relevant kann die Konstellation im Rahmen von Zivilverfahren werden: Lieferanten und Konkurrenten (sowie eher theoretisch auch den eigenen Mitgliedern der Kooperation) bleibt die Möglichkeit, die Nichtigkeit der Kooperation im Rahmen eines Zivilprozesses vor nationalen Gerichten klären zu lassen405. Im Rahmen eines Klageverfahrens, aber auch in Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz406, kann der Kartellverstoß inzident der gerichtlichen Überprüfung unterliegen und zur Nichtigkeit von Verträgen und damit verbundenen Ansprüchen sowie zu Ansprüchen auf Unterlassung und Schadensersatz führen. Auch hier entfalten die Horizontalleitlinien und die de minimis-Bekanntmachung rein faktische Wirkung und die Orientierung erfolgt an der Rechtsprechung der Unionsgerichte. Welche konkreten Konstellationen unter diese Gruppen zu fassen sind, wird nach einer detaillierten Analyse der Unterschiede zwischen dem Verständnis der Kommission und der Rechtsprechung im nächsten Abschnitt deutlich werden.

II. Unterschiede in der Bewertung von Einkaufskooperationen durch Kommission und Rechtsprechung 1. Unterschiedliche Bewertung der Spürbarkeit Im dritten Kapitel wurde bereits deutlich gemacht, dass die Bewertung der Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung im Einzelfall zwischen Kommission und Rechtsprechung divergieren kann407. Während die Kommission für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern erst ab einem Marktanteil von 10 % eine Spürbarkeit annimmt, haben die Unionsgerichte bisher keine eigenen quantitativen Schwellenwerte aufgestellt408. Stattdessen haben sie auch Vereinbarungen von Parteien mit einem gemeinsamen Marktanteil von weit unter 10 % für spürbar erklärt, etwa bei einem Marktanteil von ca. 5 %409. 405  Vgl. dazu etwa BKartA, Private Kartellrechtsdurchsetzung, Stand, Probleme, Perspektiven, Diskussionspapier 2007. 406  Vgl. etwa LG Hannover, Urteil vom 15.6.2011 – 21 O 25/11, WRP 2012, 99. 407  S. o. § 3 B. I. 4. 408  Lübbig, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 45. 409  EuGH, Urt. v. 25.11.1971, Rs. 100–103/80 – Musique Diffusion, Slg. 1983, 1825, Rn. 86; EuGH, Urt. v. 1.2.1978, Rs. 19/77 – Miller International, Slg. 1978, Rn. 9 ff.; EuGH, Urt. v. 25.10.1983, Rs. 107/82 – AEG Telefunken, Slg. 1983, 3151 Rn. 56 ff.; EuG, Urt. v. 15.9.1998, verb. Rs. T-374/94 u. a. – European Night Services, Slg. 1998 S. II-3141, Rn. 9 ff.; vgl. Lübbig, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 42; Schröter, FIW-Seminar, S. 67, 71 m. w. N.



D. Schnittmengenanalyse321

Der EuGH verneint eine Spürbarkeit bei Marktanteilen von unter 1 %410. Ebenso bezieht er qualitative Gesichtspunkte mit in die Bewertung ein, wie den wirtschaftlichen Zusammenhang, die Stellung und Bedeutung der Beteiligten auf dem jeweiligen Markt und dessen Struktur, die Art und Menge der betroffenen Erzeugnisse und sonstige Umstände des Einzelfalles411. Gemeinsam ist Kommission und Rechtsprechung, dass jedenfalls in Orientierung an der Expedia-Rechtsprechung des EuGH, die in der aktuellen de minimis-Bekanntmachung umgesetzt wurde, bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen, d. h. insbesondere Kernbeschränkungen, stets spürbar sind412. Damit weicht das Spürbarkeitskonzept der Kommission in Einzelfällen, speziell in Fällen ohne bezweckte Wettbewerbsbeschränkung mit Marktanteilen zwischen 5 % und 10 %, von der Rechtsprechung des EuGH ab413. Mit Roth/Ackermann ist daher als Handlungsempfehlung zur Prüfung der Spürbarkeit – im Sinne einer vorsichtigen kartellrechtlichen Bewertung – zu raten, zunächst den safe harbour der de minimis-Bekanntmachung zu prüfen und anschließend etwaige Korrekturen nach der punktuellen Rechtsprechung der Unionsgerichte vorzunehmen414. 2. Die notwendige Wettbewerbsbeschränkung als Tatbestandsreduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV Fraglich ist, ob auch notwendige Wettbewerbsbeschränkungen sowohl von der Rechtsprechung als auch von den Horizontalleitlinien erfasst werden: Die bisherige Rechtsprechung ging auch bei Einkaufskooperationen von notwendigen Wettbewerbsbeschränkungen aus, die den Verbotstatbestand des Art. 101 410  EuGH, Urt. v. 9.7.1969, Rs. 5/69 – Völk/Vervaecke, Slg. 1969, 295, Rn. 7; Lübbig, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 42 m. w. N.; Schultes, S.  206 m. w. N. 411  EuGH, Urt. v. 12.12.1995, Rs. C-399/93 – Oude Luttikhuis Slg. 1995 I-4515, Rn. 10; EuGH, Urt. v. 12.9.2000, verb. Rs. C-180/98 bis C-184/98, ECLI:EU: C:2000:428, Rn. 91 – Pavlov/Stichting Pensioenfonds; Lübbig, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 42; Welling, S. 95. 412  Die bisherige Rechtsprechung des EuGH, die auch bei Kernbeschränkungen eine Spürbarkeit voraussetzte (vgl. EuGH, Urt. v. 9.7.1969, Rs. 5/69 – Völk/Vervaecke, Slg. 1969, 295, Rn. 7), ist mit dem Expedia-Urteil überholt, vgl. Schlussanträge der GAin Kokott v. 17.11.2016, Rs. C-469/15 P – FSL u. a., ECLI:EU:C:2016:884, Rn. 107; Schröter, FIW-Seminar, S. 67, 71; Lübbig, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 8, Rn. 42; Grave/Nyberg, in: LMR, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 330; kritisch dazu: G. Monti, public consultation, S. 2 ff.; Saskia King, public consultation; Fosselard, in: Competition Case Law Digest, S. 11, 14 und 18. Das entspricht dem bereits seit 2007 verfolgten Konzept der Bagatellbekanntmachung des BKartA, Rn. 13 ff. 413  Schröter, FIW-Seminar, S. 67, 71. 414  FK-Roth/Ackermann, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 EG, Rn. 398.

322

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

AEUV einschränkten415. Die Frage, ob derartige Einschränkungen auch heute mit Blick auf die Veränderungen durch das System der Legalausnahme noch zeitgemäß sind, konnte insbesondere vor dem Hintergrund der aktuelleren Entscheidungen O2 und Mastercard bejaht werden416. Auch die Horizontalleitlinien scheinen davon auszugehen, dass zumindest Vereinbarungen, die auf dem Arbeitsgemeinschaftsgedanken beruhen, bereits keine Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellen, wie Rn. 30 HLL klar zum Ausdruck bringt417. Damit ist aber leider nur ein Teilaspekt der tatbestandlichen Reduktion des Art. 101 AEUV, nämlich der Arbeitsgemeinschaftsgedanke, erfasst. Es wäre hilfreich gewesen, wenn sich die Horizontalleitlinien auch zu weiteren Fallgruppen, insbesondere der notwendigen Wettbewerbsbeschränkung, geäußert hätten418. Dennoch wird man Rn. 30 HLL rein exemplarisch interpretieren müssen; er benennt also eine besondere Fallgruppe der tatbestandlichen Reduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV, ohne dadurch andere Fallgruppen der tatbestandlichen Reduktion von Art. 101 Abs. 1 AEUV ausschließen zu wollen. Da die Horizontalleitlinien als für Einkaufsvereinbarungen speziellere und auch neuere Leitlinien keine entgegenstehenden Ausführungen enthalten, gelten die in den Rn. 28 ff. der Freistellungsleitlinien getroffenen Aussagen, an welche die Kommission gebunden ist und in denen sie auch notwendige Wettbewerbsbeschränkungen anerkennt. Im Ergebnis besteht kein Widerspruch zwischen der Bewertung der Kommission und der Rechtsprechung mit Blick auf notwendige Wettbewerbsbeschränkungen sowie den Arbeitsgemeinschaftsgedanken. Daraus dürfte – mit Blick auf die Veränderungen des Kartellsystems hin zum System der Legalausnahme – heute gar Folgendes gelten: Im von der Kommission behandelten Fall NSAA419 hätte auch bereits der Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV verneint werden können. Die Freistellung der Kommission nach Art. 101 Abs. 3 AEUV resultierte auf den besonderen 415  S. o. § 3 B. II. 1. a); EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641 ff. 416  S. o. § 4 B. II. 2. 417  Rn. 30 HLL: „horizontale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die das Projekt oder die Tätigkeit, das/die Gegenstand der Vereinbarung ist, nach objektiven Kriterien nicht unabhängig voneinander durchführen könnten (z. B. aufgrund begrenzter technischer Möglichkeiten der Parteien), normalerweise keine wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen im Sinne von Artikel 101 Absatz 1 haben, es sei denn, die Parteien hätten das Projekt mit weniger spürbaren Wettbewerbsbeschränkungen durchführen können“. 418  Morais, in: Lianos/Geradin, S. 92. 419  Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 35; zum Sachverhalt vgl. bereits oben unter § 3 B. II. 3.



D. Schnittmengenanalyse323

Verhältnissen auf dem Markt für Schwefel. Die Anbieterseite ist ein Oligopol, der Transport von Schwefel mit sehr hohen Kosten verbunden, da diese zumeist aus Kanada oder Mexiko bis nach Großbritannien transportiert werden müssen. Ein Verbot des Kartells hätte zur Folge, dass die zahlreichen kleinen Kartellmitglieder nur schwer, wahrscheinlich aber überhaupt nicht in der Lage wären, selbständig Schwefel einzukaufen. Mit dieser Argumentation der Notwendigkeit der Einkaufsbündelung und des Bezugszwangs hätte man auch bereits Art. 101 Abs. 1 AEUV einschränken können. Stattdessen bejahte die Kommission eine Wettbewerbsbeschränkung und wendete den heutigen Art. 101 Abs. 3 AEUV an. Das erklärt sich vor dem Hintergrund des alten Systems dadurch, dass es für die Kommission in ihrer Prüfung keinen Unterschied machte und für sie keine Notwendigkeit bestand, eine Tatbestandsreduktion vorzunehmen. Mit Blick auf die Fallkonstellation wird die Frage relevant, ob der Arbeitsgemeinschaftsgedanke auch dann bejaht werden kann, wenn dadurch kleine und mittlere Unternehmen, die allein keinen Zugang zum Markt erhalten hätten, profitieren, aber zugleich auch große Unternehmen beteiligt sind, die durchaus auch allein zum Bezug in der Lage gewesen wären (sog. „Mischfälle“)420. Daran lässt sich gerade mit Blick auf die vom BKartA in seiner Sektoruntersuchung geäußerten Bedenken zu asymmetrischen Einkaufskooperationen mit dominierenden Kopf zweifeln421. Das entspricht auch dem bisherigen Verständnis der deutschen Rechtsprechung zum deutschen Mittelstandsprivileg gem. § 3 GWB422. Demgegenüber spricht die Entscheidung des EuG in der Sache O2 dafür, auch solche Mischfälle zuzulassen. In der Entscheidung wird die Vereinbarung zwischen den Wettbewerbern T-Mobile und O2 zum gemeinsamen Roaming des 3G-Netzes nicht als wettbewerbsbeschränkend bewertet, da sie O2 überhaupt erst ermöglicht auf dem Markt tätig zu werden. Der Umstand, dass T-Mobile auch ohne O2 hätte tätig sein können, wird hingegen nicht berücksichtigt423. Richtigerweise liegt auch hier die Antwort in der Mitte: Eine tatbestandliche Reduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Zusammenarbeit tatsächlich unerlässlich ist. Wenn auch genügend kleine Anbieter kooperieren können, wird der große Anbieter nicht mehr gebraucht424. Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 184. § 4 D. II. 9.; BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 4. 422  S. o. § 3 F. II. 4. 423  S. o. § 4 B. II. 2.; EuG, Urt. v. 2.5.2006, Rs. T-328/03 – O , Slg. II-1234. 2 424  Vgl. dazu Schroeder, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 101 AEUV, Rn. 533 m. w. N.; strenger L. Ulmer, S.  59 f. 420  Vgl. 421  S.u.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Ist dies hingegen nicht möglich, so ist dieser unabdingbar und die Kooperation durch den Arbeitsgemeinschaftsgedanken gerechtfertigt. 3. Vereinbarungen über den Preis als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung Die umstrittene Einordnung der gemeinsamen Preisvereinbarung durch die Mitglieder der Einkaufskooperation wurde bereits angesprochen425. Die Horizontalleitlinien bewerten sie nicht als bezweckte, sondern als bloße bewirkte Wettbewerbsbeschränkung426. Dieser Einordnung ist aufgrund der Ambivalenz der wettbewerblichen Auswirkungen des gemeinsamen Einkaufs zuzustimmen427. Dennoch hat die Rechtsprechung zu dieser Frage noch keine Stellung bezogen. Teilweise werden zwar die Entscheidungen des EuGH in T-Mobile Netherlands428 und des EuG in BNIC429 sowie Fédération nationale de la coopération bétail und viande (FNCBV)430 herangezogen, um eine Einordnung von Preisvereinbarungen im Rahmen von Einkaufskooperationen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen nachzuweisen431. All diese Entscheidungen betrafen aber entweder Absprachen zwischen Wettbewerbern, die nicht Mitglieder einer Einkaufskooperation waren, oder sie betrafen Beschränkungen, die über eine bloße Preisfestsetzung hinausgingen. So besteht kein Widerspruch zur Entscheidung T-Mobile Netherlands, da die Parteien dort nicht gemeinsam, sondern einzeln gekauft haben432. In FNCBV wurden die Preise nicht zum Zwecke des gemeinsamen Einkaufs über eine Kooperation festgesetzt, sondern es wurden – in Reaktion auf die BSE-Krise – Mindestpreise zwischen Verbänden der Schlachthofbetreiber mit ihren Lieferanten (Verbände der Viehzüchter) vereinbart. Diese Konstellationen sind nicht vergleichbar. Die dortige Mindestpreisabsprache beschränkt den Wettbewerb auf den Märkten, indem sie „den Spielraum für die kaufmännischen Verhandlungen zwischen den Züchtern und den Schlachthofbetreibern künstlich einschränkt 425  S. o.

§ 4 C. III. HLL. 427  S. o. § 4 C. III. zu weiteren Argumenten. 428  EuGH, Urt. v. 4.6.2009, C-8/08 – T-Mobile Netherlands, Slg. 2009, I-4529. 429  EuG, Urt. v. 30.1.1985, C-123/83 – BNIC, Slg. 1985, 391. 430  EuG, Urt. v. 13.12.2006, verb. Rs. T-217/03 und T-245/03 – Fédération nationale de la coopération bétail und viande (FNCBV), Slg. 2006, II-4987, Rn. 81 ff. 431  Vgl. Kokkoris, ECLR 2007, 473, 480  ff.; Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 315. 432  Vgl. Bennett u. a., in: Faull/Nikpay, Rn. 7.375; Whish/Bailey, S. 641; vgl. auch Mand/Malkus, Stellungnahme, S.  12 f. 426  Rn. 206



D. Schnittmengenanalyse325

und die Preisbildung auf den fraglichen Märkten verfälscht“433. Demgegenüber werden bei einer Vereinbarung der Mitglieder einer Einkaufskooperation, zu gemeinsamen Preisen einzukaufen, die Verhandlungen zu den Lieferanten intensiviert und mit Blick auf die Kooperationsmitglieder erweitert. Die Entscheidungen lassen daher keine eindeutige Aussage zu und – mit Blick auf die Entscheidung des EuGH in Gøttrup-Klim/DLG, in der ein Doppelmitgliedschaftsverbot einer Einkaufskooperation als notwendige Wettbewerbsbeschränkung bewertet wurde434  – auch keine klare Tendenz in der Rechtsprechung erkennen. Dennoch lässt sich nicht ausschließen, dass nationale Gerichte – etwa durch eine unreflektierte Anwendung der in Art. 101 Abs. 1 lit. a) AEUV explizit genannten Preisfestsetzung – eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung bejahen435. Ebenso scheint das BKartA – wie oben erwähnt – von einer Einordnung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung auszugehen, wenn es Einkaufskooperationen mit einem geringen Marktanteil (allein) im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB freistellen will436. Aufgrund der unklaren Auslegung derartiger für Einkaufskooperationen elementarer und konstitutiver Vereinbarungen könnte dies zum riskantesten Unterschied zwischen Rechtsprechung und Kommissionspraxis werden. Denn die Folgen einer Einordnung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung wären fatal: Die Kommission müsste die Auswirkungen der Einkaufskooperation nicht mehr prüfen, sondern kann von ihrer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung ausgehen437. Einkaufskooperationen wären dann allein auf Art. 101 Abs. 3 AEUV verwiesen und müssten nachweisen, dass sie die dort genannten Voraussetzungen, an welche die Kommission strenge Maßstäbe legt, erfüllen438. Auch wäre eine solche Vereinbarung dann entgegen der von der Kommission vertretenen Ansicht439 – unabhängig von den Marktanteilen der Einkaufskooperation – stets spürbar i. S. d. Expedia-Rechtsprechung des EuGH und der de minimis-Bekanntmachung der Kommission440. Eine derar433  EuG, Urt. v. 13.12.2006, verb. Rs. T-217/03 und T-245/03 – Fédération natio­ nale de la coopération bétail und viande (FNCBV), Slg. 2006, II-4987, Rn. 85. 434  S. o. § 3 B. II. 1. c). 435  Vgl. Daskalova, S. 199. 436  BKartA, Merkblatt über Kooperationsmöglichkeiten für kleinere und mittlere Unternehmen, März 2007, Rn. 38; BKartA, Bagatellbekanntmachung, Rn. 14 Fn. 2. 437  S. o. § 3 B. II. 2. a). 438  S. o. § 3 B. III. 439  Kommission, Commission Staff Working Document, „Guidance on restrictions of competition „by object“ for the purpose of defining which agreements may benefit from the De Minimis Notice“, SWD(2014) 198 final v. 25.6.2014, 2.1.2., S. 7. 440  S. o. § 4 D. II. 1.

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tige Auslegung schafft Rechtsunsicherheiten für kleine wie große Einkaufskooperationen. Als Handlungsempfehlung ist daher eine Ausgestaltung der Einkaufskooperation vorzuschlagen, bei der keine gemeinsamen Preise ausgehandelt werden, sondern die Kooperation nur die erste Stufe der Beschaffungsmarktforschung und der Verhandlung betreibt441. Darüber hinaus kann sie auch zahlreiche Funktionen im Einkaufsnachvollzug vornehmen und einheitliche Verträge nutzen. Entscheidend ist aber, dass sie keine gemeinsamen Preise mit den Lieferanten aushandelt, sondern die Preise jeweils individuell zwischen den Lieferanten und den Mitgliedern der Einkaufskooperation verhandelt werden442. Lässt sich dies nicht vermeiden, kann nur eine exakte Prüfung und Dokumentation der Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV angeführt werden. 4. Unterschiedliche Perspektiven: Schutz der Verbraucher vs. Schutz des Wettbewerbs und der Wettbewerbsstrukturen Der größte Unterschied zwischen Horizontalleitlinien und Rechtsprechung der Unionsgerichte zu Einkaufskooperationen klang als ein Leitmotiv dieser Arbeit immer wieder an: Während die Kommission in den Horizontalleitlinien einen more economic approach verfolgt, der sich das Wohl der Verbraucher zum Ziel setzt, betont der EuGH, dass der Schutz des Wettbewerbs maßgebliches Ziel ist und es nicht allein auf die Auswirkungen auf die Verbraucher ankommt, um eine Wettbewerbsbeschränkung bejahen zu können. Insoweit sind neben Verbrauchern auch Anbieter und Konkurrenten vom Schutz des Kartellrechts erfasst. Diese unterschiedlichen Perspektiven können Auswirkungen auf die Auslegung der Wettbewerbsbeschränkung und die Gewichtung und Bewertung der für sie maßgeblichen Kriterien haben.

441  S. o.

§ 1 C. III. 1. und 2. aufgrund dieser Ausgestaltung hat die ungarische Wettbewerbsbehörde keine Bedenken gegen die Einkaufskooperation METSPA bestehend aus Metro, Spar und Praktiker geäußert (vgl. OECD, Roundtable 2008, S. 185 m. w. N.; Bassola/Horváth, in: Hofhuis, Hungary/Commentary). Denn die Einkaufskooperation fiel mit einem Marktanteil von weniger als 10 % auf dem Beschaffungsmarkt unter die ungarische de minimis-Regelung. Davon sind zwar Preisvereinbarungen und andere Hardcore-Beschränkungen ausgenommen, die Wettbewerbsbehörde hat diese Ausnahme aber nicht für Vereinbarungen im Rahmen der Einkaufskooperation für einschlägig gehalten. 442  Auch



D. Schnittmengenanalyse327

a) Relevanz der unterschiedlichen Perspektiven Schutz der Verbraucher. Aus Perspektive der Konsumentenwohlfahrt kann Nachfragemacht jedenfalls dann nicht negativ bewertet werden, wenn die durch sie erzielten Vorteile an die Verbraucher weitergetragen werden443. Das Ausnutzen von Nachfragemacht auf dem Einkaufsmarkt wird den Verbraucher nur dann treffen, wenn auch auf dem Absatzmarkt Marktmacht besteht444. Ist dies nicht der Fall, wird angenommen, dass die Effizienzvorteile an die Verbraucher weitergegeben werden445. Dabei spielt es dann keine Rolle, ob die Vorteile für die Verbraucher größer sind als die Verluste der Hersteller. Auch langfristige Nachteile werden nicht berücksichtigt. Damit wird das „Ziel des Schutzes eines freien und unverfälschten Wettbewerbs vernachlässigt“446. Darüber hinaus werden – blickt man allein auf die Wohlfahrt der Kunden der Einkaufskooperation – selbst dann auf Nachfragemacht beruhende Gewinnverschiebungen zulasten der Lieferanten und zugunsten der Einkaufskooperation als kartellrechtlich unbedenklich angesehen, wenn die Auswirkungen auf die Verbraucher neutral sind. Wie die ökonomische Analyse der Auswirkungen von Nachfragemacht im zweiten Kapitel gezeigt hat, hat das Ausnutzen von Nachfragemacht allenfalls sehr langfristige Wirkungen auf die Verbraucher, die aber auch kaum mess- oder nachweisbar sind. Schutz Dritter. Zu einer anderen Bewertung der Nachfragemacht gelangt man, wenn man auch Nachteile der Hersteller berücksichtigt. Nutzt eine Einkaufskooperation ihre Nachfragemacht gegenüber Lieferanten aus und kommt es dadurch zu bloßen Verschiebungen der Gewinne vom Lieferanten zur Einkaufskooperation, ist die Gesamtwohlfahrt nicht beeinträchtigt. Der Lieferant wird allerdings geschädigt und diese Beeinträchtigung Dritter ist als Wettbewerbsbeschränkung im Rahmen des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu berücksichtigen. Eine konsequent auf die Konsumentenwohlfahrt ausgerichtete Wettbewerbspolitik birgt das hohe Risiko in sich, dass Anbieter, die von Nachfragemacht nachteilig betroffen werden, schutzlos gestellt werden447. Dies steht im klaren Widerspruch zum europäischen Recht, wie es durch den EuGH ausgelegt wird. Demnach wird der Wettbewerb als Ganzes im Sinne eines 443  Palatzke,

S. 162. BKartA, Beschl. v. 31.5.2007 – B4-1006/066, Rn. 219; Mischitz, S. 68. 445  Vgl. Rn. 201 HLL; Mischitz, S. 68. 446  Palatzke, S. 248. 447  Bischke/Brack, NZG 2009, 657; Krueger, in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 49, 53. 444  Vgl.

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ergebnisoffenen Prozesses „in alle Richtungen“ geschützt448. In den Schutzkreis des Art. 101 AEUV fallen damit auch Konstellationen, in der es nicht zu einer unmittelbaren Schädigung der Verbraucherwohlfahrt, aber zu einer Beeinträchtigung der Hersteller und Lieferanten kommt449. b) Konsequenzen für die Auslegung Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für die Gültigkeit der Horizontalleitlinien. aa) Relevanz für den safe harbour der Horizontalleitlinien Zunächst gilt dies für den safe harbour der Horizontalleitlinien. Demnach treten allein bei einem Marktanteil von über 15 % sowohl auf dem Einkaufsmarkt als auch auf dem Absatzmarkt wettbewerbsrechtliche Bedenken auf. Müssen richtigerweise aber auch Hersteller vor Ausbeutung durch zu starke Nachfrager geschützt werden, können auch unterhalb dieser Schwelle negative Auswirkungen möglich sein. Denn für diese ist weniger der Marktanteil der Einkaufskooperation maßgeblich, sondern vielmehr der relative Anteil am Umsatz des jeweiligen Lieferanten. Liegt dieser bei über 22 %, ist – entsprechend der Ermittlungen der Kommission in Fusionskontrollfällen zum LEH450 – von einer problematischen Nachfragemacht auszugehen. Im Einzelfall mag eine relative Nachfragemacht zwischen der Einkaufskooperation und einzelnen Lieferanten bereits bei einem Marktanteil von unter 15 % bestehen. Es ist jedoch zu betonen, dass dies nur sehr selten der Fall sein dürfte. Denn maßgeblich für eine hohe Nachfragemacht ist das Drohpotential. Der Umsatzanteil stellt dabei einen wesentlichen Faktor dar, da er die Bedeutung des Nachfragers für den Lieferanten widerspiegelt. Das Drohpotential kann sich allerdings nur dann entfalten, wenn der Lieferant keine Ausweichmöglichkeiten hat. Bei einem Marktanteil des Nachfragers von unter 15 % bestehen aber zahlreiche Ausweichmöglichkeiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass der EuGH eine schädliche Wirkung gegenüber Lieferanten bei einem Marktanteil der Einkaufskooperation von unter 15 % sowohl auf dem Beschaffungs- als auch auf dem Einkaufsmarkt annehmen wird, ist daher sehr gering.

448  S. o. § 4 B. I. 3. c), insbesondere EuGH, Urt. v. 6.10.2009, verb. Rs. C-501/06 P u. a. – GlaxoSmithKline, Slg. 2009 I-9291, Rn. 63; vgl. auch Krueger, in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 49, 53; Zimmer, Thesen, These 4. 449  Vgl. Krueger, in: Oberender, Wettbewerbsprobleme LEH, S. 49, 53; Zimmer, Thesen, These 4. 450  S. o. § 3 E. I. 2. b).



D. Schnittmengenanalyse329

bb) Relevanz für den Fokus auf den Absatzmarkt Des Weiteren stellt die Entscheidung der Rechtsprechung gegen die Konsumentenwohlfahrt die Aussage der Horizontalleitlinien in Frage, wonach nur solche Kooperationen problematisch sind, deren Mitglieder auf den nachgelagerten Märkten miteinander im Wettbewerb stehen451. Diese sei verfehlt, wenn man Dritte in den Schutzkreis einbezieht452. Das überzeugt insofern, als es für den Lieferanten, der mit einer nachfragemächtigen Einkaufskooperation verhandelt, keinen Unterschied macht, ob deren Mitglieder auf dem Absatzmarkt in Wettbewerb zueinanderstehen oder ob diese auf ihren Absatzmärkten einen hohen oder niedrigen Marktanteil inne haben. Wie die obige Analyse der Rechtsprechung gezeigt hat, geht der EuGH noch immer vom Schutz des Wettbewerbs als solchen aus und fokussiert sich bei der Bewertung von Wettbewerbsbeschränkungen nicht allein auf die Verbraucher453. Insoweit kann der überwiegende Fokus der Horizontalleitlinien auf den Absatzmarkt in Zweifel gezogen werden und es ist denkbar, dass die Rechtsprechung auch solche nachfragemächtigen Einkaufskooperationen als wettbewerbsschädigend einstuft, deren Mitglieder keine Wettbewerber auf den Absatzmärkten sind. 5. Bezugszwang a) Gewandelte Rechtsprechung Die bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis legte, wie gezeigt, ihren Fokus auf die Beschränkung der Handlungsfreiheit der Kooperationsmitglieder454. Diese kann durch vertragliche Bezugszwänge oder durch den Ausschluss bei Nichtnutzung der Kooperation beschränkt werden455. Rabatte und Sonderkonditionen können Anreize setzen und auch ein faktischer Bezugszwang kann entstehen, der zumindest nach der Kommissionspraxis ausreichte, um eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der Kooperationsmitglieder anzunehmen456. Diese Sichtweise dürfte sich aber heute mit Blick auf die jüngere Rechtsprechung der Unionsgerichte gewandelt haben. Sie betonen, dass die Einschränkung der Handlungsfreiheit der Parteien allein nicht mehr genügt, um 451  Vgl.

Rn. 204 und 219 HLL. Ruppelt, S. 124. 453  S. o. § 4 B. I. 3. c). 454  S. o. § 3 B. II. 2. c); Ruppelt, S. 44 Fn. 121. 455  Mischitz, S. 140. 456  S. o. § 3 B. II. 2. c) bb). 452  Vgl.

330

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

den Wettbewerb zu beschränken, sondern die rechtlichen wie wirtschaftlichen Zusammenhänge zu berücksichtigen sind457. b) Unklare Horizontalleitlinien Auch die Horizontalleitlinien scheinen den Bezugszwang nicht für sonderlich relevant zu halten. Sie rücken die Marktmacht der Kooperationsmitglieder in den Mittelpunkt der Betrachtung und lassen den Bezugszwang in den Rn. 194 ff. HLL weitgehend unerwähnt, sodass es auf ihn nicht mehr an­ zukommen scheint458. Ganz so eindeutig ist das allerdings nicht. So wird in den Rn. 27 und 32 ff. HLL angeführt, dass die Einschränkung von Handlungsfreiheit Anknüpfungspunkt einer Wettbewerbsbeschränkung sein könnte459. Auch in Rn. 218 HLL stellen die Leitlinien klar, dass selbst ein vollständiger Bezugszwang unerlässlich i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV sein kann. Ihm wird insoweit also doch Bedeutung für die Beurteilung einer Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV zugemessen, wenn auch keine entscheidende. Letztlich wird in Beispielsfall 1 der HLL eine Mindestabnahmepflicht in Höhe von 50 % der Gesamtkosten jedes Kooperationsmitglieds erwähnt, ohne dass aber in der Analyse des Beispielsfalls näher darauf eingegangen wird460. In Rn. 24 Fn. 31 der Freistellungsleitlinien wiederum nimmt die Kommission auf das Urteil des EuG in Métropole télévision (M6) Bezug und stellt klar, dass es für eine Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht genügt, wenn eine Vereinbarung die Handlungsfreiheit der Parteien beschränkt461. Aus alldem ist zu schließen, dass auch ein Bezugszwang oberhalb der Spürbarkeitsschwelle nicht mehr zwangsläufig zu einer Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV führt462. Insoweit ist für die Kommission Nachfragemacht zum zentralen Kriterium für die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen geworden463. Ein Verlust an Handlungsfreiheiten spielt hingegen nur noch eine untergeordnete Rolle. 457  S. o. § 4 B. I. 3. b); EuGH, Urt. v. 19.2.2002, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, I-1577, Rn. 97; EuGH, Urt. v. 18.7.2006, Rs. C-519/04P – Meca-Medina, Slg. 2006, I-7006, 7023, Rn. 42; vgl. v. Jeinsen, S. 129; Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn.  200 ff. 458  Nordemann, in: LMR, § 2 GWB, Rn. 92. 459  Vgl. v. Jeinsen, S. 110. 460  Rn. 221 HLL; siehe dazu oben unter § 3 C. II. 4. 461  Vgl. FK-Roth/Ackermann, Art. 81 Abs. 1 Grundfragen, Rn. 237. 462  Vgl. Ruppelt, S. 44. 463  Mischitz, S. 271.



D. Schnittmengenanalyse331

c) Konsequenzen Aus dieser Divergenz zwischen alter Rechtsprechung auf der einen und gewandelter Rechtsprechung und Horizontalleitlinien auf der anderen Seite, könnte geschlossen werden, dass Bezugszwänge heute vernachlässigt werden können. Ganz so eindeutig sind die Aussagen allerdings nicht. Bezugszwänge müssen auch heute noch mit Bedacht gewählt und auf ihre Auswirkungen hin überprüft werden. Zwar stehen sie für die Kommission nicht im Mittelpunkt der Beurteilung, können aber dennoch als Aufgreifkriterien dienen, wie ihre vereinzelte Erwähnung, etwa in Rn. 218 HLL oder Beispielsfall 1 der HLL, zeigt. Die Aussagen der Horizontalleitlinien sind zu unklar, als dass man Bezugszwänge für gänzlich unbeachtlich halten könnte. Das gilt erst Recht für die Rechtsprechung, die auch heute noch das Selbständigkeitspostulat betont. Insbesondere im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV kommt dem Bezugszwang für die Frage der Unerlässlichkeit der Vereinbarung auch heute noch eine entscheidende Rolle zu464. Die Bedeutung des rechtlichen Bezugszwangs zeigt sich in der folgenden Überlegung: Wenn eine Einkaufskooperation erfolgreich ist, sie ihren Mitgliedern insbesondere die günstigsten Bezugspreise ermöglicht, stehen sich ein faktischer und ein rechtlicher vollständiger Bezugszwang in ihren Wirkungen grundsätzlich in nichts nach. Die Mitglieder werden in beiden Konstellationen 100 % ihrer Waren über die Einkaufskooperation beziehen, sofern sie von der Kooperation angeboten werden. Der rechtliche vollständige Bezugszwang hat insoweit keine schädliche Wirkung, wenn er den Mitgliedern die günstigsten Bezugsmöglichkeiten bietet und diese Vorteile gegebenenfalls an die Verbraucher weitergegeben werden. Anders verhält es sich aber dann, wenn die Einkaufskooperation weniger erfolgreich ist und ihren Mitgliedern gerade nicht die günstigsten Konditionen anbieten kann. Ein faktischer Bezugszwang besteht dann nicht, vielmehr würden die Mitglieder ihre Waren über andere Kooperationen oder individuell von den Herstellern beziehen. Werden die Mitglieder jedoch durch einen Bezugszwang rechtlich (zumindest bis zur nächsten Kündigungsmöglichkeit) zu einem vollständigen Bezug über die Kooperation verpflichtet, hat das zur Folge, dass erfolglose Einkaufskooperationen länger bestehen werden als es unter freien Marktbedingungen sinnvoll wäre. Mehr noch: die scheinbare Planungssicherheit der Einkaufskooperationen durch einen vollständigen rechtlichen Bezugszwang entpuppt sich als ein System, das Anreize zu einem möglichst effizienten, damit erfolgreichen und letztlich wohlfahrtsfördernden Betrieb einer Ein464  S. o. § 3 B. III. 3.; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 2 GWB, Rn. 162; Nordemann, in: LMR, § 2 GWB, Rn. 92.

332

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

kaufskooperation minimiert. Ein solches, auch Innovationsanreize reduzierendes System, erscheint aus ökonomischer und wettbewerbspolitischer Perspektive nicht sinnvoll. Damit bleibt festzuhalten, dass auch heute noch zumindest auf vollständige und unangemessen hohe Bezugszwänge verzichtet werden sollte. Auch heute sollten vollständige Bezugszwänge – anders als die Horizontalleitlinien es suggerieren – nur in den seltensten Ausnahmefällen unerlässlich i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV sein465. 6. Typische Vereinbarungen im Rahmen von Einkaufskooperationen Neben dem rechtlichen und faktischen Bezugszwang können andere Klauseln eine vergleichbare Wirkung entfalten: a) Mindestumsatzklauseln Dem Bezugszwang gleichzusetzen sind Mindestumsatzklauseln. Durch sie werden die Mitglieder der Einkaufskooperation verpflichtet, eine bestimmte Menge an Produkten über die Kooperation zu beziehen466. Sie begründen einen unmittelbaren Bezugszwang, wenn sie über das Erforderliche hinausgehen467. b) Kostendeckungsklausel Durch Kostendeckungsklauseln werden Kosten der Einkaufskooperation auf ihre Mitglieder umgelegt, ohne dass eine Bezugspflicht entsteht468. Voraussetzung ist jedoch, dass durch die Klausel kein finanzieller Druck auf die Mitglieder ausgeübt wird469. Klauseln, die eine leistungsgerechte Kostenverteilung unter den Kooperationsmitgliedern ermöglichen, begründen keinen Bezugszwang470. Kostendeckungsklauseln, die degressiv ausgestaltet, d. h. nach Abnahmemenge gestaffelt sind, wohnt jedoch ein Sanktionscharakter 465  Siehe

dazu unter § 4 D. II. 10. b). Beispiele solcher Klauseln vgl. Olesch, S. 59. 467  Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 97; Ostler, S. 63 und 188; O. Christiansen, S. 164; Keßler, WuW 2002, 1162, 1167 f.; Wecker, S. 99. 468  Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 97; Nordemann, in: LMR, § 2 GWB, Rn. 94; Wecker, S. 97; für Beispiele solcher Klauseln vgl. Olesch, S. 59. 469  Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 97; Ostler, S.  188 f. 470  Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 97. 466  Für



D. Schnittmengenanalyse333

inne, der einen mittelbaren Druck zum Bezug über die Kooperation auslöst, der einem Bezugszwang gleichsteht471. Sie sind nur dann zulässig, wenn der Kooperation bei größeren Bestellungen tatsächlich geringere Kosten entstehen472. c) Verbot der Doppelmitgliedschaft Ein Doppelmitgliedschaftsverbot kann bereits nach der Rechtsprechung zwingend notwendig sein, um die Funktionsfähigkeit einer Kooperation zu sichern473. Zudem lassen sich dadurch auch Netzeffekte verhindern, wonach die Kooperationsmitglieder umfassende Kenntnisse von den Einkaufskonditionen unterschiedlicher Kooperationen bekommen474. Es sollte daher nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung verdammt werden. d) Rabatte Bei Rabatten ist zu differenzieren, ob sie Bezugszwängen ähneln oder nicht. Anreizprämien, Konzentrationsrabatte oder -boni, die den Mitgliedern als Belohnung und Anreiz für den Bezug über die Kooperation gewährt werden, führen zu einem mittelbaren Bezugszwang475. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Höhe der ausgelobten Rabatte den Kooperationsmitgliedern faktisch keine Wahl lässt, als über die Kooperation zu beziehen476. Stehen den Rabatten aber entsprechende Rationalisierungseffekte gegenüber, sind sie nicht als faktische Bezugsbindung zu beurteilen477. e) Kündigungsfristen Kündigungsfristen allein bezwecken keine Wettbewerbsbeschränkungen. Verbunden mit einem Bezugszwang gilt allerdings etwas anderes. In diesem Fall können sie eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken, wenn sie unverhältnismäßig lang und damit nicht als Mittel eingesetzt werden, die Planungssicherheit und Funktionsfähigkeit der Kooperation zu gewährleisten, sondern darüber hinaus die Handlungsfreiheit der Mitglieder unangemessen 471  Nordemann,

in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 97. in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 97. 473  S. o. § 3 B. II. 1. c). 474  S. o. § 2 A. II. 2. d) cc). 475  Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 97; v. Einem, S.  144 ff. m. w. N.; Schulte, S. 51; Ostler, S. 63 und 189; vgl. Wecker, S.  98 ff. 476  Schulte, S. 51. 477  Schulte, S. 51. 472  Nordemann,

334

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

beein­trächtigen. Dies dürfte abhängig sein von der Konzeption der Einkaufsgemeinschaft. Besteht sie nur aus wenigen großen Mitgliedern, sind für ihre Funktionsfähigkeit längere Fristen notwendig, als wenn sie offen und für zahlreiche KMU zugänglich ausgestaltet ist. Im ersten Fall dürften Kündigungsfristen bis zu 15 Jahren, im zweiten Fall nur bis zu 5 Jahren erforderlich sein478. Darüberhinausgehende Kündigungsfristen sprechen, verbunden mit weiteren Maßnahmen, insbesondere einem Bezugszwang für eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung. Die Kooperationen „neuer Generation“, welche kleinen Mitgliedern eine derart lange Kündigungsfrist von 15 Jahren auferlegen, erweisen sich diesbezüglich als besonders problematisch479. Berücksichtigt man allerdings auch die Wirkungen eines zu häufigen Wechsels zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperationen, kann argumentiert werden, dass gerade der Verzicht auf derartige Kündigungsfristen erst zu einer spürbaren Beeinträchtigung des Wettbewerbs in Form eines Nivellierungseffekts oder gar dem Ausschluss von Verhandlungen führt480. Hier gilt es dann im Einzelfall i. R.d. nach Art. 101 Abs. 3 AEUV abzuwägen, ob nicht mildere Mittel bestehen. Eine denkbare Lösung wäre ein an dem klassischen Wettbewerbsverbot, das bei Unternehmenskäufen üblicherweise praktiziert wird, orientiertes „nachvertragliches Kooperationsverbot“. Dies sieht vor, dass ein direkter Wechsel in eine konkurrierende Einkaufskooperation nicht möglich ist, sondern eine Frist von mindestens einem, maximal aber drei Jahren einzuhalten ist. Derartige nachvertragliche Kooperationsverbote sollten daher in gewissem Umfang zulässig sein, sodass sie nicht als bezweckte Vereinbarungen einzuordnen sind. 7. Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung Auch im Rahmen der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung gilt es, die mosai­k­artige Rechtsprechung zu den Anforderungen an die bewirkte Wettbewerbsbeschränkung und die wesentlich konkretere Kommissionspraxis zu analysieren, die durch eine zu weite Anwendung des effects based approach 478  Die Lab-Entscheidungen der Kommission und des EuGH erwähnen zwar die Kündigung als Möglichkeit, nennen aber keine angemessene Frist; Kommission, v. 5.12.1979 – Lab, ABl. 1980 L 51/19 Rn. 21 und EuGH, Urt. v. 25.3.1981, Rs. 61/80 – Coöperative Stremsel- en Kleurselfabriek/Kommission (Lab-Urteil), Slg. 1981, 851; die Gøttrup-Klim/DLG-Entscheidung des EuGH gibt aber insoweit Aufschluss, als dass eine Satzungsregelung, die eine Mitgliedschaft von fünf Jahren vorsieht nicht unangemessen erscheint, vgl. EuGH, Urt. v. 15.12.1994, C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641, Rn. 42. 479  S. o. § 1 C. III. 5. 480  Zu dieser Gefahr des Kooperationswechsels s. o. § 2 A. II. 2. d) cc); BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 15.



D. Schnittmengenanalyse335

mit einem zu starken Fokus auf die Konsumentenwohlfahrt nicht immer mit der Rechtsprechungslinie übereinstimmt. Als gemeinsamer Nenner lässt sich aber Folgendes festhalten: Die reine Beschränkung der Handlungsfreiheit der Kooperationsmitglieder genügt nicht, um eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung annehmen zu können481. Ein Nachweis, dass die Vereinbarung zu negativen Marktergebnissen, insbesondere Preissteigerungen führt, ist eine hinreichende Voraussetzung, sie ist aber nicht notwendig. Sie bietet sich für die Bewertung von Einkaufskooperationen grundsätzlich nicht an, da diese regelmäßig nicht zu Preissteigerungen, sondern im Gegenteil oftmals zu Preissenkungen für die Endverbraucher führen. Letztlich kommt es damit als Ansatzpunkt für die Prüfung einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung allein auf die Frage an: Werden die Verhaltensspielräume anderer Wettbewerbsteilnehmer, namentlich der Hersteller/Lieferanten, aber auch der Konkurrenten auf dem Beschaffungsmarkt, unzulässig eingeschränkt?482 Die Kommission hält einen „Strauß an Faktoren“ für die Bewertung der wettbewerblichen Wirkungen für relevant. Es sind damit im Wesentlichen die bereits oben im zweiten Kapitel herausgearbeiteten Faktoren. 8. Unterschiedliche Bewertung der Marktanteilsschwelle Die Marktanteilsschwelle wird durch die Horizontalleitlinien zum Mittelpunkt kartellrechtlicher Bewertung von Einkaufskooperationen stilisiert. Bei einem Marktanteil von bis zu 15 % auf den Einkaufs- und Verkaufsmärkten ist gem. Rn. 208 HLL anzunehmen, dass wettbewerbsschädliche Auswirkungen nicht entstehen.

481  EuGH, Urt. v. 19.2.2002, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, I-1577, Rn. 97; EuGH, Urt. v. 18.7.2006, Rs. C-519/04P – Meca-Medina, Slg. 2006, S. I-7006, 7023, Rn. 42; vgl. etwa EuGH, Urt. v. 18.7.2013, Rs. C-136/12 – Consiglio nazionale die geologi, ECLI:EU:C:2013:489, Rn. 53; Freistellungsleitlinien, Rn. 24, Fn. 31 mit Verweis auf EuG, Urt. v. 18.9.2001, Rs. T-112/99 – Métropole (M6), Slg. 2001 II-2459, Rn.  76 f.; vgl. Hertfelder, in: FS Möschel S. 281, 286 f. 482  FK-Roth/Ackermann, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 EG, Rn. 345; vgl. Hertfelder, in: FS Möschel S. 281, 286 f.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

a) Die Bedeutung der Marktanteilsschwelle in der Rechtsprechung Demgegenüber orientierte sich die Rechtsprechung bisher nicht an Marktanteilsschwellen, sondern überwiegend am Selbständigkeitspostulat. Dieser Ansatz stößt sich insbesondere an der Entscheidung des EuGH in der Sache Gøttrup-Klim/DLG483. Dabei geben folgende Passagen aus der Entscheidung Anlass, an einer Schwelle überhaupt, zumindest aber an einer Schwelle in dieser Höhe zu zweifeln: „(47)  Der Begriff der beherrschenden Stellung ist nach ständiger Rechtsprechung als wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens zu verstehen, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und schließlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten; danach ergibt sich das Vorliegen einer beherrschenden Stellung im allgemeinen aus dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren, die jeweils für sich genommen nicht ausschlaggebend sein müssen […]. (48) In bestimmten Fällen kann zwar ein hoher Marktanteil eines Unternehmens als ein bedeutsamer Anhaltspunkt für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung angesehen werden. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hatte die DLG zum Zeitpunkt der Änderung der Satzung im Jahr 1988 am dänischen Düngemittelmarkt einen Anteil von etwa 36 % und am dänischen Pflanzenschutzmittelmarkt einen Anteil von 32 %. Auch wenn nicht ausgeschlossen ist, daß einem Unternehmen mit solchen Marktanteilen im Verhältnis zu der Macht und der Zahl seiner Wettbewerber eine beherrschende Stellung zuzuschreiben ist, können diese Marktanteile allein nicht den entscheidenden Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung darstellen. (49)  Zum Begriff des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung ist zunächst festzustellen, daß der Aufbau oder die Verstärkung einer beherrschenden Stellung nicht an und für sich gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstößt.“484

Damit bleibt festzuhalten, dass dem Marktanteil nach der Rechtsprechung keine derart bedeutsame Rolle zukommt, wie die Horizontalleitlinien es diesem zugestehen. Die fehlende superiore Stellung des Marktanteils wird durch die Ergebnisse im zweiten Kapitel bestätigt, wonach nicht der Marktanteil allein, sondern nur ein Zusammenwirken zahlreicher Faktoren (etwa der Elastizität, Ausweichoptionen) dazu in der Lage ist, klar negative Wirkungen durch nachfragemächtige Einkaufskooperationen herbeizuführen.

483  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641 ff.; zum Sachverhalt vgl. oben § 3 B. II. 1. c). 484  EuGH, Urt. v. 15.12.1994, Rs. C-250/92 – Gøttrup-Klim u. a./DLG, Slg. 1994 I-5641 ff. (Hervorhebungen durch Verf.).



D. Schnittmengenanalyse337

b) Konsequenzen Das wirft nicht etwa die Frage auf: Ist der safe harbour der 15 %-Marktanteilssschwelle wirklich „safe“? Im Gegenteil: Die Rechtsprechung, erst Recht aber die ökonomischen Erkenntnisse des zweiten Kapitels lassen erkennen, dass erst ein weitaus höherer Marktanteil wettbewerbliche Bedenken bereitet. Das Monopson-Modell kann erst ab einem Marktanteil von 35 % greifen. Das Verhandlungsmodell deckt zwar bereits bei geringen Marktanteilen weitreichende Gefahren auf, Marktanteile haben aber eine geringe Relevanz als das relative Anteilsverhältnis zwischen Nachfrager und Anbieter485. Als Konsequenz lässt sich daraus ziehen, dass der safe harbour i. H. v. 15 % seiner Höhe nach unproblematisch ist. So gilt auch hier das oben Gesagte: Kooperationen, die sich innerhalb der Grenzen der Horizontalleitlinien bewegen, trifft nur ein geringes Gefährdungspotential486. Einkaufskooperationen können aber auch bei einem Marktanteil, der weit über die 15  % hinausgeht, noch wettbewerbsrechtlich unbedenklich zu bewerten sein. Selbst ein Marktanteil von über 30 % auf dem Beschaffungsmarkt allein genügt nach der Rechtsprechung nicht, um eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung sicher vorherzusagen. Hinzutreten müssen weitere Faktoren. Welche das sind, ergibt sich aus dem zweiten Kapitel. Zunächst wird die Gefahr der Kollusion maßgeblich von den Marktanteilen auf den Absatzmärkten, nicht aber von denen der Einkaufsmärkte geprägt. Für vertikale Kollusionen müssen zusätzlich hohe Marktzutrittsschranken auf Herstellerseite und eine geringe Anzahl von Herstellern bestehen. Für strategische Nachfragereduzierungen i.  S.  d. Monopson-Modells sind ebenfalls hohe Markt­ zutrittsschranken auf dem Einkaufsmarkt sowie eine aufsteigende Angebotskurve nötig, damit ein hoher Marktanteil Wirkung entfalten kann. Schließlich sind für das Ausnutzen von Nachfragemacht nach dem Verhandlungsmodell neben dem Marktanteil zahlreiche Faktoren zu beachten487. Dass die 15 %-Schwelle nicht als starre Grenze zu verstehen ist, wie auch die Horizontalleitlinien selbst betonen488, zeigt sich auch in einer Überprüfung eines Joint Ventures durch das BKartA im April 2017. Das Joint Venture aus sechs relativ betrachtet kleinen Lebensmitteleinzelhändlern489 diente der Zusammenarbeit in den Bereichen Einkauf, eCommerce, Logistik und Ver485  S. o.

§ 2 B. II. 2. und 3. § 4 D. I. 1. 487  S. o. § 2 C. II. 2. 488  Rn. 208 HLL. 489  Bartels-Langness, Bünting, Georg Jos. Kaes, Klaas & Kock, Netto ApS (Netto Nord) und real,-. 486  S. o.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

waltung. Das BKartA äußerte keine Bedenken, da die Kooperationsmitglieder auf der Beschaffungsseite in sämtlichen Warengruppen gemeinsam über Anteile von weniger als 15 % verfügen und damit „innerhalb des nach europäischem Kartellrecht als unbedenklich angesehenen Bereichs [liegen]“490. Allerdings stehen die Kooperationsmitglieder auch auf einigen Absatzmärkt im Wettbewerb zueinander491. Obwohl es dort teilweise zu gemeinsamen Marktanteilen kommt, die über der 15 %-Schwelle liegt, äußerte das BKartA dennoch keine wettbewerblichen Bedenken. Denn die Kooperationsmitglieder stehen dort jeweils im Wettbewerb zu den relativ gesehen größeren Konkurrenten EDEKA, REWE, der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und Aldi492, „sodass die wettbewerblichen Spielräume der RTG-Mitglieder weiterhin hinreichend kontrolliert werden“493. 9. Asymmetrische Einkaufskooperationen durch dominierenden „Kopf“ In der Praxis – etwa im deutschen Lebensmitteleinzelhandel – treten Einkaufskooperationen auf, bei denen ein dominierender nachfragemächtiger „Kopf“ den gemeinsamen Einkauf für ein oder mehrere kleinere Mitglieder übernimmt. a) Unterschiedliche Bewertung Bewertet man diese Konstellation nach den Marktanteilen, so ist festzustellen, dass sich die Marktmacht des ohnehin schon marktmächtigen Nachfragers durch die kleinen Mitglieder mit unbedeutenden Marktanteilen nur unerheblich erhöht und insoweit für die Marktgegenseite nicht bedenklich ist494. Ein großes Mitglied und viele kleine Mitglieder sind nur bedenklich, wenn die addierten Marktanteile beträchtlich höher sind als der alleinige Marktanteil des größten Mitglieds, da nur dadurch die Ausweichmöglichkeiten der Hersteller/Lieferanten spürbar reduziert wird. Daher ist nach Rn. 44 HLL in der Regel nicht von einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung auszugehen. Auch das deutsche Recht erfasst derartige Konstellationen gem. § 3 GWB, da sie auch den KMU zugutekommen495. Schließlich sind die Effizienzge490  BKartA, Pressemitteilung v. 4.4.2017, Bundeskartellamt hat derzeit keine Einwände gegen das Lebensmitteleinzelhandels Joint Venture „Retail Trade Group“. 491  Ebd. 492  Ebd. 493  Ebd. 494  Vgl. Lianos/Lombardi, CLES Paper 1/2016, S. 20 m. w. N. 495  S. o. § 3 F. II. 4.



D. Schnittmengenanalyse339

winne für die kleinen Kooperationspartner beträchtlich. Dabei sind ihre Gewinne wesentlich höher als die der Großen496. Für die kleinen Mitglieder kann die Kooperation gar notwendig sein, um im Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben. Dennoch warnt das BKartA in seiner Sektoruntersuchung vor dieser speziellen Art der Einkaufskooperation, denn die Wirkungen sind für die kleinen Mit­glieder ambivalent497. So zeigt sich, dass diese Kooperationen für die Großen gemessen an besseren Einkaufskonditionen weniger lukrativ sind498. Sie können durch die Einkaufsbündelung allenfalls geringe Vorteile erzielen. Das Interesse an solchen Kooperationen rührt daher nicht aus den eigentlich förderwürdigen Effizienzgewinnen, sondern aus einem anderen Grund: einer „verdeckten Übernahme“499. Denn die großen Partner oktroyieren den kleinen Mitgliedern zumindest im Lebensmitteleinzelhandel gleichzeitig die Handelsmarken auf, wodurch deren Abhängigkeit vom Großen wächst. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass dadurch die Produktauswahlvielfalt negativ beeinflusst wird500, wenn die Effekte auch unklar und vom Einzelfall abhängig sind501. Zudem gibt es immer wieder Hinweise darauf, dass die Einkaufsvorteile durch den die Verhandlungen führenden großen Nachfrager als „Kopf“ nicht vollständig an die kleineren Partner weitergegeben werden502. Konkurrieren die kleinen Mitglieder auf den Absatzmärkten mit den großen Partnern, hat das im Einzelhandel, bei dem günstigere Einkaufskonditionen über die Wettbewerbsfähigkeit auf den Absatzmärkten entscheiden können, Nachteile503. b) Konsequenzen Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Nach den Horizontalleitlinien sind derartige asymmetrische Kooperationen zwischen großen und kleinen Mitgliedern unproblematisch, wenn der gemeinsame Anteil nicht beträchtlich über den alleinigen Anteil des großen Mitglieds hinaus wächst. Die Ausführungen des BKartA sollten dennoch dafür sensibilisieren, dass langfristige Bezugszwänge, verpflichtende Übernahmen von Handelsmarken 496  BKartA,

Sektoruntersuchung LEH, S. 404 und 410. Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 4. 498  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 386. 499  S. o. § 2 A. II. 1. c). 500  Vgl. die von der niederländischen Wettbewerbsbehörde ACM in Auftrag gegebene Studie von Argentesi u. a., Mergers in the Dutch grocery sector: an ex-post evaluation, die negative Wirkungen auf die Produktauswahl in Folge von Zusammenschlüssen von Supermärkten nachweist. 501  S. o. § 2 A. III. 2. 502  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 4. 503  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, Zusammenfassung, S. 4. 497  BKartA,

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

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und weitere Maßnahmen, die zu einer Quasi-Fusion führen, vermieden werden sollten. An dieser Stelle scheint eine Rückbesinnung auf die eigentliche Zielsetzung von Einkaufskooperationen, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen zu verbessern, angebracht und an die Bewertung durch den deutschen Gesetzgeber aus längst vergangenen Tagen erinnert, die aber auch heute noch gültig sein sollte: „Ausscheiden muss die Mitgliedschaft von Unternehmen, die auf dem jeweiligen Markt zur Spitzengruppe gehören, weil sonst der Zweck des Nachteilsausgleichs in Frage gestellt wäre.“504 10. Art. 101 Abs. 3 AEUV a) Unterschiedliche Beweisanforderungen Die Kriterien der Rechtsprechung und die strengen Beweisanforderungen der Freistellungsleitlinien wurden im dritten Kapitel bereits näher dargestellt505. Die Rechtsprechung bleibt dabei grundsätzlich hinter den strengen Beweismaßstäben der Freistellungsleitlinien zurück. Eine Ausnahme gilt für die Unerlässlichkeit des Bezugszwangs, da die Kommission in den Horizontalleitlinien mitunter einen vollständigen Bezugszwang für unerlässlich hält, wenn dieser zur Erzielung von Größenvorteilen notwendig ist506. b) Nachfragemachtbedingte Gewinnallokationen zugunsten der ­Einkaufskooperation als Effizienzvorteil i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV Im dritten Kapitel wurde bereits die Frage aufgeworfen, ob Effizienzvorteile i. S. d. ersten Voraussetzung des Art. 101 Abs. 3 AEUV bejaht werden können, wenn sie allein auf nachfragemachtbedingten Gewinnverschiebungen zugunsten der Einkaufskooperation bzw. zulasten der Lieferanten beruhen507. Die Horizontalleitlinien sind diesbezüglich nicht eindeutig, die Freistellungsleitlinien verneinen dies ausdrücklich und in der Rechtsprechung wurde die Frage bisher nicht behandelt. In der Literatur wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass tatsächliche Effizienzvorteile vorliegen müssen508. 504  BT-Drucks.

11/4610 (zu § 5c GWB a. F.). § 3 B. III. 506  S. o. § 3 B. III. 3.; Rn. 218 HLL; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 99; Mattfeld, in: Münch. Hdb. GsR, Bd. I, § 33, Rn. 36; zustimmend Schulte, S. 76. 507  S. o. § 3 B. III. 1. 508  Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 101 AEUV, Rn. 155; zur deutschen Rechtslage nach § 2 GWB vgl. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 2 GWB, Rn. 86; FK-Bunte, § 3 GWB 2005, Rn. 37; Wecker, S. 108. 505  S. o.



D. Schnittmengenanalyse341

Diese Ansicht ist in gewisser Hinsicht verständlich. Schließlich betrifft sie die Freistellung eines wettbewerbsschädlichen Verhaltens. Eine solche sollte nur dann gerechtfertigt sein, wenn weitreichende Vorteile mit ihr verbunden sind. Allein durch eine Gewinnverschiebung werden jedoch keine weiteren Vorteile geschaffen. Demgegenüber wird angeführt, dass Verbrauchern auch derartige Kostenvorteile zugutekommen können, die allein auf dem Ausnutzen von Nachfragemacht beruhen509. Hinzutritt die praktische Schwierigkeit, dass Konditionenvorteile, die auf eigentlichen Effizienzvorteilen und solchen, die auf reiner Nachfragemacht beruhen, kaum voneinander abgegrenzt werden können510. Die Nichtberücksichtigung marktmachtbedingter Effizienzen ist immer dann bedenklich, wenn Einkaufskooperation grundsätzlich als wettbewerbsbeschränkend eingestuft werden, indem erforderliche, jedenfalls aber sinnvolle Preisvereinbarungen per se als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen bewertet werden511. Insofern muss ein Gleichklang geschaffen werden zwischen den Prüfungsmaßstäben, die an Art. 101 Abs. 1 AEUV und an Art. 101 Abs. 3 AEUV angelegt werden, da sich beide gegenseitig bedingen512. Was nicht geschehen darf, ist eine doppelte Benachteiligung von Einkaufskooperationen, indem (i) der gemeinsame Einkauf über die Einkaufskooperation wegen der Festlegung gemeinsamer Preise per se als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft wird, sodass eine Untersuchung ihrer Auswirkungen auf den Markt entbehrlich ist und sodann (ii) Gewinnallokationen zugunsten der Einkaufskooperation, die allein aus dem Ausnutzen von Nachfragemacht resultieren, nicht als Effizienzvorteil i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV bewertet werden. Eine derartige doppelte Belastung der Einkaufskooperation würde ihren positiven Auswirkungen nicht gerecht werden. Geht man per se von einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung aus, ist diese nach der Expedia-Rechtsprechung auch stets spürbar. Der erste Filter, um Einkaufskooperationen angesichts ihrer geringen Wirkung auf den Wettbewerb, insbesondere bei geringen Marktanteilen, zuzulassen, entfällt dadurch. Zweitens entfällt die Überprüfung der ambivalenten Wirkungen der Einkaufskooperationen auf den Wettbewerb, die, wie die ökonomische Analyse 509  Wolf, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 912 m.  w. N.; Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 90 und 100. 510  BKartA, Würdigung Stellungnahmen Sektoruntersuchung LEH, S. 12. 511  S. o. § 4 C. III. und § 4 D. II. 3. 512  Vgl. EuGH, Urt. v. 6.4.1962, Rs. 13/61 – Kledingverkoopbedrijf de Geus en Uitdenbogerd/Bosch, Slg. 1962, S. 99, 113: „unteilbares Ganzes“; vgl. FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 1 ff. „untrennbare Einheit“; Kersting/Walzel, in: KölnKomm, Art.  101 AEUV, Rn.  509 m. w. N.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

im zweiten Kapitel gezeigt hat, grundsätzlich positiv ausfallen können. Sie wird in Art. 101 Abs. 3 AEUV verlagert. Dieser stellt aber aufgrund seines Charakters als Freistellungstatbestand höhere Anforderungen an den Nachweis etwaiger mit der Einkaufskooperation verbundener Vorteile und verlagert die Beweislast auf die Kooperation. Insgesamt besteht die Gefahr, dass Einkaufskooperationen, die zwar nicht unerlässlich im Sinne des Arbeitsgemeinschaftsgedankens oder der Figur der notwendigen Wettbewerbsbeschränkung sind, aber dennoch eine positive, zumindest aber eine neutrale Wirkung haben, als kartellrechtswidrig bewertet werden. Als Handlungsempfehlung de lege lata muss allerdings mit Blick auf die klare Formulierung der Kommission in den Freistellungsleitlinien vor einer anderen Auslegung – so richtig sie auch sein mag – gewarnt werden. Bei vorsichtiger Bewertung gilt auch hier: Die Mitglieder einer Einkaufskooperation sollten tatsächliche Effizienzen nachweisen. Allein nachfragemachtbedingte Vorteile anzuführen, genügt nicht. Das gilt selbst dann, wenn sie den Verbrauchern zugutekommen sollten. Die Gefahr ist ansonsten zu groß, dass die Kommission oder Gerichte, die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV als nicht erfüllt betrachtet. c) Angemessenheit des Bezugszwangs Unterschiede zwischen Rechtsprechung und Horizontalleitlinien bestehen ferner bei der Bewertung der Angemessenheit eines Bezugszwangs. Wie im dritten Kapitel bereits erwähnt, halten die Horizontalleitlinien im Einzelfall auch einen vollständigen Bezugszwang für unerlässlich, wenn dieser zur Erzielung von Größenvorteilen notwendig ist513. Dies widerspricht der bisherigen Kommissionspraxis in NSAA I514. Auch das BKartA hält einen Bezugszwang mit Blick auf die Unerlässlichkeit i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB für problematisch515. Die Aussage in den Horizontalleitlinien sollte daher sehr vorsichtig und zurückhaltend angewendet und verstanden werden, nämlich nur insoweit, dass sich dies allenfalls auf sehr seltene Einzelfälle bezieht, in denen für die Kooperationsmitglieder tatsächlich keine anderen 513  Rn. 218 HLL; s. o. § 3 B. III. 3.; Schroeder, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 9, Rn. 99; Mattfeld, in: Münch. Hdb. GsR, Bd. I, § 33, Rn. 36; zustimmend Schulte, S. 76. 514  Kommission, Entsch. v. 9.7.1980, IV/27 958 – National Sulphuric Acid Association I, ABl. 1980 L 260/24, Rn. 49. 515  BKartA, Merkblatt über Kooperationsmöglichkeiten für kleinere und mittlere Unternehmen, März 2007, Rn. 38; vgl. Mattfeld, in: Münch. Hdb. GsR, Bd. I, § 33, Rn. 36.



D. Schnittmengenanalyse343

Möglichkeiten bestehen, die Effizienzvorteile zu erreichen516. Derartige Fälle werden aber oftmals schon unter die Fallgruppen der tatbestandlichen Reduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV, d. h. der notwendigen Wettbewerbsbeschränkung oder des Arbeitsgemeinschaftsgedankens, fallen517. Teilweise Bezugszwänge können insbesondere dann sinnvoll sein, um vertragsspezifische Investitionen in die Gründung der Einkaufskooperation abzusichern, die andernfalls nicht oder nur in geringeren Maßen getätigt worden wären518. Bei der Prüfung der Angemessenheit ist eine Abwägungsentscheidung vorzunehmen zwischen dem Umfang des Bezugszwangs und der von der Einkaufskooperation ausgehenden Nachfragemacht519. Beide sollten sich wie „kommunizierende Röhren“ verhalten520: bei Einkaufskooperationen mit geringer Nachfragemacht (die etwa überwiegend aus KMU bestehen und einen geringeren Marktanteil auf Beschaffungs- und Verkaufsmarkt inne haben) ist ein höherer Bezugszwang angemessen als bei einer Einkaufskooperation mit hoher Nachfragemacht521. Denn bei letzteren, sind die Ausweichmöglichkeiten der Hersteller ohnehin schon weitreichend beschränkt522. Werden diese durch einen Bezugszwang noch weiter intensiviert, bedarf das einem höheren Rechtfertigungsgrad.

III. Konsequenzen: Unproblematische Konstellationen der einheitlichen Bewertung von Einkaufskooperationen durch Kommission und Rechtsprechung Nachdem die Unterschiede zwischen dem Verständnis der Kommission und der Rechtsprechung analysiert wurden, ergeben sich die folgenden unproblematischen Konstellationen, die von Kommission und Gerichten identisch bewertet werden. 1. Konstellation 1: Kartellrechtlich unbedenkliche Einkaufskooperationen Konstellation 1 erfasst all diejenigen Fälle, die sowohl von der Kommission als auch von den Gerichten als kartellrechtlich unbedenklich eingestuft werden, da sie insbesondere (i) sowohl nach der de minimis-Bekanntmachung 516  So

wohl auch FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 36. § 3 B. II. 1. und § 3 B. III. 3. 518  Vgl. Gehring, in: Mäger, Kap. 3, Rn. 65. 519  Ebd. 520  Ebd. 521  Vgl. Gehring, in: Mäger, Kap. 3, Rn. 65. 522  Ebd. 517  S. o.

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

344

der Kommission als auch nach dem Verständnis der Rechtsprechung keine spürbaren Wettbewerbsbeschränkungen darstellen. Dies sind jedenfalls Fälle, die keine bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen betreffen und bei denen der Marktanteil sowohl auf dem Beschaffungs- als auch auf dem Absatzmarkt unter 5 % liegt und nicht durch qualitative Aspekte verstärkt wird. Zudem werden (ii) alle Fälle der tatbestandlichen Reduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV, d. h. insbesondere der notwendigen Wettbewerbsbeschränkung und des Arbeitsgemeinschaftsgedankens, erfasst. Darüber hinaus fallen (iii) Einkaufskooperationen unter diese Konstellation, die Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht erfüllen, da ihre Marktmacht mit einem Marktanteil von 15 % (sowohl auf den Beschaffungs- als auch auf den Absatzmärkten) zu gering ist und sie keine nach der Rechtsprechung bedenklichen Bezugszwänge oder vergleichbare Wettbewerbsbeschränkungen implementieren. Letztlich werden (iv) Einkaufskooperationen erfasst, die sowohl die Kriterien der Horizontalleitlinien und die strengen Maßstäbe der Freistellungsleitlinien an eine Freistellung i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen. Zum einen geben sie Effizienzvorteile an die Verbraucher weiter, die nicht allein und auch nicht überwiegend auf der Ausübung von Nachfragemacht gegenüber den Lieferanten beruhen. Zum anderen enthalten sie keine unerlässlichen Bezugszwänge im Sinne der Rechtsprechung oder vergleichbare Vereinbarungen523 und schalten den Wettbewerb nicht aus. 2. Konstellation 2: wettbewerbswidrige Einkaufskooperationen Konstellation 2 erfasst Vereinbarungen, die sowohl von der Kommission als auch von den Gerichten als wettbewerbsbeschränkend i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV und nicht von Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt, eingestuft werden. Darunter fallen insbesondere (i) die im dritten Kapitel geschilderten Fälle des „verschleierten Kartells“. Diese sind nach Rn. 205 HLL explizit als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu bewerten. Auch nach der Rechtsprechung wären solche verschleierten Kartelle als evident wettbewerbswidrig zu bewerten. So ist die Bebußung von Käuferkartellen zwar in der Praxis seltener als die von Anbieterkartellen. Ihre Wettbewerbswidrigkeit steht aber außer Frage, wie etwa die Entscheidungen zu den Rohtabak-Kartellen zeigen524. Eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV scheidet regelmäßig aus. 523  S. o.

§ 4 D. II. 5. § 3 B. II. 2. b); EuG, Urt. v. 8.9.2010, T-29/05 – Deltafina, Slg. 2010, II-4077; EuG, Urt. v. 11.4.2013, C-652/11 P – Mindo, ECLI:EU:C:2013:229; EuG, 524  S. o.



D. Schnittmengenanalyse345

Ansonsten ist vieles unklar. Klar wettbewerbswidrige Einkaufskooperationen lassen sich nicht mit absoluter Sicherheit definieren. Sie dürfen jedenfalls (ii) nicht unerlässlich im Sinne einer notwendigen Wettbewerbsbeschränkung oder des Arbeitsgemeinschaftsgedankens sein. Weiterhin (iii) muss der Marktanteil der Einkaufskooperationen zumindest 15 % entweder auf dem Beschaffungsmarkt oder auf dem Absatzmarkt übersteigen. Ab einem Marktanteil auf dem Beschaffungsmarkt von 40 % ist regelmäßig von einer wettbewerbsschädigenden Wirkung auszugehen, die auch nicht nach Art. 101 Abs. 3 AEUV („keine Ausschaltung des Wettbewerbs“) freigestellt werden kann. Für Wettbewerbsbeschränkungen durch Einkaufskooperationen, deren Marktanteile sich sowohl auf dem Beschaffungs- als auch auf dem Absatzmarkt zwischen 15 % und 40 % bewegen und die keine notwendigen Wettbewerbsbeschränkungen darstellen oder den Arbeitsgemeinschaftsgedanken erfüllen, ist im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV noch vieles unklar. Sicher ist, dass (iv) Einkaufskooperationen, die keinerlei Effizienzvorteile erzielen, nicht durch Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt werden können. Dabei ist seitens der Rechtsprechung unklar, ob rein marktmachtbedingte Effizienzvorteile berücksichtigungsfähig sind oder nicht, die Kommission akzeptiert sie nicht. Nicht freigestellt werden ferner Wettbewerbsbeschränkungen, die nicht unerlässlich sind. Selbst ein vollständiger Bezugszwang kann nach den Horizontalleitlinien im Einzelfall unerlässlich sein. Unklar bleibt auch, ob es ausreicht, wenn keinerlei Effizienzvorteile an die Verbraucher weitergeleitet werden, da die Auswirkungen der Nachfragemacht der Einkaufskooperation gegen die Lieferanten für die Verbraucher regelmäßig neutral sind. Die Darstellung zeigt, dass sich abseits der „verdeckten Nachfragekartelle“ und abseits einer eindeutigen Marktmacht nur schwer eindeutig wettbewerbsbeschränkende Einkaufskooperationen ausmachen lassen. Es ist stets eine genauere Analyse im Einzelfall notwendig. Zudem lassen sich bei mehreren Punkten Argumente für und gegen Einkaufskooperationen anführen, sodass die Entscheidung auch von wettbewerbspolitischen Motiven abhängig ist. Prägend sind dabei die Grundhaltung zur Nachfragemacht sowie die Wohlfahrtsperspektive (Schutz der Konsumentenwohlfahrt oder Schutz der Anbieter).

Urt. v. 26.9.2013, C-668/11 P und C-679/11 P – Alliance One International, ECLI:EU:C:2013:614; vgl. Kommission, Entsch. v. 20.10.2004, COMP/C.38.238/B.2 – Rohtabak Spanien, ABl. 2007, L  102/14; Entsch. v. 20.10.2005, COMP/C.38.281/B.2 – Rohtabak Italien; ABl. 2006 L 353/45.

346

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

E. Handlungsempfehlungen Die Ausführungen zu den Problemkonstellationen haben gezeigt, dass es gilt, einen Spagat zu schlagen zwischen risiko-averser Gestaltung anhand der Horizontalleitlinien und dem Ausreizen von Spielräumen, welche die Rechtsprechung zulässt. Sind die Horizontalleitlinien strenger als die Rechtsprechung, die Unterschiede zwischen Rechtsprechung und Kommissionspraxis aber evident, wie dies bei der Entscheidung gegen die Konsumentenwohlfahrt der Fall ist, kann eine Kooperation auch das Risiko eingehen, die Vereinbarungen entgegen den Horizontalleitlinien auszugestalten. Das gilt allerdings mit Blick auf die hohen Beweisanforderungen nur dann, wenn die Gesamtwohlfahrt eindeutig nicht geschädigt wird. Auch eine zwanghafte Orientierung am safe harbour der Horizontalleitlinien ist nicht erforderlich, wenn die anderen relevanten markt-, produkt- und kooperationsbezogenen Faktoren ein insgesamt positives Bild vermitteln und die im zweiten Kapitel entwickelten Kriterien eingehalten werden. Diese Ausgestaltung stellt dann schon keine Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV dar oder wird durch Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt. Ist die Rechtsprechung strenger als die Horizontalleitlinien, etwa dann, wenn aus der Konsumentenwohlfahrtsperspektive die Nachfrageproblematik unbedenklich ist, aus einer Perspektive, die auch Dritte schützt, hingegen nicht, sollten durch eine vorsichtig-zurückhaltende Ausgestaltung525 der Einkaufskooperation die – wenn auch nicht immer klar erkennbaren – Grenzen der Rechtsprechung eingehalten werden. In diesem Abschnitt sollen Präventionsmaßnahmen für eine solche möglichst rechtssichere Ausgestaltung der Einkaufskooperation gegeben werden526. Dabei kann mitunter ein Kontakt mit der Kommission bzw. der zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörde sinnvoll sein. Die Kontaktmöglichkeiten sind allerdings im System der Legalausnahme aufgrund des Prinzips der Selbstbewertung begrenzt527. Zunächst soll aber der Vorfrage nachgegangen werden, ob eine Ausgestaltung als reine Einkaufskooperation der sinnvollste Weg ist oder sich eher eine „Flucht in die Fusionskontrolle“ anbietet.

Bechtold, GRUR 2012, 107, 111 (s. o. Fn. 397); J. Petry, S. 232. § 4 E. III. 527  S.u. § 4 E. II. 525  Vgl. 526  S.u.



E. Handlungsempfehlungen347

I. Strategische Vorfrage: „Flucht in die Fusionskontrolle?“ So seltsam es auch anmutet, wenn diese Arbeit die „Flucht in die Fusionskontrolle“ als Lösungsmöglichkeit vorschlägt, um der hier gerade zu beantwortenden Frage nach der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen anhand von Art. 101 AEUV zu entgehen, soll sie nicht nur der Vollständigkeit halber aufgeführt werden. Denn die Realität kann nicht geleugnet werden: Ebenso wie in letzter Zeit immer wieder zu beobachten ist, dass aufgedeckte Kartelle zu Fusionen führen528, scheinen auch gescheiterte Einkaufskooperationen in Fusionen zu münden. Beispielsweise versuchte REWE eine Einkaufskooperation mit Wasgau zu gründen, die vom BKartA als problematisch beurteilt wurde529. Infolgedessen entschied sich REWE zur vollständigen Übernahme von Wasgau, die schließlich freigegeben wurde530. Ebenso waren REWE und Coop bereits fast 10 Jahre vor der Übernahme durch REWE im Jahr 2016 in einer Einkaufskooperation verbunden, über die Coop einen ganz erheblichen Teil ihrer Waren beschaffte (65–70 %)531. Am Anfang stehen die Entscheidungsträger der potentiellen Kooperationspartner daher vor drei Optionen: (i) die Gründung einer Einkaufskooperation, bei der die Mitglieder im Absatz unabhängig bleiben und für die die oben beschriebene kartellrechtliche Bewertung anhand von Art. 101 AEUV gilt; (ii) die klassische Fusion, d. h. ein Zusammenschluss oder eine Übernahme oder aber die Gründung eines konzentrativen Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens, auf die allein die FKVO Anwendung findet532 sowie (iii) die Gründung eines kooperativen Gemeinschaftsunternehmens, auf das in verfahrensrechtlicher Hinsicht die FKVO, in materiell-rechtlicher Hinsicht aber auch wieder Art. 101 AEUV anzuwenden ist533. Entscheidung für einen Zusammenschluss bzw. eine Übernahme. Eine solche Lösung bietet sich insbesondere in Fällen an, in denen die Einkaufskooperation ohnehin von einem großen Mitglied dominiert wird, während dem anderen Mitglied nur eine untergeordnete Rolle zukommt. Die oben genannten Beispiele aus dem deutschen Lebensmitteleinzelhandel sind typische Beispiele. Ein zeitgleicher Zusammenschluss bzw. eine Übernahme von 528  Vgl. dazu die ökonomischen Untersuchungen bei Hüschelrath/Smuda, 9 Eur. Comp. J., 407 (2013) sowie die Fusion zwischen den beiden größten Zementherstellern Holcim und Lafarge, vgl. COMP/M.7252. 529  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 12 f. und Tätigkeitsbericht 2010/2011, S. 59. 530  BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 13. 531  BKartA, Beschl. v. 28.10.2016, B2-51/16 – REWE/Coop, Rn. 7. 532  Vgl. Kersting, in: LMR, Anh. zu § 1 GWB, Rn. 13. 533  Vgl. Kersting, in: LMR, Anh. zu § 1 GWB, Rn. 13.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

mehr als zwei Unternehmen ist hingegen aufgrund zahlreicher Partikularinteressen der Unternehmen wie auch aufgrund der komplexen gesellschaftsrechtlichen Umsetzung und der kartellrechtlichen Hürden wenig praktikabel. Ferner sollten die Vor- und Nachteile des Fusionskontrollverfahrens gegenüber der Prüfung einer Kooperation anhand des Kartellverbots beachtet werden: Bei der Fusionskontrolle ist ein aufwendiges Anmeldeverfahren durchzuführen, bei dem bis zur Freigabe ein Vollzugsverbot gilt. Das Verfahren kann zeitintensiv sein. Neben einer je nach Komplexität des Falles sehr langwierigen informellen Verständigung mit der Kommission im Vorfeld der Anmeldung wird die weitaus größte Zahl an Verfahren im Rahmen der Phase I (Vorprüfungsphase) abgeschlossen und dauert bis zu 25 Arbeitstage534. Im Falle der Einleitung der Phase II (Hauptprüfungsverfahrens) muss bis zu 90 Tage bzw. 105 Tage auf die Entscheidung gewartet werden, bevor im Falle der Freigabe gesellschaftsrechtliche Integrationsmaßnahmen beginnen dürfen535. Für Verfahren vor dem BKartA gelten theoretisch vergleichbar lange Zeiträume von regelmäßig bis zu einem Monat und im Falle der Einleitung eines Hauptprüfverfahrens bis zu vier Monaten nach Eingang der Anmeldung536, die aber in der Praxis nicht immer ausgeschöpft werden. Dem im Vergleich zur Selbstveranlagung erhöhten Zeit- und Kostenaufwand537 stehen wesentliche Vorteile gegenüber: Zunächst besteht durch die Entscheidung der Kommission Rechtssicherheit, was ihre kartellrechtliche Unbedenklichkeit und damit Wirksamkeit angeht. Diese ändert sich auch nicht, wenn die neu geschaffene Gesellschaft später weitere Marktanteile auf den Einkaufs- wie Absatzmärkten hinzugewinnt538. Zudem hat die Fusionskontrolle einen engeren Anwendungsbereich, der im Einzelfall, insbesondere bei marktanteilsstarken aber dennoch umsatzschwa534  Art. 10

Abs. 1 S. 1 FKVO. Abs. 3 S. 1 und S. 2 FKVO. Je nach Komplexität des Falles und der damit verbundenen Zahl an Auskunftsverlangen gem. Art. 11 FKVO und der Kooperationsbereitschaft des case teams können sich Verfahren mitunter noch länger ziehen, wenn es etwa zu Fristhemmungen durch sog. stop-the-clock-Entscheidungen der Kommission aufgrund verzögerter Antworten der anmeldenden Parteien kommt. 536  § 40 Abs. 1 und 2 GWB. 537  Hinzu treten die negativen Folgen im Falle der Untersagung einer Fusion. Diese sind gegenüber nicht anmeldepflichtigen Kooperationen weitaus größer. Dazu zählen die erheblichen versunkenen Kosten durch die Vorbereitung der Anmeldung (sowohl Honorare für externe Berater als auch vergeblicher Arbeitsaufwand des Managements und einzelner Mitarbeiter). Hinzukommen kann ein nicht unerheblicher Reputationsverlust sowie Loyaliäts- und Motivationsverluste bei den Mitarbeitern, vgl. A. Schmidt/Wohlgemuth, in: Blanke u. a., S. 51, 66. 538  Die unter § 5 C. II. 3. a) behandelte Problematik um einen zeitlichen safe harbour (Toleranzklauseln) stellt sich bei einem Fusionsverfahren nicht. 535  Art. 10



E. Handlungsempfehlungen349

chen Kooperationen, relevant werden kann (speziell auf Nischenmärkten). Die Kommission prüft einen Zusammenschluss erst, wenn die sehr hohen Umsatzschwellen des Art. 1 Abs. 2 oder 3 FKVO überschritten werden, und das BKartA wird erst tätig, wenn die beteiligten Unternehmen einen weltweiten Umsatz von mehr als 500 € und Umsatzerlöse von 25 € bzw. 5 Mio. € in Deutschland erzielen539. Demgegenüber werden Kooperationen bereits ab einem gemeinsamen Jahresumsatz der Beteiligten mit Waren i. H. v. 40 Mio. € anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV540 sowie unabhängig vom Umsatz anhand von § 1 GWB überprüft. Maßgeblich sind für die Verfolgung durch das BKartA nicht die Umsätze, sondern vielmehr die Marktanteile der Kooperation541. Insoweit kann eine Fusion, die eine Prüfung anhand des Kartellverbots ausschließt (sog. „Konzentrationsprivileg“), insbesondere in umsatzschwachen Nischenmärkten auf denen die potentiellen Kooperationspartner bzw. Zusammenschlussbeteiligten zwar sehr hohe Marktanteile, aber nur geringe Umsätze innehaben, ein geeignetes Mittel sein, um „unter dem Radar“ der Kartellbehörden die Marktstellung zu verbessern542. Letztlich weist die Fusionskontrolle einen anderen, zumeist weniger strengen materiellen Prüfungsmaßstab auf als Art. 101 AEUV bzw. § 1 GWB. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, erscheint doch die bloße Kooperation als Minus zum Zusammenschluss und müsste doch daher unbedenk­licher sein543. Eine Fusion kann aber nur untersagt werden, wenn sie zu einer Marktbeherrschung oder zu einer anderen erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führt544. Demgegenüber genügt zur Untersagung einer Kooperation bereits eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den beteiligten Unternehmen545. Der Widerspruch ist nur ein vermeintlicher. Diese Bewertung erklärt sich dadurch, dass die durch eine Fusion entstehenden Effizienzen erwartungsgemäß weitaus größer sind, 539  Vgl.

§ 35 Abs. 1 GWB. § 3 B. I. 1. zur Zwischenstaatlichkeitsklausel. 541  BKartA, Bagatellbekanntmachung. 542  Auf diese Weise war beispielsweise eine beinahe vollständige Konsolidierung des deutschen Fernbusmarktes möglich, ohne dass das BKartA Gelegenheit hatte, dem im Rahmen der Fusionskontrolle entgegenzutreten, vgl. nur die Pressemitteilung des BKartA vom 3.8.2016, „Das Bundeskartellamt stellt klar: Fusion von FernbusUnternehmen nicht vom Bundeskartellamt geprüft“. 543  Schultes, S. 249. 544  Vgl. Art. 2 Abs. 2 FKVO und § 36 Abs. 1 GWB; vgl. BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 13; OFT Short-form Opinion v. 27.4.2010 – P&H/Makro Joint Purchasing Agreement, 6.9 (Fn 28). 545  Vgl. Art. 101 AEUV und § 1 GWB; vgl. BKartA, Sektoruntersuchung LEH, S. 13; OFT Short-form Opinion v. 27.4.2010 – P&H/Makro Joint Purchasing Agreement, 6.9 (Fn 28). 540  S. o.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

als die durch eine Kooperation erklärt sich auch die Entscheidung Bildung der Einkaufskooperation Übernahme unter Zugeständnissen lassen wurde.

erzielten Effizienzgewinne546. Dadurch des BKartA in REWE/Wasgau, in der die als problematisch beurteilt wurde, eine (dem Verkauf einiger Märkte) aber zuge-

Entscheidung für ein Gemeinschaftsunternehmen. Näher als eine Fusion dürfte die Entscheidung für ein Gemeinschaftsunternehmen zum Zwecke des gemeinsamen Einkaufs liegen. Zu unterscheiden ist zwischen konzentrativen und kooperativen Gemeinschaftsunternehmen. Für erstere gilt das Konzentrationsprivileg, sodass die oben zur normalen Fusion getroffenen Aussagen entsprechend gelten. Für kooperative Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen gilt hingegen eine Doppelkontrolle sowohl anhand der Fusionskontrollverordnung als auch anhand des Kartellverbots.547 Einkaufskooperationen sind regelmäßig Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen und werden allein anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV überprüft548. Das deutsche Recht trifft solch eine Unterscheidung nicht, sodass sowohl Voll- als auch Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen einer Doppelkontrolle unterfallen549. Die Abgrenzungsmerkmale wurden bereits im dritten Kapitel besprochen550. Maßgeblich ist dabei, dass das Gemeinschaftsunternehmen hochentwickelt ist und neben dem bloßen Einkauf noch weitere Aufgaben übernimmt, etwa selbst auf den Angebotsmärkten tätig ist, den Kooperationsmitgliedern wie dritten Dienstleistungsunternehmen gegenübertritt und auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt551.

II. Kontakt mit Wettbewerbsbehörden Geben Horizontalleitlinien und Rechtsprechung nicht klar Aufschluss über die kartellrechtliche Zulässigkeit einer Einkaufskooperation, so ist eine Abstimmung mit der Kommission sinnvoll. Diese kann allerdings in den meisten Fällen nur durch informelle Beratungsschreiben (guidance letters)552 546  Kersting, in: LMR, Anh. zu § 1 GWB, Rn. 14 m. w. N.; Schweizer, S.  115 ff.; Knieps, S. 129; OFT Short-form Opinion v. 27.4.2010 – P&H/Makro Joint Purchasing Agreement, 6.9 (Fn 28); kritisch dazu I. Schmidt/Haucap, S. 391. 547  Vgl. Kersting, in: LMR, Anh. zu § 1 GWB, Rn. 13; Kling/Thomas, § 22, Rn.  158 ff. 548  Kersting, in: LMR, Anh. zu § 1 GWB, Rn. 16. 549  S. o. § 3 F. II. 2.; Kersting, in: LMR, Anh. zu § 1 GWB, Rn. 16. 550  S. o. § 3 E. I. 1. 551  S. o. § 3 E. I. 1. 552  Dreher/Thomas, WuW 2004, 8, 9; Bueren, WRP 2004, 567, 574.



E. Handlungsempfehlungen351

oder vergleichbaren informellen Austausch geschehen, von denen keine Bindungswirkung, allerdings ein Vertrauensschutz gegenüber der Kommission ausgeht553. Nach Einführung des Systems der Legalausnahme sind sowohl die explizite Freistellungsentscheidung der Kommission als auch die sog. comfort letter weggefallen. Dies waren formlose Mitteilungen der Kommission an die Unternehmen über die Einstellung des Verfahrens554. Art. 10 VO Nr. 1/2003 sieht zwar die Möglichkeit der „Feststellung der Nichtanwendbarkeit“ vor555, der nach überwiegender Ansicht auch Bindungswirkung zukommt556. Dieser beschränkt sich aber auf einen kleinen Anwendungsbereich. Denn als letztes „Überbleibsel“557 des alten Freistellungssystems sollte es als „Fremdkörper im neuen System“558 restriktiv gehandhabt werden und daher nur bei neuartigen und schwierigen Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, bei denen die Gefahr einer divergierenden Beurteilung zwischen nationalen Wettbewerbsbehörden droht, angewendet werden559. Auch wird die Kommission von Amts wegen tätig, d. h. das einzelne Unternehmen hat keinen Anspruch auf ein Tätigwerden der Kommission560. Zudem ist die Hürde mit der Formulierung „öffentliches Interesse“ der EU recht hoch gewählt. Ein bloßes Interesse des Unternehmens an Rechtssicherheit oder Bußgeldimmunität dürfte daher nicht genügen. Dies erscheint verständlich, soll nicht über die Hintertür das Freistellungsverfahren durch Positiventscheidungen wieder eingeführt werden. Entsprechend ist 553  Kommission, Bekanntmachung über informelle Beratung bei neuartigen Fragen zu den Artikeln 81 und 82 des Vertrages, die in Einzelfällen auftreten (Beratungsschreiben), (2004/C 101/06), ABl. 2004 C 101/78 ff. Rn. 25 (nachfolgend: Bekanntmachung Beratungsschreiben); Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 100. 554  Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, Vorbemerkungen zu Art. 23 f., Rn.  149 ff.; Imgrund, S. 47; Beuthien, Handelskooperationen, S.  8 f. 555  Art. 10 VO Nr. 1/2003 lautet: „Ist es aus Gründen des öffentlichen Interesses der Gemeinschaft im Bereich der Anwendung der [Art. 101 und 102 AEUV] erforderlich, so kann die Kommission von Amts wegen durch Entscheidung feststellen, dass [Art. 101 AEUV] auf eine Vereinbarung, einen Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise keine Anwendung findet, weil die Voraussetzungen des [Art. 101 Abs. 1 AEUV] nicht vorliegen oder weil die Voraussetzungen des [Art. 81 Abs. 3 AEUV] erfüllt sind.“ 556  Vgl. Imgrund, S.  154 m. w. N.; Ritter, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 10 VO 1/2003, Rn. 6. 557  So Imgrund, S. 153. 558  Ebd. 559  Ebd. 560  Ritter, in: Immenga/Mestmäcker, Art.  10 VO 1/2003, Rn. 3; Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 91.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

die Vorschrift bisher explizit noch gar nicht, allenfalls implizit in wenigen Ausnahmefällen angewendet worden561. Es verbleibt daher im Normalfall allein die Möglichkeit von Beratungsschreiben, wie sie in Erwägungsgrund 38 VO Nr. 1/2003 erwähnt werden. Dabei steht die Kommission aus den oben genannten Gründen, ihre Entlastung durch das System der Legalausnahme nicht unterlaufen zu wollen, auch zur informellen Beratung nur in Ausnahmefällen zur Verfügung562. Denn sie geht davon aus, dass die Unternehmen in der Mehrzahl der Fälle selbst in der Lage sind, die Freistellungsvoraussetzungen nach Art. 101 Abs. 3 AEUV zu prüfen563. Dabei verweist sie die Unternehmen auf die einschlägigen Entscheidungen der Unionsgerichte, die Kommissionspraxis, Gruppenfreistellungsverordnungen und Leitlinien564. Wie oben aufgezeigt, ist der Verweis nicht immer sonderlich ergiebig oder führt teilweise zu Widersprüchen. Aus den oben genannten Gründen ergeht ein Beratungsschreiben nur unter den folgenden Voraussetzungen: (i) die Frage muss eine neuartige Rechtsfrage sein, die sich also nicht durch den genannten Rechtsrahmen (Gerichtsentscheidungen, Kommissionspraxis und Orientierungshilfen) beantworten lässt565; (ii) zudem muss die Erteilung des Beratungsschreibens zweckmäßig sein, wobei die wirtschaftliche wie praktische Bedeutung der Vereinbarung und die Höhe der mit der Vereinbarung verbundenen Investitionen maßgeblich sind566; (iii) weiter müssen alle für die Erstellung des Beratungsschreibens erforderlichen Informationen mitgeteilt worden sein567; (iv) letztlich darf die Vereinbarung nicht bereits Gegenstand eines Verfahrens vor europäischen wie nationalen Gerichten, der Kommission oder nationalen Wettbewerbsbehörden sein568. Die Beratungsschreiben werden, soweit erforderlich, anonymisiert, auf der Website der Kommission veröffentlicht und können so 561  Vgl. Ritter, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 10 VO 1/2003, Rn. 12 mit Verweis auf Kommission, 3.5.2004 IP/04/585 „Porsche“; Kommission, 9.2.2006 IP/06/139 „Philips“, ohne dass die Entscheidungen aber ausdrücklich auf Art. 10 Bezug nehmen. Die Kommission bemühe sich um Verbesserungen, vgl. IP/10/2 vom 6.1.2010. 562  Kommission, Bekanntmachung Beratungsschreiben, Rn. 7; Ellger, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 93. 563  Kommission, Bekanntmachung Beratungsschreiben, Rn. 3; Ellger, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 91. 564  Ebd. 565  Kommission, Bekanntmachung Beratungsschreiben, Rn. 8; Ellger, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 94. 566  Ebd. 567  Kommission, Bekanntmachung Beratungsschreiben, Rn. 8. 568  Kommission, Bekanntmachung Beratungsschreiben, Rn. 9; Ellger, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 99.



E. Handlungsempfehlungen353

als willkommene Informationsgrundlage dienen569. Die praktische Wirkung dieser Beratungsschreiben ist äußerst gering. Bisher scheint kein einziger Fall die Voraussetzungen für die Erteilung eines Beratungsschreibens erfüllt zu haben, sodass – soweit ersichtlich – bis heute noch kein Beratungsschreiben von der Kommission veröffentlicht wurde570. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Möglicherweise führt die geringe Bindungswirkung des Beratungsschreibens dazu, dass ein gänzlich informeller Kontakt durch ein Gespräch einfacher erscheint als ein schriftliches Verfahren. Zudem mag die Veröffentlichung des Beratungsschreibens abschrecken, bei der nie ganz klar ist, ob auch die Namen des anfragenden Unternehmens anonymisiert werden oder sich nicht doch Rückschlüsse auf das Unternehmen ziehen lassen. So könnte die Anfrage gerade erst Anlass für Beschwerden von Wettbewerbern geben und weitere Ermittlungen der Kommission veranlassen571. Eine Hürde stellt sicherlich auch Rn. 18 der Bekanntmachung Beratungsschreiben dar, der vorsieht, dass die im Zusammenhang mit dem Beratungsersuchen vorgelegten Informationen bei der Kommission verbleiben und in späteren Verfahren verwendet werden können. Die Möglichkeiten des Kontakts zum BKartA ähneln den oben beschriebenen Kommissionsregelungen: Das BKartA kann eine formelle Nichttätigkeitsverfügung gem. § 32c GWB erlassen. In der Praxis hat die Vorschrift jedoch keine Bedeutung erlangt572. Darüber hinaus kann das BKartA eine Kooperation durch informelle Mitteilung i. S. v. § 32b GWB dulden. Dies ist ein in der Praxis häufiger verwendetes Verfahren573. Das BKartA scheint bei der Beratung zur kartellrechtlichen Bewertung horizontaler Kooperationen großzügiger zu sein. In seinen Tätigkeitsberichten betont das BKartA in Hinblick auf Einkaufskooperationen und andere horizontale Kooperationen wiederholt, dass es im Rahmen seines Aufgreifermessens „Unternehmen in bestimmten Fällen, etwa beim Auftreten neuer Rechtsfragen, informelle Hinweise zur wettbewerblichen Prüfung geben 569  Kommission, Bekanntmachung Beratungsschreiben, Rn. 21; Ellger, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 101. 570  Commission Staff Working Paper SEC(2009) 574 zur Mitteilung der Kommission, Bericht über das Funktionieren der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 29.4.2009, Rn. 113 (Stand 2009); Wiedemann, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 6, Rn. 9 (Stand: Juli 2015); Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 102; Breit, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje, VO (EG) 1/2003, Art. 10 Rn. 14 (Stand: 2015). 571  Vgl. Bekanntmachung Beratungsschreiben, Rn.  24; Meßmer/Bernhard, in: Meßmer/Bernhard, Praxishdb KartellR, Kap. 1 Rn. 24. 572  Rehbinder, in: LMR, § 32 GWB, Rn. 1. 573  Rehbinder, in: LMR, § 32 GWB, Rn. 1.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

[kann]“574. Zudem hat es ein Joint Venture aus sechs Lebensmitteleinzelhändlern, das im April 2017 gegründet wurde, bereits im Entstehungsprozess überprüft und keine Bedenken geäußert575. Auch die französische Wettbewerbsbehörde hat ein sehr großes Interesse daran, über die Gründung von Einkaufskooperationen informiert zu werden – das gilt jedenfalls dann, wenn sie so bedeutsame Sektoren wie den Lebensmitteleinzelhandel betreffen und dort zu einer hohen Konsolidierung bei der Beschaffung führen. Ende 2014 gründeten nach einem Preiskampf auf dem Absatzmarkt für Lebensmittel die größten französischen Lebensmitteleinzelhändler, die insgesamt 90 % des LEH-Absatzmarktes ausmachten, innerhalb von nur vier Monaten in Reaktion aufeinander gleich drei Einkaufskooperationen. Das französische Wirtschaftsministerium bat die Wettbewerbsbehörde um eine nähere Untersuchung dieser nicht anmeldepflichtigen Kooperationen. Die Wettbewerbsbehörde schlug dem Wirtschaftsministerium abschließend vor, künftig eine Meldepflicht der Lebensmitteleinzelhändler für derartige Kooperationen zu schaffen, die vor ihrem Inkrafttreten von ihr überprüft werden.576

III. Präventionsmaßnahmen Ist die Entscheidung für die Gründung einer Einkaufskooperation gefallen, soll der Weg möglichst rechtssicherer Ausgestaltung beschritten werden und erweist sich die kartellrechtliche Bewertung nicht als eindeutig, so bieten sich die folgenden Empfehlungen an, um die Einkaufskooperation in möglichst rechtssicherer Art und Weise zu gestalten. Sie reduzieren die grundlegenden wettbewerblichen Bedenken (theories of harm) der Kommission gegen Einkaufskooperationen, d. h. die Gefahr von Kollusionen, die Gefahr der Entstehung und Aus­übung von Nachfragemacht oder beides.

574  BKartA, Tätigkeitsbericht 2013/2014, BT-Drucks. 18/5210, S. 28; Tätigkeitsbericht 2011/2012, BT-Drucks. 17/13675, S. 33; Tätigkeitsbericht 2009/2010, BTDrucks. 17/6640, S. 42. 575  BKartA, Pressemitteilung v. 4.4.2017, Bundeskartellamt hat derzeit keine Einwände gegen das Lebensmitteleinzelhandels Joint Venture „Retail Trade Group“: „Die Parteien hatten das Bundeskartellamt seit August 2016 über das Projekt informiert und umfangreiche Daten und Unterlagen dazu vorgelegt. Vor diesem Hintergrund hatte das Bundeskartellamt den Parteien mitgeteilt, dass es das Vorhaben, insbesondere die gemeinsame Beschaffung, nach derzeitigem Kenntnisstand nicht aufgreifen wird.“ 576  Vgl. Autorité de la concurrence, Pressemitteilung v. 1.4.2015: Rapprochements à l’achat dans le secteur de la grande distribution.



E. Handlungsempfehlungen355

1. Ständige Kontrolle des safe harbour Die Marktanteile sollten regelmäßig dahingehend kontrolliert werden, ob sie sich noch immer innerhalb des safe harbour oder jedenfalls innerhalb eines durch genaue Analyse bestimmten unbedenklichen Bereichs befinden577. Insbesondere bei der Gründung der Einkaufskooperation, aber auch bei der regelmäßigen Kontrolle des Marktanteils sollten die zugrunde gelegten Marktdaten und -analysen säuberlich dokumentiert werden, um im Falle etwaiger späterer Verfahren der Kartellbehörden als Beweis für eine sachgerechte Bewertung anhand der Maßstäbe der Horizontalleitlinien bzw. Art. 101 Abs. 3 AEUV zu dienen578. Pflicht zur Beobachtung und Benachrichtigung. Überdies bietet es sich an, wenn die Kooperationsmitglieder jeweils vertraglich garantieren, dass sich – jedenfalls im Rahmen ihres besten Wissens – ihre Marktanteile in einem bestimmten unproblematischen Bereich bewegen, sodass sich der Marktanteil der gesamten Einkaufskooperation im Rahmen des safe harbour der Horizontalleitlinien oder eines vorher durch genaue Analyse ermittelten unbedenklichen Bereichs bewegt579. Ebenso sollte eine Pflicht zur ständigen Beobachtung der Marktanteilsentwicklung und eine damit verbundene Informationspflicht gegenüber der Einkaufskooperation vereinbart werden, falls sich diese maßgeblich verändert580. Vertragsanpassungsregelungen. Die dauerhafte Überschreitung des safe harbour oder eines anderen Grenzwertes könnte an Vertragsanpassungsklauseln geknüpft werden581. Denkbar wäre etwa eine auflösende Bedingung, die bei einem dauerhaften Überschreiten des Grenzwertes zur Auflösung einzelner wettbewerbsbeschränkender Klauseln, zum Austritt einzelner Mitglieder oder gar zur Auflösung der Kooperation führt582.

577  Vgl. dazu oben unter § 4 A. II. 1. a) bb); vgl. Behrens, in: FS H-B. Schäfer, S. 457, 461; zum US-Recht Bigart/Fales/Tenenbaum, S. 2. 578  In diesem Sinne zur Vertikal-GVO Polley/Seeliger, WRP 2000, 1203, 1210 f.; vgl. allgemein auch FK-Pohlmann, Art. 81 Abs. 3 Grundfragen, Rn. 170 sowie Schnelle/Bartosch/Hübner, S. 103. 579  Vgl. Kamann/Bergmann, BB 2003, 1743, 1747. Das gilt ebenso bei vertikalen Vereinbarungen, etwa zwischen Einkaufskooperationen und Lieferanten. 580  Ebd.; J. Petry, S. 233; diese könnte mit einer Haftungs- oder einer Vertragsstrafenregelung verbunden sein. 581  Kamann/Bergmann, BB 2003, 1743, 1747; Schnelle/Bartosch/Hübner, S. 103. 582  Kamann/Bergmann, BB 2003, 1743, 1747; Schnelle/Bartosch/Hübner, S. 103; vgl. J. Petry, S. 233.

356

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

2. Freiwilligkeit/Kein Bezugszwang/ Offenheit statt Geschlossenheit Während sich produkt- und marktbezogene Faktoren nur schwer, zumeist überhaupt nicht von der Einkaufskooperation beeinflussen lassen, sind ihre Möglichkeiten weitreichender, die wettbewerblichen Auswirkungen durch Gestaltung der kooperationsbezogenen Faktoren583 in eine klar positive Richtung zu lenken. Zunächst bietet es sich an, die jeweils prinzipiell wettbewerblich förderliche Charaktereigenschaft einer Einkaufskooperation zu wählen. Das meint den freiwilligen Bezug statt Bezugszwang584, keine Mindestabnahmen585, Offenheit statt Geschlossenheit, demokratisch-symmetrische statt asymmetrische Gestaltung586. Das gilt zumindest in dem Maße, als dass sie nicht zwingend notwendig sind, um Einkaufsvorteile und andere Effizienzen überhaupt erst zu erreichen, wie etwa Mindestabnahmemengen oder ein Verbot der Doppelmitgliedschaft587. Mit Blick darauf, dass der safe harbour nicht überschritten werden sollte, bietet sich eine offene Gestaltung unter der Voraussetzung an, dass es sich bei den Mitgliedern generell um kleine und mittlere Unternehmen handeln muss, deren jeweiliger Marktanteil unter einer bestimmten Schwelle von beispielsweise 5 % liegt. 3. Strukturelle Gestaltung Sollte die Einkaufskooperation doch geschlossen ausgestaltet werden, so ist es förderlich, darauf zu achten, dass nur ein Mitglied pro Absatzgebiet aufgenommen wird, sodass die Gefahr etwaiger Kollusionen auf den Absatzmärkten von vornherein vermieden wird588. Allerdings muss dabei streng darauf geachtet werden, dass den einzelnen Mitgliedern die theoretische und darüber hinaus auch die faktische Möglichkeit verbleibt, ihre jeweiligen Absatzgebiete nach eigener Entscheidung zu erweitern, auch wenn sie dadurch in Konkurrenz zu anderen Mitgliedern treten sollten. Jegliche Restriktionen eines aktiven wie passiven Verkaufs in anderen Gebieten müssen verhindert 583  S. o.

§ 1 D. zum US-Recht: DoJ, Healthcare Statements, Statement 7; vgl. White/Brau/ Marx, Antitrust and Healthcare: A Comprehensive Guide, 2013, S. 398. 585  Bigart/Fales/Tenenbaum, S. 2: „The program should not impose minimum purchasing requirements on members“; vgl. Lindsay, 23 Antitrust 67, 68 (2009). 586  Bigart/Fales/Tenenbaum, S. 2: „Participation in the joint purchasing arrangement should be available to all association members and should not be limited by the size, type or location of a member“. 587  S. o. § 3 B. II. 1. 588  Vgl. oben § 2 C. I. 1. 584  So



E. Handlungsempfehlungen357

werden. Ansonsten könnte die Einkaufskooperation als Gebietskartell bewertet werden und würde dadurch gerade einen nicht erwünschten gegenteiligen Effekt erzielen. Überlappen sich vereinzelte regionale Absatzgebiete der Kooperationsmitglieder, in denen diese mit einzelnen Filialen vertreten sind und liegen die gemeinsamen Marktanteile auf dem Absatzmarkt weit über 15 %, so bietet es sich aus Vorsichtsgründen589 an, diese Märkte von einer Belieferung durch die Einkaufskooperation auszunehmen. 4. Selbstauferlegte Beschränkungen zur Vermeidung übermäßiger Nachfragemacht Vor dem Hintergrund der Ermittlungen der Kommission in den Fusionskontrollverfahren REWE/Meinl und Carrefour/Promodès, wonach ein Hersteller maximal zwischen 20 % und 22 % seines Umsatzes verlieren kann, ohne in Insolvenzgefahr zu rücken590, sollte die Einkaufskooperation versuchen, das Bestehen einer derartigen relativen Nachfragemacht gegenüber ihren Lieferanten zu verhindern. Eine denkbar unkomplizierte Lösung, die von der Kommissionspraxis öfter betonte Gefahr relativer Nachfragemacht auszuschließen, zeigt die italienische Wettbewerbsbehörde in der Entscheidung Centrale Italiana auf591: Die Einkaufskooperation wird nur für Verhandlungen mit umsatzstarken Herstellern genutzt. Als Umsatzschwelle wurden von der italienischen Einkaufskooperation 2 Mio. € gewählt592. Hier bietet es sich an stets einen 589  Wie in Beispielsfall 3b unter § 4 C. IV. 4. b) beschrieben, sind die potentielle wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen einer Einkaufskooperation, deren Mitglieder sich nur auf einem geringen Teil der Absatzgebiete überschneiden, grundsätzlich gering. 590  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1, Rn. 101; Kommission, Entsch. v. 25.1.2000, COMP/M.1684 – Carrefour/Promodès, Rn. 52; OFT, Short-form Opinion v. 27.4.2010 – P&H/Makro Joint Purchasing Agreement, Parties’ Statements of Facts, 2.10; Overd, ECLR 2001, 249; Haucap u. a., DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 49, S. 16. 591  Zum Sachverhalt s. o. § 3 B. IV. 5. 592  Diesem Konzept scheint auch die Einkaufskooperation von Metro und Auchan zu folgen. Presseberichten zufolge soll die Kooperation nicht mit dem Mittelstand, sondern mit großen und starken multinationalen Produzenten verhandeln, vgl. „Metro drückt mit Auchan die Kosten im Einkauf, Bund zur Stärkung der Macht gegen Großlieferanten“, Börsen-Zeitung v. 24.10.2014, S. 11. Auch die Einkaufskooperation zwischen den französischen Lebensmitteleinzelhändler Système U und Auchan beschränkt sich auf den gemeinsamen Einkauf von großen Lieferanten, indem sie KMUs und Anbieter von Frischwaren ausnimmt, vgl. Autorité de la concurrence, Pressemitteilung v. 1.4.2015.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

Gesamtumsatz zu wählen, der in möglichst jeder Produktgruppe einen relativen Umsatzanteil von 20–22 % ausschließt. Alle Verhandlungen mit umsatzschwächeren Lieferanten müssen selbständig von den einzelnen Kooperationsmitgliedern geführt werden. Ob diese Lösung allerdings wettbewerbspolitisch wirklich sinnvoll ist, kann mitunter bezweifelt werden. Sie könnte den einzelnen Mitgliedern gerade einen Anreiz setzen, sich bei bestehender Auswahlmöglichkeit nicht für die Listung des besten Produkts, sondern aus Effizienzgründen für die von den großen Herstellern vertriebenen Produkte zu entscheiden. Dies mag dazu führen, dass große Hersteller gegenüber KMU privilegiert werden. Ein Ergebnis, welches das europäische Wettbewerbsrecht gerade vermeiden sollte, auch wenn es keinen KMU-Schutz kennt, so doch zum Schutz der Marktstrukturen. Möglicherweise aber wird dieser Beschränkung auf umsatzstarke Unternehmen durch die KMU im Wege der Bildung einer Anbieterkooperation begegnet werden, sodass die Verpflichtungszusagen (Commitments) mit wettbewerbsfördernder Zielsetzung letztlich zu weiterer Vermachtung der Märkte führen werden. Einen entsprechenden Ansatz wählten die Großhändler Makro und P&H, die eine gemeinsame Einkaufskooperation gründeten, deren kartellrechtliche Zulässigkeit von der britischen Wettbewerbsbehörde im Rahmen einer shortform opinion geprüft wurde593. Sie schlossen die Verhandlung und gemeinsamen Einkauf über die Einkaufskooperation mit solchen Herstellern aus, bei denen die Kooperationsparteien einen gemeinsamen Umsatzanteil von über 22 % in Großbritannien ausmachen. Insbesondere wurde auf den gemeinsamen Einkauf von Tabakwaren verzichtet, da P&H diesbezüglich eine marktstarke Stellung innehat. Bei der Wahl der Höhe des Umsatzanteils, ab der es zu einer Abhängigkeit zwischen Hersteller vom Nachfrager kommen kann, orientierten sich die Kooperationsparteien an der Kommissionsentscheidung REWE/Meinl594. 5. Maßnahmen zur Reduzierung bedenklichen Informationsaustauschs Die Kommunikation zwischen den Mitgliedern konnte als ein Hauptfaktor für Kollusion auf den Absatzmärkten identifiziert werden595. Nicht-exklusive Einkaufskooperationen, welche die Kommunikationsmöglichkeiten auf ein 593  OFT, Short-form Opinion v. 27.4.2010 – P&H/Makro Joint Purchasing Agreement, Parties’ Statements of Facts, 2.10. 594  Kommission, Entsch. v. 3.2.1999, Fall Nr. IV/M.1221 – REWE/Meinl, ABl. 1999 L 274/1; vgl. zur Entscheidung oben § 3 E. I. 2. b. aa). 595  Vgl. oben § 2 C. I. 1.; Normann/Rösch/Schultz, S. 1.



E. Handlungsempfehlungen359

Minimum reduzieren, sind aus der Wohlfahrtsperspektive betrachtet vorzugswürdig. Informationsaustausch nur mit aggregierten Daten. Dabei sollte stets auf Art und Umfang der ausgetauschten Informationen zwischen den Mitgliedern geachtet werden596. Diese sollten sich auf das Notwendigste beschränken. Ein Informationsaustausch ist dann wettbewerblich unbedenklich, wenn keine aktuellen bzw. zukünftigen Daten ausgetauscht werden, sondern lediglich historische Daten. Ab wann Daten als historische Daten gelten, hängt von den Eigenarten des jeweiligen Marktes ab. Die Horizontalleitlinien legen sich insoweit nicht auf einen Wert fest597. Zudem ist ein Datenaustausch dann nicht relevant, wenn die Daten aggregiert sind. Dazu müssen nach der Praxis des BKartA Daten von mindestens fünf Marktteilnehmern vorliegen, da ansonsten die Möglichkeit besteht, die einzelnen Daten den jeweiligen Wettbewerbern zuordnen zu können598. Intermediäre. Auch Intermediäre, d. h. von den Mitgliedern der Einkaufskooperation unabhängige Beratungsunternehmen, sind ein Mittel um die Gefahr des Informationsaustausches zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperation zu minimieren. Dabei soll garantiert werden, dass diejenigen Informationen, die für das Funktionieren der Einkaufskooperation notwendig sind, weitergetragen werden können. Für darüber hinausgehende Informationen, etwa zu Verkaufspreisen oder zum Zeitpunkt von Preiserhöhungen599 (spillover collusion), soll dies demgegenüber nicht gelten. Auf solche Maßnahmen legen insbesondere die US-Wettbewerbsbehörden Wert600. Die Parteien einer gemeinsamen Einkaufsvereinbarung wählten auch den Einsatz eines Intermediärs, nachdem die britische Wettbewerbsbehörde bei der Überprüfung der Kooperationsvereinbarung im Rahmen einer short-form opinion, Bedenken am Informationsaustausch zwischen den Par596  Schultze

(Hrsg.), Compliance-Handbuch, Teil A Rn. 153. Rn. 90 HLL. Dabei besteht nach den Rn. 90 HLL aber ein Zusammenhang zur üblichen Frequenz der Neuverhandlungen von Preisen und branchenüblichen Vertragslaufzeiten. In Kommission, Entsch. 92/157 v. 17.2.1992 – IV/31.370 und 31.446 – UK Agricultural Tractor Registration Exchange, ABl. 1992 L 68/19 Rn. 50 ging die Kommission von einem Jahr aus. Das BKartA hält Daten, die älter als sechs Monate sind, auf dem preisvolatilen Milchmarkt für historisch, vgl. BKartA, Sektoruntersuchung Milch (B2-19/08), Rn. 152. 598  BKartA, Entsch. v. 9.8.2001, B1-63/00, S. 23 – Transportbeton; Entsch. v. 17.4.2007, B3-33101-Fa-578/06 Rn. 332 – Phonak; vgl. Pischel/Hausner, EuZW 2013, 498, 501. 599  Vgl. Bigart/Fales/Tenenbaum, S. 2. 600  Vgl. DoJ, Antitrust Division, Assistant Attorney General, May 13, 1996, Statement, to Jacobsen; DoJ, Business Review Letter to The National Cable Tele­vision Cooperative, Inc. (Oct. 17, 2003); vgl. Bigart/Fales/Tenenbaum, S. 2. 597  Vgl.

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§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

teien äußerte601. Die ursprüngliche Vereinbarung sah einen Austausch vertraulicher Informationen vor, um die jeweilige Zahlungshöhe zwischen den Parteien zu berechnen. Dieser Austausch hätte aber den Parteien ermöglicht, die Einkaufsaktivität des jeweils anderen zu beobachten und erhöhte dadurch das Risiko einer Reduktion der Einkaufs- und Absatzmenge. Um dieses Risiko auszuschließen, ließen die Kooperationsparteien die Höhe der Zahlungen durch unabhängige Berater berechnen, um einen Informationsaustausch untereinander zu vermeiden602. Auch bei Gründung der Einkaufskooperation zwischen den Lebensmitteleinzelhändlern Dia und Eroski, gegenüber der die spanische Wettbewerbsbehörde keine Bedenken äußerte, wurde ein Intermediär beauftragt, um den Austausch vertraulicher Informationen zu verhindern603. Die Ausgestaltung kann unterschiedlich sein: Intermediäre können dabei selbständige Serviceanbieter sein. Ebenso kann die Einkaufskooperation von einem Unternehmen geführt werden, das selbst nicht auf dem Absatzmarkt der Kooperationsmitglieder tätig ist604. Kein Meldesystem. Der Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen (ZGV) nennt in seiner Stellungnahme zu den Horizontalleitlinien ein Beispiel für Einkaufskooperationen. Demnach sollen Mitglieder Informationen über günstigere als die von der Gruppenzen­trale vereinbarten Einkaufskonditionen an diese bekannt geben605. Das Beispiel sollte dem Vorschlag des Verbandes nach den Horizontalleitlinien als Beispiel für eine unbedenkliche Kooperation hinzugefügt werden. Stattdessen bewegt es sich selbst deutlich in einer „Grauzone“. Durch diese Vereinbarung wird ein Nivellierungseffekt deutlich befeuert. Derartige Vereinbarungen sollten daher unbedingt unterlassen werden. Compliance-Maßnahmen. Letztlich dient auch die Zusicherung von Compliance-Maßnahmen, etwa Schulungen606 und Monitoring durch einen Compliance-Beauftragten, Inhouse-Counsel607 und/oder eine Wirtschaftsprüfungs601  OFT,

ment.

Short-form Opinion v. 27.4.2010 – P&H/Makro Joint Purchasing Agree-

602  Vgl. OFT, Pressemitteilung v. 27.4.2010, „OFT issued competition advice under new process“. 603  Die Marktanteile der Einkaufskooperation lagen in den meisten Märkten bei unter 15 % und die spanische Wettbewerbsbehörde nahm eine starke Gegenmacht (countervailing power) der Herstellerseite an, vgl. Brokelmann, WuW 2017, 138. 604  Lindsay, 23 Antitrust 67, 71 (2009). 605  ZGV, Stellungnahme, S. 2. 606  DoJ, Antitrust Division, Acting Assistant Attorney General, December 20, 2012, Mahinka, S. 3: „You also represent that STARS will require antitrust compliance training of its members as soon as practicable following receipt of this letter.“ 607  DoJ, Business Review Letter to The National Cable Television Cooperative, Inc. (Oct. 17, 2003): „Legal Counsel will be present at all metings of the joint venture



F. Zusammenfassung des vierten Kapitels361

gesellschaft, zur Überwachung des Datenflusses608 dazu, negative Maßnahmen zu vermeiden, sodass die positiven Auswirkungen der Einkaufskooperation die negativen überwiegen werden.

F. Zusammenfassung des vierten Kapitels Ausgehend von der weitreichenden Kritik an den Horizontalleitlinien, insbe­ sondere ihrer mangelnden Bindungswirkung, des mit 15 % Marktanteil zu nied­ rigen safe harbour und ihres Fokus auf den Absatzmarkt, wurde nach Lösungen zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen gesucht609. Das betrifft zunächst Fragen der Marktabgrenzung610 sowie der Unterscheidung von bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung und der Einordnung des gemeinsamen Einkaufs611. Maßgeblich ist festzuhalten, dass ent­ sprechend der Beurteilung der Horizontalleitlinien Vereinbarungen über Einkaufspreise zum Zwecke des gemeinsamen Einkaufs keine bezweckten Wettbe­ werbsbeschränkungen darstellen, sondern stets die Wirkungen zu prüfen sind. Die Veränderungen des Kartellrechts in Form der Harmonisierung, Ökonomisierung und Dezentralisierung haben die Interpretation der bisherigen Kommissionspraxis und Rechtsprechung zu Einkaufskooperationen nur bedingt verändert: − De lege lata kann trotz der vermehrten Kommissionspraxis aufgrund der Rechtsprechung des EuGH nicht allein auf die Konsumentenwohlfahrt abgestellt werden, vielmehr ist der Schutz des Wettbewerbs als solcher und der Wettbewerbsstruktur zu berücksichtigen.612 − Der Bezugszwang allein steht nun nicht mehr im Mittelpunkt, wie die neuere Rechtsprechung der Unionsgerichte deutlich macht. Stattdessen sind die Auswirkungen im jeweiligen Einzelfall maßgeblich. Dennoch betont der EuGH weiterhin die Bedeutung des Selbständigkeitspostulats und die Beschränkung der Handlungsfreiheit, sodass dem Bezugszwang auch heute noch ein großer Stellenwert einzuräumen ist.613 and acceptance of an antitrust compliance policy will be a condition of membership in the joint venture.“ 608  So der Vorschlag von Murris/Sayyed, S. 3; ausführliche Informationen zur Ausgestaltung eines Compliance-Programms finden sich bei Schultze (Hrsg.), Compliance-Handbuch; FK-Seeliger/Mross, Allg. Teil E – Kartellrechts-Compliance und ICC, Toolkit Compliance. 609  S. o. §  4 A. 610  S. o. § 4 C. I. 611  S. o. § 4 C. III. 612  S. o. § 4 B. I. 3. c). 613  S. o. § 4 B. I. 3. b).

362

§ 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata

− Zwar sollte der Wandel zum System der Legalausnahme für eine genauere Abgrenzung von Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV sorgen, dennoch spricht die aktuelle Rechtsprechung dafür, auch künftig bei notwendigen Wettbewerbsbeschränkungen den Verbotstatbestand reduzieren können.614 Dadurch bestehen weiterhin große Differenzen zwischen der Rechtsprechung und den Horizontalleitlinien der Kommission bei der Bewertung von Einkaufskooperationen und ihren typischen Einkaufsvereinbarungen: − Zunächst wird der noch immer bestehende Zielkonflikt zwischen dem auf den Schutz des Wettbewerbs als solchen und der Wettbewerbsstruktur beharrenden Rechtsprechung einerseits und der Konsumentenwohlfahrt der Kommission andererseits virulent. Dieser hat zur Folge, dass Nachfragemacht, welche Anbieter schädigt, aber Verbrauchern zugutekommt, nicht zwangsläufig positiv zu bewerten ist, sondern auch gegen Art. 101 AEUV verstoßen kann.615 − Die Aufweichungstendenzen des Selbständigkeitspostulats sorgen dafür, dass ein Bezugszwang zwar noch immer ein gewichtiges Indiz für eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung darstellt, er aber keine hinreichende Voraussetzung mehr für eine solche ist.616 − Der Marktanteilsschwelle der Horizontalleitlinien von 15 % kommt nach der Rechtsprechung kein großes Gewicht zu. Mitunter akzeptierte die Rechtsprechung weitaus höhere Marktanteilsschwellen von über 30 %.617 Bei der Ausgestaltung einer Einkaufskooperation sollten folgende über die Horizontalleitlinien hinausgehende Aspekte beachtet werden: − Es genügt nicht, sich allein auf die Einhaltung des safe harbour zu verlassen, sondern es muss damit gerechnet werden, dass dieser in naher Zukunft überschritten wird und sich die Kooperation auch dann noch innerhalb der Grenzen des rechtlich Zulässigen bewegt.618 − Sich selbst bewertende Einkaufskooperationen sollten noch immer Bezugszwänge meiden und auch den Fokus nicht einseitig auf die Verkaufsmärkte legen. Dasselbe gilt für Rabatte, die eine ähnliche Wirkung erzielen, für Mindestbestellmengen, Doppelmitgliedschaftsverbote, Austrittsgelder und zu langen Kündigungsfristen.619 − Besteht ein hoher Marktanteil auf den Einkaufsmärkten, sollten Nach­ fragemacht-reduzierende Maßnahmen angewendet werden. Insbesondere 614  S. o. 615  S. o. 616  S. o. 617  S. o. 618  S. o. 619  S. o.

§ 4 § 4 § 4 § 4 § 4 § 4

B. II. D. II. 4. D. II. 5. D. II. 8. E. III. 1. E. III. 2.



F. Zusammenfassung des vierten Kapitels363

sollte darauf geachtet werden, dass der Umsatzanteil am jeweiligen Hersteller nicht über 22 % liegt und falls doch, bei solchen Herstellern nicht gemeinsam eingekauft wird.620 − Liegt der gemeinsame Kostenanteil zwischen Vor- und Endprodukt bei 50 % und mehr und bestehen Marktzugangshürden oder weitere der Kollusion förderliche Faktoren, sollte dem durch kollusionsbeschwichtigende Maßnahmen (speziell Maßnahmen zur Reduzierung kollusionsfördernden Informationsaustauschs) entgegengewirkt werden.621 Als Handlungsempfehlungen für eine rechtssichere Gestaltung von Be­ schaffungs­pro­zes­sen kann Folgendes geraten werden: − Zunächst sollten bei einer Entscheidung für eine Einkaufskooperation die Vorteile eines Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens bedacht werden, das durch die Fusionskontrolle überprüft wird. Dies erfordert ein aufwendiges Anmeldeverfahren, sorgt aber für mehr Rechtssicherheit.622 − Zudem kann versucht werden, die kartellrechtliche Bewertung mit der Kommission bzw. der nationalen Wettbewerbsbehörde zu besprechen. Die Beratungs- und Abstimmungsmöglichkeiten beschränken sich aber weitgehend auf rein informelle Verfahren.623 − Einkaufskooperationen lassen sich rechtssicherer gestalten, wenn die kooperationsbezogenen Faktoren am unteren Rand des Spektrums wettbewerbsschädlicher Wirkungen gewählt werden, d. h. möglichst kein oder nur geringer Bezugszwang und offene Mitgliedsmöglichkeiten. Was die Wahl der Mitglieder angeht, sollte darauf geachtet werden, dass sie auf den Absatzmarkt möglichst nicht im Wettbewerb stehen und der Kostenanteil zwischen Vor- und Endprodukt gering ist. Der Verzicht auf missbräuchliche Verhaltensweisen ist selbstverständlich. Die für Kollusion relevanten Faktoren können durch den Einsatz von Intermediären, Firewalls und aggregierten Informationsaustausch reduziert werden. Letztlich ist ein umfangreiches Compliance-Programm, insbesondere eine ständige Beobachtung der Marktanteile sinnvoll.624 Damit sollte die Analyse gezeigt haben, dass die Abgrenzung zwischen kartellrechtlich zulässigen und unzulässigen Einkaufskooperationen kein gordischer Knoten, sondern – bei Umsetzung entsprechender Handlungsempfehlungen – ein durchaus lösbarer ist. 620  S. o.

§ 4 § 4 622  S. o. § 4 623  S. o. § 4 624  S. o. § 4 621  S. o.

E. E. E. E. E.

III. 4. III. 5. I. II. III. 2. und 3.

§ 5  Entwurf eines Analysemodells zur Bewertung von Einkaufskooperationen de lege ferenda Im fünften Kapitel steht der Blick in die Zukunft im Mittelpunkt – die Frage nach der Gestaltung eines Analysemodells zur rechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen de lege ferenda. Die bisherigen Erkenntnisse haben gezeigt, dass ein erweitertes Analysemodell zur rechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen sinnvoll und notwendig ist (dazu unter A.). Das Modell wird dabei aus zwei Richtungen heraus entwickelt: Aus der Makroebene (unter B.) soll ein Modell entwickelt werden, das Rechtssicherheit, Treffsicherheit und Handhabbarkeit erhöht und einen möglichst sinnvollen Ausgleich zwischen ihren Wechselwirkungen erzielt. Dabei werden neun Lösungsvorschläge als Bausteine eines erweiterten Analysemodells zur Lösung der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen entwickelt. Demgegenüber bildet auf der Mikroebene (dazu unter C.) das bestehende System der Horizontalleitlinien und die an ihm geübte Kritik den Ausgangspunkt für die Modellentwicklung und eine Feinjustierung der auf der Makroebene entwickelten Vorschläge.

A. Bedürfnis und Ausgangslage eines sinnvollen Modells I. Bedürfnis nach einem neuen Modell Die Untersuchung der Rechtslage de lege lata im dritten und vierten Kapitel haben gezeigt, dass das bestehende System der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen zahlreiche Schwächen aufweist, die sich de lege lata durch Rechtsprechung und Rechtsanwendung allein nicht lösen lassen. Zu den Nachteilen zählen insbesondere: (i) die Rechtsunsicherheit der Unternehmen bei der kartellrechtlichen Selbstbewertung von Einkaufskooperationen aufgrund der Rechtsnatur der Horizontalleitlinien und ihrer fehlenden Bindungswirkung, (ii) die Bewertungsunschärfe aufgrund zu strenger Kriterien, die ökonomischer Grundlagen entbehren, sowie (iii) ein zu unklares dogmatisches Verständnis vom Zusammenspiel von Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV.



A. Bedürfnis und Ausgangslage eines sinnvollen Modells365

Demgegenüber ist gerade wegen des Paradigmenwechsels des Kartellverfahrensrechts hin zur Selbstveranlagung der Unternehmen durch die VO Nr. 1/2003 das Bedürfnis der Praxis an einer treffsicheren, rechtssicheren und handhabbaren Lösung groß1. Anderenfalls besteht die Gefahr eines chilling effects, vorliegend in Form einer zurückhaltenden Gründungspolitik von Einkaufskooperationen2. Eine aktuelle Kommissionspraxis und Rechtsprechung, die zeitgemäße Orientierung bieten könnte, besteht – wie im dritten Kapitel gezeigt – nicht. Aus der fehlenden Fallpraxis darf jedoch nicht geschlossen werden, dass die rechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen vernachlässigt werden kann. Das Bedürfnis an der Gründung von Einkaufskooperationen besteht in der Praxis durchaus. Die Rechtsberatung hat immer wieder Einkaufskooperationen verschiedenster Wirtschaftsbereiche zu überprüfen. Konnten diese unter dem alten System der Einzelfreistellung in den Jahren 2001/2002 allein in Deutschland mit 139 beim BKartA angemeldeten Einkaufskooperationen3 noch beziffert werden, ist diese Zahl heute nicht schlagartig zurückgegangen, nur weil sich keine Entscheidungspraxis mehr zu Einkaufskooperationen findet. Die geringe Beschäftigung durch die Wettbewerbsbehörden hat andere Gründe. Hauptgrund ist dabei das System der Legalausnahme, welche die Überprüfung von Kooperationen anhand von Art. 101 AEUV durch Wettbewerbsbehörden selten notwendig macht. Ein weiterer Grund mag die geringe Bereitschaft der von Nachfragemacht betroffenen Anbieter sein, sich bei den Wettbewerbsbehörden über Einkaufskooperationen zu beschweren, wenn sie dadurch Nachteile befürchten müssen („Ross-undReiter“-Problematik). Umso bedeutsamer ist es, dass die Kommission den Kartellrechtsanwendern mangels Fallpraxis anderweitige Orientierung an die Hand gibt. Das Bedürfnis wird auch dadurch deutlich, dass das BKartA nach dem Wandel hin zum System der Legalausnahme mehrere Einkaufsvereinbarungen prüfte4. Auch die Überprüfung der französischen Wettbewerbsbehörde von drei Ende 2014 gegründeten Einkaufskooperationen in Frankreich stellt eine Ausnahme dar. Die Behörde sah sich veranlasst, diese zu prüfen, nachdem sich im Zuge eines Preiskampfs im französischen LEH innerhalb weni1  S. o.

§ 3 A. III. § 3 A. IV. und unten unter § 5 B. II. 1. b). 3  Vgl. Tätigkeitsberichte des BKartA 2001/2002, S. 47; vgl. bereits Mand/Malkus, Stellungnahme S. 5. 4  Vgl. die Aufzählungen in BKartA in ihren Tätigkeitsberichten: BKartA, Tätigkeitsbericht 2013/2014, BT-Drucks. 18/5210, S. 28 f.; Tätigkeitsbericht 2011/2012, BT-Drucks. 17/13675, S. 33 f.; Tätigkeitsbericht 2009/2010, BT-Drucks. 17/6640, S. 42 f.; zuletzt BKartA, Pressemitteilung vom 12.09.2019 „Große Einkaufskooperation im Möbelhandel abgewendet“. 2  S. o.

366

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

ger Monate gleich drei Einkaufskooperationen bildeten, deren jeweilige Mitglieder zu den größten nationalen Lebensmittelhändlern gehörten5. Die Entwicklung eines neuen Modells ist dabei keine rein dogmatische Spielerei, keine Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm. Zwar wurden die Horizontalleitlinien am 14.12.2010 erneuert, eine Anpassung ist aber auch später noch möglich, wie der Charakter von Leitlinien belegt und Rn. 18 HLL nochmals verdeutlicht. Demnach wird die Kommission „die Anwendung dieser Leitlinien anhand der Informationen, die sie von Marktteilnehmern und nationalen Wettbewerbsbehörden erhält, aufmerksam verfolgen und die Leitlinien gegebenenfalls im Lichte künftiger Entwicklungen und neuer Erfahrungen anpassen“6. Insoweit besteht kein starres, unabänderbares Rechtskorsett, sondern Raum für Gestaltung. Die Suche nach einer besseren Lösung geht weiter. Derzeit werden die Horizontalleitlinien auf den Prüfstand gestellt, in einer public consultation werden Meinungen von Unternehmen, Verbänden und anderen Interessierten eingeholt und bis spätestens Ende 2022 sollen die Horizontalleitlinien überarbeitet werden. Dabei werden auch die vorliegend behandelten Fragen wieder relevant. Möglicherweise kann diese Arbeit bei ihrer Beantwortung eine Hilfestellung geben. Kurzum: Das Bedürfnis und der mögliche Gestaltungsspielraum erfordern und ermöglichen es, über ein sinnvolleres Analysemodell zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen nachzudenken. Demgegenüber wird auf Lösungsvorschläge de lege ferenda zur Verbesserung des deutschen Kartellrechts verzichtet. Zunächst erwies sich eine gesetzgeberische Lösung der FENIN-Frage7 bereits im politischen Prozess im Rahmen der 8. GWB-Novelle als unmöglich8. Zwar begegnet der Anwendungsbereich des § 3 GWB, der neben reinen Kooperationen aus KMU auch solche erfasst, die von einem nachfragemächtigen „Kopf“ dominiert werden, erheblichen Zweifeln9. Detaillierte Ausführungen würden sich aber als bloßer 5  Vgl. Autorité de la concurrence, Pressemitteilung v. 1.4.2015: Rapprochements à l’achat dans le secteur de la grande distribution. 6  Rn. 18 HLL. 7  Gemeint ist die Frage danach, ob auch der gemeinsame Einkauf durch den Staat zur hoheitlichen Verwendung der Produkte den Unternehmensbegriff des Art. 101 AEUV erfüllt oder der Kontrolle durch das Kartellverbot entzogen ist, s. o. § 3 F. II. 1. 8  Sie mündete in einer Kompromisslösung, wonach mit § 69 Abs. 2 S. 1 SGB V lediglich die Nachfragetätigkeit der Krankenkassen als ein Anwendungsbereich der FENIN-Rechtsprechung einer legislativen Lösung zugeführt wurde, vgl. Schwensfeier/Knauff, in: LMR, § 130 GWB, Rn. 57 m. w. N. 9  S. o. § 3 F. II. 4.



A. Bedürfnis und Ausgangslage eines sinnvollen Modells367

Papiertiger ohne große praktische Relevanz entpuppen. Denn den deutschen Regelungen allein kommt nur eine untergeordnete Rolle zu, da die Zwischenstaatlichkeitsklausel in den meisten Fällen erfüllt sein dürfte10. Letztlich wirkt sich die hier vorgeschlagene Lösung der Schaffung einer GVO gem. § 2 GWB auch unmittelbar auf die deutsche Rechtslage aus.

II. Ausgangslage der Modellentwicklung Während im vierten Kapitel ein mit Blick auf potentielle kartellrechtliche Risiken möglichst vorsichtiges Bewertungsmodell aufgezeigt wurde, soll in diesem fünften Kapitel ein ideales Abgrenzungsmodell skizziert werden, ein Modell, in dem die im zweiten Kapitel erarbeiteten ökonomischen Auswirkungen möglichst weitreichend in die kartellrechtliche Bewertung implementiert werden, um eine möglichst hohe Treffsicherheit zu erzielen. Dabei soll das Modell aber auch mit Blick auf Rechtssicherheit und Handhabbarkeit überzeugen. Der Frage nach der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen wird sich dabei aus zwei unterschiedlichen Richtungen her genähert: der Makro- und der Mikroebene. Das von oben, aus der Makroebene heraus entwickelte Modell wird allein durch die Grundvorgaben des Primärrechts beschränkt ohne sich an den Vorgaben der Horizontalleitlinien zu orientieren. Demgegenüber erfährt das von unten, aus der Mikroebene heraus entworfene Modell eine evolutionäre Entwicklung, indem es – am status quo orientiert – bestehende und oben beschriebene Nachteile der Horizontalleitlinien auszumerzen versucht. Es wird danach gefragt, inwieweit die bestehenden Horizontalleitlinien zu modifizieren sind, um den in der Makroebene entwickelten Zielen, Perspektiven und Systemelementen gerecht werden zu können.

III. Grenzen der Modellentwicklung 1. Praktische Grenzen Dabei sollten die Grenzen einer Modellentwicklung nicht verschwiegen werden. Das sind zum einen praktische Grenzen. Denn „competition law is not an area of law in which there is much scope for absolute concepts or sharp edges“11. Aufgrund dessen wird es nicht möglich sein, ein System zu 10  S. o.

§ 3 F. I. und § 3 B. I. 1. Appeal Tribunal, Rs. 1035/1/1/04 und 1041/2/1/04, The Racecourse Association and the British Horseracing Board v OFT CAT 29, v. 2.8.2005, Rn. 167; vgl. Niels/Jenkins/Kavanagh, Rn. 1.19 und 10.02. 11  Competition

368

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

schaffen, das jedweder Fallkonstellation gerecht werden kann, aber dennoch für die Vielzahl der Anwendungsfälle handhabbar und rechtssicher ist. Vielmehr kommt es zwangsläufig zu Konflikten zwischen den unterschiedlichen Zielen, die nicht immer gänzlich überwunden werden können, sondern in einer Kompromisslösung münden müssen. 2. Primärrecht und Rechtsprechung als Rahmen und Grenzen Darüber hinaus ist es alleiniges Ziel der Modellentwicklung, die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen zu verbessern. Entsprechend bilden das Primärrecht12, die eindeutigen Vorgaben der Rechtsprechung als Interpretation des Primärrechts sowie die VO Nr. 1/2003 den Rahmen und Grenzen der Modellentwicklung. De lege ferenda meint hier nicht, dass die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen völlig losgelöst von jedweden Rechtsrahmen neu entwickelt werden soll. Das würde weder praktischen noch rein theoretischen Erkenntnisgewinn bringen, sondern allein in einem schlimmstenfalls widersprüchlichen, bestenfalls rein isolierten Lösungsansatz münden, der sich nicht in den bisherigen Regelungskanon integrieren lässt. Es geht allein darum, die Frage nach der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen in den Banden des aktuell bestehenden Kartellrechtssystems zu verbessern. Entsprechend werden allein die Horizontalleitlinien in Frage gestellt13. Damit bewegt sich die Lösungssuche im Rahmen des geltenden Primärrechts. Dieses wird vom EuGH ausgelegt und bildet einen unumstößlichen Orientierungspunkt, der allein durch Änderung des Primärrechts, nicht aber durch die hier verfolgte Modifizierung des Sekundärrechts verändert werden kann. Das Primärrecht aber wird vom EuGH dahingehend ausgelegt, dass eine allein am Konsumentenwohlfahrtstandard orientierte Auslegung nicht möglich ist.

12  Für Vorschläge, die über das aktuelle bestehende Primärrecht hinausgehen vgl. etwa die Darstellung bei Lianos, in: Lianos/Geradin, S. 70 zu Vorschlägen zu einem Art. 101 Abs. 4 AEUV. 13  Auch die VO Nr. 1/2003 wird aus diesem Grund nicht angetastet, da die Konsequenzen für zahlreiche andere Kooperationsformen kaum absehbar wären.



B. Makroebene: Rechtssicherheit, Treffsicherheit u. Handhabbarkeit369

B. Makroebene: Suche nach einem austarierten System aus Rechtssicherheit, Treffsicherheit und Handhabbarkeit Das Analysemodell ist vom Dreiklang aus Rechtssicherheit, Treffsicherheit und Handhabbarkeit geprägt14. Ziel soll dabei ein möglichst ausgewogenes System aus Einzelfallgerechtigkeit, Rechtssicherheit und Handhabbarkeit sein.

I. Rechtssicherheit Das Modell muss der Rechtssicherheit dienen15. 1. Bedeutung Der allgemeine Grundsatz der Rechtssicherheit ist im Recht der Europäischen Union fest verankert16. Er wird aus Art. 6 Abs. 1 EUV i. V. m. der Präambel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und aus Art. 7 der EMRK (in Bezug auf Strafen)17 herausgelesen, bildet aber jedenfalls einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts18. Das Postulat der Rechtssicherheit gebietet es, ein widerspruchsfreies, verlässliches und berechenbares Recht zu schaffen19. Dazu zählt die Rechtssicherheit der Unternehmen bei der Selbstbewertung einerseits und Rechtssicherheit für Kartellbehörden und Gerichte andererseits. 14  Radbruch, S. 73  ff. spricht von den „Antinomien der Rechtsidee“ bestehend aus Gerechtigkeit, Zweckmäßigkeit und Rechtssicherheit; I. Schmidt, in: FS Bechtold, S. 409, 409 sowie ders., in: FS Säcker, S. 939, 940 der vom „Trias der Rechtsidee“ bestehend aus Einzelfallgerechtigkeit, Justiziabilität und Rechtssicherheit spricht; darauf Bezug nehmend Seehafer, WuW 2009, 728, 732; vgl. ferner Wurmnest, S.  242 ff.; Behrens, § 9, Rn. 365; Apel, S.  94 f.; Morell, S. 17 nennt Handhabbarkeit, gerichtliche Überprüfbarkeit und Vorhersehbarkeit. Speziell zu Einkaufskooperation aus der USamerikanischen Literatur vgl. Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 38 ff. (1991). 15  Vgl. Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 38 ff. (1991). 16  Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 15.2.1996, Rs. C-63/93 – Duff, Slg. 1996 I-569, Rn. 20; vgl. auch Wurmnest, S. 242 ff.; zum deutschen Recht Rittner, WuW 1969, 65. 17  Vgl. etwa EuG, Urt. v. 8.10.2008, T-69/04 – Schunk, Slg. 2008, II-2567, Rn.  28 f. m. w. N.; vgl. Allan, 13 Comp. Law 7, 8 (2014). 18  EuGH, Urt. v. 13.2.1996, C-143/93 – Gebroeders van Es Douane Agenten, Slg. 1996 I-431, Rn. 27 m. w. N.; EuG, Urt. v. 8.10.2008, T-69/04 – Schunk, Slg. 2008, II-2567, Rn.  28 f. m. w. N. 19  Wurmnest, S. 243 ff. mit Verweis auf Rümelin, S. 9; v. Arnauld, S. 661 f., 691; Rittner, WuW 1969, 65, 76.

370

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit lässt sich auch ökonomisch rechtfertigen. Das Ziel des Ordoliberalismus, „die Marktform der vollständigen Konkurrenz zur Entwicklung zu bringen“20, gründet sich auch auf die Konstanz als eines der konstituierenden Prinzipien. Ein verlässlicher Ordnungsrahmen stützt sich auf die Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns als Ausfluss der Rechtssicherheit21. Einfach ausgedrückt: Die Rechtssicherheit ist der Effizienz förderlich, denn Personen würden sonst den Anreiz verlieren, sich wirtschaftlich zu betätigen, wenn sie befürchten müssten, ihr „wohlerworbenes Recht jederzeit aus kurzfristigen Effizienzgründen abgesprochen“22 zu bekommen23. Auch die liberale Sozial- und Rechtsphilosophie v. Hayeks stellt die Bedeutung der Rechtssicherheit heraus24. Letztlich stützen empirische Untersuchungen diese Thesen. So weist eine ländervergleichende Studie einen Zusammenhang zwischen dem von Unternehmen wahrgenommenen Maß an Rechtssicherheit und dem Investitionsniveau bzw. Wirtschaftswachstum nach25. 2. Merkmale der Rechtssicherheit Zu den Merkmalen der Rechtssicherheit gehören insbesondere: (i) die Rechtsklarheit26, (ii) Beständigkeit27 und (iii) Bestimmtheit28. Im weiteren Sinne umfasst die Rechtssicherheit auch den Grundsatz der Voraussehbarkeit29, Berechenbarkeit und Meßbarkeit staatlicher Eingriffe.30 20  Eucken,

Wirtschaftspolitik, S. 255. Diskussionspapier, S. 7. 22  Mathis, S. 205. 23  Vgl. auch Wolters, S.  321 m. w. N. 24  v. Hayek, Verfassung der Freiheit, S. 289 f.; vgl. Sauerland, in: Pies/Leschke, S. 129; vgl. A. Christiansen, Diskussionspapier, S. 7; Apel, S. 104; Theurl/Kolloge, S. 13. 25  Brunetti/Kisunko/Weder, 12 World Bank Econ. Rev. 353 (1998); A. Christiansen, Diskussionspapier, S. 8; Theurl/Kolloge, S. 13. Vgl. darüber hinaus die Verweise auf empirische Untersuchungen zur Bedeutung der Rechtssicherheit in der Wettbewerbspolitik für Investionstätigkeiten bei A. Schmidt/Wohlgemuth, in: Blanke u. a., S. 51, 66. 26  EuGH, Urt. v. 22.5.2008, C-266/06 P – Evonik Degussa, Slg. 2008 I-81, Rn. 43; EuG, Urt. v. 8.10.2008, T-69/04 – Schunk, Slg. 2008, II-2567, Rn. 28 f. m. w. N. 27  Moosecker, GRUR 1978, 517, 517 Fn. 2. 28  EuGH, Urt. v. 22.5.2008, C-266/06 P – Evonik Degussa, Slg. 2008 I-81, Rn. 43; EuG, Urt. v. 8.10.2008, T-69/04 – Schunk, Slg. 2008, II-2567, Rn. 28 f. m. w. N. 29  EuG, Urt. v. 1.7.2009, T-24/07 – ThyssenKrupp (Flacherzeugnisse), Slg. 2009, II-2309, Rn.  160 f. 30  Moosecker, GRUR 1978, 517, 517 Fn. 2. 21  A. Christiansen,



B. Makroebene: Rechtssicherheit, Treffsicherheit u. Handhabbarkeit371

Rechtsklarheit. Rechtsklarheit gebietet, den Betroffenen zu ermöglichen, ihre Pflichten zu erkennen, um ihr Verhalten daran ausrichten zu können31. Das Kartellrecht ist durch zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe geprägt, die dies erschweren. Der Begriff des Wettbewerbs etwa ist noch immer nebulös, konturlos und dem Wandel der Zeit unterworfen. Andererseits müssen Vorschriften nicht derart genau formuliert sein, dass die möglichen Folgen eines Verstoßes mit absoluter Gewissheit vorhersehbar sind32. Vage Begriffe, die den Kartellbehörden weites Ermessen einräumen, führen nicht zu einem Verstoß gegen die Vorhersehbarkeit, sofern das in Rede stehende legitime Ziel hinreichend deutlich festgelegt ist33. Dabei werden die unbestimmten Begriffe durch die ständige Rechtsprechung präzisiert34. Gerade dies ist mit Blick auf Einkaufskooperationen aber nicht der Fall. Es existiert gerade nur eine sehr spärliche Rechtsprechung und Kommissionspraxis, die noch dazu sehr alt ist. Verschärft wird die Problematik durch die Tendenz der Kommission ihre Fälle vermehrt durch Verpflichtungszusagen gem. Art. 9 VO Nr. 1/2003 (Settlement-Verfahren) abzuschließen, sodass sie einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen werden35. Aus diesen Gründen besteht ein besonders hohes Bedürfnis, Rechtssicherheit auf andere Art und Weise zu schaffen, etwa durch Verordnungen oder in geringerem Maße durch Leitlinien36. Durch den Erlass von Leitlinien beschränkt die Kommission ihr Ermessen zwar selbst, was zu einem Mehr an Rechtssicherheit beiträgt37, inwieweit dies aber von den Gerichten geteilt wird, ist fraglich38. Während die Kommission beispielsweise bei Erstellung ihrer BußgeldLeitlinien auf eine gefestigte Rechtsprechung der Unionsgerichte zurückgreifen konnte39, verhält es sich bei den Einkaufskooperationen gerade anders. Hier besteht ein Bedürfnis für mehr Rechtsklarheit.

31  EuGH, Urt. v. 21.6.2007, Rs. C-158/06 – ROM-projecten, Slg. 2007, I-5103, Rn. 25 m. w. N.; EuGH, Urt. v. 10.3.2009, Rs. C-345/06 – Heinrich, Slg. 2009, I-1659, Rn. 44; EuG, Urt. v. 8.10.2008, T-69/04 – Schunk, Slg. 2008, II-2567, Rn. 28 f. m. w. N.; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 26.7.2005, 1 BvR 782/94 u. a., Rn. 184, BVerfGE 114, 1, 53 m. w. N. 32  EuG, Urt. v. 8.10.2008, T-69/04 – Schunk, Slg. 2008, II-2567, Rn. 33 m. w. N. 33  EuG, Urt. v. 8.10.2008, T-69/04 – Schunk, Slg. 2008, II-2567, Rn. 33 m. w. N. 34  EuG, Urt. v. 8.10.2008, T-69/04 – Schunk, Slg. 2008, II-2567, Rn. 33 m. w. N. 35  Kreße, WRP 2014, 1261, 1262; entsprechendes gilt für das BKartA, das Fälle vermehrt durch Verpflichtungszusagen gem. § 32b GWB abschließt; vgl. dazu Bornkamm, in: Langen/Bunte, § 32b GWB, Rn. 2. 36  Vgl. oben § 5 A. I. 37  Mit Bezug auf die „Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen“ vgl. EuG, Urt. v. 8.10.2008, T-69/04 – Schunk, Slg. 2008, II-2567, Rn. 44; EuGH, Urt. v. 22.5.2008, C-266/06 P – Evonik Degussa, Slg. 2008 I-81, Rn. 60. 38  S. o. § 3 C. I. 1. und 3. sowie § 4 A. I. 1.

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§ 5 Entwurf eines Analysemodells

Beständigkeit. Rechtssicherheit entsteht durch Beständigkeit. Das erfordert stetige Rechtsregeln40. Insoweit stehen Rechtssicherheit und Effizienz in Harmonie zueinander, wenn konstante Rechtsregeln den Boden für wirtschaftliche Aktivität und Investitionen setzen. Dazu gehört die Prognosefähigkeit von behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen41. Dies erfordert Regelungen, die nicht starr nur für einen Zeitpunkt gelten, sondern auch Rechtssicherheit für die nahe Zukunft bieten. Bei Einkaufskooperationen besteht dabei insbesondere ein Bedürfnis zu wissen, in welchen Grenzen sie wachsen dürfen, ohne dass sie sich dem Vorwurf plötzlicher Kartellrechtswidrigkeit ausgesetzt sehen müssen42. Bestimmtheit. Schließlich führen bestimmtere Regelungen zu höherer Rechtssicherheit. Am rechtssichersten sind in dieser Hinsicht per se-Regelungen43. Diese stoßen sich allerdings aufgrund zu großer Starrheit bzw. Unflexibilität an der Treffsicherheit44. 3. Konsequenzen für die Modellbildung Im Folgenden werden Lösungsvorschläge vorgestellt, die zu erhöhter Rechtssicherheit führen. Diese Vorschläge sind auf der vorliegenden Makroebene noch weitgehend abstrakt gehalten. Sie müssen sich erst durch Analyse der Wechselwirkungen mit den anderen Zielen der Treffsicherheit und Handhabbarkeit bewähren45. Anschließend werden die abstrakten Verbesserungsvorschläge auf der Mikroebene konkretisiert46. a) Schaffung einer GVO (R1) Mit Blick auf die Rechtssicherheit scheint eine Gruppenfreistellungsverordnung für Einkaufskooperationen bzw. alle horizontalen Vereinbarungen gegenüber bloßen Leitlinien Vorteile zu haben. Eine der Ursachen für die Rechtsunsicherheit, die auch bei der kartellrechtlichen Bewertung von Ein39  Vgl. EuGH, Urt. v. 21.9.2006, C-167/04 P – JCB Service, Slg. 2006, I-8935, Rn. 209; EuGH, Urt. v. 22.5.2008, C-266/06 P – Evonik Degussa, Slg. 2008 I-81, Rn. 60. 40  Basedow, ZEuP 1996, 570, 572; Wurmnest, S. 243. 41  Wurmnest, S.  243 m. w. N.; Rittner, WuW 1969, 65, 76. 42  S. o. § 4 A. II. 1. a) bb). 43  I. Schmidt/Haucap, S. 206; A. Christiansen, Diskussionspapier, S. 16; Pries, S. 196. 44  S.u. § 5 B. IV. 3. b). 45  Siehe dazu Abschnitt § 5 B. IV. 46  Siehe dazu § 5 C.



B. Makroebene: Rechtssicherheit, Treffsicherheit u. Handhabbarkeit373

kaufskooperationen herrscht, ist die uneinheitliche Anwendung durch die Kommission und die Gerichte47. Diese Divergenz kann durch einheitliche durch den „europäischen Gesetzgeber“ legitimierte Vorgaben in einer GVO verhindert werden. Ob dabei eine einheitliche GVO für alle horizontalen Vereinbarungen oder aufgrund ihrer Vielfältigkeit48 eine spezielle GVO nur für Einkaufsvereinbarungen sinnvoll ist, kann hier nicht entschieden werden, sondern es können im Folgenden allein Vorschläge für eine GVO für Einkaufskooperationen unterbreitet werden. Auf der Mikroebene wird zu klären sein, ob und wenn ja welche Umsetzungsschwierigkeiten bestehen und wie sich diese lösen lassen. b) Schaffung eines zeitlichen safe harbour (R2) Es liegt in der Natur der Einkaufskooperation, dass sie wachsen, d. h. einen höheren Marktanteil erreichen soll. Sobald die Marktanteilsschwelle überschritten ist, würde die Einkaufskooperation aus dem safe harbour der Horizontalleitlinien herausfallen und müsste befürchten, dass sie nunmehr kartellrechtswidrig ist49. Diese Unbeständigkeit und Unvorhersehbarkeit beeinträchtigt die Rechtssicherheit. Um dies zu vermeiden, bietet es sich an, den safe harbour in zeitlicher Hinsicht durch eine Toleranzklausel zu erweitern, die zu mehr Rechtssicherheit führt. Zwar gibt es einen Unterschied zwischen den Marktanteilsschwellen der Gruppenfreistellungsverordnungen und der Horizontalleitlinie. Während die Schwelle von 15 % bewusst nicht starr gewählt wurde, gilt dies für GVOs nicht. Die Toleranzklausel dient daher gewissermaßen als Korrektiv der Starrheit50. Dennoch besteht auch bei den Horizontalleitlinien mit Blick auf die nur unter höheren Unsicherheiten vorzunehmende Prüfung anhand von Art. 101 Abs. 3 AEUV ein vergleichbares Bedürfnis an Rechtssicherheit51, sodass auf einen zeitlichen safe harbour nicht verzichtet werden sollte. Wie dieser im Detail auszugestalten sein wird, wird auf der Mikroebene geklärt werden. c) Rechtsunsichere theories of harm abschaffen (R3) Rechtssichere kartellrechtliche Bewertungen, insbesondere Selbsteinschätzungen, sind nur dann möglich, wenn die Fundamente wettbewerbsbeschränkender Wirkungen klar erkennbar sind. Das gilt besonders für den v. Jeinsen, S. 271; Geiger, Verbundgruppen, S. 122. Bechtold, GRUR 2012, 107, 109. 49  S. o. § 4 A. II. 1. a) bb) und § 4 E. III. 1. 50  Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, VO (EU) 1217/2010, Art. 7, Rn. 1. 51  S. o. § 4 A. II. 1. b) cc). 47  Vgl. 48  Vgl.

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§ 5 Entwurf eines Analysemodells

Vorwurf der Kartellrechtswidrigkeit. Dieser muss sich auf ökonomische Gründe stützen, die nachvollziehbar sind und einen klaren Kausalzusammenhang zwischen der Wettbewerbsbeschränkung und den Auswirkungen aufweisen. Das ist gerade bei dynamischen Prozessen nur sehr schwer möglich. Angesichts dessen ist es bedenklich, Innovations-, Auswahl- und Qualitätsrückgänge als maßgebliches Fundament wettbewerbsbeschränkender Wirkungen anzunehmen. Zwar ist es prinzipiell zu befürworten, wenn die Auswirkungen von Einkaufsvereinbarungen nicht nur durch statische Betrachtungen (d. h. überwiegend Preisveränderungen) bewertet werden, sondern auch die Wirkungen auf den dynamischen Prozess des Wettbewerbs berücksichtigt werden sollen. Denn diese sind zweifellos für den Wettbewerbsprozess relevant und prägend52. Allerdings sind die Ursachen von Innovations-, Auswahl- und Qualitätsverlusten zu ungewiss, als dass ein Kausalzusammmenhang zwischen ihnen und einer erhöhten Nachfragemacht nachgewiesen werden könnte. Im Gegenteil: Nachfragemacht kann – wie die Ausführungen im zweiten Kapitel gezeigt haben – gerade Anreize zu Innovationen, erhöhter Produktauswahl und zu Qualitätsverbesserungen setzen. Insofern fehlt es an theoretischen wie empirischen Nachweisen. Der Vorwurf nachteiliger Auswirkungen auf Innovation, Auswahl und Qualität ist daher – abseits ganz konkreter Nachweise53 – nicht geeignet, um als typische theory of harm, als Fundament wettbewerbsbeschränkender Wirkungen von Einkaufsvereinbarungen angeführt werden zu können.

II. Treffsicherheit Neben der Rechtssicherheit muss das Modell der Treffsicherheit dienen. 1. Treffsicherheit als Minimierung von Fehlern erster und zweiter Art Das Analysemodell muss Fehler erster und zweiter Art auf ein Minimum reduzieren. Unter einem Fehler erster Art (Typ-I-Fehler = false positives54) ist die Sanktion eines tatsächlich für den Wettbewerb vorteilhaften unterBishop/Walker, 2-036. dazu näher auf der Mikroebene unter § 5 C. III. 1. 54  Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 15; ders., ZWeR 2011, 15, 18; I. Schmidt/Haucap, S. 178. 52  Vgl.

53  Siehe



B. Makroebene: Rechtssicherheit, Treffsicherheit u. Handhabbarkeit375

nehmerischen Verhaltens zu verstehen55 (over-enforcement), hier also ein Verbot einer Einkaufskooperation mit insgesamt positiver Wirkung. Demgegenüber liegt ein Fehler zweiter Art bei Nichtverfolgung eines tatsächlichen Rechtsverstoßes bzw. bei Erlaubnis eines wettbewerbsschädlichen Verhaltens (Typ-II-Fehler = false negatives56) vor, hier also beim Nichteinschreiten gegen ein Nachfragekartell bzw. eine Einkaufskooperation mit negativen Wirkungen auf den Wettbewerb (under-enforcement). a) Verhältnis von Typ-I- und Typ-II-Fehlern Dabei bedingen sich beide Fehlerarten gegenseitig: ein Weniger an Fehlern erster Art führt zu mehr Fehlern zweiter Art und vice versa. Wird ein strengeres oder gar ein per se-Verbot eingeführt, ist die Gefahr für Typ-I-Fehler hoch, die Gefahr für Typ-II-Fehler dagegen niedrig. Wird hingegen ein lockereres Modell gewählt, das auf den Einzelfall abstellt, verhält es sich diametral: die Gefahr von Typ-I-Fehlern ist niedrig, die Gefahr von Typ-II-Fehlern dagegen hoch. Ein ausgewogenes Modell muss es sich zum Ziel machen, die Zahl der Typ-I- und Typ-II-Fehler möglichst gering zu halten57. Da sich overund under-enforcement jedoch gegenseitig bedingen, sollte das Modell von vorn­herein eine Präferenz zugunsten eines der Fehler haben. Deshalb ist zu fragen: Haben Typ-II-Fehler dasselbe Gewicht wie Typ-I-Fehler?58 b) Präferenz für Typ-II-Fehler Unabhängig von der Fallkonstellation werden die negativen Folgen von Typ-II-Fehlern teilweise mit dem Argument bagatellisiert, dass sich der Markt langfristig selbst korrigieren werde. Denn wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, die nicht verfolgt werden und zu höheren Preisen führen, würden Anreize für Marktneuzugänge schaffen und können insofern nur schädlich sein, wenn hohe Marktzugangsschranken bestehen59. Typ-I-Fehler führten dagegen zu schlimmeren, da durch die Marktkräfte nicht korrigierbaren Folgen: Durch die überschießenden Verbote würden ineffiziente Wettbe55  Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 15; I. Schmidt/Haucap, S. 178; Haucap, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 114 (2007), S. 12, 12; Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 38 ff. (1991); Devlin, 3 Hastings Bus. L. J. 223, 226 (2007). 56  Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 15; ders., ZWeR 2011, 15, 18; I. Schmidt/Haucap, S. 178. 57  v. Jeinsen, S. 57. 58  Vgl. Wurmnest, S.  252 ff.; kritisch Devlin/Jacobs, 52 Wm & Mary L. Rev. 75, 79 ff. (2010). 59  Easterbrook, 63 Tex. L. Rev. 1, 2 (1984); Wurmnest, S. 253.

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§ 5 Entwurf eines Analysemodells

werber künstlich am Leben erhalten60. Daher sollte das Recht versuchen, eher auf der Seite der Nicht­­­verfolgung zu irren. Mit Bezug auf die konkrete Fallkonstellation der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen und der von diesen ausgehenden Nachfragemacht hat die ökonomische Analyse im zweiten Kapitel die grundsätzlich positive Wirkung von Einkaufskooperationen belegt. Die Wahrscheinlichkeit von Typ-I-Fehlern ist dadurch ungleich größer. Dies entspricht der allgemeinen Theorie von Easterbrook. Auf Einkaufskooperationen angewendet bedeutet dies: Bei Einkaufskooperationen sind Typ-II-Fehler eher hinnehmbar als Typ-I-Fehler. Es ist schlimmer, Einkaufskooperationen zu verbieten, obwohl sie nicht schädlich sind als nicht gegen Einkaufskooperationen einzuschreiten, die schädlich sind. Damit erweist sich der Grundansatz der Horizontalleitlinien, einen safe harbour für Einkaufskooperationen zu etablieren, als durchaus sinnvoll. Er ist jedoch unter dieser Annahme mit 15 % noch zu niedrig angesetzt61. Dies führt dazu, dass eine Laissez-faire-Bewertungspolitik einer allzu restriktiven Verbotspolitik vorzuziehen ist. Übertragen auf die vorliegende Situation ist zu beachten, dass Unternehmen ihre Kooperation im Zweifel allzu vorsichtig anlegen werden, aus der Gefahr heraus, dass sie von Kartellbehörden für kartellrechtswidrig erklärt werden und sie Restriktionen erfahren. Dadurch können große Effizienzvorteile wegfallen, wenn die Kooperation nicht das optimale Ergebnis erreicht. Unternehmen sollen bis an die Grenzen des kartellrechtlich Zulässigen gehen können, denn das dürfte in vielen Fällen die größten positiven Effekte mit sich bringen. Diesen chilling effect gilt es zu vermeiden62. 2. Treffsicherheit und differenzierte Regelungen Die Treffgenauigkeit einer Regel nimmt ab, je einfacher sie strukturiert ist63. Demgegenüber wird eine höhere Treffsicherheit durch ein möglichst differenziertes Modell mit zahlreichen Faktoren und Kriterien erreicht. So führt etwa eine Fokussierung auf den Marktanteil als einziges Marktstrukturkriterium zu einer starken Simplifizierung64, erleichtert aber andererseits die 60  Vgl. BKartA, Hintergrundpapier, Die Zukunft der Missbrauchsaufsicht in einem ökonomisierten Wettbewerbsrecht, S. 5; Apel, S. 107. 61  Siehe zu dieser Kritik bereits oben unter § 4 A. II. 1. b) und zur Bestimmung einer geeigneteren Höhe unten § 5 C. II. 2. 62  Zum Begriff s. o. § 3 A. IV. 63  Vgl. Budzinski, in: FS Eickhof, S. 15, 21; Wurmnest, S. 245. 64  In Bezug auf die TT-GVO vgl. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, EG, VO Nr. 772/2004, Rn. 196.



B. Makroebene: Rechtssicherheit, Treffsicherheit u. Handhabbarkeit377

Handhabbarkeit65. Je differenzierter die Regelungen und je zahlreicher die zu ermittelnden Parameter, desto höher sind die Regulierungskosten, d. h. die Kosten der Unternehmen im Rahmen ihrer Selbstbewertung, aber auch die Kontrollkosten durch Behörden66. 3. Konsequenzen für die Modellbildung Im Folgenden werden Lösungsvorschläge unterbreitet, die zu erhöhter Treffsicherheit führen. Wie schon im letzten Abschnitt zur Rechtssicherheit erläutert, sind diese Vorschläge auf der vorliegenden Makroebene noch weitgehend abstrakt gehalten. Sie müssen sich erst durch Analyse der Wechselwirkungen mit den anderen Zielen der Rechtssicherheit und Handhabbarkeit bewähren67 und werden erst auf der Mikroebene konkretisiert68. a) Anhebung der Marktanteilsschwelle (T1) Eine solche positive Bewertung von Einkaufskooperationen mit einer Präferenz für Typ-II-Fehler könnte durch eine Heraufsetzung des safe harbour verwirklicht werden. Voraussetzung ist aber, dass dies auch mit den Zielen der Rechtssicherheit und Handhabbarkeit übereinstimmt. Bei welcher Höhe genau ein solcher safe harbour liegen sollte, wird auf der Mikroebene beantwortet69. b) Differenzierteres Bewertungssystem durch Einführung weiterer Kriterien (T2 und T3) Wie ausgeführt, steigt die Treffsicherheit mit zunehmender Differenzierung des Bewertungssystems. Neben der reinen Fokussierung auf Marktanteile mag es daher sinnvoll sein, noch weitere Faktoren zu berücksichtigen. Allerdings gilt auch, dass eine differenziertere Bewertung die Handhabbarkeit für Unternehmen wie auch für Wettbewerbsbehörden erschweren könnte. Dem wird im vierten Abschnitt nachgegangen. Die Analyse im zweiten Kapitel hat gezeigt, welche Faktoren für eine treffsichere Analyse der Wirkungen von Einkaufskooperationen zu berücksichtigen sind. Zum einen sind dies die speziellen Voraussetzungen, in denen das Monopson-Modell einschlägig ist70 (T2). diesen Wechselwirkungen siehe sogleich in § 5 B. IV.; Hellwig, S. 17. S. 114; A. Christiansen/Kerber, JCLE 2006, 215, 232. 67  Siehe dazu Abschnitt § 5 B. IV. 68  Siehe dazu § 5 C. 69  S.u. § 5 C. II. 2. 70  S. o. § 2 A. II. 2. b) aa). 65  Zu

66  Höft,

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§ 5 Entwurf eines Analysemodells

Zum anderen sind statt bloßer Marktanteile, insbesondere die aus den Fusionskontrollfällen der Kommission71 bekannten relativen Abhängigkeiten zwischen Lieferanten und Einkaufskooperation relevant, wie oben im Rahmen der Entscheidung für den Schutz der Anbieter und gegen den Konsumentenwohlfahrtstandard bereits ausgeführt wurde. Ein Umsatzanteil des Lieferanten von über 22 % ist dabei ein starkes Indiz für Nachfragemacht (T3).

III. Handhabbarkeit Als drittes Kriterium tritt die Handhabbarkeit neben Treff- und Rechtssicherheit72. 1. Bedeutung Das ausgeklügeltste und damit rechtssicherste System macht ebenso wie das differenzierteste und damit treffsicherste System praktisch keinen Sinn, wenn es an der Handhabbarkeit mangelt. Es bleibt reines „law in the books“ ohne Wirkung nach außen. Deshalb müssen bei der Ausgestaltung sinnvoller Bewertungskriterien auch die Implementierungskosten berücksichtigt werden. Denn Kartellbehörden haben nur begrenzte Ressourcen, um Wettbewerbsverstöße aufzuklären und Zusammenschlüsse zu prüfen. Ebenso fördert eine Entlastung der Gerichte die Effektivität des Rechtsstaates73. Letztlich dürfen zu hohe Implementierungskosten nicht zu Hürden werden, die Unternehmen Anreize nehmen, wettbewerbskonforme Kooperation zu bilden. Daher darf es nicht nur das Anliegen kartellrechtlicher Regelungen sein, die Auswirkungen möglichst genau bestimmen zu können, sondern es muss auch ohne allzu aufwendige Prozedur zu realisieren sein. Das gilt im System der Legalausnahme erst Recht für die sich selbst bewertenden Unternehmen. 2. Adressaten der Handhabbarkeit Insoweit lässt sich die Handhabbarkeit mit Blick auf zwei Anwender hin unterscheiden: erstens die Handhabbarkeit für Unternehmen und zweitens die Handhabbarkeit für Kartellbehörde und Gerichte. 71  S. o.

§ 3 E. I. 2. b).

72  Jacobson/Dorman,

36 Antitrust Bull. 1, 38 ff. (1991); in der Terminologie von Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 74 „Zweckmäßigkeit“, vgl. Wurmnest, S.  242 f.; Behrens, § 9, Rn. 365. 73  Vgl. in Bezug auf die amerikanischen Wettbewerbsbehörden Blair/Harrison, 86 Northwestern U. L. R. 331, 356 (1992).



B. Makroebene: Rechtssicherheit, Treffsicherheit u. Handhabbarkeit379

a) Handhabbarkeit für Unternehmen Für die Unternehmen ist es von Bedeutung, dass sie die kartellrechtlichen Regelungen auf ihren jeweiligen Einzelfall ohne größere Schwierigkeiten anwenden können. Dabei führt die Festsetzung bestimmter Grenzwerte gegen­über einer Einzelfallprüfung zu einer erleichterten Handhabbarkeit74. Auch die Anzahl der zu prüfenden Kriterien hat Auswirkung auf die Handhabbarkeit75. Je mehr Kriterien die Unternehmen zu beachten haben, umso aufwendiger wird die Datenbeschaffung und umso komplizierter wird die Anwendung und Abwägung zwischen den einzelnen Kriterien, was wiederum negative Wirkung auf die Rechtssicherheit hat. Beispielsweise setzt sich das Merkmal „Marktanteil“ wiederum aus zwei komplexen Ermittlungsschritten zusammen: (i) der Marktabgrenzung, die in zahlreichen Fällen mangels Rechtsprechung oder Kommissionspraxis konturlos ist76 und (ii) der Bestimmung des gesamten Marktvolumens. Während es in bedeutsamen Industrien Statistiken gibt, fehlen sie in kleineren speziellen und neuen Märkten oder sind zu ungenau in dynamischen Märkten. Demgegenüber ist der dritte Ermittlungsschritt problemlos möglich. Die Bestimmung des eigenen Marktanteils fällt, sobald man die ersten beiden Schritte vollzogen hat, leicht, da die Umsätze dem Unternehmen bekannt sind. Darum gilt es, mit Kriterien zu arbeiten, die sich jedenfalls nicht schwerer, idealerweise aber leichter ermitteln lassen. Zudem sollte mit Marktstrukturkriterien möglichst zurückhaltend umgegangen werden. Denn eine Gruppenfreistellungsverordnung dient gerade dazu, eine Freistellung gegenüber der Freistellungsgeneralklausel zu vereinfachen. Weist sie hingegen nahezu oder gar ebenso viele Marktstrukturkriterien auf, wie für eine Bewertung anhand von Art. 101 Abs. 3 AEUV nötig ist, wird der Unterschied nivelliert77 und der Zweck verfehlt. b) Handhabbarkeit für Kartellbehörden und Gerichte Für die Kartellbehörden, aber auch für Gerichte spielt die Handhabbarkeit insbesondere mit Blick auf ihre Arbeitsfähigkeit eine große Rolle. Das Kartellrecht muss schnell durchgesetzt werden können, sodass Behörden und 74  In Bezug auf die FKVO Immenga/Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 3 FKVO, Rn. 32. 75  In Bezug auf die TT-GVO vgl. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, EG, VO Nr. 772/2004, Rn. 196. 76  Zu den Schwierigkeiten siehe schon oben § 4 A. II. 1. a) aa). 77  In Bezug auf die TT-GVO vgl. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, EG, VO Nr. 772/2004, Rn. 196.

380

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

Gerichte arbeitsfähig bleiben78. Allerdings dürfte die Handhabbarkeit für die Anwendung durch Gerichte eine eher untergeordnete Rolle spielen, da Rechts- und Treffsicherheit diesbezüglich Vorrang haben. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Rechtsstaatsprinzip. Letztlich behindern unscharfe Begrifflichkeiten und eine ungenaue Dogmatik die Handhabbarkeit für beide Akteure. 3. Konsequenzen für die Modellbildung Im Folgenden werden Lösungsvorschläge vorgestellt, die zu erhöhter Handhabbarkeit führen79. a) Einfache Kriterien (H1) Die Schwierigkeiten bei der Überprüfung zahlreicher regionaler Märkte geben Anlass für eine handhabbarere vereinfachte Marktanalyse bei geringfügigen Überlappungen räumlicher Absatzmärkte der Kooperationsmitglieder80. b) Graubereiche klären (H2) Für eine erleichterte Handhabbarkeit und gleichzeitig eine erhöhte Rechtssicherheit bietet es sich an, Fallbeispiele zu bilden und die Beispiele der Kommission, die bisher nur die unproblematischen Randbereiche des gemeinsamen Einkaufs erfassen, zu erweitern. Dabei sollten gerade die „Graubereiche“, die Grenzfälle kartellrechtlicher Bewertung, näher beleuchtet werden81. Wie detaillierte Beispiele aussehen können, wird auf der Mikroebene erläutert82. c) Sinnvolle Beweislastverteilung und sinnvoller Beweismaßstab (H3) Eng mit der Handhabbarkeit verwoben ist die Frage nach der Beweislastverteilung. Sie verschiebt die Handhabbarkeit zwischen den Akteuren und 78  Wurmnest,

S. 256. gilt, dass diese Vorschläge auf der vorliegenden Makroebene noch weitgehend abstrakt gehalten sind. Sie müssen sich erst durch Analyse der Wechselwirkungen mit den anderen Zielen der Rechtssicherheit und Treffsicherheit bewähren (siehe dazu Abschnitt § 5 B. IV. 3.). Erst auf der Mikroebene werden die abstrakten Verbesserungsvorschläge konkretisiert (siehe dazu § 5 C.). 80  S.u. § 5 B. IV. 3. b). 81  Siehe dazu die Kritik an den bisherigen Beispielsfällen unter § 4 A. II. 2. 82  S.u. § 5 C. III. 3. 79  Wiederum



B. Makroebene: Rechtssicherheit, Treffsicherheit u. Handhabbarkeit381

kann sie für die Unternehmens- oder für die Behördenseite erleichtern bzw. erschweren. Dabei kann an der maßgeblichen Beweislastverteilung, wie sie durch Art. 2 VO Nr. 1/2003 zum Ausdruck kommt, nichts verändert werden. Zudem entsprechen sie dem richtigen Grundprinzip, wonach stets jeweils derjenige die Tatsachen zu beweisen hat, die für ihn günstig sind83. Durch eine GVO könnten aber Prüfungskriterien geschaffen werden, deren Beweißmaßstäbe nicht derart streng sind wie die Kommission sie für die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV anlegt84. Es lohnt sich daher, auf der Mikroebene der Frage näher nachzugehen, ob Beweislast und Beweismaßstab in der derzeitigen Form für die Bewertung von Einkaufskooperationen optimal verteilt sind und die optimale Höhe aufweisen oder ob und wenn ja wie sie zu modifizieren sind.

IV. Die Wechselwirkungen der Ziele Rechtssicherheit, Treffsicherheit und Handhabbarkeit beeinflussen sich gegenseitig. Die Spannungsverhältnisse zwischen ihnen zeigte bereits Radbruch auf, der sie als Antinomien des Rechts bezeichnete85. Aus einem Mehr an Rechtssicherheit kann etwa ein Weniger an Handhabbarkeit folgen. Treffsicherheit kann mit Rechtssicherheit, aber auch mit der Handhabbarkeit kollidieren. Entscheidend ist dabei, dass nie eine vollständige Verdrängung erfolgt, sondern eine praktische Konkordanz hergestellt wird. Zwei verschiedene Ziele können in drei Beziehungen zueinander stehen: (1.) Zielharmonie; (2.) Zielneutralität und (3.) Zielkonflikt86. 1. Zielharmonie Erstrebenswert ist stets eine Zielharmonie, d. h. die Verfolgung des einen Ziels kommt auch dem anderen zugute87. Eine derartige Zielharmonie findet sich bei den oben genannten Vorschlägen für ein Analysemodell beispielsweise zwischen Rechtssicherheit, Treffsicherheit und Handhabbarkeit, wenn es um die Klärung von „Graubereichen“ anhand von Beispielsfällen geht (H2) oder zwischen Handhabbarkeit und Rechtssicherheit, wenn es um die Erhöhung der Marktanteilsschwellen geht (T1), denn ein höherer safe harbour nivelliert Ungewissheiten bei der Marktabgrenzung und der Bestim83  S.u.

§ 5 C. III. 2. § 3 B. III. 85  Radbruch, S. 72 ff.; aus kartellrechtlicher Sicht vgl. Wurmnest, S.  242 ff. 86  Mathis, S. 188. 87  Mathis, S. 188. 84  S. o.

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mung der Marktanteile und erhöht damit die Handhabbarkeit für die sich selbst bewertenden Unternehmen. Zugleich erhöht sich durch einen höheren safe harbour die Rechtssicherheit für Unternehmen, gerade wenn die Marktanteile schwanken. 2. Zielneutralität Bei der Zielneutralität beeinflusst die Verfolgung des einen Ziels das andere Ziel nicht88. Ein solcher Effekt dürfte sich bei der Einführung der GVO stellen (R1): Die Schaffung einer Gruppenfreistellungsverordnung hat positive Effekte für die Rechtssicherheit. Die Auswirkungen auf die Treffsicherheit und die Handhabbarkeit sind hingegen neutral. Es ist allenfalls zu erwarten, dass sie durch zu abstrakte Regelungen nicht jeden Einzelfall besser erfassen kann, als es ein Gericht bei einer anschließenden Prüfung hätte erfassen können, bei der es nicht an Leitlinien, wohl aber an die GVO gebunden ist. Dies würde dann mit der Treffsicherheit kollidieren. Die Berücksichtigung des Monopson-Modells verbessert die Treffsicherheit wie oben dargestellt (T2), zudem führt sie durch eine konkrete Regelung zu einer erhöhten Rechtssicherheit. Gegenüber der Handhabbarkeit sollte sie sich neutral verhalten. Einerseits erhöhen weitere Prüfungsvoraussetzungen den Prüfungsaufwand für Unternehmen und Behörden, andererseits lassen sich die Voraussetzungen des Monopson-Modells relativ leicht ermitteln89. 3. Zielkonflikte Einer Lösung müssen die Zielkonflikte zugeführt werden, die in den folgenden drei Konstellationen auftreten können: a) Treffsicherheit zu Handhabbarkeit Treffsicherheit und Handhabbarkeit kollidieren bei der Frage nach dem sinnvollen Grad der Differenzierung einer Regelung. Die Treffgenauigkeit einer Regel nimmt ab, je einfacher sie strukturiert ist90. Demgegenüber wird eine höhere Treffsicherheit durch ein möglichst differenziertes Modell mit zahlreichen Faktoren und Kriterien erreicht. Allerdings ist ein zu differenziertes Modell nicht mehr handhabbar. Je genauer die Kriterien sind, umso schwerer ist es, alle erforderlichen Kriterien zu ermitteln und umso 88  Mathis,

S.  188 m. w. N. zu den Voraussetzungen oben § 2 A. II. 2. b) aa). 90  Wurmnest, S. 267. 89  Siehe



B. Makroebene: Rechtssicherheit, Treffsicherheit u. Handhabbarkeit383

höher sind die entstehenden Ermittlungskosten91. Vorliegend führt etwa eine Fokussierung auf den Marktanteil als einziges Marktstrukturkriterium zu einer Simplifizierung, die der Treffsicherheit abträglich92, der Handhabbarkeit aber förderlicher ist, als wenn zahlreiche weitere Faktoren ermittelt werden müssten. Aber auch hier gilt es zu beachten: Auch wenn die Regelung noch so differenziert ist, kann sie sich an das richtige Ergebnis nur herantasten. Sie wird entweder lückenhaft sein und damit wohlfahrtsschädliche Verhaltensweisen nicht abdecken oder zu weitreichend sein und wohlfahrtssteigernde Verhaltensweisen erfassen93. Oder sie wird trotz weitreichender Spezifizierung doch durch kreative Gestaltungsmöglichkeiten umgangen werden können94 – ein Verhalten, das sich oftmals im Steuerrecht zeigt, in dem trotz oder gerade wegen extrem detaillierter Regelungen Umgehungsmöglichkeiten bzw. Schlupflöcher auftauchen und genutzt werden bis der Gesetzgeber sie schließt95. Zudem kann eine erhöhte Komplexität zu mehr anwendungsbezogenen Irrtümern führen96. Insoweit ist zu bedenken, dass eine zunehmende Komplexität, welche die Treffsicherheit eigentlich verbessern soll, auch in ihr Gegenteil verkehrt werden kann. Nämlich dann, wenn die sich selbst bewertenden Unternehmen, aber auch die Wettbewerbsbehörden und Gerichte die zu komplexen Regeln falsch anwenden. Insgesamt bedeutet dies, dass die Gleichung „je detaillierter die Regelung, desto gerechter beurteilte Sachverhalte“ nicht immer aufgeht. Vielmehr nimmt der Nutzen mit zunehmender Komplexität ab97. Insoweit kann es sinnvoll sein, die rechtliche Bewertung von nur einem Merkmal, etwa dem Marktanteil, abhängig zu machen. Daraus ist zu schlussfolgern, dass eine weitere Differenzierung durch Implementierung weiterer Kriterien behutsam „mit Augenmaß“ erfolgen muss, nicht aber bis ins Extreme hinein, verfolgt werden darf. Der Zielkonflikt zwischen Treffsicherheit und Handhabbarkeit erfordert daher stets eine gewisse Komplexitätsreduzierung98. 91  Budzinski, in: FS Eickhof, S. 15, 22; A. Christiansen/Kerber, JCLE 2006, 215, 232; Kerber, in: FS Möschel, S. 341, 349. 92  In Bezug auf die TT-GVO vgl. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, EG, VO Nr. 772/2004, Rn. 196. 93  Höft, S. 110. 94  Höft, S. 110. 95  Zum Zielkonflikt zwischen Treffsicherheit und Handhabbarkeit am Beispiel des Steuerrecht vgl. auch I. Schmidt, in: FS Bechtold, S. 409, 411. 96  Höft, S. 110. 97  Höft, S. 110. 98  Dreher, WuW 2008, 23, 23; I. Schmidt, in: FS Bechtold, S. 409, 411 f.; See­ hafer, WuW 2009, 728, 732; Hertfelder, S. 194.

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§ 5 Entwurf eines Analysemodells

Auf der Suche nach dem exakten Grad sinnvoller Differenzierung werden in der ökonomischen Literatur folgende Abwägungsregelungen aufgestellt: Es müssen die durch das einfache Verfahren zu sparenden Kosten mit den Kosten einer Fehlentscheidung verglichen werden (sog. error cost approach)99. Am sinnvollsten ist insoweit nicht das treffsicherste Modell, sondern dasjenige, das die „Summe aus Fehler- und Implementierungskosten minimiert“100. Auf dieser theoretischen Grundlage wird auf der Mikroebene den Fragen nachgegangen: (1) Ist ein safe harbour das Modell, das bei Abwägung der Handhabbarkeit und Treffsicherheit gegenüber alternativen Modellen zur Bestimmung der Wirkungen von Einkaufskooperationen, insbesondere der von ihnen ausgehenden Nachfragemacht, geeignet ist?101 Insoweit werden sich die auf der Mikroebene vorgeschlagenen Methoden an der Schwierigkeit der Ermittlung von Marktanteilen messen lassen müssen102. (2) Wenn dem so ist, welche Höhe sollte der safe harbour idealerweise haben, um die Zielkonflikte zwischen Treffsicherheit und Handhabbarkeit, aber gleichzeitig auch der Rechtssicherheit zu minimieren?103 (3) Sind weitere Kriterien zu ergänzen, die ein Mehr an Treffsicherheit schaffen, das nicht durch ein Weniger an Handhabbarkeit nivelliert wird?104 b) Treffsicherheit zu Rechtssicherheit Ein Zielkonflikt zwischen Treffsicherheit und Rechtssicherheit liegt mit Regelungsvorschlag R2, der Schaffung eines zeitlichen safe harbour, vor. Er fördert sowohl die Rechtssicherheit als auch die Handhabbarkeit für die Unternehmen. Die Treffsicherheit wird allerdings in Konstellationen gefährdet, in denen die Marktmacht im abgesicherten Zeitraum extrem wächst. Diese Ungerechtigkeit, die möglicherweise Lieferanten, Konkurrenten oder Verbrauchern schaden könnte, gilt es, mit den Vorteilen erhöhter Planungssicherheit für die kooperierenden Unternehmen in Einklang zu bringen. Daher wird auf der Mikroebene – in Anlehnung an Toleranzklauseln in bestehenden GVOs – nach einer optimalen Dauer und Weite der Toleranzklausel gesucht105. 99  Devlin, 3 Hastings Bus. L. J. 223, 226 (2007); Kerber, in: FS Möschel, S. 341, 348 f. m. w. N. 100  Ewald, ZWeR 2011, 15, 18; Kerber, in: FS Möschel, S. 348 f. m. w. N.; v. Jeinsen, S. 57; Apel, S. 107. 101  S.u. § 5 C. II. 1. 102  S.u. § 4 A. II. 1. a) aa). 103  S.u. § 5 C. II. 2. 104  S.u. § 5 C. II. 3. 105  S.u. § 5 C. II. 3. a).



B. Makroebene: Rechtssicherheit, Treffsicherheit u. Handhabbarkeit385

Entsprechendes gilt für den Regelungsvorschlag H1, der eine vereinfachte räumliche Marktabgrenzungen bei nur geringfügigen Überlappungen der Kooperationsmitglieder zulassen will. Ein Zielkonflikt besteht auch beim Regelungsvorschlag T1, der Erhöhung der Marktanteilsschwelle des safe harbour. Umso weitreichender der safe harbour ist, umso größer ist die Handhabbarkeit und Rechtssicherheit für die sich selbstbewertenden Unternehmen, denn er nivelliert Ungewissheiten bei der Marktabgrenzung und der Bestimmung der Marktanteile und erhöht damit die Handhabbarkeit für die sich selbst bewertenden Unternehmen. Zugleich erhöht sich durch einen höheren safe harbour die Rechtssicherheit, gerade wenn die Marktanteile schwanken. Die Kehrseite besteht darin, dass Gerichten und Kartellbehörden durch den safe harbour die Möglichkeit einer detaillierteren Prüfung im Einzelfall genommen wird. Dies ist jedoch nach den im zweiten Kapitel herausgearbeiteten grundsätzlich positiven Wirkungen von Einkaufskooperationen bis zu einem gewissen Grad hinzunehmen. Auch kann sie dadurch dezimiert werden, dass die Treffsicherheit im nächsten Schritt, etwa durch Schaffung weiterer Kriterien oder durch Ausnahmevorschriften zum safe harbour wiederum differenzierter ausgestaltet wird. Nach der hier aufgestellten These sollte zur Vermeidung eines chilling effects die Marktanteilsschwelle heraufgesetzt werden. Auf welchen Betrag genau, wird auf der Mikroebene näher analysiert106. c) Rechtssicherheit zu Handhabbarkeit Rechtssicherheit und Handhabbarkeit gehen zumeist Hand in Hand und überlappen sich in großem Maße, solange sie sich auf dieselben Akteure beziehen. So führt beispielsweise ein System der Einzelfreistellung zu mehr Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen, erhöht aber deutlich den Verwaltungsaufwand für die Wettbewerbsbehörden. Entsprechend führt ein Mehr an Handreichungen durch die Wettbewerbsbehörden (etwa in Form von comfort letter) zu einer erhöhten Rechtssicherheit für die Unternehmen und einer erschwerten Handhabbarkeit der Wettbewerbsbehörden. Vorliegend sind derartige Konflikte zu berücksichtigen, wenn es um die oben vorgeschlagene Modifizierung der Beweislastverteilung oder des Beweismaßstabes geht. Diese ist momentan zugunsten der Kommission und zulasten der sich selbstbewertenden Unternehmen ausgestaltet, da Letztere ihre Einkaufskooperationen oftmals anhand von Art. 101 Abs. 3 AEUV überprüfen müssen, für deren Voraussetzungen sie die Beweislast tragen. Sollten die Beweislastverteilung oder der Beweismaßstab modifiziert werden, würde 106  S.u.

§ 5 C. II. 2.

386

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

sich die Rechtssicherheit für die Unternehmen erhöhen. Die Ermittlungen der Kommission würden dadurch allerdings erschwert werden. Insbesondere stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob nicht das Unternehmen als Gründer der Kooperation am sachnächsten involviert und über die durch die Einkaufskooperation erzielten Effizienzen am besten informiert ist. Dann dürfte es gegenüber der Kommission „least-cost-avoider“ sein, sodass die Beweislast richtig verteilt ist. Darüber hinaus ist die Ausgestaltung der Beweislastverteilung und des Beweismaßstabes davon abhängig, ob der Vermeidung von Typ-I-Fehlern oder der Vermeidung von Typ-II-Fehlern größeres Gewicht zugemessen wird107. Wird – wie hier mit Blick auf die grundsätzlich positiven und eher unklaren negativen Wirkungen von Einkaufskooperationen – die Vermeidung eines over-enforcements höher gewichtet, so sollten die Beweislast und die Nachweisanforderungen zugunsten der Unternehmen ausgestaltet werden. Diesen Fragen wird auf der Mikroebene näher nachgegangen108. 4. Zwischenergebnis Die Bewertung der Lösungsmöglichkeiten im Rahmen der Wechselwirkungen ergibt damit folgendes Bild, das als Ausgangspunkt für eine sachgerechte spezifische Ausgestaltung auf der Mikroebene dient: (1) Rechts­sicherheit

(2) Treffsicherheit

(3) Handhabbarkeit

(R1)  Schaffung einer GVO

+

0/–

0/+

(R2)  Schaffung eines zeitlichen safe harbour

+



+

(R3)  Innovations-, Auswahl und Qualitätsverluste als theory of harm von Einkaufskooperationen abschaffen

+



+

(T1)  Erhöhung der Marktanteils­ schwellen

+

Grds. – These hier: +

+

(T2)  Einführung von Kriterien zum Monopson-Modell

+

+

0

107  Vgl. 108  S.u.

Ewald, in: Wiedemann, HdbKartellR, § 7, Rn. 15. § 5 C. III. 2.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung387 (1) Rechts­sicherheit

(2) Treffsicherheit

(3) Handhabbarkeit

(T3)  Einführung des relativen Umsatzanteils zur Berücksichtigung von Abhängigkeiten zwischen Einkaufskooperation und Lieferanten



+



(H1)  Vereinfachte Marktanalyse bei geringfügigen Überlappungen räum­ licher Absatzmärkte der Kooperationsmitglieder

+



+

(H2)  Graubereiche durch Fallbeispiele klären

+

+

+

(H3)  Modifizierte Beweislastverteilung und Beweismaßstab zugunsten von Einkaufskooperationen?

+

+/–

+ (Unternehmen)/ – (Komm.)

Abbildung 13: Übersicht zu den Wechselwirkungen der Ziele

C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung Die im vierten Kapitel aufgeworfene Kritik an den Horizontalleitlinien der Kommission, namentlich an deren Rechtsnatur, System und Kriterien sowie ihrer Dogmatik, bildet den Ausgangspunkt für Verbesserungsvorschläge zu einer gerechteren wie sinnvolleren kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen. Nimmt die Suche im bestehenden System der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen ihren Ausgangspunkt, so gilt als Maxime: „Wer die Veränderung des status quo anstrebt, trägt für deren Nutzen oder Notwendigkeit die Beweislast“109. Ein neues Modell lässt sich nur rechtfertigen, wenn bei Abwägung der Vor- und Nachteile die Vorteile deutlich überwiegen110. Diese Vorteile können sich wiederum mit Blick auf eine höhere Treffsicherheit, Rechtssicherheit und Handhabbarkeit ergeben.

109  Pfeiffer, RW 2010, 104, 112; vgl. zur Anknüpfung an bestehendes Recht B. Mertens, S.  33 ff. 110  Schmidtchen, WuW 2006, 6, 13 führt diesen Gedanken treffend aus: „Es wäre töricht, den historisch überlieferten Körper des Wettbewerbsrechts bei der Konzipierung der Neuen Wettbewerbspolitik über Bord zu werfen, denn es gehört zu den Aufgaben des Rechts, eine Beständigkeit in der Zeit zu bewahren.“

388

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

I. Rechtsnatur der Horizontalleitlinien und Rechtssicherheit: Schaffung einer Horizontal-GVO mit Regelungen zu Einkaufskooperationen Es wurde aufgezeigt, dass die Horizontalleitlinien aufgrund ihrer Rechtsnatur als bloße Leitlinien keine ausreichende Bindungswirkung haben111 und dies zu Rechtsunsicherheiten führt112. Um die Rechtsunsicherheit der kartellrechtlichen Behandlung von Einkaufskooperationen zu beseitigen, könnte eine Gruppenfreistellungsverordnung für horizontale Vereinbarungen (Horizontal-GVO) inklusive Regelungen zum gemeinsamen Einkauf oder eine eigenständige Einkaufs-GVO geschaffen werden, welche die GVOs für F&E- und Spezialisierungsvereinbarungen113 ergänzt114. Der Vorschlag ist nicht neu, er wurde schon vom Europäischen Parlament unterbreitet. Ende 2000 wurde die Kommission dazu aufgefordert, die Horizontalleitlinien „nur als Zwischenschritt für die Entwicklung einer umfassenden Gruppenfreistellungsverordnung für horizontale Wettbewerbsbeschränkungen zu betrachten“115. Das Parlament war „der Auffassung, dass die Vereinbarungen über den gemeinsamen Einkauf und gemeinsamen Vertrieb in eine Gruppenfreistellung gehören“116. Diesen Vorschlag an dieser Stelle aufzugreifen und auf seine Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen, erscheint daher angebracht. 1. Sinnhaftigkeit einer GVO Dabei sind die Vorteile einer solchen Regelung, wie insbesondere eine größere Rechtssicherheit, mit den Nachteilen, etwa der Festsetzung einer Regelung bei unklaren und im Wandel betroffenen ökonomischen Grundlagen, gegeneinander abzuwägen.

111  S. o.

§ 3 C. I. 1. § 4 A. I. 1. 113  Verordnung (EU) Nr. 1217/2010 der Kommission vom 14.12.2010 über die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung (ABl. 2010 L  335/36); Verordnung (EU) Nr. 1218/2010 der Kommission vom 14.12.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen, ABl. 2010 L 335/43. 114  Zu diesem Lösungsvorschlag vgl. auch schon Mand/Malkus, Stellungnahme, S.  5 f. 115  Entschließung des Europäischen Parlaments, a. a. O. (§ 4, Fn. 39), Rn. 5; vgl. auch Geiger, EuZW 2000, 325, 328; Bueren, WRP 2004, 567, 575. 116  Entschließung des Europäischen Parlaments, a. a. O. (§ 4, Fn. 39), Rn. 3. 112  S. o.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung389

a) Vorteile von Gruppenfreistellungsverordnungen Für die Bewertung von Einkaufskooperationen durch eine GVO statt durch Leitlinien sprechen zahlreiche Gründe: Verbindlichkeit gegenüber Gerichten. Anders als Leitlinien sind GVOs gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 2 EGV) verbindlich gegenüber der Kommission und den Gerichten und Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten. Sie schaffen konkrete und ausdifferenzierte Regeln, die nicht mit dem Stigma einer Verwerfungskompetenz einzelstaatlicher Gerichte belastet sind. Damit tragen sie gleichzeitig zu mehr Rechtssicherheit und einer einheitlichen Rechtsanwendung in der Europäischen Union bei. Erhöhte demokratische Legitimation. Weiterhin spricht für eine GVO ihre gegenüber Leitlinien erhöhte demokratische Legitimation. Anders als die Horizontalleitlinien würde eine Horizontal-GVO auf demokratisch legitimierte Art und Weise eine volle Bindungswirkung entfalten. Die Rechtssicherheit würde dann nur noch um den Unsicherheitsfaktor einer falschen rechtlichen Bewertung117, hingegen nicht mehr um den Faktor uneinheitlicher und daher unvorhersehbarer rechtlicher Rahmenbedingungen beschwert sein. Nationaler Gleichlauf. Als Gruppenfreistellungsverordnung ausgestaltet würde die Horizontal-GVO auch zu einem vollständigen Gleichlauf zwischen europäischem und nationalem Recht führen, denn Gruppenfreistellungsverordnungen sind beispielsweise nach deutschem Recht gem. § 2 Abs. 2 GWB als unmittelbar geltendes Recht zu berücksichtigen. Dies hat den Vorteil einheitlicher Rechtsanwendung im harmonisierten Recht der Wettbewerbsbeschränkungen in Europa.

117  Eine erhöhte demokratische Legitimation führt dabei nicht unweigerlich zu sinnvolleren rechtlichen Entscheidungen. Denn wer trifft bessere Entscheidungen – die ernannten Beamten der Wettbewerbsbehörden als Experten auf ihrem Gebiet oder die gewählten Mitglieder des Rates, die oftmals nach einem gemeinsamen politischen Kompromiss suchen müssen? Dass es dabei zu unterschiedlichen Bewertungen kommen kann, zeigt sich exemplarisch an der unterschiedlichen Bewertung zur Fusionskontrollentscheidung EDEKA/Kaiser’s Tengelmann, die der Bundeswirtschaftsminister entgegen der Entscheidung des BKartA und der Empfehlung der Monopolkommission genehmigt hat. Untersuchungen der sog. public choice theory zeigen auf, dass gewählte Mitglieder eher solche Entscheidungen treffen, die ihnen bei der nächsten Wahl zugutekommen werden und damit zumeist den Mehrheitsinteressen entsprechen. Vorliegend kann die Frage aber dahinstehen, denn im regulären Prozess zum Erlass einer GVO ermächtigt der Rat die Kommission zur Ausgestaltung der GVO (vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 103 AEUV, Rn. 26 m. w. N.).

390

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

b) Geeignetheit von Gruppenfreistellungsverordnungen Weiterhin stellt sich die Frage, ob GVOs überhaupt geeignet sind, die nötigen Regelungen zu Einkaufsvereinbarungen festzuhalten. GVOs und die Dogmatik des Art. 101 AEUV. Die Frage resultiert zunächst aus der fehlenden dogmatischen Trennschärfe zwischen Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV. Daran lässt sich zweifeln, wenn GVOs allein Art. 101 Abs. 3 AEUV konkretisieren können und ein Bedürfnis besteht, Einkaufskooperationen schon auf der Ebene des Verbotstatbestandes des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu behandeln. Materielle Grundlage für Gruppenfreistellungen ist zwar allein Art. 101 Abs. 3 AEUV. Dennoch ist es statthaft, den Anwendungsbereich der GVO auch auf bestimmte Vereinbarungen zu erstrecken, die regelmäßig schon nicht wettbewerbsbeschränkend im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV sind, bei denen dies aber im Einzelfall unklar sein könnte118. Dafür sprechen Gründe der Praktikabilität und der Rechtssicherheit, schließlich sind die Trennlinien zwischen Kartellverbot und Freistellung nicht immer klar. Bessere Belege für diese Aussage als die Horizontalleitlinien sind wohl nur schwer zu finden. Daher hat der EuGH bereits 1966 festgestellt, dass es unschädlich ist, wenn GVOs auch Art. 85 Abs. 1 EWG-Vertrag a. F. (heute Art. 101 Abs. 1 AEUV) umfassen119. Die Aufnahme in eine GVO indiziere insbesondere nicht die Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens. GVOs trotz fehlender Fallpraxis. Ein zweiter Umstand weckt Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer GVO: In einer GVO werden regelmäßig die von der Kommission in Einzelfreistellungsentscheidungen gesammelten und bestenfalls gerichtlich bestätigten Erfahrungen umgesetzt120. Derzeit gibt es jedoch keine aktuellen Entscheidungen zu Einkaufskooperationen auf europäischer Ebene, die als Grundlage für eine GVO dienen könnten. Aber gerade in diesen Fällen besteht ein Bedürfnis an einer GVO, ist eine Handreichung der Wettbewerbsbehörden wichtig. Denn im Unterschied zu Leitlinien kommt einer GVO aus sich selbst heraus eine Legitimationsfunktion zu, auch wenn sie nicht auf Rechtsprechung oder Fallpraxis basiert. Typisierende Fallgestaltungen? Voraussetzung für eine Gruppenfreistellungsverordnung ist, dass es möglich ist, Fallgestaltungen zu systematisieren und nach den gleichen Kriterien zu bewerten. Das wird teilweise bezweifelt, da die Erscheinungsformen des Einkaufs zu groß und eine typisierende Beur118  Fuchs,

119  EuGH,

ZWeR 2005, 1, 25; vgl. Jones/Kovacic, S. 38. Urt. v. 13.7.1966, Rs. 32/65 – Italien/Rat und Kommission, Slg. 1966,

457, 483. 120  Schweizer, S. 264.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung391

teilung daher nicht möglich sei121. Aufgrund dieser Schwierigkeiten sei ein Erlass einer GVO in Zukunft nicht absehbar122. Die obigen Ausführungen zu den Wirkungen von Einkaufskooperationen sind zugegebenermaßen komplex und ihre Ursachen ambivalent. Dasselbe gilt aber auch für Vertikalvereinbarungen, Fusionen, Gemeinschaftsunternehmen, Technologietransfer- und F&E-Vereinbarungen. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum eine Typisierung durch eine GVO gerade bei Einkaufs­ vereinbarungen nicht gelingen sollte, sondern einer Leitlinie überlassen werden muss. Im Ergebnis erweist sich eine Gruppenfreistellungsverordnung, als ein geeignetes Mittel um die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen zu regeln. 2. Hürden im politischen Prozess Die größeren Hürden für den Erlass einer GVO zu Einkaufsvereinbarungen dürften im politischen Entstehungsprozess liegen. Die Kommission selbst hat keine Kompetenz zum Erlass einer GVO zu horizontalen Einkaufsvereinbarungen. Zunächst kommt der Kommission keine Generalermächtigung zum Erlass von GVOs zu. Im Zuge der Beratungen zur VO Nr. 1/2003123 hatte die Kommission zwar den Wunsch nach einer Generalermächtigung zum Erlass von GVOs geäußert, war aber in diesem Punkt an dem einstimmigen Ratsbeschluss zur Verabschiedung der Verordnung gescheitert124. Die Verordnung (EWG) Nr. 2821/71 des Rates vom 20.12.1971 als Ermächtigungsgrundlage zum Erlass entsprechender Gruppenfreistellungsverordnungen deckt nur Normen- und Typen, F&E- und Spezialisierungsvereinbarungen ab125. Die Ermächtigung zum Erlass einer Gruppenfreistellungsverordnung auch für Einkaufskooperationen und weitere horizontale Vereinbarungen wurde jedoch nicht in die Ermächtigungsverordnung des Rates 121  FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 19 m.  w. N.; dem folgend O. Christiansen, S. 191; Wecker, S. 90. 122  Ebd. 123  Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates v. 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1/1. 124  Rabus, S. 163; vgl. Art. 28 des Vorschlags für eine Verordnung des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1017/68, (EWG) Nr. 2988/74, (EWG) Nr. 4056/86 und (EWG) Nr. 375/87 („Durchführungsverordnung zu den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag“), Kom(2000) 582 endg. ABl. 2000 C 365 E/284. 125  Schweizer, S. 264.

392

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

übernommen126, da die Kommission den Vorschlag nach Widerspruch des Parlaments wieder zurückgezogen hatte127. Daher ist erforderlich, dass der Rat in einer Rahmenvereinbarung festlegt, dass künftig auch horizontale Vereinbarungen zum gemeinsamen Einkauf von der Kommission in einer GVO festgelegt werden dürfen128. Erforderlich ist also ein Ratsbeschluss und damit der politische Wille und Konsens zwischen den Mitgliedstaaten, die Kommission zum Erlass einer Horizontal-GVO mit Regelungen zum gemeinsamen Einkauf zu ermächtigen. Darüber hinaus muss auch die Kommission Willens sein, eine GVO zu erlassen. Denn ihr allein steht das Initiativrecht für die Rechtsetzung zu. Rat und Parlament können die Kommission zwar zu einem Vorschlag auffordern, eine rechtliche Pflicht, diesen zu befolgen, besteht allerdings nicht129. Die Kommission hatte zwar 1970 bereits beabsichtigt, eine Gruppenfreistellungsverordnung auch für Einkaufskooperationen zu erlassen130. Ob ein solcher Wille auch heute noch – nachdem die Horizontalleitlinien bereits seit 2001 in Kraft sind und 2011 modifiziert wurden – besteht, ist mehr als fraglich. Zumal Gruppenfreistellungsverordnungen damals der Kommission noch als probates Mittel der Arbeitsentlastung dienten, während sie heute jedenfalls für die Kommission selbst keine unmittelbaren Vorteile mit sich bringen. Rein verfahrensrechtlich sind die Hürden für die Schaffung neuer Kompetenzen durch den Rat nicht sonderlich hoch: Mit der Einführung des Art. 105 Abs. 3 AEUV durch den Vertrag von Lissabon ist die Kommission seit dem 1.1.2009 unmittelbar primärrechtlich ermächtigt, zu den in Art. 103 Abs. 2 lit. b) AEUV genannten Gruppen von Vereinbarungen Freistellungsver­ ord­ nungen zu treffen131. Zur Erweiterung genügt eine bloße Ratsverordnung, in wel­ cher der Rat den Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 3 AEUV benennt132. 126  Vgl. VO Nr. 2821/71 des Rates v. 20.12.1971 über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. 1971 L 285, 46. 127  FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 19. 128  Vgl. Schweizer, S. 264. 129  Die Kommission hat allerdings detailliert die Gründe für ihre etwaige Untätigkeit zu benennen, vgl. Art. 225 AEUV (Indirektes Initiativrecht des Parlaments) und Art. 241 AEUV (Aufforderung durch den Rat); vgl. Schorkopf, in: Immenga/Körber, S.  37, 48 f. 130  Kommission, Vorschlag für Verordnungen (EWG) des Rates I. über die Ermächtigung zum Erlass von Gruppenfreistellungen, II. über die Änderung zu Artikel 4 der Verordnung Nr. 17 vom 6.2.1962, ABl. 1970 C 92/14, S. 15 (Art. 1 lit. d); vgl. FK-Bunte, Art. 101 AEUV Fallgruppen II.5., Rn. 19; O. Christiansen, S. 191; Wecker, S. 89. 131  Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 103 AEUV, Rn. 27. 132  Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 103 AEUV, Rn. 27.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung393

Aber auch hier ist unklar, ob der Rat Interesse daran hat, die Kommission zum Erlass einer derartigen GVO zu ermächtigen. Wie bereits erwähnt, befürwortete das Parlament im Jahr 2000 noch die Schaffung einer entsprechenden GVO133. Das Interesse der einzelnen im Rat vertretenen Mitgliedstaaten an einer solchen Regelung lässt sich aber nur schwer eruieren. Es sind allerdings keine Umstände ersichtlich, dass sich einzelne Mitgliedstaaten dagegen sträuben würden, schließlich spricht die europaweite Harmonisierung der nationalen Kartellgesetze auch für eine Harmonisierung im Bereich von Einkaufsvereinbarungen und horizontaler Vereinbarungen. 3. Ausgestaltung einzelner Regelungen der bisherigen Horizontalleitlinien Die Folgen für die rechtssichere Bewertung sind erheblich: Preisvereinbarungen. Die bisher durch die Horizontalleitlinien klargestellte und richtige Aussage, dass Preisvereinbarungen im Rahmen von Einkaufskooperationen keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen, würde im Rahmen einer GVO für die nationalen Gerichte ebenso wie für nationale Behörden verbindlich werden134. Das ist aus den im vierten Kapitel beschriebenen Gründen zu begrüßen135. Dass ein solches Vorgehen möglich ist, zeigt sich in Art. 4 Vertikal-GVO, der Preisvereinbarungen als Kernbeschränkungen benennt, die Vereinbarung von Höchstverkaufspreisen allerdings explizit zulässt136. Dies sollte ausdrücklich geregelt werden und auch dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Preisvereinbarung im Rahmen einer Einkaufskooperation gerade nicht als Kernbeschränkung eingestuft wird. Angemessener Bezugszwang. Die Aussage der Horizontalleitlinien zur Angemessenheit eines Bezugszwang muss entsprechend der Ausführungen im vierten Kapitel korrigiert werden137. Demnach wird ein vollständiger Bezugszwang nie angemessen sein138, da er Anreize der Kooperation zu einem möglichst effizienten und damit wohlfahrtsfördernden Betrieb reduziert139. 133  Entschließung des Europäischen Parlaments, a. a. O. (§ 4, Fn. 39), Rn. 3 und 5; vgl. auch Geiger, EuZW 2000, 325, 328; Bueren, WRP 2004, 567, 575. 134  Von den Kritikern würde dann ggf. eingewendet werden, dass GVOs es als Sekundärrecht nicht vermögen, das Primärrecht des Art. 101 Abs. 1 AEUV abzuändern, das seinem klaren Wortlaut nach Preisvereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen einstuft. Diese Frage müsste dann vom EuGH geklärt werden. 135  S. o. § 4 C. III. 136  Vgl. Weiß, in: Calliess/Ruffert, Art. 101 AEUV, Rn. 134 und 203. 137  S. o. § 4 D. II. 5. c) und 10. c). 138  So auch Füller, in: KölnKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 318. 139  S. o. § 4 D. II. 5. c) und 10. c).

394

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

Die Angemessenheit teilweiser Bezugszwänge ist durch eine Abwägungsentscheidung zu bestimmen, in der sich der „Grad des Bezugszwangs und [die] Höhe der aggregierten Nachfragemacht wie „kommunizierende Röhren“ zueinander verhalten“140. Effizienzvorteile. Darüber hinaus sollte die Aussage der Horizontalleitlinien zur Nachfragemacht als Effizienzvorteil i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV entsprechend den Ausführungen im vierten Kapitel141 dahingehend konkretisiert werden, dass auch diese zu berücksichtigen sind142. Zum einen ist eine Abgrenzung von Vorteilen, die auf Nachfragemacht beruhen und anderen Vorteilen kaum möglich. Zum anderen wird die Anwendbarkeit des Art. 101 Abs. 3 AEUV bereits auf erster Stufe ausgeschlossen, ohne dass es zu Abwägungsentscheidungen kommen kann, d. h. ohne dass berücksichtigt werden kann, in welchem Maße die Vorteile den Verbrauchern zugutekommen und ob die Wettbewerbsbeschränkung angemessen ist. Mit dem kategorischen Ausschluss nachfragemachtbedingter Effizienzvorteile mag zwar der Vorteil der Rechtssicherheit verbunden sein, er schadet allerdings der Treffsicherheit, wonach zumindest die Möglichkeit einer Abwägung zwischen den Verbrauchervorteilen und der Wettbewerbsbeschränkung im Rahmen der Angemessenheit des Art. 101 Abs. 3 AEUV möglich sein sollte.

II. System der Horizontalleitlinien und Treffsicherheit Ausgehend vom bisherigen System der Horizontalleitlinien, dessen elementarer Inhalt für die Bewertungspraxis der Unternehmen der safe harbour i. H. v. 15 % ist, wird die Fokussierung auf Marktanteile und die Festlegung des safe harbour gerade auf eine Höhe von 15 % hinterfragt. Im Folgenden wird untersucht, ob (1.) eine solche Schwelle überhaupt sinnvoll ist oder Gestaltungsalternativen existieren. Falls sie sich als sinnvoll erweist, ist (2.) zu untersuchen, ob die Höhe von 15 % richtig gewählt worden ist oder diese modifiziert werden sollte. In diesem Zusammenhang werden (3.) Maßnahmen diskutiert, durch die bisherige Kritikpunkte an den Horizontalleitlinien gelöst, zumindest aber entschärft werden können. Dazu zählen (a) die spezielle Ausgestaltung des zeitlichen safe harbour (Toleranzklausel) sowie (b) ein vereinfachter Maßstab zur Bewertung sich geringfügig überlappender räumlicher Absatzmärkte.

140  Gehring,

in: Mäger, Kap. 3, Rn. 65; s. o. § 4 D. II. 10. c). § 4 D. II. 10. b). 142  Dazu sogleich näher unter § 5 C. II. 4. 141  S. o.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung395

1. Zur Sinnhaftigkeit eines an Marktanteilen orientierten safe harbour a) Bedürfnis nach Alternativen? Das Bedürfnis nach der Suche nach Alternativen gründet sich auf die im vierten Kapitel zu den Horizontalleitlinien erhobene Kritik am Marktanteilskriterium: Marktanteilsschwellen führen zur Rechtsunsicherheit und zu Schwierigkeiten in der Handhabbarkeit, da sie sich nur schwer exakt genug berechnen lassen. Praktische Schwierigkeiten stellen sich dabei bei der Informationsbeschaffung und der Marktabgrenzung143. b) Sinnvolle Alternativen? Damit stellt sich die Frage nach sinnvollen Alternativen zur Abgrenzung wettbewerbskonformer von wettbewerbsschädlichen Einkaufsvereinbarungen. Als diskussionswürdig erweisen sich die folgenden Modelle. aa) Umsatzbasierte Privilegierung von KMU Eine Alternative zur Marktanteilsbetrachtung könnte eine am Umsatz orien­tierte Betrachtung sein, in der Form, dass Einkaufskooperationen aus KMU als wettbewerbskonform bewertet werden. In vielen Konstellationen werden KMU, die einen privilegierungswürdigen geringen Umsatz erzielen, auch nur einen geringen Marktanteil erreichen, sodass beide Ansätze zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Letzteres hat aber den großen Vorteil der leichteren Handhabbarkeit: Gemeinsame Umsätze lassen sich für die Unternehmen wie auch für Wettbewerbsbehörden leicht ermitteln, da sie jedem Unternehmen genauestens bekannt sind und gegebenenfalls auch veröffentlicht werden. Die Berechnung eines Marktanteils kann sich hingegen, wie beschrieben, schwieriger gestalten144. Allerdings können auch KMU hohe Marktanteile innehaben, wenn sie auf Nischenmärkten mit geringen Umsätzen tätig sind. Bei der umsatzbasierten Betrachtung handelt es sich um eine Praxis, welche aus dem Fusionskontrollrecht bekannt ist. Auch dort kann es auf umsatzschwachen Märkten zu Zusammenschlüssen auch des Marktführers kommen, ohne dass diese von den Kartellbehörden kontrolliert werden könnten, wenn 143  S. o. § 4 A. II. 1. a) aa); Bueren, WRP 2004, 567, 569; Polley/Seeliger, WRP 2001, 494, 498; Bayreuther, EWS 2000, 106, 108; Schweizer, S.  253 f. 144  S. o. § 4 A. II. 1. a) aa).

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§ 5 Entwurf eines Analysemodells

die Transaktion die Umsatzschwellen der FKVO nicht überschreitet. Das ist sinnvoll, da die Kosten einer solchen Anmeldung für die Unternehmen hoch sind. Dasselbe gilt für den Prüfungsaufwand der Wettbewerbsbehörden, die ihre Kräfte besser auf Fälle fokussieren, die den gesamten Wettbewerb oder – je nach Sichtweise – die Verbraucher besonders treffen. Daher werden im deutschen Kartellrecht die Schwellenwerte der Fusionskontrollvorschriften als Indikatoren für die KMU-Definition genutzt145. Im Unterschied zur anmeldepflichtigen Fusionskontrolle bestehen im Rahmen des Kartellverbots, bei dem das System der Legalausnahme gilt, aber keine derart hohen Anforderungen für Behörden und Unternehmen. Die Behörden sind gerade nicht verpflichtet, jede Kooperation präventiv auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Sie prüfen allenfalls bei Beschwerden oder Verdachtsmomenten. Aus ebendiesem Grund dürften auch bei der Prüfung der Spürbarkeit Marktanteile, nicht aber Umsätze zum Maßstab erklärt worden sein. Auch darf die Beschränkung des Anwendungsbereichs der FKVO anhand von Umsätzen nicht gänzlich gleichgesetzt werden mit einem safe harbour. Zwar sorgt auch dieser letztlich dafür, dass Vereinbarungen unter der Schwelle nicht erfasst werden, jedoch ist damit bereits eine materielle Prüfung der Auswirkungen verknüpft, die über prozessuale Erleichterungen hinausgeht. Damit gibt es einen weitreichenden Unterschied zwischen restriktiver, an hohen Umsätzen orientierter Fusionskontrolle und einem Verbotstatbestand, der sich auch auf KMU bezieht. Letztlich entscheidend ist die Frage: Führt dieser Ansatz in der Mehrzahl der Konstellationen zu treffsicheren Ergebnissen? Daran bestehen Zweifel. Auf kleinen Märkten, die zumeist sehr speziell oder regional beschränkt sind, können auch KMU, die einen kleinen gemeinsamen Umsatz haben, einen bedeutenden Marktanteil innehaben, der weit über 15 % liegt. Besteht die Marktgegenseite ebenfalls nur aus KMU und machen die Umsätze der Käufer einen hohen Anteil am Gesamtumsatz der kleinen Hersteller aus, so besteht hier dasselbe Bedürfnis, den Wettbewerb zu schützen wie auf größeren Märkten mit größeren Unternehmen. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Der deutsche Gesetzgeber führte bereits in der Begründung zur damaligen Ausnahmeregelung für Einkaufskooperation (§ 5c GWB) aus146, dass es beim Begriff der KMU allein auf die Relation zu ihren Konkurrenten ankommen könne. Denn „angesichts der äußerst weit auseinanderliegenden Marktvolumina [lassen sich] absolute Größengrenzen wettbewerbspolitisch nicht überzeugend rechtfertigen“147. Mit der in einer 145  S. o. § 3 F. II. 4.; vgl. Bechtold/Bosch, § 3 GWB, Rn. 11; Dreher/Körner, in: Këllezi/Kilpatrick/Kobel, S. 131. 146  Vgl. RegE 5. GWB-Novelle v. 30.5.1989, BT-Drucks. 11/4610, S. 15 f. 147  RegE 5. GWB-Novelle v. 30.5.1989, BT-Drucks. 11/4610, S. 16.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung397

solchen relativen Begriffsbestimmung „enthaltenen Flexibilität können die Besonderheiten der jeweiligen Marktstruktur voll berücksichtigt und unangemessene Ergebnisse vermieden werden.“148 Das gilt heute noch genauso wie damals. Im Ergebnis vermag ein umsatzbasierter Ansatz einen an Marktanteilsschwellen orientierten Ansatz nicht zu ersetzen. bb) Relativer Umsatzanteil der Einkaufskooperation gegenüber ihren Lieferanten (T3) Marktanteile sind ein guter und auch lange gebräuchlicher Indikator für Marktmacht im Allgemeinen und Nachfragemacht im Speziellen, schließlich spiegeln sie auch die Ausweichmöglichkeiten der Lieferanten wider149. Allerdings zeigten sie auch vereinzelte Ausnahmefälle, in denen bereits bei einem geringen Marktanteil der Einkaufskooperation eine für Hersteller bedenklich hohe Nachfragemacht bestehen kann. Dies ist der Fall, wenn der relative Umsatzanteil der Einkaufskooperation am jeweiligen Hersteller bei über 22 % liegt150. Denn bei Verlust des Auftrags ohne Ausweichmöglichkeiten kann dem Hersteller letzt­lich die Insolvenz drohen151. Dieser Schwellenwert beruht, wie oben dargestellt, auf den Ermittlungen der Kommission in der Fusionsentscheidung REWE/Meinl und bezieht sich daher auf den Lebensmitteleinzelhandel152. In anderen Sektoren könnten marktspezifische Besonderheiten bestehen, die zu einem davon abweichenden Wert führen153. Dieser Schwellenwert kann daher nur eine grobe Orientierung geben, seine genaue Höhe hängt aber von zahlreichen Faktoren und den Umständen des jeweiligen Marktes ab154. Um einen möglichst treffsicheren relativen Umsatzanteil zu identifizieren, bietet sich eine Orientierung an den Ergebnissen der Kommission in Fusionskontrollentscheidungen an. Diese beruhen zwar auch auf den subjektiven und dadurch möglicherweise verzerrten Antworten der Marktteilnehmer155. Die umfangreichen und objektiven Ermittlungen der Kommission sollten dem 148  RegE

5. GWB-Novelle v. 30.5.1989, BT-Drucks. 11/4610, S. 16. § 2 B. II. 2. 150  S. o. § 3 E. I. 2. b) aa). 151  Schröter, FIW-Seminar, S. 67, 71. 152  S. o. § 3 E. I. 2. b) aa). 153  Vgl. Weidt, S. 84. 154  Autorité de la concurrence, Entsch. v. 31.3.2015, Nr. 15-A-03, Rn. 250. 155  Aus Sicht des homo oeconomicus werden die Unternehmen in ihrem eigenen Interesse einen möglichst niedrigen Umsatzanteil gegenüber der Kommission angeben. Auch aus verhaltensökonomischer Perspektive sprechen sog. „selbstwertdienlichen Verzerrungen“ (self-evaluation biases) für die Angabe eines möglichst niedrigen 149  S. o.

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§ 5 Entwurf eines Analysemodells

aber als gewisses Korrektiv entgegenwirken können156. Als besonders verlässlich dürften sich dabei Datenerhebungen erweisen, die nicht im Rahmen eines speziellen Fusionsverfahrens, sondern noch abstrakter und ohne speziellen Anlass im Rahmen einer Sektoruntersuchung durch die Kommission oder die nationalen Wettbewerbsbehörden ermittelt wurden. Als Beispiel dient die Sektoruntersuchung des BKartA zur Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel. Die Ausführungen zur optimalen Regelbildung im Spektrum rechtlicher Bewertungsmöglichkeiten haben bereits gezeigt, dass safe harbour üblicherweise mit Ausnahmeregeln versehen sind. Dies sollte auch hier gelten. Aus alldem ergibt sich, dass eine Ausnahmeregelung vom safe harbour für den Fall geschaffen werden sollte, in dem der Anteil des Nachfragers bei über 22 % der Produktionsmenge des Herstellers liegt. In diesen Fällen ist von ausreichendem Drohpotential des Nachfragers auszugehen157. Entscheidend ist, dass sich dieser für die Nachfrager ermitteln lässt. Um das richtige Verhältnis zwischen Treffsicherheit und Handhabbarkeit zu wahren, sollte deren Ermittlung nicht wesentlich komplexer sein, als diejenige der Marktanteile. Die Ermittlung dieses relativen Umsatzanteils ist nicht komplexer als die ohnehin nötige Marktanteilsermittlung. Im Gegenteil: sie ist wesentlich leichter. Dem einzelnen Nachfrager ist seine jeweilige Bestellmenge bekannt. Seinen Anteil am Gesamtumsatz kann er zwar nicht punktgenau ermitteln. Es ist aber davon auszugehen, dass sich die für Nachfragemacht relevanten Märkte ohnehin nicht allzu dynamisch entwickeln. Insoweit ist es akzeptabel sich an den Umsatzangaben im letzten veröffentlichten Jahresbericht zu orientieren. Die Ermittlung beruht jedenfalls dann auf leicht zugänglichen Daten, wenn dem Hersteller eine Veröffentlichungspflicht trifft. Die Ermittlung weist dann keine Schwierigkeiten auf. Dasselbe gilt für eine einheitlich geführte Einkaufskooperation. Sollte der Einkauf hingegen gebündelt werden, ohne dass eine gemeinsame Stelle die Gesamtbestellmenge ermitteln kann, so ist die jeweilige Nachfragemacht nur schwer zu ermitteln. Dann muss sich durch die in den Handlungsempfehlungen genannten anonymen Intermediäre beholfen werden. So simpel die Lösung klingt, sind mit ihr doch noch komplexere Folgefragen verbunden, die es zunächst zu klären gilt: Erstens dürfte der Nachweis Umsatzanteils (underconfidence), die der Realität und den tatsächlich bestehenden Ausweichmöglichkeiten nicht gerecht wird. 156  Zur Vermeidung von Verzerrungen in den Antworten der Marktteilnehmer sollten die Ermittlungen möglichst umfassend sein und die Fragen so gewählt werden, dass derartige Verzerrungen aufgedeckt werden können; vgl. vgl. Reeves/Stucke, 86 Indiana L. J. 1527, 1567 (2011). 157  Vgl. zur Höhe der Umsatzanteile Weidt, S.  79 ff. m. w. N.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung399

eines Umsatzanteils allein noch nicht für ein Abhängigkeitsverhältnis des Herstellers von der Einkaufskooperation genügen. Darüber hinaus dürfen für den Hersteller auch keine anderen Absatzalternativen bestehen. Diese Alternativen zu ermitteln, ist für die Einkaufskooperationen jedoch weitaus schwieriger als für den jeweiligen Hersteller. Ist es dennoch gerechtfertigt, mit dieser Vermutung zu arbeiten, oder muss dieser Einwand nicht dem Hersteller aufgebürdet werden, der ihn leichter entkräften kann? Zweitens ist die Bestimmung eines Umsatzanteils zwar nicht sonderlich komplex und daher durchaus handhabbar. Eine Einkaufskooperation bezieht aber in der Praxis mehrere tausend Artikel. Wie steht es hier mit der Handhabbarkeit? Drittens führt eine solche Regelung letztlich dazu, dass von kleinen Lieferanten künftig gar nicht mehr gekauft wird, sodass sich die Regelung letztlich als Büchse der Pandora entpuppt? Zur ersten Frage: Die ökonomische Analyse im zweiten Kapitel hat gezeigt, wie komplex die Auswirkungen der Nachfragemacht nach dem Verhandlungsmodell sind. Es kommt stets auf ein Wechselspiel zahlreicher Faktoren an, will man zu einer sicheren Lösung gelangen. Dennoch lässt sich mit einer Vermutung arbeiten, die im Einzelfall immer noch wiederlegt werden kann. Das entspricht den obigen Erkenntnissen zur Rolle des relativen Umsatzes. Die Ausnahme ist somit ebenso zu verstehen wie der safe harbour – er ist eine hilfreiche Orientierung, aber nicht in jedem Einzelfall der Weisheit letzter Schluss. Ein relativer Umsatzanteil von über 22 % kann zur Insolvenz des Lieferanten führen und ihn daher unter besonderen Druck setzen. Sind im Einzelfall zahlreiche weitere Ausweichmöglichkeiten gegeben, kann sich der relative Umsatzanteil jedoch als unbedeutend erweisen. Die zweite Frage, nach der eine Bestimmung der Umsatzanteile bei zahlreichen Produktgruppen herausfordernd ist, betrifft ein generelles Problem großer Unternehmen, das bei der Marktanteilsbestimmung ebenso besteht. Zudem werden zahlreiche Produkte bei demselben Anbieter bezogen, sodass sich die Zahl der Hersteller wieder relativiert. Die dritte Frage stellte sich in ähnlicher Weise bereits mit Blick auf die Verpflichtungszusagen (Commitments), welche die Centrale Italiana vor der italienischen Wettbewerbsbehörde abgab158: Die Kooperationsmitglieder kauften lediglich Produkte gemeinsam ein, die nicht von KMU hergestellt werden. Von diesen wird weiterhin direkt und nicht über die Einkaufskooperation bezogen. Das löst das Problem jedenfalls mit Blick auf Produktmärkte, in denen lediglich KMU vertreten sind. Auf solchen Märkten, auf denen den Kooperationsmitgliedern sowohl Großunternehmen als auch KMU als Lieferanten gegenüberstehen, bleibt das Grundproblem bestehen: Die Mitglieder 158  S. o.

§ 3 B. IV. 5. und § 4 E. III. 4.

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werden die Produkte eher über die Kooperation beziehen, da die Preise durch die Bündelung geringer ausfallen dürften und einzelne Verhandlungen entfallen. Dadurch könnten sich die Sortimente angleichen und die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher sinken. Dieses Ergebnis ist allerdings nicht zwingend. Wenn Verbraucher große Auswahl fordern und honorieren, werden die Mitglieder, um auf dem Absatzmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, auch weiterhin mit KMU Verhandlungen führen. Letztlich bleibt auch den Lieferanten die Möglichkeit einer Konsolidierung oder Organisation in einer gemeinsamen Verkaufskooperation. Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente dafür, den relativen Umsatzanteil als Kriterium zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen zu implementieren. Das Kriterium gibt allerdings allein Aufschluss über die Nachfragemacht und trifft keine weiteren Aussagen zu wettbewerbsschädlichen wie wettbewerbsfördernden Wirkungen einer Einkaufskoooperation, etwa zur Gefahr einer Kollusion der Kooperationsmitglieder auf den Absatzmärkten. Daher kann sie eine an Marktanteilen orientierte Bewertung nicht ersetzen. Sie kann aber sinnvolle Ergänzung sein. cc) Rechtsvergleichender Seitenblick Alternative Modelle zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen kann auch ein rechtsvergleichender Seitenblick aufzeigen. (1) Praxis der US-Wettbewerbsbehörden 20 %-Regel. FTC und DoJ bewerten Einkaufskooperation anhand von zwei Regelungen: Nach den Competitor Collaboration Guidelines gilt für Einkaufskooperationen – ebenso wie für andere Kooperationsformen auch – eine an Marktanteilen orientierte Bewertung. Sie statuieren einen safe harbour, der bei 20 % auf den relevanten Märkten liegt159. „35/20“-Regel. Daneben besteht mit den Health Care Statements seit 1985 die „35/20“-Regel160. Diese beziehen sich speziell auf den Gesundheitssektor. Es ist nicht eindeutig, ob sich diese Regelungen auch auf andere Sektoren übertragen lassen, allgemein wird aber davon ausgegangen, dass die US159  FTC & DOJ, Antitrust Guidelines for Collaborations Among Competitors, § 4.2.: „Absent extraordinary circumstances, the Agencies do not challenge a competitor collaboration when the market shares of the collaboration and its participants collectively account for no more than twenty percent of each relevant market in which competition may be affected.“ 160  DOJ & FTC Common Statements of Antitrust Enforcement Policy In Healthcare (1996); Jacobson/Dorman, 36 Antitrust Bull. 1, 36 f. (1991).



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung401

Wettbewerbsbehörden auch in anderen Sektoren keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegen Einkaufskooperationen äußern werden, wenn sie die dortigen Voraussetzungen eingehalten161. Demnach wird bei der Analyse der Kartellrechtswidrigkeit von Einkaufskooperationen zunächst untersucht, ob die Kooperation über genügend Nachfragemacht verfügt, um Preise unter den Wettbewerbspreis drücken zu können. Dies ist dann unwahrscheinlich, wenn die Einkäufe durch die Kooperation weniger als 35 % der gesamten verkauften Menge des Produkts im relevanten Markt betragen. Falls dies zutrifft, werden weitere strukturelle und charakteristische Faktoren des Marktes untersucht. Bedauerlicherweise werden diese Faktoren nicht näher spezifiziert. Die Betrachtung der Absatzmärkte gehört jedenfalls dazu. Diesbezüglich wird insbesondere ein Augenmerk darauf gelegt, ob die Einkaufskooperation zu einer Verschleierung einer Preisabsprache auf den Verkaufsmärkten führt. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering, wenn die Kosten des gemeinsam eingekauften Produktes weniger als 20 % des Gesamtumsatzes jedes Mitglieds der Einkaufskooperation betragen. Mit der ersten Voraussetzung soll verhindert werden, dass der Einkaufspreis unter das kompetitive Level gedrückt wird, also Nachfragemacht ausgeübt wird162. Die zweite Voraussetzung dient der Verhinderung kollusiven Verhaltens. Wenn der Zusammenhang zwischen Vor- und Endprodukt so gering ist (unter 20 %), dann sind Absprachen unwahrscheinlich. (2) Praxis in den Niederlanden Die niederländische Wettbewerbsbehörde ACM hat im Juni 2016 Guidelines veröffentlicht, die sich ausschließlich auf den gemeinsamen Einkauf von Medikamenten durch Krankenhäuser und Krankenversicherungen beziehen163. Die Behörde sieht in diesem Sektor einen besonderen Bedarf für Einkaufskooperationen, da sie eine Gegenmacht zu den zumeist marktmächtigen, verhandlungsstarken und international tätigen Pharmaherstellern bilden können, ohne dass wettbewerbsschädigende Wirkungen (insbesondere mit Blick auf Innovation und Qualität der Medikamente) wahrscheinlich seien. Diese Guidelines sind bemerkenswert, weil sie sich nicht auf Marktanteile der kooperierenden Käufer beziehen. Stattdessen müssen die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sein: (i) Nur ein Teil der Krankenhauskosten darf harmonisiert werden; (ii) der Beitritt zur Einkaufskooperation muss nach 161  ABA,

Joint Purchasing, S. 48; so wohl auch Lindsay, 23 Antitrust 67, 71 (2009). Healthcare Statements, Statement 7; vgl. White/Brau/Marx, Antitrust and Healthcare: A Comprehensive Guide, 2013, S. 397. 163  Autoriteit Consument & Markt (ACM): Guidelines on collective procurement of prescription drugs. 162  DoJ,

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objektiven und vorher festgesetzten nicht-diskriminierenden Kriterien möglich sein; und (iii) die Einkaufskooperation legt ihren Mitgliedern keine rechtlichen oder faktischen unnötigen Beschränkungen, etwa Bezugszwänge, auf.164 Die erste Voraussetzung soll einer Kollusion zwischen den Koopera­ tionsmitgliedern vorbeugen. Sie wird als erfüllt angesehen, wenn die Kosten der jeweils gemeinsam eingekaufte Medikamente weniger als 15 % des Umsatzes des jeweiligen Krankenhauses ausmachen (oder 5 % bei Krankenver­ sicherungen). Sie entspricht der US-Regelung, liegt mit 15 % bzw. 5 % aber deutlich unter den von der US-Regelung statuierten 20 %. Die zweite Voraussetzung entspricht den Ausführungen im Rahmen von Art. 102 AEUV zum diskriminierungsfreien Zugang zur Einkaufskooperation165. Die dritte Voraussetzung zeigt, dass Bezugszwängen auch heute noch Bedeutung zugemessen wird166. (3) Fehlende Übertragbarkeit und geringer Erkenntnisgewinn Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit sich die US-Praxis auf das europäische Kartellrecht übertragen lässt, scheinen die US Health Care Statements ungeeignet, um aus ihnen Lehren für eine Modifizierung der Horizontalleitlinien zu ziehen. Sie bestehen bereits seit 1985 und scheinen überwiegend auf dem Monopson-Modell zu beruhen, denn sie setzen den Marktanteil mit 35 % ungebührlich hoch an. Die Analyse im zweiten Kapitel zeigte, dass ein geringerer Marktanteil ausreichen kann, um eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung gegenüber Lieferanten entfalten zu können167. Die zweite Voraussetzung, die den Zusammenhang zwischen Vor- und Endprodukt erläutert, scheint demgegenüber sehr niedrig gewählt, auch wenn sie noch höher liegt als die von der niederländischen Wettbewerbsbehörde aufgestellte Daumenregel. Beide Daumenregeln können nur als untere unproblematische Schwelle verstanden werden, die nur wenig Erkenntnisse zur Bewertung von Einkaufskooperationen liefern. Die Guidelines der niederländischen Wettbewerbsbehörde sind demgegenüber speziell auf Einkaufskooperationen von Krankenhäusern und Krankenversicherungen zum Kauf von Medikamenten zugeschnitten und sollen nicht auf andere Sektoren übertragen werden. Insoweit bieten sie keine Orientierung. Zunächst sind sektorenspezifische Regelungen auf europäischer Ebene generell eher bedenklich und prinzipiell mit Vorsicht zu genießen, da sie einzelne Sektoren privilegieren. Eine Einführung einer solchen würde sich 164  Ebd. 165  S. o.

§ 3 E. II. 2. b). § 4 D. II. 5. 167  S. o. § 2 B. II. 2. 166  S. o.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung403

der Entwicklung der letzten Jahrzehnte weg von sektorspezifischen GVOs widersetzen, die im März 2017 in der Nichtverlängerung der VersicherungsGVO gipfelte. Darüber hinaus spricht gegen eine Übertragung dieser Guidelines auf EU-Ebene, dass ihre Existenz gerade dadurch gerechtfertigt wird, dass sie allein in den Niederlanden gilt. So betont die niederländische Wettbewerbsbehörde, dass wettbewerbssschädigende Wirkungen deshalb ausgeschlossen sind, weil sie sich gerade nur auf den kleinen niederländischen Markt bezieht, während die Pharmahersteller ihre Produkte auf zahlreichen weiteren Märkten vertreiben. Die Auswirkungen seien deshalb gering. (4) Zwischenergebnis Der rechtsvergleichende Seitenblick in die Niederlande ist für die Frage nach der Höhe eines safe harbours in einer europäischen GVO nicht sonderlich zielführend, da er allein auf solche Märkte beschränkt ist, die – wie der niederländische Pharmamarkt – nur einen kleinen Absatzmarkt international tätiger verhandlungsstarker Anbieter ausmacht. Der Blick auf die US-Praxis, zeigt mit der „35/20“-Regelung eine ältere Regelung, die den im zweiten Kapitel gewonnenen Erkenntnissen nicht derart gerecht wird, als dass sie als Alternative zum derzeitigen safe harbour der Horizontalleitlinien dienen könnte. Einerseits ist die in Orientierung am Monopson-Modell gebildete 35 %-Marktanteilsschwelle zu hoch gegriffen, so dass zahlreiche wettbewerbsrechtlich bedenkliche Fälle nicht erfasst werden. Andererseits besteht mit der zweiten Voraussetzung, wonach die Kosten des gemeinsam eingekauften Produktes weniger als 20 % des Gesamtumsatzes jedes Mitglieds der Einkaufskooperation betragen müssen, zu niedrig gewählt, um die Gefahr kollusiven Verhaltens darauf stützen zu können. Damit verbleibt der generelle safe harbour der US-Praxis in Höhe von 20 %. Er zeigt zwar keine Alternativen zum Marktanteilskriterium auf, bestätigt aber eine Orientierung an Marktanteilen. Zudem spricht sie für eine Anhebung des safe harbours von 15 % auf 20 %. c) Vorteil einer Orientierung am Marktanteilskriterium Argument der Pfadabhängigkeit. Gegen die Suche nach Alternativen zur Marktanteilsberechnung, die allzu weit von der auf Marktabgrenzung beruhenden Ermittlungsmethode abweichen, spricht – zumindest in einem gewissen Umfang – das Argument der Pfadabhängigkeit: Die Marktabgrenzung ist – trotz ihrer zahlreichen Schwächen168 – eine bekannte und vielfach be168  S. o.

§ 4 A. II. 1. a).

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§ 5 Entwurf eines Analysemodells

währte Methode zur Ermittlung von Marktmacht und damit Grundlage kartellrechtlicher Bewertung. Sie wurde über Jahrzehnte durch Gerichte und Praxis der Wettbewerbsbehörden weiterentwickelt und konkretisiert, Unternehmen haben im Laufe der Zeit gelernt damit umzugehen, ihre Rechtsberater wenden sie gewohnheitsmäßig an und Marktforschungsinstitute haben sich auf die möglichst exakte Ermittlung von Marktdaten spezialisiert. All dies sorgt dafür, der Marktabgrenzung als etabliertes System selbst dann Vorrang gegenüber moderneren, alternativen Methoden zu geben, wenn sich diese in der Theorie tatsächlich als exakter oder handhabbar erweisen sollten. Denn die Umstellungskosten sind zumeist zu groß, als dass der Mehrwert gegenüber einer an Marktanteilen orientierten Bewertung diese überwiegt169. Zugegebenermaßen sind die Umstellungskosten vorliegend nicht allzu hoch, da es für Unternehmen und Anwälte üblich ist, auf Rechtsanpassungen und Systemänderungen im Recht zu reagieren. Nichtsdestotrotz müssen neuere Methoden einen evidenten Vorteil haben, um auch Eingriffe in das Recht und Abweichungen zu den bestehenden Regelungen rechtfertigen zu können170. Derartige Konzepte sind nicht ersichtlich. Zudem belegen die auf jahrzehntelange Erfahrung fußende Amtspraxis der Kommission und die Rechtsprechung der Unionsgerichte, dass die Beurteilung von Wettbewerbsbeschränkungen anhand von Marktanteilsschwellen – trotz mancher Schwierigkeiten – insgesamt handhabbar ist171. Erfordernis einer Betrachtung von Beschaffungs- und Absatzmärkten. Widrigkeiten bei der Bestimmung von Marktanteilen auf gleich zwei Märkten – den Einkaufs- und den Verkaufsmärkten – mögen zwar beschwerlich sein, die Betrachtung sowohl des Einkaufs- als auch des Verkaufsmarktes ist aber zweckmäßig. Die ökonomischen Bewertungen im zweiten Kapitel haben die Interdependenz zwischen Einkaufsmarkt- und Absatzmarkt dargelegt. Die Wettbewerbsposition auf dem Beschaffungsmarkt ist unter anderem maßgeblich für die Gefahr einer Reduzierung der Einkaufsmenge nach dem Monopson-Modell, für die Gefahr der Kollusion auf dem Absatzmarkt, für die 169  Die Literatur führt als plastisches Beispiel zur Verdeutlichung des Konzepts der „Pfadabhängigkeit“ die Entwicklung der QWERTY-Tastatur an. Bei der Entwicklung der Schreibmaschine wurden die Buchstaben auf der Tastatur derart angeordnet, dass sie sich beim Tippen typischer Buchstabenfolgen möglichst nicht verhaken. Mit der Entwicklung des Computers wurde dieser Grund hinfällig und man hätte die Tasten ergonomischer anordnen können (etwa nach der Dvorak Simplified KeyboardMethode), was eine höhere Tippgeschwindigkeit ermöglicht hätte. Da sich die Nutzer aber bereits an die bisherige Tastatur gewöhnt hatten (sog. lock-in), wären die Umstellungskosten zu hoch gewesen und die Tastenbelegung wurde beibehalten; vgl. David, 75 Am. Econ. Rev. 332 (1985); Hoffmann-Riem, S.  213 ff. 170  Henke, S. 114. 171  GRUR, Stellungnahme, GRUR 2010, 897.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung405

Wahrscheinlichkeit, der Weitergabe von Effizienzvorteilen an die Verbraucher uvm. Eine Betrachtung beider Marktanteile ist daher für eine treffsichere Analyse unabdingbar. Von ihr kann nicht abgewichen werden. d) Zwischenergebnis: Modifikation statt Alternativmodelle Aus alldem folgt, dass nicht die Suche nach Alternativen, sondern nach Modifizierungen und Ergänzungen zur Marktanteilsschwelle in Angriff genommen werden sollte. Die oben identifizierte Ergänzung um eine am relativen Umsatzanteil orientierte Ausnahme stellt eine derartige Modifikation dar172. Ferner gilt es die optimale Höhe des safe harbour zu ermitteln. Dem wird in den folgenden beiden Abschnitten nachgegangen. 2. Sinnvolle Höhe des safe harbour (T1) Welche Höhe sollte der safe harbour haben? Stellt der safe harbour der Horizontalleitlinien i. H. v. 15 % bereits eine gut gewählte Höhe dar, um als grobes Raster Typ-I- und Typ-II-Fehler zu minimieren173 oder kann er verbessert werden? Dieser Frage gehen die folgenden Ausführungen nach. Dabei gilt: „Ihrer genauen Festlegung wohnt zwangsläufig eine gewisse Willkür inne“174. Entsprechend weitreichend ist das Spektrum der vertretenen Möglichkeiten175. Bereits de lege lata wurde ausgeführt, dass sich aus dem Vergleich mit anderen Regelungen (insbesondere der 25 %-Schwelle bei der F&E-GVO, der 20 %-Schwelle der TT-GVO und der Spezialisierungs-GVO) keine Antwort auf die Frage ergeben kann, da die Auswirkungen von Kooperationen in den Bereichen wie Forschung und Entwicklung und Technologietransfer andere sind als beim gemeinsamen Einkauf176. Sicherlich wäre es für Rechtssicherheit und Handhabbarkeit wünschenswert, wenn der Schwellenwert einheitlich verlaufen würde. Auch würde sich auf diese Weise die Problematik der Einordnung doppeltrelevanter Vereinbarungen von selbst erledigen. Die Unterschiede sind aber gerade gewollt, denn sie spiegeln die unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten für Effizienzen und Nachteile wider177.

172  S. o.

§ 5 C. II. 1. b) bb). noch Mand/Malkus, Stellungnahme, S. 11. 174  Schweizer, S. 268. 175  Siehe bereits oben § 4 A. II. 1. b). 176  S. o. § 4 A. II. 1. b). 177  S. o. § 4 A. II. 1. b). 173  So

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a) Meinungsspektrum In der Literatur wird teilweise für eine Marktanteilsschwelle von 20–25 % plädiert178. Dies entspricht der Mehrheit der Stellungnahmen zum Entwurf der Horizontalleitlinien179. Diese resultieren nicht nur aus lobbyistischen Erwägungen von Unternehmen und deren Rechtsberatern, sondern entsprechen auch den hier im zweiten Kapitel gefundenen Ergebnissen. Denn bei höheren Werten werde die Gefahr von Fehlern zweiter Art zu groß, da auch schon bei geringen gemeinsamen Marktanteil nachteilige Marktwirkungen möglich sind180. Demgegenüber wird teilweise auch gefordert, dass die Marktanteilsschwelle zu hoch gewählt sei, da Nachfragemacht gegenüber Lieferanten auch bereits bei wesentlich geringeren Marktanteilen ausgeübt werden könne181. Denn Lieferanten sind regelmäßig spezialisierter als ihre Kunden, sodass ihre Existenz schon dann bedroht sei, wenn nur ein relativ kleiner Teil der Nachfrage wegfällt182. Je nach Konzernstrukturen können die meisten Lieferanten diese Verluste auch nicht mit Gewinnen aus anderen Produktionsbereichen kompensieren183. Gegen eine Herabsetzung des safe harbour sprechen allerdings zunächst systematische Gründe: ein weiteres Absenken der Marktanteilsschwelle, etwa auf den nächstniedrigeren praktikablen Wert von 10 %, würde den Sinn der Horizontalleitlinien bzw. einer hypothetischen Horizontal-GVO gänzlich entfallen lassen, denn dann wäre die Einkaufsvereinbarung jedenfalls nach der de minimis-Bekanntmachung schon nicht spürbar. Mit Blick auf eine möglichst treffsichere Marktanteilsschwelle betonen Inderst/Mazzarotto, dass es zwar sein mag, dass Nachfragemacht auch schon bei niedrigeren Marktanteilen bestehen kann184. Nachfragemacht kann aber demgegenüber auch positive Effekte für die Endverbraucher haben185. Daher könne allein daraus nicht die Konsequenz gezogen werden, niedrigere Schwellenwerte anzulegen186. Dem ist zuzustimmen. Dies entspricht gerade Schweizer, S. 265. Kommission, Overview of the Feedback Received from Stakeholders in the Public Consultation on the Draft Texts Published in 2010, Rn. 41; OFT, buyer groups, 1.84; Freshfields Bruckhaus Deringer, Stellungnahme, 2.7.; Baker & McKenzie, Stellungnahme, 6.5. 180  Schweizer, S. 265. 181  Raeder, S.  60 m. w. N. 182  Raeder, S. 163. 183  Raeder, S. 163. 184  Inderst/Mazzarotto, Sources, S. 21. 185  Inderst/Mazzarotto, Sources, S. 21. 186  Inderst/Mazzarotto, Sources, S. 21. 178  So

179  Vgl.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung407

dem im zweiten Kapitel ermittelten Ergebnis und dem dort vertretenen Plädoyer für eine positive Bewertung von Einkaufskooperationen. Letztlich sind neben diesen Abwägungen zur möglichst treffsicheren Marktanteilsschwelle aber auch die Rechtssicherheit und Handhabbarkeit zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, dass bei einem weiteren Absenken der Schwelle die vom safe harbour verfolgten Ziele der Schaffung von Rechtssicherheit und Vereinfachung nicht erreicht werden können187. b) These Die ökonomischen Erkenntnisse des zweiten Kapitels haben gezeigt, dass eine Einkaufskooperation grundsätzlich positiv zu bewerten ist. Dies rechtfertigt die Anhebung des safe harbour von 15 % auf 20 %. Bei der Bestimmung der Höhe der Marktanteilsschwelle muss obige Annahme von Easterbrook einfließen: Kooperationen sind grundsätzlich positiv zu beurteilen; Typ-II-Fehler sind Typ-I-Fehlern vorzuziehen, um einen chilling effect zu vermeiden188. Ein hoher Schwellenwert wird dazu führen, dass viele wettbewerbsschädliche Vereinbarungen freigestellt werden, sorgt aber gleichsam auf einer breiteren Ebene für Rechtssicherheit und Handhabbarkeit189. Eine niedrige Schwelle hingegen mag dazu führen, dass vorteilhafte Vereinbarungen nicht geschlossen werden. Mithin sollte die Marktanteilsschwelle im relativ sicheren Graubereich möglichst hoch liegen. Dementsprechend sollte die Schwelle auf 20 % angehoben werden. c) Art. 29 VO Nr. 1/2003 als Korrektiv? Die Ausnahmeregelung des Art. 29 VO Nr. 1/2003 könnte dann theoretisch immer noch als Korrektiv dienen. Demnach kann der Rechtsvorteil einer Gruppenfrei­ stellungsverordnung im Einzelfall durch die Kommission mit Wirkung ex nunc entzogen werden190. Auf den ersten Blick scheint durch diese Ausnahmevorschrift die durch Erhöhung des safe harbour gewonnene Rechtssicherheit wieder beseitigt zu werden, da sich das Risiko ihrer Anwendung erhöht. Wird der safe harbour von 15 % auf 20 % ausgedehnt, dürfte das Bedürfnis an dieser Ausnahmeregelung wachsen. Allerdings handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, die möglichst restriktiv gehandhabt und nur selten zur Anwendung gelangen sollte. Auch trifft die Beweislast für das 187  Schweizer,

S. 265. § 5 B. II. 1. 189  Vgl. Bueren, WRP 2004, 567, 574. 190  Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 29 VO 1/2003, Rn. 12; Dalheimer, in: Grabitz/ Hilf, Recht der EU, Art. 29 VO 1/2003, Rn. 2. 188  S. o.

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§ 5 Entwurf eines Analysemodells

Vorliegen dieser Ausnahme die Behörden191. Insoweit stellt Art. 29 VO Nr. 1/2003 nur eine ultima ratio dar und hat bisher auch keine praktische Bedeutung erlangt192. 3. Ergänzungen des Systems der Horizontalleitlinien Neben einer Modifizierung der Höhe des safe harbour und der Einführung einer am relativen Umsatzanteil orientierten Ausnahmeregelung sollten aufgrund der oben dargestellten Kritikpunkte an den bisherigen Horizontalleitlinien, namentlich der Unstetigkeit von Marktanteilsschwellen193 sowie der Unpraktikabilität der Bewertung sich nur leicht überlappender räumlicher Absatzmärkte194, die folgenden kleineren Ergänzungen vorgenommen werden. a) Horizontalleitlinien und Rechtssicherheit: Zeitlicher safe harbour (R2) Die Lückenhaftigkeit der Horizontalleitlinien zur Frage der sich verändernden Marktanteile führt zu Rechtsunsicherheit. Auf der Makroebene wurde deshalb der Vorschlag zur Schaffung eines zeitlichen safe harbour (einer Toleranzklausel) gemacht (Regelungsvorschlag R2)195. Dessen nähere Ausgestaltung soll im Folgenden geklärt werden. In der Literatur wird vereinzelt vorgeschlagen, dass Kooperationen, die bei ihrer Gründung vom safe harbour erfasst wurden, auch nach Überschreitung des Marktanteils jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum weiterhin zulässig sein sollen196. Wie lange dieser Zeitraum dauern soll, bleibt fraglich. Die Antwort dürfte dabei von der Höhe der Veränderung und der Dynamik des Marktes abhängen. Die nähere Ausgestaltung kann auf einfache Art und Weise geschehen, indem man sich an den Regelungen in aktuellen Gruppenfreistellungsverordnungen und Leitlinien orientiert, insbesondere derjenigen zu Technologietransfer-, F&E- und Spezialisierungsvereinbarungen197. Dort finden sich Regelungen, wonach eine Bewertung der Marktanteile im Zeitraum der 191  Bechtold/Bosch/Brinker,

Art. 29 VO 1/2003, Rn. 10. in: Wiedemann, § 8, Rn. 65. 193  S. o. § 4 A. II. 1. a) bb). 194  S. o. § 4 C. IV. 4. b) Beispielsfall 3b. 195  S. o. § 5 B. I. 3. b); demgegenüber wurde de lege lata ein zurückhaltender Ansatz empfohlen, s. o. § 4 E. III. 1. 196  Schweizer, S. 269. 197  Vgl. Art. 8 lit. e) TT-GVO, Art. 7 lit. d) F&E-GVO und Art. 5 lit. d) Spezialisierungs-GVO; vgl. Eaton, ECLR 2009, 301, 306. 192  Lübbig,



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung409

nächsten zwei Jahre Bestand hat, sollte sie sich ausgehend von einem Marktanteil von 20 % bzw. 25 % nicht um mehr als fünf Prozentpunkte verändern. Übersteigt die Marktanteilsänderung fünf Prozentpunkte, so gilt die Freistellung noch für ein weiteres Kalenderjahr198. Entsprechendes gilt nach Art. 7 lit. d) Vertikal-GVO. Auch nach der aktuellen de minimis-Bekanntmachung können die Marktanteile, die für eine fehlende Spürbarkeit der Vereinbarung sprechen, in zwei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren um bis zu 2 Prozentpunkte steigen, ohne dass die Vereinbarung dadurch spürbar würde199. Dabei ergibt sich folgendes Bild: Safe harbour bei Wettbewerbern

Veränderter Marktanteil

Zeitraum der Freistellung

De minimisBekannt­machung

10 %

Bis 12 %

2 Jahre

F&E-GVO

25 %

Bis 30 % Über 30 %

2 Jahre 1 Jahr

Spez.-GVO

20 %

Bis 25 % Über 25 %

2 Jahre 1 Jahr

TT-GVO

20 %

25 %

2 Jahre

Vertikal-GVO

30 %

Bis 35 % Über 35 %

2 Jahre 1 Jahr

} Vorschlag für einen safe harbour für Einkaufs­ vereinbarungen in einer Horizontal-GVO

20 %

Bis 25 % Über 25 %

2 Jahre 1 Jahr

Abbildung 14: Übersicht zu Toleranzklauseln

In Orientierung an den absoluten Werten der veränderten Marktanteile gibt die de minimis-Bekanntmachung den strengsten Rahmen einer möglichen Ausgestaltung vor. Sie lässt lediglich eine Erhöhung um 2 % bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren zu. Wird diese Grenze überschritten, besteht kein Raum für einen Vertrauensschutz mehr. Ihr Zweck besteht aber darin, die Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung zu erfassen und Bagatellbeschränkungen mit minimalen Auswirkungen auf den Wettbewerb herauszufiltern. Die mit Einkaufs- wie anderen Kooperationsvereinbarungen verbunde198  Vgl. 199  De

Art. 7 lit. e) F&E-GVO und Art. 5 lit. e) Spezialisierungs-GVO. minimis-Bekanntmachung 2014, Rn. 11.

410

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

nen Effizienzen berücksichtigt sie hingegen nicht. Ihr Regelungszweck unterscheidet sich damit deutlich von den anderen hier genannten safe harbourRegelungen, die daher zur Orientierung wesentlich besser geeignet sind. Das zeigt sich auch darin, dass sie ohnehin stets vorweg neben diesen GVOs geprüft werden kann. Eine Orientierung an der Toleranzklausel der de minimisBekanntmachung scheidet damit aus. Absolut betrachtet gibt die Vertikal-GVO das obere Spektrum der Orientierungsmöglichkeiten mit ihrem weitreichenden safe harbour vor. Dieser liegt bei 35 % und lässt die Freistellung für zwei Kalenderjahre im Anschluss an das Jahr bestehen, in dem die Schwelle erstmals überschritten wurde. Relativ betrachtet liegt er – bei Vergleich des veränderten Marktanteils von bis zu 35 % zum Ausganswert von 30 % – hingegen nur bei 16,7 % und bildet daher eher das untere Ende der Orientierungsmöglichkeiten bei der Suche nach einer geeigneten Höhe einer Toleranzklausel. Als überwiegend horizontale Vereinbarung zwischen Wettbewerbern auf dem Beschaffungsmarkt unterscheiden sich die durch Einkaufskooperationen begründeten Effizienzgewinne und Gefahren von denen in der Vertikal-GVO beschriebenen. Für eine Vergleichbarkeit mag hingegen sprechen, dass Einkaufskooperationen aufgrund ihrer horizontalen und vertikalen Vereinbarungen ohnehin anhand einer potentiellen Horizontal-GVO sowie an der Vertikal-GVO zu überprüfen sind. Aus denselben Gründen, aus denen auch eine Angleichung des safe harbour an den der Vertikal-GVO nicht möglich ist (eben aus den höheren Gefahren und Effizienzen von Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern), ist aber auch eine Orientierung mit Blick auf die Toleranzklausel nicht sinnvoll. Die Vereinbarungen zum gemeinsamen Einkauf gleichen eher den anderer Kooperationsvereinbarungen, der TT-GVO, F&E-GVO und Spezialisierungsvereinbarungen-GVO. Eine Anlehnung an diese Regelungen erscheint daher am sinnvollsten. Damit gilt: Liegt der Marktanteil bei über 20 %, aber noch unter 25 %, so gilt die Freistellung noch für zwei weitere Jahre nach dem Kalenderjahr, in dem die Marktanteilsschwelle erstmals überschritten wurde. Liegt er darüber, gilt er für ein weiteres Jahr. In dieser Zeit kann die Einkaufskooperation durch Änderung ihrer Mitgliederstruktur oder anderer Maßnahmen ihren Marktanteilszuwachs regulieren200. Mit einer solchen Regelung wird in den meisten Märkten ein angemessener Ausgleich zwischen Handhabbarkeit und Rechtssicherheit für die kooperierenden Unternehmen und Wettbewerbsschutz erreicht.

200  Zu

möglichen Präventionsmaßnahmen s. o. § 4 E. III.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung411

b) Vereinfachte Marktanalyse bei geringfügigen Überlappungen räumlicher Absatzmärkte der Kooperationsmitglieder (H1) Eine typische Konstellation von Einkaufskooperation ist derart ausgestaltet, dass ihre Mitglieder auf den Absatzmärkten nicht oder nicht signifikant im Wettbewerb zueinander stehen201 (das betrifft etwa die europaweiten Einkaufskooperationen nationaler Lebensmitteleinzelhändler). Soweit die Unternehmen auf dem Beschaffungsmarkt einen Marktanteil von unter 15 % innehaben und sich auf den Absatzmärkten tatsächlich nicht überlappen, ist der safe harbour erfüllt und die Einkaufskooperation wird nach den Horizontalleitlinien positiv bewertet. Werden die Absatzmärkte hingegen eng und regional abgegrenzt, so kann es passieren, dass die Kooperationsmitglieder auf einem kleinen Teilmarkt einen Marktanteil erzielen, der weit über 15 % liegt. Dies führt dazu, dass zwei Händler, die überwiegend in verschiedenen Ländern tätig sind, nicht vom safe harbour erfasst werden, da sie in wenigen Grenzgebieten miteinander konkurrieren202. Für diese Fallgruppe an Einkaufskooperationen wird die kartellrechtliche Bewertung unnötigerweise erschwert. Mit Blick auf die Gefahren der Bildung von Einkaufskooperationen, wie sie im zweiten Kapitel dargestellt wurden, ist dies nicht nachvollziehbar. Denn die Überlappung auf einzelnen Absatzmärkten, auf die nur ein Bruchteil des gemeinsamen Einkaufs entfällt, setzt weder Anreize zur Kollusion noch ermöglicht oder erhöht sie die Wahrscheinlichkeit für kollusives Verhalten der Kooperationsmitglieder auf diesen Absatzmärkten203. Zudem ist ihr Einfluss auf die Nachfragemacht nur gering204. Die Fallkonstellation steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage nach der richtigen Marktabgrenzung. Wird diese mit der Kommission so beantwortet, dass grundsätzlich weite nationale Märkte zu bilden sind, wenn es zu zahlreichen Überlappungen zwischen den Mitgliedern kommt, so stellt 201  S. o. § 4 C. IV. 4. b) Beispielsfall 3b; vgl. dazu Linklaters, Stellungnahme, S. 8; Koponen, Präsentation, Folie 13. 202  Linklaters, Stellungnahme, S. 8; Koponen, Präsentation, Folie 13; vgl. allgemein zur Problematik Schütz, in: KölnKomm, Art. 29 VO 1/2003, Rn. 26. 203  S. o. § 4 C. IV. 4. b) Beispielsfall 3b. 204  S. o. § 4 C. IV. 4. b) Beispielsfall 3b. Entsprechend bewertete die Kommission in einer Fusionskontrollentscheidung, die eine Übernahme von acht grenznahen schwedischen Supermärkten durch den schwedischen Lebensmitteleinzelhändler Axfood und den norwegischen Lebensmitteleinzelhändler Norgesgruppen betraf, die wettbewerblichen Bedenken als gering, da sich die Aktivitäten der Lebensmitteleinzelhändler sowohl auf dem Beschaffungs- als auch auf dem Absatzmarkt nur geringfügig überlappten, vgl. Kommission, Entsch. v. 17.8.2017, M.8468 – Norgesgruppen/ Axfood/Eurocash (noch unveröffentlicht).

412

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

sich das Problem hier nicht. Wird allerdings eine enge Abgrenzung regionaler Märkte gewählt, wie es etwa das BKartA in seinen Fusionskontrollentscheidungen zum LEH praktiziert, führt dies dazu, dass diese Fallkonstellationen regelmäßig nicht vom safe harbour erfasst werden, obwohl es dafür sachlich keinen Grund gibt205. Unter Abwägung der äußerst komplexen Handhabbarkeit bei der Bestimmung der zahlreichen regionalen Absatzmärkte (sowohl für Unternehmen, als auch für Wettbewerbsbehörden, Privatkläger oder Gerichte) einerseits und der geringen wettbewerblichen Risiken in dieser Konstellation erscheint es sinnvoll, das Problem durch eine Klarstellung der Horizontalleitlinien bzw. einer potentiellen Horizontal-GVO zu lösen: Geringfügige Überlappungen der Absatzmärkte der Kooperationsmitglieder reichen, auch dann, wenn sie einen Marktanteil i. H. v. 15 % auf regionalen Märkten überschreiten, nicht aus, um wettbewerbsbeschränkende Wirkungen i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV anzunehmen. Es muss vielmehr eine nicht unerhebliche Überlappung zwischen den Kooperationsmitgliedern auf den Absatzmärkten bestehen, damit sie als Wettbewerber betrachtet werden können. Eine unerhebliche Überschneidung ist anzunehmen, wenn auf die sich überlappenden regionalen Märkte nicht mehr als 5 % der gemeinsam erworbenen Güter entfallen206. Ein solcher Vorschlag findet sich in ähnlicher Form in den Vertikalleitlinien207. Er beruht auf dem Gedanken, dass das Gesamtgepräge der Vereinbarung vorteilhaft und kleinere Abweichungen durchaus tolerabel sind. 4. Nachfragemachtbedingte Gewinnallokationen zugunsten der Einkaufskooperation als Effizienzvorteil i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV Die Frage, ob auch rein nachfragemachtbedingte Effizienzvorteile die erste Voraussetzung des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen können, musste mit Blick auf die klare Bewertung der Kommission de lege lata verneint werden208. De lege ferenda stellt sich jedoch die Frage, ob dies sinnvoll ist. 205  S.u. 206  So

§ 5 B. I. 3. b). der Vorschlag von Linklaters, Stellungnahme, S. 8; Koponen, Präsentation,

Folie 13. 207  S. o. § 3 D. II. 1.; nach der Vertikal-GVO werden nur Mitglieder von Einkaufskooperationen erfasst, die einen Umsatz von weniger als 50 Mio. € im Jahr erzielen. Die Vertikalleitlinien bewerten es als unproblematisch, wenn sich Mitglieder mit einem höheren Umsatz an der Kooperation beteiligten, solange auf diese Mitglieder weniger als 15 % des Gesamtumsatzes der Kooperation entfallen, vgl. Rn. 29 der Vertikalleitlinien. 208  S. o. § 4 D. II. 10.



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung413

Bewertung aus Sicht der Konsumentenwohlfahrt. Dagegen lässt sich anführen, dass Verbrauchern auch derartige Kostenvorteile zugutekommen können, die allein auf dem Ausnutzen von Nachfragemacht beruhen209. Damit kann die Entscheidung für oder gegen die Berücksichtigung nachfragemachtbedingter Effizienzvorteile auch mit Blick auf den Streit um die richtige Wohlfahrtsperspektive beantwortet werden. Aus Sicht des consumer welfare-Standards ist die Frage ganz leicht zu beantworten: die Allokation der Gewinne vom Anbieter zum Nachfrager trifft die Verbraucher jedenfalls nicht unmittelbar. Im Gegenteil: Sie kann ihnen sogar zugutekommen. Der EuGH hat allerdings klargestellt, dass eine reine Konsumentenwohlfahrtsperspektive nicht der richtige Ansatzpunkt ist, sondern der Wettbewerb als solcher und die Struktur des Wettbewerbs schützenswert ist210. Daher kann das Argument, dass Verbrauchern Kostenvorteile, die allein auf Nachfragemacht beruhen, zugutekommen, allein nicht überzeugen. Bewertung aus Sicht des Gesamtwohlfahrtstandards. Verfolgt man demgegenüber – wie hier vertreten – einen Gesamtwohlfahrtstandard, sind die Vorteile der Einkaufskooperation mit den Nachteilen für die Lieferanten und den Vor- oder Nachteilen der Verbraucher gegeneinander abzuwägen. Die Effekte dürften, da es sich beim Ausnutzen von Nachfragemacht allein um eine Gewinnverschiebung handelt, neutral sein. Damit besteht zwar keine negative Wirkung, aber auch kein Effizienzvorteil. Nichtberücksichtigung folgenlos? Mitunter wird auf die Folgen der Berücksichtigung von nachfragemachtbedingten Effizienzen hingewiesen. Dabei wird angeführt, dass die Konsequenzen und Gefahren einer Berücksichtigung nachfragemachtbedingter Gewinnvorteile eher gering seien. Denn über die weiteren Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV werde garantiert, dass jedenfalls die Verbraucher am Gewinn zu beteiligen sind211. Entsprechend könnten „Kosteneinsparungen, die nur in Folge von Marktmacht erreicht worden sind, […] in systematisch zutreffender Auslegung der ersten Freistellungsvoraussetzung sehr wohl Effizienzgewinne sein“212. Handele es sich um reine auf Nachfragemacht beruhende Gewinne, so sei es auch unwahrscheinlich, dass diese an die Verbraucher weitergegeben werden. Art. 101 Abs. 3 AEUV sei dann schon aufgrund seiner zweiten Vorausset209  Wolf, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 912 m.  w. N.; Nordemann, in: LMR, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 90 und 100. 210  S. o. § 4 B. I. 3. c). 211  Wolf, in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 912. 212  Wagner, S. 32; i. E. sei es hingegen „zweifellos richtig und wettbewerbstheoretisch nicht zu beanstanden, dass Kosteneinsparungen, die lediglich auf Grund von Marktmacht generiert werden, nicht zu einer Einzelfreistellung führen können.“ (ebd.).

414

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

zung nicht erfüllt213. Zudem werde durch die letzte Voraussetzung des Art. 101 Abs. 3 AEUV sichergestellt, dass der Wettbewerb nicht gefährdet werde214. Denn ist die Nachfragemacht derart groß, dass sie zu Preisreduzierungen führt, könne auch der Wettbewerb ausgeschaltet sein215. Diese Argumentation überzeugt nur für einen begrenzten Teil an Fallkonstellationen und kann daher mangels Allgemeingültigkeit nicht als schlagkräftiges Argument dienen. Denn es bleibt unklar, warum reine auf Nachfragemacht beruhende Gewinne nicht an die Verbraucher weitergegeben werden sollten. Das gilt insbesondere dann, wenn die Marktmacht nur auf den Beschaffungsmärkten besteht, auf den Absatzmärkten hingegen reger Wettbewerb herrscht. Man stelle sich eine Zuckerrübenfabrik vor, die auf ihren regionalen Einkaufsmärkten marktbeherrschend ist, auf den nationalen oder gar globalen Absatzmärkten hingegen nicht216. Weiterhin gilt das für die Vielzahl an Einkaufskooperationen, die aus Unternehmen bestehen, die auf den Absatzmärkten keine Wettbewerber sind und allein durch die Bündelung mit Unternehmen aus anderen Regionen Nachfragemacht auf den Beschaffungsmärkten erzielen. Ebenso wenig kann durch die letzte Voraussetzung des Art. 101 Abs. 3 AEUV sichergestellt werden, dass der Wettbewerb nicht gefährdet wird. Es ist zwar denkbar, dass in Fällen, in denen die Nachfragemacht derart groß ist, dass sie zu Preisreduzierungen führt, auch der Wettbewerb ausgeschaltet sein könnte217. Allerdings gibt es, wie oben gezeigt, einen großen Unterschied zwischen relativer Nachfragemacht gegenüber einzelnen Lieferanten und einem Marktanteil, der derart hoch ist, dass man von einer Ausschaltung des Wettbewerbs i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV sprechen könnte. Letztlich spricht für eine Berücksichtigung auch rein nachfragemachtbedingter Effizienzen ein ganz praktischer Grund: Konditionenvorteile, die auf eigentlichen Effizienzvorteilen und solchen, die auf reiner Nachfragemacht beruhen lassen sich nur schwer voneinander abgrenzen218. Oftmals lassen sich allein die Preisvorteile der Einkaufskooperation messen, ohne dass sich klar feststellen lässt, worauf diese beruhen. Aus den oben genannten Gründen sollte eine künftige GVO klarstellen, dass auch rein nachfragemachtbedingte Vorteile als Effizienzvorteil i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV berücksichtigungswürdig sind. 213  Wagner,

S. 32. in: MünchKomm, Art. 101 AEUV, Rn. 912. 215  Wagner, S.  32 f. 216  Das Beispiel entspricht der Fallkonstellation des US-Präzedenzfalles zur Nachfragemacht Mandeville Island Farms v. Am. Crystal Sugar Co., 334 U.S. 219 (1948); vgl. Alexander, 95 Geo. L. J. 1611, 1618 f. (2007). 217  Vgl. Wagner, S.  32 f. 218  BKartA, Würdigung Stellungnahmen Sektoruntersuchung LEH, S. 12. 214  Wolf,



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung415

III. Dogmatik der Horizontalleitlinien und Handhabbarkeit 1. Innovations-, Auswahl- und Qualitätsrückgänge sind als theories of harm ungeeignet (R3) Wie oben dargelegt, ist der Vorwurf der Horizontalleitlinien, wonach Einkaufskooperationen zu Innovations-, Auswahl- und Qualitätsrückgängen führen, verfehlt, da ein klarer Kausalzusammenhang zwischen ihnen und einer erhöhten Nachfragemacht nicht nachgewiesen werden kann. Im Gegenteil: Nachfragemacht kann, wie die Ausführungen im zweiten Kapitel gezeigt haben, gerade Anreize zu Innovation und zu Qualitätsverbesserungen setzen. Der generelle Vorwurf der Horizontalleitlinien sollte daher nicht in eine neue Horizontal-GVO de lege ferenda übertragen werden. Derartige nachteilige Auswirkungen erfordern ganz konkrete Nachweise. Solche dürften regelmäßig nur langfristig und ex post ermittelt werden können219 und stehen zudem vor der Schwierigkeit nachzuweisen, dass es gerade die Nachfragemacht und nicht andere Faktoren waren, die zu Innovations- oder Qualitätsrückgängen führten. Beispiele für Einflüsse, die herausgefiltert werden müssten, sind gestiegene Preise für Vorprodukte oder Arbeitskräfte, die Hersteller veranlassen Qualitätseinbußen in Kauf zu nehmen, kostenintensive Innovationsanstrengungen zu unterlassen oder sich auf die Produktion von Kernprodukten zu beschränken, um weiterhin zu einem für die Kunden akzeptablen Preis produzieren zu können. Abseits eindeutig nachgewiesener Fälle ist für einen Generalverdacht gegenüber Einkaufskooperationen, wie ihn die Horizontalleitlinien implizieren, kein Raum. 2. Beweislastverteilung (H3) Die Frage der Beweislastverteilung ist in Art. 2 VO Nr. 1/2003 klar geregelt. Die Beweislast für den Verbotstatbestand gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV trägt die Wettbewerbsbehörde220, die Beweislast für die Rechtfertigung gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV trägt hingegen das Unternehmen, das sich auf die Freistellung beruft. Die Darlegungs- und Beweislast gilt dabei für alle vier Freistellungsvoraussetzungen (Effizienzgewinn, Unerlässlichkeit, angemesRaeder, S.  211 m. w. N. gilt sowohl für die ausdrücklich in Art. 101 Abs. 1 AEUV genannten, als auch die ungeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung und der Spürbarkeit der Berührung des zwischenstaatlichen Handels, vgl. Bardong, in: MünchKomm, Art. 2 VO 1/2003, Rn. 12 m. w. N. 219  Vgl. 220  Das

416

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

sene Beteiligung, keine Ausschaltung des Wettbewerbs) trotz der negativen Formulierung von zwei dieser Voraussetzungen221. Unabhängig von der Frage, ob diese Beweislastverteilung für den Fall der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen sinnvoll ist oder nicht, muss diese gesetzliche Grundentscheidung auch bei Entwicklung eines Modells de lege ferenda hingenommen werden. Wie oben beschrieben, bildet das Primärrecht den Rahmen für das hier zu entwickelnde Analysemodell. Art. 2 VO Nr. 1/2003 ist zwar Sekundärrecht, sie entspricht aber der ständigen Praxis der Unionsgerichte222, die das Primärrecht entsprechend auslegen. Vor allem aber kann die Regelung einer speziellen Fallkonstellation – hier der des gemeinsamen Einkaufs durch Wettbewerber – nicht eine Ausnahme vom diesem Grundsatz der Beweislastverteilung rechtfertigen, die nicht nur für die Beurteilung von Einkaufsvereinbarungen, sondern für die Beurteilung jedweder Kooperationen und Kartelle gilt. Zudem gilt die Beweislastregelung nicht nur im Verhältnis zwischen Behörde und Unternehmen, sondern auch in Fällen privater Schadensersatzklagen223. Sollten durch Kartelle geschädigte Klägern zusätzlich zum Kartellverstoß auch noch den Beweis mit Blick auf die Rechtfertigungsgründe gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV auferlegt werden, so würde dies zu allzu hohen Hürden und letztlich zur Versagung des Rechtsschutzes für private Kläger führen224. Eine Ausnahme von der Beweislastverteilung i. R.d. Art. 101 Abs. 3 AEUV kann allein für das Bußgeldverfahren gemacht werden, da sich die Regelung zur Beweislastverteilung an höherrangigem Recht, namentlich der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK und an Art. 48 Abs. 1 GRCh, stößt225. In Bußgeldverfahren muss die Unschuldsvermutung gelten und die Kommission auch die Beweislast für das Nichtvorliegen der Freistellungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV treffen226. Überlegungen über die Sinnhaftigkeit einer solchen Beweislastverteilung können daher lediglich colorandi causa getroffen werden. Insoweit sprechen 221  Nordemann,

in: LMR, § 2 GWB, Rn. 204. Urt. v. 17.1.1984, Rs. 43 und 63/82 – VBVB/VBBB, Slg. 1984, 19, Rn. 52; EuG, Urt. v. 8.6.1995, Rs. T-9/93 – Schöller, Rn. 141; EuG, Urt. v. 9.7.1992, Rs. T-66/89 – Publishers Association, Slg. II-1992, Rn. 69; EuG, Urt. v. 15.7.1994, Rs. T-17/93 – Matra Hachette, Slg. 1994 II-595, Rn. 104; vgl. Papadelli, S. 336. 223  Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 2 VO 1/2003, Rn. 16; Sura, in: Langen/Bunte, Art. 2 VO 1/2003, Rn. 9; Papadelli, S. 337. 224  Papadelli, S. 337. 225  Sura, in: Langen/Bunte, Art. 2 VO 1/2003, Rn. 7; Vilsmeier, S. 134 und 136. 226  Strittig: so Sura, in: Langen/Bunte, Art. 2 VO 1/2003, Rn. 7; a. A. Dalheimer, in: Grabitz/Hilf, Recht der EU, Art. 29 VO 1/2003, Rn. 12 ff. 222  EuGH,



C. Mikroebene: Konkrete Ausgestaltung417

auch aus einer ökonomischen Perspektive und losgelöst von den Begrenzungen durch den Rechtsrahmen betrachtet gute Argumente für eine derartige Verteilung der Beweislast. In Anlehnung an die Sphärentheorie des Schadensrechts oder der ökonomischen Theorie des least-cost-avoider, der zufolge derjenige den Schaden tragen sollte, der ihn am besten vermeiden kann227, sollte die Beweislast demjenigen zugewiesen werden, der den Beweis am günstigsten und damit effizientesten beibringen kann228. Die Einkaufskooperation ist in der besten Position, eine prokompetitive Rechtfertigung schlüssig darzulegen, während deren Ermittlung für die Wettbewerbsbehörden schwerer sein wird229. Schließlich kennen die Kooperationsmitglieder ihren Markt am besten, können selbst am besten bewerten, welche Effizienzen aus der geplanten Kooperation erwachsen und wie die daraus erwachsenden Vorteile an die Verbraucher weitergegeben werden sollen. Die GVO wird damit nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung ändern. Sie hat aber – auch wenn sie nicht zu einer Umverteilung der Beweislast führen kann – dennoch Auswirkung auf die Darlegungs- und Beweislast. Denn wird eine GVO von ihrem Rechtscharakter her als „unwiderlegbare Vermutung für die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV“ verstanden, dann wird derjenige, der ihre Voraussetzungen erfüllt, von einer darüber hinausreichenden Darlegungs- und Beweislast der Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV befreit230. Das kann mit Blick darauf, dass die Kommission in ihren Leitlinien zur Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV eine hohe Substantiierungslast für das Vorliegen von Effizienzgewinnen statuiert231, erhebliche Bedeutung haben. Die Einkaufskooperation müsste dann „nur“232 nachweisen, dass es den safe harbour auf den relevanten Märkten nicht überschreitet – das ist gegenüber den Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV aber eine wesentlich geringere Hürde.

Calabresi, The Costs of Accidents (1970). allgemein ohne Rückgriff auf derartige Theorien Bardong, in: MünchKomm, Art. 2 VO 1/2003, Rn. 14. Auch Blair/Harisson halten es daher für sinnvoll, der Einkaufskooperation die Beweislast dafür aufzubürden, dass ihre Auswirkungen überwiegend positiv sind, vgl. Blair/Harisson, S. 118. 229  Vgl. dazu nur die US Horizontal Merger Guidelines, Section 4, Efficiencies: „Efficiencies are difficult to verify and quantify, in part because much of the information relating to efficiencies is uniquely in the possession of the merging firms.“; vgl. Theurl/Kolloge, S. 10. 230  Vgl. dazu Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 29 VO 1/2003, Rn. 2 m. w. N.; Nolte, in: Langen/Bunte, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 295; FK-Jaeger, Art. 2 VO 1/2003, Rn. 5. 231  Nordemann, in: LMR, § 2 GWB, Rn. 204. 232  Zu den damit verbundenen Schwierigkeiten einer Marktabgrenzung und Marktanteilsberechnung s. o. § 4 A. II. 1. a) aa). 227  Grundlegend 228  Vgl.

418

§ 5 Entwurf eines Analysemodells

3. Fallbeispiele (H2) Fallbeispiele erleichtern gerade vor dem Hintergrund fehlender Rechtsprechung und Fallpraxis der Kommission233 die Anwendbarkeit der HorizontalGVO. Die Horizontalleitlinien führen bereits vier Beispielsfälle an234. Dabei kann Beispiel 1 als ein unproblematischer „weißer“ Fall die untere Grenze im Spektrum der Bewertung von Einkaufskooperation vorgeben. Beispiel 2 kann demgegenüber als Fall mit evident bestehender wettbewerbsbeschränkender Wirkung den oberen Rahmen des Spektrums abstecken. In Ergänzung zu diesen weniger problematischen Beispielsfällen können die im vierten Kapitel erarbeiteten auf realen Fällen nationaler Wettbewerbsbehörden basierenden Problemkonstellationen als Fälle im Graubereich angeführt werden235.

D. Zusammenfassung des fünften Kapitels Für die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen de lege ferenda werden die folgenden Vorschläge unterbreitet, die als Blaupause künftiger kartellrechtlicher Bewertung von Einkaufskooperationen dienen könnten. Sie wurden einerseits ausgehend von der an den Horizontalleitlinien geübten Kritik entwickelt und fußen andererseits auf den Prinzipien der Rechtssicherheit, Treffsicherheit und Handhabbarkeit. Dabei suchen sie nach einem idealen Ausgleich etwaiger Zielkonflikte zwischen den Prinzipien. Die Rechtssicherheit wird durch die Ablösung der Horizontalleitlinien durch eine Horizontal-GVO erhöht. Zudem wird sie durch die Anhebung des safe harbour auf einen Marktanteil i. H. v. 20 %, durch die Schaffung von Toleranzklauseln („zeitlicher safe harbour“) sowie durch eine vereinfachte Marktanteilsbetrachtung bei geringfügigen Überlappungen räumlicher Absatzmärkte der Kooperationsmitglieder gestärkt. Die erhöhte Rechtssicherheit geht nicht zulasten der Treffsicherheit. Diese wird unter Berücksichtigung der grundsätzlich positiven Auswirkungen von Einkaufskooperationen auf die Vermeidung von Fehlern erster Art, d. h. einem over-enforcement gepolt, indem der safe harbour auf 20 % angehoben 233  S. o.

§ 4 A. II. 2. HLL; s. o. § 3 C. II. 4. 235  § 4 C. IV. 4.; der in Beispiel 3 (Rn. 223 HLL) erwähnte theoretische und unproblematische Fall einer Einkaufskooperation, deren Mitglieder auf verschiedenen räumlichen Märkten tätig sind, wird bereits durch die oben vorgeschlagene vereinfachte Marktanalyse bei geringfügigen Überlappungen räumlicher Absatzmärkte der Kooperationsmitglieder (H1) erweitert, sodass er der Realität eher entspricht, s. o. § 5 C. II. 3. b). 234  Rn. 221–224



D. Zusammenfassung des fünften Kapitels419

wird. Dadurch soll ein chilling effect vermieden werden. Dabei erweist sich die von den Horizontalleitlinien etablierte Betrachtung der Marktanteile grundsätzlich als bewährtes Mittel. Es sollte aber durch das Kriterium des relativen Umsatzanteils zwischen Einkaufskooperation und Lieferant als Gegenausnahme zum safe harbour ergänzt werden. Weiterhin ist die Handhabbarkeit durch Fallbeispiele und Erleichterungen im Beweismaßstab zu verbessern. Unternehmen, die Einkaufskooperationen gründen, müssen nur noch die Voraussetzungen der Horizontal-GVO überprüfen statt den hohen Beweisanforderungen i. R.v. Art. 101 Abs. 3 AEUV zu entsprechen. Zudem erleichtern der erhöhte safe harbour und die vereinfachte Bewertung geringfügiger Überlappungen räumlicher Absatzmärkte der Kooperationsmitglieder die kartellrechtliche Bewertung, indem komplexe Marktanteilsberechnungen in vielen bisherigen Grenzfällen entbehrlich werden. Letztlich erleichtern die Toleranzklauseln („zeitlicher safe harbour“) die ständige Kontrolle der Marktanteile. Was den Zielkonflikt zwischen Treffsicherheit, Handhabbarkeit und Rechtssicherheit und die Frage nach der Weite ökonomischer Methoden betrifft, kann auch in diesem Kapitel abermals auf Aristoteles verwiesen werden: „Es zeichnet einen gebildeten Geist aus, sich mit jenem Grad an Genauigkeit zufriedenzugeben, den die Natur der Dinge zulässt, und nicht dort Exaktheit zu suchen, wo nur Annäherung möglich ist.“236

236  Aristoteles,

Nikomachische Ethik I, Kap. 3, 25, 1094b.

Zusammenfassende Thesen Zusammenfassend lassen sich folgende Thesen festhalten: § 1  Grundbegriffe 1. Eine Einkaufskooperation entsteht aus Vereinbarungen selbständiger Unternehmen über den gemeinsamen Einkauf von Waren oder Rechten. Überwiegende Zielsetzung – aber nicht zwingende Voraussetzung – ist die Ersparnis im Einkauf durch Bündelung der Einkaufsmenge und der Verbesserung der Verhandlungsposition gegenüber den Herstellern und Lieferanten.1 2. Die wirtschaftliche, politische und rechtliche Bedeutung von Einkaufskooperationen ist groß. Sie sind in zahlreichen Sektoren, etwa der Automobilindustrie und insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel, ein gern gewähltes Mittel, um Kosten- und damit Wettbewerbsvorteile zu erzielen.2 3. Das Spektrum der Einkaufskooperationen reicht je nach Grad der Zusammenarbeit von der Marktinformationsgemeinschaft über Verhandlungsund Bestellgemeinschaften bis hin zu hochentwickelten Einkaufskooperationen und solcher „neuer Generation“. Stark integrierte Einkaufskooperationen lassen sich nur schwer von Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen abgrenzen, die nach den Fusionskontrollvorschriften bewertet werden.3 4. Der Grad der Zusammenarbeit prägt den Charakter der Kooperation und ist für die Bewertung im Rahmen von Art. 101 AEUV ebenso maßgeblich wie die Anzahl der Mitglieder, die Vereinbarung von Bezugszwängen und andere Charakteristika. Die Rechtsform ist hingegen aus kartellrechtlicher Sicht irrelevant.4

1  S. o.

§  1 A. § 1 B. 3  S. o. § 1 C. 4  S. o. § 1 D. 2  S. o.



Zusammenfassende Thesen421

§ 2  Ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen 1. Einkaufskooperationen führen zu zahlreichen positiven Wirkungen. Mit ihnen lassen sich insbesondere Skaleneffekte (economies of scale) und andere produktive Effizienzen erzielen, Transaktionskosten senken, Investitionen fördern, und auch der Anbieterwettbewerb kann belebt werden. Im besten Fall kommt dies den Verbrauchern durch günstigere Endverkaufspreise, aber auch durch besseren Service oder eine weitere Verbreitung kleiner und mittlerer Unternehmen, etwa in ländlichen Gebieten, zugute.5 2. Dem stehen zwei Stränge negativer Wirkungen gegenüber: a) Durch die Kooperationsbildung entsteht eine erhöhte Gefahr der ausdrücklichen wie stillschweigenden Kartellbildung sowohl auf dem Einkaufs- als auch dem Absatzmarkt. Ermöglicht wird dies durch größere Kostensymmetrien, erhöhten Informationsaustausch und der Strukturveränderung hin zum Oligopol. Auch eine vertikale Kollusion zwischen Einkaufskooperation und Herstellern kann entstehen und insbesondere zu Abschottungseffekten gegenüber konkurrierenden Nachfragern führen.6 b) Darüber hinaus vermag die Einkaufskooperation durch Bündelung der Nachfrage unter bestimmten Voraussetzungen Nachfragemacht gegenüber den Herstellern zu erzielen. Es besteht die Gefahr, dass sie diese missbräuchlich ausnutzt.7 3. Das Phänomen der Nachfragemacht wird dabei durch zwei Theorien, das Monopson-Modell und das Verhandlungsmodell, beschrieben. Beide Theorien haben ihre Berechtigung, aber auch ihre Schwächen. Das Monopson-Modell hat einen zu engen Anwendungsbereich, sodass es in der Realität nur selten auftritt. Das Verhandlungsmodell gibt hingegen (noch) keine Antwort darauf, welche kartellrechtlichen Schlüsse aus ihm zu ziehen sind. Beide Modelle sollten nebeneinander angewendet werden. Sind die engen Voraussetzungen des Monopson-Modells erfüllt8, ist eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung zu vermuten. Zudem sind die Aussagen des Verhandlungsmodells zu berücksichtigen. Demnach sind die jeweiligen Ausweichoptionen im Einzelfall zu untersuchen.9 5  S. o.

§ 2 A. I. § 2 A. II. 1. 7  S. o. § 2 A. II. 2. 8  S. o. § 2 A. II. 2. b) aa): (i) starker Nachfrager bei zahlreichen Anbietern, (ii) steigende Angebotskurve (iii) hohe Marktzutrittsschranken sowie (iv) geringer Wettbewerb auf dem Absatzmarkt. 9  S. o. § 2 A. II. 2. b). 6  S. o.

422

Zusammenfassende Thesen

4. Andere Wirkungen des gemeinsamen Einkaufs bleiben ungewiss. Insbesondere können generelle Qualitäts- und Innovationsverluste sowie eine nachteilige Beeinträchtigung der Produktauswahl weder theoretisch noch empirisch hinreichend nachgewiesen werden. Sie können daher – von Ausnahmefällen abgesehen, in denen sie eindeutig nachgewiesen werden können – nicht als Grundlage wettbewerbsrechtlicher Beurteilung herangezogen werden und nicht als Fundament rechtlicher Missachtung von Nachfragemacht dienen.10 5. Damit bleibt eine Tendenz erkennbar, die zur Grundaussage berechtigt: Die ökonomischen Auswirkungen einer Einkaufskooperation sind im Zweifel positiv. a) Die Gefahr eines gezielten Nachfragerückgangs besteht allenfalls im schmalen Anwendungsbereich des Monopson-Modells11. Zudem ist die durch das Monopson-Modell beschriebene Gefahr bei Einkaufskooperationen niedriger als bei einzelnen Unternehmen mit Nachfragemacht, da die Bereitschaft zum cheating in Form des Kaufs an der Kooperation vorbei bei Nachfragerückgängen hoch ist12. b) Neben Qualitäts-, Investitions- und Innovationsverlusten konnten auch die weiteren Gefahren der Nachfragemacht, etwa der sog. Wasserbetteffekt, nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden.13 c) Die weiteren Gefahren einer erleichterten Kollusion sind nur marginal höher als bei nicht kooperierenden Wettbewerbern, die vergleichbare Effekte beispielsweise durch Verbände erreichen können. Dasselbe gilt für Abschottungseffekte durch vertikale Vereinbarungen mit Herstellern.14 d) Demgegenüber können die positiven Wirkungen von Einkaufskooperationen nicht geleugnet werden und sind empirisch nachgewiesen.15 Die rechtliche Bewertung muss dieser Tendenz durch eine positive Einstellung gegenüber Einkaufskooperationen gerecht werden. 6. Je nach Ausgestaltung sind Einkaufskooperationen in ihren Wirkungen ambivalent:16 a) Positiv zu bewerten sind Einkaufskooperationen, die (i) kleinen und mittleren Unternehmen erst ermöglichen, auf einem Markt tätig zu 10  S. o. 11  S. o.

12  S. o. 13  S. o. 14  S. o. 15  S. o. 16  S. o.

§ 2 A. III. § 2 A. II. 2. b) aa). § 2 A. II. 2. c) aa). § 2 A. II. 2. d). § 2 A. II. 1. d). § 2 A. I. § 2 C. Zwischenergebnis.



Zusammenfassende Thesen423

werden, (ii) Einkaufskooperationen, die oligopolistischen Herstellern Gegenmacht entgegensetzen können und (iii) Einkaufskooperationen, die ihre Einkaufsvorteile an Endverbraucher weitergeben. b) Eindeutig negativ zu bewerten sind Einkaufskooperationen, die (i) als Mittel zur Absprache auf den Absatzmärkten dienen, die (ii) abgestimmtes Verhalten vereinfachen oder die (iii) zur Reduktion der Nachfrage oder zu Abschottungseffekten führen. 7. Die positiven wie negativen Wirkungen lassen sich durch ein System aus kooperationsbezogenen, produktbezogenen, vor allem aber marktbezogene Faktoren prognostizieren:17 a) Die Wahrscheinlichkeit, dass sie primär positive Wirkungen entfalten, ist umso größer, je restriktiver die kooperationsbezogenen Faktoren ausgestaltet sind. Das bedeutet: freiwilliger Bezug statt Bezugszwang, keine Mindestabnahmen, Offenheit statt Geschlossenheit, demokratisch-symmetrische statt asymmetrische Gestaltung. b) Mit Blick auf produktbezogene Faktoren ist die Wahrscheinlichkeit negativer Effekte geringer, je größer die Elastizität der Verbraucher und je geringer die Gemeinsamkeit zwischen Vor- und Endprodukt ist. c) Bezüglich marktbezogener Faktoren gilt, dass ein großer Marktanteil ein Indiz für Nachfragemacht ist, aber nicht alleiniger Indikator. Entscheidend sind auch der Anteil des Nachfragers am jeweiligen Hersteller und die Existenz von Marktzugangsschranken. d) Im Zweifel sind Einkaufskooperationen positiv zu bewerten, wie sich aus der Abwägung klarer positiver mit selten auftretenden negativen oder zumeist völlig ungewissen negativen Wirkungen ergibt.

Diese Faktoren-Wirkungs-Analyse dient als Richtschnur und Gradmesser für die Überprüfung der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen. § 3  Rechtsrahmen, bisherige Rechtsprechung und Kommissionspraxis zu Einkaufskooperationen

1. Das europäische Kartellrecht wurde in den letzten zwei Dekaden von drei weitreichenden Veränderungen geprägt, nämlich der Europäisierung durch Harmonisierung des Kartellrechts der Mitgliedstaaten, der Ökonomisierung durch den more economic approach und der Dezentralisierung durch den mit der VO Nr. 1/2003 vollzogenen Wandel hin zum System der Le17  S. o.

§ 2 B. und C.

424

Zusammenfassende Thesen

galausnahme. Diese Veränderungen beeinflussen maßgeblich die Auslegung der bisherigen Rechtsprechung und Praxis der Kartellbehörden zu Einkaufskooperationen.18 2. Diese Rechtsprechung und Praxis der Kartellbehörden der letzten Jahrzehnte ist nur durch wenige Einzelfallentscheidungen geprägt und gibt daher nur ein mosaikartiges Bild der Thematik wieder. Es lassen sich aber bestimmte Grundlinien erkennen: Dazu gehören die Spürbarkeit, die Einschränkung des Verbotstatbestandes durch notwendige Wettbewerbsbeschränkungen und insbesondere die Bedeutung des rechtlichen wie faktischen Bezugszwangs – das Selbständigkeitspostulat und damit die Handlungsfreiheit standen stets im Mittelpunkt der Argumentation.19 3. Dagegen zeichnen die vom more economic approach geprägten Horizontalleitlinien der Kommission ein divergierendes Bild: der safe harbour i. H. v. 15 %, das Abstellen auf Marktanteile zur Bestimmung der Marktmacht, die Berücksichtigung von Einkaufs- und Absatzmarkt und die Weitergabe der Einkaufsvorteile an die Verbraucher prägen sie.20 4. Vertikale Vereinbarungen zwischen der Einkaufskooperation und ihren Mitgliedern oder zu Herstellern sind anhand der Vertikal-GVO zu überprüfen. Demnach gilt (von Kernbeschränkungen abgesehen) ein safe harbour i. H. v. 30 %. Der Vertikal-GVO kommt allerdings aufgrund ihres am Umsatz orientierten und auf KMU beschränkten Anwendungsbereiches nur für einen begrenzten Teil von Einkaufskooperationen Bedeutung zu. Von umsatzstarken Einkaufskooperationen getroffene vertikale Vereinbarungen sind im Einzelfall anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV und gegebenenfalls Art. 101 Abs. 3 AEUV zu beurteilen.21 5. Einkaufskooperationen sind als Teilfunktionsunternehmen nach europäischem Recht allein anhand von Art. 101 AEUV zu bewerten. Dennoch lassen sich aus der Kommissionspraxis zu Fusionskontrollfällen Faktoren zur Bewertung von Nachfragemacht übertragen, etwa die Bedeutung des relativen Nachfrageanteils. Demnach ist bei einem Umsatzanteil des Nachfragers am Gesamtumsatz des Herstellers von über 22 % von Nachfragemacht auszugehen. Die Voraussetzungen des Missbrauchstatbestandes gem. Art. 102 AEUV erfüllen Einkaufskooperationen mangels marktbeherrschender Stellung regelmäßig nicht.22

18  S. o.

§  3 A. § 3 B. II. 20  S. o. § 3 C. 21  S. o. § 3 D. 22  S. o. § 3 E. 19  S. o.



Zusammenfassende Thesen425

6. Die Rechtslage in Deutschland ist durch die weitgehende Anpassung an das europäische Kartellrecht seit der 7. GWB-Novelle nur noch durch wenige Unterschiede gekennzeichnet. Unterschiede bestehen noch im Unternehmensbegriff (der, je nach Auffassung, den Einkauf durch den Staat vollständig erfasst), im – wenn auch geringen – Anwendungsbereich des § 3 GWB, der Mittelstandskartelle privilegiert, und der Doppelkontrolle von Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen. Zudem wird das Ziel des Schutzes des Wettbewerbs inklusive der Hersteller und Lieferanten statt nur der Konsumenten deutlicher betont.23 § 4  Bewertung von Einkaufskooperationen de lege lata 1. Die Horizontalleitlinien der Kommission als aktuellste Antwort zur kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen sind weitreichender Kritik ausgesetzt und sollten daher nicht unreflektiert als alleiniger Maßstab einer kartellrechtlichen Selbsteinschätzung herangezogen werden: a) Der Charakter als bloße Leitlinie führt zu mangelnder Rechtssicherheit und Legitimation.24 b) Das System der Leitlinien erweist sich in einigen Punkten als sinnvoll, widerspricht aber in zahlreichen Punkten der bisherigen Rechtsprechung und den ökonomischen Wirkungen von Einkaufskooperationen. Insbesondere die Höhe der 15 %-Marktanteilsschwelle auf dem Beschaffungs- und den Absatzmarkt scheint mit Blick auf die grundsätzlich positiven Wirkungen von Einkaufskooperationen zu niedrig gewählt. Sie soll zwar offiziell nur grober Orientierungspunkt sein, sodass auch bei höheren Marktanteilen nicht zwangsläufig von einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung auszugehen ist, faktisch wirkt sie aber für die sich selbstbewertenden Unternehmen als zu enge Barriere einer kartellrechtlich zulässigen Ausgestaltung von Einkaufskooperationen und verstärkt damit einen chilling effect.25 c) Die Kommission verfolgt in den Horizontalleitlinien den more economic approach. Dabei liegt die Zielrichtung der Horizontalleitlinien allein beim Wohl des Verbrauchers, während der Schutz der Hersteller und Lieferanten oder der Wettbewerbsstruktur als solche keine Relevanz zugemessen wird.26

23  S. o.

§ 3 F. § 4 A. I. 25  S. o. § 4 A. II. 26  S. o. § 4 A. III. 24  S. o.

426

Zusammenfassende Thesen

2. Geprägt von den Veränderungen des gesamten Kartellrechts in Form der Harmonisierung, Ökonomisierung und dem Wandel hin zum System der Legalausnahme müssen die alten Entscheidungen zu Einkaufskooperationen auf ihre Gültigkeit hin untersucht werden. Dabei zeigen sich vereinzelt Abweichungen: a) De lege lata kann entgegen der Kommissionspraxis aufgrund der Rechtsprechung des EuGH nicht allein auf die Konsumentenwohlfahrt abgestellt werden, vielmehr ist der Wettbewerb als solches und die Wettbewerbsstruktur zu schützen27. Dem ist zuzustimmen, auch wenn es für die kartellrechtliche Bewertung von Einkaufskooperationen letztlich nicht darauf ankommt. Zur Bewertung von Einkaufskooperationen ist vielmehr die Frage maßgeblich, ob Lieferanten schutzwürdig sind und wie sich deren Schutz zum Schutz der Verbraucher verhält.28 b) Der Bezugszwang allein steht nun nicht mehr im Mittelpunkt, wie die neuere Rechtsprechung der Unionsgerichte deutlich macht. Stattdessen sind die Auswirkungen im jeweiligen Einzelfall maßgeblich. Die Beschränkung der Handlungsfreiheit entfaltet heute nur noch Indizwirkung für eine wettbewerbsschädigende Wirkung.29 c) Zwar sollte der Wandel zum System der Legalausnahme für eine genauere Abgrenzung von Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV sorgen, dennoch spricht die aktuelle Rechtsprechung richtigerweise dafür, auch künftig bei notwendigen Wettbewerbsbeschränkungen und dem Arbeitsgemeinschaftsgedanken den Verbotstatbestand zu reduzieren.30 3. Ausgehend von diesem teilweise gewandelten Verständnis sollen die in den Horizontalleitlinien bestehenden Unklarheiten geklärt und Lücken gefüllt sowie zentrale Wertungen der Horizontalleitlinien auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden: a) Die Ausführungen in den Horizontalleitlinien zur Marktabgrenzung sind ausreichend. Denn es gilt die allgemeine Bekanntmachung zur Marktabgrenzung in spiegelbildlicher Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts und des SSNIP-Tests.31 b) Nach der Rechtsprechung des EuGH in Groupement Cartes Bancaires sind bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen richtigerweise restriktiv 27  S. o.

§ 4 § 4 29  S. o. § 4 30  S. o. § 4 31  S. o. § 4 28  S. o.

B. I. 2. b) cc). D. II. 4. B. I. 2. b) bb). B. II. C. I.



Zusammenfassende Thesen427

auszulegen. Preisvereinbarungen, die im Rahmen einer Einkaufskooperation getroffen werden, sind daher – wie auch von den Horizontalleitlinien – aufgrund ihrer ambivalenten und überwiegend positiven Wirkungen im Einzelfall zu bewerten und dürfen nicht per se als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden.32 c) Für die Analyse der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung können die im zweiten Kapitel herausgearbeiteten Wirkungszusammenhänge genutzt werden.33 4. Aufgrund des nur sanften Wandels in der Rechtsprechung ergeben sich noch große Differenzen zwischen ihr und den Horizontalleitlinien der Kommission bei der Bewertung von Einkaufskooperationen und typischen Einkaufsvereinbarungen. Dazu zählen unter anderem die folgenden Unterschiede: a) Zunächst könnten auch Einkaufskooperationen, deren Marktanteile unter der 10 %-Schwelle der de minimis-Bekanntmachung der Kommission liegen, nach der Rechtsprechung als spürbare Wettbewerbsbeschränkungen erfasst sein.34 b) Bei der Tatbestandsreduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV aufgrund einer notwendigen Wettbewerbsbeschränkung bzw. des Arbeitsgemeinschaftsgedankens ergeben sich keine Unterschiede zwischen Kommissionsansicht und aktueller Rechtsprechung.35 c) Vereinbarungen über den Preis zwischen den Mitgliedern einer Einkaufskooperation sollten richtigerweise nicht per se als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft werden, da ihre Wirkungen auf den Wettbewerb zu ambivalent sind.36 d) Weiterhin wird der noch immer bestehende Zielkonflikt der Schutzrichtung zwischen der allein auf die Verbraucher abstellenden Kommission und der Rechtsprechung, die den Wettbewerb als solchen und die Wettbewerbsstrukturen geschützt wissen will, virulent. Dieser Zielkonflikt hat zur Folge, dass Nachfragemacht, welche Lieferanten schädigt, aber Verbrauchern zugutekommt, nicht positiv zu bewerten ist, sondern gegen Art. 101 AEUV verstoßen kann.37

32  S. o. 33  S. o. 34  S. o. 35  S. o. 36  S. o. 37  S. o.

§ 4 § 4 § 4 § 4 § 4 § 4

C. II. C. III. D. II. 1. D. II. 2. D. II. 3. D. II. 4.

428

Zusammenfassende Thesen

e) Die Aufweichungstendenzen des Selbständigkeitspostulats sorgen dafür, dass ein Bezugszwang zwar noch immer ein gewichtiges Indiz für eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung darstellt, er aber keine hinreichende Voraussetzung mehr für eine solche ist.38 f) Der Marktanteilsschwelle der Horizontalleitlinien von 15 % kommt nach der Rechtsprechung kein großes Gewicht zu. Mitunter akzeptierte die Rechtsprechung weitaus höhere Marktanteilsschwellen von über 30 %.39 g) Im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV sollten jedenfalls dann auch Gewinnallokationen, die allein auf Nachfragemacht beruhen, als Effizienzvorteile berücksichtigt werden, wenn man zugleich eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung bejaht. Anderenfalls würden Einkaufskooperationen, die in ihrer Grundtendenz positiv zu beurteilen sind, doppelt belastet.40 5. Bei der Ausgestaltung einer Einkaufskooperation sollten folgende über die Horizontalleitlinien hinausgehende Hinweise beachtet werden: a) Es genügt nicht, sich allein auf die Einhaltung des safe harbour zu verlassen, sondern es muss damit gerechnet werden, dass dieser in naher Zukunft überschritten wird und sich die Kooperation auch dann noch innerhalb der Grenzen des rechtlich Zulässigen bewegt.41 b) Einkaufskooperationen sollten noch immer Bezugszwänge meiden. Dasselbe gilt für Rabatte, die eine ähnliche Wirkung erzielen, für Mindestbestellmengen, Doppelmitgliedschaftsverbote, Austrittsgelder und zu lange Kündigungsfristen.42 c) Besteht ein hoher Marktanteil auf den Einkaufsmärkten, sollten Nachfragemacht-reduzierende Maßnahmen angewendet werden. Insbesondere sollte darauf geachtet werden, dass der Umsatzanteil am jeweiligen Hersteller nicht über 22 % liegt.43 d) Liegt der gemeinsame Kostenanteil zwischen Vor- und Endprodukt bei 50 % und mehr und bestehen Marktzugangshürden oder weitere der Kollusion förderliche Faktoren, sollte dem durch kollusionsbeschwichtigende Maßnahmen entgegengewirkt werden.44 38  S. o. 39  S. o. 40  S. o. 41  S. o. 42  S. o. 43  S. o. 44  S. o.

§ 4 § 4 § 4 § 4 § 4 § 4 § 4

D. II. 5. D. II. 8. D. II. 10. E. III. 1. E. III. 2. E. III. 4. E. III. 5.



Zusammenfassende Thesen429

6. Als Handlungsempfehlungen für eine rechtssichere Gestaltung von Beschaffungsprozessen kann Folgendes geraten werden: a) Zunächst sollten bei einer Entscheidung für eine Einkaufskooperation die Vorteile eines Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens bedacht werden, das im Rahmen einer Fusionskontrolle überprüft wird. Dies erfordert neben dem Verzicht auf die Selbständigkeit der Gründungsunternehmen beim gemeinsamen Einkauf ein aufwendiges Anmeldeverfahren, sorgt aber für mehr Rechtssicherheit, insbesondere bei in Zukunft möglicherweise steigenden Marktanteilen.45 b) Zudem kann versucht werden, die kartellrechtliche Bewertung mit der Kommission bzw. der nationalen Wettbewerbsbehörde zu besprechen. Die Beratungs- und Abstimmungsmöglichkeiten beschränken sich aber weitgehend auf rein informelle Verfahren.46 c) Einkaufskooperationen lassen sich rechtssicherer gestalten, wenn die kooperationsbezogenen Faktoren am unteren Rand des Spektrums wettbewerbsschädlicher Wirkungen gewählt werden, d. h. möglichst kein oder nur geringer Bezugszwang und offene Mitgliedsmöglichkeiten. Was die Wahl der Mitglieder angeht, sollte darauf geachtet werden, dass sie auf den Absatzmarkt möglichst nicht im Wettbewerb stehen und der Kostenanteil zwischen Vor- und Endprodukt gering ist. Der Verzicht auf missbräuchliche Verhaltensweisen ist selbstverständlich. Die für eine Kollusion relevanten Faktoren können durch den Einsatz von Intermediären, Firewalls und aggregierten Informationsaustausch reduziert werden. Letztlich ist ein umfangreiches Compliance-Programm, insbesondere eine ständige Beobachtung der Marktanteile inklusive vertraglicher Verpflichtungen zwischen den Kooperationspartnern, sinnvoll.47 § 5  Entwurf eines Analysemodells zur Bewertung von Einkaufs-kooperationen de lege ferenda 1. Dem idealen System der kartellrechtlichen Bewertung von Einkaufskooperationen wird sich innerhalb der durch das Primärrecht gesetzten Grenzen von zwei Seiten genähert. Aus der Makroperspektive betrachtet, sollte das neue System eine ideale Mischung aus Rechtssicherheit, Treffsicherheit und Handhabbarkeit bilden48. Aus der Mikroperspektive be45  S. o.

§ 4 § 4 47  S. o. § 4 48  S. o. § 5 46  S. o.

E. I. E. II. E. III. B.

430

Zusammenfassende Thesen

trachtet, sollte das neue System die kritisch zu betrachtende Rechtsnatur, das System und die Dogmatik der Horizontalleitlinien modifizieren49. 2. Die Rechtssicherheit kann durch folgende Maßnahmen gestärkt werden: a) Die Horizontalleitlinien sollten durch eine Gruppenfreistellungsverordnung für Einkaufsvereinbarungen (oder eine Horizontal-GVO, die auch Einkaufsvereinbarungen umfasst) abgelöst werden, die durch Bindung der nationalen Kartellbehörden und Gerichte für Rechtssicherheit sorgt.50 b) Weiter wird die Rechtssicherheit durch Implementierung eines zeitlichen safe harbour (Toleranzklausel) gestärkt, die für zwei Jahre nach dem Kalenderjahr gilt, wenn der Marktanteil zwischen 20 % und 25 % liegt bzw. für ein Jahr, wenn er über 25 % liegt.51 c) Die im zweiten und vierten Kapitel entwickelten Thesen zur Konkretisierung und Modifizierung sollten in der GVO umgesetzt werden: (i) Die bisher bereits in den Horizontalleitlinien enthaltene Klarstellung, dass Preisvereinbarungen innerhalb von Einkaufskoopera­ tionen keine bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen darstellen, wird durch die GVO auch gegenüber nationalen Gerichten und Behörden verbindlich und sorgt für eine einheitliche harmonisierte Kartellrechtsanwendung.52 (ii) Ferner stellt die GVO klar, dass ein vollständiger Bezugszwang regelmäßig nicht angemessen sein kann.53 (iii) Innovations- und Qualitätsverluste sowie Einschränkungen der Produktauswahl, die von den Horizontalleitlinien als typische theories of harm von Einkaufsvereinbarungen genannt werden, sind aufgrund ihrer fehlenden theoretischen wie empirischen Nachweise zu unsubstantiert und ungewiss, um als Fundament wettbewerbsbeschränkender Wirkungen von Einkaufsvereinbarungen aufgeführt zu werden.54 3. Die Treffsicherheit wird durch folgende Maßnahmen erhöht: a) Die Marktanteilsschwellen auf dem Beschaffungs- und Absatzmarkt werden von 15 % auf 20 % angehoben. Dafür spricht, dass unter Be49  S. o. 50  S. o. 51  S. o. 52  S. o. 53  S. o. 54  S. o.

§ 5 § 5 § 5 § 5 § 5 § 5

C. C. C. C. C. C.

I. II. 3. I. 3. I. 3. III.



Zusammenfassende Thesen431

rücksichtigung der grundsätzlich positiven Auswirkungen von Einkaufskooperationen das Kartellrecht auf die Vermeidung von Fehlern zweiter Art gepolt sein sollte, um einen chilling effect zu vermeiden.55 b) Dabei erweist sich die von den Horizontalleitlinien etablierte Betrachtung der Marktanteile grundsätzlich als geeignetes Mittel. Sie sollte allerdings um eine marktstrukturelle und -konzentrative Betrachtung ergänzt werden.56 c) Besondere Sorgfalt muss auf diejenigen Fälle gelegt werden, bei denen die relative Abhängigkeit der Hersteller von den einzelnen Abnehmern – je nach den Umständen des jeweiligen Sektors – bei über 22 % liegt. Hier muss eine an den Umsatzanteilen orientierte Gegenausnahme geschaffen werden.57 4. Schließlich ist die Handhabbarkeit zu verbessern: a) Die auf Marktabgrenzung basierende Marktanteilsberechnung ist auch bei Einkaufskooperationen anzuwenden. Zum einen sind bessere Alternativen nicht ersichtlich. Zum anderen ist das Konzept der Marktabgrenzung und die Bestimmung von Marktanteilen bekannt und bewährt.58 b) Es sollte klargestellt werden, dass unerhebliche Überschneidungen der Kooperationsmitglieder auf den Absatzmärkten (von bis zu 5 % der gemeinsam erworbenen Güter) nicht dazu führen, dass sie als Wettbewerber i. S. d. Horizontal-GVO betrachtet werden.59 c) Letztlich lässt sich bei der Bewertung der Faktoren und Auswirkungen eine gewisse Unschärfe nicht vermeiden. Dies gilt insbesondere für die Ermittlung der Elastizität der Nachfrage und der Drohpotentiale zwischen Einkaufskooperation und einzelnen Herstellern. Nur wenn sich die relevanten Daten mit vertretbarem Aufwand bestimmen lassen, dürfen sie berücksichtigt werden. Eine vollständige Treffsicherheit wird sich wegen der ökonomischen Unsicherheiten nie erreichen lassen. Noch wichtiger aber: eine vollständige Treffsicherheit ist auch aus rechtlicher Sicht nicht erstrebenswert, da sie – wenn überhaupt – nur mit einer Minimierung der Rechtssicherheit und Handhabbarkeit zu erreichen ist, die nicht hinnehmbar ist. Eine gewisse Trennungs­ 55  S. o.

§ 5 § 5 57  S. o. § 5 58  S. o. § 5 59  S. o. § 5 56  S. o.

C. C. C. C. C.

II. II. II. II. II.

2. 3. 1. b) bb). 1. 4.

432

Zusammenfassende Thesen

unschärfe bei der kartellrechtlichen Bewertung ist daher bewusst in Kauf zu nehmen. Denn das Risiko von Fehlern erster und zweiter Art wird durch das Mehr an Rechtssicherheit und Handhabbarkeit ausgeglichen.60 *****

60  S. o.

§ 5 Zusammenfassung.

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Stichwortverzeichnis § 1 GWB  228 ff. § 3 GWB  233 Abbruchoptionen/Drohpunkte/outside options  81 Absatzmarkt – Fokus der HLL auf den Beschaffungsmarkt  253 – Wettbewerb auf dem Absatzmarkt   116 Alleinbelieferung  204 Alleinvertrieb  203 Art. 101 Abs. 1 AEUV  140 ff. Art. 101 Abs. 3 AEUV  165 ff. Art. 101 AEUV – Rechtsfolgen  176 ff. Art.  102 AEUV  222 ff. Beschaffungsmarkt  284 – Fokus der HLL auf den Beschaffungsmarkt  253 – Marktabgrenzung  287 Bestellgemeinschaft  48 Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung  162 ff. Bezugszwang  54 Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung  153 ff. BKartA – Sektoruntersuchung Lebensmittel­ einzelhandel  286 ff. Bundesgerichtshof (BGH) – FENIN  142 ff. – ZVN  40 Bußgelder  177 cheating  86 f. chilling effect  139, 252 ff., 319, 385, 407, 419 countervailing power  62

de lege ferenda  §  5, 364 ff. de lege lata  §  4, 240 ff. downstream-Markt  siehe Absatzmarkt economies of scale  59 Einkaufskooperation – Arten  46 – Bedeutung  38 – Begriff  34 – Charakteristika  52 – Definition  34 – Merkmale  35 – Rechtsform  51 Endverkaufspreise  64 EuGH – Coöperative Stremsel- en Kleursel­ fabriek (Lab-Urteil), 157 ff. – FENIN  142 ff. – Gottrup-Klim/DLG  150 ff. Europäische Kommission  siehe Kommission Fusionskontrolle – Fusion als Alternative zur Einkaufskooperation  347 ff. – Nachfragemacht in Fusionskontroll­ fällen  215 ff. Gegenmacht  siehe countervailing power Handhabbarkeit  378 ff. – Kritik an der Handhabbarkeit der HLL  244 Handlungsempfehlungen  346 Hochentwickelte Einkaufskooperation  48 Horizontale Vereinbarungen  148 ff.

Stichwortverzeichnis471 Horizontalleitlinien  180 ff.; 241 ff. – Anwendungsbereich  198 ff. – Beispielsfälle  193 ff.; 255 – Inhalt  189 ff. – Kritik  241 ff. – Marktanteilsschwelle  190 ff. – Rechtsnatur  181 ff.

Missbrauchstatbestand  222 ff. Mittelstandskartell  233 Monopson-Modell  70 ff.; 257 f. more economic approach  259 ff. – Kritik am more economic approach der HLL  255 must-stock-Produkte  80 f., 106

Innovation  97 ff. – Innovationsverluste  97 ff.; 415

Nachfragekartell  155 f.; 190 Nachfragemacht  68 ff. – Ökonomische Modelle  69 ff. Negative ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen  64 ff. Nivellierungseffekt  92

Kammergericht (KG) – HFGE  40 – Selex-Tania  40 Kartellbildung  65 Kartellverbot  siehe Art. 101 AEUV Kollusion  65 Kommission – Intergroup  40 – Kesko/Tuko  218 – REWE/Meinl  217 – Socemas  40 Konzentrationsprivileg  349 ff. Kostendeckungsklausel  332 Lebensmitteleinzelhandel  41 – Innovationsrückgang  101 – Marktabgrenzung  285 Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit  siehe Horizontalleitlinien Marktabgrenzung  282 ff. – räumlicher Markt – sachlicher Markt Marktanteil  114 Marktanteilsschwelle  siehe safe harbour Marktinformationsgemeinschaften  47 Meistbegünstigungsklauseln  205 Mindestumsatzklausel  332

OFT  29; 54 ff. Ökonomisierung  137 f.; vgl. auch more economic approach One-stop-shop  80  outside options/Abbruchoptionen  81 Positive ökonomische Wirkungen von Einkaufskooperationen  58 ff. Qualitätsrückgang  97 ff.; 415 Rabatte  205, 333 Rechtssicherheit  369 ff. – Kritik an der Handhabbarkeit der HLL  247 safe harbour – Anhebung der Marktanteilsschwelle  377 – Kontrolle des safe harbours  355 ff. – safe harbour der HLL  328 ff. – zeitlicher safe harbour  373 Spiraleffekt  93 Spürbarkeit  145 ff. System der Legalausnahme  138 f. Tatbestandliche Reduktion  149 ff. Transaktionskostenreduktion  60

472 Stichwortverzeichnis Treffsicherheit  374 ff. – Kritik an der Handhabbarkeit der HLL  248 Typ-I- und Typ-II Fehler  375 ff. Unternehmensbegriff  142 f. – deutsches Recht  228 upstream-Markt  siehe Beschaffungsmarkt Urteile  s. u. Bundesgerichtshof, EuGH, Kammergericht Verbot der Doppelmitgliedschaft  333

Verhandlungsgemeinschaften  47 Verhandlungsmodell  78 ff. Vertikale Vereinbarungen  194 ff. Vertikal-GVO  197 ff. Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen  208 ff. Wasserbetteffekt  89 Wettbewerbsbeschränkung  148 ff. Zwischenstaatlichkeitsklausel  140 f. – deutsches Recht  227