Einführung in die Wahrnehmungspsychologie: Sinne, Körper, Bewegung 3825240762, 9783825240769

Grundlegendes Wissen zu Sinnen und Wahrnehmung bringt dieses Buch in seiner 2., überarbeiteten, aktualisierten und erwei

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Einführung in die Wahrnehmungspsychologie: Sinne, Körper, Bewegung
 3825240762, 9783825240769

Table of contents :
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis im Detail
Einführung
I Spüren – Körper und Bewegung
1 Körperwahrnehmung
2 Berührtwerden – Hautempfindungen (Taktile Wahrnehmung)
3 Anfassen und Greifen – Haptische Wahrnehmung
4 Der 6. Sinn – Gleichgewicht, Eigenbewegung und Orientierung
II Die chemischen Sinne – Riechen und Schmecken
5 Riechen
6 Schmecken
III Die „höheren Sinne“ – Sehen und Hören
7 Sehen
8 Hören
IV Die Einheit der Sinne
9 Multisensorische Wahrnehmung und Synästhesie
10 Ästhetisches Erleben und Atmosphäre
Literatur
Abbildungsverzeichnis
Register

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Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart Konstanz, mit UVK/Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH · Zürich

Rainer Schönhammer

Einführung in die Wahrnehmungspsychologie Sinne, Körper, Bewegung

2., überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Auflage

Rainer Schönhammer, Prof. Dr., Professur für Psychologie der Gestaltung, lehrt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Seine Arbeitsgebiete sind Ding-, Technik- und Medienwahrnehmung, Ästhetik sowie Bewusstseinszustände.

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr, eine Haftung des Autors oder des Verlages ist ausgeschlossen. 2., überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Auflage 2013 Copyright © 2013 [2009] Facultas Verlags- und Buchhandels AG facultas.wuv Universitätsverlag, Berggasse 5, 1090 Wien, Österreich Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten. Umschlagfoto: Mund – © istockphoto/Juan Monino Beine – © istockphoto/Jacom Stephens Hand, Ohr, Auge, Nase – © istockphoto/mammamaart Illustration: Claudia Maiwald, Berlin Lektorat: Brigitte Deutschländer-Bauer, Wien; Verena Hauser, Wien Satz: Facultas Verlags- und Buchhandels AG Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm Printed in Austria ISBN 978-3-8252-4076-9

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

I

Spüren – Körper und Bewegung 1 2 3 4

II

Körperwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berührtwerden – Hautempfindungen (Taktile Wahrnehmung) . . . . . . . . Anfassen und Greifen – Haptische Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der 6. Sinn – Gleichgewicht, Eigenbewegung und Orientierung . . . . . . .

22 38 58 77

Die chemischen Sinne – Riechen und Schmecken 5 6

Riechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Schmecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

III Die „höheren Sinne“ – Sehen und Hören 7 8

Sehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Hören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

IV Die Einheit der Sinne 9 Multisensorische Wahrnehmung und Synästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 10 Ästhetisches Erleben und Atmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350

Inhaltsverzeichnis im Detail Einführung 15

Teil I: Spüren – Körper und Bewegung 19 Philosophie u Condillacs Statue 20

1. Kapitel: Körperwahrnehmung 22 Unterschiedliche Formen von Bewusstheit 22 Gemeingefühl 22 Körperschema – Körperbild 25 Ausfall von Afferenzen 29 Phantomglieder 30 Werkzeuge 31 Gefühle und Stimmungen 32 Körperwahrnehmung und Kultur 34 Körpergefühl und Ästhetik 35 Rückschau in Fragen 37 Neuro-Skizze u Somatosensorik 22 Philosophie u Leib vs. Körper 28 Wahrnehmungsqualitäten u Sensorische Deprivation 29 Wahrnehmungsqualitäten u Körper, Raum und Gefühl 33 Hausapotheke & Gesundheitswesen u Körperwahrnehmung 34 Philosophische Ästhethik u Somästhetik 35

2. Kapitel: Berührtwerden – Hautempfindungen (Taktile Wahrnehmung) 38 Qualitäten 38 Brennpunkte der Sensibilität 39 Thermosensibilität und Energiehaushalt 39 Bipolares Wahrnehmen 40 Nähe/Ferne (taktile Schallwahrnehmung), Überraschung, atmosphärisches Spüren 41 Zwischenmenschliches Berühren 44 Gegenstände und Materialien 46 Gewicht, Form, Oberfläche 46 Thermische Qualität 47 Taktile Ästhetik – Materialästhetik 48 Taktile Erinnerungen, Vorstellungen, Halluzinationen, Träume und Synästhesien 51 Hautempfindungen und materielle Kultur 53 Resümee zur Hedonik der Hautempfindungen – Selbstberührung 54 Rückschau in Fragen 56 Psychophysik u Adaptation & Habituation bei Berührung, Druck und Vibration 38 Experiment u Drei-Schalen-Versuch 40 Hausapotheke & Gesundheitswesen u Magersucht und Körperfühlbild 43 Kulturvergleich u Zwischenmenschliche Berührung/Ersatzobjekte 44 Experiment u Aristotelische Täuschung 46 Experiment u Webersche Täuschung 47 Philosophische Ästhetik u Schön und hässlich fürs Fühlen 48 Design u Materialästhetik 50 Schlaf und Traum u Angstvolle Berührungsträume 52

8

Inhaltsverzeichnis im Detail

3. Kapitel: Anfassen und Greifen – Haptische Wahrnehmung 58 Form, Erkunden, Handhaben 58 Entwicklung des haptischen Wahrnehmens 59 Haptische Vorstellungen, Täuschungen, Halluzinationen und Träume 61 Begreifen und Betrachten im Vergleich 64 Tastbare Bilder und Karten – Reliefzeichnungen für Blinde und von Blinden 65 Haptik als Alternative zur visuellen Ästhetik von Plastiken 70 Haptisches Wahrnehmen und materielle Kultur 72 Rückschau in Fragen 75 Philosophie u Betasten vs. Vitalempfindung 58 Experiment u Größen-Gewichts-Täuschung 59 Wahrnehmungsqualitäten u Säuglingsforschung und das Molyneux-Problem 60 Schlaf & Traum u Träume bei Lähmung 63 Medien u Blinde, Computer und Internet 68 Wahrnehmungsqualitäten u Taktile Vision Substitution System (TVSS) 69 Philosophische Ästhetik u Bildhauerei 70 Design u Ästhetik des Griffigen – Türklinken 72 Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom passiven und aktiven Tastsinn 75

4. Kapitel: Der 6. Sinn – Gleichgewicht, Eigenbewegung und Orientierung 77 Aufrechter Gang, oben/unten, Dreh- oder Geradeaus-Beschleunigung 77 Visuell induzierte Bewegung 80 (Multi)sensomotorische Integration 80 Vestibulo-okulärer Reflex 81 Entwicklung der sensomotorischen Integration 82 Bewegungskrankheiten und andere Irritationen des 6. Sinns 83 Techniken der Beruhigung und Erregung (Mechanische Drogen) 87 Vertikal und schräg (Gleichgewichtssinn und Architektur) 91 Orientierung, Denken und Emotion 93 Halluzinationen, Schlaf und Traum 94 Kulturgeschichte und Ethnographie des 6. Sinnes 95 Rückschau in Fragen 97 Neuro-Skizze u Das vestibuläre System 77 Experiment u Bewegungsillusion durch Vibration 79 Experiment u Wackelnde Welt 81 Philosophische Ästhetik u Schwingen vs. Erschrecken 88 Design u Segway & Swingo 88 Tiervergleich u Springen, Gleiten, Schaukeln, Stürzen – vestibuläre Spiele 89 Experiment u Taub-blinde Orientierung 93 Schlaf und Traum u Fliegen und Fallen im Treppenhaus 95 Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom Gleichgewichtssinn 96

9

Inhaltsverzeichnis im Detail

Teil II: Die chemischen Sinne – Riechen und Schmecken 99 Stoffwechsel & Milieu 100 Makrosmaten & Mikrosmaten 100 „Niedere Sinne“, Kunst & alltägliche Ästhetik 101 Wissenschaftsgeschichte u Aufrechter Gang & Irmas Nase 101

5. Kapitel: Riechen 102 Quantität & Qualität, Adaptation 102 Gerüche sind kaum zu beschreiben 104 Klassifikationen 105 Bewertung 105 Mimik und Bewegung 106 Entwicklung der Hedonik des Riechens 107 Sensibilitätsunterschiede 109 Störungen des Geruchssinns 109 Riechen und Bewusstseinszustand 110 Erinnerung, Vorstellung, Traum, Halluzinationen, Synästhesien 110 Riechen und Sexualität 113 Sozialpsychologie des Riechens 115 Orte riechen, Atmosphären 117 Architektur und Stadtplanung 118 Krankheit 119 Religiöse Zeremonien 119 Orientierung in olfaktorischen Milieus 119 Riechkulturen 120 Fremdenfeindlichkeit und kulturelle Neugier 120 Riechen und Medien, OlfaktorikDesign und Marketing mit Duft 121 Geruchskunst und Riechpädagogik 123 Rückschau in Fragen 124 Neuro-Skizze u Geruchssinn 102 Wahrnehmungsqualitäten u Duft-Klassifikationen 104 Design u Parfum-Marketing 106 Wahrnehmungsqualitäten/Sinnesphysiologie u Trigeminale Chemorezeption 107 Kulturvergleich u Fäkalgeruch 108 Hausapotheke & Gesundheitswesen u Aromatherapie 109 Schlaf und Traum u Träume durch Gerüche – Riechen in Träumen 111 Tiervergleich u Vomeronasales Organ 114 Kunst, Medien & Werbung u Achselhöhlen 114 Philosophie u Persönliche Geruchssphäre 116 Kulturgeschichte u Unsensibel und überempfindlich zugleich? 120 Kunst, Medien & Werbung u Riechkino 122 Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom Riechen 124

6 Kapitel: Schmecken 126 Grundqualitäten 127 Psychophysik 128 Sensibilitätsunterschiede 128 Hedonik der Grundqualitäten – Ob schmeckt, was man schmeckt 129 Mimik und Körperbewegung 130 Multisensorisches Schmecken, Kochkulturen und Food Design 131 Schmecken und Sexualität 135 Eat-Art und Schmeck-Pädagogik 136 Rückschau in Fragen 137 Neuro-Skizze u Geschmackssinn 126 Wahrnehmungsqualitäten u bitter/süß 129 Philosophische Ästhetik u Taktile Theorie des Süßen und Bitteren 132 Kulturgeschichte u Ist Kochen Kunst? 134 Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom Schmecken 137

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Inhaltsverzeichnis im Detail

Teil III: Die „höheren Sinne“ – Hören und Sehen 139 Distanzsinne 140 7. Kapitel: Sehen 141 Lichterscheinungen – Beleuchtungsverhältnisse 144 Licht-Pathos/Licht-Mystik 145 Glanz 147 Leuchten 149 Glitzern, Funkeln, Flackern, Flimmern 150 Blitze 150 Feuerwerk 150 Nebel 151 Beleuchtungsverhältnisse 151 Farbwahrnehmung 154 Tiervergleich 156 Kulturvergleich 156 Helligkeits-/Farbkonstanz 157 Amodale Farben 158 Farbordnung, Farbmischung, Farbkontraste 158 Farbe und Affekt 159 Farbgestaltung 161 Etwas sehen: Kontraste, Figuren, Gestalten – Szenen 163 Tiere und Menschen sehen: Bewegung 167 Orientierungsreaktion 167 Schnelle Annäherung 167 Charakteristische Bewegung 168 Haltung als potentielle Bewegung 168 Animismus, Animationsfilm, Anthropomorphismus, uncanny valley 170 Gestaltfaktoren der durchgehenden Kurve und des gemeinsamen Schicksals 171 Stroboskopische Bewegung 171 Tunnel-Effekt und anschauliche Identität 172 Tiere und Menschen sehen: Gesichter 172 Augen 173 Gesichtsmodus bzw. -modul 175 Karikatur-Effekt 176 Dauerhafte Züge und Mimik 177 Karikatur-Effekt und Ausdruck 177 Individuelle Mimik 177 Kategoriale Wahrnehmung von Gesichtern 178 Menschen und Tiere sehen: Ästhetik 179 Mittelmaß ist schön 179 Erklärungen des Prototypen-Effekts 180 Soziale Momente 182 Experimentelle Überbetonung weiblicher und männlicher Züge 183 Mimik und Kopfbewegung 184 Mischlingsgesichter 185 Körpergestalt und Körperbewegung 185 Gesichter und Körper der Dinge 186 Kanonische Ansichten 187 Formkonstanz 188 Wertschätzung von Gegenständen 189 Blick in die Szenerie 190 Ressourcen, lebendiges Milieu 190 Aufenthaltsorte 191 Wege 192 Orientierung 193 Entfernung, Größenkonstanz, räumliche Tiefe 193 2D/3D 198 Sehen, ohne zu sehen 201 Sehen beim Handeln 201 Umkehrbrillen 202 Blindsehen 202 Blinder Fleck 203 Unschärfe im peripheren Gesichtsfeld 203 Doppelbilder 204 Sakkaden 205 Veränderungsblindheit 205 Visuelles Vorstellen, Halluzinieren, Träumen – und (Bild)Wahrnehmung 206 Bildmedien 211 Rückschau in Fragen 214 Neuro-Skizze u Sehen 141 Kunst, Medien & Werbung u Sonne und Gegenlicht 146 Experiment u Binokularer Glanz (oder: Blick auf eine heimliche Quelle 148 der 3D-Kino-Faszination) 148 Kunst, Medien & Werbung u Bilder-Leuchten 150 Experiment u Ganzfeld 151 Wahrnehmungsqualitäten u Schatten 152 Design & Architektur u Beleuchtung vs. Leuchten 154 Neuro-Skizze u Farben-Sehen 155 Experiment u Helligkeitskonstanz 156 Experiment u Farbausdruck kritzeln 160

Inhaltsverzeichnis im Detail

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Design u Farbe im Büro 162 Wahrnehmungsqualitäten u „Gestaltgesetze“ 164 Experiment u Gefühle kritzeln 169 Experiment u Punkt-Blick 173 Experiment u Invertierte Fratze 174 Kunst, Medien & Werbung u Tiergesichter (als Karikaturen) 178 Wahrnehmungsqualitäten u Morphing 178 Wahrnehmungsqualitäten u Durchschnittsgesichter: engelsgleich – schicksalslos 181 Wahrnehmungsqualitäten u Kubismus 189 Kulturgeschichte u Fernblick 192 Wahrnehmungsqualitäten u Scheinbare Entfernung und Größe 195 Experiment u 3D mit einem Auge (I) 197 Experiment u 3D mit einem Auge (II) 198 Kulturgeschichte u Perspektive 200 Experiment u Blinder Fleck 203 Wahrnehmungsqualitäten u Mona Lisas Lächeln 203 Schlaf und Traum u Wie sehen Traumbilder aus? 209 Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom Sehen 213

8. Kapitel: Hören 217 Geschehenswahrnehmung 217 Kategoriale Wahrnehmung 218 Warnsinn 222 Richtungshören 222 Entfernungshören 223 Identifizieren 223 Stimme und Kommunikation 227 Musik und Tanz 229 Lautsphären und Raumakustik 232 Lebensgefühl bei Taubheit 236 Lärm macht krank, dumm und asozial – und unter Umständen glücklich 239 Lärmtaubheit 239 Lärmstress 239 Sozialer Lärm 240 Lärmbekämpfung 240 HörMedien 241 Telefon 241 Schallkonserven 242 Radio 242 Film 243 Computerspiele 244 Videoclip 244 Kopfhörer 244 Stimmen der Dinge – Akustisches Produktdesign 246 Auditive Vorstellungen, Halluzinationen, Träume und Synästhesien 247 Rückschau in Fragen 250 Experiment u Versuchsweise blind oder taub (I) 217 Neuro-Skizze u Hören 218 Psychophysik u Psychoakustisches Glossar 225 Philosophie u „Das Wesen des Hörens“ 235 Experiment u Versuchsweise blind oder taub (II) 238 Wahrnehmungsqualitäten u Kopf-Hörer als mobile Kunstköpfe 245 Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom Hören 249

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Teil I: Spüren – Körper und Bewegung

Teil IV: Die Einheit der Sinne 251 Experiment u Bauhausfragebogen zu Form und Farbe I 252

9. Kapitel: Multisensorische Wahrnehmung und Synästhesie 253 Körper, Raum, Aufmerksamkeit 257 Die relative Dominanz des Sehens 258 Räumliches Auflösungsvermögen des Sehens: Bauchrednereffekt 258 Zeitliches Auflösungsvermögen des Hörens: Doppelblitz-Illusion, Freezing-Phänomen, Prellball Effekt 259 Transmodale Qualitäten 260 Helligkeit 261 Maluma und Takete 262 Affekte 263 Lernprozesse 265 Synästhesie 267 Phänomenologie 267 Begriffsverirrungen 268 Abgrenzung 268 Glaubwürdigkeit 270 Theorie 271 Rückschau in Fragen 274 Neuro-Skizze u Multisensorisches Wahrnehmen und Synästhesie 253 Experiment u Bauhausfragebogen zu Form und Farbe II 264 Kunst, Medien & Werbung u Bilder von der Einheit der Sinne/Synästhesien 273

10. Kapitel: Ästhetisches Erleben und Atmosphäre 276 Bedeutungsfacetten von „ästhetisch Erleben“ 276 Lust, Erregungsgrad und Komplexität 278 Biologisch bedeutsame Objekte und Situationen 281 Erleichterung des Wahrnehmens/Erschweren des Wahrnehmens 283 Funktionslust, Einfühlung und Flow 286 Aufmerken 291 Atmosphäre: Milieu-Empfinden 292 Rückschau in Fragen 296 Neuro-Skizze u Ästhetisches Erleben 276 Philosophische Ästhetik u Vom Erhabenen und Schönen 280 Kunst, Medien & Werbung u Haben Spiel und Kunst eine 282 evolutionäre Bedeutung? 282 Philosophische Ästhetik u Kitsch 284 Wahrnehmungsqualitäten u Tanz: Partnerwahl, Schwerkraftspiel,282 sensomotorische Synchronisation, Ekstase 287 Wahrnehmungsqualitäten u Sexuelle Lust 289

Einführung Was unterscheidet diese Einführung in die Wahrnehmungspsychologie von anderen? – Ich unterrichte Studenten von Kunst und Design. Vorliegende Lehrtexte zur Wahrnehmungspsychologie gehen insbesondere für diese beiden Studienrichtungen zu sehr ins physiologische, experimentell-methodische und wissenschaftsgeschichtliche Detail. Zugleich lassen sie Ästhetik und materielle Kultur weitgehend außer Acht. Demgegenüber ist es ein Leitmotiv dieses Buches, alltägliche und außergewöhnliche Aspekte des ästhetischen Erlebens und des Umgangs mit Dingen und Räumen zu erhellen: Es thematisiert Atmosphären, Naturerleben, Architektur, Technik sowie Medien von Radio über Film bis zum Computerspiel, geht etwa auf die Wahrnehmung von 3D-Kino, virtueller Realität und Simulatoren ein. Anders als Bücher zur Kunst-, Architektur- und Medienpsychologie, die sich auf Spezialfragen konzentrieren, zielt dieser Text aber zugleich darauf, Sinne und Wahrnehmen im Überblick zu erschließen. Dieses Buch behandelt also die Rolle von Fühlen, Riechen, Schmecken, Sehen und Hören im Umgang mit Dingen, Medien, Technik, im Erleben von Natur und gebauter Umwelt sowie im zwischenmenschlichen Miteinander. Es spart sinnesphysiologische, methodische und psychologiegeschichtliche Details aus, die für diesen Zweck verzichtbar erscheinen. Doch es ist keine Sparten-Wahrnehmungspsychologie für angehende Künstler und Gestalter. Es kreist nicht um einige vermeintlich praktisch hilfreiche Evergreens, wie die Gestaltgesetze, sondern knüpft – mit Seitenblicken zu Erträgen und Thesen der Kulturwissenschaften und Philosophie – an den Stand der wahrnehmungspsychologischen und neurowissenschaftlichen Forschung an. Es soll ein Wegweiser für Studierende der gestalterischen Fächer sowie für angehende Kultur- und Sozialwissenschaftler ebenso sein wie ein lohnender Ausflug für Studierende der Psychologie bzw. der Neuro- und Kognitionswissenschaften. Zur Orientierung am Stand der Forschung gehört eine Perspektive, bei der die isolierte Betrachtung der einzelnen Sinneskanäle, die in den meisten wahrnehmungspsychologischen Lehrtexten noch vorherrscht, konsequent überschritten wird: Vom ersten Kapitel an geht es um das Zusammenspiel der Sinnesmodalitäten und darum, wie Bewegung und Affekt ins Wahrnehmen eingebaut sind. So ist der Untertitel Sinne, Körper und Bewegung gemeint: Der Text handelt nicht neben dem Empfinden und Wahrnehmen auch noch Körper und Bewegung ab, sondern von der innigen Beziehung des Wahrnehmens zum Körper, seinem Befinden und Agieren. In der heutigen (neurokognitiven) Wahrnehmungsforschung und Wahrnehmungstheorie stehen Begriffe wie Sensomotorik (sensorimotor processes), Embodiment (embodied cognition) und gelegentlich auch enaktives Wahrnehmen (enactive perception) für ein umfassenderes Verständnis der Sinne. Dem ersten Begriff, der Sensomotorik, wird der Leser gelegentlich im Text begegnen. Der Begriff des Embo-

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Einführung

diment schien mir sprachlich vermeidbar. Die mit dem Begriff des enaktiven Wahrnehmens verbundene Position schließlich ist mir nicht ganz geheuer, weil sie das Subjekt im Übermaß zum Schöpfer seines Erlebens stilisiert und damit aus dem Auge verliert, dass Sinneserfahrung nicht in intentionalen Akten aufgeht, sondern auch eine passive Seite hat. Wenn man die (alltägliche) Ästhetik von Fühlen, Riechen, Schmecken, Sehen und Hören ins Auge fasst, kommt man nicht umhin, diese passive Seite zur Kenntnis zu nehmen. Was die funktionelle Neuroanatomie der aktuell mit großem Elan erforschten multi-/intersensorischen wie sensomotorischen Beziehungen angeht, beschränke ich mich auf Skizzen, die das Verständnis wecken sollen und den Weg zu vertiefender Literatur weisen. Während andere Lehrbücher das Wahrnehmen vom Sehen her aufrollen, geht diese Einführung, im Sinne der eben benannten Perspektive, vom Körper und dem Spüren aus – jedoch nicht in der Absicht, den Körper (kulturkritisch) gegen das Sehen auszuspielen. Sowohl die Körpersinne als auch das Riechen und Schmecken stelle ich relativ ausführlich dar. Dem Gleichgewichtssinn ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Dennoch ist auch in diesem Buch das Kapitel über das Sehen das längste. An Sehen und Hören schließen eigene Kapitel zu multisensorischem Wahrnehmen und ästhetischem Erleben an. Fäden, die durch das Buch laufen, werden in diesem letzten Teil des Buches miteinander verwoben und derart in einen größeren Zusammenhang gestellt; dabei geht es unter anderem darum, wie sich das ungewöhnliche Phänomen Synästhesie zur normalen Einheit der Sinne verhält oder wie sich Atmosphäre, eine Erscheinung, die in der heutigen philosophischen Ästhetik starke Beachtung findet, aus wahrnehmungspsychologischer Sicht bestimmen lässt. Die erwähnten aktuellen Tendenzen der Forschung treffen sich mit älteren Strömungen, die in der Psychologie zwischenzeitlich eher ignoriert worden waren: der Gestaltkreislehre (V. v. Weizsäcker), der Einfühlungs- bzw. Mitbewegungsästhetik (R. Vischer, Th. Lipps, K. Groos) und der phänomenologischen Psychologie (F. J. J. Buytendijk, D. J. van Lennep, M. Merleau-Ponty, E. Straus). Das sei nur im Vorbeigehen erwähnt, ohne diese Traditionen seligsprechen zu wollen. Auch in dieser Hinsicht werde ich Theoriegeschichte weitestgehend ausklammern. Jedenfalls lehrt die angedeutete Entwicklung, dass beschreibende, erfahrungskundliche und erklärende, naturwissenschaftliche Zugänge sich gegenseitig befruchten können. Der Sache nach ergibt sich im Text mehrfach der Hinweis auf den Grundgedanken der Einfühlungs- bzw. Mitbewegungsästhetik. Anknüpfungspunkte findet das heutige Bemühen um den Sinn der Sinne auch in der Tradition des Umweltdenkens in Verhaltensbiologie und theoretischer Biologie (K. Lorenz, J. v. Uexküll). Dieser Sicht verschaffte James Gibson seit Mitte des vorigen Jahrhunderts mit seiner ökologischen Wahrnehmungspsychologie eine dauerhafte Nische. Gibsons Die Sinne und der Prozeß der Wahrnehmung (1973; orig.: The Senses

Einführung

17

Considered As Perceptual Systems, 1966) ist auch ein Klassiker der sensomotorischen Perspektive. Gibson macht klar, dass wir nicht nur sehen, um uns bewegen zu können, sondern tatsächlich auch mit den Beinen – und was die Augen sonst noch beweglich macht – sehen. Dass Gibson sich auch vergaloppiert bei seiner Abrechnung mit so gut wie allem, was sonst je zum Thema gedacht worden ist, steht auf einem anderen Blatt. Das bleibt hier außer Acht. Verzichtbar erscheinen mir im gegebenen Rahmen auch Details seiner Lehre zum optischen Fließen, die – vermutlich wegen ihrer plakativen Illustrationen – inzwischen zum Lehrbuchstandard gehören. Die vorliegende Einführung ist mit Bedacht relativ sparsam und zurückhaltend bebildert. Alle Skizzen wurden von Claudia Maiwald eigens für dieses Buch erstellt. Farbtafeln fehlen zugunsten einiger weniger Bilder zum Ausmalen (am besten mit Buntstift). In einem Fall verhilft das zu einer Demonstration, die bei vorgegebener Farbe nicht möglich wäre, in anderen trägt es zumindest zur persönlichen Aneignung des Textes bei. Einem der Wegbereiter der Umweltperspektive in der Wahrnehmungsforschung, dem Buch Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen. Ein Bilderbuch unsichtbarer Welten des Biologen Jacob von Uexkülls und seines Kollegen Georg Kriszat (1970/1934), der es illustrierte, entnehme ich das bildliche Motto dieser Einführung. Die These von der Bezogenheit der Merkwelt eines Organismus auf dessen Wirkwelt wird in den Streifzügen durch eine Bildserie illustriert, die ein Zimmer in drei unterschiedlichen Akzentuierungen zeigt. Die Bilder sollen vermitteln, dass die nämlichen physikalisch-chemischen Gegebenheiten drei verschiedene Umwelten enthalten: das Zimmer des Menschen, des Hundes und der Fliege – drei Bedeutungsreliefs, die sich teils überschneiden. (Unsere Abbildung zeigt nicht das Original; wir haben das Biedermeier-Interieur durch ein modernes Wohnzimmer ersetzt und seine farbliche Akzentuierung, die unbeabsichtigt dazu verleiten kann, über die jeweilige Farbwahl zu grübeln, durch Graustufen.) Der Vergleich macht anschaulich, dass die Sinne nicht neutral abbilden (wie ein Fotoapparat), sondern geprägt sind von dem, was Mensch, Hund und Fliege brauchen, wie sie agieren können bzw. was sie gewohnt sind zu tun. (Wie meist bei erhellenden Vergleichen darf man nicht zu genau über Einzelheiten nachdenken.) Anders gesagt: Sinneserfahrung enthält gattungsspezifische – und besonders beim Menschen auch kulturspezifische – Aufforderungen zum Tun und Lassen. Eine Bemerkung zu den Literaturhinweisen: In den relativ sparsamen Quellenangaben im Text selbst wie den Hinweisen zur weiterführenden Literatur (an den Enden von Abschnitten in den einzelnen Kapiteln) nenne ich – abgesehen von klassischen Büchern – vorwiegend eher aktuelle oder zusammenfassende Arbeiten als die (normalerweise zitierten) Initialzündungen. Das soll eine Vertiefung auf dem Stand der Diskussion erleichtern. Die Namen, Begriffe und Literaturangaben, die im Text fallen, geben dem Leser Anhalt bei der eigenen Recherche (etwa nach weiteren Illustrationen

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Einführung

oder der allerneuesten Literatur) in Suchmaschinen und Datenbanken wie Psyndex und Psychlit (meist in Universitäts- und Landesbibliotheken frei zugänglich); Letztere führen auch die Arbeitsstätte von Autoren an, die dann im Internet meist einen kurzen Weg zu deren Homepage und damit oft zu vollständigen Texten eröffnet.

Teil I Spüren – Körper und Bewegung

Traditionell stehen die klassischen fünf Sinne für Fenster des Organismus zur Außenwelt. Nur beim Tastsinn kommen Körper und Bewegungen ins Spiel. Sinnbildlich wird der Tastsinn ja meist durch die Hand oder erotische Szenen dargestellt. Der offensichtlichen Körperlichkeit dieses Sinnes verdankt sich seine traditionelle Bewertung als „niederer Sinn“. Wie in der Einführung erwähnt, setzt sich heute in Wahrnehmungstheorie und -forschung zunehmend die Perspektive durch, dass Sinne und Wahrnehmung überhaupt nur im Kontext von Körper und Bewegung bzw. Aktion verständlich sind. Aufgrund der Vernetzung von Körper und Bewegung mit allen Sinnen wird es bereits in den folgenden Kapiteln zur Körperwahrnehmung verschiedentlich Vorgriffe auf die anderen Sinne, nicht zuletzt auf das Sehen, geben.

Philosophie u Condillacs Statue In einem berühmten Gedankenexperiment trieb der französische Aufklärungsphilosoph Étienne Bonnot de Condillac (1714–1780) die isolierte Betrachtung der Sinne auf die Spitze: Wie muss man sich die Eindrücke vorstellen, die ein von Marmor umhüllter Mensch empfinge, dessen steinernen Panzer man für den einen oder anderen Sinn öffnete? Condillac lässt seine Statue als Erstes riechen; sie unterscheide angenehme und unangenehme Gerüche. Das beziehe sie aber nicht auf die Außenwelt: Sie differenziere Empfindungen, nicht jedoch zwischen sich und der Umgebung, sei also nicht in der Lage, überhaupt eine Reizquelle auszumachen respektive zu lokalisieren. Unbehagliche Gerüche, sagt uns Condillac, seien gleichbedeutend mit einer (inneren) Unruhe der Statue. Entgehen könne sie dem aber nur dadurch, dass sie sich an angenehme Düfte erinnere. Entsprechend ergehe es der Statue bei Schmecken, Hören und Sehen (einzeln oder kombiniert). Einzig der Tastsinn erlaube es der Statue, zwischen sich und der Außenwelt zu unterscheiden. Und zwar deshalb, weil sie bemerke, dass nur im Falle der Selbstberührung eine doppelte Empfindung eintrete. Damit es überhaupt zu einer Selbstberührung kommen kann, verleiht Condillac der Statue die Freiheit, sich zu bewegen. In Verbindung mit dem Tasten könne die Statue dann auch die anderen Sinnesempfindungen auf die Außenwelt beziehen. Condillacs Gedankenspiel steht im Zusammenhang mit der seinerzeit unter Philosophen vieldiskutierten Frage, ob ein erfolgreich an den Augen operierter Blindgeborener auch ohne Anleitung durch das Tasten, also allein auf Basis der neu gewonnenen visuellen Eindrücke, früher schon gefühlte Gegenstände wiederzuerkennen vermöge [siehe den Kasten Wahrnehmungsqualitäten u Säuglingsforschung und das MolyneuxProblem in Kap. 3]. Mit seiner Statue wollte Condillac nachweisen, dass tatsächlich erst das Tasten aus Sinneseindrücken Wahrnehmungen von Objekten in der Umwelt mache. Dabei hat er allerdings unter der Hand ein Plädoyer dafür geliefert, dass nicht Berührung, sondern Bewegung der Angelpunkt ist. Denn hätte er seiner Statue auch schon im Verbund mit Riechen, Sehen oder Hören gestattet sich zu bewegen, wäre es ihr dank der Veränderung der Reize durch die eigene Bewegung auch vermittels dieser Sinne bereits möglich gewesen, Sinnesempfindungen auf Reizquellen in der Umgebung zu beziehen (um sich ihnen letztlich nähern oder von ihnen entfernen zu können

Teil I: Spüren – Körper und Bewegung

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– worin ja aller Wahrscheinlichkeit nach der Grund dafür liegt, dass sich Sinnesorgane überhaupt herausgebildet haben; diesem biologischen Kern der Sinneswahrnehmung trägt Condillac Rechnung, indem er der Statue immerhin eine ‚innere Unruhe‘ zuschreibt). Lesen u Condillacs „Abhandlung über die Empfindungen“ (1983; das fr. Orig. von 1754 und eine dt. Übersetzung von 1870 sind im Internet etwa über archive.org frei zugänglich)

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Körperwahrnehmung

Die Frage: „Wie spüren Sie im Moment Ihren Körper?“ dürfte Leser, die sich darauf einlassen (und für einen Moment mit dem Lesen innehalten …), dazu bringen, nun erst etwas wahrzunehmen, das ihnen vor dieser Frage nicht gegenwärtig war. Wer also nicht akut unter Schmerzen leidet oder sich z. B. eben unbequem auf seiner Sitz- oder Liegegelegenheit fühlte und die Frage deshalb prompt beantworten kann, wird kurz in sich hineinhorchen und dann vielleicht ein Druckgefühl an Oberschenkeln, Hintern und Rücken registrieren, den leeren oder vollen Magen, den (vielleicht beengt) atmenden Brustkorb, kalte Füße oder irgendwo ein Jucken. – Der eigene Körper bleibt über weite Strecken unseres Daseins im Hintergrund. Wir nehmen ihn nicht aufmerksam wahr. Wenn wir etwas tun – ob Lesen, Schreiben, Einkaufen oder Autofahren –, ist unsere Aufmerksamkeit nach außen, auf unsere Umwelt gerichtet. Unser Körper kommt uns bei den alltäglichen Aktivitäten nur ausnahmsweise zu Bewusstsein. Etwa dann, wenn besondere Anstrengung oder starke Gefühle im Spiel sind. Dann nehmen wir unwillkürlich beispielsweise schwere Glieder, pochenden Herzschlag, flaue Gefühle im Bauch, Anspannung oder Beschwingtheit wahr. Die offenkundigste Ausnahme von dieser Regel sind Situationen und Handlungen, bei denen es um den Körper und seine Lust geht – vom Entspannen im warmen Bad bis zur Sexualität. Auch beim Erlernen komplexer Bewegungsweisen (z. B. im Sport, beim Musizieren oder beim Autofahren) steht der eigene Körper im Brennpunkt der Aufmerksamkeit; anfänglich ist er sich da sozusagen selbst im Weg, mit einer gewissen Übung wird der erfolgreiche Ablauf der frisch erlernten Bewegung lustvoll wahrgenommen (u Funktionslust). Hätte ich die Leser statt nach Körperwahrnehmungen nach der momentanen Befindlichkeit gefragt, müssten viele nicht erst erforschen, ob sie sich frisch, matt, fröhlich, niedergeschlagen, ruhig, aufgeregt usw. fühlen. Nachgefragt, was diese Befindlichkeit oder Stimmung ausmacht, würden sie (zumindest u. a.) auf die eine oder andere Weise umschreiben, wie sich ihr Körper gerade anfühlt. Die Frage, wie es einem im Moment geht, zielt (auch) auf ein beiläufig bewusstes, mehr oder weniger vages Körpergefühl. Das globale Empfinden des Körpers nannte man früher Gemeingefühl (Koinästhesie oder Coenästhesie). Heute spricht man z. B. von Hintergrundgefühlen (Damasio, 2000). – Die Wahrnehmung des eigenen Körpers ist ein vielschichtiges Thema, bei dem mit unterschiedlichen Formen von Bewusstheit zu rechnen ist.

Neuro-Skizze u Somatosensorik Die Begriffe Somatosensorik (soma, griech. Körper) oder somatoviszerale Wahrnehmung (viszera, lat. Eingeweide) fassen das Spüren zusammen. Allerdings ist die Termi-

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nologie zur Körperwahrnehmung unscharf bzw. uneinheitlich. Physiologische Grundlagen und (potentiell bewusste) Wahrnehmung gehen in den Begriffen durcheinander. Das Spüren wird differenziert nach: ❚ dem Ort der Sensoren bzw. Empfindung: Oberflächen- vs. Tiefensensibilität (z. B. Kitzel auf der Haut vs. Muskelkater) Die Rezeptoren an der Oberfläche werden als Exterozeptoren, sprich nach außen gerichtete Sensoren, bezeichnet, die in der Tiefe als Interozeptoren (Innensensoren, auch Enterozeption genannt). Die Innenwahrnehmung wird weiter eingeteilt in Propriozeption (lat. Eigenwahrnehmung; Signale aus dem Bewegungsapparat) und viszerale Sensibilität. ❚ der Qualität der Reize, auf die unterschiedliche Sensoren reagieren: Mechanorezeptoren (Druck, Vibration), Thermorezeptoren (Temperatur), Chemorezeptoren (‚brennende Substanzen‘; u trigeminale Chemorezeption). ❚ der Funktion (bspw. Warnung): Schmerz als Nozizeption (lat. Schädigungswahrnehmung). Die Informationen aus Skelettmuskulatur, Sehnen und Gelenken (Propriozeption) werden in Stellungs-, Bewegungs- und Kraftsinn unterteilt oder auch als Kinästhesie (griech. Bewegungswahrnehmung) bezeichnet; Reize aus dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr [u Kap. 4] werden hier (manchmal) einbezogen. ❚ dem Verlauf von Nervenbahnen auf dem Weg zum Gehirn: Hinterstrang vs. Vorderseitenstrang des Rückenmarks; das Hinterstrangbündel wird auch als spezifisches System bezeichnet (z. B. Wahrnehmung der Stellung von Gliedern mit geschlossenen Augen, Erkennen von auf die Haut gemalten Buchstaben, lokalisierte Schmerzen), das Bündel im Vorderseitenstrang als unspezifisches System (z. B. dumpfere Schmerzen, Vibration, Temperatur, viszerale Reize [zu Eingeweideempfindungen s. die NeuroSkizzen in Kap. 9 u. 10]). Taktile und haptische Wahrnehmung (um die es in den beiden folgenden Kapiteln geht) lassen sich mit dieser Terminologie folgendermaßen umschreiben. Taktile Wahrnehmung: Wenn wir z. B. von einem Metallstab berührt werden, ist unsere Oberflächensensibilität angesprochen, und zwar Mechanorezeptoren (und damit das spezifische System) und Thermorezeptoren (unspezifisches System) der Haut. Haptische Wahrnehmung (Haptik): Umfassen und befühlen wir den Stab, käme zu den erwähnten Aspekten noch die Tiefensensibilität hinzu: Propriozeption durch die Mechanorezeptoren in Skelettmuskulatur, Sehnen und Gelenken. Ein wesentlicher Gesichtspunkt der Haptik: Sofern unsere Hand sich dabei aktiv bewegt (also nicht von jemand anderem geführt wird), ist der sensorische Zufluss auf willkürliche Bewegungen bezogen – ist die Somatosensorik untrennbar mit Motorik verbunden (was im Begriff Sensomotorik zum Ausdruck kommt). Auch jenseits der motorischen Komponente gilt, dass sensorische Zuflüsse (Afferenzen oder auch Bottom-up-Prozesse) nur eine Seite der Körperwahrnehmung sind. Sie werden ergänzt von nach außen gerichteten Aktivitäten des Gehirns (Efferenzen oder Topdown-Prozessen): Vom Gehirn wegführende Bahnen kontrollieren den Zustrom der sensorischen Afferenzen schon in der Peripherie (efferente Hemmung). Auf diese Weise kann etwa die Erregung der Schmerzbahnen schon im Rückenmark gedrosselt werden. Die Stationen der somatischen Sensibilität im Gehirn: ❚ verlängertes Rückenmark, Stamm- und Kleinhirn (u. a. Mitwirkung bei Haltungs- und Blickreflexen und der Feinsteuerung willkürlicher Bewegungen, Regulation des Wachheits- bzw. Erregtheitsgrades; Letzteres durch die formatio reticularis u Abb. S. 78).

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❚ Mittel- und Zwischenhirn (u. a. Regulation von Hunger, Durst, Körpertemperatur, Atmung und sexueller Erregung; limbisches System (Gefühle) [u Abb. S. 78]). ❚ primäres somatosensorisches Projektionsareal in der postzentralen Windung der Hirnrinde. Hier ‚liegt’ der somatosensorische Homunculus [u Abb.], d. h. eine Nervenlandkarte des Körpers, in der besonders berührungsempfindliche Körperpartien wie Finger, Lippen und Zunge breiter repräsentiert sind als weniger sensible; die verzerrten Körperproportionen, mit deren Hilfe man diese Gewichtung meist darstellt, können dazu verführen, mit Monstrosität zu kokettieren, wo es im Grunde nichts zu bestaunen gibt: Den aus der Erfahrung hinlänglich bekannten Unterschieden der Sensibilität entsprechen eben unterschiedlich umfangreiche zentralnervöse Verarbeitungskapazitäten. In direkter Nachbarschaft (in der präzentralen Windung) im Frontallappen findet sich das ähnlich proportionierte primäre motorische Areal. ❚ somatosensorische Assoziationsfelder im hinteren Scheitellappen (Parietallappen), wo das, was wir auf der Haut und in den Gliedern spüren, mit Informationen aus dem Gleichgewichtsorgan sowie Gesehenem und Gehörtem vernetzt wird (Zuflüsse aus den anderen Sinnen ereichen nach neueren Erkenntnissen von dort oder auf anderen Primärer somatosensorischer Kortex/somatosensoriWegen auch das primäre soscher Homunculus matosensorische Areal). ❚ Gebiete im prämotorischen Kortex im Stirnlappen (Frontallappen), wo das Gespürte und andere Sinneseindrücke in die Bewegungsplanung einfließen. Die multisensorische und sensomotorische Vernetzung bestimmt mit, was man spürt [u Kap. 9, Neuro-Skizze u Multisensorisches Wahrnehmen und Synästhesie]. Lesen u Bischof, 1966; Birbaumer & Schmidt, 2006; Bösel, 2006; zur Rolle der Motorik: Fogassi & Gallese, 2004; taktil vs. haptisch: Grunwald, 2001

Körperschema – Körperbild Die schillernden Begriffe „Körperschema“ und „Körperbild“ stehen für ein (inneres) Modell des eigenen Körpers, in das die verschiedenen Momente des Spürens einfließen. Hier kommt auch die visuelle Wahrnehmung ins Spiel. Das wurde früh schon von manchen Forschern gesehen. Vor etwa hundert Jahren bezogen Head und Holmes den Begriff Haltungsschema (postural scheme) auf die neurophysiologische Repräsentation des Körpers sowie die Regulation seiner Haltung und Bewegung (unabhängig von Empfindungen), während der tschechische Neurologe Pick den Begriff Körperschema ausdrücklich mit bewusster Wahrnehmung und auch visuellen Vorstellungsbildern

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in Verbindung brachte. Der später eingeführte Begriff Körperbild steht sogar eher für das visuelle Erscheinungsbild als für das Körperfühlbild (aber auch für die Verbindung beider Aspekte). In noch weiterer Verwendung des Begriffs, gehen anatomische und physiologische Kenntnisse sowie kulturtypische Konzepte in das spürbare ‚Bild‘ vom eigenen Körper mit ein. Ein Spürbild des Körpers, das völlig unabhängig von dessen äußerer Anschauung oder Erfassung zustande käme, ist kaum denkbar. Selbst Menschen, die von Geburt an blind sind, erleben ihren Körper von früh an durch aktives Betasten, also von außen. Was man innerlich spürt, ordnet sich in diesen ‚Rahmen‘ ein. Für das bewusste Körperschema ist die Differenz von Sehen und Ertasten des Körpers allerdings nicht unerheblich. Von Geburt an blinde Kinder, die man die menschliche Gestalt in Plastilin modellieren lässt, formen Hände und Arme überproportional aus, den Rumpf dagegen ausgesprochen schmal (Kinsbourne & Lempert, 1980); ihre Darstellungen weisen also eine gewisse Analogie zu den Proportionen des somatosensorischen respektive motorischen Homunculus auf. Aus entsprechenden Beobachtungen an plastischen Arbeiten von Geburtsblinden hatte Münz bereits 1934 geschlossen, ihr Körperschema sei stärker vom inneren Spüren der Glieder in Ruhe und Bewegung als von äußerer Tastwahrnehmung der eigenen Konturen bestimmt. Dieser Anhaltspunkt für eine andere Gewichtung von äußerer und innerer Wahrnehmung des eigenen Körpers fügt sich mit einer genaueren Wahrnehmung passiver Lageveränderung von Gliedern bei Blinden (Bürklen, 1924) und mit dem experimentellen Befund, dass Geburtsblinde bei gerade ausgestreckten oder überkreuzten Unterarmen gleichermaßen schnell sagen können, ob man ihre rechte oder linke Hand zuerst berührt, während Sehende – mit oder ohne Augenbinde – und auch Blinde, die früher sehen konnten, bei überkreuzten Händen nicht prompt antworten können (Röder, Rösler & Spence, 2004). Stört man bei Sehenden, denen man die Augen verbunden hat, das Betasten des eigenen Körpers durch Vibration am Bizeps des tastenden Armes (womit man eine Verlängerung der Muskelfasern suggeriert), führt dies zu irritierenden Empfindungen im ertasteten Körper: Wenn man mit den Fingern z. B. die eigene Nasenspitze berührt, während durch die Vibration eine Vergrößerung des Winkels zwischen Ober- und Unterarm vorgemacht wird, kann das bei geschlossenen Augen den Eindruck erzeugen, die eigene Nase verlängere sich (Pinocchio-Illusion [u Abb.]; Lackner, 1988). Schon länger ist bekannt, dass man durch optische Verzerrung die Tastwahrnehmung von Gegenständen beeinflussen kann [u Kap. 3]. In jüngerer Zeit wurde nun nachgewiesen, dass optische Irreführung hinsichtlich der Lage eigener Glieder zu illusionären Lageempfindungen führt. Bei Studien zur sogenannten Gummihand-Illusion ist Versuchspersonen der Blick auf Hand bzw. Arm verdeckt; in

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gewisser Nachbarschaft sehen sie eine Gummihand. Diese und die verdeckte Hand werden im Lauf des Versuchs mehrfach gleichzeitig berührt (Botvinick & Cohen, 1998). Das führt dazu, dass sie die Berührung am Ort der Gummihand spüren; nach dem Versuch verschiebt sich das Lagegefühl der eigenen Hand in Richtung der Gummihand (die Effekte bleiben aus, wenn die Lage bzw. Ausrichtung der Gummihand mit der realen Körperposition unvereinbar wäre). Mit Hilfe von Videoinstallationen kann man auf den ganzen Körper bezogene Entfremdungserlebnisse analog zur Gummihand-Illusion hervorrufen (Überblick: Blanke & Metzinger, 2010; Ehrsson, 2012; zur Diskussion siehe A. J. T. Smith, 2010): Versuchspersonen, die Videohelme tragen, zeigt man etwa eine Schaufensterpuppe, die gleichzeitig an der gleichen Stelle des Körpers wie sie selbst berührt wird; oder die Aufnahme, die der Versuchsperson im Videohelm präsentiert wird, zeigt sie selbst von hinten; man reizt sie nun an der Brust, während man zugleich den Eindruck erweckt, man berühre den entsprechenden Punkt unterhalb der Kamera [u Abb.]. Vielen Versuchspersonen entgleitet auf diese Weise offenbar auf eindrückliche Weise das reale körperliche Dasein: So sehen sie sich bei der zweiten der eben geschilderten Varianten nicht nur von außen, sondern haben das Gefühl, sich außerhalb ihrer selbst zu befinden – entsprechend zu OBEs (Out of Body Experiences), wie sie etwa von Nahtodsituationen berichtet werden. Wenn man dann so tut, als mache man sich daran, mit einem Messer auf ihren Rücken einzustechen, den sie im Videohelm vor Augen haben [u Abb.], dann lässt sie das, wie die Messung ihres Hautwiderstandes zeigt, relativ kalt (Guterstam & Ehrsson, 2012). OBEs und andere Störungen des Selbstgefühls, wie Halluzination von Doppelgängern (Autoskopie bzw. Heautoskopie), wurden von Psychiatern, Neurologen und Neuropsychologen im Zusammenhang von Erkrankungen, Drogengebrauch oder besonderen physischen oder psychischen Belastungen beschrieben (Brugger, 2006; Brugger, Regard & Landis, 1997). Von solchen Formen der Psychopathologie, die auch im normalen Traumleben Parallelen haben, ging bereits früher eine gewisse Faszination aus; manche haben versucht, Entfremdungserlebnisse dieser Art durch Selbstversuche mit Drogen oder u sensorischer Deprivation herbeizuführen. Dass sich merkwürdige Körperwahrnehmungen auch mit relativ geringem Aufwand durch Techniken, die visuelle und taktile Reize in eine unnatürliche Verbindung bringen, herbeiführen las-

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sen, betrachten manche der Forscher und auch Medienwissenschaftler, denen es um eine möglichst vollständige Identifikation mit Stellvertretern (Avataren) in virtuellen Welten geht (Kilteni, Groten & Slater, 2012), als vielversprechende Zukunftsperspektive. Man sollte indes bedenken, dass die Verrücktheit, die man da ins Werk setzt, sich nicht nur formal betrachtet mit pathologischen Zuständen überschneidet, sondern spätestens bei längerer Dauer zu nachhaltigen Störungen des Befindens führen könnte, also potentiell einen zusätzlichen Auslöser für u Simulator- beziehungsweise u Cybersickness bildet [u Kap. 4]. Eine Variante der Gummihand-Illusion, die ohne das Sehen auskommt, liefert ein weiteres Indiz dafür, dass Blinde sich in der Regel stärker auf das innere Spüren als auf das äußere Ertasten ihres Körpers verlassen: Zwischen den Armen der Versuchsperson liegt die Gummihand [u Abb.]; bei Sehenden sind die Augen verbunden; der Versuchsleiter führt eine Hand der Versuchsperson so zur Gummihand, dass sie diese berührt (echte Hände und Gummihand tragen Stoffhandschuhe); gleichzeitig berührt der Versuchsleiter die andere Hand der Versuchsperson. Die Blinden, die an dem Versuch teilnahmen, ließen sich mehrheitlich nicht täuschen; eine Geburtsblinde allerdings spürte, wie die Mehrzahl der Sehenden auch, die Berührung der Gummihand als Selbstberührung (Petkova, Zetterberg, Ehrsson & Tsakiris, 2012).

Halten wir fest: Das äußere Bild des Körpers – vom Sehen über das Ertasten bis zum Wissen und Vorstellen – beeinflusst das (innerliche) Spüren.

Philosophie u Leib vs. Körper In der Phänomenologie (philosophische Richtung begründet von Edmund Husserl Anfang des 20. Jh.) steht neben dem Körper der Leib: ‚Ich bin Leib und habe (m)einen Körper’. Die Unterscheidung soll helfen, die Gegenüberstellung von Körper und Seele, die man Descartes vorwirft (kurz: den Cartesianismus), zu überwinden. „Leib“ steht für die Einheit von Seele bzw. Ich und Körper; der „Körper“ dagegen für den Körper als Gegenstand der (wissenschaftlichen) Betrachtung, also z. B. in der Perspektive der Sinnesphysiologie. Diese Gegenüberstellung ist allerdings nicht unproblematisch. In einer strikten Lesart der Entgegensetzung liegt das Paradox, dass der so definierte Leib, der ja ein Synonym fürs Erfahren und Wahrnehmen ist, selbst nicht erfahr- oder wahrnehmbar ist: Erfahre ich ihn, nehme ich ihn wahr, mache ihn automatisch zum Objekt. Oder anders gesagt: Wahrnehmbar ist nur der Körper. Um das Wahrnehmen des Körpers aus der Perspektive der ersten Person von der Perspektive der Naturwissenschaft abzuheben, führen manche Phänomenologen deshalb zusätzlich die Rede vom „Leibkörper“ ein. In einer anderen Lesart, die auch von manchen Psychologen vertreten wird, steht „Leib“ schon für die Körperwahrnehmung durch das Subjekt selbst (Leib = phänomenaler vs. physiologisch erklärter Körper). So versucht der Philosoph Hermann Schmitz, den

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Begriff des Leibes greifbar zu machen, indem er ihn speziell für ausschließlich innerliche Empfindungen reserviert (wie im Text dargelegt, ist ein pures inneres Spürbild indessen kaum vorstellbar). Was bleibt: Die Diskussion um den „Leib“, dieses etwas altbackene Synonym für „Körper“, führt vor Augen, dass der Körper sowohl Subjekt als auch – in unterschiedlichen Perspektiven – Objekt der Wahrnehmung ist. Dass man die Erfahrung von Körper und Selbst auch jenseits der Debatte um den Terminus „Leib“ differenziert betrachten kann, demonstriert etwa die zeitgenössische neurowissenschaftlich inspirierte Philosophie. Im Englischen kommt man mit body offenbar aus; klar darzulegen, in welcher Hinsicht man gerade vom Körper spricht, ist allemal erhellender als Begriffspathos. Lesen u Klassiker: Merleau-Ponty, 1966; Neuere Diskussion: Legrand, 2010; Schmitz, 1998, Waldenfels, 2000; Neurowissenschaftlich orientierte Philosophie: Fuchs, Sattel, Henningsen & Bel-Bahar 2010; Gallagher, 2005, 2011; Metzinger, 2003

Ausfall von Afferenzen. Unter Umständen, die den Reizzufluss vom Körper zum Gehirn stark vermindern (sensorische Deprivation), kann sich das aktuelle Vorstellungsbild des Körpers ändern oder gar auflösen; irritierende Körpererlebnisse im Traum gehen vermutlich u. a. auf eine Blockierung von Körperempfindungen während des Schlafes zurück. Ian Waterman (in der Literatur oft I.W.), ein Patient, der unter einer seltenen Form peripherer sensorischer Neuropathie leidet (einer Krankheit, bei der – in seinem Fall wohl ausgelöst durch einen Virusinfekt – Propriozeption und Berührungssensibilität, nicht aber Schmerz- und Temperaturempfinden ausfallen), berichtet, er sei zunächst auf seinen Zustand aufmerksam geworden, als er das Bett, auf dem er lag, nicht mehr spürte und ihn ein beängstigendes Schwebegefühl überkam (Cole & Paillard, 1995). Sein Körper sei ihm dann in der ersten Zeit seiner Erkrankung fremd gewesen, bis er schließlich nach einer Periode der Immobilität die fehlenden Empfindungen in Muskeln, Sehnen und Gelenken durch die visuelle Kontrolle seiner Bewegungsimpulse zu ersetzen gelernt hatte. Damit hätte er auch wieder ein einigermaßen vertrautes Körperbild erlangt: Die Somatosensorik ist in diesem Fall zwar bleibend beeinträchtigt, aber gerade deshalb ist der Körper bei jedem Schritt im Brennpunkt der (motorischvisuellen) Aufmerksamkeit. (Waterman wirkte bereitwillig an vielfältigen – eher wissenschaftlich wünschenswerten als medizinisch erforderlichen – Untersuchungen mit; eine frühe, detaillierte Darstellung seines Falles hat Cole 1991 publiziert, Teile der BBC-Dokumentation The man who lost his body sind im Internet zugänglich.)

Wahrnehmungsqualitäten u Sensorische Deprivation Schon wenn man die Augen schließt, bedeutet dies einen Reizentzug, also sensorische Deprivation. Meist steht der Begriff aber für umfassendere Einschränkungen, etwa die Situation in dem ursprünglich von John C. Lilly entwickelten – und heute in manchen Großstädten als „Entspannungstank“ angebotenen – Isoliertank, in dem man schallisoliert im

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Dunkeln in körperwarmer Salzlösung schwimmt. Hier können „Transformierungen des Selbst vonstatten gehen, bei denen man keinen Körper mehr hat. Oder man kann eine andere Körperform annehmen.“ (Lilly, 1988, S. 109). Auch Drogen können somatosensorische Deprivation bewirken. Bei einer Studie zur Wirkung des Anästhetikums Ketamin, das den Reizzufluss aus dem Körper unterbricht, ohne das Bewusstsein auszuschalten (dissoziative Anästhesie), gibt eine Versuchsperson zu Protokoll: „Nach und nach geht die Gefühllosigkeit auf meinen ganzen Körper über. Ich werde immer starrer. (...) Ich komme mir wie eine Eiswaffel vor. Ich habe keinen Körper mehr.“ (Bolle, 1988, S. 91). Zu weniger drastischen, labileren Störungen des Körpererlebens (verbunden mit Halluzinationen in anderen Sinnesbereichen) kann es kommen, wenn man einfach nur ruhig sitzt oder liegt, z. B. vor oder nach einer Siesta; bezogen auf die Einschlafphase, aber auch diverse Entspannungs- und Meditationstechniken werden befremdliche Wahrnehmungen respektive Halluzinationen regelmäßig beschrieben. Dass sensomotorische Deprivation Scheinwahrnehmungen mit sich bringt, hatte Condillac bei seinem Gedankenexperiment [Philosophie u Condillacs Statue] bereits vorausgeahnt. Man dürfe „annehmen, daß ihre Einbildungskraft tätiger sein wird als die unsere“ (Condillac & Kreimendahl, 1983, S. 15). Während „uns unsere Sinne, die immer vor unserer Einbildungskraft auf der Hut sind, von den Dingen, die wir vorstellen wollen“, Kunde geben, habe die „Einbildungskraft unserer Statue dagegen […] freien Lauf“ (S. 15f.). Eingeschlossensein/Sinnesentzug erzeugen, argumentiert Condillac, eine Art Traum im Wachen: „So überraschend auch diese Wirkungen der Einbildungskraft sind, so braucht man, um jeden Zweifel daran zu zerstreuen, nur an das zu denken, was uns im Traum widerfährt. Wir sehen, hören, berühren dann Körper, die nicht auf unsere Sinne wirken, und man darf wohl annehmen, daß die Einbildungskraft nur darum soviel Stärke hat, weil wir nicht durch die Vielzahl der Vorstellungen und Empfindungen zerstreut werden, die uns im Wachen beschäftigen.“ (S. 16) Freiwillige sensorische oder u perzeptuelle Deprivation ist ein Spiel; der Tank hat(te) das Zeug zum Kult, mögen spektakuläre Erlebnisse auch oft ausgeblieben sein. Wer mit Drogen nachhilft, provoziert mitunter allerdings alptraumhafte Erlebnisintensität (wie in Ken Russell Film Altered States/Der Höllentrip grotesk überhöht in Szene gesetzt). Erzwungener Entzug von Bewegung und Sinnesreizen – sei es durch Krankheit oder die Macht anderer Menschen – ist Folter. (Ein Teil der einschlägigen Studien steht heute am Pranger, weil die Wissenschaftler auf der Jagd nach Forschungsgeldern sich opportunistisch gegenüber den düsteren Interessen von Geheimdiensten verhalten hatten [Mausfeld, 2009; McCoy, 2006].) Lesen u Dittrich, 1985; Schönhammer, 2004a, Kap. 5; Zubek, 1969

Beeinträchtigungen des Körperbildes bei Störungen des sensorischen Zuflusses steht die merkwürdige Tatsache gegenüber, dass Menschen Körperteile, die sie nicht (mehr) besitzen, spüren: Amputierte Glieder leben im gefühlten Körperbild der Patienten als sogenannte Phantomglieder fort. Das bessere Wissen um den offensichtlichen Defekt ist hier machtlos gegen die – oft schmerzhaften – Empfindungen. Die zentralnervöse Repräsentation des Körpers führt ein gegen sensorische Zuflüsse verselbständigtes Eigenleben. Allerdings kann (auch abgesehen von den Schmerzen) die Art, wie man

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das Phantom spürt, vom Erleben intakter Glieder abweichen: Es fühlt sich z. B. hohl oder verkürzt an. Empfindungen in einem Armphantom können manchmal ausgelöst werden, indem man die Wange berührt, die im Homunculus neben Arm und Hand repräsentiert ist. Die Grenzen der Arm- und Gesichtsrepräsentation verwischen. Das könnte an Reizüberflutung bei der Operation und dem späteren Ausbleiben der Reize, die der Gebrauch des Gliedes mit sich brachte, liegen. Therapiesitzungen mit vielfach wiederholter abwechselnder Reizung von Wange und Stumpf wirken der Überlappung und auch dem Phantomschmerz entgegen. Vergleichbare Ergebnisse bringt eine neuromuskuläre Prothese, die es erlaubt, (willkürlich) zu greifen (Birbaumer & Schmidt, 2006): Die Körperrepräsentation hängt offenbar auch vom sichtbaren Effekt von Bewegungs-/Handlungsabsichten ab. In Fällen, in denen der Phantomschmerz mit einer Fixierung des virtuellen Gliedes in einer verrenkten Haltung verbunden ist, kann scheinbare Willkürbewegung des Phantoms helfen: Patienten, die eine Hand verloren haben, stecken den Stumpf ihres Armes in eine Kiste, die außen verspiegelt ist, legen ihren gesunden Arm neben den Spiegel und konzentrieren sich dann darauf, beide Hände gleichsinnig zu bewegen. Die im wahrsten Sinne (durch die gesunde Hand an Stelle der Phantomhand) vorgespiegelte Bewegung kann bei einigem Üben manchen Patienten helfen; möglicherweise wird dabei ein zentralnervöser ‚Krampf ‘ aufgelöst, der aus Bewegungsintentionen ohne jede Rückkopplung resultiert (Ramachandran & Blakeslee, 2001). Amputationen in der frühen Kindheit führen zu weniger ausgeprägten bzw. dauerhaften Phantomen. Erfahrung ist also für die Bildung eines von aktuellen Reizen unabhängigen Körpergefühls bedeutsam. Aber auch Menschen, die schon mit fehlenden Gliedern geboren wurden, erleben Phantome der Glieder, über die sie nie verfügten (Brugger et al., 2000); in diesen Fällen kommt es aber offenbar nicht zu den erwähnten Verschiebungen der somatosensorischen Repräsentation im Gehirn, die nach Amputationen auftreten, und auch der Phantomschmerz bleibt aus (Nava & Röder, 2011). Ein Kern wahrnehmbarer Körperrepräsentation ist demnach angeboren. Der oben erwähnte Fall von Neuropathie unterstreicht die Bedeutung von (hier rein visuell) kontrollierter Bewegung für das Körperselbst. Körpergefühl im Sinne von „das bin ich“ oder „das ist ein Teil von mir“ lebt also davon, dass die Glieder ihren gewohnten Dienst tun, technisch ausgedrückt: dass motorische Impulse umgesetzt werden. Allgemeiner gesagt: Das körperliche Selbstgefühl ist daran gekoppelt, dass der Körper als Werkzeug des Willens fungiert. Das zeigt sich auch daran, dass gefundene oder hergestellte Werkzeuge, vom Stock, mit dem man in der Erde stochert, bis zum Automobil, das man steuert, also Geräte, die unsere Bewegungsmöglichkeiten über den Körper hinaus erweitern, zeitweise auch das Körperschema (oder Körperselbst) erweitern. Man lokalisiert, wie schon Aristoteles festhielt, die Vibration beim Bewegen eines Stockes über eine raue Oberfläche nicht in der Hand, sondern an der Spitze des Stockes. Die Gefühle und auch das Verhalten

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vieler geübter Autofahrer in der Position als Beifahrer führen vor Augen, dass dieses erweiterte Körpererleben auch dann aktiviert werden kann, wenn die Situation die Kontrolle des erweiterten Körpers nahelegt und zugleich verhindert: Viele fahrkundige Beifahrer erleben sich als Marionette in ihrem gewohnheitsmäßig um das Automobil erweiterten Körper (Schönhammer, 1993, 1994, 1995). Ähnlich fremdbestimmt fühlt man sich, wenn ein anderer die Maus des Computers, an dem man beschäftigt ist, kurz übernimmt, um einem etwas zu demonstrieren. In Videospielen können Avatare, die sich zwischenzeitlich verselbständigen, entsprechend irritieren (Beil, 2009). Das ist nicht zuletzt deshalb so, weil das Agieren in Computerspielen und anderen Simulationen ein gewisses Gefühl der Versetzung verbürgt (Präsenz in der virtuellen Realität); wie im Zusammenhang der zur Gummihand-Illusion analogen Verrückung des ganzen Körpers schon angesprochen, hofft man, das Gefühl, in den Avatar geschlüpft zu sein, durch taktiles Feedback zu vervollständigen. Einige zeitgenössische Künstler – nicht zuletzt der Australier Stelarc – erregen Aufsehen, indem sie ihren Körper auf außergewöhnliche Weise erweitern; etwa durch eine mit dem Körper verdrahtete zusätzliche künstliche Hand (vgl. Brugger, 2006). Oder der Aktionist setzt sich fremder Kontrolle aus, erlaubt beispielsweise dem Publikum, durch Knopfdruck seine Muskeln zucken zu lassen, womit er zur Marionette (zum Beifahrer) in seinem angeborenen Körper wird. Lesen u Bermudez, Marcel & Eilan, 1995; Blakeslee & Blakeslee, 2009; Fuchs, Sattel, Henningsen & Bel-Bahar, 2010; Grundwald, 2008, Kap. 23 u. 24; Joraschky, 1983; Knoblich et al., 2006, Kap. 2–4, 7–9; Lyon, 2002; Reed, 2002; Schönhammer, 1995

Gefühle und Stimmungen „Ich selbst habe oft bemerkt, dass ich jedesmal, wenn ich die Blicke und Gebärden eines zornigen Menschen nachahme, mein Gemüt unwillkürlich der Leidenschaft zugewandt finde, deren äußere Erscheinung ich nachzuahmen bestrebt bin.“ (Burke, 1756/1956, S. 172f.)

Körperwahrnehmungen spielen eine Rolle im Haushalt der Gefühle. So kennzeichnet das motorische Erscheinungsbild von Wut, Freude oder Traurigkeit diese Affekte nicht nur für andere (Ausdruck, Körpersprache). In Anspannung, Beschwingtheit oder Schwere und Kraftlosigkeit spürt man selbst diese Gefühle. „Wir weinen nicht, weil wir traurig sind, sondern wir sind traurig, weil wir weinen“ formulierte provokativ eine mehr als hundert Jahre alte Theorie der Gefühle (JamesLange-Theorie), um die Bedeutung der Körperwahrnehmung für die Affekte zu unterstreichen. Diese Umkehrung der weithin angenommenen Wirkrichtung von der Psyche hin zum Körper ist bis heute erhellend, mag sie auch überspitzt sein. Neurowissenschaftliche Gefühlstheorien kommen auf die James-Lange-Theorie zurück. LeDoux

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(1998) z. B. hebt hervor, dass bei Wahrnehmungen, die Gefühle auslösen, vorbewusste Bewertungsprozesse in älteren, subkortikalen Bereichen des Gehirns, die ihrerseits auf den Körper wirken, bewussten Kognitionen vorhergehen (weshalb der Körper scheinbar das Gefühl erst auslöst). Damasio (1995, 2000) unterstreicht die Rolle „körperlicher Marker“, also den Umstand, dass Rückmeldungen über vorbewusst ausgelöste Veränderungen in Haut, Bewegungsapparat und Eingeweiden entscheidend zu dem beitragen, was ein Gefühl jeweils ausmacht. – Damasios somatopsychologische Sicht der Gefühle hat zwar wie schon die alte Theorie, die James und Lange unabhängig voneinander formuliert hatten, empirisch fundierten Widerspruch erfahren: Es gäbe keine Haut- oder Eingeweideempfindungen, die notwendig oder hinreichend für bestimmte Gefühle wären (Rolls, 2005). Die Vermutung eines motorischen Beitrags (Haltungen, Mimik) zur Bildung von Gefühlen hat allerdings einen sichereren Stand. Bis zu einem gewissen Grad kann man Gefühle oder Stimmungen dadurch steuern, dass man willkürlich Haltung oder Mimik verändert (wobei Stimmungen wahrscheinlich eher mit Belebtheit und Spannungsgrad, Gefühle mit spezifischen Bewegungen zusammenhängen). Die Aufforderung „Lass Dich nicht so hängen!“ kann – ganz wörtlich genommen – einem niedergeschlagenen Zustand entgegenwirken. Wer (auch nur subvokal) ein „i“ artikuliert – und damit nebenbei seiner Gesichtsmuskulatur Züge eines Lächelns aufzwingt („Sagen Sie cheese!“) –, kann den leichten Anflug Fröhlichkeit spüren. Für die emotionale Wirksamkeit körperlicher Manipulationen, bei denen, analog zum „i-Gesicht“, der Zusammenhang zu Gefühl und Stimmung für die Versuchspersonen nicht ersichtlich ist, gibt es experimentelle Belege. Vielleicht ist eine motorische Polarität die Basis allen Fühlens: Zuwendung vs. Abwendung (Panksepp, 2000). Jedenfalls hat die motorische Komponente von Gefühlen erhebliche Bedeutung für die (präverbale) Kommunikation von Gefühlen und das Wahrnehmen von Ausdruck in Dingen und Bauwerken (u Mitbewegung). Lesen u Döring-Seipel, 1996; Holodynski, 2006; Storch et al., 2006; Niedenthal et al., 2005; Wimmer, 2005; Ziemke, Zlatev & Frank, 2007

Wahrnehmungsqualitäten u Körper, Raum und Gefühl Körperempfindungen in den Dimensionen eng – weit sowie leicht – schwer (bzw. unten – oben) drängen sich offenbar auf, wenn man sich anschickt, Angst, Euphorie, Depression oder andere Gefühle und Stimmungslagen zu beschreiben. Der Philosoph Hermann Schmitz (1969) hat insbesondere die zuerst genannte Dimension anregend, wenn auch nicht immer nachvollziehbar ausdifferenziert.

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Körperwahrnehmung und Kultur Kulturen unterscheiden sich hinsichtlich der Art, in der sie Individuen zur Wahrnehmung des Körpers anleiten. Nach einer gängigen Klage ist die westliche Kultur übermäßig visuell geprägt [u Vorspann Teil III]. Entsprechend sei auch das Körperbild defizitär. Dabei wird leicht vergessen, dass die herausragende Rolle des Sehens in der menschlichen Wahrnehmung ein Ergebnis der Evolution und in allen Kulturen und Epochen belegt ist. Und dass Sehen zum Körpergefühl beiträgt (siehe oben). Gleichwohl gilt: In fernöstlichen Kulturen wird in der Tat traditionell mehr Wert auf körperliche Innerlichkeit gelegt. Die Übungen etwa des Yoga oder Tai Chi, mit denen die sensomotorische Aufmerksamkeit geschult wird, fanden in den vergangenen Jahrzehnten eine sich weitende Nische im Alltag westlicher Länder; oft im Zusammenhang religiöser oder therapeutischer Motive. Die körperliche Praxis geht Hand in Hand mit der Vorstellung von miteinander verbundenen Energieknotenpunkten (Chakren). Solche Bilder beeinflussen, was spürt, wer sich von ihnen leiten lässt. Auch beim autogenen Training wirkt konzentriertes Vorstellen auf das Körpergefühl. Bei der im 20. Jh. vom deutschen Mediziner Schultz erfundenen Technik wird die stille Versenkung traditioneller Meditation mit suggestiven Vorstellungen (Wärme- und Schweregefühl, regelmäßiger Herzschlag, ruhige Atmung, kühle Stirn etc.) verbunden. Entsprechende physiologische Veränderungen sind nachweisbar (Luthe, 1965; Überblick: Krampen, 1998).

Hausapotheke & Gesundheitswesen u Körperwahrnehmung Beispiele für weitere im Westen entwickelte Techniken zur Sensibilisierung des Gespürs: Progressive Muskelentspannung (nach Jackobson): Das Gefühl dafür, wie sich ein entspannter Muskel anfühlt, wird durch willkürlich herbeigeführte (isotone) Muskelspannung nahegebracht; bspw. durch Faust machen – loslassen – spüren. Bioenergetik: Sammlung von Übungen, die u. a. auf kraftvolles, unverkrampftes Stehen und Gehen zielen; entwickelt von Alexander Lowen im Anschluss an Wilhelm Reichs Bemühungen, durch Lösung muskulärer Panzerung Orgasmusstörungen zu beseitigen. Feldenkrais-Methode: Nach ihrem Schöpfer benannte Schule des aufmerksamen Vollzugs einfachster Bewegungsabläufe (z. B. aus der Rückenlage aufstehen); so soll verhindert werden, dass man Bewegungen erzwingt, die letztlich schaden; Zielgruppe sind z. B. Tänzer, bei denen Schädigungen des Bewegungsapparats (durch rücksichtslosen Umgang mit dem Körper) eine Berufskrankheit darstellen.

Beim Biofeedback vermittelt ein Apparat das Fühlen. Der Patient erfährt den gemessenen körperlichen Zustand vermittels optischer oder akustischer Signale. Menschen, die unter chronischen Verspannungen leiden, kann dieser Ersatz für das Körpergefühl helfen, ihre Muskeln zu entspannen. Darüber hinaus können selbst physiologische

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Abläufe wahrnehmbar (und beeinflussbar) gemacht werden, die dem Wahrnehmen auf natürlichem Weg in der Regel nicht zugänglich sind (Birbaumer & Schmidt, 2006). Eigenheiten der materiellen Kultur beeinflussen ebenfalls die alltägliche Erfahrung des Körpers. Stühle und Sessel, die es erlauben, Haltungen passiv über längere Zeit einzunehmen, bringen einen anderen Muskeltonus und damit eine andere Befindlichkeit mit sich (und Rückenschmerzen als eine verbreitete unwillkürliche Körperwahrnehmung) als etwa Formen des Hockens (Rudofski, 1987). Auch Schuh- und Bekleidungsformen wirken sich auf Haltungen und Bewegungsspielräume aus (Holmes & Spence, 2006). Nicht zuletzt die Modalitäten der Fortbewegung – Gehen, Radfahren, Steuern eines motorisierten Fahrzeugs, Passagiersituationen bis zu Lift und Rolltreppe – kultivieren auf unterschiedliche Weise das Wahrnehmen des Körpers (Schönhammer, 1991, 2009).

Körpergefühl und Ästhetik „Hier war empor zu schreiten, hier mußte man herunter gezogen kommen, nicht geschwind hinauf oder herab steigen über die Hühnerleiter formloser Zwecke. Die Stiegen lagen da für jedermann (…). (…) und sie ermüden nie uns zu sagen, dass jeder Weg seine eigene Würde hat und auf jeden Fall immer mehr ist als das Ziel.“ (Doderer, 1966/1951, S. 331)

Auf den ersten Blick scheint ästhetisches Erleben nur am Rande mit dem Spüren des eigenen Körpers zu tun zu haben. Das trifft jedoch nicht zu. Eingangs hatte ich Situationen angesprochen, bei denen Körpergefühl Gegenstand genussvollen Wahrnehmens werden kann: im warmen Bad, beim Sex und beim Lernen von Bewegung. Die Lust an Berührungen und dem Spüren von Wärme, also Hautgenüsse, die wir im folgenden Kapitel genauer betrachten, wird zwar nur ausnahmsweise mit Kunstgenuss gleichgesetzt. Ebenso das rauschhafte Erlebnis starker Beschleunigung auf dem Jahrmarkt oder im Auto [u Kap. 4]. Doch fraglos handelt es sich da jeweils um ein Erleben, das aus dem alltäglichen Einerlei heraussticht. Empfinden, das nicht in seiner Funktion für zweckgerichtetes Handeln aufgeht, sondern ein Selbstzweck für das Individuum ist, also etwas, was man – etwa mit dem amerikanischen Philosophen John Dewey (1988) – als ästhetisches Erlebnis ansprechen kann [u Kap. 10].

Philosophische Ästhetik u Somästhetik Seit den 1990er Jahren plädiert der Philosoph Richard Shusterman (1994, 2005) in der Tradition des sog. Pragmatismus (insbesondere in der Nachfolge von John Deweys Kunst als Erfahrung) dafür, körperliche Praktiken von Aerobic über Feldenkrais, Bioenergetik und Technotanz bis zu ungewöhnlichen Sexualpraktiken als angewandte Philosophische Ästhetik zu verstehen.

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Teil I: Spüren – Körper und Bewegung

Die u Funktionslust, die erfährt, wer einen neuen, komplizierten Bewegungsablauf meistert, findet in der traditionellen ästhetischen Theorie immerhin einen respektablen Platz, als sie anerkanntes Moment spielerischer Betätigung ist (und das Spiel sozusagen als kleiner Bruder der Kunst gilt). Und mit dem Tanz hat körperliche Funktionslust offenbar ein Bein in der Tür zu den Musen. Bei entsprechender Aufmerksamkeit, ob sie sich nun ungefragt einstellt oder Ausdruck einer meditativen Lebenseinstellung ist, kann sich Funktionslust auch bei selbstverständlich beherrschten, automatisierten Bewegungen wie dem Gehen ergeben [u Kap. 10]. Eine architektonische Inszenierung des Gehens, etwa der Rhythmus eines Treppenlaufes, kann der Auslöser für derartiges Aufmerken sein; anders gesagt: Genuss der Körperbewegung ist ein Moment von Architekturästhetik (Wölfflin, 1999/1886; vgl. Gleiter, 2008; Meisenheimer, 2004) [u Kap. 4]. Man muss nicht selbst tanzen, um Tanz zu spüren: Zuschauen wird im eigenen Körper spürbar. Droht ein Tänzer oder Akrobat, die Balance zu verlieren, wird das verdeckte Mitmachen des Betrachters oft auch sichtbar. Die Tendenz zur Ausführung einer gesehenen oder nur gedachten Bewegung ist seit langem bekannt (Carpenter-Effekt, IdeoReal-Effekt), und auch entsprechende geringfügige Muskelpotentiale konnten bereits vor geraumer Zeit nachgewiesen werden. Seit der Entdeckung der u Spiegelneurone Ende des 20. Jh., also dem Nachweis, dass motorische Neurone im Gehirn von Versuchstieren erregt werden, wenn die Tiere lediglich fremde Bewegungen beobachten, stößt dieser körperliche Aspekt des Sehens neuerlich auf breiteres Interesse. Damit gewinnen ältere ästhetische Theorien, die auf dieses der Selbst- wie Fremdbeobachtung ja schon immer zugängliche Phänomen bauten, neue Aktualität (Einfühlungstheorie, Mitbewegungsästhetik). Künstlerischer Tanz, Akrobatik und Leistungssport ziehen Betrachter in außergewöhnliche Bewegungsabläufe [u Kap. 4]. Schauspieler auf der Bühne oder im Film beteiligen Zuschauer durch Haltung, Bewegung und Mimik am Innenleben der dargestellten Personen [u Kap. 7]. Mitbewegungs- und Einfühlungsästhetik reklamieren innere Bewegung auch für die Wahrnehmung statischer Darstellungen. Nicht nur im Hinblick auf Bilder oder Plastiken, die Menschen oder Tiere zeigen und Körperbewegung in Keimform enthalten können (u fruchtbare Momente im Sinne von Lessing), sondern auch hinsichtlich formaler Qualitäten. Die These: Linien oder Objektformen werden als ausdruckshaltige Bewegungsspuren bzw. Haltungen wahrgenommen [u Kap. 7]. Oder: Asymmetrische Kompositionen erzeugen einen Widerhall im Gleichgewichtssinn [u Kap. 4]. Musik regt bekanntlich zum Bewegen an und wird u. a. im ansatzweisen oder vollzogenen körperlichen Mitgehen genossen [u Kap. 8]. An der Frage, ob das konventionelle Stillsitzen des Publikums bei Darbietungen ernster Musik deren tieferem Verständnis zugute kommt, scheiden sich die Geister. Die von Erzählungen ausgelösten Gefühle und Stimmungen sind, wie oben festgehalten, von Körperempfindungen nicht zu trennen. Mit den Worten und Beispielen

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Kants: „Der Schauer, den Menschen selbst bei der Vorstellung des Erhabenen überläuft, und das Gräuseln, womit Ammenmärchen in später Abendzeit die Kinder zu Bette jagen (…) durchdringen den Körper, soweit als in ihm Leben ist.“ (1983/1798, S. 70f.).

Rückschau in Fragen Was zeichnet das Körperbild von Geburtsblinden aus? Was ist ❚ die Pinocchio-Illusion? ❚ die Gummihand-Illusion? ❚ ein Phantomglied? ❚ der Marionetten-Effekt? Was verraten diese Phänomene jeweils im Hinblick auf das Spüren des eigenen Körpers? Wie kann man mit einer Videoinstallation außerkörperliche Erlebnisse (OBEs) erzeugen? Worauf zielt die Differenzierung von Körper und Leib? Wie verhält sie sich zu Bedeutungsfacetten der Begriffe Körperschema und Körperbild? Warum ist die Gegenüberstellung von Körper und Leib nicht der Weisheit letzter Schluss? Welche Auswirkungen kann sensorische Deprivation (etwa einem Isoliertank) haben? Wie lassen sich irritierende Körpererlebnisse im Traum wahrnehmungspsychologisch erklären? Was besagt die somatopsychologische Sicht von Gefühlen? Wie regt die progressive Muskelentspannung (nach Jackobson) die Körperwahrnehmung an? Was ist Biofeedback? Inwiefern spielt das Körpergefühl eine Rolle im ästhetischen Erleben? Wie sieht das beim bloßen Zuschauen bzw. der Bildbetrachtung aus?

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Berührtwerden – Hautempfindungen (Taktile Wahrnehmung)

In diesem Kapitel geht es um das Gespür an der Oberfläche des Körpers. Diese taktilen Empfindungen sind sowohl bei passiver Berührung als auch beim Erkunden, dem haptischen Wahrnehmen [u Kap. 3], präsent. Wenn wir nun die Hautempfindungen hauptsächlich von passiv erfahrenen Ereignissen her aufrollen, ist gleichwohl meist Bewegung im Spiel. Qualitäten. Die Haut ist empfindlich für Druck, Temperatur und Schmerz (Letzterer wird durch starken Druck, Hitze, Kälte oder chemische Reize ausgelöst). Mehrere Typen von Mechanorezeptoren – in verschiedenen Ebenen der Haut angesiedelt – vermitteln Empfindungen bei Druckreizen unterschiedlicher Ausprägung. Diese Empfindungen werden in Lehrbüchern der Sinnesphysiologie in der Regel in drei Typen unterteilt: Berührung, Druck und Vibration. Temperatur- und Schmerzempfindungen gehen auf Reizung freier Nervenenden in der Haut zurück. Freie Nervenenden spielen auch als anatomische Basis der Kitzelempfindung (als Sonderfall von Berührung) sowie des Juckreizes eine Rolle. (Ob Juckreiz eine Form von Schmerz ist, wird wegen Parallelen, aber auch Differenzen im Erleben ebenso wie auf physiologischer Ebene diskutiert.) „Bei der taktilen Wahrnehmung äußerer Objekte“ ist es, wie der Physiologe Hensel schreibt, „die Regel, daß zugleich mehrere sinnliche Eigenschaften, vor allem mechanischer und thermischer Art, in einer einheitlichen Wahrnehmungsgestalt zusammengefasst sind.“ (1966, S. 99) Statt dieser Empfindungskomplexe wird zudem oft nur das, was sie auslöst, also die Gegebenheiten der Umwelt, mit denen man da in Berührung kommt, bewusst wahrgenommen. Um das zu unterstreichen, hat James Gibson (1973), der Vater des ökologischen Ansatzes in der Psychologie, Empfindungen etwas voreilig aus der Psychologie verbannt.

Psychophysik u Adaptation & Habituation bei Berührung, Druck und Vibration Unter normalen Umständen kann ein Mensch, dessen Hand unbewegt auf einer Unterlage liegt, den Auflagedruck spüren. Diese Empfindung basiert darauf, dass manche der Mechanorezeptoren in der Haut auch bei unverändertem Druck aktiv sind (man spricht von langsam adaptierenden Sensoren). Dass gleichbleibender Druck dennoch über weite Strecken ignoriert wird, liegt daran, dass die eingehenden Reize auf Basis von zentralnervösen Prozessen unter der Bewusstseinsschwelle bleiben. Solche Gewöhnung auf höherer Ebene wird als Habituation bezeichnet. Anders als die Ermüdung von Sensoren (Adaptation) kann Habituation durch absichtliches Aufmerken durchbrochen werden. Nicht alle Drucksensoren sind dauerhaft sensibel. Manche sind nur aktiv, während sich

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die Haut unter Druck verformt, wieder andere nur bei Beginn und Vollendung der Verformung. Letztere werden durch pulsierenden Druck (Vibration) dauerhaft erregt. Zu einer leichten Vibration kommt es z. B. dann, wenn eine raue Oberfläche über dem Berührungspunkt verschoben wird. Den Einfluss mentaler Faktoren für die Sensibilität der Haut demonstriert auf teils spektakuläre Weise die Schmerzwahrnehmung. Der Placebo-Effekt zeigt, dass man kein Fakir sein muss, um durch eine Einstellung – im Fall des Placebo: den Glauben, ein wirksames Medikament zu sich genommen zu haben – Schmerz verringern zu können. Auch absorbierende Beschäftigungen lindern Schmerzen.

Brennpunkte der Sensibilität. Bekanntlich sind verschiedene Bereiche der Körperoberfläche unterschiedlich sensibel für Druck und Berührung. Man misst die Unterschiede der Fühlschärfe durch die Zwei-Punkte-Schwelle: Wie nahe können zwei Berührungspunke (z. B. eines Zirkels mit entschärften Spitzen) sein, um noch als zwei Berührungen (statt als eine) wahrgenommen zu werden [u Abb.]. Das sprichwörtliche Fingerspitzengefühl bewährt sich bei diesem Messverfahren in einem Abstand von 1–3 mm, während die Schwelle im Handteller schon bei ca. 1 cm liegt (die Spitzen zweier aneinandergelegter Bleistifte, die man an den Fingerspitzen verlässlich unterscheidet, verschmelzen im Handteller zu einem Punkt). An Armen und Beinen, Rücken und Bauch wächst der Abstand auf mehrere Zentimeter. Die Lippen sind ähnlich sensibel wie die Fingerspitzen, die Zungenspitze übertrifft sie noch. Die Karte des Auflösungsvermögens der Körperoberfläche, die sich aus dieser Messung ergibt, basiert sowohl auf der Dichte der Rezeptoren in der Haut als auch der entsprechenden Verarbeitungskapazität im Gehirn. Die monströsen Proportionen des u somatosensorischen Homunculus entsprechen der ungleichen Dichte der Rezeptoren an der Körperoberfläche. Das feine Auflösungsvermögen an Fingerspitzen, Lippen und Zungenspitze fügt sich mit der Rolle dieser Körperteile bei Erkunden, Handhaben, Nahrungsaufnahme und Artikulieren. Durch Training kann das Auflösungsvermögen bereits kurzfristig verbessert werden. Dies liegt natürlich nicht an einer Vermehrung der Rezeptoren, sondern geht auf das Konto der zentralen Verarbeitung der Reize (Ausweitung von Arealen im Homunculus durch Rekrutierung benachbarter Neurone). Auch die gezielte Reizung etwa des für eine Hand oder bestimmte Finger zuständigen Gehirnareals mit pulsierenden Magnetfeldern durch die geschlossene Schädeldecke hindurch (Transkraniale Magnetische Stimulation, TMS) beeinflusst die Sensibilität. Die Fingerbeeren (insbesondere der Lesehand) von Geburtsblinden sind deutlich sensibler als die von Sehenden. Thermosensibilität und Energiehaushalt. Weicht die Umgebungstemperatur nur gering von der Körpertemperatur ab (Bereich von ca. 30°–36° Celsius), vermittelt sie

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keinen nachhaltigen Eindruck von kalt oder warm. Jenseits dieser Grenzen stellt sich ein dauerhaftes Empfinden von Kälte oder Wärme ein. Im Warmbereich sind wir sensibler für weitere Temperaturzunahme, im Kaltbereich für weitere Temperaturabnahme. Außerdem ist die Sensibilität für Änderungen der Temperatur abhängig von der Größe der ausgesetzten Hautfläche. Bei starker Hitze oder Kälte geht die Temperaturempfindung in Schmerz über. All diese Eigenheiten der Temperaturwahrnehmung dienen offensichtlich letztlich dazu, Aktionen einzuleiten, die der Beibehaltung der Körpertemperatur dienen.

Experiment u Drei-Schalen-Versuch Bei diesem Experiment hält man beide Hände, nachdem eine in kaltes, die andere in warmes Wasser getaucht war, gleichzeitig in eine Schüssel, die Wasser mittlerer Temperatur enthält. Das leicht im Selbstversuch feststellbare Ergebnis kann als Demonstration des Prinzips verstanden werden, dass Wahrnehmen eher darauf geeicht ist, festzustellen, ob sich etwas ändert, als darauf, die objektiven Gegebenheiten korrekt abzubilden.

Bipolares Wahrnehmen. Werden wir von etwas berührt, fassen wir dies einmal vom Körpergefühl (Empfinden), ein andermal vom Wahrnehmen dessen auf, was uns gerade berührt. Der physiologische Reiz in der Haut birgt für das Wahrnehmen zwei Pole: etwas in der Welt (der Reiz wird objektiviert) oder uns selbst (der Reiz wird subjektiv aufgefasst oder somatisiert). Insofern ist die im ersten Kapitel erwähnte Etikettierung des taktilen Wahrnehmens als Exterozeption missverständlich. David Katz spricht in seinem klassischen Werk Der Aufbau der Tastwelt von Bipolarität der Tastphänomene. „An Stellen, die weniger zum erkennenden Tasten verwandt werden“, so Katz, „tritt das Subjektive stärker hervor.“ Weiter komme es auf die Stärke einer Berührung an: „Energische Bewegung wirkt stärker objektivierend als sanfte von Kitzel begleitete.“ (1925, S. 21f.). Wesentlicher ist wohl die situationsabhängige Einstellung: Eine unerwartete, leichte, von Kitzel begleitete Berührung kann beispielsweise durchaus als ein Etwas, das einem über den Körper läuft, wahrgenommen werden; umgekehrt spürt jemand, der massiert wird, eher sich unter dem kräftigen Druck als die Hände, die ihn bearbeiten. (Bei Massagen spielen neben taktiler Wahrnehmung auch Empfindungen in Muskeln und Sehnen – also Momente der Tiefensensibilität – eine Rolle.) Berührt man sich an Stellen selbst, die normalerweise dem „erkennenden Tasten“ dienen, so tritt die Bipolarität in Art einer Kippfigur auf. Treffen sich z. B. die Spitzen der Mittelfinger, kann man zwischen der Perspektive des rechten und des linken Fingers springen: Mit jeweils einem von beiden erkunden wir in erster Linie die Kuppe des anderen, wobei der Kundschafter hintergründig selbst spürbar ist, während bei dem anderen, dessen Kuppe wir eben ertasten, das Berührtwerden, also die subjektive Seite dominiert. Im nächsten Moment können wir die Perspektive wechseln (meist – wenn auch nicht zwingend – wechselt dabei die Aktivität: Der erkundende Finger ist eher

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derjenige, der sich bewegt). Dieses Spiel funktioniert auch zwischen Fingerspitzen und Lippen oder Zungenspitze oder zwischen den Letzteren; fährt die Zungenspitze etwa über die Oberlippe, so kann man abwechselnd die Glätte der Lippe oder die Rauhigkeit der Zungespitze fühlen. Lesen u Birbaumer & Schmidt, 2006; Campenhausen, 1993; Gibson, 1973; Hensel, 1966; Katz, 1925; Roberts, 2002, Kap. 18–22; Röder & Rösler, 2001

Nähe/Ferne (taktile Schallwahrnehmung), Überraschung, atmosphärisches Spüren Der Tastsinn gilt als Nahsinn. Typischerweise wird er angesprochen, wenn ein Lebewesen oder Objekt die Haut berührt. Die behaarte Haut ist bereits an den Haarspitzen berührungsempfindlich, da sich an den Haarwurzeln Sensoren befinden, die reagieren, wenn die Haare bewegt werden. Bereits durch einen Luftzug können Annäherungen sich Haaren und Haut mitteilen. Der Tastsinn ist hier nicht weniger Fernsinn als das Hören: Auch das Ohr wird ja durch Schall, also Luftdruckschwankungen, berührt. Luftbewegung kann tatsächlich nicht nur auf unhörbare Bewegungen (eine fächelnde Hand) hinweisen, sondern auch Schall auf der Haut spürbar machen (Diskothek). Während das Ohr aber normalerweise etwas hört, statt sich zu spüren, empfindet man starken Schalldruck auf der Haut primär als Vibrationsmassage. Erst in besonderer Einstellung oder bestimmten Situationen werden die Hautempfindungen zur Schallwahrnehmung objektiviert. Wenn man etwa unter erschwerten Hörbedingungen Sprachlaute erkennen soll, kann sich der auf der Haut gespürte Hauch aspirierter Silben als hilfreich erweisen (Gick & Derrick, 2009). Die taubblinde Helen Keller (1908) erwähnt das Spüren von Donner, Brandung und Orgelmusik. Taube berühren auch Musikinstrumente oder Lautsprecher, um Musik wahrzunehmen, Hals bzw. Gesicht eines anderen Menschen, um dessen Stimme (Tadoma-Methode) zu vernehmen. Im sogenannten Raumsinn der Blinden vermutete man ebenfalls eine Leistung besonders sensibler taktiler Wahrnehmung: Dass Blinde beim Zugehen auf eine Wand schon in einem gewissen Abstand merken, dass da etwas ist, brachte man mit dem besonders feinen Gespür ihrer Gesichtshaut für Luftbewegung in Verbindung. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Art Echoortung (Widerhall der eigenen Schritte), die bei zugestöpselten Ohren ausfällt. Trotz des Wissens und auch der persönlichen Erfahrung, dass facial vision, wie das vermeintliche Hautradar im Englischen genannt wurde, allein von den Hörbedingungen abhängt, kann die Echoortung jedoch, wie der als Erwachsener erblindete John M. Hull (1997) berichtet, unabweisbar mit einem Druckgefühl auf der Haut des Gesichts verbunden sein (zur Echoortung siehe auch Blesser & Salter, 2009; Hill, 1985).

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Ein anderer Typus von potentieller Ferne-Wahrnehmung über die Haut ist das thermische Spüren von Objekten oder Ereignissen (besonders das Gesicht fungiert als Detektor für Kälte- oder Wärmequellen). Überraschende Berührungen. Wird man unerwartet berührt, fährt man zusammen. – Bewegung als Anzeichen anderer Lebewesen lässt auch dann aufmerken, wenn man sie am Rand des Blickfeldes sieht oder durch ein Geräusch erahnt. Das Aufmerken bedingt (oder ist) eine Orientierungs-Reaktion: einen Erregungsschub, der vom Hirnstamm aus zu gesteigerter Wachheit führt (Arousal) und zugleich die Sinne motorisch auf das Ereignis richtet. Im Falle der Berührung – das zweifelhafte bewegliche Etwas rückt einem ja schon auf den Pelz – liegt die gesteigerte Form der Hab-AchtReaktion nahe: die Schreck-Reaktion, die wegen den Ausweichbewegungen auch Defensiv-Reaktion genannt wird. In der unmittelbaren Nähe des Körpers (dem u peripersonalen Raum) wirken bemerkenswerterweise visuelle und auditive Reize so wie Berührungen; im Gehirn (Frontal- und Scheitelappen) von Affen hat man Relais-Stationen (u bimodale Zellen) für diese Äquivalenz gefunden (Graziano et al., 2004). Auch wenn man sich selbst bewegt, kann eine unerwartete Berührung (in dunkler Szenerie) dazu angetan sein, einen Schreck einzujagen. Die Geisterbahn macht sich das ebenso zunutze wie künstlerische Installationen; nachtaktiven Raubtieren verhelfen lange Tasthaare zu früher Warnung. Spüren eines Mediums. „Wenn man gegen die Hand einen kräftigen Luftstrom blasen läßt“, schreibt Katz, „so erlebt man ein Tastphänomen, welches die größte Unsicherheit der Formung zu besitzen scheint, die überhaupt erreichbar ist“ (1925, S. 27). Er spricht von einem raumfüllenden Tastquale: Gespür für das Me dium, das unseren Körper ganz oder teilweise umgibt. Bei Wind, auf einer Schaukel, auf dem Fahrrad etc. fühlen wir die Atmosphäre, die uns ansonsten unauffällig umhüllt. Das Spüren von Luftbewegung ist neben einer Dusche (Regen) oder einem Bad der Prototyp eines medialen Berührungserlebnisses, wie es auch durch mehr oder weniger feinkörnigen Feststoff (Sand, Granulate etc.) oder Gewebe mit entsprechenden Eigenschaften (fließende Stoffe) hervorgerufen werden kann. In diesem Sinn bezeichne ich das Spüren eines Mediums als atmosphärisches Spüren. Das Erlebnis des medialen oder atmosphärischen Spürens ist kaum in Worte zu fassen. Jedenfalls verschafft dieses Spüren – wie auch die Empfindung von Wärmestrahlung (Sonnenbad) – eine relativ umfassende Empfindung der eigenen Haut, anders gesagt: der Körpergrenze. Im atmosphärischen Spüren entsteht von der Peripherie her ein ausgedehntes oder geschlossenes Körperfühlbild. Das kann – unabhängig von der spezifischen Qualität des Mediums (also sowohl bei warmer wie kühler Lufttemperatur) – lustvoll sein (von positiver hedonischer Qualität). So erklärt sich die Wertschätzung, der sich Praktiken der Sauna- und Bäderkultur unabhängig von Gesichtspunk-

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ten der Nützlichkeit (Hygiene, Kosmetik, medizinische Indikationen wie Herz-Kreislauf-Stärkung) erfreuen. Karl Groos (1899) sprach in diesem Zusammenhang von einem Gefühl erhöhter Realität. Traditionell wurden Wasserkuren übrigens bei „Irrsinn“ eingesetzt. Bei psychotischen Krankheitsbildern wie der Schizophrenie gehen grundlegende Störungen des Selbstgefühls ja oft mit gestörtem Körpergefühl Hand in Hand. Man versuchte offenbar intuitiv, durch umfassende Berührungserlebnisse dem körperlich verankerten Selbstgefühl auf die Sprünge zu helfen. In den vergangenen 200 Jahren waren die Wechselbäder und andere körperlich aufrüttelnde Therapieformen in Irrenhäusern und den späteren psychiatrischen Kliniken immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt: Die Empörung über unwürdigen Umgang mit psychotischen Patienten hatte somatische Behandlungsformen pauschal in Verruf gebracht. Heute, vor dem Hintergrund neurowissenschaftlicher Erkenntnisse, erscheinen solche und andere Formen der körperlichen Therapie von Geisteskrankheiten nicht abwegig. Behutsame Fühlkuren etwa sind Bestandteil der Therapie entwicklungsgestörter Kinder (z. B. in der sog. sensorischen Integrationstherapie). Auch Magersucht wird u. a. durch Spürhilfen behandelt.

Hausapotheke & Gesundheitswesen u Magersucht & Körperfühlbild Der Leipziger Psychologe Martin Grunwald hatte bei Hirnstromableitungen während eines Experiments zur Tasterkundung von Reliefs zufällig festgestellt, dass bei Versuchsteilnehmerinnen, die unter Magersucht leiden, schlechte Ergebnisse mit gehirnelektrischen Anomalien in jenen Bereichen des Parietallappens einhergehen, die vermutlich wesentlich für des Körperschema sind (Grunwald & Gertz, 2001; vgl. Suchan et al. 2013). Die Überlegung, dass Magersucht die Folge eines gestörten Körperschemas sein könnte, die so neurowissenschaftlich untermauert wurde, führte ihn zu der Idee, diesem über verstärkte Hautempfindungen im Alltag auf die Sprünge zu helfen. Durch regelmäßiges Tragen eines Neoprenanzugs, wie ihn Taucher benutzen, scheint es nach ersten Ergebnissen in der klinischen Symptomatik wie im Hirnstrombild wenigstens vorübergehend zu Veränderungen in der gewünschten Richtung zu kommen (Grunwald, 2008, Kap. 28; Henschel & Psihoyos, 2004).

Der subjektive Pol spielt beim atmosphärischen Spüren also offensichtlich eine wichtige Rolle. Der objektive Pol dieser Art von Berührung ist durch die Vagheit dessen, was einen berührt, gekennzeichnet. Tendiert menschliches Wahrnehmen dazu, äußere Bewegung mit lebendigen Geschöpfen in Verbindung zu bringen, begegnet ihm im atmosphärischen Spüren das Geheimnis unsichtbaren, formlosen Lebens: Geister & Gespenster. „Die bewegte Atmosphäre“, schrieb Katz, „dürfte keine geringe Rolle gespielt haben bei der Anregung der Seele des primitiven Menschen zur animistischen Interpretation der Vorgänge der unbelebten Natur“ (1925, S. 28). Lesen u Graziano et al., 2004; Katz, 1925; Keller, 1908; Kiese-Himmel, 1998

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Teil I: Spüren – Körper und Bewegung

Zwischenmenschliches Berühren Ein ausgedehntes, körperwarmes Bad geht der Geburt voraus. Bei fortgeschrittener Schwangerschaft reagiert der Fötus auf leichten Druck, den er durch die Bauchdecke hindurch spürt. Dass Neugeborene Berührung wahrnehmen, ist keine Frage. Dass ihr Gefühlssinn, wie man den Tastsinn früher nannte (im Englischen steht feeling für den Tastsinn), auf seine Kosten kommt, ist von vitaler Bedeutung. Spüren eines warmen, weichen Körpers ist für den Säugling ein Grundbedürfnis – Voraussetzung ungestörter körperlicher und psychischer Entwicklung. Das demonstrierten eindrücklich Experimente von Harlow an Äffchen, die ohne Muttertiere aufgezogen wurden. Er bot diesen Tieren sowohl eine Drahtattrappe („Drahtmutter“) als auch ein elektrisch erwärmtes, mit weichem Stoff überzogenes Ersatzobjekt („Frotteemutter“) an. Auch wenn die Saugflasche in der „Drahtmutter“ platziert wurde, hielten sich die Äffchen hauptsächlich bei der „Frotteemutter“ auf. Durch geeignete Ersatzobjekte können Entwicklungsstörungen (bis zu einem gewissen Grad) begrenzt werden: „Hat ein Affensäugling nichts zum Anklammern oder Anschmiegen, so schlingt er die Arme reflexhaft um den eigenen Körper und zeigt dabei unnatürliche stereotype Haltungs- und Bewegungsmuster, die ihn massiv in seiner Entwicklung behindern können. Dagegen hält sich das Äffchen an einem mit weichen, griffigen Stoff bezogenen, gewärmten Objekt passender Größe und Form gerne fest und kann sich dort entspannen.“ (Hopf, 1984, S. 18)

Kulturvergleich u Zwischenmenschliche Berührung und Ersatzobjekte Säuglingsmassage, die nach asiatischem Vorbild auch europäischen Eltern nahegelegt wird (Holle, 1988), hat bei Frühgeborenen einen statistisch nachweisbaren Effekt auf die Gewichtszunahme. – Kuscheldecken und ähnliche Ersatzobjekte sind bei Kindern in der westlichen Kultur verbreitet (siehe den sprechenden englischen Terminus security blanket). Bei Naturvölkern, bei denen ausgeprägter Hautkontakt zwischen Erwachsenen und Kindern üblich ist, fehlen sie (Schleidt, 1989). – Daumen- und Fingerlutschen sollte man nicht, wie es gelegentlich geschieht, von vornherein mit den genannten Ersatzobjekten gleichsetzten. Diese lustvollen u Selbstberührungen lassen sich schon im Mutterleib beobachten. Was nicht ausschließt, dass sie sekundär Ersatzfunktionen übernehmen.

Im Lauf der weiteren Entwicklung suchen Kinder und Jugendliche Körperkontakt nicht nur durch Anschmiegen bei den Eltern. Wenn sie selbständiger werden, weichen sie deren Berührungsangeboten sogar mehr und mehr aus. Während zumindest in unserer Kultur zärtliche Berührungen zwischen Mädchen verbreitet sind (z. B. gegenseitiges Frisieren), suchen Jungen die intensive gegenseitige Berührung eher beim Sichbalgen (rough-and-tumble-play). Auch der Umgang mit Haustieren (und Pferden,

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deren Nähe bekanntlich viele Mädchen etwa mit Beginn des Schulalters suchen) erlaubt es, sich in selbständiger Weise intensive Berührungserlebnisse zu verschaffen (Gebhard, 2001; Wagenmann & Schönhammer, 1994). Die Pferdeleidenschaft der Mädchen hat erotische Komponenten, (vor)pubertäre Raufspiele von Jungen kreisen teils offen um das Genital. Wenn Erwachsene sich berühren, dann ist dabei die Frage, wie sich diese Berührung zur Sexualität verhält, direkt (in Form von Absichten oder Bedenken) oder indirekt (durch die Einhaltung von Normen und Riten) Thema. Wer darf wen in einer gegebenen Kultur, in welcher Situation, an welcher Stelle des Körpers, auf welche Weise, wie lange berühren, ohne zu weit zu gehen? (Unsere Kultur gilt als Distanzkultur; Nähe- und Distanzkulturen unterscheidet man in der Proxemik, einem von dem Anthropologen Edward T. Hall (1969) begründeten Forschungszweig, der sich mit Stufen der körperlichen Annäherung auch schon im Vorfeld der eigentlichen Berührung beschäftigt.) Sexualität motiviert Berührung, macht den Hautkontakt aber auch kompliziert. Befragungen zeigen, dass die bei Erwachsenen so oder so ab einem gewissen Punkt gegebene gewissermaßen automatische Verbindung von (heterosexueller) körperlicher Intimität und (genitaler) Sexualität von vielen Frauen (in verschiedenen Kulturen) eher ertragen als gewünscht wird: Sie lassen sich auf Sex ein, weil sie kuscheln wollen (Thayer, 1982); nur ausnahmsweise geben Männer Ähnliches zu Protokoll – wie der Philosoph Jean-Paul Sartre in einem Interview mit seiner Lebensgefährtin Simone de Beauvoir (Beauvoir, 1986, S. 390). Sexualtherapeuten belehren darüber, dass ein Überschreiten der Schwellen zur Intimität genussvolle Berührung nicht garantiert. Sie erachten die übliche Fixierung auf die genitale Vereinigung – sei es wegen der damit verbundenen Leistungsängste, sei es wegen des eingeschränkten Liebesspiels – als problematisch (Seikowski & Gollek, 2001; Coolsaet, 1999). Vielleicht gehen, wie Morris (1972) vermutet, viele Leute deshalb zur Massage, zum Friseur, zur Kosmetik oder sogar zum Arzt, weil sie auf andere Weise ihren Bedarf an Streicheleinheiten nicht zu decken vermögen. Sie tun das aber wahrscheinlich nicht, weil sie, wie Morris weiter postuliert, auf diese Weise zu frühkindlicher Geborgenheit zurückkehren wollen. Auch in der Primaten-Verwandtschaft ist soziale Körperpflege, wie gegenseitiges Lausen, weit verbreitet (und gilt manchen Verhaltensforschern als sozialer Kitt, den beim Menschen der Klatsch teils ersetzt habe; Dunbar, 1996). Die Behauptung, der Wunsch nach Nähe sei eine rückwärts gewandte Sehnsucht, ist so unbeweisbar wie die noch weiter gehende Regressions-These, Erwachsene suchten alle möglichen Formen von bergenden Berührungserlebnissen – einschließlich eines warmen Bades – deshalb, weil sie letztlich („unbewusst“) in den Mutterbauch zurück wollten (diese These geht auf Überlegungen des Psychoanalytikers Otto Rank [1998, Orig. 1924] zum Geburtstrauma – dem vermutlichen Schreck über das Ende des körperwarmen Bades im Mutterleib – zurück). Halten wir uns an die schlichtere Feststellung,

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dass das Bedürfnis nach zwischenmenschlichem Körperkontakt in jedem Lebensalter zum menschlichen Gefühlshaushalt gehört. Lesen u Classen, 2005; Eibl-Eibesfeldt, 1995; Grunwald, 2008, Kap. 11, 12 u. 21; Jütte, 2000; Montagu, 1992; Morris, 1972; Riedl, 2008; Thayer, 1982; Wagener, 2000

Gegenstände und Materialien Gewicht, Form, Oberfläche. Durch passive Berührung kann man nur in sehr beschränktem Maß ein Spürbild von Gegenständen gewinnen. In einer gewissen Größenordnung lassen sich Gewichte (z. B. auf der Stirn aufliegender Gegenstände) einigermaßen einschätzen. Werden Gegenstände auf Finger oder den Handteller gedrückt, kann man die Erstreckung einer Fläche oder Kante spüren und ob etwas spitz bzw. eckig oder stumpf ist; abrollende Bewegungen geben Hinweise auf die dreidimensionale Gestalt von Objekten. Gewissheit über Formen oder Muster erlangt man so jedoch kaum. Eine Ausnahme bilden geübte Leser von Blindenschrift (Braille); sie können, anders als Neulinge, diese Schrift bei passiver Berührung gut erkennen. Auch Menschen ohne besonders trainierten Tastsinn können problemlos Texturen, die über die Fingerspitzen bewegt werden, wahrnehmen (z. B. glatt bzw. rau). Experimente zeigen, wie schnell und treffsicher Materialqualitäten respektive Oberflächenbeschaffenheiten selbst in komplexen Situationen (bei gleichzeitiger Präsentation unterschiedlicher Proben an mehreren Fingerspitzen) wahrgenommen werden. Bei solchen Studien werden Materialproben (ähnlich wie die Symbole auf Trommeln eines Glücksspielautomaten) immer wieder neu arrangiert und dann kurz an die Finger herangeführt und hin- und herbewegt [u Abb.]. Bei der taktilen Texturwahrnehmung behauptet sich unser Gespür – eher als bei der haptischen Formwahrnehmung – gegenüber visueller Beeinflussung [u Kap. 3]. Die Geräusche, die bei der Bewegung über Oberflächen entstehen, gehen (meist unmerklich) in das Gespür ein; wenn man das Geräusch, das beim Reiben der beiden Hände entsteht, experimentell in Richtung Betonung der hohen Frequenzen verändert, fühlt sich die Haut trocken an (Pergamenthaut-Illusion, Jousmäki & Hari, 1998).

Experiment u Aristotelische Täuschung Vergleichen Sie, was Sie (am besten bei geschlossenen Augen) spüren, wenn Sie einen Stift, wie in der Abbildung auf S. 47 gezeigt, zwischen Zeige- und Mittelfinger – in normaler Position oder überkreuzt – bewegen.

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Effekt & Deutung: Überkreuzen wir die Finger und bewegen nun den Stab in der Furche, so entsteht der Eindruck, von zwei Stäben berührt zu werden (führt man selbst den Stab mit der anderen Hand, drängt sich die Vorstellung einer Gabelung auf); selbst die eigene Nase lässt sich so spalten. – Die schon in der Antike diskutierte sogenannte Aristotelische Täuschung beruht darauf, dass bei passiver Berührung die wahrgenommene Gestalt eines Objektes sich allein aus der Topographie unserer Körperoberfläche ergibt: Wir registrieren zwar die ungewohnte Stellung der Finger zueinander, bestimmen jedoch die Gestalt dessen, was uns berührt, auf Basis der gewohnten, nicht verrenkten Stellung der Finger.

Thermische Qualität. In das Urteil über die Natur von Materialien, mit denen man in Berührung kommt, geht neben mechanischen Eindrücken auch die Wirkung der thermischen Qualität der Stoffe auf den Körper ein: Bei gleicher Temperatur (im Normalfall: der Temperatur des Raumes, in dem sie sich befinden) fühlen sich etwa Metall und Holz, Wasser und Öl nicht gleichermaßen warm oder kalt an. Das liegt daran, dass sie wegen ihrer unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität die Körpertemperatur an der berührten Stelle verschieden schnell ableiten. Da diese Eigenschaft von Materialien potentiell den Wärmehaushalt des Organismus beeinflusst, also von vitaler Bedeutung ist, liegt die innige Verbindung entsprechender Wahrnehmung mit Bewertungen nahe: Die Gegenüberstellung warmer und kalter Materialen ist bekanntlich nicht gefühlsneutral. Bei der Prüfung von Lebensmitteln, Pflanzen oder auch Böden (auf denen etwas angebaut werden soll) gilt ein anderer Maßstab: Kühle als Zeichen von Feuchtigkeit bzw. Frische ist da – anders als bei der Suche nach einem Lagerplatz – in der Regel wünschenswert. So oder so, die biologische Bedeutung der thermischen Beurteilung von Umgebungen und Objekten ist nicht zu übersehen. Lesen u Campenhausen, 1993; Gibson, 1973; Lederman & Klatzky, 2004; Newell, 2004; Wolfe et al., 2006

Experiment u Webersche Täuschung Effekt: Der Leipziger Physiologe E. H. Weber stellte fest, dass das Gewicht einer eisgekühlten Münze deutlich größer erscheint als einer etwa auf Körpertemperatur erwärmten: Bringt man abwechselnd eine kalte oder zwei gestapelte warme Münzen auf dieselbe Stelle der Stirn eines liegenden Menschen auf, glaubt der, es mit dem gleichen Gewicht zu tun zu haben. Deutung: Diese Täuschung wird auf die temperaturabhängige Funktion eines Typus von Mechanorezeptoren zurückgeführt. Eine alternative Erklärung geht davon aus, dass die Druckempfindung gar nicht nur auf der Aktivität der Mechanorezeptoren beruht, son-

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dern dass die Summe der gleichzeitigen lokalen Temperaturreize das subjektive Erleben von Druck mitbestimmt. Da nun die Zahl der Kaltrezeptoren größer ist als die der Warmrezeptoren, wäre nach dieser Theorie verständlich, warum unter sonst gleichen Bedingungen das ‚Reizgewicht’ des kalten Gegenstandes größer ist. Schließlich spielt es möglicherweise auch eine Rolle, dass das Experiment die in diesem Abschnitt beschriebene thermische Materialwahrnehmung aushebelt: Die auf Körpertemperatur erwärmten Münzen werden nicht als Metall wahrgenommen (während umgekehrt ein eisgekühltes Stück Holz kurzfristig metallisch wirken kann).

Taktile Ästhetik – Materialästhetik Manche Materialien fühlen sich gut an, weil sie der Haut verwandt sind oder Eigenschaften mit ihr gemein haben. In Gestalt von Kleidungsstücken oder Oberflächen von Sitz- und Liegegelegenheiten simulieren Leder, Fell, Wolle, Seide und andere Materialien – abgesehen von ihrem sonstigen Nutzen – Momente von Haut- oder Körperkontakt.

Philosophische Ästhetik u Schön und hässlich fürs Fühlen Edmund Burke (1956/1756) fasste „das Schöne für den Gefühlssinn“ in erster Linie von der aktiven Berührung her auf. Schön für das Gespür sei, was glatt und weich ist, da glatte Oberflächen und Weichheit der eigenen Bewegung geringen Widerstand bieten: „Der Gefühlssinn wird von glatten Körpern aufs angenehmste berührt. Ein glattes, weiches Bett, in dem man auf keinen irgendwie beträchtlichen Widerstand stößt, ist eine große Wohltat.“ (S. 194) Weiter nennt Burke abwechslungsreiche runde (vs. eckige) Formen und Wärme als Quelle für genussvolle Tast- bzw. Berührungserlebnisse. Gegenpol zum Schönen ist bei Burke das mit Schmerz verbundene Erhabene [siehe auch den Kasten Philosophische Ästhetik u Vom Erhabenen und Schönen in Kap. 10]; derart beeindrucken Objekte, die sich – im Gegensatz zu einem behaglichen Bett – hart, rau, eckig und kalt anfühlen. Nach dem Philosophen Karl Rosenkranz, dem Autor der 1853 zuerst erschienen Ästhetik des Hässlichen, flößt all das Ekel ein, „was durch die Auflösung der Form unser ästhetisches Gefühl verletzt“ (1990, S. 252). Er betont – vereinbar mit einer biologisch fundierten Ästhetik –, dass das Ekelhafte „ein Produkt der Natur“ sei, nämlich „Schweiß, Schleim, Kot, Geschwüre u. dgl.“, also „ein Totes, was der Organismus von sich ausscheidet und damit der Verwesung übergibt. Auch die unorganische Natur kann relativ ekelhaft werden, aber nur relativ, nämlich in Analogie oder in Verbindung mit der organischen“ (ebd., S. 252f.).

Glatte, weiche, warme Oberflächen mögen wegen ihrer Ähnlichkeit mit der menschlichen Körperoberfläche attraktiv sein. Haut auf Haut – das muss indessen, wie etwa längeres Händchenhalten lehrt, auf Dauer gar nicht besonders angenehm sein. Angenehm auf der und für die Haut sind (insbesondere auf längere Sicht) Materialien, die,

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anders als die Haut selbst, Feuchtigkeit aufnehmen und ableiten. Feucht-klebrige oder gar glitschige Berührungen lösen jenseits spezieller Situationen – etwa dem Verzehr bestimmter Speisen, dem Küssen oder dem Liebesakt – meist Ekel aus. Das erklärt sich wahrscheinlich aus dem Umstand, dass Ausscheidungen von Tieren sowie verwesende Kadaver oder Pflanzen, potentielle Krankheitsherde also, schleimig sind (Rozin, Haidt & MacCauley, 2008). Hat man es, wie im Falle von Plastik, mit einem Material zu tun, das keine Feuchtigkeit aufnimmt und deshalb den, der es berührt, nach einiger Zeit unangenehm mit dem eigenen Schweiß konfrontiert, kann es schon helfen, wenn die Oberfläche nicht zu glatt ist. In einer psychologischen Studie zu Resopal-Möbeln wurden Probanden, die ihre Hand für einige Minuten flach auf eine Materialprobe dieses Kunststoffes gelegt hatten, nach ihrer Anmutung gefragt. Die Ergebnisse bestätigen Rosenkranz’ Theorie des Ekels: „Zunächst fühle es sich“, werden Versuchspersonen zitiert, „angenehm kühl und glatt an, vielleicht doch eher ein wenig kalt. Bald aber werde es durch die Körperwärme warm und feucht, schließlich klebrig oder ‚fischig‘ kalt und glitschig. Die längere Berührung sei unangenehm bis eklig, wie die eines Toten.“ (Heubach, 1987, S. 127) In einer Untersuchung von Zuo und Jones (2003) wurden beim taktil-haptischen Vergleich von unterschiedlich bearbeitetem Stahl als glatt empfundene Proben als behaglich, lebendig und elegant taxiert, mochten sie zugleich auch eher kühl, feucht und klebrig wirken. Für den positiveren Gesamteindruck könnte im Fall der quantitativ orientierten Studie von Zuo und Jones (Feststellung von Ausprägungsgraden vorgegebener Gegensatzpaare im Unterschied zu den offenen Interviews bei Heubach) eine relativ kurze Dauer der Berührung der Materialproben verantwortlich sein. In empirischen Studien zur taktilen Materialästhetik (z. B. als Untersuchungen zur „Produkthaptik“ etikettiert) kommen zwar vielfältige, teils sehr heterogene Dimensionen ins Spiel (Meyer, 2001; Zuo, Hope, Castle & Jones, 2001; Zuo, Jones & Hope, 2004), doch letztlich erweisen sich die schon bei Burke genannten Qualitäten als zentral: glatt vs. rau, weich vs. hart, warm vs. kalt, rund vs. eckig. Meyer (2001) etwa destillierte aus freien Beschreibungen von Tasteindrücken zehn Gegensatzpaare. Fünf davon ragten heraus (neben denen, die Burke nannte, noch leicht vs. schwer). Diese lotete Meyer dann auf ihre affektive Bedeutung hin aus. Ergebnis: Als behaglich fühlt sich an, was glatt, weich und warm, als entspannend, was glatt und weich, als majestätisch dagegen, was hart, rau und kantig ist. Das bestätigt Burkes Fühlästhetik (glatt, weich, warm = behaglich/entspannend = schön; Qualitäten, die Schmerz bereiten können = erhaben). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Fühlobjekte, die von Meyers Probanden affektiv bewertet wurden, offenbar von der Form her nicht wirklich bedeutungsneutral waren. Es könnten sich also Assoziationen eingemengt haben, die gar nicht vom Material bzw. seiner Oberflächenqualität rührten. In dem 2002 erschienenen Handbuch Materials and Design. The Art and Science of Material Selection in Product Design ordnen Mike Ashby und Kara Johnson Materia-

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lien Werte der Dimensionen weich–hart (0–10) und warm–kalt (0–10) als „taktile ästhetische Eigenschaften“ zu. (Da die Dimension glatt–rau eher von der Oberflächenbearbeitung als vom Material abhängt, bleibt sie bei Ashby und Johnson unerwähnt.) Sie weisen darauf hin, dass eher weiche Materialien eher warm (Kunststoffe, Leder, Holz), eher harte auch eher kalt sind (Glas, Keramik, Metalle). Naturstoffe wie Leder und Hölzer und viele Kunststoffe liegen im mittleren Bereich. Das weich-warme Extrem bilden verschiedene Kunststoffschäume. Die Autoren überlassen den Gestaltern die zweckentsprechende Auswahl.

Design u Materialästhetik In der „gestalterischen Grundlehre“ an Designhochschulen wird seit dem Bauhaus auf die eine oder andere Weise auf die Sensibilisierung für Materialqualitäten gesetzt. Der Bauhaus-Professor Moholy-Nagy (1968/1929) ließ die Studenten dafür Tasttafeln und Apparate [u Abb.] zur aktiven oder passiven Begegnung mit Materialien bzw. Oberflächenstrukturen bauen und die Erlebnisse quasi-wissenschaftlich protokollieren. Vorbild waren Tasttafeln und andere Spürapparate, die der Futurist Marinetti 1921 in seinem Manifest zum Taktilismus skizziert hatte (Marinetti, 2005). Seither wurden immer wieder Angebote zur (u.a.) taktil-haptischen Erkundung von Materialien ersonnen; teils im Dienste grundlegender ästhetischer Bildung (z. B. Duderstadt, 1992, 1997), teils speziell für angehende Designer (z. B. Sonneveld, 2003). Besondere Gelegenheiten zur Materialerkundung sollen kompensieren, dass sich im Design, anders als im Handwerk, das Gestalten tendenziell von intimer Materialkenntnis ablöst (Gronert, 1994; Schönhammer, 2001) und die Arbeit am Bildschirm das Entwerfen zusätzlich entmaterialisiert (Turkle, 2009; Mallgrave, 2011). Vermehrt an Hochschulen und von Agenturen eingerichtete Materialbibliotheken sollen zudem die vielfältigen neuen Materialien (Beylerian, Dent & Quinn, 2007; Ternaux, 2011) greifbar machen. Datenblätter solcher Sammlungen sind teils im Internet zugänglich; von taktil-haptischen Qualitäten ist da auf recht uneinheitliche und oft diskutierbare Weise die Rede. Spürdisplays zur virtuellen Erkundung von Materialien sind Zukunftsmusik (vgl. Santos-Carreras et al., 2012); Theoretiker des Interface-Designs sehen bereits den Gegensatz von atoms & bits durch Orientierung am übergeordneten Thema Textur dahinschmelzen (Wiberg & Robles, 2010).

Weiche Materialien sind unabhängig von der Hautanalogie angenehm, weil sie den Auflagedruck des Körpers mildern. Reizvoll (aber auch befremdlich) kann es sein, wenn man bei solchen Gelegenheiten von diesen Materialen ein wenig umfasst wird oder gar mehr oder weniger tief in sie eintaucht. In Watte, weichem Gummi, weichem Schaumstoff, einem Wasserbett oder einem Sitzsack zu versinken, kann etwas vom u atmosphärischen Spüren haben, aber auch an ekligen Kontakt mit

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Ausscheidungen oder organischen Zersetzungsprodukten gemahnen (Letzteres insbesondere dann, wenn dabei eine gewisse Kühle ein feuchtes Objekt wahrscheinlich macht); jenseits der taktilen Dimension kann das Versinken ab einem gewissen Punkt auch deshalb bedrohlich werden, weil es die Bewegungsfreiheit einschränkt. Lesen u Morris, 1972; Rübel, Wagner & Wolf, 2005; Schmitz-Maibauer, 1976; Saito, 2010; Wagner, Rübel & Hackenschmidt, 2010

Taktile Erinnerungen, Vorstellungen, Halluzinationen, Träume und Synästhesien „Wenn wir sehen, dass jemand einen Schlag auf den Arm oder das Schienbein bekommen soll, so fahren wir natürlicherweise zusammen, und ziehen unsern eigenen Arm, oder Schienbein, zurück; und wenn der Schlag wirklich geschieht, so empfinden wir ihn gewissermassen eben sowohl, als der, den er getroffen. Gleichwohl aber ist es gewiss, dass das Uebel, welches wir fühlen, gar nicht beträchtlich ist.“ (Lessing im Laokoon [Lessing, Hamann & Upcott, 1901, S. 37])

„Ohne Zweifel kann man sich von früher getasteten Oberflächen wie Glas, Sandpapier, Samt, Wolle, Holz ein – meist von einem visuellen Vorstellungsbild begleitetes – Tastvorstellungsbild mehr oder weniger deutlich erzeugen.“ Katz (1925, S. 44), der das feststellte, nennt solche aktiven Vorstellungen auch Gedächtnistastungen. Er bemerkt, dass zu entsprechenden Einbildungen meist auch die vorgestellte Aktivität der erkundenden Finger gehört, weil wir Oberflächen durch aktives Betasten optimal erfahren. Beiläufig ist die Erinnerung, wie sich etwas anfühlt, immer gegenwärtig, wenn man seine Umgebung ins Auge fasst. Gerade weil und wenn diese Anflüge von Spürerinnerungen sämtlicher Oberflächen, über die der Blick schweift, nicht fokussiert werden, tragen sie zu einem vagen Gefühl bei, das für die Augen gewissermaßen in der Luft liegt: zur visuell vermittelten Atmosphäre [u Kap. 10]. Professionelle Raumgestalter (Dekorateure, Innenarchitekten und Bühnen-, Film- oder Werbefoto-Szenaristen) zielen bewusst auf diese Wirkung (Schneider, 1995). Privatleute, die eine Wohnung einrichten, haben sie zumindest implizit im Sinn. In der Regel sind Tasterinnerungen weit von der Intensität tatsächlichen Spürens entfernt. Relativ lebhaft ist das eingebildete Spüren indessen bei den meisten Menschen, wenn sie Zeugen einer Verletzung werden (empathische Schmerzwahrnehmung). Schneidet sich jemand in den Finger, versetzt dieser Anblick Betrachtern nicht selten einen Stich in die eigene Hand. William James (1890, S. 66) zitiert die Anekdote von einem Vater, der tagelang Schmerzen in einem Finger hatte, weil er zusehen musste, wie eines seiner Kinder sich den Finger in einer Tür einklemmte. Bei Annäherung einer scharfen Klinge kann ein schrilles Gefühl die Schmerzen einer Verletzung vorwegneh-

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men. Erzeugt man die u Gummihand-Illusion, so führt ein Hammerschlag auf dieses Objekt (ohne Berührung der eigenen Hand) zu einer Veränderung des Hautwiderstandes, die auf ängstliche Erregung hinweist (Ramachandran & Blakeslee, 2001). Heute ordnet man solche stellvertretenden oder vorweggenommenen Empfindungen allerdings eher dem multisensorischen Wahrnehmen als dem Vorstellen zu [u Kap. 9]. Passiv werden Erinnerungen an Gespürtes auch dann erweckt, wenn wir tatsächliche Empfindungen einzuordnen versuchen. Etwa dann, wenn wir nicht sehen, womit wir in Kontakt kommen. In solchen Fällen klingen leicht ängstliche Erwartungen an. Sachte lokale Berührungen etwa lassen den erschreckenden Verdacht aufkommen, sie rührten von kriechenden oder krabbelnden Lebewesen her. Entsprechende Szenarien sind Inhalt von Tasthalluzinationen, die bei verschiedenen zentralnervösen Störungen oder Sonderzuständen vorkommen (Alzheimersche Erkrankung, Parkinson, Formen von Epilepsie, Schlafparalyse, Konsum von Drogen wie Kokain oder Amphetaminen, Psychosen). Beim Dermatozoenwahn etwa, einer psychotischen Erscheinung, die sich vorwiegend bei älteren Menschen findet, sind die Patienten der „unerschütterlichen, diskussionsunfähigen wahnhaften Überzeugung, kleinste Lebewesen – kleine Tierchen, Würmchen, Parasiten, Mikroben und anderes Ungeziefer – auf und unter der Haut zu haben“ (Huber, 1999, S. 160). Auch in bestimmten Momenten des Schlafes kommt es (trotz weitgehender sensorischer Blockade) durch Erregungen, die (nach Art von Halluzinationen) im Gehirn selbst ihren Ursprung haben, oder durch lagebedingte Missempfindungen (eingeschlafene Hand) zu Tastempfindungen. Da in der Vor- und Frühgeschichte der Menschheit die Annäherung von Getier während des Schlafes eine reale Gefahr war, könnte sich die Tendenz zu einem weckenden Aufschrecken bei ungewöhnlichen Hautempfindungen herausgebildet haben. Noch die Träume zivilisierter Menschen scheinen davon geprägt zu sein.

Schlaf und Traum u Angstvolle Berührungsträume Träume von Insekten oder Spinnen und Träume von Schlangen zählen zu den sogenannten typischen Träumen. Dabei handelt es sich um unalltägliche Traumgeschehnisse, die vielen Menschen in aller Welt schon einmal widerfahren sind. Es lässt sich zeigen, dass solche Episoden im Zusammenhang stark erregter Momente des Schlafs geträumt werden. Tatsächliche oder halluzinierte Körperwahrnehmungen erklären sich aus dem Erregungsschub. Dass befremdliches Kribbeln Phantasien von bedrohlichem Getier erweckt, spricht für eine stammesgeschichtlich verankerte Warnfunktion solcher Empfindungen. Bei solchen Szenen dürfte es sich also nicht um den metaphorischen Ausdruck von anderwärtigen Ängsten der Träumer handeln (Schönhammer, 2004a).

Das 1993 zuerst erschienene Buch The man who tasted shapes (Cytowic, 2003) machte einen Fall von u Synästhesie berühmt, in dem Geschmack von Hühnchen zu der deut-

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lichen Empfindung führt, mit der Hand etwas Spitzes zu berühren. Auch die anderen Sinne lösen bei einigen wenigen Individuen synästhetische Tastempfindungen aus (Day, 2006); neben solchen exotischen Querverbindungen steht das Phänomen, dass manche Menschen Berührungen, die sie bei anderen beobachten, immer am eigenen Leibe spüren [u Kap. 9].

Hautempfindungen und materielle Kultur Kleidung, die zweite Haut, hat zwei Seiten. „Spüren für den Blick“ bestimmt nicht nur, ob Innen- und Außenseite zum Hautkontakt auffordern (etwa durch Analogien zum Erscheinungsbild von Haut und Fell), sondern geht wahrscheinlich auch in die Empfindung bei Berührung des Materials ein. Bei Behausungen, der dritten Haut (Gottfried Semper, 1851, leitete „Wand“ von „Gewand“ ab), spielt tatsächlicher Hautkontakt mit den begrenzenden Materialien eine geringere Rolle. Die visuell suggerierten Berührungsqualitäten von Wänden – z. B. textil anmutender Farbauftrag – müssen nicht unbedingt im Hautkontakt eingelöst werden, um nachhaltig Behaglichkeit zu gewährleisten. In Wohnungen haben die Bewohner allerdings regelmäßig Hautkontakt mit Böden, weshalb hier die tatsächliche taktile Qualität eher von Bedeutung ist (z. B. Linoleum vs. PVC). Weitere für das Wohlbefinden wichtige Berührungspunkte von Behausung und Körper bzw. Haut ergeben sich beim Gebrauch von Möbeln. Wohnstile unterscheiden sich nicht zuletzt durch die visuell suggerierten und tatsächlichen taktilen Eigenschaften der Materialien. Wesentlich trägt Heizung bzw. Klimatisierung zum Behagen in der dritten Haut bei; „warme Farben“ ersetzen zwar nicht die Heizung, tragen ihren Namen aber nicht von ungefähr. Automobile sind u. a. enge Behausungen: Sie stellen die Insassen ruhig, nehmen den Körper in ein gepolstertes, temperierbares Futteral auf und geben ihm eine harte, glatte, glänzende „zweite Haut“ (Rüstung). In Spannung zur Schutzfunktion der diversen künstlichen Häute steht das Bedürfnis, Reize wie Luftzirkulation und Sonnenstrahlung auf der Haut zu spüren. Daher das Bemühen um regulierbare Öffnung der Schutzhäute oder Kompensationsmittel (Ventilatoren, UV-Strahler). Im Falle des Cabriolets führt die (reversible) Öffnung des Futterals Automobil zu atmosphärischem Spüren besonderer Intensität, das Freiheit und sinnlichen Lebensgenuss symbolisiert (und damit das Luftbad der Freikörperkultur bzw. Wandervögel zu Beginn des 20. Jh. beerbt). Dem Wohlgefühl und der Wollust dienen Massagegeräte von Bürsten über Vibratoren bis zu Apparaten zur Wasseraufwirbelung oder zur elektrischen Stimulation der Haut. Lustvolles Körpergefühl bei Massagen kann – auch jenseits sexueller Erregung – in Trancezustände münden. Vermutlich wegen den starken Verbindungen des u un-

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spezifischen Systems zum u aufsteigenden retikulären Erregungssystem im Hirnstamm, das die Bewusstseinslage steuert. Geräte zur mechanischen, thermischen oder elektrischen Hautreizung werden auch in der Schmerztherapie eingesetzt, da verstärkter Reizzufluss die Weiterleitung von Schmerz-Afferenzen schon im Rückenmark hemmen und auch ins Gehirn gelangende Schmerzerregungen neutralisieren kann. Rasierund Epiliergeräte, die – als unerwünschte Nebenwirkung – Schmerzen verursachen, ermöglichen es den Herstellern traditionell, mit den jeweils neuen Modellen Abhilfe in Aussicht zu stellen (neuerdings z. B. – let’s make things better – durch elektrische Kühlung beim Epilieren). Vibration von Sesseln, Luftzug, feiner Sprühregen, tieffrequenter Schall, leichte Elektroschocks etc. werden in innovativen Kinos (4D/5D-Kinos) eingesetzt, um die Realitätsillusion herkömmlicher audiovisueller Medien zu übertreffen. Zumindest vorderhand lenken solche Bemühungen, die Zuschauern spürbares Eintauchen (Immersion) in die mediale Scheinwelt ermöglichen sollen, indessen vom dargestellten Geschehen eher ab, wirken der mentalen Beteiligung (Involvierung) also entgegen (Mikunda, 2002). Zukunftsmusik hinsichtlich der Mediatisierung des Spürens sind Handschuhe, Kleidungsstücke oder Körperanzüge, die differenzierte taktile und haptische Empfindungen vermitteln können [u Kap. 3]. Eine Perspektive, die nicht zuletzt sexuelle Phantasien anregt (Cyber-Sex; Rheingold, 1995; Schmauks, 2001), unter dem Banner des Tangible Design aber auch Entwürfe für vielfältige andere Anwendungsgebiete digitalisierter Streicheleinheiten mit sich gebracht hat (etwa der tangible media group von Hiroshi Ishii am MIT-Media Lab). Die an der Verbreitung gemessen erfolgreichste taktile Apparatur des vergangenen Jahrzehnts dürfte der Vibrationsalarm von Mobiltelefonen sein; die Aufgabe, Störungen der Umgebung zu vermeiden, erfüllt diese Neuerung allerdings nur in Grenzen, da die Vibration nicht geräuschlos abläuft. Auf anderen möglichen Feldern der Anwendung warnender oder informierender Vibration (z. B. in Lenkrädern) muss das Vibrationsgeräusch kein Nachteil sein. Lesen u Objekte/Industriedesign: Grunwald, 2008, Kap. 43, 45 u. 46; Grunwald & Krause, 2001; Overbeeke & Forlizzi, 2006; Zwisler, 2001; Räume/Interiordesign: Miller, 2008, Kap. 1, 3 u. 12; Schittich, 2008; Thermische Qualität: Heschong, 1979; Waubke, 1992

Resümee zur Hedonik der Hautempfindungen – Selbstberührung In diesem Kapitel hat sich gezeigt, dass es zwar Wahrnehmungsqualitäten der Berührung gibt, die eher angenehm sind als ihr jeweiliger Gegenpol, dass indessen Bewertungen stark von der jeweiligen Situation abhängen. Wenn man also auch in vielen Situationen Oberflächen gerne spürt, die – analog zur unbehaarten Haut des Menschen –

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glatt, warm, und weich sind, kann etwa die Begegnung mit Weichem unter Umständen auch Ekel erregen. Die Bewertung oder Hedonik von Qualitäten der Berührung ist im Zusammenhang mit dem aktuellen Bedürfnis und den Erwartungen, die sich aus dem (multisensorischen) Kontext ergeben, zu sehen. Überraschende Berührungen erschrecken. Das schließt nicht aus, dass solche Berührungen zu ästhetischen Zwecken eingesetzt werden, weil das Wahrnehmen in solchen Momenten den beiläufigen, banalen Charakter des Alltäglichen übersteigt. Unter Umständen wird die bloße Quantität (nach Stärke und Ausdehnung) der Hautempfindungen, unabhängig von der Qualität, positiv bewertet. Hautästhetik ist nicht zuletzt Lust an ausgedehnten und besonders starken Empfindungen (Groos, 1899). Sogar an und jenseits der Schmerzgrenze: von brennend scharfen Gaumengenüssen [u Kap. 6] bis zur Anwendung von schmerzhaft heißen wie kalten Medien (Sauna); von entsprechenden Sexualpraktiken nicht zu reden. Menschen überlisten in bestimmten Situationen die biologische Funktion von Schmerzen (Aufforderung, dem Reiz auszuweichen), um die schiere Stärke der Empfindung zu genießen bzw. die Veränderung des Bewusstseinszustandes durch reaktiv freigesetzte körpereigene Drogen (Rolls, 2005). Jenseits solcher extremen Empfindungen liegt das geradezu sprichwörtliche umfassende Spürvergnügen: das warme Bad – Inbegriff für entspanntes Wohlgefühl und geläufige Metapher für eine allzu banale ästhetische Freude: u Kitsch. Selbstberührungen. Wenn man sich selbst berührt, überkreuzen sich taktiles und haptisches Wahrnehmen, Widerfahrnis und Aktion. Das sorgt für Eigenheiten dieser Situation. Weil wir selbst Urheber der Berührung sind, ist Überraschung ausgeschlossen. Kitzelapparat Deshalb kitzelt es nicht (oder nicht so sehr), wenn man sich selbst kitzelt (in der Regel zumindest). Auch dann, wenn man durch eine mechanische Apparatur für konstante physikalische Qualität der Berührungen sorgt [u Abb.], ist es weniger kitzlig, wenn man selbst den Reiz setzt, als wenn das jemand anderes tut. Ausnahmen von dieser Regel finden sich bei Patienten in akuten Psychosen und auch unmittelbar nach dem Erwachen aus dem REM-Schlaf; in diesen Zuständen ist das Verursachergefühl für die eigene Motorik gestört (vgl. Jannerod, 2006). Im normalen Wachzustand ist es umgekehrt befremdlich, wenn eine erwartete Selbstberührung ausbleibt. Diese Erfahrung kann man machen, wenn zwei Personen ihre Hände aneinanderlegen [u Abb.] „und dann mit dem Daumen und Zeigefinger der jeweils anderen Hand gleichzeitig am eigenen oder fremden

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Handrücken entlangstreichen. Die Hand der anderen Person kann man durch einen beliebigen steifen Gegenstand ersetzen“ (Campenhausen, 1993, S. 26). Selbstberührung bedeutet Zuwendung – oder zumindest Ersatz dafür, etwa in angespannten Situationen. In zahlreichen Studien wurde gezeigt, dass Menschen wie auch Angehörige der Primatenverwandtschaft dann, wenn sie unter Stress, beispielsweise Leistungsdruck, stehen, sich selbst berühren. (Der Gebrauch von Gebetsketten, einer traditionellen Konzentrationshilfe, kann als Selbstberührung mit zwischengeschaltetem Medium verstanden werden.) Erklärt wird das u. a. mit der Hypothese, die Selbstberührung verringere die Erregung und fördere so die Konzentration (Thayer, 1982). Liegt das am Ersatz für nicht verfügbare anderwärtige Zuwendung? Oder verdankt es sich einer Einheit von Wirken und Merken, zu der andere gar nicht beitragen könnten? Eine neuropsychologische Entdeckung spricht für die zweite Erklärung: Selbstberührung führt nämlich sogar bei halbseitiger Fühllosigkeit in Folge eines Schlaganfalles zu lokalisierbaren Empfindungen auf der gelähmten Seite (Selbstberührungseffekt; Weiskrantz & Zang, zit. n. Cahusac, 2002). Unter dem Gesichtspunkt der Hedonik ist Selbstberührung zwiespältig. Als Korrelat des Ausbleibens von Kitzelempfindungen bei Selbstberührung hat man verminderte neuronale Erregung im primären somatosensorischen Kortex sowie in Belohnungszentren gefunden (Blakemore, Wolpert & Frith, 1998). Die Erregung durch Fremdberührung wird bei Zärtlichkeiten, Balgspielen und in der Sexualität gesucht (Panksepp, 2000). Andererseits fördert Selbstberührung das bewusste Erleben des Körpers, wirkt beruhigend und führt in bestimmter Hinsicht oft zu intensiverer sexueller Lust.

Rückschau in Fragen Wo liegen Brennpunkte der Sensibilität für Druck? Wie kann man das feststellen? Wie lässt sich eine Sensibilisierung der taktilen Wahrnehmung durch Übung erklären? Wie lassen sich die Eigentümlichkeiten der Temperatursensibilität verstehen? Warum spricht man von Bipolarität der taktilen Wahrnehmung? Wie kann über die Haut auch Fernes wahrgenommen werden? Wann und warum sind passive Berührungen erschreckend? Was zeichnet großflächige Spürerlebnisse in Medien wie Luft und Wasser (atmosphärisches Spüren) aus? Warum werden sie psychotherapeutisch eingesetzt? Wie lässt sich das Phänomen der Kuscheldecke verstehen?

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Welche Qualitäten von Objekten sind bei passiver Berührung gut wahrnehmbar, welche schlecht? Gibt es Regelmäßigkeiten in der taktilen Ästhetik von Materialien? Was löst taktil Ekel aus? Warum? Wie spielt das Sehen in die taktile Wahrnehmung hinein? In welcher Hinsicht kümmert sich Design um taktile Wahrnehmung? Warum kitzelt Selbstkitzeln nicht richtig?

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Anfassen und Greifen – Haptische Wahrnehmung

Aktives Tasten erspürt neben Material- und Oberflächenqualitäten auch die Form von Objekten. Eigenbewegung kommt hier zu den Hautgefühlen hinzu: Informationen aus Muskeln, Sehnen und Gelenken (Propriozeption), die ihrerseits im Normalfall (also dann, wenn unsere Glieder nicht von fremder Hand bewegt werden) auf motorische Befehle und deren Umsetzung bezogen sind. Wie bei jeder Willkürbewegung wird beim Anfassen eine Zielvorstellung mit Rückmeldungen über den Erfolg abgeglichen. – Man nimmt an, dass im zentralen Nervensystem die Bewegungsbefehle (Efferenzen) in Form einer Efferenzkopie (eine Art Blaupause der zu den Muskeln geleiteten Nervenimpulse) mit den sensiblen Zuleitungen, die sich aus der Bewegung ergeben (Reafferenzen, d. h. Afferenzen, die in Folge der motorischen Efferenzen entstehen), verglichen werden. Das aktive Berühren spielt traditionell eine wichtige Rolle in Erkenntnistheorie sowie Blindenpsychologie. Heute ist es zudem Thema von technischen bzw. medialen Entwicklungen (Teleoperation, virtuelle Realität). Das Zusammenspiel von taktilem und haptischem Wahrnehmen dient einerseits dem Erkunden und ist andererseits Voraussetzung des Handhabens von Gegenständen.

Philosophie u Betasten vs. Vitalempfindung Die auf den ersten Blick vielleicht befremdliche Aufspaltung des Tastsinns in taktiles und haptisches Wahrnehmen, die sich in der Psychologie durchsetzt, ist nicht ohne Vorläufer. Etwa bei Kant, dessen Unterscheidung allerdings eine bewertende Schlagseite hat. – Ob eine „Oberfläche sanft oder unsanft“ oder „ob sie warm oder kalt anzufühlen sei“, ist bei Kant (1983/1798, S. 72) eine Vitalempfindung, sprich: körperlich verankerte Befindlichkeit. Aus heutiger Sicht entging Kant, dass diese Seite des Tastsinns zugleich wichtige Aufschlüsse über die Umwelt gibt. Er grenzte die Vitalempfindungen vom „Sinne der Betastung“ ab, der es erlaube, „durch die Berührung der Oberfläche eines festen Körpers die Gestalt desselben zu erkundigen“ (ebd., S. 71). Als (Form-)Erkundungssinn genießt der Tastsinn seine Wertschätzung, wie die „höheren Sinne“ Hören und Sehen. Weil das Betasten unmittelbaren Kontakt zu den Gegenständen habe, sei dieser Sinn sogar der „wichtigste und am sichersten belehrende“, zugleich allerdings – aus dem nämlichen Grund: also der Berührung wegen – „aber der gröbste“ (ebd., S. 72).

Der Umfang eines Objektes lässt sich bei verbundenen Augen durch Bewegung von Fingern, Händen, Armen feststellen; bei großen Dingen muss man zusätzlich den Oberköper beugen und vielleicht sogar ein paar Schritte gehen. Sehr kleine Dinge nimmt man zwischen Zeigefinger und Daumen in die Zange (Pinzettengriff), um sie zu untersuchen. Handliche Dinge kann man mit der ganzen Hand umschließen. (Der Griff von Daumen und Zeigefinger wie das Umschließen setzen den opponierenden Daumen voraus, eine Errungenschaft des Menschen und einiger Primatenarten.) Soll

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die Form handlicher oder größerer Gegenstände (ohne Sicht) genauer untersucht werden, folgt man mit einem oder mehreren Finger(n) deren Konturen (eine im Vergleich zum Sehen von Formen mühsame Prozedur). Die Art, in der Gegenstände auf die Kraft unserer handelnden oder formerkundenden Bewegungen reagieren, gibt meist nebenbei schon einen Hinweis darauf, ob das Material, mit dem wir es zu tun haben, weich oder hart, elastisch oder plastisch ist. Wird Weichheit beim Berühren oder Erfassen andeutungsweise spürbar, gibt gezieltes Drücken und/oder Biegen nähere Auskunft. Oberflächentexturen (glatt/rau) prüft man durch Hin- und Herbewegen der Fingerkuppen (bzw. Lippen, Zunge). Ob ein Material kalt oder warm ist, wird schon bei einfachem Kontakt spürbar.

Experiment u Größen-Gewichts-Täuschung Effekt: Füllt man zwei deutlich verschieden große Schachteln von handlichem Umfang [u Abb.] so mit einem gut dosierbaren Material (bspw. mit Zucker), dass sie gleich schwer sind, kann man bei wechselndem oder gleichzeitigem Anheben der verschlossenen Schachteln eine verblüffende Feststellung machen. Hält man die Schachteln dagegen bei geschlossenen Augen jeweils an einem Bindfaden, sodass man die Schachteln weder sieht noch fühlt, entfällt der Effekt. Deutung: Die Täuschung tritt auch bei Geburtsblinden stabil auf und demonstriert, dass Erwartungen – ob durch die gesehene oder begriffene Größe verursacht – das (sensomotorische) Wahrnehmen beeinflussen: Wahrscheinlich ist es der unwillkürlich höhere Kraftaufwand, der die größere Schachtel leichter erscheinen lässt.

Gewicht erkunden wir durch Anheben von Gegenständen. Wissen wir auch über ihre Größe Bescheid, gewinnen wir so einen Eindruck über ihr spezifisches Gewicht. Nur was beweglich ist, können wir überhaupt wiegen. Festzustellen, ob etwas (ganz oder teilweise) mobil oder fixiert ist, spielt keine ganz unwichtige Rolle für das Handeln. Ebenso wie die Feststellung, ob einer Sache eigene Bewegungskräfte innewohnen: Was unserer Bewegung unüberwindlichen Widerstand entgegensetzt, bildet gewissermaßen die Bühne, auf der wir handeln; Objekte mit Eigenbewegung müssen wir als Mitspieler auffassen; was unsere Bewegungen mitmacht oder gar den Bewegungsapparat ergänzt, betrachten wir tendenziell als Teil unseres Selbst [u Kap. 1, 9]. Die Entwicklung des haptischen Wahrnehmens ist an die der Motorik gekoppelt. Schon vor der Geburt sind Ansätze zu zielgerichtetem Tun beobachtbar, bei dem taktile Sensibilität mit Bewegungen koordiniert ist. Föten führen die Hand zum Mund, den sie dann, wenn die Hand ihn berührt, öffnen, um an ihren Fingern zu saugen. Bei Neugeborenen lässt sich experimentell (über die Dauer des Haltens) nachweisen, dass sie mit den Händen Formen (Zylinder und Prisma) unterscheiden (sie lassen jenes

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der beiden verdeckten Objekte, das sie bereits in der Hand hatten, bei erneutem Kontakt schneller los als das jeweils neue). Die Saugmotorik folgt keinem fixierten Muster, sondern stellt sich auf Konsistenz und Form des Schnullers ein (Neugeborene reagieren eher auf die Konsistenz, etwas ältere Babys erforschen eher die Form). Saugen (besonders dann, wenn Zucker im Spiel ist) erhöht die Kraft, mit der Neugeborene zugleich etwas greifen; ein umgekehrter Effekt bleibt jedoch aus. Von Geburt an entwickelt sich bei gesunden Säuglingen die Zusammenarbeit von Greifen und Sehen. Gegen Ende des ersten Halbjahres, wenn die Babys sitzen können, erforschen sie gezielt, was sie erreichen, mit Augen, Händen und Mund. Die Feinmotorik der Hände und ihre Abstimmung mit taktilen Empfindungen entwickeln sich in einem langwierigen Prozess, im Wechselspiel von Übung und Ausreifung des Nervensystems. Mit zunehmendem Alter geht zunächst die Beteiligung des Mundes am Explorieren zurück. Später verliert sich auch das unablässige Greifen nach allem, was in den Blick kommt. Eltern begrüßen die zunehmende Aktivität der Kleinkinder, sehen sich aber auch genötigt, sie unablässig einzuschränken. Nach einer geläufigen kulturkritischen Klage ist der Rückgang des haptischen Explorierens mit zunehmendem Alter auf die elterlichen Verbote – oder allgemeiner: auf ein kulturelles Berührungstabu – zurückzuführen. Wahrscheinlicher ist indessen, dass die im Zusammenspiel von Händen und Augen gesammelten Erfahrungen es nach einigen Jahren überflüssig machen, alles anzufassen. Lesen u Grunwald, 2008, Kap. 11, 13 u. 16; Holle, 1988; Klatzky & Lederman, 2003; Michaelis, 1992, 2003; Streri, 2003a, 2003b; Warren, 1982

Wahrnehmungsqualitäten u Säuglingsforschung und das Molyneux-Problem Die Säuglingsforschung soll eine Antwort auf eine Frage liefern, die in ihrer klassischen philosophischen Form wahrscheinlich nicht beantwortet werden kann. Die lautet: Können Blindgeborene, die durch eine Operation das Augenlicht erlangt haben, auf Anhieb einen Würfel und eine Kugel, die sie ja haptisch kennen, durch bloßes Anschauen wiedererkennen? Der irische Philosoph William Molyneux hatte diese Frage im Jahr 1688 in einem Brief an John Locke gestellt, der sie dann 1694 in seinem Versuch über den menschlichen Verstand negativ beantwortet, weil er überzeugt war, dass der Tastsinn das Sehen erziehe: Es sei ausgeschlossen, dass der sozusagen jüngferliche Blick einen Unterschied von Würfel und Kugel ausmachen könne. – Leibniz argumentierte später, wenn die erfolgreich Operierten wüssten, dass eines der beiden Objekte, die sie vor Augen haben, ein Würfel, das andere eine Kugel ist, fänden sie wohl auch visuell einen Anhaltspunkt, sprich: eine Analogie zum Fühlen von rund und eckig (Leibniz & Cassirer, 1971, S. 118f.; vgl. Götz, 2002). Die zahlreichen Augenoperationen an Geburtsblinden, die seither stattgefunden haben, konnten keine zweifelsfreie empirische Lösung des Problems liefern (Degenaar, 1996). Die jeweiligen Anhaltspunkte Pro oder Contra bleiben bis heute strittig. Aller

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Wahrscheinlichkeit nach weicht in Fällen, in denen die Patienten von Geburt an tatsächlich völlig blind waren, die neurologische Entwicklung in den einschlägigen Bereichen des Gehirns irreversibel von der Sehender ab. Das, was erfolgreich operierte Blindgeborene sehen, ist also in sich problematisch – ganz unabhängig vom Molyneux-Problem. Wenn man davon ausgeht, dass bei Neugeborenen eine Erziehung des Sehens durch das Tasten noch nicht stattgefunden haben kann, spräche ein visuelles Wiedererkennen von Objekten, die sie nur angefasst aber nicht gesehen haben, dafür, dass beide Sinne unabhängig voneinander Formen wahrnehmen können. Aufsehen erregte eine von Meltzoff & Borton 1979 veröffentlichte Studie, bei der Säuglingen ein glatter und ein genobbter Schnuller visuell präsentiert wurden, nachdem sie einen von beiden zunächst im Mund erkundet hatten, ohne ihn beim Hineinstecken oder Herausnehmen sehen zu können. Daraus, dass die Säuglinge den bereits bekannten Schnuller länger betrachten, schlossen die Autoren auf ein Wiedererkennen, obwohl dieses Verhalten gegen die Erwartung spricht, dass gerade ein unbekanntes Objekt eher die Aufmerksamkeit bindet. – Ob hier der Nachweis äquivalenter unabhängiger Formwahrnehmung in Tasten und Sehen erbracht war, blieb umstritten. In jüngerer Zeit konnten Streri & Genatz als Variante des schon erwähnten Experiments, bei dem Prisma oder Zylinder von Neugeborenen mit den Händen exploriert und dann auch mit den Händen wiedererkannt werden, zeigen, dass der vom Tasten her bekannte Gegenstand auch bei anschließender erster visueller Darbietung weniger beachtet wird als der noch unbekannte.

Haptische Vorstellungen, Täuschungen, Halluzinationen und Träume Die innere haptische Repräsentation von Form und Raum (die in reiner Form nur bei Geburtsblinden vorliegt) kann nur auf den erkundenden Bewegungen basieren, besteht aber wahrscheinlich nicht einfach in Spuren dieser Bewegungen. Haptische Vorstellungen könnten eine aus den konkreten Bewegungen im Raum (respektive entlang von Gegenständen) abgeleitete dynamische Gestalt höherer Ordnung sein. Auch visuelle und auditive Eindrücke sind (teilweise) wahrscheinlich in einem ‚motorischen Format‘ repräsentiert. (Auf die Motorik bezogene Muster erscheinen vielen Psychologen und Neurowissenschaftlern als mögliches Bindeglied zwischen den Sinnen – als amodale oder transmodale Verarbeitungsstufe der Wahrnehmung [u Kap. 7–9]). Ein Indiz für die Existenz solch einer Verbindung von Sehen und Ertasten ist die Tatsache, dass visuelle Täuschungen wie die u MüllerLyer-Täuschung ([u Abb.] scheinbare Veränderung der Länge mit den Winkeln der Einfassung) oder die Vertikalen-Täuschung ([u Abb.] bei gleicher Länge erscheint eine vertikale Linie länger als eine horizontale) haptische Analogien haben. (Bei der Untersuchung solcher haptischen Täuschungen gilt es zu berücksichtigen, dass bei Sehenden und Späterblindeten, die verdeckte Gegenstände ertasten, sogleich visuelle Vorstellungen auftauchen. Nur bei Geburtsblinden kann man sicher sein, dass nicht visuelle Erfahrun-

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gen in entsprechende Täuschungen beim Tasten der Figuren hineinspielen.) Solche Untersuchungen zeigen nun, dass die meisten dieser Täuschungen beim Tasten nicht so stabil sind wie beim Sehen, sondern von verschiedenen Umständen (wie Umfang, Übung und Explorationsstrategie) abhängen. Es bleibt zu klären, ob dieser Sachverhalt mit der These vereinbar ist, dass optische und haptische Repräsentation in einem (eventuell auf die Motorik bezogenen) a- oder transmodalen Format konvergieren. Haptische/kinästhetische Halluzinationen. Trügerische Bewegungserlebnisse treten am häufigsten im Alkohol-Delirium und der Schizophrenie auf und kommen auch in der epileptischen Aura vor. Halluzinierte Wahrnehmungen eigener Bewegung bilden in der Schizophrenie den Gegenpol zu der Überzeugung, Bewegungen, die man tatsächlich ausführt, würden von Fremden gesteuert. Haptische/kinästhetische Träume. Lebhaft geträumte Bewegungen der eigenen Gliedmaßen treten regelmäßig in Alpträumen auf. Mühe und Vergeblichkeit kennzeichnen solche Träume: Man versucht zu fliehen – und klebt am Boden fest; man ringt mit jemandem, versucht etwas zu fassen – und hat Glieder wie aus Gummi. Bei solchen Träumen handelt es sich, wie bei den taktilen Alpträumen auch, um Ereignisse in besonders lebhaften Momenten des REM-Schlafes (von rapid eye movements; man spricht auch von paradoxem Schlaf, weil in dieser Phase hohe, teils sogar überwache Erregung des Gehirns mit Lähmung und Fühllosigkeit für den Körper einhergeht), die der sogenannten Schlafparalyse verwandt sind, einem Zustand, bei dem die Lähmung des REM-Schlafes sich mit dem Erwachen überschneidet (Schönhammer, 2004a, 2005c, 2012; Vaitl, 2012). Die Vermutung liegt nahe, dass in solchen Momenten lebhafte Bewegungsimpulse (motorische Efferenzen) entstehen, die Reafferenzen, welche gemäß der Efferenzkopie erwartbar wären, indessen ausbleiben (ebenso wie die Bewegungen). Die erwähnten Alptraumszenen lassen sich als Versuch des träumenden Bewusstseins verstehen, sich einen Reim darauf zu machen, dass Bewegungsimpulse im Sande verlaufen. Bewegungsimpulse ohne tatsächliche Bewegung treten bei innerer Mitbewegung mit der Bewegung anderer auf (u Spiegelneurone), aber auch dann, wenn man gelähmt ist oder durch äußere Hindernisse an der Bewegung gehindert wird. Das schlafende Gehirn interpretiert die faktische momentane Lähmung oft dadurch, dass es die beiden Erfahrungshorizonte verschmilzt, also zugleich auf Mitbewegung (Verfolger/Angreifer) sowie Lähmung/Fesselung (schwere, schwache, gummiartige Glieder bzw. Festkleben, Eingeklemmtsein, Gehaltenwerden) tippt (Schönhammer 2004a, 2012). Gestützt wird diese Erklärung u. a. durch die Tatsache, dass man nicht selten tatsächlich mit einer abrupten Bewegung aus solchen Träumen erwacht. Rein psychologische bzw. metaphorische Deutungen für die Bewegungsalpträume ließen solch ein Ende nicht erwarten. Lesen u Vorstellungen & Täuschungen: Cornoldi, Fastame & Vecchi, 2003; Heller, 2003; Witte, 1966; Zimmer, 2001; Halluzinationen & Träume: Bleuler, 1993; Hobson, 1990; Janz, 1998; Nielsen, 1993; Schönhammer, 2004a

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Schlaf & Traum u Träume bei Lähmung Wie im Text erläutert, realisiert man in besonders wachen Momenten des paradoxen Schlafes die momentane Bewegungsunfähigkeit, indem man sich Szenen gehemmter eigener und bedrohlicher fremder Bewegung zusammenreimt. Solche Träume kennen viele Menschen, wenn sie bei den meisten auch nur relativ selten auftreten. – Wer es als gesunder Mensch gewohnt ist, sich aus freien Stücken zu bewegen, muss erschrecken, wenn er gewahr wird: Nichts geht! Anders stellt sich die Situation für diejenigen dar, die von Geburt an gelähmt sind: Ihre Bewegungsvorstellungen bzw. Impulse, sich zu bewegen, die sie im Wachen auf Basis der Beobachtung ihrer Mitmenschen entwickeln, waren niemals mit sensorischen Rückmeldungen aus den Beinen/dem Körper verbunden. Sie können also von Bewegung träumen, ohne dabei irgendwann feststellen zu müssen: Es geht ja gar nicht! Das erklärt wohl, warum zu einer Traumstichprobe von Voss, Tuin, Schermelleh-Engel und Hobson (2011) die vier Teilnehmer mit angeborener Lähmung (congenitaler Paraplegie) keinen Traum irgendwie gehemmter Bewegung beisteuerten. (Nach ihrem Traumleben jenseits der aktuell gesammelten Träume fragten die Forscher leider nicht; dass der eigene wache Zustand überhaupt zum Thema werden könnte, wäre ja nicht ausgeschlossen, nur weil die erschreckende Kontrasterfahrung fehlt.) – Wer indessen erst im Laufe seines Lebens durch Unfall oder Krankheit die Herrschaft über seine Beine (oder weitere Bereiche seines Körpers) verliert, für den ist der Kontrast zwischen traumhaften Bewegungsvorstellungen/-erlebnissen und dem plötzlichen Gewahrwerden der Lähmung besonders markant. Der Anthropologe Robert Murphy (1990, S. 105), der als Erwachsener in Folge eines Tumors eine Lähmung an Armen und Beinen (Tetraplegie) erlitt, schreibt, dass der Übergang von freier Bewegung (I start out walking and moving freely) zum Bemerken der Bewegungsunfähigkeit (a perfect enactment of failure of power) sein Traumleben nach der Erkrankung völlig beherrsche (I have never once dreamed of anything else). Murphy zieht eine Parallele zu Kafkas Verwandlung (it is an awakening much like that of Gregor Samsa in Kafka's The Metamorphosis), einer Erzählung, deren Beginn tatsächlich vom Erlebnis der Schlaflähmung inspiriert scheint. – Nicht in jedem Fall setzt sich das enttäuschende Traumerlebnis derart fest. In den Interviews, die der Neurologe Jonathan Cole (2004) mit Patienten geführt hat, die Rückenmarksverletzungen erlitten haben, berichten manche Gesprächspartner von weitgehend ungetrübter Beweglichkeit im Traum; einmal ist die Rede davon, im Laufe von Träumen, die frei von Behinderung sind, träten schließlich Probleme auf (am Ende sitze die Interviewte etwa in dem Rollstuhl, den sie eben noch geschoben habe [S. 126]); ein anderer Patient wurde eine Zeitlang regelmäßig von Träumen heimgesucht, in denen die Bewegungsunfähigkeit sich quälend und in teils katastrophisch zugespitzten Szenen geltend machte (I would be on a ship and it would sink and I could not get up from the chair to save myself [S. 83]), mittlerweile werde er aber von solchen Träumen verschont. Wahrscheinlich hängt es – wie bei Menschen, die im Wachen nicht körperlich eingeschränkt sind – von der Schlaftiefe (die ihrerseits von einer Reihe von Faktoren – u. a. der Verarbeitung von Stress oder Traumata – bestimmt wird) ab, ob die Betroffenen ihre Lähmung im Schlaf wahrnehmen. – Beim Locked-in-Syndrom, einer fast vollständigen Lähmung in Folge eines Stammhirninfarktes (Laureys & Demertzi, 2010; Pantke, 2009; Pantke, Mrosack, Kühn, Scharbert & LIS e.V., 2011; Wood, 2010), beschränken sich Szenarien alptraumhafter Bewegungshemmung nicht auf den nächtlichen Schlaf, sondern dringen auch in

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den (u. a. durch Medikamente bedingt) oft dämmrigen Wachzustand ein (unheimliche Gestalten, die einen festhalten [Müller, 2002], eingeschlossen in einer steinernen Ritterrüstung im Meer versinken [Pantke, Kühn & Mrosack, 2004]). Jean-Dominique Bauby (1998), der sich durch ein Blinzel-Alphabet aus seiner Taucherglocke heraus mitgeteilt hat, betont, dass er, der sich früher nie an Träume erinnern konnte, sie nun mit der Präzision eines Laserstrahls in sein Gedächtnis eingraviert (S. 51) findet (was, wie er vermutet, wohl tatsächlich daran liegt, dass mit der Lähmung auch der Wechsel des Bewusstseinszustandes beim Aufwachen verzögert wird; es ist eine Erfahrungsregel, dass man sich Träume besser merken kann, wenn man sie beim Erwachen rekapituliert, ohne sich zuvor zu bewegen). Einer der Träume, den Bauby in seinem Buch erzählt, ist ein klassisches Verfolgungs-/Lähmungsszenario; in einem anderen leistet sich der Traum sozusagen den kleinen projektiven Spaß, einen Ausflug ins Wachsfigurenkabinett zu unternehmen und statt der dort verewigten glamourösen Gestalten das zu lebenden Bildern erstarrte Pflegepersonal vorzufinden. – Traumhaften Verfolgungs- und Fesselungssituationen können sich Locked-in-Patienten andererseits, wie mancher Gesunde auch [u Kap. 4] , dadurch entziehen, dass sie davonfliegen (Julia Tavalaro hat solch einen Traum festgehalten [Tavalaro & Tayson, 1998, S. 112f.])

Begreifen und Betrachten im Vergleich Dass Blinde es schwer haben, sich zurechtzufinden, rührt nicht nur von der unterschiedlichen Reichweite von Auge und Hand. Ein unvertrautes Umfeld müssen sie, auch sofern es zum Greifen nah ist, erst nach und nach erkunden, während sich für Sehende die ihnen zugewandte Seite der Umgebung meist augenblicklich in groben Zügen erschließt. Auf eine einfache Formel gebracht: Haptische Wahrnehmung erfasst sukzessiv, Sehen simultan. (Sukzessiv nehmen wir auch Gehörtes wahr; allerdings ist hier die Folge vorgegeben. Beim Tasten wird erst im Akt des Wahrnehmens aus einem Nebeneinander ein Nacheinander.) Bei näherer Untersuchung zeigt sich, dass man recht unterschiedlich mit der Eigenheit des Begreifens umgehen kann: ❚ Sehende kleine Kinder, die man verdeckte Gegenstände ertasten lässt, scheinen auch im haptischen Wahrnehmen ohne Weiteres die vom Sehen gewohnte Simultanität zu erwarten. Sie fassen mal hier, mal dort an, ohne die Gegenstände nach und nach zu erkunden. ❚ Sehende Jugendliche und Erwachsene fahren mit einem oder zwei Finger(n) systematisch Konturen unsichtbarer Objekte ab und kommen so zu besseren Ergebnissen. ❚ Blinde spannen ihre (beiden) Hände auf: So erreichen sie Gleichzeitigkeit von zumindest einigen Eindrücken. Von dieser (effizienteren) Strategie scheinen Sehende zunächst überfordert zu sein; sie können sie aber erfolgreich trainieren.

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Wie Untersuchungen belegen, erkennt man abstrakte dreidimensionale Formen, die man rein haptisch erkundet hat, relativ schlecht wieder (man spricht hier von explizitem Gedächtnis). Gibson (1973) zufolge haben sich die Leistungen seiner Versuchspersonen nach einem gewissen Training allerdings entschieden verbessert. Weiter konnte gezeigt werden, dass kurzfristiges haptisches Erkunden auch in Fällen, in denen Objekte nicht wiedererkannt werden, durchaus eine Spur hinterlässt: Bei erneuter Erkundung der Gegenstände können Fragen zu ihren Eigenschaften schneller beantwortet werden als noch bei der ersten Begegnung (implizites Gedächtnis; Wippich, 2001). Ungeachtet der in Experimenten feststellbaren Schwäche beim Wiedererkennen ertasteter abstrakter Objekte erkennen Sehende Alltagsgegenstände, die durch Sichtblenden verdeckt sind, gut mit den Händen. Und Blinde müssen in vertrauten Umgebungen die Dinge nicht erst lange erkunden. Neben der Vertrautheit mit den Formen trägt die jeweils geläufige Verbindung der Gestalt mit Material- bzw. Oberflächenbeschaffenheit der Dinge wesentlich dazu bei. Die taktilen Qualitäten etwa eines Schlüssels springen sozusagen schon bei der ersten Berührung in die Fingerspitzen (an welchem Ende man ihn auch berührt). Intersensorische Konkurrenz. Trauen wir eher dem, was wir ertasten, oder dem, was wir sehen? Gemäß Alltagsweisheit ist das Handfeste ganz selbstverständlich das, worauf wir uns im Zweifel verlassen. Versuchspersonen, die das Relief eines Quadrats ertasten, während ihnen dank einer Zerrlinse der visuelle Eindruck vermittelt wird, es handele sich um ein gestrecktes Rechteck, halten sich jedoch nicht daran: Sie spüren, was ihre getäuschten Augen sehen. Schon Katz (1924) hatte angemerkt, dass ein oberflächlicher Schnitt in Holz, den man (während man ihn ausführt) durch ein Vergrößerungsglas beobachtet, sich wie ein tiefer Schnitt anfühlt. Die Dominanz des Sehens in solchen Konkurrenzsituationen wurde vielfach bestätigt (visual capture, etwa: visueller Fang); bei schlechter Sicht(barkeit) aber geht sie zurück (Ernst, 2006). Was feine Texturen von Oberflächen angeht, ist das Auge auch eher kleinlaut: Hinsichtlich der Kornstärke von Schmirgelpapier lässt sich die taktil-haptische Wahrnehmung nicht so leicht eine Hundert für eine Achtzig vormachen; unter Umständen beeinflusst in dieser Hinsicht der Tastsinn umgekehrt das, was wir sehen. Lesen u Genatz & Hatwell, 2003; Hatwell, 2003; Klatzky & Lederman 2003; Lederman & Klatzky, 2004; Newell, 2004; Rock, 1985

Tastbare Bilder und Karten – Reliefzeichnungen für Blinde und von Blinden Erschließen sich dem Tastsinn Bilder? Für Blinde ist das eine nicht nur akademische Frage. Wie kommen Blinde etwa mit Umrisszeichnungen (in Form erhabener Linien)

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zurecht? Solche Linienreliefs von bekannten Gegenständen bereiten von Geburt an Blinden oder früh Erblindeten erhebliche Schwierigkeiten (auch wenn sie die realen Objekte selbst problemlos ertasten). Sehende kommen mit den Tastbildern nicht sehr viel besser zurecht. – Worin liegt das Problem? Zunächst fehlt in den Bildern der für den Tastsinn so wichtige Materialeindruck. In Umrisszeichnungen stellt sich darüber hinaus das eben besprochene Problem, sich die Form zu vergegenwärtigen, in besonderer Weise: ❚ Da die Hand im dreidimensionalen Raum agiert, sind zweidimensionale Projektionen von Gegenständen dem Tasten fremd. Blinde, die man ohne weitere Einweisung dazu veranlasst, geometrische Körper, etwa einen Würfel, abzubilden, neigen dazu, sämtliche Flächen auf dem Papier gewissermaßen aufzuklappen [u Abb.]. – Für das Auge sind Silhouetten selbstverständlich. Dreidimensionalität baut sich für das Sehen ja grundsätzlich aus der Veränderung zweidimensio- Aufgeklappte Darstellungen naler Bilder im Zusammenhang mit eigener Bewe- räumlicher Körper gung oder der Bewegung der Dinge auf (die leicht verschobenen Perspektiven der beiden Augen nehmen eine kleine Bewegung sozusagen schon im Stand vorweg) [u Kap. 7]. Wenn sie Objekte in einer für sie charakteristischen Ansicht zeigen, leisten Umrisszeichnungen für das Sehen eine Reduktion auf das Wesentliche. ❚ Ein weiteres Problem kommt hinzu: Den erhabenen Linien der Umrisszeichnung fehlt für die Finger, die sie ertasten, der Hinweis darauf, ob hier etwas beginnt oder endet. Während sich für das Auge sofort eine Figur abhebt und damit Körper von Leere, ragen beim Ertasten der Kontur die Linien zunächst aus umfassender Leere hervor, in der sich bestenfalls im Nachhinein Flächen ergeben. – Diejenigen, die Unterrichtsmaterialen für Blinde herstellen, tragen dem Problem der einsamen Linie dadurch Rechnung, dass sie Flächen statt Linien hervorheben (durch Prägen bzw. Tiefziehen ganzer Flächen, ertastbare Schraffur; Eriksson, 1998 [u Abb.]). – Die Tatsache, dass Blinde weniger Probleme beim Anfertigen als beim Erkennen von Umrisszeichnungen haben, rührt daher, dass beim Selbermachen klar ist, auf welcher Seite der Linie der Körper zu denken ist, dessen Begrenzung jene darstellt. Gelegentlich liefern Blinde indessen Zeichnungen, bei denen eine Schraffur die Linie sogar ersetzt [u Abb.].

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Menschen, die erst erblindet sind, nachdem sie mit der sichtbaren Welt vertraut geworden waren, schneiden verständlicherweise beim Ertasten von Umrisszeichnungen am besten ab: Ihnen ist einerseits das Prinzip dieser Darstellungsart vertraut, und andererseits haben sie Übung im sukzessiven Erfassen von Strukturen einschließlich der Strategie der gespreizten Hand. Seit Jahrzehnten bemüht sich John M. Kennedy (1982, 1993, 1997) darum zu beweisen, Blinde würden im Hinblick auf ihre bildlichen Fähigkeiten stark unterschätzt. Der Tastsinn erlaube ohne ausdrückliche Erklärungen das Verstehen und Anfertigen von Bildern. Die vorgelegten Belege sind jedoch diskutierbar: ❚ Perspektive. Eine gewisse Parallele zur optischen Perspektive liegt im beidarmigen Bestimmen von frontparallelen Strecken gleicher Länge in unterschiedlicher Entfernung (z. B. der Winkeldifferenz der beim Deuten auf die Ecken der näheren bzw. entfernteren Kanten eines Tisches ausgestellten Arme [u Abb.]). Wenn von Geburt an blinde Menschen schematische perspektivische Darstellungen von geometrischen Formen oder einfachen Objekten, etwa einem Tisch, als treffend bezeichnen (bei Angebot von Alternativen) oder (in spektakulären Einzelfällen [Amedi, Merabet, Tal & Pascual-Leone, 2011]) gar selbst spontan solche Darstellungen anfertigen, dürfte dabei indessen theoretisches Wissen eine erheblichere Rolle spielen als bei Sehenden (Arnheim, 1992). Ein anderer oft zitierter Beleg Kennedys für ein vermeintlich spontanes Erkennen und Nutzen von Perspektive durch Blinde beruht offensichtlich auf einer Äquivokation (gleicher Name für unterschiedliche Sachverhalte): Wenn „Perspektive“ für das Zuordnen oder Darstellen unterschiedlicher Ansichten (von vorne, oben, links, rechts, hinten) einer räumlich gestaffelten Situation von drei verschiedenen Körpern steht [u Abb.] – eine Anforderung, mit der Blinde in Experimenten gut zurechtkommen –, sollte man das nicht mit perspektivischer Darstellung räumlicher Tiefe verwechseln (der Entwicklungspsychologe Jean Piaget hatte den Vorläufer dieser Aufgabe, den er 3-Berge-Versuch nannte, ja auch als Test für die Entwicklung des räumlichen Denkens entworfen, genauer: der Fähigkeit, gedanklich den Standort zu wechseln). ❚ Verdeckung. Ohne Zweifel können Blinde verstehen, was Verdeckung für das Sehen bedeutet. Eine annähernd ähnliche Erfahrung (des Nichterreichens) machen sie aber nur dann, wenn das Verdeckende auf dem Verdeckten direkt aufliegt, die Hand also tatsächlich nicht dahintergreifen kann: Wenn man etwa Blinde auffordert, überkreuzende Finger bildlich darzustellen, fertigen sie ähnliche Zeichnungen an

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wie Sehende. Daraus lässt sich indessen nicht schließen, Verdeckung in Bildern sei für sie kein Problem. Insgesamt muss man davon ausgehen, das Blinde, die nie (Bilder) gesehen haben, zwar Verständnis für Bilder entwickeln können, diese aber eher als intellektuelle Herausforderung denn als Hilfe für das Erfassen von Gegenständen und räumlichen Konstellationen erfahren. Auf alle Fälle ist es für sie hilfreich, wenn Szenerien ❚ orthogonal (Aufsicht, Frontalansicht oder Schnitte) statt perspektivisch verzerrt, ❚ in Flächen- statt bloß in Linienreliefs, ❚ ohne Verdeckungen ❚ und in insgesamt fassbarem Umfang (max. die Spannweite von zwei Händen) dargestellt sind. Eine besondere Situation stellt die Übersetzung von berühmten Werken der Malerei in Reliefbilder dar. Hier ist tatsächlich ein Bild der zu erfassende Gegenstand. Seine Qualitäten als Bild lassen sich bei dieser Übersetzung allerdings kaum vermitteln, auch wenn mehr oder minder tief gestaffelte Reliefs (verbunden mit verbalen Hinweisen) Inhalte und Relationen greifbar machen können. Eine Besonderheit bringt die Übersetzung expressiver ungegenständlicher Bilder mit sich, da es hier auf Bewegungssuggestionen von Linien, nicht aber deren abbildende Funktion ankommt. Gemäß der künstlerischen Forderung, „sichtbar zu machen, statt abzubilden“, die sich auch der Gestaltpsychologe Arnheim zu eigen gemacht hatte, wenn er z. B. in Anschauliches Denken postulierte, der Gehalt von sichtbaren Szenen (und sogar von Begriffen) käme am besten als „Gefüge wesentlicher dynamischer Formen“ (1985, S. 109) zur Darstellung – statt in einem fotografischen Realismus oder entsprechenden Bildsymbolen.

Medien u Blinde, Computer und Internet Am PC haben Blinde Zugang zu allem Geschriebenen. Dank haptischer Displays (in Blindenschrift) und Programmen, die geschriebene Texte hörbar machen. Damit sind Blinde nicht länger auf den relativ beschränkten Bestand von Büchern in Blindenschrift, Hörbüchern oder auf spezielle Geräte (wie das Optacon, die Druckbuchstaben in haptischen Displays greifbar machen) angewiesen. Beim Surfen im Internet erfahren Blinde indessen den graphisch orientierten Seitenaufbau sowie den Bilderreichtum als Barriere. Programmiersprachen (wie HTML), die den Seitenaufbau in Textform zugänglich und nachvollziehbar machen, erleichtern Blinden immerhin die Orientierung. Die Möglichkeit, mit speziellen Thermopapieren Reliefausdrucke zu erzeugen, sowie künftig einigermaßen fein auflösende (und zugleich bezahlbare) haptische Displays erlauben es zwar, Graphiken und Bilder zu berühren, helfen aber nicht, sie zu begreifen. Lesen u Bresser, 2002; Burger, 2003; Fuchs, 2003

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Grundrisse und Karten. Das Prinzip „Karte“ kann man als Abstraktion von Bewegung durch den Raum verstehen [u Kap. 4]. Es ist Blinden kaum weniger zugänglich als Sehenden. Um allerdings für Blinde nützlich zu sein, müssen Karten die erwähnten Erleichterungen der Fassbarkeit berücksichtigen und natürlich Standort und Ausrichtung deutlich machen. Vor Ort angebrachte Karten sollten relativ kurz gestaffelt wiederkehren. Im Falle von Karten, die man bei sich trägt, sollten tastbare Anhaltspunkte in der realen Umgebung den regelmäßigen Abgleich mit der Karte erlauben. Elektronische Routenfinder (auf Basis des Global Positioning System, GPS) sind – akustisches (oder tastbares) Display vorausgesetzt – im Prinzip auch für Blinde interessant, werden aber kaum kleinräumigere, halböffentliche Bereiche (Einkaufszentren, Behörden, Universitäten) abdecken. Besser orientiert als die passiven Empfänger von Richtungshinweisen des Navigationssystems werden blinde wie sehende aktive Kartenleser ohnehin auch künftig sein. Lesen u Arnheim, 1985, 1992; Hatwell & Marinez-Sarrochi, 2003; Katz, 1953b; Röder & Rösler, 2001; Schiff & Foulke, 1982

Wahrnehmungsqualitäten u Taktile Vision Substitution System (TVSS) In den 1970er Jahren erregte ein Apparat Aufsehen, der versprach, eine taktile SehProthese zu sein. Das Prinzip des von Bach-y-Rita und Mitarbeitern entwickelten Gerätes ist einfach: Die Signale einer Videokamera werden in einem Tastdisplay dargestellt. Anfangs wurde ein großflächiges Display am Rücken der Nutzer angebracht. Beim Gebrauch erregen die Vibratoren des Displays zunächst – wie bei einer Massage – nur Empfindungen am Rücken. Nach einer gewissen Gewöhnung lokalisiert man die Reizverteilung jedoch im Raum vor der Kamera: Man spürt ‚durch die Vibration hindurch’ Objekte und Raumstrukturen, die den Körper nicht berühren. Voraussetzung für dieses Umspringen der Wahrnehmung ist, dass der Nutzer selbst die Kamera bewegt. Nur durch die Verknüpfung mit der zielgerichteten Eigenbewegung des Körpers wird aus dem variierenden Kitzel das Anzeichen für eine Struktur im Umraum (analog zu einer Sonde, beispielsweise dem Blindenstock, wird die Kamera während des aktiven Gebrauchs zum Teil des Körpers [u Kap. 1]). Inzwischen konnte nachgewiesen werden, dass bereits der von einer einzelnen Photozelle ausgehende Tastreiz, wenn man die Photozelle selbst ausrichtet, als Anzeichen für Objekte vor dieser ‚Kamera‘ wahrgenommen wird (Lenay et al., 2003). Die Rolle der Eigenbewegung macht das System eher zu einer haptischen als einer rein taktilen Sehprothese. Blinde, die dieses Gerät ausprobierten, waren teilweise enttäuscht. Sie hatten offenbar zu hohe Erwartungen an den versprochenen Ersatz geknüpft. Bei geübtem Gebrauch hilft der Apparat, sich über entfernte Strukturen und Objektbewegungen zu informieren – mehr nicht. Das dürfte sich auch durch die Miniaturisierung, die heute handhabbare Geräte mit hoher Auflösung (für sensiblere Hautpartien als den Rücken; meist die Zunge) möglich gemacht hat, nicht ändern.

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Teil I: Spüren – Körper und Bewegung

Konkurrenz erwächst den Tastprothesen für das Sehen in Gestalt von visuellen Neuroprothesen, mit denen man heute experimentiert. Dabei werden elektrische Impulse aus Kameras direkt mit dem Sehhirn verdrahtet oder Photozellen ins Auge implantiert und mit dem Sehnerv verknüpft. Aussichten auf Erfolg bestehen hier aber nur, wenn die Patienten jemals gesehen haben und die Erblindung nicht zu lange zurückliegt. Lesen u Bach-y-Rita & Kercel, 2003; Collignon, Champoux, Voss & Lepore, 2011; Grunwald, 2008, Kap. 40

Haptik als Alternative zur visuellen Ästhetik von Plastiken Haltung und Bewegung der Hände schmiegen sich beim Greifen und Tasten den gegenständlichen Formen an. Haptische Ästhetik steht für positiv bewertete oder sonst herausgehobene Formerlebnisse beim Begreifen. Hinsichtlich der Formwahrnehmung und vorstellung muss sich der Tastsinn, wie in diesem Kapitel mehrfach festgestellt, mit dem Sehen messen lassen. In der Geschichte der Wahrnehmungslehre wurde (und wird auch heute noch) gelegentlich argumentiert, der Tastsinn sei gegenüber dem Sehen der grundlegende Formsinn. Davon ausgehend postulierte etwa Johann Gottfried Herder, das Anfassen sei der Wahrnehmungsmodus, welcher am besten in der Lage sei, plastische Kunstwerke zu würdigen. An diese Einschätzung schließt sich heute meist eine Kulturkritik der Dominanz des Visuellen in der Kunstrezeption (und nicht nur da) an.

Philosophische Ästhetik u Bildhauerei In der Schrift Plastik von 1778 formuliert der Philosoph Johann Gottfried Herder: „Es ist erprobte Wahrheit, daß der tastende unzerstreute Blinde sich von den körperlichen Eigenschaften viel vollständigere Begriffe sammelt, als der Sehende, der mit einem Sonnenstrahl hinüber gleitet.“ (1994, S. 249f.) Und: „Daß man Bildsäulen sehen kann, daran hat niemand gezweifelt; ob aber aus dem Gesicht sich ursprünglich erkennen lasse, was schöne Form ist? (…) Das Gesicht zerstört die schöne Bildsäule, statt daß es sie schaffe: es verwandelt sie in Ecken und Flächen, bei denen es viel ist, wenn sie nicht das schönste Wesen ihrer Innigkeit, Fülle und Runde in lauter Spiegelecken verwandle (…).“ (Ebd., S. 253f.) – Der Psychologe Révész bezog eine extreme Gegenposition zu Herder. In seiner klassischen Studie Die Formenwelt des Tastsinnes sprach er Blinden die Möglichkeit des ästhetischen Genusses von Plastiken ab: „Das haptisch-ästhetische Erlebnis richtet sich (…) im wesentlichen auf einfachste Symmetrie und Ordnung, darüber hinaus nur noch auf Momente, die nicht eigentlich der ästhetischen Sphäre angehören, nämlich auf reine Sinnlichkeit, auf die gefühlserregende Wirkung des Stoffes und Gegenstandes (gelegentlich auch unter Beteiligung einer erotischen Komponente) und auf die Sauberkeit der Ausführung. Dagegen sind die Mannigfaltigkeit der Formwelt im Kleinen wie im Großen, die grenzenlose Entfaltung neuer Formen und Formgefüge (…) allein den ästhetisch genießenden und sich schöpferisch betätigenden Sehenden vorbehalten.“ (1938, S. 71f.). In diesem engen Begriff des Ästhetischen hallt die Abhebung des Schönen vom bloß Angenehmen durch Kant nach.

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Unbestreitbar fordern viele Plastiken das Anfassen heraus. Oft ist es – abgesehen von der Textur der Oberfläche – die handliche und/oder bewegte Form, die dazu reizt. Sie verspricht Erlebnisse von Fülle, (sanftem) Schwung und rhythmischem Gleiten. Der klassische Gegenstand der plastischen Kunst – die menschliche Gestalt – deutet auf eine biologische Erklärung dafür, warum solcher Umgang mit gerundeten Volumina lustvoll ist. Sollte das Berühren nicht möglich sein, versucht der Betrachter vielleicht, sich durch tastende Blicke schadlos zu halten: visuelles Explorieren, das von vorgestelltem Abtasten geleitet wird. Die Erkenntnis, dass visuell attraktive Körper das Verlangen nach unmittelbarer körperlicher Erfahrung wecken, sollte indessen nicht mit der Vorstellung verwechselt werden, dreidimensionale Gestalten seien dem Sehen nicht oder in geringerem Maße als dem Greifen zugänglich: Das Netzhautbild ist zweidimensional, die visuelle Wahrnehmung, die sich aus dem Fluss dieser Bilder ergibt, räumlich. Und das Sehen tut sich mit dem Wahrnehmen von Formen in der Regel nachweislich leichter als das Anfassen. Die haptische Wahrnehmung und Ästhetik gegen das Betrachten von Plastiken/Skulpturen auszuspielen, verkennt, dass ❚ Sehen selbst, insbesondere Betrachten von dargestellten Lebewesen, kinästhetische Empfindungen mit sich bringt [u Kap. 1 u. 7] ❚ sich haptische und visuelle Vorstellungen wegen des motorischen Anteils der beiden Modalitäten überschneiden ❚ sich haptische und visuelle Ästhetik (glücklich) ergänzen: Auf Basis der stammesgeschichtlich und individuell erworbenen Kriterien verspricht das Auge Lust (und warnt vor potentieller Unlust), welche die Hand, von ihm geleitet, einzulösen (oder zu vermeiden) sucht. (Das eingeschränkte Sexualleben vieler Blinder rührt wahrscheinlich nicht nur von den gesteigerten Problemen intimer Kontaktaufnahme her, sondern auch vom Fehlen visueller Anreize zum Anfassen [Hull, 1997; Thayer, 1982].) Was die plastischen Arbeiten Blinder angeht, betonte Révész im Anschluss an Münz (1934), dass diese eher expressiven Charakter hätten, als sich an die tastbaren Proportionen zu halten [u Kap. 1 zum Körperbild Blinder]. Besonders auffällig sei der Niederschlag kinästhetischer Empfindungen in den Größenverhältnissen (sehnsüchtig ausgestreckte Hände etwa werden übergroß gebildet). – Im zeitgenössischen Kunstbetrieb sind Arbeiten blinder Bildhauer nach wie vor eine Randerscheinung (Mühleis, 2005). Klein(st)plastiken, die schon in der Kunst der Vor- und Frühgeschichte und seither in allen Kulturkreisen nachweisbar sind, schmeicheln der Hand sinnlich (Fülle, Rundheit, z. B. Venus von Willendorf) wie kognitiv (simultane Fassbarkeit). Wie Gebetsketten auch vermitteln Handschmeichler zugleich eine Selbstberührung [u Kap. 2] und motivieren, wie der Paläoanthropologe Leroi-Gourhan (1980) anmerkte, rhythmisches Muskelspiel, das den Gang von Gedanken und Tagträumen begleitet. Lesen u Hatwell & Marinez-Sarrochi, 2003; Liebelt, 1990; Münz, 1934; Révész, 1938; Zeuch, 2000; Naumann-Beyer, 2003

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Teil I: Spüren – Körper und Bewegung

Haptisches Wahrnehmen und materielle Kultur Die materielle Kultur ist bekanntlich nicht zuletzt ein Werk der Hände. Die handwerklichen Fertigkeiten, aus denen die moderne Produktion von Gütern hervorgegangen ist, wären ohne taktil-haptisches Wahrnehmen nicht möglich. Die Geschichte der Technik ist zwar auch eine Emanzipation technischen Handelns von der Hand, hat allerdings die Hand noch nicht vollends hinter sich gelassen. Mit zunächst gefundenen Werkzeugen wirkten die Ahnen der Menschen nicht nur – wie andere Tiere – je aktuell auf ihre Umgebung ein. Sie behielten Geröllgeräte und Faustkeile, die gut in der Hand lagen und sich zugleich als wirkungsvoll erwiesen hatten. Dank der aufrechten Fortbewegung hatten sie die Hände dafür frei. Seither haben Handwerker und im Zuge der Industrialisierung auch Ergonomen und Designer dafür gesorgt, dass die Dinge greifbar sind. Griffe sprechen nicht nur die Hände an, sondern auch die Augen: ihr Anblick fordert zum Greifen auf (u Affordanz). Im Design von Industrieprodukten ist Griffigkeit ein Qualitätsmerkmal – und demonstrative Griffigkeit gelegentlich Selbstzweck (wie sich bei manch einer Türklinke oder Zahnbürste die Vermutung aufdrängt).

Design u Ästhetik des Griffigen – Türklinken Handelt es sich bei Zahnbürsten meist um anonymes Design, ist manche Türklinke mit einem (bekannten) Designernamen verknüpft. Ein deutscher Türklinkenhersteller hat aus dieser Tradition ein Markenzeichen gemacht. Die Firma FSB verkauft ihre Produkte nicht nur dank deren individuellen Designs, sondern auch deswegen, weil sie den Trend, mit Türklinken eine Visitenkarte als Gestalter abzugeben, durch eine ungewöhnliche Vielzahl von Entwurfsaufträgen an berühmte Designer weiter vorantreibt (vgl. Sulzer, 1992). In Folge steht jede Klinke dieser Firma tendenziell für Design insgesamt. – Der Architekturkritiker Manfred Sack glossierte die schon älteren theoretischen und praktischen Bemühungen von Gestaltern wie Walter Gropius oder Otl Aicher um die „Klinke aller Klinken“: „… die Hand läßt sich – gottlob, leider – fast alles gefallen, ob ein Drücker sich in sie schmiegt oder doch lieber mit ‚Schönheit’ kokettiert: Mit dem Polster ihrer Muskeln legt sie sich, gutmütig und duldsam, um jeden Griff. Wie beharrlich auch Gestalter glauben, sie seien es, die ihre Klinken der Hand anpassen, ist es in Wirklichkeit die Hand, die sich allen Klinken fügt.“ (Sack, 1992, S. 60).

Bewegt man einen Stock über eine Oberfläche, spürt man in gewissen Grenzen, wie glatt oder rau diese ist. Vermittelt wird diese Information über die Vibration des Stockes und den Kraftaufwand; in der Wahrnehmung wird die Vibrationen meist auf die Spitze des Stockes und nicht auf die Griffpunkte bezogen (analog zu dem, was man mit dem Fingernagel, der ja auch keine Nerven hat, spüren würde). Gleichzeitig ist die Vibration in der Regel hörbar. Bei heutigen Formen der Teleoperation – von der minimal-invasiven Chirurgie bis zu ferngesteuerten Arbeiten in Gefahrenzonen – ergeben sich taktil-

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haptische (und auditive) Wahrnehmungen nicht auf so einfache Weise wie im Falle der Ur-Fernbedienung, dem Stock: Was Druck- und Vibrations-Sensoren im Wirkbereich registrieren, muss auf elektrischem Weg an ein Tastdisplay (z. B. im Fingerspitzenbereich eines Handschuhs) übertragen werden; so kann man natürlich mehr spüren als mit einem Stock: Neben feineren mechanischen können auch thermische Eindrücke vermittelt werden. Der Widerstand, auf den die Fernhand stößt, muss, sofern er nicht direkt auf mechanischem Weg übertragbar ist, gemessen und an ein Kraftdisplay (forcefeedback) übermittelt werden. Bislang setzt man dafür aufwendige Apparaturen (Exoskelette) ein. Künftig werden Spezialtextilien Verwendung finden, die wie Muskelfasern kontrahierbar sind, Widerstand, Gewicht und äußere Kräfte simulieren (Rossi et al., 2003). Ein weiteres Anwendungsgebiet für taktil-haptische Displays ist die Virtuelle Realität (VR). Bei der u Immersion in die 3D-Szenerien der VR irritiert bislang u. a. die Diskrepanz von visueller Körperlichkeit und gespenstischer Luftigkeit der Umgebung. Die Haut der Hand ist beim Greifen, Halten, Drücken usw. Beanspruchungen und Verletzungsgefahren ausgesetzt. Davor schützen nicht nur Polsterungen von Griffen, sondern auch Handschuhe für alle möglichen Zwecke (von der Arbeit am Hochofen über Möbelpacken, Haushalt und Medizin bis zum Sport). Auch wenn man nur im Winter Handschuhe trägt, weiß man, dass der Schutz durch Sensibilitäts- und Beweglichkeitsdefizite erkauft wird. Dünne, „gefühlsechte“ Materialen sowie Aussparungen für Fingerglieder bzw. -spitzen sollen dem entgegenwirken. Umgekehrt dienen Handschuhe dazu, beim Entwurf von Gebrauchsgegenständen für alte Menschen den Designern deren verminderte taktil-haptische Sensibilität vorstellig zu machen. Auch im Fall der Füße führt der hier so naheliegend erscheinende Schutz durch Schuhe zu durchaus bedenkenswerten Verlusten an taktiler und haptischer Sensibilität (Ingold, 2011, Kap. 2 [Culture on the ground: the world perceived through the feet]; Ungerer, 1992). Die Geschicklichkeit der Hände verdankt sich der Verbindung von vielgliedriger Beweglichkeit von Skelett und Muskulatur sowie hoher taktil-haptischer Sensibilität mit den entsprechenden Verarbeitungskapazitäten im Gehirn (sichtbar im großen Handareal des sensorischen Homunculus und auch dessen Gegenstück im primären motorischen Kortex). Deswegen konnte man die Hand als äußeres Gehirn (Kant) ansprechen. Besondere Geschicklichkeit, wie sie mit dem Beherrschen eines Musikinstrumentes verbunden ist, bringt Veränderungen im neuronalen Substrat mit sich (u. a. einen gewissen räumlichen Imperialismus). Indessen droht auch in dieser Hinsicht eine Art von Überstrapazierung: Im Fall der Musikerkrämpfe, von denen ein nennenswerter Teil von Berufsinstrumentalisten betroffen ist, führt die sensomotorische Verfeinerung offenbar zu lähmenden Kurzschlüssen, für die es derzeit kein verlässliches Gegenmittel – außer den Wechsel des Broterwerbs – gibt. Im technisierten Alltag werden die Hände eher unterfordert. Vielfach agieren Geräte an ihrer Stelle. Lediglich Knöpfe sind noch zu drücken und Schalter umzule-

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gen. Ein Problem für die Sensomotorik der Hand sind da allenfalls die Größenverhältnisse. Die Verlagerung der Intelligenz von der Hand auf die Apparate entlässt das Gehirn indessen nicht vollends aus der Pflicht. Im Gegenteil: Diese Entwicklung mutet Denkleistungen jenseits der sensomotorischen Intelligenz zu, deren Widrigkeit im verbreiteten „Leiden an der Gebrauchsanleitung“ gegenwärtig ist. Das ruft die kognitive Ergonomie auf den Plan. Die bemüht sich um intuitive Benutzbarkeit (Usability), also darum, dass trotz der Entkörperung der Technik eine gewisse Anknüpfung an sichtund greifbare Abläufe hergestellt wird (vgl. den Slogan sense and simplicity). Dazu gehören möglichst sprachfreie bildliche Anleitungen mit Pfeilen aller Art ebenso wie die Schnittstellen Computermaus, Touchscreen bzw. Touchpad und Joystick – und mehr oder minder futuristische Designkonzepte (Tangible Design bzw. Tangible User Interfaces; Ullmer & Ishii, 2005), die der Ansprechbarkeit des äußeren Gehirns weiter entgegenkommen sollen (z. B. handschuhartige Mausnachfolger mit integriertem taktil-haptischen Display oder manipulierbare Objekte als Ein- bzw. Ausgabemedien von Computern). Der homo faber, sprich: die anthropologische Anlage zum Handwerk, hat jenseits solcher Bemühungen längst eine Nische im verbreiteten Heimwerken gefunden. Herausforderungen für Sensibilität und Intelligenz der Hand bergen so einfache Dinge wie Knopf bzw. Knopfloch und Schnürsenkel. Kinder sind von diesen Dingen bekanntlich bis zu einem gewissen Alter überfordert (während Knöpfe und Schalter an Geräten in dieser Lebensphase faszinieren und Quelle von Erfolgserlebnissen sind). Erwachsene haben das Sensibilitätsproblem bei Frost, das Intelligenzproblem vielleicht, wenn sie betrunken sind. Ältere Leute leiden tendenziell unter abstumpfendem Fingerspitzengefühl. Druckknöpfe, Reiß- und vor allem Klettverschluss sorgen für Abhilfe. Kulturkritische Pädagogen fürchten, letztlich bliebe angesichts der Entwicklung von Technik und Medien die sensomotorische Intelligenz auf der Strecke. Das wäre in der Tat fatal, spricht doch vieles dafür, dass alles Denken auf dem Zusammenspiel von Wahrnehmung und Bewegung aufbaut (eine These, die nicht zuletzt mit dem Genfer Entwicklungspsychologen Jean Piaget in Verbindung gebracht wird). Woran sich die Sensomotorik im Einzelnen schult, ist indessen wohl relativ offen. Wie es scheint, kann sich selbst in einem früh gelähmten Körper noch ein herausragender Intellekt entwickeln (Michaelis, 1999); in so einem Fall könnten z. B. ein intakter Gleichgewichtssinn und Augenbewegungen zusammen mit Netzhautbildern den grundlegenden Zusammenhang von Bewegung und Wahrnehmen stiften. In der Sorge, die mediatisierten Erfahrungen heutiger Kinder und Jugendlicher liefen auf sensomotorische Verblödung hinaus, sollte man die Herausforderungen für die Koordination von Hand und Auge nicht übersehen, die beispielsweise Videospiele im Vergleich zum Fernsehen durchaus bieten. Unbestritten ist aber das ererbte Design von Sinnen und Körper auf andere Situationen hin optimiert; das zeigt sich im nächs-

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ten Kapitel auch an Bewegungskrankheiten, die moderne Medien mit sich bringen können. Lesen u Anthropologie/Kulturgeschichte: Junker, 2006; Leroi-Gourhan, 1980; Ritter, 1999; Wilson, 2000; Interface-Design/Prothetik: Bürdek, 2005; Grunwald, 2008, Kap. 29–38; Holmes & Spence, 2006; Norman, 1989; Schifferstein & Hekkert, 2008, Kap. 21

Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom passiven und aktiven Tastsinn Erfassen, Berühren und Berührtwerden sind in Bildern allgegenwärtig – nicht nur in allegorischen Darstellungen des Tastsinnes, der Werbung für Dinge, die irgendwie zum Kuscheln taugen, und allem, was mit Sexualität zu tun hat. Bilder vom Anfassen und Berührtwerden lassen Betrachter nicht kalt: Für das unsichtbare körperliche Nachvollziehen, das die u Einfühlungsästhetik postuliert, sprechen auch neurowissenschaftliche Erkenntnisse (u Spiegelneurone, u empathische Schmerzwahrnehmung). Bereits Objekte, deren u Auforderungscharakter im Berühren und Anfassen liegt, lösen entsprechende innere Handlungen aus (u kanonische Neurone). – Sinnbilder des Greifens und Handelns sind auch Gebrauchsspuren oder Patina an Gegenständen (Diaconu, 2005; Toshihto & Stotz, 1995). Lesen u Iconographie: Benthien, 1999; Jütte, 2000; Kaufmann, 1943; Alltägliche Bilder: Morris, 1972; Film: Autelitano, Innocenti & Re, 2005; Barker, 2009; Beugnet, 2007; Elliott, 2011; Sobchack, 2004; neurol. Einfühlungsästhetik: Freedberg & Gallese, 2007

Rückschau in Fragen Warum unterscheidet man haptische und taktile Wahrnehmung? Inwiefern hat Kant die Differenz mit einer Bewertung verbunden – und dabei taktiles Wahrnehmen unterschätzt? Dass die taktil-haptische Erkundung im Laufe des Aufwachsens an Bedeutung verliert, wird gerne mit der Berührungsfeindlichkeit unserer Kultur erklärt. Welche alternative Erklärung ist möglich? Worauf bezieht sich das Molyneux-Problem? Warum muss es wahrscheinlich bei hypothetischen Antworten auf die von Molyneux gestellte Frage bleiben? Inwiefern könnte die Säuglingsforschung eine indirekte Antwort geben? Wie kann man aus der Körperwahrnehmung im Schlaf Alpträume von gehemmter Bewegung erklären? Was versteht man unter visual capture im Verhältnis von Sehen und Haptik?

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Teil I: Spüren – Körper und Bewegung

Inwiefern tun Blinde sich schwer beim Wahrnehmen von (ertastbaren) Bildern? Was folgt daraus für die Gestaltung solcher Vorlagen? Inwiefern ist das, was beim Gebrauch taktiler Sehprothesen beobachtbar ist, theoretisch aufschlussreich? Wie ist die Ansicht zurechtzurücken, Bildhauerei sei mit geschlossenen Augen bzw. für Blinde angemessener ästhetisch zu erleben als bei visuellem Wahrnehmen? Inwiefern steht die Entwicklung der Technik in einem Spannungsverhältnis zum taktil-haptischen Wahrnehmen? Wie kommen hier Usability, Teleoperation und virtuelle Realität ins Spiel? Welche pädagogischen Bedenken sind an die Wirkung der Technikentwicklung auf die taktil-haptische Wahrnehmung geknüpft? Wie sind diese Bedenken einzuschätzen?

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Der 6. Sinn – Gleichgewicht, Eigenbewegung und Orientierung

Der aufrechte Gang ist eine Eigenheit des Menschen. Ohne Sinn für das Gleichgewicht könnten wir uns nicht aufrecht halten und bewegen. Das Gespür für die Balance speist sich nicht zuletzt aus einem Sinnesorgan, dessen Funktion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Arbeiten des Wiener Physiologen Josef Breuer und des Physikers und Wahrnehmungsforschers Ernst Mach (1875) aufklärten. In der traditionellen Betrachtung der Sinne hatte man den Gleichgewichtssinn wohl auch deshalb übersehen, weil seine Dienste – solange er nicht gestört ist – den Menschen, wie er steht und geht, allzu unauffällig begleiten. Das Gleichgewichtsorgan wird nach seiner Vorhof-Lage im Innenohr [u Kap. 2] auch vestibuläres Organ genannt. Dank der Informationen aus den Bogengängen und Säckchen [u Neuro-Skizze] ❚ sind der Schwerkraft ausgesetzte Menschen in jeder Lage auch bei geschlossenen Augen oder im Dunkeln (einigermaßen) über oben/unten orientiert; ❚ kann man die Bewegungen des Körpers bei Dreh- oder Geradeausbeschleunigung unabhängig von anderen Sinneseindrücken und von der Muskulatur registrieren (also etwa das Anfahren, Beschleunigen oder Bremsen eines Fahrzeugs, selbst wenn es keine Sicht auf die Außenwelt gibt; z. B. im Lift). Informationen über oben bzw. unten oder Eigenbewegung werden nicht erst mit dem aufrechten Gang wichtig: Bereits Quallen verfügen über ein einfaches Steinchenorgan, Fische auch über Bogengänge.

Neuro-Skizze u Das vestibuläre System Im Innenohr auf beiden Seiten des Kopfes findet sich neben der Hörschnecke [u Kap. 8] das vestibuläre Organ (vestibulum: lat. Vorraum) [u Abb.]. Es gliedert sich jeweils in drei Bogengänge, welche auf die drei Raumebenen ausgerichtet sind, und zwei Säckchen (Utriculus und Sacculus, zusammen: Statotithenorgan(e) oder Otolithenorgan(e)). Sensoren in den Bogengängen registrieren Drehbeschleunigungen des Körpers um die drei Achsen des Raumes. Wirkprinzip ist die Trägheit: Wenn wir etwa den Kopf zur Seite drehen, bleibt die Flüssigkeit in den Bogengängen gegen diese Bewegung zurück und drückt dadurch auf die Sinneshärchen der reizempfindlichen Zellen, die jeweils an einer Stelle in diese Gänge ragen.

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Teil I: Spüren – Körper und Bewegung

Neben den drei Bogengängen finden sich die unscheinbaren Säckchen Utriculus und Sacculus. Hier sind die Sinneshärchen von Sensorzellen in eine zähe Flüssigkeit gebettet, die von einer (dichteren) kristallhaltigen Schicht bedeckt wird (den Kristallen verdankt sich der Name Otolithen- respektive Statolithenorgan; von griechisch Ohr, stellend und Steinchen). Der Dichteunterschied sorgt bei linearen Beschleunigungen (etwa beim Gehen oder dem Anfahren, Beschleunigen oder Bremsen eines Fahrzeugs oder Lifts) für eine Verschiebung der oberen gegen die untere Schicht der Gallerte, wodurch die Sinneshärchen wie ein Schalter zur Seite gelegt werden. Utriculus und Sacculus stehen senkrecht zueinander. Im Schädel sind sie so ausgerichtet, dass Utriculus bei aufrechter Haltung und leicht nach vorne geneigtem Kopf horizontal liegt – der Haltung, die man beim Gehen einnimmt, um den Boden zwei bis drei Meter vor den Füßen im Auge zu haben. Sacculus ist bei dieser Haltung etwa senkrecht gestellt. Die Schwerkraft wirkt wie eine lineare Beschleunigung. Im Stehen und Gehen ist sie ein Dauerreiz für Sacculus, im Liegen für Utriculus.

Die Sinneszellen im Gleichgewichtsorgan sind afferent (Zuleitung der Reize zum Gehirn) und efferent (Regulation der Empfindlichkeit durch das Gehirn) innerviert. Die Nerven sind im Nervus vestibularis gebündelt, der sich mit den Nervenverbindungen der Hörschnecke zum Nervus vestibulocochlearis verbindet. Im Hirnstamm findet sich in den Vestibulariskernen eine erste Schaltstation, die das Gleichgewichtsorgan sensorisch und motorisch mit dem Bewegungsapparat und der Augenmuskulatur verbindet. Der Reizfluss vom und zum Gleichgewichtsorgan ist dort weiter vernetzt ❚ mit dem Kleinhirn (Bewegungskontrolle; das Kleinhirn verfügt auch über eine direkte Verbindung zum Gleichgewichtsorgan) ❚ mit dem aufsteigenden retikulären Eregungssystem (formatio reticularis; Wachheitsregulation, Orientierungs- bzw. Schreckreaktion)

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❚ mit dem autonomen Nervensystem (aufsteigende und absteigende Verbindungen mit den inneren Organen; wahrscheinlich trägt die Sensorik der Verteilung von Flüssigkeiten im Körper zur Lageorientierung bei) ❚ mit dem limbischen System (Affekte) und Hypothalamus (vegetative Funktionen) und über den Thalamus mit Arealen der Großhirnrinde. Im mulitsensorischen vestibulären Kortex im Grenzgebiet von Frontal-, Scheitel- und Schläfenlappen (mit dem parietoinsulären vestibulären Kortex als Integrationszentrum) treffen die Reize aus dem Gleichgewichtsorgan auf Zuflüsse aus den Projektionsarealen des Sehens, Hörens und der Somatosensorik; auf dem intersensorischen Abgleich im Kortex basieren wahrscheinlich bewusste Orientierung wie auch Schwindelgefühle. Lesen u Birbaumer & Schmidt, 2006; Bösel, 2006; Dieterich, 2006

Stehen und gehen können wir nur dank der Spannung unserer Muskeln. Von daher ist es nicht überraschend, dass unser Gefühl für Balance sich nicht allein aus Reizen aus dem Innenohr speist, sondern auch auf die Sensorik in Muskeln, Sehnen und Gelenken (Propriozeption, Kinästhesie) baut. Schon über die Raumlage des Oberkörpers können die Gleichgewichtsorgane im Kopf keine hinreichende Information liefern: Erst zusammen mit dem Gespür dafür, wie man den Kopf hält, orientieren der Schwerkraftkompass und Bewegungsmelder im Ohr über die Lage und Bewegung des Körpers im Raum. Beim Stehen und Gehen wird die komplexe sensomotorische Gesamtsituation in Rumpf und Gliedern mit den Informationen aus dem Innenohr abgeglichen.

Experiment u Bewegungsillusion durch Vibration Den somatosensorischen Beitrag zu Gleichgewichtsempfinden und faktischer Balance kann man durch Vibrationsreize eindrucksvoll demonstrieren: Effekt: Legt man beispielsweise Vibratoren an die Achillessehnen eines aufrecht stehenden Menschen (dessen Augen geschlossenen sind) an, wird der sich nach hinten neigen und in Gefahr geraten umzukippen. Dabei fühlt er sich komisch, d. h. schummerig, schwindelig. Deutung: Die Vibration wird illusorisch als Dehnung des Wadenmuskels wahrgenommen (analog zu Bizepsdehnung bei der u Pinocchio-Illusion) und ruft eine kompensatorische Kontraktion respektive Gewichtsverlagerung nach hinten hervor, was dann tatsächlich tendenziell zum Verlust des Gleichgewichts führt. Das Bewegungsgefühl, das die illusorische Dehnungswahrnehmung vermittelt, widerspricht zugleich der vom Innenohr signalisierten Ruhe. Damit wird die Lage des Körpers im Raum zweifelhaft: Desorientierung bzw. Schwindel. Varianten: 1. Sofern die Versuchspersonen ihre Umgebung sehen können, bleibt der Effekt aus: Der Blick sorgt für Stabilität, die widersprüchlichen Sinneseindrücke irritieren nur hintergründig. 2. Wenn lediglich isolierte Lichtpunkte in einer verdunkelten Umgebung zu sehen sind, scheinen diese die illusorischen Bewegungen mitzumachen. (Weitere Beispiele von Bewegungsillusionen durch Vibration: Einseitige Vibration der Nackenmuskulatur vermittelt den illusionären Eindruck, dass sich der Kopf dreht; oder wenn bspw. die Hand an einer Wand fixiert ist, gewinnt man durch die Vibration am

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Teil I: Spüren – Körper und Bewegung

Handgelenk den Eindruck, als bewege sich der Körper – je nach Ausrichtung der Hand – nach vorne oder hinten.)

Visuelle Eindrücke können einem tatsächlich unbewegten Menschen vormachen, er bewege sich – und ihn dadurch aus dem Gleichgewicht bringen. Solche visuell induzierten Bewegungserlebnisse (Vektion) stellen sich für einen kurzen Moment ein, wenn beispielsweise am Bahnhof der Zug auf dem Nachbargleis anfährt. Hier bleibt es in der Regel bei einem leichten Ruck, da man der Täuschung schnell gewahr wird und nur ein Teil des Sehfeldes in Bewegung gerät. Wenn man eine gestreifte Trommel um den Kopf unbeweglicher Versuchspersonen rotieren lässt, während sie eine Marke fixieren, die sie unbewegt vor die Streifen halten, scheint es ihnen, die Marke drehe sich (entgegengesetzt) in der fixen Trommel. Stellt man jemanden in eine zimmergroße Kiste ohne Boden, deren Innenwände eine deutliche optische Struktur besitzen, und verschiebt diesen Raum, so gewinnt der Insasse den Eindruck, sich in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen [u Abb.], und gerät aus dem Gleichgewicht. Besonders drastisch ist der Effekt, wenn ein Raum, in dessen Mitte man auf einer horizontalen Stange sitzt, als Achse um diese Stange rotiert: Ist man nicht auf dem Sitzplatz festgeschnallt, droht man in der Hexenschaukel, wie diese Installation auf Jahrmärkten genannt wird, vom Stuhl zu fallen [u Abb.]. Voraussetzung dieser Effekte ist, dass die Bewegung auch in der Peripherie der Netzhaut registriert wird [u Kap. 7] und nicht nur im zentralen Bereich des scharfen Sehens (wie es beim Blick durch eine schmale Röhre der Fall wäre). – Die Illusion von Eigenbewegung kann analog durch rotierende oder linear bewegte akustische Reize ausgelöst werden. Kurz: Die Empfindung, sich selbst zu bewegen, und die Balance ergeben sich aus der Abstimmung von Innenohrreizen, Propriozeption sowie visuellem und auditivem Fluss (aber auch Hautempfindungen – Konsistenz des Bodens, Strömung von Luft oder Wasser – und olfaktorische Wahrnehmungen gehen in die dynamische Verortung des Körpers ein). Der menschliche Gleichgewichtssinn, gelegentlich „6. Sinn“ genannt, lässt sich überhaupt nur aus dieser (multi)sensomotorischen Integration heraus verstehen. Fallen die Gleichgewichtsorgane im Innenohr krankheitsbedingt aus, ist die Balance der Betroffenen zunächst stark gestört. Eine Sinnesprothese, die eine gewisse Abhilfe schaffen kann, besteht in einem Gerät, das Werte eines am Kopf getragenen

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Beschleunigungsmessgerätes an ein taktiles Display auf der Zunge übermittelt (Electrotaktile Vestibular Substitution System [ETVSS] analog zum u Taktile Vision Substitution System [TVSS]; Danilov, Tyler & Kaczmarek, 2008). Dieses Hilfsmittel scheint über die unmittelbare Nutzung hinaus der Balance zuträglich zu sein (McCredie, 2007, Kap. 10). Wahrscheinlich deshalb, weil es hilft, eine stärkere Gewichtung der propriozeptiven und visuellen Faktoren des Sinnes fürs Gleichgewicht einzuüben. Auf dem gewohnten Zusammenspiel von vestibulären, kinästhetischen und visuellen Eindrücken beruht auch das Gegenstück zur Wahrnehmung der Eigenbewegung: die Wahrnehmung einer ruhenden Umgebung, in der wir uns bewegen. Diese Wahrnehmung ist angesichts der Bildverschiebungen während des sich Bewegens ja keineswegs selbstverständlich [u Experiment 1 und 2]. Dank der Abstimmung von Innenohrreizen und Blicksteuerung (Vestibulo-okulärer Reflex) sind wir außerdem bei schnellen Kopfbewegungen in der Lage, im Blick zu halten, was wir gerade fixieren [u Experiment 3]. Lesen u Bischof, 1966; Gibson, 1973, Kap. 4; Goldstein, 2002, Kap. 8 u. 13 (fehlen in der Neuauflage von 2008); Mast, 2005; Mast & Grabherr, 2009; Scott, 2002; Geschichte der Erforschung des „6. Sinnes“: Wade, 2011

Experiment u Wackelnde Welt Exp. (1). Sehen Sie, was passiert, wenn Sie ein Auge schließen und das andere vorsichtig am unteren Lid mit der Kuppe des Zeigefingers stupsen. Effekt & Deutung: Unsere Umgebung wackelt – wie ein altes Homevideo oder ein Film, der nach den Regeln des „Dogma“-Manifestes gedreht wurde. Die Umgebung erscheint nur deshalb gewöhnlich in Ruhe, wenn die Augen sich allein oder mit Kopf und Körper bewegen, weil der Organismus der eigenen Bewegung inne ist, also Fluss oder Stillstand der visuellen Erscheinungen immer im Verhältnis zu seiner intendierten sowie kinästhetisch und vestibulär registrierten Eigenbewegung wahrnimmt. Die unphysiologische Bewegung des Augapfels durch das Stupsen zerreißt den eingespielten Zusammenhang. Exp. (2). Sind Sie schon einmal eine Weile auf einem Laufband (wie man sie in Fitness-Studios findet) gelaufen? Effekt: Nach einer gewissen Zeit kann es zu dem Eindruck kommen, man betrachte einen im Laufen aufgezeichneten Film: Die Szenerie hüpft auf und ab. (Nach Ende des Laufes scheint für kurze Zeit die Umgebung nach vorne zu ziehen bzw. man selbst nach hinten.) Deutung: Einerseits führt die Verbindung von Laufbewegung und statischer Umgebung dazu, dass die kinästhetisch-vestibuläre Sensomotorik tendenziell ausgeblendet wird; die vertikalen Verschiebungen von Umwelt und Auge des Läufers werden damit nicht mehr hinreichend auf die eigene Bewegung zurückgeführt. Dass die Umgebung sich nach Ende des Laufes nach vorne zu entziehen scheint, weist darauf hin, dass die Ausblendung der eigenen Bewegung nicht vollständig war, sondern dass man die Verbindung von Laufbewegung und statischer Umgebung gewissermaßen in die Unterstellung übersetzt, man laufe parallel zu einer selbst bewegten Szenerie.

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Exp. (3). Fixieren Sie ein Wort in einem Text in normalem Leseabstand. Nun bewegen Sie den Kopf erst langsam, dann schneller hin und her, während Sie versuchen, das fixierte Wort im Blick zu behalten. Nehmen Sie dann den Text in die Hand und bewegen nun den Text statt des Kopfes. Lassen Sie schließlich den Text von jemand anderem bewegen. Effekt: Das Fixieren gelingt bei Kopfbewegung am besten, bei Fremdbewegung am schlechtesten. Deutung: Bei Kopfbewegung sorgt die verbuchte Bewegungsintention zusammen mit den Informationen aus Nackenmuskeln und Innenohr für optimales Gegensteuern der Augenbewegung. Die Armbewegung ist schwächer mit der Augenbewegung koordiniert. Bei Fremdbewegung kann sich die Augenbewegung nur nach der Verschiebung des Netzhautbildes richten, um gegenzusteuern (Campenhausen, 1993).

Die Entwicklung der sensomotorischen Integration Schon vor der Geburt ist das Gleichgewichtsorgan ansprechbar. Säuglinge werden indessen – wie Menschen mit beidseitig defekten Innenohrorganen – nicht seekrank. Das liegt wahrscheinlich an der bei ihnen wenig entwickelten Integration von Sehen, Körpergefühl und Innenohrreizen. Im späteren Kindesalter steigt die Tendenz, an Bewegungskrankheiten (Kinetosen) zu leiden. Die Entwicklung des Gleichgewichtssinnes ist ein langwieriger Prozess, der noch ins Jugendalter hineinreicht. Bei der komplexen sensomotorischen Integration, die der Balance zugrunde liegt, spielt neben Übung, besonders in den ersten Lebensjahren, die Reifung des Nervensystems eine wesentliche Rolle. Die regelmäßige Stimulation des Gleichgewichtsorgans vor der Geburt und im Säuglingsalter durch passive Bewegung regt das Reifen der zentralnervösen Basis von Körperschema, Balance und Orientierung an. (Bei Frühgeborenen führt regelmäßiges sanftes Schaukeln ebenso wie Massage zu beschleunigter Gewichtszunahme.) Nach 12–18 Monaten erleben die meisten Kinder ihre „zweite Geburt“: die Fähigkeit, sich – wenn auch noch tapsig – frei auf den eigenen Beinen zu bewegen. Bewegliche Gestelle, die das Gehenlernen beschleunigen sollen (Lauflernhilfen), bergen nicht nur Unfallrisiken und orthopädische Gefahren (krumme Beine). Sie sind auch deshalb problematisch, weil sie – wie Drei- oder Vierräder auch – das Balancieren ersetzen. Das Abheben beider Beine vom Boden für den Balanceakt des Radfahrens („dritte Geburt“) wird durch Zweiräder, bei denen die Füße stützbereit bleiben (Roller, Laufrad), eher gefördert als durch Fahrräder mit Stützrädern. Turnen und Gymnastik sind der optimalen Entwicklung des Gleichgewichtssinnes in Kindheit und Jugend förderlich. Pädiater und Bewegungswissenschaftler haben Übungssequenzen und Geräte ersonnen, die dazu geeignet sind, einer verzögerten Entwicklung entgegenzuwirken. Dabei wird meist davon ausgegangen, dass ein Training

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der sensomotorischen Integration auch die kognitive und sozial-emotionale Entwicklung fördert (Ayres, 1979, 1984; Kiese-Himmel, 1998). Im englischen Sprachraum werden diese Bemühungen heute meist als Therapie gestörter sensorischer Verarbeitung (Sensory Processing Disorder [SPD]) angesprochen (Miller, Schoen & Nielsen, 2012). Auch bei Erwachsenen ist Balance keine fixe Größe. Wer die Koordination von Sinnen und Motorik durch Yoga oder Sportarten wie Aerobic, Wasserski usw. herausfordert, entwickelt ein überlegenes Gespür für das Gleichgewicht. Im Alter leidet der Gleichgewichtssinn besonders bei jenen, die ein bewegungsarmes Leben führen. Kattenstroth und Kollegen stellten fest, dass in der Altersgruppe zwischen 65 und 84 jene, die seit Jahren als Amateurtänzer aktiv waren, einer Kontrollstichprobe von tänzerisch oder sportlich Inaktiven nicht nur in der Balance und anderen sensomotorischen Aspekten, sondern auch bei kognitiven Tests überlegen waren (Kattenstroth, Kolankowska, Kalisch & Dinse, 2010). Training führt nachweislich noch in höherem Alter relativ kurzfristig zu Verbesserungen der Balance. Bereits kurzzeitiges Gleichgewichtstraining führt offenbar zu Strukturveränderungen im Gehirn (Taubert et al., 2010). Lesen u Hirtz, Hotz & Ludwig, 2000; Holle, 2000; Ludwig, 2009; R. Zimmer, 2001

Bewegungskrankheiten und andere Irritationen des 6. Sinns „Der Mediziner rät: An Bord keine Salami essen und viel schlafen. […] Bei Stress, Angst, unkoordinierten Körperbewegungen und widersprüchlichen Sinneseindrücken würde im Gehirn vermehrt Histamin ausgeschüttet, sagt Jarisch. Erst dadurch würden die Symptome der Seekrankheit ausgelöst. […] Der menschliche Organismus benötige für den Histaminabbau [..] Vitamin C […]. […] Darüber hinaus solle man ‚Histaminschleudern‘ wie Rotwein, Hartkäse, Salami, Schokolade und Tomaten meiden.“ („Ein ganz, ganz übles Thema“, DIE ZEIT, 50, 4.12.2008) „Gähnen ist oft ein Frühwarnzeichen für aufkommende Seekrankheit und sollte sofortige Therapiemaßnahmen einleiten. Das heißt: Ein bis zwei Vitamin C-Kautabletten […] sind dann notwendig und helfen auch zu diesem späten Zeitpunkt. Die üblichen Mittel gegen Seekrankheit (Antihistaminika) müssen Stunden vorher eingenommen werden. Sollte das alles nicht ausreichen, dann hilft nur mehr schlafen. Im Schlaf sinkt der Histaminspiegel gegen null.“ (Jarisch, 2009, S. 41) “The experiment was terminated when either: (1) the participant requested termination, or (2) vomiting occurred.” (Kim et al., 2008, S. 5f.)

Seekrankheit ist eine altbekannte Bewegungskrankheit (Kinetose). Sie tritt insbesondere dann auf, wenn man bei bewegter See visuell auf das unbewegliche Bezugssystem (Inneres einer Kajüte, Deckaufbauten) fixiert ist. Dann nämlich gerät der visuelle Ein-

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druck von Ruhe in Konflikt mit den Bewegungsreizen im Innenohr. Neben Schwindel, Schweißausbruch, Kopfschmerz, Störungen des Herzkreislaufsystems und der Atmung gehören bekanntlich Übelkeit und Erbrechen zu den Symptomen von Seekrankheit. Im Begriff Nausea hat die Seekrankheit Übelkeit und Ekel sogar einen Namen gegeben. – Nach einer einleuchtenden Hypothese kommt es bei Kinetosen deshalb zu Übelkeit und Brechreiz, weil der Organismus angesichts des Durcheinanders in der Wahrnehmung reagiert, als ob er ein Nervengift konsumiert hätte, dessen Reste im Magen er schnell wieder loswerden sollte. In Analogie zur Seekrankheit kommt es in Kutschen und Automobilen zur Reisekrankheit. Der Fahrer ist dabei weniger gefährdet als die Passagiere, weil bei Letzteren visuelle Eindrücke eher ohne Bezug zu den Innenohrreizen auftreten. Bei einer Geradeausbewegung mit gleichmäßiger Geschwindigkeit kann es im Zug, Automobil oder Flugzeug zu der Illusion kommen, man stehe still. Insbesondere im Fall des Zugfahrens stellt sich die Illusion ein, die Landschaft fliege vorbei (in einigem Abstand zu einer homogenen Wolkendecke kann beim Fliegen der Eindruck allseitiger Ruhe entstehen). Beim Gehen wird dagegen das Gleichgewichtsorgan, das ja nur auf Veränderungen der Geschwindigkeit bzw. Richtung reagiert, wegen der beständigen rhythmischen Schwankungen, die der Kopf dabei erfährt, auch bei gleichmäßiger Geschwindigkeit ständig angesprochen. Je glatter die Bewegung in einem Fahrzeug, desto gewisser der illusorische Stillstand, der tendenziell mit einem entrückten Bewusstseinszustand einhergeht (z. B. Highway-Trance). Der Verlust kontinuierlicher rhythmischer Schwankungen ist prinzipiell eine Mitgift des Rades. Bei der Bewegung mit Zweirädern, wie Roller oder Fahrrad, schwankt man immerhin quer zur Bewegungsrichtung, um die Balance zu halten. Eine betont bzw. übermäßig dynamische Fahrweise von Autofahrern lässt sich als berauschende Überkompensation der relativen vestibulären Reizarmut (Unsinnlichkeit) dieser Fortbewegungsweise verstehen (siehe unten). Da die Otolithenorgane gleichermaßen auf die Schwerkraft und lineare Beschleunigungskräfte reagieren, empfindet man die Neigung eines Flugzeugs beim Start übertrieben. (Schon wenn man mit verbundenen Augen auf Skiern bergab fährt, kann man der Täuschung erliegen, bergauf zu fahren [Kohl, 1956]). Bei Kurvenflügen gewinnt man den Eindruck, die durch das Fenster beobachtete Erdoberfläche sei geneigt. Diese Täuschung entsteht, weil die Fliehkraft die Achse der Schwerkraft zu verschieben scheint. Piloten müssen lernen, sich nicht auf ihre Sinne, sondern auf die Anzeigen ihrer Instrumente zu verlassen. Die meisten Astronauten leiden zu Beginn der Schwerelosigkeit unter dem Wegfall des Dauerreizes, den die Gravitation dem Gleichgewichtsorgan ansonsten bietet. Die Space-Motion-Sickness legt sich in der Regel nach einigen Tagen, um erneut bei Wiederanpassung an die Schwerkraft aufzutreten.

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Auch bei den berühmt-berüchtigten Experimenten mit u Umkehrbrillen kommt es zu einer gewissen Anpassung an die hier nun widersprüchlichen Informationen über oben und unten. Nach ein paar Tagen der Hilflosigkeit kommen die Versuchspersonen mit der Situation ganz gut zurecht, bewältigen sie leidlich Aufgaben wie Schreiben oder sogar Fahrradfahren. Nach dem Ende des Experiments kommt es zu einer neuerlichen (wenn auch kürzeren) Phase weitgehender Handlungsunfähigkeit. Eine gewisse Desorientierung und Störung der Befindlichkeit hält das ganze Experiment über an und wirkt noch lange nach. Unzutreffend ist die weit verbreitete Darstellung, dass nach einer Gewöhnung an die Brille der visuelle Eindruck wieder richtig herum erscheine, und dass nach Ende des Experiments die Welt dann erneut für eine gewisse Zeit auf dem Kopf stehe [u Kap. 7]. Medienkrankheiten & Gegenmittel. Auch in Flug- und Fahrsimulatoren und in Rundum- oder Imax-Kinos sowie beim Durchfliegen von virtuellen Architekturmodellen etc. kommt es regelmäßig zu Bewegungskrankheiten: Durch Kamerabewegung (oder digitale Äquivalente dazu) wird den Betrachtern visuell suggeriert, sie seien in Bewegung geraten, während sie zugleich somatosensorisch und vestibulär Ruhe empfinden. Sogar bei normaler Kinoleinwand und beim Blick auf Bildschirme, insbesondere wenn man, wie etwa bei Videospielen, dem Bildschirm nahe ist, kann es derart zu widersprüchlichen Reizen kommen. So verursachte Kinetosen werden Simulator-, Cyber- und Gamingsickness genannt (weitere Quellen des Unwohlseins liegen in Aspekten der Wiedergabetechnik). Mit verschiedenen Methoden bemüht man sich darum, die sensomotorische Unstimmigkeit zu verringern: ❚ Bei Flug- und Fahrsimulatoren suggeriert man durch Neigung Beschleunigung (komplementär zur erwähnten Illusion, sich bei Beschleunigung zu neigen): Man kippt z. B. die Zuschauerkabine beim visuell suggerierten Beschleunigen nach hinten und beim Bremsen nach vorn. ❚ Fixierte Fahrräder oder Laufbänder nutzt man in anderen Szenerien virtueller Realität. Mit diesen Hilfsmitteln soll beispielsweise die simulierte Begehung eines virtuellen Bauwerks oder einer virtuellen Stadt ohne Störungen des Wohlbefindens über die Bühne gebracht werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die bewegten Bilder nun mit 3D-Brillen, durch Projektion auf mehrere Wände (Cave) oder auch nur über Leinwände oder Bildschirme, die mehr oder weniger das Gesichtsfeld füllen, vermittelt werden. Die Art, in der so Körperbewegung mit der visuell induzierten Bewegung verbunden wird, birgt indessen Probleme. So fehlt die Drehung beim Richtungswechsel, da man auf den Bändern nur geradeaus gehen kann. Technisch aufwendige Plattformen mit allseitig verschiebbaren Böden erlauben inzwischen beliebige Wendungen und verbinden damit Körperbewegung realistischer mit der Bewegung der virtuellen Ansichten. Oder man gibt behelmten Cybernauten gleich Auslauf in Hallen (siehe auch den Abschnitt „Orientierung, Denken und Emotion“ in diesem Kapitel).

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❚ Wegen des geringeren technischen beziehungsweise räumlichen Aufwandes greift man auch auf die altbekannte Methode der galvanischen vestibulären Stimulation zurück: Reizung des Gleichgewichtsorgans durch leichte Ströme, die man über Elektroden appliziert, die hinter den Ohren auf der Haut am Schädelknochen kleben (z. B. Kitazaki & Kimura, 2010). ❚ Auch illusorische Muskelbewegungen durch Vibration kommen als Ergänzung der visuell erzeugten Bewegungsempfindungen in Betracht. ❚ Da das periphere Sehen wesentlich zum Eindruck der Selbstbewegung beiträgt, sind andere Erforscher-Erfinder von Simulatorsickness-Linderungstechniken darauf verfallen, während der virtuellen Fahrt zwischenzeitlich das Sehfeld einzuengen; und zwar immer dann, wenn ein Bündel von Biosignalen, das man bei den Cybernauten gerade misst (vom EKG über die Hautleitfähigkeit bis zu EEG, Augenbewegung und Atemfunktion), einen bedrohlichen Pegel von objektiven Kinetose-Indikatoren meldet. Im Versuchsbericht zu dieser Methode teilen die Autoren mit, der Versuch sei immer dann abgebrochen worden, wenn es der Proband verlangte oder es zum Erbrechen kam (siehe das Motto). Alternativ kann/könnte man den schwindelerregenden Sog der bewegten Bilder schon auf der Ebene des Entwurfs der Szenarien selbst zurücknehmen: ❚ Ein Gegenmittel zu Kinetose und Desorientierung, das bei Videospielen regelmäßig angeboten wird, ist die Verbindung der simulierten Szenerie mit Plänen beziehungsweise Karten. Auch virtuelle Modelle können in die simulierte Szene integriert werden: „The world-in-miniature metaphor (WIM) allows users to select, manipulate, and navigate efficiently in virtual environments. In addition to the first-person perspective offered by typical virtual reality (VR) applications, the WIM offers a second dynamic viewpoint through a hand-held miniature copy of the environment.“ (Andujar, Argelaguet & Trueba, 2010, S. 499) ❚ Das Kino vermittelt Raumgefühl primär durch das Ablichten bewegter Menschen und Objekte respektive durch die Mitbewegung (Involvierung), welche diese Darstellungen bei Betrachtern auslösen. Kamerabewegungen kommen hinzu, wurden traditionell aber meist mit Augenmaß eingesetzt. Das kann man an zahllosen Beispielen des klassischen Filmthemas Verfolgungsjagd nachvollziehen: Irritation durch Kamerafahrten wird da durch entsprechende Schnitte, aber auch dadurch, dass die bewegte Kamera bewegten Objekten folgt, gemildert. Aufdringlichere Passagen schwindelerregender Kamerabewegungen setzt man im Film bis heute hauptsächlich ein, um ein gestörtes Raumgefühl (Verwirrung, Panik, Traum) der Protagonisten nachempfindbar zu machen. Angesichts von Simulator-, Gamingund Cybersickness liegt eine gewisse Ironie darin, dass Filmemacher sich vermehrt an dem Primat des fliegenden Auges orientieren, das in den virtuellen Szenerien vorherrscht. Allerdings gibt es umgekehrt seitens der Designer von Computerspie-

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len durchaus die Tendenz, Kinoelemente in ihre Produktionen einzubauen (und sei es nur, um den Kundenkreis zu erweitern). Sofern man dabei über das Einstreuen von Filmschnipseln hinausgeht, könnten dabei auch verträglichere Formen der Raumerkundung herauskommen. So wären denn etwa Architektursimulationen denkbar, die – siehe das Motto – sogar mit Wurst- oder Käsebrot verträglich sind (Schönhammer, 2005b). Lesen u Kinetosen & Nausea allgemein: Brandt, Dieterich & Strupp, 2005; Provine, 2012, Kap. 9; Scott, 2002; Schwerelosigkeit: Oman, 2007; Walter, 1997; Keil & Reble, 2001; Umkehrbrillen: Dolezal, 1982; Kohler, 1951, 1966; Kottenhoff, 1961; Rock, 1985; Medienkrankheiten & Gegenmittel: Biocca, 1992; Durlach et al., 2000; Lagny, 2005; Schönhammer, 2005a, 2005b; Whyte, 2002

Techniken der Beruhigung und Erregung (Mechanische Drogen) „So werden wir es als nicht ganz unwahrscheinlich bezeichnen können, dass der Tanz vor allem als ein berauschendes Bewegungsspiel aufzufassen ist, das wie andere narkotische Mittel den Zauber besitzt, uns dem Alltagsleben zu entreissen und in eine selbstgeschaffene Traumwelt hinüberzuführen.“ (Groos, 1899, S. 112) „Der eigentliche Sprung beginnt beim Kinde als Tiefsprung. Sobald der kleine Experimentator es halbwegs gelernt hat, eine Treppe hinunterzugehen, kommt ihm auch die Lust an, von der letzten Stufe aus den ebenen Boden mit einem Sprung zu erreichen, der zuerst schwerfällig genug ausfällt; bald ist aber die Kunst erlernt, und nun geht das Spiel gesetzmässig zum Schwierigeren weiter, gerade wie der Gewohnheitstrinker allmählich zu immer stärkeren Getränken greift.“ (Groos, 1899, S. 104f.)

Um Säuglinge zu beruhigen, wiegt man sie im Arm. Auch Wiege und Schaukel wirken offensichtlich über die rhythmische Folge von Beschleunigungskräften auf die Bewusstseinslage. Dass Bewegung dabei ähnlich treffsicher wie psychoaktive Drogen auf die Gehirne von jung und alt wirkt, hat manche skeptische Betrachtung des Gebrauchs dieser Geräte veranlasst; so waren sich die Aufklärer Rousseau und Kant in ihrer Ablehnung des Wiegens von Kindern einig. Inzwischen hat man in Tierversuchen und in Schlaflabors nachgewiesen, dass leichtes Schaukeln dem Schlaf förderlich ist. Die Stimulation des Innenohres scheint dabei über die Anregung des u aufsteigenden retikulären Systems insbesondere den u paradoxen Schlaf zu unterstützen, welcher Zuständen veränderten Wachbewusstseins (Trance) verwandt ist (McGinty, 1985; Woodward et al., 1990). Auch kaum merkliches Schwingen vermag Trancezustände herbeizuführen (Siegel, 1979/80). Einschlägige Erlebnisberichte von Nutzern eines AlphaLiege genannten Möbels des Wiener Designers

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sha bringt Slunecko (2009) zur Kenntnis; die Liege erweitert allerdings die ungewöhnliche vestibuläre Stimulation potentiell um sanfte Beleuchtung und schwebende Klänge. In den 1970er Jahren interessierte man sich für Geräte, die durch minimales Schwingen auf die Bewusstseinslage einwirken, gleichermaßen wie man von den Effekten u sensorischer Deprivation, etwa mittels des „Samadhi-Tanks“ (wie die Isoliertanks auch genannt wurden), fasziniert war (Houston, 1973).

Philosophische Ästhetik u Schwingen vs. Erschrecken Nichts könne „eine bessere Idee vom Schönen geben“, stellte Edmund Burke in Vom Erhabenen und Schönen fest, als die Empfindung, die man habe, „wenn man in einem bequemen Wagen schnell auf weichem Rasen fährt, bald allmählich aufsteigend, bald leicht abfallend“ (1956, S. 199). Ebenso wie beim Wiegen sieht er hier das SchönheitsPrinzip „allmählicher Änderung“ am Werk. Den erhabenen, durch Schreck beeindruckenden Gegenpol bildet etwa das Erlebnis, ins Leere zu treten, wenn man beim Treppensteigen eine Stufe mehr als vorhanden unterstellt (ebd., S. 189).

Der Effekt einer Beruhigung durch leichte Erregung, den Menschen durch die Schwingungen von Wiegen, Schaukelstühlen, Hängematten oder Wasserbetten erzielen, ist übrigens auch mit dem Gattungskennzeichen aufrechter Gang verbunden, bei dem der Kopf rhythmisch in allen Ebenen des Raumes schwingt. Dass Gehen belebt und zugleich beruhigt, haben zahlreiche Dichter und Philosophen an sich und anderen beobachtet. Die traditionelle Praxis, Säuglinge mit Tragetüchern am Körper zu tragen, erlaubt es, wache erwachsene Aktivität einschließlich des nomadischen Herumziehens mit beiläufiger Beruhigung des Nachwuchses zu verbinden. Man kann spekulieren, ob hier – evolutionär gesehen – der Grund für die mentale Wirkung der Pendelbewegungen des Gehens liegt. Im Kontrast zu sanften mechanischen Drogen, wie Gehen oder Wiegen, stehen Praktiken, die, wie intensives Schaukeln, der Kavaliersstart mit dem Automobil oder das Bungeejumping, durch exzessive Beschleunigung berauschen. Zum „Kick“ solcher starken Reize trägt die existentielle Verunsicherung bzw. Angst angesichts des (drohenden) Stürzens bei.

Design u Segway & Swingo Der von Dean Kamen entwickelte Segway ist ein ungewöhnliches Hightech-Zweirad, das zu Beginn des neuen Jahrhunderts mit dem Versprechen lanciert wurde, den Stadtverkehr zu revolutionieren. Die Räder stehen nebeneinander wie bei alten mechanischen Rasenmähern [u Abb.]. Man stellt sich zwischen die Räder auf eine Plattform, lässt sich nach vorne kippen – und fährt los, anstatt hinzufallen. Der Zauber, der den Sturz verhindert, wird von Gyroskopen vollbracht, die für die Maschine leisten, was bei uns der Gleichgewichtssinn vollbringt. Das drohende und doch verhinderte Fallen begeistert viele beim Ausprobieren: ein (flug)traumhaftes Erlebnis.

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Auf Passanten wirken die statuarisch bewegten Menschen (noch) ein bisschen albern (vgl. Schönhammer, 2009). Der Swingo (Entwurf: Axel Bossert [Bossert, 2009]) ist ein lowtech-Gerät ohne Räder, das aus einem Semesterprojekt von Designstudenten in Halle hervorging, bei dem nach radfreien Alternativen zum Rollstuhl gesucht werden sollte (in Afrika werden Rollstühle der Räder wegen allzu oft gestohlen). Auf dem Swingo kommt man durch die Verbindung von Schaukeln und Armbewegung vorwärts [u Abb.]. Aus Schaukeln, das ebenfalls ein abgefangenes Fallen ist, wird hier verblüffenderweise Gehen. Eigenes Geschick ist gefordert und die Sensomotorik wird trainiert. Die Fortbewegung ist rhythmisch. Ein Hilfsmittel für Gehbehinderte, das auch für andere reizvoll ist.

Einen eigenen – offen auf Schwindel zielenden – Untertypus von Rauschtechniken bilden Drehspiele, -tänze und -geräte. An diese knüpft der vom Kulturanthropologen Roger Caillois (1982) geprägte Begriff Ilinx (griechisch für Wasserstrudel) an. Gedacht ist dieses Etikett für alle Formen rauschhafter Bewegung von kindlichen Taumelspielen über Tänze wie den Walzer und Sportarten wie Skifahren bis hin zu solchen Erlebnissen, wie sie Apparate auf Jahrmärkten oder der entsprechende Gebrauch von privaten Motorfahrzeugen ermöglichen.

Tiervergleich u Springen, Gleiten, Schaukeln, Stürzen – vestibuläre Spiele Junge Hunde tollen herum. Das ist sprichwörtlich. Die Vermutung, es handle sich dabei um ein berauschendes Spiel mit dem eigenen Gleichgewichtssinn, mag zunächst ein wenig verstiegen klingen. Ein Blick auf die in den vergangenen 200 Jahren gesammelten Beobachtungen des Spiels von Säugetieren und Vögeln rückt besagte Einordnung von Springen und Tollen junger Hunde allerdings in ein anderes Licht. Wenn Gemsen wie Raben beschneite Abhänge oder steile Hausdächer nicht nur einmal hinabgleiten, sondern mehrfach hintereinander zum Ausgangspunkt ihrer Rutschpartie zurückklettern oder fliegen, um sich wieder und wieder der Schwerkraft zu überlassen, spricht das recht deutlich für ein selbstzweckhaftes lustvolles Treiben, das sich des Gleichgewichtssinnes als Lustquelle bedient. Ähnlich wurden diverse Gattungen beim Gleiten, Schaukeln oder Sich-fallen-Lassen beobachtet. Inzwischen sind die Zeugnisse dafür nicht mehr auf verhaltensbiologische Schriften beschränkt, sondern auch in den Videoforen des Internets aufzufinden. – Theoretiker des tierischen Spiels neigen zu der Ansicht, bei den Beschleunigungs- respektive Schwerkraftspielen handle es sich um Einübung von Balance für existentielle Ernstfälle, nicht zuletzt Fluchtaktionen unter erschwerten Bedingungen. Die Beweislast für diese These ist nicht erdrückend. Verhält es sich tatsächlich so, dass die Arterhaltung sich hier gewissermaßen der Lust als List bedient, um ein sensomotorisches Trainingsprogramm schmackhaft zu machen? Oder doch eher derart, dass die jungen – und manchmal auch schon reiferen – Tierindividuen sich sowohl der Alarmglocken als auch Beruhigungspotenzen, die sich mit dem Gleichgewichtssinn (durchaus im Sinne von

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Überlebensvorteilen) entwickelt haben, findig bedienen, um recht zu spüren, dass sie lebendig sind [u Kap. 10]. Lesen u Aldis, 1975, Kap. 6 u. 20; Balcombe, 2007, Kap. 4; Bekoff & Byers, 1998; Caillois, 1982; Groos, 1930; Schmid, 1930

Regelmäßig wird starke Erregung des Gleichgewichtsorgans auch im Unterleib spürbar. So berichteten Militärpiloten dem Wiener Neurologen Josef Wilder (1931), dass sie bei Sturzflügen (und wenn sie in Luftlöcher gerieten), sexuell erregt wurden. Der Designtheoretiker Bernard Rudofsky (1987) sieht hier ein Moment der „Pathologie des Schaukelns“, für das er seinerseits historische Belege nennt. Sexuelle Erregung als Folge rhythmischer Bewegung in religiösen Ritualen und profanen Ekstase-Praktiken konstatiert auch der Neurologe Siegel (1979/80). Schon die Wahrnehmung, sich auf spiegelglattem (Eis-)Boden zu befinden, also die Aussicht darauf, in freies Gleiten zu geraten, oder der Blick aus ungesicherter Position (frei stehend) in einen Abgrund kann als bedrohlicher aber auch berauschender Strudel oder Sog wahrgenommen werden (siehe unten). Dass Existenzbedrohung eingesetzt werden kann, um die Lebensgeister zu wecken, ist in den Begriffen Wonneangst und Angstlust (Thrill) gegenwärtig. Persönlichkeitstheorien versuchen zu erklären, warum nicht alle Menschen gleichermaßen entsprechende Herausforderungen suchen. Eine Denkrichtung (die Thrill-Theorie des Psychoanalytikers Balint [1960], ebenso wie moderne motivationspsychologische Konzepte [Göring, 2006]), macht Unterschiede im Bedürfnis, sich zu beweisen, namhaft. Angstlust sucht demnach, wer sehen will, ob er auch in einem Strudel letztlich die Kontrolle behält. Das leuchtet ein, wenn es beispielsweise um Snowboardvirtuosen, BMX-, Mountain- und Trial-Biker, Parkourer, BaseJumper oder Wildwasserkanuten geht. Im Hinblick auf Jahrmarktsvergnügen ist die Argumentation mit einem Kontrollbedürfnis, das Herausforderungen sucht, weniger plausibel. Eine andere, von Marvin Zuckerman (1983) konzipierte, physiologisch orientierte Theorie geht davon aus, dass es Menschen gibt (sensation seeker), deren Nervenkostüm so (grob) gestrickt ist, dass sie starke Reize brauchen, um sich lebendig zu fühlen. Das Konzept eines besonderen Reizhungers trifft sich mit der Hypothese, dass Hyperaktivität als Reaktion auf eine verminderte zentralnervöse Erregbarkeit zu verstehen sei (tatsächlich therapiert man „Zappelkinder“ u. a. mit Stimulantien). Die vormalige therapeutische Überstimulation des Gleichgewichtsorgans von Geisteskranken in sogenannten „Irrenschleudern“ gilt als ein Schandfleck in der Geschichte der Psychiatrie (Langegger, 1983). Im Vergleich mit den Nebenwirkungen moderner Therapieformen einerseits und der freiwilligen vestibulären Schocktherapie andererseits, der sich viele Menschen auf dem Jahrmarkt unterziehen, erscheinen solche Praktiken vielleicht nicht ganz so außergewöhnlich brutal bzw. so absurd, wie sie auf den ersten Blick anmuten (Jütte, 2009). Lesen u Caillois, 1982; Groos, 1899; Jahrmarktsvergnügungen: Szabo, 2006, 2009; Kulturkritik des Geschwindigkeitsrausches: Virilio, 1978; Wiege usw.: Zglinicki, 1979

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Vertikal und schräg (Gleichgewichtssinn und Architektur) „Zaha Hadid hat die große Ausstellungshalle der Experimentierlandschaft phæno auf zehn frei geformte ‚Füße‘ gestellt. Diese trichterförmigen Bauteile mit geneigten Wänden hat sie ‚Cone‘ (englisch für Kegel) getauft. Im Rahmen dieser Entdeckertour erlebt Ihr einige dieser Cones. Zur leichteren Orientierung sind die Cones auf dem Grundriss durchnummeriert. […] Cone 3: Gehe im Erdgeschoss einmal im Uhrzeigersinn um die innere Schale des Cone 3 herum. Wie wirkt sich der Raum auf Dich und auf Deinen Gleichgewichtssinn aus?“ (phæno. Da staunst Du./Entdeckertour Architektur, 2013)

Bewegung des sichtbaren Umfeldes kann, wie dargelegt, suggerieren, man selbst sei in Bewegung geraten. Ebenso kann das visuelle Bezugssystem darüber täuschen, ob Gegenstände oder wir selbst im Lot sind. Witkin und Kollegen wiesen in einem klassischen Experiment die Abweichung der subjektiven Vertikale von der physikalischen bei einer täuschenden optischen Anordnung nach: Sie platzierten Versuchspersonen in einen in unterschiedlichem Maß schräg gestellten Raum auf einen Sitz, dessen Neigung seinerseits auf der Drehachse des Raumes verstellbar war; aufgefordert, den Sitz in die Vertikale zu bringen, wählten die Versuchspersonen in der Regel eine Position, die mehr oder weniger in Richtung dessen, was sie vor Augen hatten, vom Lot abwich [u Abb.]. Dass sich dabei manche stärker auf ihr Gefühl für Schwerkraft verließen als andere, wurde als Persönlichkeitseigenschaft gedeutet (Feldunabhängigkeit vs. Feldabhängigkeit). In stilisierter, weniger aufwendiger Weise lässt sich der Einfluss der Ausrichtung des sichtbaren Bezugssystems auf das Gefühl für die Vertikale durch einen drehbaren Leuchtstab demonstrieren, den man im Dunkeln in einem drehbaren Leuchtrahmen präsentiert (rod & frame [u Abb.]). Was im Lot ist, steht sicher. Im Wahrnehmen machen wir offenbar implizit den Umkehrschluss von der vorherrschenden Ausrichtung des sichtbaren Umfeldes auf die Vertikale („Was steht, muss im Lot sein“). Wegen der Reize aus dem Innenohr, die eher die physikalischen Verhältnisse registrieren, pendelt sich die empfundene Vertikale zwischen täuschender visueller Suggestion und tatsächlicher Schwerkraftrichtung ein. Konsequent schräg gebaute Häuser bringen Besucher tendenziell aus dem Gleichgewicht. Was als architektonische Spielerei (wie etwa in der manieristischen Gartenanlage im Park von Bomarzo von 1580) eine gewisse Tradition hat und in den 1960ern von einer Gruppe um den Kulturkritiker Paul Virilio als gewissermaßen fundamental schrä-

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ge Kulturkritik (fonction oblique) propagiert wurde (Johnston, 1996), ist in der jüngeren Vergangenheit zu einem stilistischen Trend geworden (u. a. Zaha Hadid, Daniel Libeskind, Frank O. Gehry): Verunsicherung über Lage des Lotes als ästhetisches Erlebnis. Auch durch Wegführungen, die Besucher überraschend oder ohne subjektiv ausreichenden Halt dem Blick auf Abgründe aussetzen, sorgen Architekten gelegentlich für Nervenkitzel. Für Verunsicherung sorgen beispielsweise transparente Böden oder Gitter (analog zu den bekannten Experimenten mit dem u visuellen Kliff, jener Inszenierung eines Tiefblicks, die neugeborene Säugetiere und unter gewissen Bedingungen auch Krabbelkinder von der Bewegung über eine Glasscheibe abschreckt [u Abb.]). Die Wirkung von Tiefblicken, die Treppenanlagen regelmäßig freigeben, relativiert sich an der Sicherung (Höhe und anschauliche Vertrauenswürdigkeit von Balustraden). Einzelne Schrägen in einem Umfeld, das insgesamt nicht über die Lage der Vertikalen verunsichert, wirken, wie Arnheim (1978) betont, dynamisch. Eventuell deshalb, weil solche Strukturen beim Betrachter einen Stütz- bzw. Bewegungsimpuls auslösen, wie man mit der Einfühlungs- oder Mitbewegungsästhetik vermuten könnte. Debattiert wird (Miller, 2007), wie sich diese Wirkung von Schrägen zum sogenannten Schräge-Effekt (oblique effect) verhält: Dem Umstand, dass man sich bei einer Reihe von Wahrnehmungsaufgaben bei schrägen Vorlagen schwerer tut als bei vertikalen oder horizontalen; dieser Effekt wird darauf zurückgeführt, dass die Richtungsdetektoren im visuellen Kortex auf horizontale und vertikale Konturen eingestellt seien, weshalb weiter Schrägheit auch ästhetisch weniger eingängig sei. Treppenläufe jedenfalls sind ein dynamisches Element im Erscheinungsbild von Bauwerken. In diesem Fall ist die Schräge fraglos eine Einladung zur Bewegung (sofern die Treppe nicht zu steil ansteigt). Treppen greifen in den Rhythmus des Gehens ein – auch diese Modulation der Bewegung nimmt man bei ihrem Anblick potentiell vorweg. Flüssig treppab zu gehen – in kleinen Etappen zu fallen –, bietet zudem Momente von Schwerelosigkeit. Nach einer weitergehenden These sprechen sämtliche Strukturen, die bezogen auf eine vertikale Achse symmetrisch oder asymmetrisch sind, prinzipiell den Gleichgewichtssinn der Betrachter an. Die Symmetrieachse würde mit der Körperachse identifiziert und die optischen Verteilungen als Gewichte aufgefasst (Schmarsow, Klee, Arnheim). Als ästhetisches Optimum gilt dabei meist eine leichte Abweichung vom „Gleichgewicht“ (Arnheim, 1978, 1980a; Seyler, 2003, 2009). Lesen u Subjektive Vertikale: Rock, 1985; Schräge in der Architektur: Auer, 1993; Bloomer & Moore, 1980; Meisenheimer, 2004; Rittelmeyer, 1994, 2009; Schönhammer, 2009; Balance in der Geschichte der Ästhetik: Allesch, 2009

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Orientierung, Denken und Emotion Wie am Ende des vorigen Kapitels schon angesprochen, bildet die sensomotorische Integration vermutlich die Basis der kognitiven Entwicklung. In diesem Kapitel hat sich nun gezeigt, dass das, was man Gleichgewichtssinn nennt, die Wahrnehmung der eigenen Lage und Bewegung im Raum, als Zentrum dieser Integration aufgefasst werden kann. Die Hirnforschung belegt, dass bei Aufgaben, die räumliches Denken bzw. Vorstellen erfordern, tatsächlich Bereiche im Scheitellappen, genauer in Übergangsbereichen von diesem zu Frontal-, Schläfen- und Hinterhauptslappen des Gehirns aktiv sind, in denen somatosensorische, vestibuläre, akustische und visuelle Reizzuflüsse und auch Bewegungssteuerung aufeinander bezogen werden. Wir orientieren uns normalerweise durch das Zusammenspiel von Sehen, Körpergefühl, Innenohrreizen und Hören (sowie – weniger dominant – Riechen). Auch bei einem Ausfall der Seh- und Hörfunktion können wir einen Punkt im Raum, von dem wir uns entfernt haben, relativ treffsicher direkt ansteuern (Pfad- bzw. Wegintegration).

Experiment u Taub-blinde Orientierung Lassen Sie sich mit verbundenen Augen und verstopften Ohren einen Ihnen nicht vorweg bekannten Weg entlang führen, der ein offenes Dreieck ergibt [u Abb.]. Vervollständigen Sie das Dreieck, indem Sie nun selbständig den direkten Weg (Richtung und Entfernung) zum Ausgangspunkt gehen. Nehmen Sie die Binde ab, um zu sehen, wie gut Sie den (markierten) Ausgangspunkt getroffen haben. Variation: Lassen Sie sich auf einem Bürostuhl schieben, ohne mit den Füßen den Boden zu berühren. Effekt & Deutung: Dank Kinästhesie und vestibulärer Information gelingt die Pfadbzw. Wegintegration, also das Zurückfinden, vielen Versuchspersonen gut. Selbst bei passiver Bewegung kann man dem Ausgangspunkt nahe kommen.

Sehende orientieren sich stark an herausragenden Erscheinungen (Wahr- bzw. Wegzeichen; heute meist mit den Anglizismus Landmarken etikettiert) sowie dem Erscheinungsbild von Weggabelungen [u Kap. 7]. Orientiert zu sein, ist von existentieller Bedeutung für Mensch und Tier. Desorientierung verunsichert. Sich zu verlaufen, ist bekanntlich nicht nur ein kognitives Problem, sondern macht auch Angst. Dabei kann einem – ganz ohne Beschleunigung, Schräge oder Drehung – schwindelig werden. Schwindel bei Desorientierung – und allgemeiner: bei Verwirrung – verrät die sensomotorische Basis von Orientierung und Denken. Desorientierende Sinnesreize oder Schilderungen erzeugen eine unheimliche Atmosphäre.

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Teil I: Spüren – Körper und Bewegung

Bei der Untersuchung von Raumorientierung und Ortsgedächtnis werden heute Szenarien virtueller Realität eingesetzt, um das Reizmaterial beliebig manipulieren zu können. Bei der Bewertung der Ergebnisse solcher Untersuchungen ist zu bedenken, dass die Bewegung in Szenarien virtueller Realität, wie oben dargestellt, ohnehin wegen des Widerspruchs der somatosensorischen, vestibulären und visuellen Bewegungsindikatoren ein Verwirrungspotential in sich birgt, das man nicht unterschätzen sollte („lost in cyberspace“); man versucht dem (etwa im Cyberneum des Max-Planck-Instituts für Biologische Kybernetik in Tübingen) durch die Kombination von virtueller Szenerie und möglichst realistischer freier Bewegung im Raum entgegenzuwirken.

Lesen u Dietrich, 2006; Downs & Stea, 1982; Kerkhoff, 2006; Lehwald, 2006; Mallot, 2006; Mast, Bamert & Newby, 2007

Halluzinationen, Schlaf und Traum Reize aus dem Gleichgewichtsorgan sind auf verschiedenen zentralnervösen Ebenen stark mit anderen Sinnen, Motorik, autonomen Funktionen wie Kreislauf, Atmung und Verdauung, und schließlich mit Affekten und Wachheitsregulation vernetzt. Das hat zur Folge, dass viele Erkrankungen von Körper, Gehirn und Psyche Schwindel mit sich bringen. In manchen Fällen, insbesondere bei verschiedenen neurologischen oder psychiatrischen Krankheitsbildern, wird der Schwindel nicht nur als Wahrnehmungsoder Befindlichkeitsstörung erlebt, sondern die von ihm vermittelte Scheinbewegung des eigenen Körpers oder der Umwelt – halluzinatorisch – für bare Münze genommen. Solche Patienten glauben etwa zu fliegen oder zu schweben. Auch psychoaktive Drogen oder Trancetechniken können zu solchen Erlebnissen verhelfen. Weil Gleichgewichtsempfinden und Körperbild eng verknüpft sind (auf höchster Ebene durch ein multimodales kortikales Netz vermittelt), gehen Flug- bzw. SchwebeHalluzinationen nicht selten mit Störungen des Körperbewusstseins einher (außerkörperliche Erfahrungen, Doppelgängererlebnisse, Erlebnisse unheimlicher Nähe). Schwindel und außer sich sein (die Wortbedeutung von Ekstase) sind zwei Seiten derselben Medaille. Affektiv sind solche Zustände labil, d. h. abhängig von Kontextbedingungen sorgen sie für Euphorie (Gefühl absoluter Freiheit) oder Panik (Erschrecken über die Haltlosigkeit). Viele Menschen kennen Schwebe- oder Fallmomente beim Einschlafen oder Aufwachen sowie aus gelegentlichen oder phasenweise wiederholten, eindrücklichen Träumen. Auf einen einfachen Nenner gebracht, rühren solche Einschlaf- bzw. Aufwacherlebnisse und Träume vom Fliegen und Fallen (sowie solche von Doppelgängern und anderen Gespenstern) daher, dass in manchen Momenten des Schlafes Schwindel sowie gestörtes Körpergefühl passende Vorstellungen wecken. Da in besonders

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wachen Augenblicken des u paradoxen Schlafes die tatsächliche augenblickliche Lähmung des Körpers [u Kap. 3] zugleich mit Schwindel empfunden werden kann, sind abrupte Übergänge zwischen Bewegungshemmung und Fliegen (oder die Kombinationen beider) im Traum nicht verwunderlich. Lesen u Blanke et al., 2004; Brugger, Regard & Landnis, 1996; Menninger-Lerchenthal, 1935; Schilder, 1942; Schönhammer, 2004a

Schlaf und Traum u Fliegen und Fallen im Treppenhaus Treppen sind ein verbreitetes Szenario in Flug- und Fallträumen; insbesondere bei Kindern und Jugendlichen (Schönhammer, 2004a). Eine Erklärung ergibt sich aus dem Umstand, dass Treppen sowohl wegen der auf ihnen vollzogenen Bewegungen (Momente von Schwerelosigkeit) als auch wegen schwindelerregender Tiefblicke und schreckhafter Momente des Stolperns und Strauchelns für Wahrnehmungen sorgen, die Empfindungen in erregten Momenten des Schlafs entsprechen: Treppenszenarien sind also eine naheliegende Möglichkeit für das Bewusstsein, im Traumzustand die aktuellen Körperempfindungen plausibel zu machen.

Kulturgeschichte und Ethnographie des 6. Sinnes In der gegenwärtigen zivilisierten Lebensweise macht das Sitzen dem Gehen, das unsere Gattung kennzeichnet, erhebliche Konkurrenz. Viele Menschen bewegen sich regelmäßig sitzend fort und lassen auf Bildschirmen realistische, bewegte Bilder der Welt sitzend oder liegend mit starr ausgerichtetem Kopf und eingeschränkter Blickbewegung Revue passieren. Das menschliche Gehirn, das sich passend zum zweibeinigen Herumstreifen entwickelt hat, ist offenbar flexibel genug, auch unter den veränderten Bedingungen – mit gewissen Einschränkungen – seinen Dienst zu tun. Technische Geräte, die Menschen das Balancieren und Sichorientieren abnehmen, ergänzen den Körper, indem sie nach außen verlagern, was in ihm angelegt ist. Marshall McLuhan (1994) charakterisierte diesen Vorgang, ohne dabei speziell den Gleichgewichtssinn beim Namen zu nennen, als Selbstamputation. – Es stellt sich die Frage: Führt die sitzende Lebensweise bzw. Unterforderung des Gleichgewichtssinnes längerfristig zu sensomotorischen, kognitiven und affektiven Defiziten (Kückelhaus & zur Lippe, 1982)? Oder erzeugt das Fehlen jener Stimulation, die das Gehen mit sich bringt, einen kompensatorischen Erlebnishunger (Liedloff, 1980; Rudofski, 1987)? Sind mit Schwindel liebäugelnde Ansätze in Kunst, Architektur, Design und Medien die Folge einer veränderten Sensibilität, die ihrerseits aus der technischen Entwicklung bzw. einem epochalen Mentalitätswandel resultiert (Asendorf, 1997, 2009)? Insbesondere in der Kunstgeschichte hat die Frage nach dem historischen Wandel von Körper- und Raumwahrnehmung eine längere Tradition. Daran knüpften Unter-

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Teil I: Spüren – Körper und Bewegung

suchungen auch im Hinblick auf technische Neuerungen wie Eisenbahntransport im 19. Jh. oder das Fliegen an der Wende zum 20. Jh. an. Nur gelegentlich stehen aber Schwindel und/oder Balance im Zentrum kunsthistorischer (Asendorf, 1997, Simmen, 1990), kulturgeschichtlicher (Janz, Stroemer & Hiepko, 2003; Hagner, 2001) und ethnographischer (Geurts, 2002) Studien. Naturgemäß bergen Untersuchungen zur Beziehung von Technik, Kunst, Wahrnehmung und Befindlichkeit viele Unwägbarkeiten. Mit welchem Recht kann man etwa von Veränderungen in Stilen bzw. Themen von Malerei und Architektur auf den Wandel alltäglichen Erlebens schließen? Statt eine Änderung von Wahrnehmungsweisen oder Mentalitäten zum Ausdruck zu bringen, verrät ein Trend zu schwindelerregender Gestaltung womöglich eher den banalen Umstand, dass Künstler originell sein wollen (müssen) beziehungsweise einem Trend folgen, der ausreizt, was technisch möglich ist. – Weiter mag der Gebrauch „mechanischer Drogen“ im vergangenen Jahrhundert explosiv zugenommen haben. Daraus lässt sich aber nicht ohne Weiteres schließen, dass Menschen nicht auch in früheren Kulturen entsprechenden Wirkungen zugänglich waren und sie mit bescheideneren Mitteln auch gesucht haben (Caillois, 1983; Schönhammer, 1991). Nur in breiter historischer und ethnographischer Perspektive ist man davor gefeit, Kontinuitäten im Erleben zu übersehen. Ohne Zweifel bringt der heutige Alltag in der technisierten Gesellschaft spezifische Anforderungen an den 6. Sinn mit sich. Das impliziert Zumutungen und Risiken, die es wert wären, auf ihre langfristigen Effekte hin untersucht zu werden.

Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom Gleichgewichtssinn Der spät entdeckte 6. Sinn fehlt in den traditionellen allegorischen Darstellungen der Sinne. Allerdings finden sich schon in Höhlenzeichnungen Darstellungen, die möglicherweise schwebende Menschen darstellen. Schweben und (apokalyptisches) Stürzen gehören zu den Bilderwelten verschiedener Religionen und – eng damit verbunden – zur Illustration von Ekstase und Traum. (Drohendes) Stürzen bzw. Balance unter erschwerten Bedingungen boten traditionell Akrobatik und (Ballett-)Tanz; seit den Frühzeiten des Kinos sind sie ein beliebtes Filmthema; ebenso wie hohe Geschwindigkeit, die in Werbespots für Automobile nicht fehlt. Nur gelegentlich findet man auch jenseits medizinischer Literatur Abbildungen der Innenohrstrukturen; für die meisten Laien sind diese nicht als solche zu erkennen. Die Lokalisierung der Schwindelempfindung im Kopf wird in Comics und Cartoons durch Spiralen (und Sternchen) um den Kopf angedeutet. Bilder von Schrägen, labilem Gleichgewicht, Abgründen und schnelle, saltoartige Bewegung können Schwindelgefühle beim Betrachten auslösen. Das gilt auch für verwirrende, desorientierende, konkrete oder abstrakte Szenarien (z. B. Opart); u perzeptive Deprivation; u Ganzfeld. Im Film wird Schwindel durch irritierende Kamerabewegungen (unsichere und schnelle Bewegung, Drehen, Rollen) dargestellt und zugleich wirkungsvoll auf die Zuschauer übertragen. Lesen u Asendorf, 1997; Koebner, 2003; Kreitler & Kreitler, 1980, Kap. 8; Lagny, 2005; Simmen, 1990

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Rückschau in Fragen Was registriert das Gleichgewichtsorgan im Innenohr? Inwiefern umschließt der Gleichgewichtssinn mehr als die Verarbeitung von Informationen des Gleichgewichtsorgans? Was bedeutet das für die Entwicklung des Gleichgewichtssinns in Kindheit und Jugend sowie im höheren Alter? Warum kann in bewegten Fahrzeugen die Empfindung entstehen, man (das Fahrzeug) befinde sich im Stillstand? Wie kommt es, dass Fortbewegungsmittel, aber auch Bildmedien zu Bewegungskrankheiten führen können? Wie versucht man dem beizukommen? Inwiefern kann man die Stimulation des Gleichgewichtsorgans als „mechanische Droge“ ansprechen? Wie lassen sich die unterschiedlichen Wirkungen der Stimulation auf den Bewusstseinszustand verstehen? Wie kann die visuelle Wahrnehmung von Architektur den Gleichgewichtssinn ansprechen? Was versteht man unter Weg- bzw. Pfadintegration? Warum kann Desorientierung Schwindel erregen? Was haben außerkörperliche Erlebnisse mit dem Gleichgewichtssinn zu tun? Welche kulturellen Einflüsse auf das Fungieren des Gleichgewichtssinns sind denkbar bzw. werden diskutiert?

Teil II Die chemischen Sinne – Riechen und Schmecken

Leben bedeutet Stoffwechsel von Organismen mit ihrer Umwelt. Sehr früh in der Evolution spezialisierten sich Teile von einfachen Lebewesen darauf, zu prüfen, ob die dem Organismus in seinem Milieu begegnenden Stoffe ihm zu- oder abträglich sind. Erst allmählich differenzierte sich diese chemische Wahrnehmung in Riechen und Schmecken. Manche Fische und Würmer besitzen Rezeptoren der chemischen Wahrnehmung an der gesamten Körperoberfläche, Insekten an Fühlern oder Beinen. Bei Säugetieren prüft der Geschmackssinn, dessen Rezeptorzellen sich in der Mundhöhle, hauptsächlich auf der Zunge, befinden, die Nahrung, bevor der Organismus sie weiter einverleibt. Der Geschmackssinn wird deshalb als Nahsinn bezeichnet; genau genommen bedeutet Nähe hier bereits Eindringen in den Randbereich des Verdauungstraktes. So gesehen, ist auch das Riechen ein Ultra-Nahsinn. Anders als beim Schmecken reagieren die Sinneszellen in der Nasenhöhle auf flüchtige Bestandteile von Objekten, die vom Organismus weit entfernt sein können. Das Riechen ist eindringlich wie das Schmecken und zugleich ein Fernsinn. Da Riechen bei Säugetieren mit Atmen verknüpft ist, sind sie dem, was für sie wahrnehmbar in der Luft liegt, auf besondere Weise ausgeliefert. Einen üblen Geschmack dagegen können sie, haben sie ihn einmal dingfest gemacht, leichter vermeiden. Riechen schließt die Bewertung von Objekten und Orten ein – entscheidet über Zuoder Abwendung, so wie Schmecken darüber, ob sich der Organismus Angeboten der Umwelt endgültig öffnet, um sie in sich aufzunehmen. Neben der riech- und schmeckbaren Qualität von Nahrungsmitteln tragen die chemischen Sinne zur Anziehung und Abstoßung zwischen den Individuen derselben und verschiedener Arten bei (Wittern von Beute oder Feinden, Attraktion von Sexualpartnern, gegenseitiges Erkennen in der Brutpflege, Abgrenzung von Territorien), erlauben Orientierung in der „Geruchslandschaft“ (Smellscape) und können jenseits der Warnung vor Feinden und ungenießbaren Nahrungsmitteln auch auf Gefahren wie Feuer hinweisen. Der unmittelbar existentiellen Bedeutung solcher Wahrnehmungen entspricht ihre unvermeidliche affektive Färbung. Riechen und Schmecken sind bei Säugetieren besonders hoch entwickelt. Bei einigen Arten, wie dem Menschen und anderen Primaten, sind die chemischen Sinnessysteme und ihre Leistungen allerdings rückläufig: Schweine, Rinder und Hunde haben feinere chemische Sinne als Menschen und Schimpansen. Erstere werden als Makrosmaten bezeichnet, Letztere zählen zu den Mikrosmaten. Diese Etikettierung sollte nicht dazu verleiten, den menschlichen Geruchssinn zu unterschätzen; einzelne Forscher schlagen neuerdings Menschen sogar eher den Makrosmaten zu (Shepherd, 2004).

Teil II: Die chemischen Sinne – Riechen und Schmecken

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Wissenschaftsgeschichte u Aufrechter Gang & Irmas Nase Spekulativ wird der aufrechte Gang dafür verantwortlich gemacht, dass beim Menschen die Bedeutung der chemischen Sinne ab- und die des Sehens zugenommen habe. Sigmund Freud sah hier den Grund für eine Verschiebung von der olfaktorischen zur visuellen sexuellen Stimulation beim Menschen – einschließlich der Bevorzugung des frontalen Geschlechtsverkehrs. Diese These passt allerdings nicht ganz zur bleibenden (wenn auch gegenüber anderen Säugetieren veränderten) Bedeutung des Riechens für die menschliche Sexualität. Der Kulturanthropologe David Howes (2003) führt Freuds Geringschätzung des Geruchssinnes auf Verdrängung seitens des Gründers der Psychoanalyse zurück: Wegen eines so peinlichen wie schwerwiegenden Kunstfehlers seines Freundes Fließ bei einer Nasenoperation an der gemeinsamen Patientin Fräulein Eckstein (Freuds berühmter, in seiner Traumdeutung nachlesbarer Traum von „Irmas Injektion“) habe sich Freuds frühere Anhängerschaft an die Fließsche Theorie vom Zusammenhang von Nase und Sexualität ins Gegenteil verkehrt. (Freud hatte der Patientin auf Grundlage dieser Theorie zur Operation geraten und sie an Fließ vermittelt.)

Die Tatsache, dass sich die chemische Wahrnehmung bereits in einem frühen Stadium der Evolution entwickelte und bei Säugetieren mit grundlegenden Lebensprozessen wie Ernährung, Fortpflanzung und Brutpflege verknüpft ist, spiegelt sich in der zwiespältigen Bedeutung von Schmecken und Riechen in unserer Kultur. So werden diese Sinne im philosophischen Denken und den Morallehren der westlichen Tradition auf der untersten Stufe einer Hierarchie der Sinne platziert. Entsprechend der theoretischen Bewertung als niedere Sinne finden Riechen und Schmecken traditionell keinen Zugang zu den schönen Künsten: Kochkunst und Parfumerie gelten nicht als gleichrangig mit Malerei oder Musik. Zugleich spielen die chemischen Sinne jedoch eine wichtige Rolle in der alltäglichen Ästhetik moderner Gesellschaften. Lesen u Hass, 1987; Ingensiep, 2005; Leroi-Gourhan, 1988; Stevens, 2013; Stevenson, 2009a; Wilson & Stevenson, 2006; Wyatt, 2003

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Riechen „Versuchte man, sich einen Hund vorzustellen, der ein Gehirn vom gleichen Entwicklungsstand wie das unsere besäße, so stieße man auf ein gewaltiges Riechhirn, in dem sich Instrumente zu einer außergewöhnlich feinen Wahrnehmung der Welt durch deren Gerüche herausgebildet hätten und zugleich damit eine Hyperaffektivität, die ihm anstelle unserer rationalen eine ‚empfindsame‘ Intelligenz verliehe.“ (Loroi-Gourhan, 1988, S. 366)

Menschen können einige Tausend Gerüche unterscheiden. Schon bei relativ geringen Konzentrationen von Duftstoffen riecht man „etwas“ (Wahrnehmungsschwelle oder unspezifische Reizschwelle), bei höheren Konzentrationen werden Düfte unterscheidbar (Erkennungsschwelle). Allerdings bedeutet Unterscheidbarkeit nicht zugleich Identifikation: Man kann riechen, dass man es etwa bei zwei Geruchsproben mit verschiedenen Düften zu tun hat, ohne sagen zu können, um welche Düfte es sich handelt. Bei zunehmender Konzentration nimmt man relativ grob gestuft zunehmende Intensität wahr (Unterschiedsschwelle) – es kommt indes auch zu konzentrationsbedingten Änderungen der Geruchsqualität. Beim Riechen tritt relativ schnell weitgehende u Adaptation ein: Geringere Konzentrationen vieler Duftstoffe werden schon bald nicht mehr wahrgenommen, bei höheren Konzentrationen verliert die Wahrnehmung an Intensität. Die Nase bleibt so frei für Neues. Lesen u Psychophysik des Riechens: Birbaumer & Schmidt, 2006; Burdach, 1988; Campenhausen, 1993; Johnson, Khan & Sobel, 2008

Neuro-Skizze u Geruchssinn Die Nasenhöhle ist durch die Nasenscheidewand zweigeteilt. Beide Teile durchziehen muschelartige Gebilde (Conchen), die den Luftstrom kanalisieren. Die Riechzellen befinden sich jeweils in der Riechschleimhaut (olfaktorischen Region) nahe dem Nasendach. Dort bewirken unterschiedliche chemische Reize spezifische Entladungsmuster von Kombinationen der Rezeptoren (das Spektrum unterscheidbarer Reize übertrifft die Zahl der unterschiedlichen Rezeptoren bei weitem). Durch kleine Löcher im Schädelknochen (Siebbein) dringen Fortsätze der Riechzellen in den linken und rechten Riechkolben (bulbus olfactorius). Die Riechzellen sowie die Zellen im Riechkolben werden in relativ kurzen Zeiträumen (von einigen Wochen) erneuert (Neurogenese). Die Riechkolben weisen neurologisch gewisse Ähnlichkeiten mit der Netzhaut des Auges auf. Da diese erste Schaltstelle des Riechsystems aber auch vermehrt Zuflüsse (Afferenzen) aus zentraleren Bereichen des Gehirns erhält, welche die Reizaufnahme modulieren, wird sie selbst schon als Teil des Gehirns betrachtet (meist werden die Riechkolben dem limbischen System zugerechnet). Von da ziehen die Nerven des Riechsystems zu stammesgeschichtlich alten Bereichen des Kortex an der Basis von Frontal- und Schläfenlappen (u. a. dem piriformen Kortex), die als Riechhirn (primärer olfaktorischer Kortex) bezeichnet werden. Einen wesentlichen Beitrag zu Differenzierung und emotionaler Bewertung von Gerüchen leisten (weitere) Bereiche des limbischen Systems (Amygdala, Hippocampus) bzw. Verbin-

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dungen zum Hypothalamus (Regulation vegetativer Körperfunktionen, u. a. als Moment von Emotionen und Stimmungen) und zur Formatio reticularis (Regulation des Wachheitsgrades, Orientierungs- und Schreckreaktion). Daneben laufen Nervenimpulse vom Riechhirn direkt sowie über den Thalamus (den zentralen Verteiler aller sensorischen Zuflüsse auf dem Weg zum Neokortex) zum orbitofrontalen Neokortex, der seinerseits eng mit limbischen Strukturen und Hypothalamus verbunden ist. Insbesondere in diesem Bereich der Hirnrinde, der direkt über den Augenhöhlen liegt, treffen durch Gerüche ausgelöste Nervenimpulse auf Erregungen, die auf Geschmacksreize und Zuflüsse aus den anderen Sinnen zurückgehen [u Kap. 9].

Lesen u Birbaumer & Schmidt, 2006; Bösel, 2006; Jacob, 2002a; Lorig, 2002; Rolls, 2002, 2005; Wilson & Stevenson, 2006

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Teil II: Die chemischen Sinne – Riechen und Schmecken

Gerüche entziehen sich weitgehend der Beschreibung. Der Name der Duftquelle ‚beschreibt‘ oft schon den Geruch: Rosen riechen nach – Rosen. Weiter wird Rosenduft vielleicht noch als „blumig“ bezeichnet. Was blumige Düfte ausmacht, lässt sich allerdings wieder nur dadurch beschreiben, dass man auf die Quellen deutet (Veilchen, Maiglöckchen etc. und nicht zuletzt Rosen) und etwa mit Gerüchen anderer Herkunft kontrastiert (beispielsweise Früchten oder tierischen Sekreten). Nur ein kleiner Teil der unterscheidbaren Gerüche ist für den Durchschnittsmenschen überhaupt benennbar. Identifizierbarkeit aber erhöht die Sicherheit von Unterscheidungen. Chemiker, Botaniker, Parfumeure, Köche oder Weinkenner können Gerüche besser identifizieren, weil ihnen ungleich mehr Zuordnungen von Gerüchen und ihren Quellen (oder – wie im Falle von Weinaromen – zu vergleichbaren Gerüchen) bewusst und sprachlich fassbar sind (in Weinkarten dokumentierte Bemühungen, Aromen durch Vergleiche zu benennen, wirken indes auf den Uneingeweihten eher gespreizt denn kompetent). Analog zur professionellen Steigerung der Fähigkeit, Gerüche zu benennen (und in der Folge auch sicherer zu unterscheiden), können sich (als Konsequenz unterschiedlicher Lebensbedingungen) auch Kulturen und Subkulturen in dieser Hinsicht unterscheiden. Auch Menschen, die in jungen Jahren erblindet sind, können Gerüche besser identifizieren und unterscheiden als die sehende Durchschnittsbevölkerung (Paviani & Röder, 2012).

Wahrnehmungsqualitäten u Duft-Klassifikationen Kategorien aus diversen Duft-Klassifikationen: Aldehydisch, ambrosisch, animalisch, aromatisch ätherisch, balsamisch, basisch, beißend, bitter, blumig, blutig, (ziegen)bocksartig, brenzlig, campherartig, ekelerregend, erdig, fäkalienartig, faulig, fischig, fruchtig, grün, harzig, holzig, honigartig, koniferig, krautig, kühl, (knob)lauchartig, ledrig, leicht, malzig, mandelartig, metallisch, minzig, moosig, moschusartig, nelkenartig, ölig, ranzig, sauer, schweflig, schweißig, schwer, nach Sperma, seifenartig, staubig, stechend, süß, tabakartig, urinartig, vanilleartig, wässrig, warm, widerwärtig, würzig, zitrusartig. Burdach (1988) erwähnt Einteilungsversuche, die mit vier Klassen (blumig, brenzlig, bocksartig, beißend) auskommen, und solche, die über 40 Duftklassen aufweisen. Durch die sieben oben kursiv gesetzten Qualitäten versuchte Amoore Mitte des vorigen Jahrhunderts, die Welt der Gerüche zu ordnen. 30 Jahre zuvor hatte Henning ein Prisma entworfen, in dessen Raum sich sämtliche Gerüche einordnen lassen sollten [u Abb.]. Paul Jellinek (1994) ordnete auf Basis seiner Erfahrungen als Parfumeur Geruchsqualitäten zweidimensional nach süß – bitter (narkotisch – stimulierend) und basisch – sauer (animalisch/erogen – vegetabilisch/anti-erogen) [u Abb.]. Sein Sohn J. Stephan Jellinek (1997) verortet in seiner Landkarte des Parfums pragmatisch sämtliche Parfums mit Hilfe der Dimensionen blumig – nichtblumig und kühl – warm [u Abb.]. Es werden also u. a. u transmodale Qualitäten zur Beschreibung von Düften herangezogen. Geruchsprisma nach Henning

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Duftkreis nach P. Jellinek

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Landkarte der Männerdüfte nach J. S. Jellinek

Klassifikationen etwa nach „blumigen“ und „animalischen“ Gerüchen sind weniger eindeutig, als es auf den ersten Blick scheinen mag: Schon seit langem ist bekannt, dass manche Düfte von Blüten sich mit Gerüchen überschneiden, die von Tieren rühren. Auch systematische Untersuchungen zu Ähnlichkeitsurteilen verschiedener Düfte belegen, dass die bekannten Klassifikationen problematisch sind. Was alle Studien demonstrieren ist, dass ein durchgängiges Kriterium der Differenzierung von Düften die Bewertung ist, die Frage also, ob man sie als angenehm oder unangenehm empfindet (die hedonische Dimension). Entsprechend sind die für Emotionen relevanten Bereiche ihres Gehirns (anders als bei Hören und Sehen) grundsätzlich aktiv, wenn Menschen Gerüche wahrnehmen (Phillips & Heining, 2002): Riechen und Affektleben sind nicht zu trennen (Herz, 2002). Auch Forscher, die vermuten, dass eine analytische Verarbeitungsstufe dem Bewerten von Gerüchen vorausgeht (Wilson & Stevenson, 2006), bezweifeln nicht die besonders innige Beziehung von olfaktorischer Wahrnehmung und Gefühl. Sieht man genauer hin, zeigt sich, dass Gerüche ein recht beschränktes Spektrum von Gefühlen auslösen: Neben der affektiven Urpolarität von (tendenziell: betörend sinnlichem) Angezogen- und (angeekeltem) Abgestoßensein [u Kap. 1] verzeichnen empirische Studien im Wesentlichen, dass angenehme Gerüche – etwa viele Blütendüfte – die Stimmung positiv färben, mal eher mit belebendem, mal beruhigendem Akzent – oft aber vitalisierend und entspannend zugleich (Chrea et al., 2008; Weber & Heuberger, 2008). Nur ungefähr ein Fünftel aller bekannten Duftkomponenten werden als angenehm erlebt. Bei einem gegebenen Duft werden meist schwächere Konzentrationen als angenehm, starke als unangenehm wahrgenommen. Die Bewertung von Gerü-

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chen hängt auch vom momentanen Zustand des Individuums ab. So riechen Nahrungsmittel für Hungrige bekanntlich besser als für Satte. Insbesondere bei mittleren Konzentrationen kann das Urteil von Versuchspersonen über Duftstoffe, die im Labor mehrfach dargeboten werden, erheblich schwanken (vgl. Eyferth, 1966). Neben Veränderungen in der sensorischen Empfindlichkeit können – wegen der angesprochenen Vernetzung von Riechen und Affektregulation – auch vom Riechen unabhängige Fluktuationen der Stimmung und emotional wirksame Eindrücke zu diesem Schwanken des Urteils beitragen.

Design u Parfum-Marketing Parfum-Marketing – von der Namensgebung über die (Farbe der) Verpackung bis zum Image – bestimmt mit, was Kunden riechen. Untersuchungsergebnisse, die je nach Präsentation einen verblüffenden Wandel der wahrgenommenen Qualität belegen (J. S. Jellinek, 1997), lassen sich wahrscheinlich damit erklären, dass es einerseits prinzipiell schwierig ist, Duftgemische zu beschreiben oder zu identifizieren, und dass andererseits Emotionen integraler Bestandteil der Geruchswahrnehmung sind.

Die Nähe zu Affekten sowie die Schwierigkeit, Gerüche zu beschreiben, lässt das Riechen gemeinhin als anti-intellektuellen Sinn erscheinen. Einige Schriftsteller und Philosophen (u. a. Heimito von Doderer, Friedrich Nietzsche) haben sich indessen gerade deshalb der „Weisheit der Nase“ verschrieben, weil Urteile des Geruchssinnes von der Macht des Gefühls getragen werden (vgl. Dietz, 2002). Der Roman Das Parfum von Patrick Süßkind, der viele Informationen über das Riechen verarbeitet und in der wissenschaftlichen Literatur gelegentlich beifällig zitiert wird, weicht in dieser Hinsicht entschieden von der Wirklichkeit des Geruchssinnes ab: Der Held der Schauergeschichte, ein Mann mit phantastisch hoch entwickeltem Geruchssinn, wird als vollkommen gefühlskalt dargestellt, was den fundamentalen Zusammenhang von Geruch und Gefühl völlig ignoriert. Tykwers Verfilmung hält das nicht durch. Mimik und Bewegung. Ein angenehmer Duft reizt dazu, sich der (appetitlichen, begehrenswerten oder Geborgenheit versprechenden) Geruchsquelle zuzuwenden, während Gerüche, die Widerwille, Ekel oder Angst auslösen, Abwehr oder Rückzug hervorrufen. Bewegungen der Nasenflügel haben beim Menschen zwar nur unerheblichen Einfluss auf den Luftstrom, gleichwohl weiten sich bei prüfendem oder genussvollem Riechen die Nüstern, während man bei ekelhaften Gerüchen die Nase rümpft. Beide Mimiken und die mit ihnen jeweils verbundenen Bewegungen von Kopf und Körper stehen auch über das Riechen hinaus für Aufmerksamkeit oder Ekel. Die Mimik des Ekels ist dem weinerlichen Gesicht nahe, die des Wohlgeruchs deutet ein Lächeln an.

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Bewegungen des Mundes leisten in beiden Fällen einen wesentlichen oder vielleicht den entscheidenden Beitrag zum Gesichtsausdruck: Einmal geht er geschlossen genießerisch (auskostend) in die Breite (wie bei der Mimik des Süßen), das andere Mal scheint er etwas loswerden zu wollen (analog zur Mimik des Bitteren). Die gemeinsamen Wurzeln und Funktionen von Riechen und Schmecken schließen also auch motorische („körpersprachliche“) Überschneidungen ein. Der Blick auf einen angeekelten Gesichtsausdruck kann beim Betrachter selbst Ekel hervorrufen; neuerdings wurden entsprechende Überschneidungen in der kortikalen Aktivität des Frontallappens (Insula) nachgewiesen (Jabbi, Swart & Keysers, 2007). Sich die Nase zuzuhalten, ist nicht zuletzt eine kommunikative Geste: „Es stinkt!“ Schon wenn man mit offenem Mund atmet, leitet man den Luftstrom weitgehend an der Nase respektive der Riechschleimhaut vorbei. Allerdings bereitet das Bewusstsein, Gestank in sich aufzunehmen, auch dann Unbehagen, wenn dieser gar nicht mehr gerochen wird. Deshalb wird man versucht sein, sich der Zumutung durch kurzzeitiges Luftanhalten und eiliges Sichentfernen zu entziehen. Bei stechenden Gerüchen kann es gar zu reflektorischem Aussetzen des Atmens kommen.

Wahrnehmungsqualitäten/Sinnesphysiologie u Trigeminale Chemorezeption Trigeminale Chemorezeption oder auch allgemeiner chemischer Sinn: Es gibt chemische Qualitäten, die beim Menschen nicht von den spezifischen Geruchs- und Geschmacksrezeptoren, sondern von freien Nervenenden in der Haut (insbesondere in den Schleimhäuten) vermittelt werden. Im gesamten Mund und Nasenraum sind die aufgefächerten Spitzen des Nervus Trigeminus für diese Empfindungen verantwortlich. Scharfen Geschmack oder stechenden Geruch etwa empfinden wir dann, wenn diese freien Nervenenden in den Schleimhäuten von Mund, Nase und Rachen gereizt werden. Chemisch verursachte Empfindungen benennen wir hier mit Begriffen für Berührungsqualitäten. Das ist nicht so rätselhaft, da der Nervus Trigeminus ansonsten Berührungsempfindungen (sowie Temperatur- und Schmerzempfindungen) in der Mund- und Gesichtsregion vermittelt.

Entwicklung der Hedonik des Riechens. Riechen und Schmecken sind bei der Geburt weit entwickelt. Umstritten ist, ob die Bewertung von Gerüchen angeboren oder erlernt ist. Für die Vermutung, dass manche Bewertungen angeboren sind, spricht neben ihrer universellen Verbreitung die Beobachtung, dass Neugeborene auf das Aroma von faulen Eiern (etwa im Kontrast zu dem von Vanille) mimisch ähnlich reagieren wie Erwachsene [u Abb.]; die Parallele von Säuglingen und Erwachsenen ist hier allerdings nicht so eindeutig und durchgängig wie bei den Geschmacks-Mimiken (etwa süß oder bitter). Wenn man dafür sorgt, dass Spielzeug von Krabbelkindern (in

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erwachsenen Nasen) stinkt oder angenehm riecht, können Beobachter angesichts des gefilmten Spielverhaltens relativ treffsicher die entsprechende hedonische Qualität des Spielzeugs für das Kind einschätzen. Oft wird indes eine Toleranz von Kleinkindern gegenüber Fäkalgeruch erwähnt, um zu belegen, dass die Hedonik des Riechens allein eine Frage von (relativ langwierigen) Lernprozessen sei – und damit beliebig kulturell formbar. Wenn Aversionen gegen manche Gerüche erst ab einem bestimmten Lebensalter auftreten, bleibt indes die Frage offen, ob dieser Umstand lern- oder nicht eher reifungsbedingt ist (vgl. Bloom, 2004): Kinder haben nach Untersuchungsbefunden jedenfalls eine größere Affinität zu Fruchtdüften als Erwachsene und eine geringere zu Blütendüften; Moschuskomponenten werden offenbar mit der sexuellen Reifung, also ab der Pubertät, attraktiver. Die Abneigung von Kindern gegen Parfums ihrer Eltern spricht gegen die These, Kinder stünden Gerüchen neutral gegenüber, bevor sie die Bewertungen der Erwachsenen übernähmen. Umgekehrt lehrt die in zahlreichen Parfums enthaltene Fäkalnote, dass die Neutralitätsthese auch hinsichtlich der diesbezüglich unterstellten Abneigung zivilisierter Erwachsener problematisch ist (einer psychoanalytischen Theorie gilt das Parfumieren gar als sublimierte, also kulturverträglich gemachte Wiederkehr des kindlichen Kotschmierens; vgl. Ebberfeld, 1999).

Kulturvergleich u Fäkalgeruch In ihrer Kulturgeschichte der Sinne schreibt Diane Ackerman: „Westeuropäer fühlen sich vom Geruch von Fäkalien abgestoßen, doch die Massai schmücken ihr Haar mit Kuhdung, was ihm einen orangebraunen Schimmer und einen starken Geruch verleiht. Kinder mögen die meisten Gerüche, bis es ihnen aberzogen wird.“ (1991, S. 40) Vroon und Mitautoren relativieren indirekt diese Perspektive auf Kultur- und Altersunterschiede: „Viele Parfums enthalten sogar ein wenig Kotgeruch. Das klingt merkwürdiger, als es ist. Menschen haben keine so intensive Abneigung gegen ihre Exkremente. Kinder schmieren sich oft damit ein, und Erwachsene sitzen nicht selten ein wenig länger auf der Toilette, als notwendig wäre.“ (1996, S. 189)

Teils vollzieht sich das Erlernen von Geruchspräferenzen tatsächlich einfach durch Gewöhnung an die (frühe) olfaktorische Umgebung („Stallgeruch“); Aromen in der Nahrung der Mutter prägen sogar schon vorgeburtlich. Bald nach der Geburt erkennen und bevorzugen Säuglinge den Geruch der mütterlichen Brust. Das vertraute Milieu riecht auch im weiteren Leben eher angenehm (sofern man das – ausnahmsweise – bewusst wahrnimmt), weil es für Sicherheit bzw. Geborgenheit steht. Unvertraute Gerüche fallen oft unangenehm auf, beunruhigen und werden tendenziell als ekelhaft bewertet – Fremde stinken.

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Sensibilitätsunterschiede. Weibliche Säuglinge haben bereits feinere Nasen als männliche. Für Geruchstests der Marktforschung und auch bei der olfaktorischen Vermessung von Städten oder Landschaften (Smellscapes) werden Frauen wegen ihrer größeren Sensibilität bevorzugt eingesetzt. Die Sensibilität für Gerüche nimmt bei Frauen wie Männern mit dem Alter ab (markant ab etwa dem 70. Lebensjahr). Weil Wohlgeruch auch eine Frage der Duftstoffkonzentration ist, kann die verminderte Sensibilität negative soziale Effekte der Parfumierung des eigenen Körpers verstärken. Störungen des Geruchssinns. Völliger Ausfall des Geruchssinns (generelle Anosmie) kann mechanisch bedingt sein (Riss von Rezeptorbahnen am Siebbein des Schädelknochens z. B. in Folge des Rückpralls bei einem Auffahrunfall) oder durch eine neurodegenerative Erkrankung (z. B. als Komplikation eines Virusinfekts). Menschen, denen so etwas zustößt, wird die von Gesunden meist unterschätzte Bedeutung des Riechens schmerzlich bewusst. Über die Einbuße der vom Geruchssinn vermittelten Wahrnehmung und Bewertung von Umweltqualitäten hinaus beklagen Anosmatiker vor allem den Verlust an Vitalqualität. Ihr affektives Leben ist einer wesentlichen Quelle beraubt: „Die Gegenwart kommt mir blass und unauffällig vor“, beschreibt etwa die Journalistin Daniela Weingärtner ihre eigenen Erfahrungen (SZ-Mag. 33, 1995). Helen Keller hielt fest: „Ich hatte einmal etliche Tage lang Geruch und Geschmack verloren. […] nachdem die Verwunderung vorbei war, kroch ein Gefühl von Einsamkeit über mich her […].“ (1908, S. 43f.) Anosmie führt leicht zu depressiven Verstimmungen. – Dank der relativ starken Neubildung von Nervengewebe im Riechorgan und neuerdings entwickelter Trainingsverfahren ist Anosmie in manchen Fällen (teilweise) reversibel. Dass Menschen einzelne Gerüche, etwa den von Urin oder Malz, nicht wahrnehmen können (partielle Anosmie), ist relativ verbreitet und zum Teil genetisch bedingt. Krankhafte Verminderung der Sensibilität (Hypoosmie) tritt etwa bei Schizophrenie auf. Epilepsie und Migräne dagegen bringen oft Überempfindlichkeiten des Geruchssinnes (Hyperosmie) mit sich (mit Ekel, Übelkeit, Kopfschmerz und Schwindel – Symptomen, die auch bei Gesundenden durch Überstimulation des Geruchssinns, z. B. in Kirchen oder Parfumerien, hervorgerufen werden können).

Hausapotheke & Gesundheitswesen u Aromatherapie Aromatherapie ist – was ihre konkreten therapeutischen Versprechungen angeht – eine Glaubensfrage. Spezifische Effekte, deren Nachweis weithin aussteht, könnten eventuell auf pharmakologischem Weg zustande kommen (wie das etwa für Inhaltsstoffe von Weihrauch belegt ist [Adelakun, Finbar, Agina & Makinde, 2001; Gerbeth et al. 2013]). Dass Düfte in Verbindung mit Massage und einer Verwöhnatmosphäre das Wohlbefinden steigern, also als körperorientierte ästhetische Praxis auf unspezifischem Weg zur Heilung von Krankheiten beitragen können, ist auch in der Schulmedizin unstrittig.

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Riechen und Bewusstseinszustand. Die Frage, ob und wie Gerüche die Stimmung beeinflussen, ist nicht klar von ihrer belebenden oder dämpfenden Wirkung, also dem Effekt auf den Bewusstseinszustand, zu trennen. Wenn Gerüche beleben, wecken oder umgekehrt betäuben, in Trance versetzen, ist es nicht unbedingt der Duft im engeren Sinn, der wirkt. So kann ein Wohlgeruch belebend wirken, weil er die Atmung intensiviert (hastiges Einatmen, Hyperventilation, führt zu Benommenheit oder Ohnmacht und ist als Technik der Tranceinduktion Teil von religiösen Riten). Weiter beeinflussen möglicherweise manche inhalierte Substanzen auf pharmakologischem Weg ebenso den Bewusstseinszustand wie die Stimmung (ein Inhaltsstoff von Weihrauch etwa ist dem Wirkstoff von Haschisch, THC, verwandt (Martinez, Lohs & Janzen, 1989, S. 138); ägyptische Fresken weisen auf Tranceinduktion durch Ausdünstungen der blauen Wasserlilie bzw. des „blauen Lotos“ hin, um deren giftige Wirkung man weiß): „Besonders ‚schwere‘, süßliche, betäubende Blütendüfte ,legen sich auf die Nerven‘. Sie erzeugen, individuell wieder sehr verschieden, nach einiger Zeit Kopfdruck, Benommenheit, Übelkeit, selbst betäubungsartige Zustände. Tödliche Ausgänge (etwa beim Schlafen in Lupinienfeldern, in frischem Heu) werden immer wieder behauptet, sind aber schwerlich einwandfrei nachgewiesen. In allen Krankenhäusern werden jedenfalls Blumen über Nacht aus den Zimmern entfernt. Zahlreiche Menschen vertragen auch in Studierzimmern keine.“ (Hellpach, 1977, S. 41f.) Die weckende Wirkung von Riechsalz (in der Regel parfumierten Ammoniakverbindungen), das früher zur Hausapotheke gehörte, verdankt(e) sich wahrscheinlich dem Schreck durch die starke Reizung der u trigeminalen Chemorezeption. Lesen u Burdach, 1988; Jellinek, 1994; Ohlhoff, 2004; Wilson & Stevenson, 2006; Mimik/Bewegung: Darwin, 2000; Schmidt & Beauchamp, 1992; Entwicklung: Bloom, 2004; Laing, Doty & Breipohl, 1991, Kap. 7–9; Schmidt & Beauchamp, 1992; Störungen: Sherby & Chobor, 1992, Kap. 16–21; Bewusstseinszustand: Lawless, 1991

Erinnerung, Vorstellung, Traum, Halluzinationen, Synästhesien „Gerüche sind oft wie platzende Blasen der Erinnerung aus der Tiefe der Zeiten, wenn sie uns unvermutet anfliegen und man kaum recht weiß, ob von innen oder von außen.“ (Doderer, 1966, S. 231)

Gerüche sind sehr einprägsam. Sie werden nach längerer Zeit noch relativ gut wiedererkannt (im Experiment verläuft bspw. die Vergessenskurve flacher als etwa bei visuellen Reizen). Gerüche rufen unwillkürlich Erinnerungen an die Situation hervor, in der sie zuerst erfahren wurden. Meist wird das durch die Madeleine-Episode aus Marcel Prousts Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit illustriert. Dem Protagonisten dämmert nach einigem Nachsinnen, warum das momentan wahrgenommene Aroma

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von Tee und Gebäck ihn so merkwürdig berührt. Der Proust-Effekt steht dafür, dass Gerüche bzw. Aromen den räumlichen und affektiven Kontext vergangener Geruchswahrnehmungen wachrufen (das episodische Gedächtnis aktivieren). Nach dem Paläoanthropologen André Leroi-Gourhan kommt es zu dieser Wirkung „gerade weil die Geruchswahrnehmung physiologische Zonen mobilisiert, die mit der Reflexion in keinem Zusammenhang stehen“; dies verleihe den auftauchenden Bildern „beträchtliche Tiefe und Intensität.“ (1988, S. 358f.) – Derart nostalgisch wirken indes nicht nur Gerüche, sondern auch Musik (Oldies; Lawless, 1991), was übrigens auch zur Aktivierung von gedächtnisrelevanten Gehirnstrukturen (Hippocampus, Parahippocampus) bei musikalisch erzeugten good vibrations passt [u Kap. 8]. Umgekehrt gelingt es einer Mehrheit von Menschen nicht, sich Gerüche vorzustellen. Zu der Minderheit, die dazu in der Lage ist, zählen Parfumeure, die berichten, dass sie Düfte in der geistigen Nase mischen können. Auch Ergebnisse von Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren werden als Beleg für die Möglichkeit von Geruchsvorstellungen gedeutet (Kettenmann, Hummel & Kobal, 2002). Der stammesgeschichtlich alte Wahrnehmungsmodus Riechen löst zwar regelmäßig unwillkürlich szenischeVorstellungen aus, ist aber seinerseits bei einer Mehrheit von Menschen dem absichtlichen Vorstellen nicht zugänglich. Auch die Traumforschung spricht für ein eher einseitiges Verhältnis von Riechen und mentalen Bildern. Unter verschiedenen Bedingungen sind allerdings vermehrt erträumte Gerüche zu verzeichnen.

Schlaf und Traum u Träume durch Gerüche – Riechen in Träumen Bereits im 19. Jh. untersuchten Alfred Maury und Hervey de Saint-Denis die Wirkung von Geruchsreizen, die sie sich während des Schlafs unter die Nase halten ließen. Sie berichten davon, dass diese Reize sie in ihren Träumen an Orte versetzten, an denen sie die Düfte regelmäßig wahrgenommen hatten (etwa eine Parfumerie, einen Urlaubsort oder ein Atelier; VandeCastle, 1994). Auch in modernen Schlaflabors wurde die sogenannte Inkorporierung von Geruchsreizen in Träume nachgewiesen (Zitronengeruch bspw. ließ von einem Park mit duftenden Blumen träumen). Der deutsche Mediziner Hans Hatt löste nach einer Mitteilung der deutschen Forschungsgemeinschaft von 1994 durch Orangenduft gesteigerte Herz- und Atemfrequenz und (nicht näher spezifizierte) „positive Trauminhalte“ aus; Fäkalgeruch (Skatol) erhöhte die Herzfrequenz bei unveränderter Atemfrequenz; die registrierten Trauminhalte wurden als negativ bewertet; Vaginalsekret ließ Männer bei gesteigerter Herzfrequenz „etwas Positives“ träumen. In einer späteren Studie wurden junge Frauen im Schlaflabor während des REM-Schlafes kurz dem Geruch von faulen Eiern (Schwefelwasserstoff) oder von Rosen (Phenyläthylalkohol) ausgesetzt und bald darauf geweckt (Schredl et al., 2009): Das Riechen war in keinem der Experimentalträume ausdrücklich Thema, wenn auch ein paar Träume indirekt Gerüche ansprachen (z. B. Putzen der Toilette, Essen und Essensvorbereitungen). Markanter – und eindeutig in der erwartbaren Richtung – fiel der Effekt auf die affektive Tönung der Träume auf einer Positiv-negativ-Skala aus. In manchen indigenen Kulturen versucht man durch Gerüche (etwa von Ingwer),

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wünschenswerte Träume herbeizuführen; das Riechen ist hier in Riten der Trauminkubation einbezogen. Spontan riechen und schmecken zivilisierte Durchschnittsmenschen vergleichsweise selten im Traum (Männer noch seltener als Frauen). So sieht es zumindest aus, wenn man nach den frischen Erinnerungen, die in Schlaflabors abgefragt werden, und nach systematischen Traumtagebüchern geht (Strauch & Meier, 2004). Nach einer Fragebogenstudie (die Befragten blicken da aus größerem zeitlichen Abstand auf ihr Traumleben, können also eher Erinnerungstäuschungen unterliegen) träumt indessen immerhin jenes Fünftel der Befragten, das bei Tests zur Vorstellungsfähigkeit hohe Werte erzielte, auch regelmäßig in allen Sinnen (Okada, Matsuoka & Hatakeyama, 2005). In einer anderen Studie zeigte sich, dass diejenigen, die bei einem Test Gerüche besser identifizieren konnten, auch eher von Riechträumen berichten (Stevenson & Case, 2004/05). Der Psychiater Wolfgang Klages konstatiert in seinem Buch Der sensible Mensch, dass ein überempfindlicher Geruchssinn mit lebhaften Geruchsvorstellungen sowie Geruchsträumen verbunden sein kann. Parfumeure berichten von erträumten Duftgemischen. Auch für Blinde, die ja im wachen Leben verstärkt auf Gerüche achten, kann das Riechen fester Bestandteil ihrer Träume sein. So schreibt die taubblinde Helen Keller in The world I live in: „I smell and taste much as in my waking hours.” (2003/1908, S. 94) Und ein als Erwachsener erblindeter Mann träumte im achten Jahr seiner Blindheit im Schlaflabor der Universität Zürich, wie Strauch und Meier in Den Träumen auf der Spur berichten, regelmäßig in allen Sinnesmodalitäten gleichermaßen. Ein intensiv trainierter Geruchssinn in früheren oder indigenen Kulturen könnte demnach mit einer starken Präsenz des Riechens in Träumen verbunden (gewesen) sein. Speziell in außergewöhnlich intensiven Träumen, also vor allem Alpträumen, scheinen auch bei modernen Menschen (eher unangenehme) Gerüche nicht allzu selten gegenwärtig zu sein. Der infernalische Gestank einer bedrohlichen Traumszenerie etwa dürfte allerdings weniger mit einem im Traum aktivierten lebhaften (olfaktorischen) Vorstellungsleben zu tun haben als mit Halluzinationen, wie sie auch bei einem Horrortrip unter Drogen oder in epileptischen Zuständen auftreten (Ohlhoff, 2004; Schönhammer 2004a). Zumindest ein Teil der Geruchsträume von Schamanen, die Constance Classen und Kollegen in Aroma. The cultural history of smell den weitgehend geruchlosen Normalträumen in modernen Zivilisationen entgegenhalten, verdankt sich ganz ausdrücklich halluzinogenen Drogen.

Geruchshalluzinationen (Parosmien) treten auf bei Epilepsien (in der Aura und bei partiell komplexen Anfällen), bei Migräne, Schizophrenie (hier als Kehrseite von defizitärem Riechen), bei endogenen Depressionen, gelegentlich beim posttraumatischen Belastungssyndrom und bei Intoxikation mit psychoaktiven Drogen. Campenhausen (1993) berichtet davon, dass auch die Suggestion, es verbreite sich ein ekelhafter Geruch, zu halluzinatorischen Geruchswahrnehmungen führen kann. Auf affektivem Weg lassen sich offenbar täuschend lebhafte unwillkürliche Geruchsvorstellungen auslösen, während der bloße Vorsatz, sich einen Geruch vorzustellen, bei einer Mehrzahl von Menschen keinerlei Wirkung zeitigt. Im Spektrum der insgesamt seltenen u synästhetischen Wahrnehmungen finden sich gelegentlich durch Gerüche ausgelöste

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visuelle, akustische und andere Mitwahrnehmungen und (offenbar besonders selten) umgekehrt auch durch Reize anderer Modalität bedingte olfaktorische Wahrnehmungen (Day, 2006); so scheint auch Tykwers Parfüm-Verfilmung nach der Internetrecherche von Sobchack (2010) bei einigen Zuschauern synästhetische Wirkung gezeigt – oder suggeriert – zu haben. Ein Kapitel für sich ist, dass manche Gerüche süß anmuten und auch geschmeckte Süße intensivieren, aber keine selbständigen Mitwahrnehmungen von Süße im Mund auslösen [u Kap. 6 und 9]. Lesen u Holley, 2002; Greenberg, 1992; Ohlhoff, 2004; Wilson & Stevenson, 2006

Riechen und Sexualität „In einigen Gebieten Österreichs und im Mittelmeerraum schwenken die Burschen beim Tanz vor den Mädchen Tücher, die sie zuvor in ihrer Achselhöhle geruchlich imprägniert haben.“ (Eibl-Eibesfeldt, 1995, S. 604) „Die spezifisch sexuellen Gerüche (Brunstgerüche) nehmen eine seltsame Zwischenstellung ein: gierig eingesogen im Zustande der Libido (geschlechtlichen Begierde), wirken sie widerlich nach erfolgter Brunststillung. Auch der bloße Schweißgeruch kann in dieser zwiespältigen Art sich geltend machen, namentlich als Achselschweiß.“ (Hellpach, 1977, S. 42)

„Bei Insekten bis hin zu Vertebraten wird die Partnererkennung und Kopulation durch sog. Sexualpheromone reflektorisch gesteuert.“ (Hatt, 1996, S. 315) Noch in der Säugetierverwandtschaft des Menschen wird Empfänglichkeit chemisch signalisiert. Beim Menschen hat sich die Sexualität gegenüber dem Zyklus verselbständigt – mit Folgen nicht nur für die Psychologie der Partnerwerbung, sondern auch für Geruchssinn und -organe (Rückbildung des vomeronasalen Organs, s. Kasten). Auch wenn Männer die Kopulationsbereitschaft von Frauen nicht an deren Urin erschnuppern, spielen beim Menschen Gerüche von Körpersekreten wahrscheinlich doch eine gewisse Rolle als chemische Kommunikationsmittel (Pheromone) in ihrem Sexualleben. Vor und während der Ovulation scheinen Frauen männlichen Achselschweiß anziehender zu finden; umgekehrt soll das in diesem Zeitraum produzierte Vaginalsekret für Männer am ehesten attraktiv riechen; Androstenon, im männlichen Achselschweiß reichlicher vorhanden als im weiblichen, machte bei experimenteller Beduftung von Telefonzellen oder Wartezimmerbereichen diese Orte eher für Frauen als für Männer attraktiv; auf etwas anderer Ebene (jenseits von Erleben und Verhalten) liegen Befunde, nach denen Bestandteile von männlichem und weiblichem Achselschweiß den weiblichen Zyklus beeinflussen können.

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Tiervergleich u Vomeronasales Organ Viele Arten von Reptilien und Säugetieren besitzen zusätzlich zur Nase das Vomeronasale Organ: Ein Verband von Sensorzellen im vorderen Bereich der Nasenhöhle (nach ihrem Entdecker Jacobsonsches Organ genannt), der auf große, schwerer flüchtige Moleküle anspricht (manche Körpergerüche, besonders Bestandteile im Urin, die die sexuelle Empfänglichkeit signalisieren). Oft (etwa bei Pferden, Hunden, Katzen und Mäusen) existiert ein Verbindungskanal zum Mundraum. Geruchsträger werden durch Züngeln (bei Schlangen) oder Flehmen (Ansaugen mit hochgezogener Oberlippe [u Abb.]) zugeführt. Die ausgelösten Nervenimpulse werden teils in einem Nebenriechkolben weiterverarbeitet. Bei erwachsenen Menschen und Menschenaffen finden sich Spuren des Organs im Bereich der unteren Nasenscheidewand, aber keine Verbindungen zum Gehirn; vor der Geburt scheint das vomeronasale Organ auch beim Menschen (zumindest ansatzweise) funktionsfähig zu sein (Evans, 2003).

Nach einer nichtrepräsentativen Fragebogenuntersuchung empfindet etwa je die Hälfte der befragten Frauen und Männer Körpergeruch ohne Parfum als sexuell stimulierend; ein knappes Viertel der Befragten wird durch Achselgeruch erregt (Ebberfeld, 1999). Der britische Biologe Michael Stoddart (1990) vertritt die These, die sexuell stimulierende Wirkung von Ausscheidungen der Achselhöhle (Axilla) hätte sich gewissermaßen als Ersatz für die Brunftgerüche anderer Säugetiere entwickelt; beides – der Verlust wie der relativ verborgene, also eher in intimen Situationen erfahrbare Zugewinn – stehe im Dienste der beim Menschen (wegen der langwierigen Aufzucht des Nachwuchses) evolutionär vorteilhaften (zumindest vorübergehenden) Monogamie. Menschen stehen ihren Körpergerüchen, insbesondere den Ausdünstungen ihrer Achseln, offensichtlich zwiespältig gegenüber; neben situativen Faktoren und Zersetzungsprozessen (frischer vs. alter Schweiß) beeinflusst womöglich auch die je individuelle Duftnote die Attraktivität (Partnerwahl nach Geruch; speziell die These der genetisch günstigen Partnerselektion nach riechbaren Immunfaktoren).

Kunst, Medien & Werbung u Achselhöhlen In der Präsentation von Achselhöhlen in Kunst und Werbung sieht Stoddart (1997) eine relativ unanstößige sexuelle Anspielung; meist seien die abgebildeten Achseln rasiert, um ein zu aufdringliches Zeichen olfaktorischer sexueller Stimulation zu vermeiden (Haare sind Geruchsträger). Ob geöffnete Achseln auf Geruch anspielen oder (besonders bei liegenden Akten) nur ein Nebeneffekt der – als Zeichen der Hingabe – hinter dem Kopf ausgestreckten Arme sind, ist, ohne eine verführte Nase im Bild, schwer zu entscheiden; in der Werbung für Parfum führt ohnehin beides zum Ziel. Jedenfalls ist die Axilla bei der Ikonographie des Geruchs zu berücksichtigen.

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Zur Parfumierung, also dem Überdecken (aber auch: Verstärken) der eigenen Körpergerüche, werden einerseits traditionell tierische (Sexual-)Sekrete wie Moschus, Ambra oder Bibergeil genutzt, andererseits Blütendüfte, also Lockstoffe, die die Fortpflanzung von Pflanzen zu vermitteln helfen (Komponenten mancher Pflanzendüfte, wie das in Jasmin enthaltene Indol, haben ihrerseits Fäkalgeruch). Schließlich dienen in gewissem Umfang auch Düfte von Früchten und anderen Nahrungsmitteln respektive Gewürzen der Parfumierung. Leider ist die Entdeckung, dass Spermien den Weg zur Eizelle durch Maiglöckchenduft (Bourgeonal) finden, offenbar nicht mehr der letzte Stand der biochemischen bzw. physiologischen Forschung; auf der Strecke bleibt so wohl eine nahezu poetische Analogie von Teil und Ganzem, dergestalt, dass Männer sich – entgegen der sonstigen relativen Riechschwäche ihres Geschlechts – ausgerechnet für diesen Duft als deutlich sensibler als Frauen erwiesen haben (Olsson, P. & Laska, 2010).

Die Praxis der Parfumierung ist alt und universell, die Gepflogenheiten variieren. Die seit einiger Zeit virulenten Phantasien von einem „Pheromon-Parfum“ mit märchenhafter Anziehungskraft aktualisieren zeitgemäß den offenbar alten Wunschtraum, die schwer wägbaren Kräfte der zwischenmenschlichen ‚Sexualchemie‘ durch eine (dem Willen unterworfene) übermächtige Naturgewalt zu ersetzen. – Nicht verschwiegen sei Stoddarts Vermutung, Parfumierung sei ursprünglich kein Mittel gewesen, um attraktiv zu wirken, sondern aufgekommen, um den in Vorzeiten noch wahrnehmbaren Geruch der Empfänglichkeit zu kaschieren (um die Monogamie zu sichern), und erst später habe sich eine den Achselgeruch unterstützende erogene Wirkung des Parfums entwickelt. Vroom und seine Mitautoren spielen mit dem Gedanken, Parfumierung diene Frauen auch heute eher dazu, sich Männer vom Leib zu halten, als sie einzufangen. Lesen u Ebberfeld, 1999; J. S. Jellinek, 1994; P. Jellinek, 1994; Stoddart, 1990, 1997; Vroom et al., 1996; Wyatt, 2003

Sozialpsychologie des Riechens Individuen tragen olfaktorische Atmosphären oder Auren mit sich herum und kommen sich damit nahe – oder zu nahe. Riechbare Anwesenheit wird selten neutral empfunden: Der Geruch, der Individuen umhüllt, vermittelt Nachwuchs, Eltern und Partnern Vertrautheit sowie Geborgenheit und lässt sie Fremden begehrenswert oder widerwärtig erscheinen.

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Philosophie u Persönliche Geruchssphäre Der Philosoph Georg Simmel formulierte in seiner Soziologie prägnant: „Daß wir die Atmosphäre jemandes riechen, ist die intimste Wahrnehmung seiner, er dringt sozusagen in luftförmiger Gestalt in unser Sinnlich-Innerstes ein.“ Und: „Das Parfum (…) vergrößert die Sphäre der Person, wie die Strahlen des Goldes und des Diamanten, der in der Nähe Befindliche taucht darein ein und ist gewissermaßen so in der Sphäre der Persönlichkeit gefangen.“ (1983/1908, S. 490) Gute hundert Jahre vor Simmel begründete Kant seine Vorbehalte gegen den Geruchssinn gerade mit den Widrigkeiten in Folge der Überlappung der Sphären vieler Menschen: „Welcher Organsinn ist der undankbarste und scheint auch der entbehrlichste zu sein? Der des Geruchs. Es belohnt nicht, ihn zu kultivieren oder wohl gar zu verfeinern, um zu genießen; denn es gibt mehr Gegenstände des Ekels (vornehmlich in volkreichern Örtern), als der Annehmlichkeit, die er verschaffen kann (…)“ (Kant, 1983/1798, S. 76).

Parfumierte werden – was sie sich wohl nur ausnahmsweise vergegenwärtigen – von einer erheblichen Zahl derer, denen sie begegnen, als ähnlich unangenehm erlebt wie Menschen mit starkem Körpergeruch. Bei einem Feldexperiment, bei der man eine parfumierte Testperson in eine Warteschlange vor einer Kirmesattraktion platzierte, hielten die Eintrittswilligen zu dieser einen größeren Abstand als zu einer unparfumierten Kontrollperson. Auch beim modernen Menschen gehört Sichriechenlassen zum Territorialverhalten (sprich: wird potentiell als Aggression erlebt). Und gerade im modernen städtischen Leben rücken sich viele Menschen regelrecht auf den Pelz. Die angemessenen räumlichen Abstände für verschiedene Typen von sozialen Situationen (von intimer bis anonym-öffentlicher Begegnung), die von der u Proxemik beschrieben werden, sind etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln oftmals nicht einzuhalten. Umso mehr wäre olfaktorische Zurückhaltung gefragt. Eine aggressive Geruchsaura verwandelt umgekehrt selbst einen ansonsten komfortablen Abstand gegenüber Fremden in aufdringliche Intimität. Neben Körpergerüchen oder Parfumierung führt eine Reihe alltäglicher individueller Aktivitäten oder deren Folgen (Rauchen, Kochen, Auspuffgase, Müll) zu erweiterten persönlichen Geruchs-Auren und riechbedingten sozialen Spannungen. Die Marktforschung berichtet (was aus bestimmten Segmenten der Parfumwerbung widerhallt), Frauen parfumierten sich in erster Linie, um sich selbst zu verwöhnen. Dabei mag auch das Bedürfnis, die olfaktorischen Auren ihrer Mitmenschen sowie die unumgänglichen Geruchsatmosphären des städtischen Lebens zu maskieren, eine Rolle spielen. Auch die bereits angesprochene These, Parfumierung diene Frauen – vielleicht unbewusst – dazu, sich Männer vom Leib zu halten, erscheint im angesprochenen sozialpsychologischen Zusammenhang in einem anderen Licht. Wenn Partner sich gegenseitig Parfums schenken, ist das vielleicht nicht ganz frei von einer gewissen Doppelbödigkeit. Eine eher unverfängliche Form der Duftkommu-

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nikation ist das Schenken von Blumen, die eben oft nicht nur das Auge, sondern auch durch Wohlgeruch ansprechen. Die ungestellte und nachhaltige Freude, die Blumengaben im Alltag und auch im sozialpsychologischen Feldexperiment hervorlocken (Haviland-Jones, Rosario, Wilson & McGuire, 2005; Haviland-Jones & Wilson, 2008), verdankt sich zwar wahrscheinlich nicht allein dem gebündelten Wohlgeruch, doch ganz unwichtig ist der nicht. Jedenfalls behält man gegenüber dieser Art von DuftAvance als Beschenkter weitgehend die Kontrolle. Im Alltag nimmt man olfaktorische Makro- und Mikromilieus hier und da als angenehm oder unangenehm zur Kenntnis, wird durch sie aber vielfach eher beiläufig gestimmt. In einer angenehm riechenden Umgebung scheinen Menschen dank der positiv gefärbten Stimmung auch eher offen füreinander zu sein. Sozialpsychologen bemühen sich darum, nachzuweisen, dass lokale Gerüche das prosoziale Verhalten beeinflussen und sich auch auf die Chancen des Anbändelns auswirken; bestätigt wurde diese Vermutung etwa, als man in einem Einkaufszentrum an wohlriechenden Ecken (z. B. vor Bäckereien) oder eher geruchsneutralen Stellen attraktive junge Männer junge Frauen um die Telefonnummer für eine Verabredung angehen ließ (Guéguen, 2012). Die Perspektive luftiger Verhaltensbeeinflussung hat auch jenseits der Parfumierung des eigenen Körpers Tradition (etwa in religiösen Zeremonien) und in den vergangenen Jahrzehnten Beduftungsstrategen auf den Plan gerufen, die analog zu Hintergrundmusik Duftcocktails für Geschäftsräume, Fabriken, Hotels oder Arztpraxen anbieten [u folgender Abschnitt; u Riechen und Medien, Olfaktorik-Design, Marketing mit Duft]. Lesen u Classen, Howes & Synnott, 1994; Dollase, 1994; Hauskeller, 1995; Raab, 2001

Orte riechen, Atmosphären “In the typical French town, one may savor the smell of coffee, spices, vegetables, freshly plucked fowl, clean laundry, and the characteristic odor of outdoor cafes. Olfactions of this type can provide a sense of life; the shifts and the transitions not only help to locate one in space but add zest to daily living.” (Hall, 1969, S. 50) „Alle Eindrücke haben ihre Wirkung, aber nicht alle Wirkungen sind immer bemerkbar; wenn ich mich eher nach der einen Seite wende als nach der anderen, so geschieht dies sehr häufig durch die Verkettung kleiner Eindrücke, die ich nicht gewahr werde und die die eine Bewegung ein wenig unbequemer als die andere machen.“ (Leibniz: Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand [Leibniz & Cassirer, 1971, S. 90])

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Manche Orte oder Bauwerke, etwa Schulen oder Krankenhäuser, erkennt man an ihrem Geruch, der sogleich Erinnerung an den affektiven Gehalt von Lebenssituationen weckt. In der Architektur ist der olfaktorische Beitrag zur Ästhetik von Orten und Räumen nur selten ausdrücklich Thema, obgleich schon in der Antike gelegentlich Putz parfumiert und edle Hölzer bisweilen wegen ihres Geruches eingesetzt worden sein sollen. In seinen Zehn Büchern über Architektur sagt der Baumeister Vitruv dem Harz des Lärchenholzes bzw. dessen Ausdünstungen eine heilende Wirkung nach. Der Renaissancearchitekt Leon Battista Alberti erwähnt in Zehn Bücher über die Baukunst Installationen für Räucherwerk in antiken Tempeln und erläutert, wie man durch Gerüche Ungeziefer vertreiben kann. Allerdings haben Fragen der angemessenen Be- und Durchlüftung sowie der Entwässerung und Hygiene, die ein traditionelles Thema von Architektur und Stadtplanung darstellen, Konsequenzen für den Übel- oder Wohlgeruch der gebauten Umwelt: ❚ Seit früher Zeit (und auch bei Alberti) waren Fäulnisgerüche, etwa von Sümpfen, ein Thema für die Stadtplanung. ❚ In westeuropäischen Städten riecht es im „Westend“ besser, da mit Rücksicht auf die vorherrschende Windrichtung Fabriken im Osten, Villenviertel dagegen im Westen angelegt wurden. ❚ Die Kritik der architektonischen Neuerer in den 1920er Jahren richtete sich unter anderem gegen den „Mief “, den herkömmliche Mietskasernen aufgrund ihrer Bauweise verströmten [u Abb.]. ❚ Badezimmer oder Toiletten ohne Fenster gelten als Nach dem Titelbild von Kennzeichen eines minderen Wohnstandards oder S. Giedion: Befreites Wohnen, 1929 zumindest als ein gewisser Makel. Steigendes Bewusstsein für Baubiologie und Umweltqualität könnten zur verstärkten impliziten, aber auch expliziten Bemühung um die Geruchsqualität von Bauwerken und Städten beitragen. Neben gezielter Bestandsaufnahme von Smellscapes (so wurde etwa in den 1990er Jahren eine Geruchskarte der Stadt München angelegt [Reinsch, 1993] und in Wien die Belästigung durch Abwasserkanäle kartographisch verzeichnet [Payer, 2013]) und deren Folgen für Wohlbefinden und Gesundheit fördert ökologische Reflexion olfaktorischer Emissionen und Immissionen eine tendenziell nachhaltige Gestaltung in dieser Hinsicht: Wohlgeruch durch gesunde Materialen, Bepflanzung und Frischluft statt vordergründiger Behaglichkeit durch (verdeckte) Beduftung der Raumluft etwa über Klimaanlagen. Da die chemischen Sinne schon bei einfachen Lebewesen der Milieuprüfung dienen, kann es nicht verwundern, dass Menschen von alters her Gestank (Verwesungs-

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geruch) mit Krankheiten wie der Pest in Verbindung brachten – und versuchten, derart bedrohliche Atmosphären durch Ausräuchern (per fumum: lat. durch Rauch; davon leitet sich „Parfum“ ab) oder Maskierung durch Wohlgerüche (z. B. in den Schnabelmasken der Pestärzte [u Abb.]) zu verdrängen (wegen der desinfizierenden Wirkung mancher der benutzen Räuchersubstanzen hatte das sogar gewissen Erfolg gegenüber den noch unbekannten Krankheitskeimen). Umgekehrt gehören Rauch und Wohlgeruch traditionell zu religiösen Zeremonien und den zugehörigen Orten und Bauwerken. Zur heiligen Atmosphäre trägt bei: ❚ das Aufsteigen von Rauch und Dämpfen (also die himmlische Orientierung) ❚ der Eindruck, dass mit dem Wohlgeruch die höheren Mächte („das Gute“) den Raum erfüllend gewissermaßen ungreifbar anwesend sind (Duft als Epiphanie) und damit das Böse vertrieben wird ❚ das Eindringen des Wohlgeruchs (des Guten) in alle Anwesenden, die damit zugleich vereint werden ❚ die bewusstseinsverändernde Wirkung der Düfte (sei es durch Überreizung, sei es auf pharmakologischem Weg) Solche Eindrücke und Effekte stellen sich offenbar kulturübergreifend, unabhängig von spezifischen religiösen Kontexten ein und werden in der westlichen Kultur heute nicht zuletzt von der Esoterikszene kultiviert (Räucherstäbchen-Atmosphäre). Wer auf einen der dominanten Sinne oder gar auf Sehen und Hören verzichten muss (oder sich im Rahmen eines Experiments auf diese Situation einlässt [u Kap. 8]), wird aufmerksamer auf Gerüche. Die taubblinde Helen Keller schreibt von windstillen Momenten, in denen sie sich durch Gerüche im Freien in gewissem Maße orientieren kann (1908, S. 35). In solchen Augenblicken tritt auch beim affektnahen Geruchssinn, der dem Menschen in der Regel beiläufig vermittelt, ob er sich wohlbefindet, und seine Schritte allenfalls indirekt lenkt, ein definierendes Erfassen von Dingen und Räumen in den Vordergrund. – Schon der Vorsatz, die Umgebung genau mit der Nase zu erkunden, verschiebt den Akzent des Riechens in diese Richtung. Wer Gerüche – etwa im Rahmen eines Forschungsprojektes – derart botanisiert, gerät in einen Zwiespalt: Einerseits wird so die alltägliche Umgebung zu einem ästhetischen Ereignis (ähnlich wie bei einem Hörgang [u Kap. 8]), andererseits bringt man sich darum, bemerken zu können, dass man beiläufig vom Geruch des Ortes gestimmt worden ist, fällt also in gewisser Weise aus dem Milieu heraus. Dieser Zwiespalt spricht beispielweise aus der Dissertation des Frankfurter Geographen Werner Bischoff (2007), der einige Informanten bei Gängen durch Straßenzüge der Mainstadt begleitend interviewte und die sozusagen aufgespießten Gerüche vor Ort gleich in einer Karte verzeichnete. Im Akt,

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den Geruch XY im Plan zu notieren, scheint sich für den Autor schmerzlich kristallisiert zu haben, dass sein Vorhaben ohne eine Denaturierung des Milieuerlebens nicht zu realisieren war. Ähnlich ist es offenkundig Diaconu und Mitstreitern (Diaconu, 2012; Diaconu & Vosicky, 2011) bei einem entsprechenden Projekt in Wien ergangen; hier gerät indessen das Befremden über das eigene Tun gleich zu einer Kulturkritik des Prinzips Karte. Lesen u Architektur: Ackerman, 1991; Crunelle, 1995; Kennedy, 1995; Pallasmaa, 2005; Religion: Kügler, 2000; Pfeifer, 1997

Riechkulturen Dass die soziale Frage, wie Simmel es vor hundert Jahren formulierte, auch eine Nasenfrage ist, gilt ungeachtet der verbesserten Wohn- und Lebensbedingungen von Arbeitern wie Arbeitslosen und des damit verschwindenden „Proletariergeruches“ in gewissem Maß noch hier und heute. So machen sich nach Ergebnissen der Konsumforschung Luftverbesserer aus dem Drogeriemarkt hauptsächlich in Haushalten breit, deren Bewohner zuhause rauchen, deftig kochen und keine Hochschulreife vorweisen können; in gebildeten Nasen riecht die derart verbesserte Luft billig (Raab, 2001). Ess-, Parfumierungs- und sonstige Lebensgewohnheiten bilden den „Stallgeruch“ von Kulturen und Subkulturen und sorgen wegen der nachhaltigen Wirkungen von Gerüchen in der persönlichen Entwicklung dafür, dass die kulturelle Identität bzw. kulturspezifische Mentalität olfaktorisch imprägniert ist. Fremdenfeindlichkeit ebenso wie (oft ums Gastronomische kreisende) kulturelle Neugier sind nicht zuletzt Nasenfragen. Kulturgeschichte und Ethnographie bzw. Kulturanthropologie erforschen Art und Ausmaß kultureller Differenzen von Smellscapes und Riechgewohnheiten. Dabei ist oft eine Tendenz zur Überbetonung von Unterschieden hinsichtlich der Bewertung von und der Sensibilität gegenüber Gerüchen zu verzeichnen. Zudem greifen derartige Studien meist auf Ideologien (z. B. Äußerungen von Philosophen) zurück, die ja auch über die Zeiten hinweg leicht zugänglich sind. Dass die herbeizitierten Meinungen nicht unbedingt auf die jeweilige tatsächliche Riechwelt schließen lassen, fällt dabei oft unter den Tisch.

Kulturgeschichte u Unsensibel und überempfindlich zugleich? Nicht erst neuerdings steht die westliche Welt im Bann von Berichten über vergangene und ferne Riechwelten. Jean-Jaques Rousseau bemerkte in seinem 1762 zuerst erschienenem pädagogischen Klassiker Emil oder Über die Erziehung: „Man behauptet, dass die Eingeborenen Kanadas schon von Kindheit an so einen feinen Geruch haben, daß sie sich auf der Jagd nicht ihrer Hunde, sondern ihrer eigenen Nase bedienen.“ (1985,

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S. 148) Zu Beginn des 20. Jh. stellte der Philosoph und Soziologe Georg Simmel die These auf, dass wir Zivilisationsmenschen mit unserem Geruchssinn „nicht mehr so viel objektiv wahrnehmen können, wie manche Naturvölker“, aber „subjektiv um so heftiger auf seine Eindrücke“ reagierten (1983/1908, S. 490). (Hintergrund für Simmels These ist Kants Unterscheidung von „Organsinn“ oder „Empfindungsfähigkeit aus Stärke“ [sensibilitas sthenica] und „Vitalsinn“ oder „zärtliche Empfindlichkeit“ [sensibilitas asthenica]; wobei die zarte Empfindsamkeit nach Kant unglücklich macht.) Alain Corbin, Autor des einflussreichen Buches Pesthauch und Blütenduft. Eine Geschichte des Geruchs (1984), das hauptsächlich die jüngere Kulturgeschichte der Theorien über Gerüche behandelt, versteigt sich im Fortspinnen von Simmels These zu der Behauptung, der heutige Mensch lebe nunmehr „in einer desodorierten Umgebung“, in der „sämtliche Gerüche zum Schweigen gebracht sind“ (S. 304). Annick le Guérer, Verfasserin des historisch ausgreifenderen Buches Die Macht der Gerüche. Eine Philosophie der Nase (1992), fragte angesichts des nachhaltigen Echos dieser Art Geruchsgeschichte: „Ist der moderne Mensch geruchsbehindert?“ (1995) und gibt eine abgewogene Antwort, die zeigt, dass der moderne Mensch mit seinen spezifischen Be- und Empfindlichkeiten nicht radikal aus dem Zwiespalt von Lust und Ekel fällt, der sich als roter Faden durch die Geschichte des Riechens zieht.

Simmels These einer Dialektik von verminderter Wahrnehmungsschärfe des Riechens bei zugleich gesteigerter emotionaler Empfindlichkeit gegenüber Gerüchen ist angesichts der grundsätzlichen innigen Verbindung von Wahrnehmung und Wertung von Gerüchen problematisch. Die Idee von vergangenen und entfernten Kulturen, in denen die Menschen höchst feinsinnig und zugleich überaus tolerant von ihrem Geruchssinn Gebrauch gemacht hätten, dürfte übertrieben sein. Die Kulturkritik des Riechens ist also zu relativieren. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass der Geruchssinn (auch noch bei heutigen Erwachsenen) insgesamt (etwa nach Erblindung) oder für spezielle (berufliche) Erfordernisse trainiert werden kann und analoge Verfeinerungen auch in vergangenen oder heutigen indigenen Kulturen vorstellbar oder wahrscheinlich sind. Ohne Frage dient zudem beim modernen Stadtbewohner der Geruchssinn nicht der lebensnotwendigen Orientierung in der ‚freien Wildbahn‘, sondern konzentriert sich zwangsläufig auf die (vorwiegend widrigen) Anflüge im übermäßig dichten urbanen Miteinander. Gleichwohl realisiert sich so unter den gegebenen Umständen die angestammte milieuprüfende Funktion dieses Sinnes. Lesen u Aichinger, 2003; Classen, Howes & Synnott, 1994; Guerer, 1992, 1995

Riechen und Medien, Olfaktorik-Design und Marketing mit Duft Die Geruchlosigkeit der modernen Medienwelt erscheint den Anthropologen Classen, Howes und Synnott (1994) symptomatisch für die moderne Kultur. Dabei hat es nicht

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an Versuchen in diese Richtung gefehlt. Heute haben, dank Chip-Technologie, die in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts gescheiterten Pilotprojekte für Geruchskino und -fernsehen (AromaRama; smell-o-vision; Sensorama) Nachfolger, denen eher Erfolg beschieden sein könnte. So erlaubt z. B. der als Accessoire mitführbare (und auch für Geruchskino einsetzbare) Sniffman es, Beduftung eher individuell zu adressieren, relativ fein zu dosieren und im zügigen Wechsel aus einer Geruchspalette zu wählen. In Verbindung mit Internet oder Mobilfunk wird private und kommerzielle Duftkommunikation auf breiter Front für die nähere Zukunft angepriesen (als Ergänzung zur Beduftung von Räumen, Waren und Presseerzeugnissen).

Kunst, Medien & Werbung u Riechkino In Schöne neue Welt spinnt Aldous Huxley Kino mit „synchronisierter Duftorgelbegleitung“ aus. Als Ouvertüre liefert die Duftorgel „ein köstlich erfrischendes Kräutercapriccio“, das eine „Folge kühner Modulationen durch die Aromen der Gewürze“ bietet, den Duft von Sandelholz, Kampfer, Zedernholz und frisch gemähtem Heu verbreitet und auch mit „zart angedeuteten Dissonanzen“ spielt: „einer Nase voll Sauerkraut und einem diskreten Geruch nach Rossäpfeln“ (1981, S. 168f.). In einem Interview (taz, 14. 9. 2006) anlässlich der Premiere der Verfilmung von Süßkinds Das Parfum wurde der Regisseur Tom Tykwer gefragt, ob er mit dem Gedanken gespielt habe, hier Riechkino zu realisieren. Tykwer kommt in seiner verneinenden Antwort auf die Geruchskarten zu sprechen, mit deren Hilfe zwanzig Jahre zuvor die Zuschauer des Filmes Polyester sich in den Genuss von riechenden Filmszenen brachten: „In den Achtzigern, als ich Filmvorführer war, habe ich ‚Polyester’ noch selbst vorgeführt und durfte diese Karten abends immer wieder einsammeln, in total verpesteten Kinos. Das war ekelhaft. Ehrlich gesagt, ich finde es eine ziemlich fantasielose und langweilige Vorstellung, hinzugehen und zu sagen, weil ,Das Parfum‘ von Geruch handelt, soll der Film irgendwie riechen.“

Die Beduftung von Arbeits- und Geschäftsräumen scheint eine verlockende Strategie der Beeinflussung von Stimmungen und indirekt auch der Verhaltensteuerung zu sein. In der Regel wird wohl mit recht geringen Konzentrationen (nahe oder unter der Erkennungsschwelle) gearbeitet. Das soll Befindlichkeitsstörungen bei manchen Individuen verhindern. Außerdem könnte eine bewusst wahrgenommene Beduftung Betroffene nachdenklich stimmen. Von Belegen für gesteigerte Arbeitseffizienz respektive höhere Aufenthaltsdauer von Kunden in Geschäftsräumen ist die Rede. Negative Effekte bei einem Teil der Betroffenen – von leichtem Unwohlsein über Kopfschmerz bis zu allergischen Reaktionen – sind nicht auszuschließen. Hinsichtlich der Frage nach möglichen Wirkungen bleibt, so oder so, viel der Phantasie überlassen – nicht zum Schaden der Anbieter solcher Dienste. Konzepte zur Beduftung der Innenräume von Automobilen werden u. a. unter dem Aspekt des allgemeinen Erregungszustandes des Fahrers vertreten. Gemeinsam

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mit Beleuchtung und Beschallung sollen Düfte den Menschen am Steuer etwa stimulieren oder beruhigen (womöglich automatisch, ausgelöst durch den auf die eine oder andere Weise gemessenen physiologischen Zustand des Fahrers). So etwas klingt zugleich sinnenfroh und futuristisch (das Auto als Wellness-Raumschiff), wird also von den Medien registriert, wenngleich frische Luft und eventuell öfter mal eine Pause dem Wohlbefinden des Fahrers (und der Verkehrssicherheit) fraglos zuträglicher sind. – Die Autoindustrie hält Distanz und bietet bislang nur ausnahmsweise Klimaanlagen mit (ausschaltbaren) Duftmischern an. In vielen Taxen sind Kunden heute (deutlich über der Wahrnehmungsschwelle) duftenden „Luftverbesserern“ aus dem Zubehörhandel hilflos ausgesetzt. Beduftung mag als verlockende Strategie emotional wirksamer Gestaltung erscheinen, ist jedoch nicht nur aus ethischen Gründen, sondern in Rücksicht auf das Wohlbefinden unfreiwillig Betroffener problematisch. Einen anderen Sinn bekommt Geruch als Thema des Design, wenn es darum geht, beim Gestalten (etwa hinsichtlich der Materialwahl) das Riechen überhaupt in Betracht zu ziehen, also jenseits von Beduftungstechniken die olfaktorische Prüfung von Materialien im Entwurfsprozess zu berücksichtigen. Angesichts bereits existierender problematischer Gepflogenheiten ist weiterhin Design (auch von sozialen Prozessen) gefragt, dass hilft, Belästigungen zu vermindern, ohne in einen Teufelkreis des dagegen ‚Anstinkens‘ zu verfallen. Schließlich ist daran zu erinnern, dass wegen der innigen Verbindung von Gefühl und Geruch Momente der visuellen, akustischen und taktil-haptischen Gestaltung indirekt auch auf das Riechen wirken [u Kap. 9]. Lesen u Riechkino: Paech, 2012; Sobchack, 2010; Olfaktorik-Design: Hanke, 1995; Götz, 2002; Marketing mit Duft: Knoblich, Scharf & Schubert, 2003; Morrin, 2010

Geruchskunst und Riechpädagogik „Wären an unserer Stelle Schweine zu ich-bewußter Intelligenz gelangt, dann hätten ihre Komponisten Symphonien nicht in Schallwellen, sondern in Molekularabstrahlungen komponiert.“ (Hass, 1987, S. 216)

Es ist möglich, die affektiven Wirkungen von Düften und Aromen bis zu einem gewissen Grad durch geruchslose Medien sinnfällig zu vermitteln (u Bilder vom Riechen). Gerüche selbst sind traditionell kein Darstellungsmittel der Künste. Zeitgenössische Konzept-Künstler profilieren sich gelegentlich durch die Kreation wohl- oder (eher) übelriechender Objekte oder Räume. Allein die Tatsache, dass der „geschmähte“ Geruchssinn zum Thema gemacht wird, verbürgt hier eine gewisse künstlerische Ausstrahlung unabhängig von der konkreten „sinnlichen Erkenntnis“, die vermittelt werden soll.

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Auf der anderen Seite wünschen nicht nur Parfumeure, ihre Schöpfungen sollten ohne Anführungszeichen als Kunst betrachtet werden. Gesteigerte Aufmerksamkeit und Kultivierung (etwa Besprechungen im Feuilleton analog zu Literatur- oder Musikkritiken) verdienen Parfums auch der Philosophin Ma˘da˘lina Diaconu zufolge (2005). Gerade nicht die Wirkung auf Triebe, Gefühl, Stimmung und Gedächtnis gelte es zu würdigen, sondern die formale Komposition (welche gerne mit Anleihen bei der Musiksprache beschrieben wird). Riechpädagogik nach dem Vorbild der Ausbildung von Parfumeuren soll ein Publikum heranbilden, welches Duftgemische aus ästhetischer Distanz zu würdigen verstehe. Weniger ambitioniert, aber vielleicht erstrebenswerter erscheint das (neuerdings von Diaconu [2012] indirekt ebenfalls propagierte) Vorhaben, mit Schulkindern die Identifikation von regionalen Naturgerüchen zu üben (allgemeiner: Smellscapes zu erkunden) und sie zu befähigen, über Gerüche des Alltags und Geruchswelten anderer Kulturen zu kommunizieren [u Kap. 6]. Lesen u Bergius & Herbrich, 2002; Holley, 2002

Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom Riechen Bilder können das Thema Riechen nicht nur bezeichnen, sondern über die Präsentation von Geruchsobjekten oder dem Verhalten (Mimik etc.) von riechenden Mitmenschen auch Affekte (Begehren, Ekel) auslösen, die denen bei tatsächlichem Riechen nahekommen. Mitempfindungen können auf unterschiedliche Art ausgelöst werden: durch geblähte Nüstern oder gerümpfte Nase, entspannten Gesichtsausdruck, geschlossene Augen als Zeichen der Konzentration/Hingabe oder aber durch Zeichen von Ekel (extrem: Sichübergeben), wenn jemand etwas an die Nase führt, sie in einer Geruchsquelle vergräbt oder aber sich abwendet, abwehrend gestikuliert oder sich die Nase zuhält. Neben einzelnen mit Wohl- oder Übelgerüchen assoziierten Objekten oder Situationen kann man in der Werbung für Parfums oder Lebensmittel Bemühungen feststellen, Atmosphäre sichtbar zu machen; so wird z. B. der Raum durch Rauch, Dampf, Nebel, Gischt, Schleier oder mit aufgelöstem bzw. wehendem Haar gefüllt (oder durch Lichtführung, Farbe und unscharfe Konturen das Medium, das die Dinge und Menschen umgibt, ins Bewusstsein gerufen). Lesen u Jütte, 2000; Kaufmann, 1943; Sobchack 2010

Rückschau in Fragen Auf welche Anhaltspunkte stützt sich die klassische Einschätzung, der Geruchssinn sei ein niederer Sinn? Inwiefern entsprechen diese Eigenheiten dem, was man über die funktionelle Neuroanatomie des Riechens weiß? Wie verläuft die Adaptation beim Riechen? Welche Bedeutung hat das?

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Welche Affekte lösen Gerüche typischerweise aus? Welche psychischen Auswirkungen hat der Verlust des Geruchssinnes? Inwiefern ist das Verhältnis von Riechen und Erinnern bzw. Vorstellen asymmetrisch? Wie ist Riechen im Traumleben gegenwärtig? Inwiefern ist Riechen ein sozialer Sinn? Worin liegt die Bedeutung von Weihrauch und anderem Räucherwerk für traditionell religiöse Inszenierungen? Warum ist die „Vermessung“ olfaktorischer Milieus ein zwiespältiges Unterfangen? Welche Bedeutungsfacetten hat die Rede von der Kulturgeschichte des Riechens? Worin sind die Schwachstellen in der Beweisführung kulturgeschichtlicher Thesen zur Entwicklung des Geruchssinns zu sehen? Inwiefern kann Marketing durch Duft eine verlockende Perspektive sein? Warum ist es problematisch? Welche Perspektiven gibt es jenseits von Beduftungsstrategien für Olfaktorik-Design? Inwiefern ist Geruchsdesign traditionell in Stadtplanung und Architektur gegenwärtig? Wie lässt sich verstehen, dass visuelle Gestaltung modifizieren kann, was man riecht? Welche visuellen Mittel bemühen Kunst und Werbung, um Düfte darzustellen?

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Schmecken

Die Empfindungen von süß, sauer etc. auf der Zunge sind das, was man in der Sinnesphysiologie traditionell als Geschmackssinn oder gustatorische Wahrnehmung etikettiert. Schmecken geht darin nicht auf. Schmecken ist ein multisensorisches Phänomen, zu dem bekanntlich nicht zuletzt auch Aromen gehören. Die erschließen sich nicht der Zunge, sondern der Nase. Selbst gustatorische Wahrnehmungen, wie die Süße, bleiben, wie man heute weiß, in ihrer Psychophysik, also der Relation von Reizund Empfindungsstärke, vom Geruch nicht unberührt.

Neuro-Skizze u Geschmackssinn

Die Sinneszellen des Geschmackssinnes finden sich in ca. 2.000 blütenkelchartigen Zellverbänden (Geschmacksknospen), die ihrerseits Teil verschiedener warzenartiger Strukturen (Geschmackspapillen) auf der Zunge sind. Diese Schmeckzellen ❚ werden ca. alle 10–14 Tage erneuert; ❚ tragen Rezeptoren für mehrere Geschmacksrichtungen (anders, als man früher annahm, sind die Rezeptoren für süß, sauer, salzig und bitter relativ gleichmäßig über die Zunge verteilt; deutlich ist nur die besondere Bitterempfindlichkeit des hinteren Zungenabschnittes); ❚ sind (ohne eigene Nervenfortsätze) mit den Fasern verschiedener Hirnnerven (Nervus

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vagus, N. glossopharyngeus, N. facialis) verbunden, die gebündelt (im Tractus solitarius) zum verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata) führen. Von da verlaufen die Bahnen des Geschmackssinnes ❚ über den Thalamus zur Hirnrinde; zum primären gustatorischen Kortex im seitlichen Gyrus postcentralis (neben der Zunge des somatosensorischen Homunculus) und der Insula im Frontalkortex und weiter zum sekundären gustatorischen Areal im orbitofrontalen Kortex, wo Informationen von den Geschmacksrezeptoren der Zunge auf solche aus der Nase und den anderen Sinnesgebieten treffen [u Kap. 9]. ❚ zum Riechhirn bzw. dem limbischen System (Amygdala) und dem Hypothalamus (vegetative Reaktionen wie Speichelfluss), die ihrerseits direkt mit der multisensorischen Drehscheibe des orbitofrontalen Kortex verbunden sind (Bewertung von Geschmacksempfindungen). Lesen u Birbaumer & Schmidt, 2006; Bösel, 2006; Brenslin & Huang, 2006; Faurion, Kobayakawa & Cerf-Ducastel, 2008; Jacob, 2002b; Rolls, 2002, 2004, 2005

Neben den vier Grundqualitäten süß, sauer, salzig und bitter werden seit langem auch alkalisch und metallisch als eigene Geschmacksqualitäten angeführt. In den letzten Jahrzehnten importierte die Geschmacksforschung aus Japan den (schon seit Anfang des 20. Jh. bekannten) „Umami-Geschmack“, der durch Rezeptoren für Aminosäuren vermittelt wird (prototypisch: Glutamin), als fünfte Grundqualität. Das japanische Wort „umami“ steht für wohlschmeckend/lecker. Neben Sojasauce und anderen Würzmitteln bzw. Geschmacksverstärkern schmecken auch Tomaten, Fleisch und Käse

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umami. Asiaten scheinen differenzierter als Europäer über diesen Geschmack Auskunft geben zu können. In jüngerer Zeit wurden auf der Zunge auch Rezeptoren für Fett-Geschmack gefunden; bislang war man davon ausgegangen, dass die Zunge Fett lediglich taktil bzw. haptisch wahrnimmt. Psychophysik. Bevor man schmeckt, ob eine stark verdünnte Lösung, süß, salzig, sauer oder bitter ist, schmeckt man, dass sie überhaupt einen Geschmack hat (unspezifische Geschmacksschwelle). Bei weiterer Zunahme der Konzentration kann sich der Geschmack (teils mehrfach) ändern. So schmeckt Kochsalz beim Überschreiten der spezifischen Geschmacksschwelle süß und erst bei weiter zunehmender Konzentration salzig. Bei nicht zu großen Konzentrationen von Kochsalz kommt es dann nach wenigen Sekunden zu einer vollständigen Adaptation einzelner Rezeptoren. Nach Aussetzen des Reizes erholt sich die Sensibilität geschwind. Solche Befunde erzielt man durch lokale Reizung bei fixierter Zunge (Überblick: Burdach, 1988; Campenhausen, 1993). Beim Essen und Trinken sorgt die Bewegung der Zunge – verbunden mit der Architektur der Geschmackspapillen und den zugehörigen kleinen Spüldrüsen – dafür, dass immer genügend Rezeptoren ansprechbar sind. Für die Empfindungen sauer und bitter kommt es selbst bei isolierter Untersuchung einzelner Rezeptoren zu keiner vollständigen Adaptation. Wie Empfindungen in anderen Sinnesgebieten auch, hängen Geschmacksempfindungen von aktuellen Vorerfahrungen ab: ❚ Zuckerlösungen mittlerer Konzentrationen werden nach vorhergehenden schwächeren als intensiver empfunden als nach höher konzentrierten. ❚ Auf einer süß gespülten Zunge schmeckt destilliertes Wasser sauer und Saures saurer, umgekehrt nimmt eine sauer eingestellte Zunge illusorische Süße wahr. Wenn man die Sinnesleistungen der Rezeptoren auf der Zunge für süß, sauer etc. isoliert untersucht (wie dies lange geschehen ist), kommt man naturgemäß zu Ergebnissen, die nicht sehr viel über das alltägliche Schmecken verraten (solche Forschung hat, wie Burdach [1988] betont, geringe ökologische Validität). Die heutige Flavor-Forschung untersucht hingegen das Zusammenwirken der Sinne beim Schmecken – insbesondere die Rolle der Aromen. Diese können etwa die Wahrnehmungsschwelle für Süß herabsetzen und die wahrgenommene Intensität von Süßgeschmack steigern. Vanille, die in vielen Nasen süß riecht, wirkt tatsächlich als Versüßer [u Kap. 9]. Sensibilitätsunterschiede. Schon länger ist bekannt, dass sich Individuen hinsichtlich ihrer gustatorischen Schwellen und überschwelligen Intensitätswahrnehmung teils erheblich unterscheiden. Auch eine verbreitete erbliche Minderempfindlichkeit speziell für bestimmte bittere Substanzen wurde nachgewiesen. Populär wurde in den letzten Jahren die Gegenüberstellung von Superschmeckern und Nichtschmeckern:

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Wegen unterschiedlicher Bitter-Sensibilität in Verbindung mit ungleicher Segnung mit Geschmackspapillen ordnet man je ein Viertel der Bevölkerung einer dieser beiden Gruppen zu. Die plakative Etikettierung verrät indes mehr über den medialen Bedarf an Sensationsmeldungen als darüber, was Betroffene schmecken (im engeren wie im weiteren Sinn). – Wer gerne ein Pils trinkt, landet bei den Tests, zu denen man etwa im Internet geladen wird, unversehens in der Rubrik der Nichtschmecker. Vollständiges Nichtschmecken (Ageusie) – wie es vorübergehend bei Betäubung der gesamten Zunge eintritt – ist anders als generelles Nichtriechen (Anosmie) äußerst selten. Allerdings klagen Anosmatiker nicht selten über eine Beeinträchtigung auch ihrer gustatorischen Wahrnehmung: Fehlt das Aroma, dann fehlt mehr als nur das; offenbar addieren sich die Empfindungen von Zunge und Nase nicht nur. Dieser Dominoeffekt steht im Gegensatz zu den Verbesserungen verbliebener Sinnesleistungen, die bei Seh- oder Gehörverlust eintreten (Frasinelli, Collignon, Voss & Lepore, 2011). Das kann man als Zeichen dafür verstehen, dass sich im Fall des Geschmacks gustatorische und olfaktorische Wahrnehmung nicht einfach ergänzen: Schmecken scheint eine Synthese zu sein, die zusammenbricht, wenn eine der wesentlichen Komponenten fehlt (Stevenson, 2012). Verringerte Sensibilität (Hypogeusie), wie sie etwa fortgeschrittenes Alter mit sich bringt, macht nicht nur toleranter gegenüber Bitterstoffen, sondern auch besonders hohe Konzentrationen von Salz und Zucker schmackhaft (Schiffman, 2008).

Hedonik der Grundqualitäten – Ob schmeckt, was man schmeckt Angeboren sind offenbar die positive Bewertung des Süßen und die Abneigung gegenüber dem Bitteren. Nach einer einleuchtenden Erklärung liegt der biologische Sinn dieser Geschmacksaffekte darin, dass Stoffe, die süß schmecken, meist viel zur Energieversorgung des Organismus (erforderlich nicht zuletzt für dessen Fortbewegung) beitragen, während viele bittere Substanzen giftig sind.

Wahrnehmungsqualitäten u bitter/süß Süß ist ein Synonym für eingängig. Als ästhetische Kategorie steht „süß“ heute im Alltag für niedlich oder liebenswert, im anspruchsvollen Diskurs für distanzlosen Genuss – für Kitsch. Was bitter ist, vermindert den Lebensgenuss, macht bitter, lässt schließlich „verbittern“. Edmund Burke, der 1756 in Vom Erhabenen und Schönen ganz ungebrochen „die Süße als das Schöne des Geschmacks“ (1956, S. 198) schätzte, sah im Bitteren eine potentielle Quelle erhabener Empfindungen („den bitteren Kelch des Schicksals austrinken“; S. 124). „Bittersüß“ ist der Prototyp des Oxymorons, wie man die Verbindung sich widersprechender Begriffe nennt, und manche Arznei (um Gifte in nützlicher Dosierung schmackhaft zu machen). Dass auch eine ganze Reihe von Genussmitteln, die Erwachsene zu

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sich nehmen, bitter oder zumindest bittersüß schmecken (Kaffee, Bier, „Herrenschokolade“), könnte sich einem oralen Reizhunger verdanken, der – ähnlich wie beim brennend Scharfen – in Grenzen auch Unangenehmes vereinnahmt. Auch altersbedingte Sensibilitätsminderung mag eine Rolle spielen. Manche Forscher vermuten, dass sich die Lust am Bitteren nur dank der verführerischen Verbindung mit dem Süßen allmählich herausbilden kann. Andere glauben, die einmal entdeckte angenehme Wirkung gewisser bitterer Substanzen (etwa Koffein, Magenbitter) verführe zum Akzeptieren ihres Geschmacks. Jedenfalls sind Kinder für das Bittere nicht zu haben, was u. a. damit zusammenhängt, dass sie sensibler für Bitteres sind (Superschmecker), es deshalb auch aus Kohl und anderem Gemüse herausschmecken, das ihre diesbezüglich inzwischen ahnungslosen Eltern ihnen vorsetzen. Für Süßes dagegen haben sie eine notorische Vorliebe, die vielleicht mit dem wachstumsbedingten hohen Kalorienbedarf zusammenhängt; nachweislich wirkt Süße auf sie beruhigend – wohlgemerkt: der Geschmack, nicht die Stoffwechseleffekte von Zuckern – und lindert sogar ihre Schmerzen (Mannella, 2008). Auch süß anmutende Gerüche sind ein wirksames Mittel gegen Schmerzen (Prescott & Wilkie, 2007).

In relativ engen Grenzen schmecken auch salzig und sauer gut. Die Lust am Salzigen dürfte auf den Bedarf des Organismus an Elektrolyten zurückgehen; sie zeigt sich allerdings eher darin, dass Ungesalzenes fade schmeckt, als in der Wertschätzung puren Salzgeschmacks (Beauchamp & Stein, 2008). Die Wertschätzung von Saurem gibt eher ein Rätsel auf. Vielleicht unterstützt sie die Versorgung mit der in manchen Früchten vermehrt enthaltenen Ascorbinsäure (Vitamin C). Bei Umami, dem Wohlgeschmack von Aminosäuren, ist die Verbindung zum physiologischen Bedarf wiederum offensichtlich (Eiweiß). Die Lust am Fett in Speisen, die ja eventuell nicht nur mit angenehmen Mundgefühlen, sondern auch mit Fettrezeptoren zu tun hat, vervollständigt das Bild einer chemischen Zungensensorik, die in Wahrnehmungsspektrum und Bewertung an dem ausgerichtet ist, was für den menschlichen Stoffwechsel erforderlich ist – besser: unter den Bedingungen der Evolution dieses Stoffwechsels erforderlich war. Biologisch sinnvoll erscheint auch die Abhängigkeit der Hedonik vom vorherigen spezifischen Konsum. Wer etwa mit Zucker ‚abgefüllt‘ ist, bewertet Süßes nicht mehr so positiv wie im nüchternen Zustand (Alloästhesie), während seine Wertschätzung einer salzigen Speise von der Zuckersättigung nicht berührt wird; auch die Umkehrung gilt. Diese Voraussetzung für einen abwechslungsreichen Speisezettel führt (wie schon die besondere Lust am Süßen) unter den Bedingungen von Wohlstand (Überangebot von Nahrungsmitteln und gleichzeitiger Bewegungsarmut) zu verbreitetem Übergewicht – und zu industriellen Angeboten, die versprechen, die gustatorische Hedonik zu überlisten. Mimik und Körperbewegung. Die angesprochenen Bewertungen von süß und bitter spiegeln sich im Gesicht (gustofaziale Reflexe): Dem (wohl des entspannten Auskostens

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wegen) lächelnden Süßgesicht steht die bittere Miene gegenüber, die sich des Gekosteten angespannt zu entledigen scheint. Diese jedermann geläufigen Mimiken zeigen bereits Neugeborene [u Abb.] (ebenso wie die hier nicht abgebildete Mimik des Sauren). Dass die Mimik des Bitteren Teil einer umfassenderen Bewegung der Distanzierung darstellt, hatte schon der Philosoph Bacon (1870, S. 347) beobachtet; nach seinem Eindruck wird „das Bittere und widerlich Schmeckende“ derart zurückgestoßen, „dass es durch Übereinstimmung selbst ein Schütteln und Schaudern des Kopfes veranlasst“. Die Anzeichen von Ekel wirken ansteckend; neuerdings hat man die dazu passenden Aktivierungen im Gehirn sichtbar gemacht (Jabbi, Swart & Keysers, 2007). Lesen u Deibler & Delwiche, 2004; Jacob, 2002b; Logue, 1995; Mimik: Chiva, 1985; Darwin, 2000; Piderit, 1867

Multisensorisches Schmecken, Kochkulturen und Food Design „Schmetterlinge haben sowohl auf ihrem Rüssel als auch auf den Beinen Sinnesorgane der Geschmackswahrnehmung. Wäre es bei uns ebenso, dann hätten sich unsere Eßsitten wohl noch komplexer gestaltet.“ (Hass, 1987, S. 218)

Ein Schnupfen oder das beliebte Demonstrationsexperiment, Speisen und Getränke mit zugehaltener Nase zu verköstigen, belehren über den entscheidenden Beitrag des Riechens zum Geschmack (im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs): Ist die Nase verstopft, wird die sonst gegebene Luftbewegung im Mund- und Nasenraum, dank derer die Aromen von hinten in die Nase steigen (retronasales Riechen), unterbunden. Da Menschen ungleich mehr Gerüche wahrnehmen, als ihnen die Zungenchemie Geschmacksrichtungen vermittelt, lebt der Nuancenreichtum unterschiedlicher Kochkulturen in erster Linie von dem, was sie der Nase bieten. Aroma und Geschmacksinn (im Sinn von Chemosensorik der Zunge) ergänzen einander nicht nur. Wie bereits erwähnt, beeinflussen Aromen etwa die Wahrnehmung von Süße. Und auch die Umkehrung gilt: Die Intensität des Minzaromas von Kaugummi etwa hängt davon ab, wie süß er ist. Derartige gegenseitige Aroma- und Geschmackssteigerungen scheinen aber nur einzutreten, wenn es um gewohnte Kombinationen geht. Die Schärfe von Chili und das Brennen konzentrierter alkoholischer Getränke verdanken sich der u trigeminalen Chemorezeption in Mund- und Nasenraum. Auch die physikalischen Gegebenheiten von Speisen und Getränken tragen nicht unwesentlich zu ihrem Geschmack bei. Neben der Temperatur sind das Qualitäten, die taktil und durch die Haptik von Kauen und Schlucken (die Zunge selbst ist ja ein Muskel) wahr-

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Teil II: Die chemischen Sinne – Riechen und Schmecken

genommen werden: glatt – rau, weich – hart, bissig – zäh, feucht – trocken, wässrig vs. ölig/sämig/zähflüssig.

Philosophische Ästhetik u Taktile Theorie des Süßen und Bitteren Vielleicht brachte die deutliche Teilhabe des Gespürs am Schmecken den griechischen Philosophen Demokrit auf die Idee, süß, sauer, salzig und bitter auf die Berührung durch unterschiedliche Formen zurückzuführen. In Über die Natur der Dinge schloss sich dann der römische Schriftsteller Lukrez der Ansicht an, dass „Milch und Honigseim“ wie „alles, was unseren Sinn wohltuend berührt“, aus „glatten, runden Atomen besteht“, während alles, was bitter erscheint, von Atomen rührt, die „Haken besitzen“ (1957, S. 72f.). Noch Edmund Burke führt die entspannende Wirkung des Süßen darauf zurück, dass die runden Zuckerpartikel die Geschmackswärzchen umschmeicheln. Als naturwissenschaftliche Erklärung ist das ein apart-liebenswürdiger Anachronismus. Doch auch heute noch bringen Versuchspersonen in wahrnehmungspsychologischen Labors Süße, Glätte und Rundheit miteinander in Verbindung, wenn sie beispielsweise Geschmacksempfindungen mit Klangverläufen abgleichen (smooth vs. staccato [Simner, Cuskley & Kirby, 2010 ]; süß = legato gespielte Musik [Mesz, Trevisan & Sigman, 2011]) oder nach Assoziationen zu süß anmutenden Gerüchen gefragt werden (Stevenson, Rich & Russell, 2012). Den Geschmack von Milchschokolade assoziieren Probanden mit runden, den von bitterer Schokolade mit spitzen Formen (Ngo, Misra & Spence, 2011; Spence, Ngo, Percival & Smith, 2013). Das Verbindungsglied zwischen süß und glatt-rund dürfte die gleichermaßen entspannende Wirkung dieser gustatorischen und taktil-haptischen Eindrücke sein. Der Gegensatz von Entspannung und Anspannung, den Burke zum Drehpunkt seiner ästhetischen Theorie gemacht hatte [u Kap. 2 und 10], ist, wie die derzeitige Forschung zu Sinnesqualitäten zeigt, für die Theorie der Wahrnehmungsqualitäten nach wie vor eine erhellende Perspektive. Was das Schmecken angeht, machen nicht zuletzt die im Text angesprochenen gustofazialen Reflexe deutlich, wie fest süß und bitter mit der Polarität von Spannung und Lösung verbunden sind, die über die Grenzen der Sinnesgebiete hinweg – transmodal [u Kap. 9] – von Bedeutung ist.

Die taktil-haptischen Wahrnehmungen im Mund sind auch beeinflusst davon, wie sich die Speise anfühlt, bevor sie in den Mund gelangt; je nach Speisesitten also beispielsweise vom Spüren der Speisen mit den Fingern oder der um Besteck erweiterten Hand und schließlich dem Gefühl der Lippen. Auch visuelle Anzeichen für Konsistenz, Form und Textur wirken auf die Mundgefühle: zum einen, indem sie beim vorbereitenden Fühlen und Handhaben mitspielen, zum anderen, weil sie für sich genommen (also selbst, wenn man gefüttert wird) Erwartungen wecken. Zudem steht der taktilhaptische Beitrag zum Schmecken in enger Beziehung zu Geräuschen, die beim Handhaben der Speise und beim Beißen und Kauen entstehen oder ausbleiben (wie das berühmte Knacken frischer Kartoffelchips). In den vergangenen Jahren wurde experimentell nachgewiesen, dass taktil-haptische Eindrücke, wie der Grad an Zähflüssigkeit (Viskosität), ihrerseits die wahrge-

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nommene Intensität von Aromen verändern können (man stellt dabei sicher, dass der retronasale Gasdruck sich nicht mit dem Viskositätsgrad ändert, also die Geruchsrezeptoren jeweils den gleichen Input erhalten). Schon der Anblick von Speisen kann bekanntlich „das Wasser im Munde zusammenlaufen“ oder würgen lassen (etwa nach Ekelkonditionierung in Folge einer Lebensmittelvergiftung). Form und Farbe lassen Lebensmittel appetitlich oder widerwärtig erscheinen. Nachweislich wirkt Farbe auf die Wahrnehmung von Aromen (orange gefärbter Kirschsaft schmeckt nach Orangensaft; rot gefärbter Weißwein schmeckt tendenziell nach Rotwein). Wie im vorigen Kapitel bereits erwähnt, kann Ekel auch stellvertretend über Mimik erzeugt werden. Das gilt z. B. auch für Laute des Erbrechens. Umgekehrt wirken bekanntlich auch Mimiken und Geräusche des oralen Genießens und begleitende Laute des Wohlbehagens ansteckend. – Schließlich formen Wissen oder Vermutungen über Herkunft und Zubereitung des Aufgetischten, also Vorstellungsbilder – und damit nicht zuletzt verbale Informationen – Geschmackserwartungen und -wahrnehmung. Nach Befunden der Neurowissenschaft spielt der u orbitofrontale Kortex eine wesentliche Rolle bei der multisensorischen Hedonik des Schmeckens. Kochkulturen. Im Rahmen der biologischen Voraussetzungen bleibt den Kulturen erheblicher Spielraum für Nahrungsangebote. Die aus den jeweils regional verfügbaren Rohstoffen ausgewählten, zubereiteten und (in bestimmter räumlicher Ordnung und/oder Abfolge) präsentierten Nahrungsmittel machen die spezifische lokale Kochtradition aus, die bekanntlich entschieden dazu beiträgt, das Typische einer Kultur zu charakterisieren. Die Besonderheiten von Essen und Trinken sind zentral für kulturspezifisches Wahrnehmen und Handeln, weil sie eine alle Sinne umfassende sensomotorische Prägung bedeuten: ❚ Hier verweben sich die um Lust und Unlust kreisenden chemischen Sinne, die Zu-, Abwendung, Einvernahme und Ausstoßen vorbereiten (in der Sprache des Behaviorismus: die primären Verstärker), mit den Eindrücken der anderen Sinne; hier wird nicht zuletzt das, was die „niederen“, ins Milieu eingetauchten Sinne signalisieren, zu Wertungen des Sehens. ❚ Die Gewöhnung an die Aromen einer Ernährungskultur erfolgt bereits im pränatalen Stadium (sofern sie ins Fruchtwasser gelangen) und setzt sich nach der Geburt über die sprichwörtliche Muttermilch fort (Prägungen, die auch im Tierexperiment nachweisbar sind); wegen des nachhaltigen passiven Gedächtnisses für Gerüche und ihrer Potenz, Kontexte zu vergegenwärtigen, vermittelt das weitere Hineinwachsen in die Gewohnheiten von Essen und Trinken dauerhafte innere Bilder; Teil dieser Kultivierung von Vorstellungen, in denen sich die Individuen geborgen wissen, sind die materiellen Hilfsmittel (Tafel, Geschirr, Besteck), das soziale Arrangement und das Gebaren bei Mahlzeiten.

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Teil II: Die chemischen Sinne – Riechen und Schmecken

Demnach ist es nicht abwegig, wenn das Interesse an fremden Kulturen sich nicht zuletzt auf deren Küche richtet. Gleichzeitig vermag niemand die eigene diesbezügliche Prägung abzustreifen. Auf Reisen und bei sonstigen Kulturkontakten wird Nahrungs-Neophobie, Widerwille gegen neue Nahrungsangebote, virulent (auch wenn heute in der westlichen Zivilisation eine nivellierte gastronomische Multikulturalität verbreitet ist). Interesse am Fremden verlangt noch immer hier und da willentliche Überwindung solcher Abneigungen. Wenn man sich aber erst einmal an fremden Geschmack herangewagt hat, wird der regelmäßig mit zunehmender Bekanntschaft nicht nur attraktiver, sondern, wie in der Flavour-Forschung exemplarisch nachgewiesen, nach und nach auch sensibler wahrgenommen (Faurion, Cerf, Pillias & Boitreau, 2002). „Geschmack haben“ steht bekanntlich für einen in Fleisch und Blut übergegangenen anspruchsvollen oder gehobenen Lebensstil auch jenseits der Essgewohnheiten (soziale Aufsteiger ringen mit großer Mühe und zweifelhaftem Erfolg um einen „sicheren Geschmack“). Diese Metaphorik bringt die hier angedeutete Rolle der „niederen Sinne“ für die zweite Natur des ästhetischen Urteilens sinnfällig zum Ausdruck. Im Fall der gastronomischen Kolumnen in der Tages- und Wochenpresse geht die Abhandlung von Mahlzeiten nicht selten fließend in Belehrung über, die den Lebensstil betreffen.

Kulturgeschichte u Ist Kochen Kunst? Wenn diese Frage aufgeworfen wird, folgt in der Regel eine Aufzählung von verneinenden und bejahenden Antworten großer Denker und Dichter. Den Anfang macht meist Platons „Nein“, das für sich schon verschmerzbar scheint, weil sein Bannstrahl auch die Redekunst trifft. Die Revue von Autoritäten soll offenbar ungeachtet des offenen Ausgangs von Für und Wider beweisen, dass zumindest die Frage nicht ganz abwegig ist. Menü-Besprechungen im Feuilleton, die dazu anleiten wollen, Speisen als Kochkunstwerke angemessen zu würdigen, ist meist ebenfalls eine gewisse Bemühtheit eigen: Jürgen Dollase etwa schreibt in einer „Gourmetvision“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (216/2006) unter anderem von „Langustinen-Variation, bei der die Langustinen zur Verstärkung ihrer aromatischen Präsenz einseitig angeröstet sind. Bei der ersten Variation wird mit Hilfe einer Frischkäsecreme plus Langustinenjus eine sehr homogene Verbindung zu einem kalten Gurkengelee installiert (…) Die zweite Variante (…) klingt vergleichsweise normal, ergibt aber durch die genannten Röstnoten einen originellen, additiven Akkord mit der Oliven-Tomaten-Emulsion.“ Eine „geradezu pädagogische Austernvariante“ hat es ihm angetan, weil man hier nicht den Eindruck habe, „die Auster würde hier irgendwie begleitet.“ „Sie wird – wie das auch bei der ersten Langustinen-Variation der Fall ist – spektral in ihrem Aroma verstärkt.“

Food Design. Der Entwurf von Produkten für die Nahrungsmittelindustrie wird als Food Design bezeichnet. Gestaltung bezieht sich hier auf Erfindungen der Lebensmit-

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telchemie, also etwa gänzlich neue Roh- und Zwischenprodukte (wie ‚schön fettig‘ schmeckende Lightkost), Hilfsmittel der Produktion oder Techniken der Konservierung. Gestaltung umfasst weiterhin – wie bei der handwerklichen Kochkunst – das gesamte Spektrum der Sinne, einschließlich der visuellen Erscheinung, also dem, was man gemeinhin unter Design versteht, und erstreckt sich auch auf Namensgebung, Verpackung und Image, geht also fließend in Verpackungsdesign, Markendesign und Werbung über. Auch traditionelle Köche, Bäcker, Konditoren usf. gaben und geben ihren Produkten (jenseits des Rezepts im engeren Sinn) Formen und Farben, die Konsumenten ansprechen sollen. Handwerklich wie industriell reicht die Gestaltung vom kapriziös Verspielten bis zur möglichst einfachen geometrischen Form, wobei Ersteres vielleicht eher das Interesse, Letzteres (von der Mozart- oder Hallorenkugel bis zum Fischstäbchen) Vertrauen gegenüber einem eventuell noch unbekannten Innenleben bzw. Geschmack zu wecken vermag. Unabhängig von der spezifischen Wirkung von Form und Farbe wird ein Geschmack auf einen Blick wiedererkennbar, wenn er stets das gleiche Gesicht hat. In seiner äußeren Form ist das Lebensmittel gewissermaßen Verpackung seiner selbst. Im Falle von Restaurants, Cafés und sonstigen gastronomischen Betrieben (ob herkömmlich organisiert oder als globale Kette betrieben) leisten Interior Design, die Gestaltung von Abläufen, Service, Geschirr und schließlich die eben schon erwähnte Namensgebung (für das Lokal wie die Angebote auf der Speisekarte) ihren Beitrag zum Design des Schmeckens. Lesen u Multisensorik: Deibler & Delwiche, 2004, Kap. 7–9; Spence, Shankar & Blumenthal, 2011; Stevenson, 2009b, 2012; Stillman, 2002; Van Toller, 2002; Kochkultur: Engelhardt & Wild, 2005; Le Breton, 2006, Kap. 8; Leroi-Gourhan, 1980; Rigotti, 2003; Saito, 2010; Teuteberg, 1996; Wierlacher, 2005; Food Design: Diaconu, 2005; Ekuan, 1998; Schifferstein & Hekkert, 2008, Kap. 4 u. 24

Schmecken und Sexualität Hinweise auf eine innige Verbindung von Schmecken, Nahrungsaufnahme und Sexualität fehlen nie, wenn die Kulturgeschichte der Sinne oder die von Essen und Trinken abgehandelt wird. Diese Verknüpfung wurzelt in dem, was die chemischen Sinne im Tierreich leisten. Riechen hat auch beim Menschen eine Doppelfunktion. Zudem macht die besondere taktil-haptische Sensibilität Lippen, Mundhöhle und Zunge gleichermaßen zu möglichen Lustquellen beim Essen, Trinken wie auch im sexuellen Kontakt. Auf diese Seite der oralen Sinnlichkeit bezieht sich (neben dem Trieb, einzuverleiben) das Freudsche Postulat einer frühkindlichen „oralen Phase“ der Sexualität. Auf abstrakter Ebene ist eine gewisse Parallele von Nahrungsaufnahme und Sexualität darin zu sehen, dass Menschen sich hier wie da körperlich öffnen. Mit den Wor-

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ten des Psychiaters Hubertus Tellenbach: „Im Riechen und Schmecken verschmilzt das Subjekt mit der in Duft und Geschmack sich präsentierenden Welt. Weil im Oralsinn die Kommunikation am unmittelbarsten und entschiedensten gesetzt ist, zeigen die in seinem Zeichen erfolgenden menschlichen Begegnungen die Merkmale einer besonderen Intimität, wie sie sich vor allem im Kulinarischen und im Erotischen ereignet.“ (1987, S. 292) Nach den nüchterneren Begriffen des Behaviorismus liegt die Verbindung von Nahrungsaufnahme und Sexualität darin, dass beide primäre Lustquellen bzw. Verstärker sind, deren Wirkung von gemeinsamen Nervennetzen vermittelt wird (Rolls, 2005). Weniger um das Schmecken oder körperliche Öffnung, sondern um (magische) nährende Wirkungen des Aufgenommenen geht es, wenn Nahrungsmittel zu Aphrodisiaka, sexuellen Stimulantien, erklärt werden. Der Glaube an solche Wirkungen verdankt sich aber wahrscheinlich nicht zuletzt sinnlich erfahrbaren Analogien zu Sexualorganen und -sekreten.

Eat-Art und Schmeck-Pädagogik In der zeitgenössischen Kunst sind seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts Experimente mit Lebensmitteln, deren Zubereitung und Verzehr heimisch geworden. Zum einen werden Kochen und Essen selbst zu Kunst in Aktion (Happening), zum anderen werden gegenständliche Werke rund um das Thema Ernährung geschaffen, in denen Lebensmittel selbst sowie Gerätschaften des Kochens, Geschirr, Besteck etc. als Medien genutzt werden. Teils verstehen die Künstler, wie etwa Daniel Spoerri, einer der Erfinder und wohl der erfolgreichste Vertreter der Eat-Art, ihre Bemühungen als Hommage an die (in ihren Augen nicht hinreichend gewürdigte) Kochkunst. Zugleich beabsichtigen sie mit ihren vergänglichen Werken Sozial- und Kulturkritik; schließlich stellen sie auch – mehr oder minder selbstironisch – Kunst und Kunstbetrieb in Frage. Neben inszeniertem Genuss und gefälligen Produkten vergangenen Tafelns (wie Spoerris nach dem Essen fixierte Esstische, die, als Reliefs an die Wand gehängt, Spuren gelebten Lebens vermitteln, die atmosphärisch wirken) bringen die provokatorischen Intentionen dieser Kunst manches Ekelhafte mit sich. Einiges kreist handfest um Sexualität und Tod – Themen, die auch traditionellen bildnerischen Darstellungen oraler Genüsse nicht fremd waren (als moralischer Kommentar zum Genießen). In ihrer Tätigkeit als Kunstprofessoren initiierten Ess-Künstler wie Spoerri oder auch Peter Kubelka Rekonstruktionen vergangener oder fremder Kochkulturen. Dabei wird u. a. mit der u Neophobie des Publikums gespielt. Dies, wie auch Momente der Verfremdung der gewohnten Praxis von Kochen und Essen, schließt Belehrungen ein, die sich mit Ansätzen zu einer Pädagogik des Schmeckens treffen.

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Bei Schmeck-Pädagogik geht es, auf einen einfachen Nenner gebracht, darum, einen analytischen Zugang zu den multisensorischen Komponenten der Gaumengenüsse einzuüben. U. a. werden die sprachlichen Voraussetzungen für eine differenzierte Wahrnehmung geschaffen. Dabei gilt es zu bedenken, dass das Aufwachsen in einem bestimmten Milieu eine Prägung darstellt, die mit einzelnen Unterrichtseinheiten nur schwer zu korrigieren ist. Da zudem gerade das Herausfiltern von Aromabestandteilen nur in engen Grenzen möglich scheint (Stevenson, 2012) und die sprachliche Fassbarkeit von Wohlgeschmack auch bei einem weiten Horizont, also vielen benennbaren Vergleichen, beschränkt bleibt, sollte im Feinschmecker-Lehrprogramm ein gewisser Humor gegenüber den Gespreiztheiten, die da drohen, nicht fehlen. Lesen u Diaconu, 2005; Heindl, 2005; Meier-Ploeger, 2005; Kunstforum, 159/160, 2002; Neumann, 2005; Puisais, 1996

Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom Schmecken Bilder vom Schmecken sind meist Bilder vom prallen Leben: Sie suggerieren umfassenden (tendenziell maßlosen) Sinnengenuss und Lebensfreude (überbordende Tafel, prall gefüllter Kühlschrank, kollektives Genießen, Gelage bzw. Orgie, Spuren hemmungslosen Genusses wie verschmierte Münder). Und/oder eben die Kehrseite davon, je nachdem, ob nun – wie regelmäßig bei traditionellen allegorischen Darstellungen und auch bei zeitgenössischer Kunst – ein moralischer Zeigefinger im Spiel ist oder, wie im Fall der Nahrungsmittelwerbung, ungetrübtes Glück zur Anschauung gebracht werden soll. Opulenz (Buntheit, Vielfalt) vs. Kargheit kennzeichnet Bilder vom Schmecken (Essen & Trinken) auch formal (im Werbespot durch entsprechende u Atmo unterstrichen). Wegen der Rolle des Riechens beim Schmecken verstehen sich Überschneidungen mit der Ikonographie des Riechens [u Kap. 5] von selbst: (begieriges/hingegebenes) Fixieren, Aufnehmen bzw. Sichöffnen vs. (angeekeltes) Ausstoßen bzw. Sichabwenden. Lesen u Jütte, 2000; Kanz, 2004; Kaufmann, 1943; Kunstforum international, 159 & 160, 2002

Rückschau in Fragen Welches sind die Geschmacksqualitäten, die auf Verarbeitung der Reizung der chemischen Rezeptoren auf der Zunge zurückgehen? Wie nimmt man das Aroma von Speisen und Getränken wahr? Wie lässt sich das demonstrieren? Wie und wo werden Reize registriert, die den Qualitäten scharf und brennend zugrunde liegen? Wie wirkt sich der Ausfall des Geruchssinnes auf die gustatorische Wahrnehmung aus? Was bedeutet das?

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Teil II: Die chemischen Sinne – Riechen und Schmecken

Wie lässt sich die Hedonik der geschmacklichen Grundqualitäten (der Zunge) verstehen? Warum ist das eine Herausforderung für das Food Design? Was sind gustofaziale Reflexe? Wie fügen sie sich in eine somatopsychologische Sicht [u Kap. 1] von Gefühlen ein? Wie entwickelt sich die Hedonik des Bitteren im Lebenslauf? Wie erklärt man diese Entwicklung? Welche taktilen Qualitäten werden mit süß beziehungsweise bitter verbunden? Woran könnte das liegen? Was heißt konkret: Essen und Trinken betreffen alle Sinne? Welche Wechselwirkungen zwischen den geschmacklichen Grundqualitäten (der Zunge) und Aromen bzw. zwischen Aromen und anderen Sinnesmodaltäten sind bekannt? Inwiefern spiegelt sich die Multisensualität des Schmeckens in der funktionellen Neuroanatomie? Wie erklärt sich, dass Kultur(zugehörigkeit) nicht zuletzt „Geschmackssache“ ist? Was ist Neophobie? Warum spielen Sexualität und Tod eine wichtige Rolle in allegorischen Darstellungen des Geschmackssinnes? Was sind typische Anliegen von Eat-Art? Wie verhalten sie sich zu den Intentionen von Food Design? Was bezweckt Schmeckpädagogik? Mit welchen Schwierigkeiten, die in der Natur der chemischen Sinne liegen, hat Letztere zu kämpfen?

Teil III Die „höheren Sinne“ – Sehen und Hören

Hören und Sehen sind Distanzsinne. Mit dieser Bezeichnung wird nicht nur das Wahrnehmen von entfernten Gegebenheiten verbunden, sondern auch ein besonderer psychischer Abstand: Anders als Riechen, Schmecken und Spüren stehen Hören und Sehen für Freiheit (vs. animalische Notwendigkeit) und Intellekt (vs. Gefühl). Für Philosophen wie Kant rechtfertigt das die Etikettierung von Hören und Sehen als höhere Sinne. Manchem heutigen Kulturkritiker gilt umgekehrt dieser Abstand als Verlust von Sinnlichkeit, der erst relativ spät in der Geschichte über die (westliche) Menschheit hereingebrochen sei und dem entgegenzuwirken es gelte – etwa durch die künstlerische Aufwertung der anderen Sinne. Ohne Zweifel tragen Hören und Sehen eine besondere Nähe zur Vergeistigung (Abstraktion, Imagination) in sich. Die Bedeutung dieser Sinne in Alltag wie auch Kunst dürfte indessen im Wesentlichen eine anthropologische Konstante sein, nicht ein Sonderweg der westlichen Kultur. – Was bei Lob wie Tadel der höheren Sinne übersehen wird: Auch Hören und Sehen tragen Züge, die durch unwillkürliche affektive Involvierung statt psychische Distanz gekennzeichnet sind. Das liegt, wie die beiden folgenden Kapitel zeigen, unter anderem an der engen Beziehung von Sehen und Hören zur körperlichen Bewegung. Lesen u Aichinger, Eder & Leitner, 2003; Finnegan, 2002; Howes, 2005; Ingold, 2000, Kap. 14

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Das Auge ist so gebaut, dass die Netzhaut spiegelt, wie elektromagnetische Strahlung in einem bestimmten Frequenzbereich – Licht – von der Umgebung reflektiert wird. Für bewegliche Organismen ist das sehr hilfreich. Dank der Lichtverteilung, den Reflexionen des sichtbaren Teils der Sonnenstrahlung an den Oberflächen der Welt, erfährt das Augentier Mensch nicht zuletzt, wo sich was in Distanz bewegt und welche Bahnen der eigenen Bewegung sich anbieten (Freunde, Feinde, Beute, sichere, schnelle Annäherung oder Flucht). Visuelle Wahrnehmung von Bewegung spielt weiter eine Rolle bei der Kommunikation mit Artgenossen. Der menschliche Organismus nutzt Licht nicht nur zum Erkennen von Objekten und Szenen, sondern schätzt die Strahlung, die das Auge aufnimmt, auch als solche: Licht für sich ist eine affektiv höchst wirksame Empfindung. In diesem Kapitel gehen wir vom Empfinden von Licht als solchem aus, um anschließend zu betrachten, was im Licht sichtbar wird.

Neuro-Skizze u Sehen Im Hintergrund des Auges, dessen Bau dem einer Kamera ähnelt (Iris als Blende, Linse, Projektion auf die Rückwand), befindet sich die Netzhaut [u Abb.] mit den lichtempfindlichen Zellen (drei Typen von Zäpfchen- sowie die Stäbchenzellen und einer Art von Ganglienzellen; Erstere mit einem Empfindlichkeitsmaximum jeweils bei kurz-, mittel- und langwelliger Strahlung, Stäbchen sind besonders empfindlich im Bereich zwischen den Kurz- und Mittelwellenzapfen; die Stäbchen sind nur in der Dämmerung und bei Mondlicht aktiv, während bei dieser schwachen Beleuchtung die Zapfen ihre Arbeit einstellen; lichtempfindliche Riesenganglienzellen tragen u. a. zur Steuerung des Schlaf-WachRhythmus bei). In der Mitte des Augenhintergrunds findet sich eine Stelle, an der die Zapfen sehr dicht nebeneinanderliegen, während Stäbchen fehlen. Dieser grubenartige Bereich (fovea centralis) und etwas eingeschränkt auch dessen nähere Umgebung (macula) ermöglichen scharfes Sehen (das nur bei Tageslicht bzw. hinreichender Beleuchtung möglich ist). In der Peripherie der Netzhaut finden sich lockerer gepackt sowohl Stäbchen als auch Zapfen.

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Teil III: Die „höheren Sinne“ – Sehen und Hören

Hinter (oder besser: vor) Zapfen und Stäbchen liegt eine Schicht verschiedener Nervenzelltypen, die die Erregung fortleiten bzw. durch Kombination einer ersten Verarbeitung unterziehen. Sammelpunkte sind die Ganglienzellen. Deren Ausgänge bilden die Fasern des Sehnervs. Da dieses Netzwerk auf der Lichtseite der Netzhaut liegt (insofern vor den Zapfen und Stäbchen), hat die Netzhaut einen blinden Fleck: An jener Stelle, an der die gebündelten Fasern des Sehnervs die Netzhaut verlassen, muss der Teppich von Zapfen und Stäbchen unterbrochen werden. (Eine neuerdings entdeckte Art von Lichttrichterzellen scheint dafür zu sorgen, dass hinreichend Licht durch die ‚verkehrt’ konstruierte Netzhaut dringt.) Ein Prinzip bei der Bündelung von Sensorzellen (und auch auf höheren Stufen der Verarbeitung) ist die Kontrastverstärkung durch seitliche (laterale) Hemmung [u Abb.]: Jeder lokale Lichtreiz hemmt, vereinfacht gesagt, die Weitergabe der benachbarten Lichtreize, was an Übergängen von hell zu weniger hell zu einer Verstärkung der Differenz führt (Simultankontrast; Machbänder). Ein Typ von (größeren) Ganglienzellen erhält Zufluss von vielen Sensorzellen im Randbereich der Netzhaut (großes rezeptives Feld), ein kleinerer Typus sammelt die Erregung von wenigeren zentralen Sensorzellen. Erstere leiten die Erregung etwas schneller weiter und reagieren eher auf Bewegung (und münden letztlich in die Wo-Bahn des Kortex; siehe unten), Letztere geben stationäre Details wieder (und speisen in die Was-Bahn ein). Die Sehnerven aus rechtem und linkem Auge führen zur jeweils anderen Seite des Gehirns [u Abb.]. Da, wo sie sich überkreuzen (Chiasma opticum), verteilen sich die Fasern so, dass jeweils die rechte und linke Hälfte des Gesichtsfeldes aus beiden Augen verbunden werden und dann zur jeweils der Gesichtsfeldhälfte gegenüberliegenden Seite des Gehirns weiterführen: zunächst in den sogenannten seitlichen Kniehöcker (corpus geniculatum laterale) des Thalamus; von dort aufgefächert in der Sehstrahlung zur primären Sehrinde im Hinterhauptslappen (Okzipitallappen). Noch vor dem Thalamus führen Abzweigungen der Sehnerven in Zentren, die für die Bewegung der Augen zuständig sind (Colliculi superiores). Ein eigener Trakt, der stammesgeschichtlich wahrscheinlich älter ist als das restliche visuelle System, führt zum Zwischenhirn (mit den suprachiasmatischen Kernen des Hypothalamus als Verteilerstation), wo Wirkung von Licht auf den Schlaf-Wach-Rhythmus (u. a. über die Melatoninausschüttung der Zirbeldrüse bei Dunkelheit) und Stimmung vermittelt wird, und zum aufsteigenden Erregungssystem im Hirnstamm (formatio reticularis; Wachheitsgrad, Orientierungsreaktion). Auf die Regulation von Erregung, Stimmung sowie Gefühlen in tieferen Schichten des Gehirns, insbesondere dem limbischen System, nehmen auch Bahnen aus Thalamus und Sehrinde Einfluss (Informationen von verschiedenen Stufen der Interpretation des Netzhautbildes kommen hier zusammen). Im primären visuellen Kortex im Hinterhauptslappen (V1) ist das Netzhautbild repräsentiert (Retinotopie). Allerdings entsprechend der Sensordichte verzerrt: Der zentrale

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Bereich des Netzhautbildes ist deutlich überrepräsentiert (vergleichbar den sensibilitätsabhängigen Proportionen des u somatosensorischen Homunculus). Hier finden sich Zellen, die auf elementare Aspekte von Formen, etwa nur auf Konturen bestimmter Ausrichtung (z. B. vertikal oder horizontal), ansprechen. Die anschließenden visuellen Bereiche zeigen zum Teil gewisse Spezialisierungen bei der weiteren Verarbeitung des Netzhautbildes etwa nach Form oder Farbe. Daran schließen Areale des assoziativen visuellen Kortex an, die Bereiche von Schläfen- und Scheitellappen einschließen. Diese spielen auch beim Abgleich mit Reizen der anderen Sinne eine wichtige Rolle [u Kap. 9]. Man unterscheidet zwei hauptsächliche Wege der kortikalen visuellen Analyse: die Wo- und die Was-Bahn. Erstere, wegen ihrer anatomischen Lage auch dorsaler Pfad

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Teil III: Die „höheren Sinne“ – Sehen und Hören

genannt (vom Hinterhauptslappen über den „Rücken“ des Gehirns zum Scheitel- und weiter zum Frontallappen), sorgt für die Lokalisierung des visuellen Eindrucks im Raum bzw. im Verhältnis zum eigenen Körper und vermittelt weiter über motorische Module im Frontallappen zielsicheres Agieren (deshalb manchmal auch als Wie-Bahn bezeichnet); diese Bahn scheint bei hoher Sensibilität für Kontraste besonders schnell zu arbeiten. Die Was-Bahn wird auch ventraler Pfad genannt (vom Hinterhauptslappen auf der „Bauchseite“ des Gehirns zu Bereichen des Temporallappens wie der fusiformen Windung); diese Bahn wird mit Erkennen und Benennen von Objekten und Gesichtern in Verbindung gebracht; hier werden Farben unterschieden, die Sensibilität für Kontraste ist relativ gering, die Arbeitsweise trennscharf, aber relativ langsam. Man darf aus dieser nicht unumstrittenen Unterscheidung aber nicht folgern, dass es keine Wechselbeziehungen zwischen den beiden Nervenverbänden gäbe. Manche Forscher postulieren neuerdings einen weiteren (ventro-dorsalen) Zwischenpfad (Gallese, 2007). Das (bei Affen durch Ableitung von einzelnen Zellen nachgewiesene) System von Spiegelneuronen im Scheitellappen und im prämotorischen Areal F5 im Frontallappen, die sowohl bei eigenem Agieren wie beim Beobachten von Handlungen anderer aktiv sind, ist der Wo/Wie-Bahn bzw. dem ventro-dorsalen Pfad zuzurechnen. Neben den Spiegelneuronen finden sich in den genannten Bereichen auch sogenannte kanonische Neurone, die sowohl bei eigenen objektbezogenen Aktionen als auch beim Anblick der Objekte aktiv sind. Da die Reize aus dem Auge in unterschiedlichen Modulen des visuellen Systems verarbeitet werden (z. B. hinsichtlich Form, Farbe und Bewegung), stellt sich prinzipiell die Frage, warum unser Weltbild nicht fragmentiert ist, sondern sich Farb-, Form- und Lokalisierungsinformationen zu einheitlichen Anschauungen verbinden (u Bindungsproblem [u Kap. 9]). Lesen u Birbaumer & Schmidt, 2006; Bösel, 2006; Boyce, 2003; Rizzolatti & Sinigaglia, 2008; Rizzolatti, Fogassi & Gallese, 2000; Roberts, 2002, Kap. 10, 12 u. 13

Lichterscheinungen – Beleuchtungsverhältnisse „Unter allen Objekten der Wahrnehmung ist das Licht dasjenige, welches die höchste Lust erregt.“ („Lux inter omni apprehensioni est maxime delectabile“; der mittelalterliche Philosoph und Naturforscher Witelo, zit. nach Schöne, 1954, S. 66) „Die räthselhafte Anziehungskraft, die das Feuer auf Insekten, Fische und Vögel ausübt, ist jedermann bekannt. […] Unseren Kindern würde das Spiel mit dem Feuer eine der liebsten Unterhaltungen sein, wenn wir es nicht der Gefahr wegen auf jede Weise zu verhindern suchten […]. Was die Erwachsenen betrifft, so tritt die Freude am Glanz der Flammen bei ihren religiösen und weltlichen Festen überall hervor. […] Der Lichthunger des Menschen ist so gewaltig, dass ihm das Licht das natürliche Symbol des Göttlichen ist.“ (Groos, 1899, S. 63f.)

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In der Wahrnehmungspsychologie werden seit langem Variationen des Helligkeitseindrucks (Kontrastphänomene, Helligkeitskonstanz etc.) experimentell untersucht (Rock, 1985; Gilchrist, 2006). Die biologische Psychologie interessiert Licht als Taktgeber für Wachen und Schlafen; die Winterdepression (SAD, Seasonal Affective Disorder) gilt als Störung dieser Periodik und wird durch Lichtduschen behandelt (Kasper & Möller, 2004). Wie Licht als solches erlebt wird, beschäftigt heute weniger Psychologen als Kultur-, Religions- und Kunstwissenschaftler sowie Künstler, Architekten und Designer; lediglich einige Arbeits- und Umweltpsychologen greifen dieses Thema auf. Licht-Pathos/Licht-Mystik. Die Faszination durch Licht ist ein vielbeschriebenes Phänomen. Was die bewusste Wahrnehmung von Licht angeht, konstatiert etwa der Kulturwissenschaftler Wolfgang Schievelbusch: „Einer der ältesten Menschheitsvorstellungen zufolge bringt Licht Erlösung.“ (1992, S. 86) Die Religionen aller Zeiten und Völker ließen sich, so Schievelbusch weiter, als Versuch verstehen, das „Urerlebnis“ der „Wiedergeburt der Welt“, das jeder Sonnenaufgang mit sich bringe, zu verarbeiten. Die Verzückung durch Licht ist indessen durch Freude über die Vertreibung der Finsternis – also die vom Licht vermittelte Sichtbarkeit der Welt – wohl nicht (hinreichend) erklärt. Sichtbarkeit hat zweifellos einen emotionalen Wert, schafft Sicherheit, vertreibt Gespenster. Aber auch von gleißendem Licht sind Menschen unter Umständen fasziniert, obwohl es blendet, also Sichtbarkeit überstrahlt. Die in der Psychologie seit geraumer Zeit in Ungnade gefallene Unterscheidung von Empfinden und Wahrnehmen drängt sich in diesem Zusammenhang auf: Der Reiz zählt unabhängig davon, ob er zur Orientierung über die Welt beiträgt. Die Lust am Licht ist offenbar unabhängig von gegenständlichem Wahrnehmen. Heinz Werner (1966) kennzeichnete solches Erleben – wie man es ähnlich bei der ekstatischen Hingabe an intensive Reize aller Sinne beobachten kann [u Kap. 10] – als Vitalempfindung. Aus der Forschung über veränderte Wachbewusstseinszustände, also Erlebnissen bei Konsum psychoaktiver Drogen, dem Praktizieren von Meditations- oder Trancetechniken (Dittrich, 1985; Austin, 1999), aus der Beschreibung von epileptischen Zuständen (Janz, 1998) sowie intensiven Träumen (Hunt, 1989) ist bekannt, dass es zu faszinierenden Erfahrungen von strahlendem Licht auch ohne äußeren Reiz kommen kann. Ob nun durch Lichtreize im Auge oder auf anderem Weg verursacht, scheint in der beglückenden Leuchtempfindung regelmäßig Transzendenz (die Vision von etwas, was die beschränkte menschliche Existenz übersteigt) zur konkreten sinnlichen Erfahrung zu werden. Damit weist die Lust an Licht als solchem auf die Verwurzelung religiöser Gefühle in besonderer zentralnervöser Erregung, die aus intensiven sensorischen Erlebnissen resultiert oder mit entsprechenden Halluzinationen einhergeht (Persinger, 1987). Die affektive Bedeutung von Licht zeigt sich auch in weniger spektakulären Befindlichkeiten: „Hell“ und „dunkel“ (und Synonyme) sind gängige metaphorische Um-

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schreibungen von Stimmungen. Der antike Begriff Melancholie (griech.: Schwarzgalligkeit) führt mangelnde Lebensfreude auf eine körperliche Konstitution zurück, die als Art innerer Finsternis dem positiven Effekt von Licht entgegenwirkt. Stimmung steht für den diffus gefühlten momentanen psychophysischen Zustand [u Kap. 10]. Willy Hellpach, der Begründer der Umweltpsychologie, hatte in Geopsyche (1977) die erregende Wirkung von Licht auf die Gesamtverfassung des Organismus thematisiert (er nannte die globale Befindlichkeit Tonus und einschlägige Effekte von Sinnesreizen sensutonische Wirkungen): „Jedes Licht in seiner natürlichen Erscheinungsform, also als strahlendes oder zerstreutes (diffuses) oder gespiegeltes Sonnenlicht wirkt auf den Organismus erregend, dasselbe gilt für jede Lichtvermehrung, sei es der Menge oder der Stärke nach (…).“ (S. 43) Die Abhängigkeit der Stimmung von optimaler Versorgung mit Tageslicht ist heute ein gesicherter Befund der Arbeitswissenschaft (Küller et al., 2006). Verantwortlich für die erregende Wirkung von Licht sind wahrscheinlich Verbindungen von der Netzhaut zu den Zwischenhirnmodulen (Hypothalmus, Zirbeldrüse), die über Hormonausschüttungen die Tagesperiodik steuern, und zum retikulären (Weck-)System im Hirnstamm. Darüber hinaus wirkt Sonnenstrahlung auch in ihren unsichtbaren Frequenzbereichen (UV, Infrarot) über die Haut auf Tonus und Stimmung ein (Küller, 1990; Küller et al., 2006). Helligkeit ist eine transmodale Qualität: Als „hell“ oder „dunkel“ werden auch Empfindungen in anderen Sinnesmodalitäten charakterisiert (helle bzw. dunkle Klänge oder Düfte). Dafür könnte die erregende Wirkung von Licht verantwortlich sein [u Kap. 9]. Licht begeistert, ist aber – unabhängig von möglicher Einschränkung des Wahrnehmens durch Blendung – nur in Grenzen genießbar. Der Blick in starke Strahlung – etwa direktes, ungetrübtes Mittagssonnenlicht – ist bekanntlich kaum für Momente erträglich (und schädigt schnell das Auge). An intensives indirektes Sonnenlicht kann sich das menschliche Auge bis zu einem gewissen Grad durch Verengung der Iris und Verringerung der Lichtempfindlichkeit (Adaptation) der Sensorzellen in der Netzhaut anpassen.

Kunst, Medien & Werbung u Sonne und Gegenlicht Sonnenauf- und -untergang: In diesen Situationen kann das Auge einen Blick in die übermächtige Lichtquelle wagen, weil der lange Weg durch die Atmosphäre die Strahlung filtert. Der energiereichere kurzwellige (blaue) Anteil wird prinzipiell stärker an Luftmolekülen gestreut, weshalb der Himmel blau erscheint. Morgens und abends erhöht sich wegen des längeren Wegs durch die Luft der relative Anteil der langwelligen Strahlung auf der Erdoberfläche: Die Sonne und der von ihr erleuchtete Staub und Dunst der Atmosphäre sind in Rottöne getaucht. Dieses Leuchten und die davon beschienenen

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Objekte auf der Erdoberfläche wie die Wolken, die schon vor oder noch nach Sonnenauf- bzw. -untergang von unten beleuchtet werden, kontrastieren in solchen Momenten mit der noch oder schon herrschenden Dämmerung. Universell schlägt dieses Schauspiel Betrachter in Bann. Bildlich wird es von Menschen nicht erst seit der Geburt der Postkarte festgehalten, mit der es zum Emblem für primitiven ästhetischen Genuss (u Kitsch) geworden ist. Wolken im Gegenlicht. Im Fall von Sonnenstrahlen, die sich am Rand einer Wolke Bahn brechen, lässt sich ein verkraftbarer Vorschein der taghellen Sonne erhaschen. Das Durchleuchtetwerden (Transluzenz) (des Randes) der Wolke macht diese selbst zum himmlischen Leuchtkörper. Die Wolke erlangt so eine geheimnisvolle Aura. Zugleich werden oft – im Kontrast zu verschatteten Bereichen der Atmosphäre – Strahlen sichtbar, die nicht das Auge treffen. Diese Lichtkanäle machen die Luft ausnahmsweise zum sichtbaren Medium bzw. füllen den Raum mit ‚Lichtmaterie’. Auch weil sich das Ganze am Himmel abspielt, liegt eine religiöse Auffassung dieser Erscheinungen (Herrgottsstrahlen), wie sie sich in Darstellung des Motivs in der religiösen Kunst zeigt, nahe. Selbst bei erdnäheren Objekten im Gegenlicht, etwa dem Laubwerk von Bäumen, dem Haar oder der Bekleidung von Personen, beeindrucken das scheinbare Selbstleuchten bzw. der Lichtkranz an den Konturen (Aura) sowie eventuell sichtbar werdende Strahlen (Lichtkanäle). Für religiöse und politische Rituale (Nimbus von Priestern und Herrschern), Feste, Theater und Kino werden Gegenlichtsituationen bzw. deren Effekte (Konturbeleuchtung, radiale Strahlen) durch Bauweise oder Beleuchtungstechnik inszeniert, um ein Publikum in den Bann zu ziehen.

Glanz. Glanz entsteht durch einen relativ hohen Anteil gerichteter (im Unterschied zu diffuser) Reflexion. Spiegelglanz ist ein Sonderfall, bei dem der Anteil diffuser Reflexion besonders klein ist. Glänzende Flächen sind ein Blickfang. Glanz vermittelt – sofern man nicht auf die Wahrnehmung benachbarter Gegebenheiten oder der Oberflächen (Bilder, Schrift), auf denen er liegt, aus ist – lustvolle Empfindungen. Glanz liefert eine Metapher auch für besonders beeindruckende Erscheinungen jenseits von Licht und Beleuchtung („ein glanzvoller Auftritt“). Alles, was glänzt, argumentieren die Evolutionspsychologen Coss und Moore (1990; vgl. Coss, 2003), erfreut uns, weil wir Glanz mit Wasser in Verbindung bringen. Denn Wasser ist lebenswichtig. Fraglos ist Glanz ein wichtiger – manchmal täuschender (Fata Morgana) – Hinweis auf Wasseroberflächen beziehungsweise Feuchtigkeit. Schuster (1990) fügt noch die Mutmaßung hinzu, vielleicht würden andere Glanzträger – Augen oder unbehaarte Haut – wegen ihrer wichtigen Rolle in Kommunikation beziehungsweise sexueller Anziehung verständlich machen, warum Glanz fasziniert. Doch angesichts der Lichtbegeisterung auch jenseits von Glanzerscheinungen ist die Freude an glänzenden Dingen nicht erst dank einer Stellvertreterrolle als Wasser-, Augen- oder Hautindikator erklärbar: Das konzentrierte Leuchten ist Rauschmittel genug.

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Experiment u Binokularer Glanz (oder: Blick auf eine heimliche Quelle der 3D-Kino-Faszination) Hermann von Helmholtz formulierte 1867: „Wenn eine matte Oberfläche von Licht getroffen wird, so sendet sie dieses Licht gleichmässig nach allen Richtungen in der Weise zurück, dass sie von allen Richtungen aus gesehen gleich hell erscheint. Folglich wird sie auch unter den normalen Bedingungen des Sehens unseren beiden Augen immer gleich hell erscheinen. Glänzende Flächen dagegen sind solche, die eine mehr oder weniger regelmässige spiegelnde Reflexion zeigen. Sie können eine Menge grösserer oder kleinerer hügeliger Unebenheiten zeigen; wenn die Oberfläche dieser Hügel polirt ist und überwiegend einer bestimmten Richtung sich nähert, so werden sie doch auffallendes Licht in überwiegender Menge in derjenigen Richtung zurückwerfen, in der eine regelmässig spiegelnde Fläche alles Licht zurückwerfen würde. Unter diesen Umständen wird es oft vorkommen, dass eines unserer Augen sich in der Richtung des zurückgeworfenen Lichts befindet, das andere nicht. Dem ersteren erscheint dann die betreffende Fläche stark erleuchtet, dem anderen schwach.“ (S. 782f.) Weil also Glanz oft mit der beschriebenen Helligkeitsdifferenz für beide Augen verbunden ist, schließt v. Helmholtz, glänzt ein Objekt, das man in einem Stereoskop dem einen Auge hell, dem anderen dunkel darbietet: „Sehen wir also im Stereoskope an dem Bilde eines Körpers eine Fläche mit beiden Augen verschieden stark erleuchtet, so erhalten wir einen sinnlichen Eindruck, den in Wirklichkeit nur glänzende, aber niemals matte Flächen hervorbringen können, und die betreffende Fläche erscheint uns deshalb glänzend.“ (S. 783) Er demonstriert den Effekt an stereoskopischen Zeichnungen eines Kristallmodells [u Abb.]: „Man erhält dabei den Eindruck, als wäre der Körper, den man sieht, aus einer dunklen glänzenden Masse, wie Graphit, ausgeführt […].“ (S. 782) Der magische Glanz entsteht auch ohne Stereoskop, wenn man nicht jeweils eines der Objekte fixiert, sondern durch sie gewissermaßen so hindurchstarrt, dass sich die Blickachsen beider Augen hinter dem Bild treffen. Man kann diesen sogenannten binokularen Glanz auch erzeugen, indem man statt eines Körpers, der aus zwei Blickwinkeln dargestellt wird (und dann beim Stereosehen plastisch erscheint), einfach eine helle und eine dunkle Scheibe [u Abb.] stereoskopisch betrachtet. Bemerkenswert ist, dass sich mit diesen Vorlagen auch ohne Stereoskop oder besagtes Starren ein für beide Augen, aber auch nur eines, sichtbarer Schimmer erzeugen lässt, indem man beide Bilder im schnellen Wechsel an derselben Stelle darbietet (also einen Flickerfilm aus heller und dunkler Scheibe erstellt [siehe auch Experiment u 3D mit einem Auge (II)]). – Wegen der Besonderheiten der Optik von Stereokameras gegenüber dem natürlichen Sehen mit beiden Augen entstehen bei 3D-Aufnahmen Helligkeitsdifferenzen, die für den späteren Betrachter der Fotos oder Filme Glanz mit sich

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bringen, der bei realem Betrachten der Szene nicht gegeben wäre. Dieser oft nur beiläufig bemerkte magische Schimmer, der beispielsweise über mancher Einstellung der 3DVersion von Wenders’ Pina liegt, mag zur Faszination des 3D-Kinos beitragen. Lesen u Anstis, 2000; Bühler, 1922; Helmholtz, 1867; Ludwig, Pieper & Lachnit, 2007

In der älteren Wahrnehmungspsychologie wurden Entstehungsbedingungen und Formen von Glanz sowie die Abgrenzung von Glanz und Leuchten lebhaft diskutiert (u. a. Helmholtz, Hering, Katz, Bühler und Wundt, teils in Fortführung von Beobachtungen von Leonardo da Vinci). Als Besonderheit von Metallglanz wurde aufgewiesen, dass hier der Glanz von der Eigenfarbe des Materials imprägniert ist. Dieses Phänomen geht Hand in Hand damit, dass im Fall von Metallen der Glanz hinter bzw. unter der Oberfläche erscheint, während er sonst auf der Oberfläche der Gegenstände liegt und ihre Eigenfarbe verdeckt. Glanz hat im Falle von Metallen also Tiefe, statt ein Überzug zu sein. Das trägt zum Zauber glänzender metallischer Oberflächen bei (Lichtmaterie, Aura). Entsprechende Anwendungen reichen vom Goldgrund der frühmittelalterlichen Ikonenmalerei bis zum zeitgenössischen Design, etwa dem Metallic-Lack-Glanz, in den Automobile gehüllt werden. Erforscht wird Glanz heute hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der Blendung, also hinderlicher Wahrnehmungs- bzw. Arbeitsbedingungen (Ergonmomie bzw. Human-Factors-Forschung). Nach Befunden einschlägiger Untersuchungen von Bildschirmarbeitsplätzen sind etwa helle Schrift auf dunklem Grund sowie schwarze Tastaturen problematisch (Cakir & Cakir, 2006). Eine bemerkenswerte Ironie der Verwendung von Glanzpapier für Druckerzeugnisse ist darin zu sehen, dass dieses Papier zum Zweck der Optimierung der Bildqualität eingesetzt wird, die Wahrnehmung des Gedruckten aber sehr mühsam machen kann. Vielleicht toleriert man die Störung durch Glanz in diesem Fall nicht nur wegen der besseren Bildwiedergabe, sondern auch deshalb, weil der Glanz den edlen, repräsentativen Charakter des Objekts unterstreicht. In Bild und Betrachter (2006) zeigt Günther Kebeck anhand der Manipulation von Kunstwerken, dass gemalte Reflexionen und Glanzlichter wesentlich zum plastischen Eindruck zweidimensionaler Darstellung beitragen. Insofern ist Glanz mehr als nur eine faszinierende Licht-Erscheinung, die dem Wahrnehmen eher im Wege steht: Komplementär zu u Schatten trägt er zum Erfassen von Raum und Form bei. Leuchten. Lichtquellen wie Sonne, Flammen oder Glühbirnen leuchten; weiter transluzente Materialen im Gegenlicht und Flächen mit starker diffuser Reflexion (z. B. Schneelandschaften). Im Kontrast zu dunkler Umgebung reichen schon relativ geringe Lichtmengen, um Bereiche leuchtend erscheinen zu lassen. Deshalb kann auch schwach beleuchtete Ölmalerei ein Leuchten zur Darstellung bringen (Katz, 1930; hängen solche Bilder auf weißen Wänden, beeinträchtigt das die Leuchtwirkung; Schöne,

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1954). Ein dunkles Umfeld steigert nicht nur die Wirkung von Licht geringer Ausbreitung und Intensität (u Simultankontrast), sondern beeinflusst auch die Stimmung, die das Licht vermittelt (siehe unten).

Kunst, Medien & Werbung u Bilder-Leuchten In Über das Licht in der Malerei stellt der Kunsthistoriker Wolfgang Schöne (1954) dem Eigenlicht der schattenlosen mittelalterlichen Malerei (verstanden als Sendelicht, das geheimnisvoll und überirdisch aus der Szenerie erstrahlt) das Beleuchtungslicht späterer Epochen gegenüber, bei dem die Szenerie durch Schattierung auf eine oder mehrere Lichtquellen verweist und diese eventuell auch im Bild zeigt. Exemplarisch für die mittelalterliche Lichtmagie sind der Goldgrund von Bildern und die bemalten Glasfenster gotischer Kathedralen. Wie Schöne einräumt, ist indessen Lichtmagie nicht auf das Mittelalter beschränkt, sondern auch im Helldunkel der Renaissancemalerei oder dem Lichtflirren des Impressionismus gegenwärtig. An die Faszination leuchtender Kirchenfenster knüpfen Leuchtreklame wie zeitgenössische Lichtkunst an. Auch Dia- und Filmprojektionen verleihen Bildern eine Leuchtkraft, die der eines gemalten Bildes oder eines fotografischen Abzugs überlegen ist (was bei Studierenden der Kunstgeschichte zu Enttäuschungen bei der Begegnung mit Originalen führen konnte – ein Effekt, der sich wegen der geringeren Brillanz und Schärfe bei den gegenwärtigen digitalisierten Projektionen abschwächen dürfte).

Glitzern, Funkeln, Flackern, Flimmern. Bewegen sich kleine glänzende Flächen (Wasser, Laub) oder verändern sich Lichtreize aus anderen Gründen in kurzen Zeitabschnitten, glitzert, funkelt, flackert, flirrt oder flimmert es. Diese Erscheinungen werden unwillkürlich als Aktivitäten und tendenziell als ausdruckshaltig aufgefasst (z. B. „nervöses Flimmern“, „munteres Glitzern“, ebensolches oder „müdes Flackern“; u Animismus). Wegen der zum Wesen von Glitzern, Funkeln etc. gehörenden Veränderung erregen diese Erscheinungen unwillkürlich Aufmerksamkeit (Orientierungsreaktion). Da die Veränderung keine Information enthält, hat die Bindung der Aufmerksamkeit einen hypnotischen oder meditativen Effekt, wie er vielen Menschen vom Blick in ein Kaminfeuer vertraut ist. Blitze. Wenn es blitzt, tritt bewegtes Licht plötzlich, raumgreifend und bizarr auf den Plan, um sogleich wieder zu verschwinden. Bezeichnend ist die Auffassung in Mythen, der Blitz würde als Waffe und in Wut „geschleudert“. Am Nachthimmel unterstreicht die Verbindung mit Finsternis den erhabenen Charakter des Schauspiels. Feuerwerk. Auch hier erscheint Licht plötzlich und raumgreifend. Weil aber die Bewegung aufsteigend ist, sich eher geschwungen und ausweitend (blühend, sprühend, schwellend) vollzieht als bizarr und im zeitlichen Verlauf relativ gedehnt ist, wird diese Lichtbewegung als heiter oder fröhlich wahrgenommen (die u Buntheit kommt hinzu).

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Nebel. Wie Glanz ist auch Nebel Licht, das unsichtbar macht; allerdings nicht (oder nicht unbedingt) durch Blendung, sondern in Form eines Mediums, das sich zwischen Auge und Dinge schiebt. Nebelschleier tragen bekanntlich zur ästhetischen Wahrnehmung von landschaftlichen Situationen bei. Die ästhetische (atmosphärische) Wirkung verdankt sich der Verbindung von räumlichem Leuchten mit der spezifischen (umhüllenden) Art der teilweisen Verdeckung der gegenständlichen Umgebung, die die Szenerie interessant oder auch unheimlich macht, unter Umständen aber auch Weichheit bzw. Anschmiegsamkeit suggeriert. Der gängige ironische Gebrauch des Begriffs Theaternebel steht dafür, dass Nebel ein wenig subtiles, aber wirkmächtiges Mittel der Inszenierung von (dramatischer) Atmosphäre ist. Völlig homogenes Licht bei Nebel, der das Gesichtsfeld ausfüllt, oder in einem homogen ausgeleuchteten weißen Schirm, der um den Betrachter gewölbt ist (Ganzfeld) und den Eindruck erweckt, in Nebel zu blicken, führt nach relativ kurzer Zeit zu erheblichen Irritationen, ähnlich den Befindlichkeitsstörungen und Halluzinationen bei völligem Reizentzug (sensorischer Deprivation); weil im Falle des Nebels nicht sensorische Reize, sondern wahrnehmbare Strukturen fehlen, etikettiert man diese Situation als perzeptuelle Deprivation.

Experiment u Ganzfeld Befestigen Sie halbierte Tischtennisbälle (die nicht bedruckt sein dürfen) mit Pflasterstreifen vor den Augen [u Abb.]. Mit dieser transluzenten Brille schauen Sie dann eine gute Viertelstunde lang in Richtung einer homogen beleuchteten Fläche. Effekt & Deutung: siehe Text. Manche Lichtkunst-Installation (z. B. Werke von James Turell) spielt mit der im Ganzfeld erlebten Irritation.

Beleuchtungsverhältnisse. Beim Blick in die Umgebung nehmen wir beiläufig immer die Art der Beleuchtung wahr, und gelegentlich erscheint sie uns erwähnenswert. In Der Aufbau der Farbwelt postulierte David Katz (1930) ein Primat der Wahrnehmung von Beleuchtung (des globalen Wahrnehmens der Sichtbarkeit von Dingen und Räumen) gegenüber dem Wahrnehmen einzelner Aspekte der Gegenstandswelt. Im Einzelnen hängt die Beleuchtung davon ab, ❚ ob Lichtstrahlung direkt oder diffus einfällt (z. B. direktes Sonnenlicht vs. Licht bei geschlossener Wolkendecke, Tischleuchte vs. Deckenfluter), bzw. davon, wie sich direktes und diffuses Licht mischen; ❚ in welchem Winkel die Strahlung (evtl. aus verschiedenen Lichtquellen) einfällt; ❚ ob die Luft klar oder trübe ist (abhängig von lokalem Klima, Tages- und Jahreszeit); ❚ wie hell und in welchem Farbton die Lichtquellen oder reflektierenden Flächen leuchten (bei Tageslicht u. a. abhängig von Tages- und Jahreszeit).

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Aus der Kombination der verschiedenen Faktoren ergeben sich unterschiedliche Gewichtungen von Gegenständlichkeit oder Medium (Luft), der Konturierungen von Objekten sowie der Verteilungen von Hell und Dunkel (Umfang und relative Helligkeit von Schatten).

Wahrnehmungsqualitäten u Schatten Man kann mit Karl Bühler anhängende Schatten (auf der weniger beleuchteten Seite von Körpern), Luftschatten (weniger heller Luftraum hinter beleuchteten Körpern) und Schlagschatten unterscheiden. Nach Katz sorgt hauptsächlich die zuerst genannte Art von Schatten, er spricht von anhaftenden Schatten, dafür, „dass uns die Dinge plastisch erscheinen“; sie sei „der eigentliche Modelleur der Gegenstände“ (1930, S. 59). Das helle Bauchfell vieler Tierarten arbeitet der Lokalisierung anhaftender Schatten, die sich an ihren Körpern bei natürlicher Beleuchtung (sprich: von oben) abzeichnen, entgegen. Das deutet auf die Tarnungsfunktion dieser Färbung. Durch Schattierung können gezeichnete Kreis- oder Ellipsenflächen Ausoder Einbuchtungen suggerieren [u Abb.]. Ob ein konvexer oder konkaver Eindruck entsteht, hängt von der unterstellten Lage der Lichtquelle ab und davon, ob man die schattierten Flächen auf einer horizontal oder vertikal gedachten Grundfläche verortet (die Vorannahme, dass Licht von oben kommt, hat nur Bedeutung, wenn eine vertikale Grundfläche unterstellt wird). Bei Drehung der Vorlage um 180 Grad kehrt sich der Eindruck um. Bei mehreren gegensätzlich schattierten Flächen beeinflusst das Einschnappen der Sicht bei einer Variante den Eindruck der anderen. Bei von unten beleuchteten Gesichtern lässt sich nicht der Eindruck einer Einwölbung hervorrufen. Gesichter wirken bei solcher Beleuchtung zwar befremdlich (unheimlich), bleiben aber Gesichter – alles andere erscheint im Hinblick auf diesen herausragenden Gegenstand des Sehens (siehe unten) offenbar allzu unwahrscheinlich. Selbst die (konkave) Innenseite einer Maske erscheint (bei einäugiger Betrachtung) als (konvexes) Gesicht und eine von oben beleuchtete konkave Innenseite als von unten angestrahltes Gesicht. Lesen u Casati, 2001; Ramachandran, 1995

Der resultierende Gesamteindruck der Beleuchtung vermittelt meist eine spezifische Stimmung. So tragen die vielfältigen Konstellationen von Beleuchtungsfaktoren nicht unwesentlich zur Vielfalt landschaftlicher Erlebnisse bei. Visuelle Umweltästhetik ist also keineswegs nur eine Frage der gegenständlichen bzw. formalen Gegebenheiten. Der Architekturtheoretiker Christian Norberg-Schulz leitet in Genius Loci (1982) eine Landschaftstypologie (Wüste, Mittelmeerlandschaft, nordische Landschaft) nicht zuletzt aus Beleuchtungsverhältnissen ab. Auch architektonische Stile sind vom Umgang mit Licht geprägt: Die räumliche Wirkung gebauter Strukturen ist eine Frage der erzeugten Beleuchtungsverhältnisse („Bauen mit Licht“; Rassmussen, 1995). Eine grobe Einteilung von Beleuchtungsverhältnissen (und ihrer Stimmungswirkung) ist in der Praxis und Theorie des Films gebräuchlich: High-Key- vs. Low-KeyBeleuchtung; gleichmäßige, schattenarme Ausleuchtung durch mehrere Lichtquellen

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(high key), die eine unbeschwerte Stimmung vermittelt, aber tendenziell flach wirkt, gegenüber schattenreicher Beleuchtung durch wenige Lichtquellen (low key), die Situationen plastischer, aber potentiell auch verwirrend und zugleich spannungsgeladen oder gar dramatisch zeichnet (meist mit dem Chiaroscuro, ital. Helldunkel, von Malern wie Caravaggio oder Rembrandt gleichgesetzt). Ob Kombinationen von Licht und Dunkel eher anheimelnd oder unheimlich wirken, eher Vertrauen erwecken oder Angst, hängt, abgesehen von gegenständlichen Aspekten bzw. dem Kontext, von der Farbe des Lichts ab (warme Farben in der Chiaroscuro-Malerei vs. das Schwarz-weiß im Film noir). Edmund Burke hatte 1756 mit der Beschreibung von schönem vs. erhabenem Licht bereits die Effekte von High-Key- und Low-Key-Beleuchtung in etwa vorweggenommen. Sieht man Filme mit kritischer Aufmerksamkeit für die Beleuchtung, wird man feststellen, dass sie (unabhängig von high- und low-key) oft kaum realistisch auf Lichtquellen der dargestellten Szenerie bezogen werden kann. Unerklärliche Beleuchtung wirkt, wie Katz konstatierte, bei gemalten Bildern tendenziell magisch. Dank der Flüchtigkeit filmischer Bilder entgeht die Beleuchtungszauberei des Films normalerweise weitgehend der bewussten Wahrnehmung. Das Sehen bei Dämmerung ist ein Fall für sich. Der Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin bemerkte über den Effekt der „malerischen Dämmerstunde“ in Kunstgeschichtliche Grundbegriffe: „Die Formen lösen sich auf in der lichtschwachen Atmosphäre, und statt einer Anzahl von isolierten Körpern sieht man unbestimmte hellere und dunklere Massen, die zu einer gemeinsamen Tonbewegung zusammenfließen.“ (1991, S. 41) Zu der Auflösung von Konturen – wie auch zum Grau-in-Grau – kommt es in der Dämmerung deshalb, weil der Bereich des scharfen Sehens der Netzhaut (Fovea centralis) von dicht gepackten Zäpfchenzellen gebildet wird, die bei schwacher Beleuchtung ihren Dienst versagen, während die schwarz-weiß-empfindlichen Stäbchenzellen in der Peripherie der Netzhaut, die kein scharfes Sehen ermöglicht, gerade bei sehr geringer Helligkeit arbeiten. Die nahe Umgebung erscheint in der Dämmerung ähnlich unscharf wie die vom Dunst verschleierte Ferne bei Tage. Daher vielleicht der geläufige Eindruck, von der Dämmerung wie von einem Medium umhüllt zu werden. Lesen u Arnheim, 1978; Bühler, 1922; Kanizsa, 1966; Katz, 1930; Umweltpsychologie/Arbeitswissenschaft: Cakir & Cakir, 2006; Boyce, 2003; Flynn, 1988; Hellpach, 1977; Küller, 1990; Naturästhetik: Minnaert, 1980; Norberg-Schulz, 1982; Kulturgeschichte: Perkowitz, 1998; Zajonc, 1994; Kunstgeschichte: Schöne, 1954; Gestaltungslehre: Gurney, 2010; Theater-/Filmbeleuchtung: Dunker, 2008; Grodal, 2005; Keller, 2004; Millerson, 1991; Wiese, 1996

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Design & Architektur u Beleuchtung vs. Leuchten Lichtgestalter prangern regelmäßig die Neigung von Designern an, größeres Gewicht auf die beeindruckende Form von Leuchten als auf deren Beleuchtungseffekte zu legen. Dass bei Gestaltung und Installation von Lampen bis heute immer wieder gegen die alte und grundlegende Forderung verstoßen wird, Beleuchtung solle tunlichst blendfrei sein, verdankt sich vielleicht nicht nur entsprechender Unbedachtheit, sondern auch tief verwurzelter Faszination durch glänzende und blendende Lichter. In der zeitgenössischen Diskussion der Beziehung von Lichtgestaltung und Architektur wird unabhängig von der Verpflichtung auf einen bestimmten Stil die Rolle des Tageslichts und seiner Veränderungen im Tages- und Jahreslauf sowie der Vorsatz hervorgehoben, Lichtplanung respektive -design müsse integraler Bestandteil des architektonischen Entwurfes sein (statt bloß nachträgliche Verzierung). Eine Unzahl schwergewichtiger Glanzpapier-Bücher, die meist der Eigenwerbung von Gestaltungsbüros dienen, bemüht sich darum, vermeintlich überzeugende Umsetzungen dieser Maximen ins Bild zu setzen. – Die moderne Tendenz der weitgehenden Ausleuchtung von Räumen mit Tages- und Kunstlicht ist in der ästhetischen Theorie und Praxis nicht unangefochten; die beruhigende bzw. konzentrierende Wirkung spärlicher Beleuchtung wird z. B. an der traditionellen japanischen Bau- und Lebensweise geschätzt. Lesen u Adam, 1995; Angerer, 1995; Alexander et al., 1995; Corrodi & Spechtenhauser, 2008; Plummer, 2009; Rassmussen, 1995; Zumthor, 2006; Ästhetik spärlicher Beleuchtung: Tanizaki Jun’ichiro–, 1993; Zumthor et al., 2006

Farbwahrnehmung „Die Natur wollte, dass der Mensch ihre Werke nicht mit Kaltsinnigkeit ansehen sollte. Sie gab daher den Oberflächen der Körper mittels des Lichts und der Farben einen solchen Reiz, wodurch sie Vergnügen und Wohlgefallen erwecken und zur öfteren Betrachtung einladen. Wäre alles in der Natur nur einfärbig, wie bald würde nicht das Auge in dem Anschauen ermüden und der Geist Ekel und Überdruß empfinden; eben diesen Erfolg würde der Mangel der Lebhaftigkeit und Munterkeit der Farben haben. […] Durch die Farbe erhalten die Gegenstände große Gewalt über die Empfindung […].“ (Hirschfeld, C. C. L., 1779: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1, S. 168)

Farbe liegt im Auge und Gehirn des Betrachters. Mit einem gewissen Vorbehalt kann man sagen, dass es sich bei den äußeren Reizen, die das Wahrnehmen von Farben auslösen, um elektromagnetische Schwingungen in einem bestimmten Frequenzbereich handelt. Diese Feststellung ist insofern einzuschränken, als das Erlebnis einer bestimmten Farbe nicht eindeutig dem Licht einer bestimmten Wellenlänge zugeordnet werden kann. Das visuelle System des Menschen setzt – wie etwa Simultan- und Sukzessivkontrast oder Farb- bzw. Hellikeitskonstanz und amodale Farben zeigen – Wellenlängen nicht 1:1 in Farberlebnisse um.

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Das menschliche Auge enthält drei Typen von Sensorzellen (Zäpfchen), die für kurz-, mittel- und langwellige Strahlung besonders empfindlich sind (K-, M- und L-Zapfen), wobei alle – insbesondere die M- und L-Zapfen – auf breite Frequenzbereiche ansprechen und die Kurven der Empfindlichkeit der M- und L-Zapfen sich weitgehend decken [u Abb.]. Die klassische Zuordnung der drei Zapfentypen zu Blau (K), Grün (M) und Rot (L) ist deshalb irrig: Die maximale Empfindlichkeit der L-Zäpfchen liegt in einem Frequenzbereich, der monochromem Gelb entspricht. Gleichwohl bilden die Sensibilitätsunterschiede der drei Zäpfchentypen durchaus die Basis für die Differenzierung dieser Farben (und damit auch aller anderen menschlichen Farberlebnisse). Noch in der Netzhaut wird durch polare Verschaltungen der Nervenfortleitungen aus den Zäpfchen die Unterscheidung von Wellenlängen vorangetrieben: M- gegen L-Rezeptoren (bedingt die Unterscheidbarkeit von Rot und Grün) sowie M- und L- gegen K-Rezeptoren (bedingt die Unterscheidbarkeit von Blau und Gelb); ein summierender Kanal bildet die Basis für das Erlebnis von Helligkeit (bei Tageslicht – in der Dämmerung oder bei Mondlicht verdankt sich Helligkeit den Stäbchen). – Das Erlebnis einer bestimmten Farbe kann durch monochromes Licht oder durch eine Mischung von Licht hervorgerufen werden. Der Begriff metamere Farben steht für diese Uneindeutigkeit (Magenta bildet eine Ausnahme von dieser Regel; s. Text). Augenscheinlich werden die eben erwähnten polaren Verschaltungen bei farbigem Simultan- und Sukzessivkontrast [u Abb.]. Simultankontrast: Ist eine Farbfläche in ihrer Gegenfarbe eingebettet (z. B. Rot in Grün), wirkt sie satter und leuchtender. Verantwortlich dafür ist vermutlich eine Form der u lateralen Hemmung, also der Verstärkung von Unterschieden am Übergang, zusammen mit einem Ausfüllmechanismus im visuellen Kortex, der Eindrücke von den Rändern auf die Fläche ausdehnt. Sukzessivkontrast: Wenn Sie den Punkt in dem (rot und grün ausgemalten) Rechteck ca. 1/2 Minute fixieren und dann den Punkt in dem unteren weißen Rechteck, sehen Sie Nachbilder in den Komplementärfarben (was Sie hier für Rot und Grün beobachten können, funktioniert auch mit Gelb und Blau). Dieser Effekt ergibt sich durch Adaptation der K-, M- und L-Zapfen bei Bestrahlung von einer gewissen Dauer im Verein mit der Polarität von Blau und Gelb sowie Rot und Grün. Die laterale Hemmung führt auch bei schwarzen und weißen Flächen bzw. unterschiedlichen Graustufen zu Simultankontrasten, ebenso wie Adaptation (‚Erschöpfung’) der Helligkeitsrezeptoren auch zu s/w-Sukzessivkontrasten führt. Lesen u Campenhausen, 1993; Gegenfurtner, 2006a, 2006b; Gegenfurtner & Kiper, 2003

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Teil III: Die „höheren Sinne“ – Sehen und Hören

Tiervergleich. Die visuellen Systeme anderer Gattungen sprechen auf teilweise abweichende Frequenzbereiche an. Die meisten Säugetiere verfügen nur über zwei Zäpfchentypen (für kurz- und langwellige Strahlung), womit die Basis zu einer Differenzierung, die unserer Rot-Grün-Unterscheidung entspricht, entfällt. Dass Menschen und andere Primaten Rot und Grün unterscheiden können, erschließt ihnen leichter energiereiche reife Früchte. Wie andere Tiere erleben, was sie registrieren können, bleibt uns verschlossen. Die unauflösliche Subjektivität des Wahrnehmens verschließt uns im Prinzip auch die Farberlebnisse anderer Menschen. Gleichwohl können wir uns so weit über das verständigen, was im je individuellen Wahrnehmungsakt gegeben ist, dass man davon ausgehen kann, dass die Mehrzahl der Menschen ein vergleichbares Spektrum und unter den gleichen äußeren Bedingungen weitgehend identische Farben sieht. Ausnahmen bilden Menschen (vorwiegend Männer), die unter einer der verschiedenen Formen von Farbenblindheit bzw. -schwäche leiden. Kulturvergleich. Sprachfreie Studien (Zuordnungsaufgaben) belegen, dass die Farbwahrnehmung (Unterscheidung von Farbtönen) universell ist, wenn auch nicht alle Kulturen allen Farben des Spektrums gleichmäßig Namen zuordnen (dass Farbunterscheidung nicht erst durch Benennung von Farben möglich wird, belegen auch Untersuchungen an Säuglingen). Nicht alle bei uns als Grundfarben bezeichneten Farben wurden immer und überall benannt (oder gar weiter sprachlich differenziert). Doch die Entwicklung der Farbnamen folgt nach den Ergebnissen der kulturvergleichenden Forschung universell ähnlichen Trends: Nach der grundlegenden Differenzierung von weiß/warm (für weiß, gelb und rot) vs. schwarz/kalt (für schwarz, blau und grün) fächert sich – angefangen mit eigenen Namen für die Gruppe Rot und Gelb – die Benennung der Grundfarben weiter auf (Hardin, 1998; Kay et al., 1997).

Experiment u Helligkeitskonstanz Halten Sie einen gefalteten einfarbigen Karton (z. B. eine unbedruckte Karteikarte) so ins Licht, dass eine Hälfte der Faltung im Schatten liegt. Versuchen Sie – am besten bei einäugigem Betrachten – den nach wie vor gefalteten Karton als Fläche mit gezackten Ausschnitten zu sehen. Alternativ können Sie auch durch eine Lochmaske blicken [u Abb.]. Effekt: Bei normaler Betrachtung sieht man verschieden beleuchtete Flächen gleicher Eigenhelligkeit bzw. Farbe. Unterdrückt man den räumlichen Eindruck, wird aus einem anhängenden Schatten eine dunkle Oberfläche (bei Verwenden einer gelben Karte springt der Farbton in Olivgrün um). Deutung: im Text.

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Helligkeits- und Farbkonstanz. Dunklere Partien an plastischen Körpern sehen wir als geringer beleuchtete Oberflächen (Körperschatten) gleich heller Farbe. Ändert sich die spektrale Zusammensetzung der Beleuchtung (in gewissen Grenzen), so sehen wir farbige Objekte oder Farbmuster weiter in etwa der gleichen Farbe, obwohl sich die messbare spektrale Zusammensetzung des Lichts, das jeweils von den Oberflächen reflektiert wird, erheblich unterscheiden mag. Dabei spielen – sofern es sich um bekannte Gegenstände handelt – Erinnerungen, also Wissen um die Farbigkeit der Dinge, eine Rolle (früher sprach man von Gedächtnisfarben). Da auch sinnfreie Zusammenstellungen verschiedener Farben (z. B. eine Patchworkdecke) bei veränderten Lichtverhältnissen eine weitgehend unveränderte Farbigkeit behalten, scheint neben Wissen auch der Vergleich zwischen den verschiedenfarbigen Bereichen der Muster (bzw. der Vergleich mit dem Hintergrund) für die Konstanz des Farbeindruckes verantwortlich zu sein. Farbe ergibt sich also nicht allein aus der Frequenz der Strahlung, die von einen Bereich des Sehfeldes ausgeht (reflektiert wird), sondern auch aus der Relation dieser Strahlung zur Zusammensetzung der Reflexion von angrenzenden Bereichen. Beim Blick auf größere monochrome Flächen bleibt die Farbkonstanz aus. Die Farbkonstanz bzw. ihr Ausbleiben kann man auch beobachten, wenn man durch eine farbig getönte Brille zwischen einer bunten Reihe Buchrücken und einer weißen Wand hin und herblickt: Die weiße Wand erscheint deutlich in der Farbe der Brille getönt, die Buchrücken jedoch verändern ihre Farbigkeit nicht oder kaum. Durch diese Korrektur der eingehenden Signale stabilisiert sich das Bild, das wir von der Welt gewinnen, nicht nur gegen Beleuchtungsschwankungen, sondern wahrscheinlich auch gegenüber Veränderungen der Signale, die mit der Adaptation in den Sensorzellen verbunden sind. Untersucht man die Farbwahrnehmung mit größeren monochromen Flächen, kann es, wie von Allesch 1925 in seinen berühmten Versuchen protokollierte, schon nach einigen Sekunden zu merkwürdigen Schwankungen der wahrgenommenen Farbqualität kommen, obwohl die Beleuchtungsverhältnisse unverändert bleiben. Wie andere Konstanzen im Wahrnehmen (siehe unten) wird auch das Phänomen der Farb- bzw. Helligkeitskonstanz teilweise überinterpretiert und auch irreführend beschrieben. Wenn z. B. Zeki (1999) sich Monets Darstellungen der Kathedrale von Rouen in unterschiedlicher Beleuchtung nur durch eine geradezu übermenschliche Unterdrückung der Farb- und Helligkeitskonstanz erklären kann oder Hurlbert (2002) unterstellt, ohne die isolierte Betrachtung von kleinen Ausschnitten der Fassade (etwa durch einen Reduktionschirm) hätten dem Maler die unterschiedlichen Schattierungen der Fassade entgehen müssen, ist man versucht, den Autoren zu raten, doch gelegentlich mal aus dem Fenster zu schauen: Gewiss ist das visuelle System kein objektives Messgerät, doch Farb- und Helligkeitskonstanz stehen dem Gewahren der Beleuchtungsverhältnisse unter natürlichen Bedingungen in der Regel keineswegs entgegen (vgl. Maund, 2012).

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Amodale Farben. Als Sonderfall der u amodalen Figuren sehen wir unter geeigneten Bedingungen auch fiktive farbige Flächen [u Abb.]. Das von diesen Flächen reflektierte Licht unterscheidet sich spekAmodale Farbe tral in keiner Weise von der Reflexion des umgebenden Papiers. Die fingierten Farbschleier demonstrieren, dass unser visuelles System die 2D-Situation räumlich und körperhaft (Überlagerung einer durchgehenden Struktur durch eine transparente farbige Schicht von erschließbarem Umfang) interpretiert. Ein verwandtes Phänomen ist anschauliche Transparenz: Physikalisch identische Farbflächen können transparent oder intransparent erscheinen, je nachdem, wie sie sich in 2D-Darstellungen mit anderen Flächen überschneiden [u Abb.]. Sowohl die Reaktion des visuellen Systems auf physikalische Gegebenheiten (Unterscheidung spektral unterschiedlicher Reflexion von reifen Früchten und umgebendem Blattwerk) als auch die Tendenz, manche physikalischen Änderungen zu ignorieren (Farbbzw. Helligkeitskonstanz) oder umgekehrt zu fingieren (amodale Anschauliche Transparenz Farben; Simultankontrast), lassen sich als biologisch sinnvolle Anpassungen der Wahrnehmung an wahrscheinliche Gegebenheiten des menschlichen Aktionsraumes (Habitats) verstehen. Farbordnung, Farbmischung. Man ordnet die Farben in einem Kreis, wenngleich die Wellenlängen, die wir als Rot und Blau sehen, an entgegengesetzten Enden des linearen Spektrums liegen. Zwischen diesen Extremen liegt im Farbkreis die Farbe Pink/Magenta (traditionell, etwa bei Goethe, auch Purpur genannt), die man sieht, wenn eine Mischung von kurzwelligem und langwelligem Licht von einem Punkt ausgestrahlt oder reflektiert wird. Anders ausgedrückt: Pink ist eine Farbe, die sich bei additiver Farbmischung von rotem und blauem Licht ergibt (Mischungen von rotem und grünem ergeben Gelb, von blauem und grünem Licht Cyanblau; Mischung von Ausmalbild: rotem, grünem und blauem Licht additive Farbmischung ergibt weißes Licht [u Abb.]). Anders als im Fall von Gelb oder Cyanblau gibt es keine ungemischte Strahlung, die zu dem Farberlebnis Magenta führen könnte (kein monofrequentes Metamer). Magenta, Gelb und Cyan sind ihrerseits Ausgangspunkt der subtraktiven Farbmischung durch Filterung, bei der Ausmalbild: sich Blau, Grün, Rot und Schwarz ergeben [u Abb.]. Bei subtraktive Farbmischung

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Mischung von Farbpigmenten liegen die Verhältnisse komplizierter, da sich hier Addition eng benachbarter Reflexionen (partitive Mischung oder optische Mischung) und Subtraktion durch überlagerte Filterwirkung verbinden. Die Differenzierung von Formen der Farbmischung – Harald Küppers sieht „mindestens elf Farbmischgesetze“ (1992, S. 64) – ist „eine Wissenschaft für sich“. Farben werden in den drei Dimensionen Farbton (Buntart, Hue), Sättigung (Unbuntgrad, Chroma), und Helligkeit (Unbuntart, Lightness) geordnet. Diese Dimensionen sind allerdings nicht unabhängig voneinander: Gesättigtes Gelb ist beispielsweise deutlich heller als gesättigtes Blau, ein grau eingefärbtes (verdunkeltes) Gelb erscheint, wie z. B. Kobbert (1986) festhält, olivgrün, also in einem veränderten Farbton (systematische Abhängigkeiten von Helligkeit, Sättigung und Farbton sind unter dem Namen Betzhold-Brücke-Phänomen bekannt). Die dreidimensionalen Farbordnungen haben eine gewissen praktischen Nutzen, sorgen aber auch – insbesondere, wenn man sie als Kennzeichnung des Wesens der Farben missversteht – für Verwirrung, weil die Dimensionen, wie eben gesagt, nicht unabhängig voneinander sind und insbesondere die Gleichsetzung von Helligkeit mit dem Weißanteil die Rolle der Eigenhelligkeit bzw. Leuchtkraft der Farbtöne unterschlägt, die wahrscheinlich eine wichtige Rolle hinsichtlich der affektiven Farbwirkung spielt (siehe unten). (Die Helligkeitsdifferenz von Rot und Blau kehrt sich beim Übergang zum Dämmerungssehen ausnahmsweise um: Die nun aktiv werdenden Stäbchenzellen sind im kurzwelligen Bereich sensibler, weshalb sich während des Schwindens der Farbigkeit blaue Oberflächen im Vergleich zu roten aufhellen; Purkinje-Phänomen.) Farbe und Affekt. Dass Farben Gefühle oder Stimmungen hervorrufen können, gilt als selbstverständlich. Spezifische Wirkungen und gegebenenfalls Gründe dafür sind indessen – trotz mancher Untersuchung – nicht befriedigend geklärt. Das liegt teilweise an oberflächlichen Methoden. Schon die Frage nach abstrakter Farbwirkung ist problematisch (Mausfeld, 2007). Wenn man beispielsweise ohne Weiteres nach beliebten und unbeliebten Farben fragt oder Farbbegriffe mit Gefühlen, Stimmungen und anderen Attributen assoziieren lässt, bleibt offen, ❚ welche Variante der Farbe (Ton, Sättigung, Helligkeit) die Befragten bei ihrer Antwort vor dem inneren Auge hatten; ❚ ob die Befragten an bestimmte Gegenstände oder Situationen dachten; ❚ in welchem Maß die emotionale Wirkung körperlich erlebt wird (vs. stereotype Worthülsen). Selbst wenn man Farbkarten zur Beurteilung vorlegt (oder Farbansichten auf Bildschirmen), bleiben die beiden letzten Punkte fraglich. Es wäre also verfehlt, aus Reaktionen auf abstrakte Farbreize das Farberleben der räumlich-gegenständlichen Umwelt oder angesichts künstlerischer Kompositionen ableiten zu wollen. Auch die verbreiteten

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Sammlungen kulturhistorischer Fakten zu verschiedenen Farben informieren ihrerseits kaum über spezifische Erscheinungsweisen und Umweltsituationen. Der Gestaltpsychologe Arnheim ging aus diesen Gründen in der Neuauflage von Kunst und Sehen (1978) gleichermaßen auf Distanz zu Blütenlesen aus Kultur- und Geistesgeschichte wie zu quantitativen Untersuchungen der Farbwirkung; Kreitler und Kreitler (1980) führen das heillose Durcheinander der Ergebnisse von Studien zu Lieblingsfarben auf die „zu allgemeine Frage“ zurück.

Experiment u Farbausdruck kritzeln Versuchen Sie, den Ausdruck eines satten Grün, Violett, Gelb und Rot ohne großes Nachdenken in abstrakte Kritzeleien umzusetzen. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit denen anderer, denen Sie die gewählten Farbtöne vorlegen. Ergebnis & Deutung: In Kapitel 9 (S. 263) finden Sie Ergebnisse, die bei diesem Experiment erzielt wurden. Zur Deutung dieser Ergebnisse siehe den Text in diesem Kapitel sowie den Abschnitt „Transmodale Qualitäten“ in Kapitel 9.

Anmutungen, die sich bei Befragungen in der einen oder anderen Form relativ regelmäßig einstellen und auch bei einer skeptischen Sicht zu denken geben, beziehen sich nach einer Zusammenstellung von Kobbert (1986) im Wesentlichen auf die Polaritäten ❚ erregt – ruhig (Gelb/Rot vs. Blau/Grün) ❚ warm – kühl (Gelb/Rot vs. Blau/Grün) ❚ heiter – melancholisch/ernst (Gelb/Orange/Gelbgrün vs. Blau/Violett) ❚ dominant/aggressiv – sanft/friedlich (Orange/Rot/Violett vs. Blau/Grün). Man kann bezweifeln, dass es sich bei diesen Polaritäten um voneinander unabhängige Dimensionen handelt. Die Zuordnungen wie auch die semantische Analyse der Polaritäten sprechen – wenn auch nicht ganz eindeutig – eher für Facetten einer einzigen Dimension, die sich als Grad der Erregung etikettieren ließe. Grund für die unterschiedlich erregende Wirkung könnte die jeweilige Eigenhelligkeit bzw. Leuchtkraft gesättigter Farbtöne sein. Dafür spricht, dass kurzwelliges (blaues) Licht physiologisch weniger stimuliert als langwelliges (gelbes bzw. rotes) Licht der gleichen physikalischen Intensität. Diese Erklärung würde auch zur Bewertung von Weiß und Schwarz respektive Graustufen passen (Kobbert, 1986); oder allgemeiner: zu der von Licht und Finsternis. Schließlich entspräche diese einfache Polarität dem schon erwähnten Grundgegensatz von hellen (als warm bezeichneten) und dunklen (als kühl bezeichneten) Farben, die sich in der transkulturellen Forschung zu Farbbegriffen gezeigt haben. Was bedeutet die Verknüpfung von Farben mit Feuer, Sonne, Blut, Himmel, Wasser, Vegetation etc. für ihre affektive Wirkung? Gestaltpsychologen haben gegen die Erklärung von Farbanmutungen durch Assoziation argumentiert, der unterschiedliche

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Effekt etwa von Rot und Blau rühre von der Natur der Farben, basiere also nicht auf Assoziation bzw. Lernen. Das schließt allerdings nicht aus, dass die Farben (genauer: die Reflexionseigenschaften) bedeutsamer Umweltgegebenheiten oder Merkmale des Körpers evolutionär zu Auslösern von Affekten geworden sind – anders gesagt: dass die unterschiedliche Sensibilität für verschiedene Farben sich ihrem biologischen Kontext verdankt. Könnte z. B. die Wirkung von Rot, Orange und Gelb auf den Umstand zurückgehen, dass diese Farben energiereiche Nahrung sowie Licht- und Wärmequellen signalisieren? Ist gerade Rot besonders „heiß“, weil Blut bei Aggression (roter Kopf), Fortpflanzung (Rötung als Zeichen sexueller Bereitschaft bzw. Erregung), Geburt und Verwundung die Haut färbt oder aus dem Körper quillt? Vielleicht erklärt sich so die höhere Zahl der in diesem Bereich empfindlichen Rezeptoren. Womöglich verdankt sich umgekehrt die geringere Zahl der für „blaues Licht“ empfindlichen Zäpfchen der relativen Beutungslosigkeit der blauen Erscheinungen der Umwelt – Himmels- und Fernblau haben keine unmittelbare vitale Bedeutung. Anders gesagt: Der geringere Beitrag der physikalisch gesehen energiereicheren kurzwelligen Strahlung zum Helligkeitseindruck lässt sich womöglich aus der geringeren biologischen Relevanz des weit Entfernten erklären (Gewässer, die ja durchaus lebenswichtig sind, werden wahrscheinlich weniger an Farbe als an Glanz und Glitzern erkannt). Erst jenseits der Farbe, also beim Dämmerungssehen, nutzt die Netzhaut die größere Energie kurzwelliger Strahlung: Die Stäbchen sind im kurzwelligen Bereich sensibler. (Dass blaue Flächen entfernter wirken als rote, wird manchmal mit unterschiedlicher Scharfstellung für kurz- bzw. langwellige Strahlung erklärt. Nach dem eben Gesagten ist „Ferne“ wahrscheinlich ohnehin mit der Qualität „Blau“ verknüpft.) Die Bedeutung des Grün der Vegetation könnte sich mit jener von Blau insofern überschneiden, als hier eher ein positiver Hintergrund für Nahrungs- bzw. Wassersuche sowie Sichtschutz gegeben ist als ein aktuell bedeutsames Signal der einen oder anderen Art. Der unterschiedliche Grad an Erregung, den Gelb und Rot einerseits und Grün und Blau andererseits hervorrufen, mag also der biologischen Bedeutung der Situationen entspringen, in denen sie in der Natur auftreten. Farbgestaltung. Die Rolle von Grün im Landschaftserlebnis macht indessen nicht die Wirkung von grüner Wand- oder Autofarbe vorhersagbar. Die Wirkung der roten Lackierung eines Automobils liegt – abgesehen von einer gewissen Auffälligkeit – wahrscheinlich eher in den Gedanken, die man sich über Geschmack oder die unterstellte Absicht zur Selbstdarstellung macht, als in einer zwingenden affektiven Anmutung des Objektes. In der Welt der Artefakte, der von Menschen gemachten Dinge und Räume, gehorcht die Farbanmutung offenbar kulturspezifischen oder individuellen Gewohnheiten, die u. a. dem Einfluss von willkürlicher Setzung (Modefarben) unter-

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liegen. Das zeigen u. a. Widersprüche zwischen verschiedenen Studien zu Farbbedeutungen und -bevorzugungen. Ein Wechsel von Rot oder Gelb zu Blau führt bei Kleidungsstücken gewiss nicht zu jener Irritation, die blaue Äpfel, Bananen oder Kühe auslösen. Wird man auf Fotos oder in Filmen mit verflossenen Farbmoden konfrontiert, ist man angesichts des inzwischen veränderten Bezugs- bzw. Bewertungssystems nicht selten erheitert. – Wer von „Farbpsychologen“ detaillierte, naturgesetzlich gültige Anweisungen für die Farbgestaltung der materiellen Umwelt erwartet, geht von falschen Voraussetzungen aus. Zu erwähnen bleibt die Wirkung von Buntheit. Starke farbliche Kontraste gelten als Kennzeichen der Volkskunst. Gesättigte Farben werden bei Befragungen als besonders erregend bezeichnet (Suk, 2006). Bunten Objekten und Szenen wird seit je Lebendigkeit zugeschrieben (komplementär kommen in Totenkulten eher Weiß und Schwarz zum Zug).

Design u Farbe im Büro Büros und ihre Insassen sind traditionell eher unbunt (mit Ausnahmen bei weiblicher Kleidung und Krawatten). Das ergänzt starre Ordnung und steifes Gehabe. Umweltwissenschaftler raten zu dezenter Buntheit in der Arbeitswelt (Küller et al., 2006). Bei der Firma Google, wo deutliche Buntheit zur Corporate Identity gehört, ergänzen Angebote zu unaufgeregter spielerischer Bewegung – u. a. Lavalampen und Hängematten – die farbige Bürogestaltung (NZZ 167, 2007).

Die auch physiologisch nachweisbare erregende Wirkung des Bunten kann jedoch auch Stress verursachen (Küller, 1990) und bringt als Kehrseite zur Wertschätzung der Belebung auch die negative Beurteilung als „laut“ mit sich. In Kunsttheorie steht herkömmlich nicht nur Buntheit, sondern Farbe insgesamt (wegen ihrer affektiven Wirkung) im Ruf, ein gegenüber der Form eher primitives, unseriöses Gestaltungsmittel zu sein (Batchelor, 2002, macht eine Chromophobie im abendländischen Denken aus). In der Malerei und anderen zweidimensionalen Darstellungen ist Farbe jenseits des affektiven Aspekts indessen auch ein wichtiges Hilfsmittel zur Vermittlung von Gegenständlichkeit (Kebeck, 2006). Lesen u Bachmann, 2006; Falk, Brill & Stork, 1990; Gegenfurtner, 2006a, 2006b; Hoffman, 1998; Kobbert, 1986, 2011; Minnaert, 1980; Roberts, 2002, Kap. 8 u. 15; Schawelka, 2007; Steinbrenner & Glasauer, 2007; Stevens, 2013; Suk, 2006; Tunner, 1999; Kulturgeschichte: Batchelor, 2002; Gage, 1989; Gestaltung: Gurney, 2010; Lidwell, Holden & Butler, 2004; Rodek, Meerwein & Mahnke, 1998

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Etwas sehen: Kontraste, Figuren, Gestalten – Szenen Farbe erleichtert die Strukturierung der beleuchteten Umgebung, insbesondere das Erkennen von bedeutsamen Objekten. Man findet sich indessen auch ohne Farbe, allein auf Basis von Helligkeitskontrasten in der Umgebung zurecht. Kontraste von Hell und Dunkel, wie sie sich z. B. an Kanten oder bei räumlich gestaffelten Objekten ergeben, ziehen bereits den Blick von Neugeborenen auf sich. Kontraste sind grundsätzlich die Voraussetzung dafür, dass man nicht nur Licht, sondern Etwas sieht. Das visuelle System überbetont bereits bei der Verarbeitung von Lichtreizen in der Netzhaut die Intensitäts- und Qualitätsunterschiede in den physikalisch gegebenen Reizen (simultane Helligkeits- wie auch Farbkontraste). Unter bestimmten Umständen sieht man sogar Kontraste bzw. Kanten (subjektive Konturen), wo kein direkter physikalischer Anhaltspunkt dafür gegeben ist: Im Fall der amodalen Figuren [u Abb.] machen objektiv gegebene Kontraste einer Szenerie offenbar ein (verdeckendes) Objekt wahrscheinlich, weshalb Kanten ins Auge springen, die physikalisch nicht vorhanden sind. Das Sehen von Etwas bedeutet, dass auf Basis von Kontrasten Einheiten gebildet werden. Wie gelingt das? Klassisch ist in dieser Hinsicht die Frage nach Unterscheidung von Figur und Grund, die meist mit der berühmten Kippfigur Rubinscher Becher [u Abb.] veranschaulicht wird. Der dänische Psychologe Edgar Rubin hatte bei seinen Studien zu Beginn des vorigen Jahrhunderts einen weißen Kelch auf gerahmten schwarzen Grund verwendet. Bereits eine rahmenlose Umrisszeichnung bringt einen Wahrnehmungskonflikt mit sich. Die Geschlossenheit der Linie spricht für die Ansicht eines Objektes, dessen Umriss die Linie bildet (Geschlossenheit gilt als u Gestaltfaktor). Zwar werden, wie Gestaltpsychologen demonstrieren, konkave Formen im Fall von Strichzeichnungen eher als Löcher denn als Objekte gesehen [u Abb.], doch ist uns die bei Rubins Becher sichtbare Art symmetrischer Einwölbung vom Umriss einer Gattung von Gegenständen her bekannt. Eines Umrisses, der auch bei Drehung des Objektes um die vertikale Achse (oder beim Herumgehen) unverändert bleibt. Und Greifbarkeit verspricht. Wir wissen auch, dass die Schnörkel der Umrisslinie wohl nur der Verzierung des Gefäßes dienen. Dennoch bleibt der Blick an diesen Schnörkeln hängen: Sie enthalten die Ansichten des menschlichen Gesichts, des wahrscheinlich prominentesten Objekts der visuellen Wahrnehmung, das allem Anschein nach auch ohne alle weiteren Hinweise auf einen geschlossenen Körper die Linie usurpieren kann – in Konkurrenz zum Becher zur Figur wird.

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Die berühmte Kippfigur führt indessen nicht vor Augen, wie wir die Welt sehen, wenn wir nicht gerade Illustrationen in Psychologiebüchern oder andere minimalistische zweidimensionale Darstellungen betrachten. Für Grafiker ist es natürlich von Interesse, Figurbildung unter variierenden Umständen (hell/dunkel, oben/unten, konvex/konkav, groß/klein) durchzuspielen (u. a. Zwimpfer, 1994). Das Sehen von Etwas unter natürlichen Bedingungen machen diese Faktoren indessen nicht hinreichend nachvollziehbar. Im Gegenteil: Die in solchen Grafiken feststellbaren Tendenzen sind aus der 3D-Praxis des Sehens abstrahiert. Folgende Anhaltspunke haben wir beim Blick in die Umgebung (teils können sie auch in Fotos oder gemalten Bilder vorhanden sein und bei Anwendung auf Rubins Kelch die eine oder andere Sehweise fördern): ❚ Farben über Schwarz und Weiß hinaus ❚ Binnengliederung bzw. Textur der Oberflächen ❚ Kontext (im Beispiel: Vase/Tisch, Kopf/Körper) ❚ Schattierung und eventuell Glanzpunkte, die auf Wölbungen jenseits der Ebene des Umrisses deuten ❚ Abweichung der Perspektive der beiden Augen (wegen der Gegenstände in der näheren Umgebung in der Regel plastisch erscheinen) ❚ Veränderungen der Ansicht, die sich ergeben, wenn wir uns bewegen (von kleinen Bewegungen des Kopfes über veränderte Neigung des Körpers bis zum Herumgehen) ❚ Bewegung der Dinge selbst Dreidimensionalität ist in unser visuelles System nicht nur durch die Abweichung der Ansichten der beiden Augen eingebaut. Auch bei einäugigem Sehen bietet sich der Raum dank unserer Bewegung in je unterschiedlichen Ansichten (und weil wir vorbewusst der eigenen Bewegung inne sind, nehmen wir in den veränderten Erscheinungen eine stabile Umgebung wahr [u Kap. 4]). Offenbar macht sich die durch die Bewegung ins Sehen eingebaute Räumlichkeit auch bei einzelnen Ansichten, wie statische Bilder sie bieten, geltend: Man neigt dazu, in statische, flächig gebotene Strukturen räumliche Staffelung (Figur und Grund) hineinzusehen. Die von Gestaltpsychologen postulierte Prägnanztendenz – also das Wahrnehmen von möglichst einfachen Gestalten – dürfte nicht zuletzt vom evolutionär verankerten Verdacht rühren, dass komplexe Konturen [u Abb.] regelmäßig durch Verdeckung entstehen.

Wahrnehmungsqualitäten u „Gestaltgesetze“ Gestaltgesetze sagen nicht, wie man gestalten sollte. Diese „Gesetze“ sind auch keine strikten Formulierungen von Zusammenhängen. Noch erklären sie etwas. Sie beschreiben lediglich gewisse Tendenzen, die sich beim Gruppieren von Reizen, beim Wahrnehmen von Einheiten feststellen lassen. In der Gestaltpsychologie selbst ist – jenseits von

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Wolfgang Metzgers (1975) kämpferischer Haltung – meist die Rede von Gestaltfaktoren statt von „Gesetzen“. Der Faktor der Nähe etwa besagt, dass man tendenziell Erscheinungen, die sich nahe sind, zusammenfasst. Der Faktor der Gleichartigkeit oder Ähnlichkeit deutet auf die Zusammenfassung von ähnlichen Reizen. Beim Durchspielen mit Papier und Bleistift oder mit Spielsteinen kann man beide Faktoren miteinander konkurrieren lassen. Bei der Abgrenzung von Objekten gegenüber ihrer Umgebung anhand ihrer Oberflächentexturen (z. B. Maserung) ergänzen sich regelmäßig Nähe und Ähnlichkeit (evtl. unterstützt durch ähnliche Ausrichtung, sprich: den Faktor des gemeinsamen Schicksals). Natürlich spielt bei der Abgrenzung bzw. Einheitsbildung der Faktor der Geschlossenheit (also eine durchgehende Kontur) eine wichtige Rolle. Gewisse Lücken in Konturen bzw. Unregelmäßigkeiten werden aber vernachlässigt: Prägnanztendenz oder Gesetz der guten Gestalt. Das Wahrnehmen scheint hier ungeachtet dessen, was als Reiz gegebenen ist, von der Wahrscheinlichkeit eines vollständigen Objekts auszugehen und schreibt die Lücken implizit subjektiven oder objektiven Sichtbedingungen zu. Die Begriffe Prägnanz und gute Gestalt stehen indessen nicht nur für eine gewisse Großmut des Wahrnehmens (z. B. auch gegenüber Abweichungen vom rechten Winkel bzw. der Vertikale). Die Rede von einer prägnanten oder guten Gestalt dient dazu, die Formqualität zu bewerten, steht also für die Ästhetik von leicht fasslichen Erscheinungen (wie rundem Verlauf etc.). Dabei gilt es zu bedenken, dass auch erschwertes Wahrnehmen – also die Herausforderung der Prägnanztendenz – unter Umständen ästhetisch reizvoll sein kann [u Kap. 10]. Die meisten Gestaltfaktoren dürften Ausdruck ererbter Vorannahmen des (visuellen) Wahrnehmens hinsichtlich wahrscheinlicher Umweltgegebenheiten sein. Einige – so der u Faktor der durchgehenden Kurve (auch Gesetz der Kontinuität oder des glatten Verlaufes genannt) – hängen wahrscheinlich mit der biologischen Bedeutung von Bewegung zusammen. Der Faktor der Erfahrung bzw. der (objektiven) Einstellung liegt auf einer anderen Ebene, trägt – als eine Art Hintertürchen zu den universell gedachten Tendenzen – der Rolle von Erwartungen Rechnung, die sich durch die Vorgaben der Kultur, der individuellen Lerngeschichte und der aktuellen Situation bilden. Lesen u Kanizsa, 1979; Metzger, 1966, 1975; Rausch, 1966

Wir sehen sozusagen prinzipiell szenisch. Das ist das Leitmotiv einer umwelt- und aktionsbezogenen Betrachtung der visuellen Wahrnehmung. In der Psychologie der zweiten Hälfte des 20. Jh. propagierte, wie schon in der Einleitung festgehalten, besonders James Gibson diese Perspektive. Zum umweltbezogenen Verstehen des Sehens gehört nicht nur die ‚eingebaute‘ Räumlichkeit, sondern auch die (kulturell und individuell ausgeformte) gattungsspezifische Bedeutung dessen, was einem in diesem Raum begegnet. Gibson sprach – im Anschluss an den gestaltpsychologischen Begriff Aufforderungscharakter des Objekts – von Affordanzen der Umwelt. In der gegenwärtigen neurokognitven Erforschung des Sehens zeigt sich die Rolle des vitalen Bezugs von Wahrnehmungsobjekten in Studien, die (anknüpfend an ältere Untersuchungen zur sog. Aktualgenese) nachweisen, dass undeutliche Erscheinungen, die man als Analogien zu frühen Verarbeitungsstufen (deutlich sichtbarer Objekte) im

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visuellen System betrachtet, über den Kontext erkannt werden (Fenske et al., 2006). Anders gesagt: Der jeweilige Weltausschnitt mit seinen Handlungsmöglichkeiten scheint nicht erst ins Spiel zu kommen, wenn die sinnfreie Analyse der optischen Struktur in Modulen des optischen Kortex eine deutliche Skizze aus dem Netzhautbild gewonnen hat, sondern das Verständnis der Situation kommt der Analyse des visuellen Reizes sozusagen entgegen. Solche Ergebnisse relativieren die Tragweite von prominenten Theorien des Sehens wie ❚ der komputationalen Theorie von David Marr, die das Erkennen eines Objektes rekonstruiert als Analyse des Inputs aus dem Auge von unten nach oben (bottom up) und anschließendem Vergleich mit einem inneren 3D-Modell des Gegenstandes. ❚ Biedermans Theorie der Geone (für: geometrische Elementarkörper), die für die 3D-Modellierung speziell ein „Scannen“ des optischen Inputs auf räumliche Grundformen hin postuliert; die Erscheinungen werden hier auf einen Satz von 36 inneren Bauklötzen bezogen, mit deren Kombination man, wie Bülthoff (2003) anmerkt, schwerlich einen Baum erkennen könnte. Dessen ungeachtet sind Geondarstellungen von Koffer, Telefon und Tischlampe zu Lehrbuchikonen des Themas Objektwahrnehmung geworden. ❚ der Theorie der Merkmalsintegration von Treisman, die (in Anlehnung an die Annahme von strikt isolierten Modulen für die Verarbeitung von Form, Farbe, Räumlichkeit und Bewegung im visuellen Kortex) postuliert, dass erst auf späteren bewussten Stufen der visuellen Analyse registrierte Elementareigenschaften (primitives) zu Objekten zusammengefügt würden. – Gegen dieses Konzept werden auch Experimente ins Feld geführt, die das von den Gestaltpsychologen postulierte Primat des Ganzen gegenüber den Teilen bestätigen (Kimchi, 2003).

Ererbte und erlernte Erwartungen im Kontext von Intentionen scheinen gewissermaßen von oben nach unten (top down) in der visuellen Wahrnehmung gegenwärtig zu sein. Statt von Top-down-Prozessen wird auch von Rückwärtsprojektion (backward projection) gesprochen: aus dem in Schläfen- und Scheitellappen verankerten Gedächtnis für Dinge, Räume und Aktionen in die primären und sekundären visuellen Areale im Hinterhauptslappen. Nach Befunden der neueren Forschung zum perzeptuellen Lernen kann das von Wissen und Können angeleitete Einüben des Sehens, wie es in Berufsausbildungen vorkommt (etwa beim Betrachten von Röntgenbildern, beim Mikroskopieren oder auch in der gestalterischen Grundausbildung von Künstlern und Designern), sogar die Struktur von elementaren Analysatoren im primären visuellen Kortex verändern (Fahle, 2006). – Sind im Wahrnehmen Intentionen angesprochen, bedeutet dies nicht zuletzt, dass sensorische Prozesse mit der inneren Aktivierung von körperlicher Aktion verwoben sind. Entsprechend postuliert z. B. die Forschungsgruppe um Wolfgang Prinz einen gemeinsamen Code (common code) von Sensorik und Motorik (Wohlschläger & Prinz, 2006). Als ein neurologisches Indiz des inneren Handelns beim Sehen von Objekten gelten die neuerdings entdeckten u kanonischen Neurone.

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Die Welt des Wirkens (und Erleidens) besteht, um im Bild der Szenerie zu bleiben, aus den anderen Akteuren, der Bühne und dem Inventar: Tiere (u. a. Menschen), Vegetation, geologisch-geographische sowie meteorologisch-atmosphärische Gegebenheiten, materielle Kultur. Von herausragender Bedeutung ist die Wahrnehmung der anderen Akteure. Lesen u Arnheim, 1978; Aschersleben, 2008; Barth, 1989; Costall, 2007; Gibson, 1973, 1982; Guski, 1996; Hoffmann, 1993; Kaufmann-Hayoz & van Leeuwen, 2003; Müsseler, 2008; Noe¨, 2004; Rubin, 1921; Wohlschläger & Prinz, 2006

Tiere und Menschen sehen: Bewegung Tiere bewegen sich. Andere Tiere, einschließlich der Artgenossen, können für Menschen attraktiv oder gefährlich sein. Das menschliche Sehen ist in mehrfacher Hinsicht auf Bewegung eingestellt. Die Peripherie unserer Netzhaut ist besonders sensibel für bewegte Lichtreize. In der Regel werden wir, während wir etwas anderes beachten, auf die am Rande wahrgenommene Bewegung (sofern sie nicht eine Folge unserer eigenen Bewegung ist) aufmerksam und fokussieren das bewegte Objekt (Orientierungsreaktion; Werbung – nicht nur – im Internet bedient sich dieser angeborenen Reaktion), das dank seiner Bewegung zur Figur wird, die sich vom unbewegten Grund abhebt. Das scharfe Sehen erlaubt dann eine genauere Wahrnehmung des bewegten Etwas einschließlich einer Einschätzung seiner Entfernung, seiner Gattung bzw. Identität und eventuell seiner Verfassung oder Intention. Gegebenenfalls folgt der Blick der Bewegung. Eine schnelle Annäherung wird durch rasche Vergrößerung einer Figur kenntlich. Das visuelle System unterstellt sozusagen, dass plötzlicher umfangreicher konzentrischer Größenzuwachs eines Objekts unwahrscheinlicher ist als ein entsprechendes Erscheinungsbild eines sich nähernden Objektes konstanter Größe. Bereits Säuglinge zeigen, wenn man durch das plötzliche „Aufblasen“ (looming) einer leuchtenden Scheibe auf einem Projektionsschirm eine drohende Kollision fingiert, eine Schreck- oder Defensivreaktion. Das Medium Film baut seit seiner Frühzeit immer wieder auf diese Schockwirkung. Sollte sich aus dem Kontext entnehmen lassen, dass Annäherung auch unabhängig von einer Kollision Risiken birgt, wird man versuchen, der Gefahr zu begegnen durch Kampfbereitschaft, Flucht oder Stillhalten (Letzteres – analog zum Totstellreflex – trägt dem Umstand Rechnung, dass auch der potentielle Angreifer Bewegung sensibel registriert). Bewegungslosigkeit macht Mensch und Tier nicht ganz und gar unauffällig. Das rührt u. a. davon, dass die Körper (und Gesichter) vieler Tierarten sich durch regelmäßige Züge – Symmetrie (u. a. des Bewegungsapparates) – auszeichnen. Vielleicht liegt in den Symmetrien im Tier-

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und auch Pflanzenreich der biologische Grund dafür, dass symmetrische Linien grundsätzlich Figurbildung fördern bzw. als Gestaltfaktor wirken (Shepard, 1991). Tarnung unterläuft die Sichtbarkeit im Ruhezustand durch Anpassung an den Grund und starke (asymmetrische) Binnenkontraste.

Die Einschätzung der Entfernung und das Erkennen der Gattung bzw. Identität bewegter Objekte sind miteinander verzahnt: u Entfernungshinweise, die unabhängig vom Erkennen des Objektes sind, erleichtern die Identifikation (verhindern, dass man aus einer Fliege einen Elefanten macht). Umgekehrt verrät, wenn man weiß oder ahnt, womit man es zu tun hat, das größere oder kleinere Erscheinungsbild seinerseits die Distanz. Charakteristische Bewegung. Bei der Identifikation spielt die Art der Bewegung eine Rolle. Aus dem Alltag ist bekannt, dass man vertraute Personen auf größere Entfernung an ihrem Gehstil erkennen kann. In den 1970er Jahren führte der schwedische Psychologe Johansson eine experimentelle Methode ein, die es erlaubt, die Wahrnehmung von Bewegung vom übrigen Erscheinungsbild zu isolieren. Versuchspersonen, die nur durch Lichtpunkte an ihren Gelenken sichtbar sind und deshalb in Ruhe (etwa auf dem Standfoto eines Films) ein rätselhaftes Bild abgeben, sind ohne Weiteres als Menschen identifizierbar, wenn sie gehen, tanzen oder andere Bewegungen ausführen. In solchen Experimenten nach dem Vorbild eindrücklicher Bühnenaufführungen konnte gezeigt werden, dass Bewegung auch relativ verlässlich Aufschluss über Alter, Geschlecht und Stimmung gibt. Man erkennt sogar, wie viel Kraft für eine Bewegung aufgewandt wird. Auch Tiergattungen oder -arten sind allein über Bewegung identifizierbar. Das Lichtpunkt-Paradigma (Point-light-Paradigma) findet inzwischen jenseits der Forschung zu biologischer Bewegung (biomotion) Anwendung beim Produzieren von Animationsfilmen: Man klaut gewissermaßen natürlichen Akteuren die Bewegungen etwa des Gehens (die sich bis heute nicht realistisch synthetisieren lassen), um sie dann nur noch zeichnerisch mit Körpern einzukleiden (motion capture, die allerdings nicht unbedingt einen Absturz ins u uncanny valley verhindert). Außerdem nutzt man motion capture, um die ästhetische Wirkung von (Tanz-)Bewegungen [u Kap. 10] isoliert von anderwärtigen Aspekten der körperlichen Erscheinung zu untersuchen (z. B. Torrents et al., 2013). Haltung als potentielle Bewegung. Wie im ersten Kapitel erwähnt, wurde schon vor längerer Zeit innere Mitbewegung als Mechanismus der Ausdruckswahrnehmung postuliert, als dessen neurologisches Korrelat heute u Spiegelneurone gelten. Auch im Bild fixierte Körperhaltungen können für den Betrachter mehr oder weniger eindringlich Bewegungen oder Handlungen sicht- bzw. spürbar machen. Besonders gut funktioniert das, wenn die Haltung das Ansetzen zu einer Bewegung zeigt (fruchtbarer Moment),

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also einen Spannungszustand verkörpert, der auch im Bewegungsfluss realer Situationen das motorische Mitempfinden besonders anspricht (Ennenbach, 1989; Wilson, 2006; Reed, Stone & McGlodrick, 2006); mit Lessings Worten: „Kann der Künstler von der immer veränderlichen Natur nie mehr als einen einzigen Augenblick, und der Maler insbesondere diesen einzigen Augenblick auch nur aus einem einzigen Gesichtspunkte, brauchen […]: so ist es gewiss, dass jener einzige Augenblick und einzige Gesichtspunkt dieses einzigen Augenblickes, nicht fruchtbar genug gewählt werden kann. Dasjenige aber nur allein ist fruchtbar, was der Einbildungskraft freies Spiel lässt. Je mehr wir sehen, desto mehr müssen wir hinzudenken können. Je mehr wir dazu denken, desto mehr müssen wir zu sehen glauben.“ (Lessing, Hamann & Upcott, 1901, S. 24) Die Mitbewegungs- bzw. Einfühlungsästhetiker waren uneins in der Frage, ob die Mitbewegung körperlich spürbar (Vischer, Groos) oder rein mental (Lipps: „inneres Tun“) sei. Wahrscheinlich gibt es einen fließenden Übergang zwischen einer völlig aufs Gehirn beschränkten Simulation gesehener (potentieller) Bewegung und deutlich spürbaren Muskelpotentialen [u Kap. 1 und 10].

Experiment u Gefühle kritzeln Versuchen Sie, Wut, Freude, Trauer, Angst ohne großes Nachdenken in abstrakte Kritzeleien umzusetzen. Ergebnis: In Kapitel 9 (S. 263) finden Sie Ergebnisse, die bei diesem Experiment erzielt wurden. Zur Deutung dieser Ergebnisse siehe den Text in diesem Kapitel, das erste Kapitel sowie den Abschnitt „Transmodale Qualitäten“ in Kapitel 9.

Abstrakter Ausdruck. Nicht nur die auf einige Lichtpunkte reduzierte integrale Bewegung von Mensch und Tier ist bereits charakteristisch und ausdruckshaltig. Gefühle wie Wut, Trauer, Fröhlichkeit oder Angst werden auch in weiter isolierten bzw. abstrahierten Bewegungen gesehen. Etwa in der abstrakten Darstellung der Dynamik gestischer Bewegungen oder in einem abstrakten Animationsfilm und sogar in den selbst bewegungslosen Spuren, die von den Bewegungen bleiben (den expressiven Kritzeleien: Kobbert, 1986; Jilg, Piesbergen & Tunner, 1995; u Maluma und Takete). Die Choreographie einzelner geometrischer Figuren sieht man tendenziell als Interaktion von Wesen, die jeweils bestimmte Absichten verfolgen (Annäherung, Ausweichen, Sich-Verstecken, Verbünden etc.). In den 1930er und 1940er Jahren war dem belgischen Gestaltpsychologen Albert Michotte bei Experimenten, die (mit Hilfe von verschiebbaren Pappscheiben) Bewegungen von Punkten zeigen, die Neigung von Versuchspersonen aufgefallen, den Punkten Absichten zuzuschreiben („… verfolgt“; „… flieht“) (Michotte, Thinès, Costall & Butterworth, 1991). Heider und Simmel haben 1944 mit einem einfachen Animationsfilm gezeigt, dass schon Bewegungen von zwei Dreiecken und einem Kreis als relativ komplexe Geschichte aufgefasst werden können. Seither haben Psychologen solche

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Experimente vielfältig variiert, um Wirkfaktoren der Intentionswahrnehmung zu isolieren (Pautler, Koenig, Quek & Ortony, 2011; Tremoulet & Feldman, 2006). Heute nutzt man dafür auch Methoden, die vom Computerspiel inspiriert sind (Blythe, Todd & Miller, 1999; Gao, McCarthy & Scholl, 2010; Gao & Scholl, 2011). Unter dem Strich bestätigen die Ergebnisse, was schon Michotte beobachtet hatte: Verfolgung und Flucht sind dominante Schemata der Wahrnehmung. Anders gesagt: Der Wahrnehmung von Bewegung wohnt eine gewisse Paranoia inne. – Selbst im Schlaf mutieren Bewegungsimpulse, die wegen der vorübergehenden Lähmung nicht realisierbar sind, zu unheimlichen Verfolgern (u Alpträume). Die Schlagseite der Bewegungswahrnehmung hat indes auch eine lustvolle Seite: Verfolgungsspiele sind bei Mensch und Tier verbreitet, Verfolgungsjagd ist im Kino seit gut hundert Jahren ein Dauerbrenner und inzwischen nicht minder in Computerspielen gegenwärtig (Kracauer, 1985; Klein, 2009) [u Kap. 10]. Animismus. Die Ausrichtung des visuellen Systems auf die Wahrnehmung bzw. Interpretation der Bewegung anderer Tiere und Mitmenschen bringt also Verlebendigung, Beseelung (Animismus) von nicht lebendigen oder beseelten Objekten mit sich. Die Beseelung erstreckt sich allerdings nicht nur auf das, was sich augenscheinlich bewegt oder so aussieht, als sei es auf dem Sprung: Man sieht in amorphe Strukturen Gesichter und Körper hinein (wovon im nächsten Abschnitt die Rede sein wird). Eine weitere Facette des Animismus ist, dass Geräusche und Klänge von Objekten als Lebenszeichen anmuten und aus Echos Raumgeister zu sprechen scheinen [u Kap. 8]. Bei Naturvölkern und Kindern äußert sich die Tendenz zu animistischer Ausdruckswahrnehmung unverhohlen (Werner, 1953; Piaget, 1988), Erwachsene unserer Kultur wissen, sich von ihren animistischen Anwandlungen zu distanzieren. Design (nicht nur von Automobilen) und Baukunst rechnen mit dem Hang zur Verlebendigung (Arnheim, 1980d). Sofern der Kurzschluss von Bewegung, die man sieht, auf das Urteil Es lebt! nicht zuletzt aus angeborener Vorsicht vor anderen Lebewesen entspringt, liegen Schreck, Angst, Anspannung als affektive Begleitmusik nahe. Allerdings kann etwa die Choreographie von zwei Punkten auch andere Gefühle auslösen: Wenn wir einen Punkt einen anderen jagen sehen, ergreift uns Spannung, sieht das abstrakte Bewegungsspiel nach Anbändeln aus, sind wir eher gerührt oder/und amüsiert. Dass Animismus positive Gefühle zulässt, zeigt schon der Film von Heider und Simmel. Kommerzielle Animationsfilme (wie die Disney-Klassiker) verbinden regelmäßig Anklänge an menschliche Züge (Anthropomorphismus) – nicht zuletzt solche, die uns, wie es beim u Kindchenschema der Fall ist, für sich einnehmen – mit einem ebenfalls als liebenswert stilisierten Bewegungsstil (Tapsigkeit; u motorisches Kindchenschema). Überschreitet indes die Vermenschlichung des Erscheinungsbildes beziehungsweise des Bewegungsstils in Filmen (und auch bei Objekten wie Puppen

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oder Robotern) ein gewisses Maß, berührt das Ergebnis meist unangenehm. Für dieses Befremden angesichts zu großer Annäherung an den Menschen hat sich der von dem japanischen Robotik-Forscher Mori 1970 geprägte Begriff uncanny valley eingebürgert (Mori, MacDorman & Kageki, 2012); seither versucht man einzugrenzen, woher die Unheimlichkeit solcher Gestalten/Bewegungen im Einzelnen rührt (z. B. MacDorman, Srinivas & Patel, 2013; Ho & MacDorman, 2010). Jedenfalls nimmt mit der Ähnlichkeit zu menschlichem Leben offenbar die Sensibilität für Abweichungen im Erscheinungsbild von Körper und Gebaren zu – und damit potentiell schreckhaftes, ängstliches oder gar angeekeltes Befremden; der Ekel verdankt sich wahrscheinlich u. a. der Angst, von monströsen Wesen, wie Untoten (Zombies), kontaminiert zu werden. Motion capture, von der eben schon die Rede war, trägt nicht nur wegen technischer Probleme bei der Aufzeichnung der Lichtpunkt-Aktionen sowie bei der Übertragung dieser Indikatoren auf ein digitales Modell potentiell zum Befremden bei; auch die denaturierte leere Bühnensituation, in der die Schauspieler für die allseitige Aufnahme der Lichtpunkt-Bewegungen agieren müssen, kann sich auswirken; schließlich kommen Diskrepanzen zwischen den körperlichen Attributen der Schauspieler/Bewegungsmodelle, die an ihrem Agieren ablesbar sind, und dem Erscheinungsbild der animierten Charaktere als Quellen der Irritation in Betracht (Flückiger, 2008). Gestaltfaktoren. Das, was Gestaltpsychologen als den Faktor der durchgehenden Kurve oder das Gesetz der Kontinuität oder des glatten Verlaufes bezeichnen (verbundene Linien wie in A [u Abb.] isoliert man, wie es B zeigt; C erscheint „unnatürlich“), dürfte auf Erfahrungen der Bewegungswahrnehmung beruhen oder eine Mitgift der angeborenen Einstellung auf Bewegung und ihre Spuren sein. In direkter Beziehung zu biologischer Bewegung steht ein Teil der Erscheinungen, auf die der Gestaltfaktor des gemeinsamen Schicksals gemünzt ist: Ein Tier mit einer gescheckten Oberfläche, die es vor einem heterogenen Hintergrund tarnt, solange es ruht, wird sichtbar, sobald es sich bewegt (die gleichgerichtete Bewegung verbindet das Durcheinander zur Figur); auch bei weitgehender Verdeckung (z. B. durch einen Lattenzaun mit schmalen Ritzen) konstituiert gleichsinnige Bewegung von Fragmenten eine Figur. Stroboskopische Bewegung. Verlöscht ein Lichtpunkt, während andernorts kurz darauf einer auftaucht, sieht man – einen gewissen raum-zeitlichen Rahmen vorausgesetzt – einen Punkt, der sich bewegt. Dieser vom Gestaltpsychologen Wertheimer unter dem Etikett Phi-Phänomen studierte Effekt ist aus dem Alltag von Lichterketten und Leuchtreklame her vertraut und bildet bekanntlich eine wesentliche Grundlage der Filmwahrnehmung.

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Tunnel-Effekt und anschauliche Identität. Verschwindet ein Objekt hinter einem Schirm, ‚sieht‘ man eine (womöglich gekrümmte) Bewegungsbahn, wenn es (in gewissem zeitlichen Rahmen) an anderer Stelle wieder auftaucht (diese Gewissheit wird, wie die u subjektiven Konturen, als amodale Wahrnehmung bezeichnet; der Begriff steht aber in diesem Fall für ein uneigentliches Sehen). Bemerkenswert ist, dass es selbst dann, wenn beim erneuten Erscheinen Form oder Farbe gewechselt haben, so aussieht, als ob sich da ein identisches Objekt bewegt: Bewegung sticht hier als Identitätsmerkmal also das Erscheinungsbild aus (Michotte, Thinès & Crabbé, 1966). Natürliche Bewegung jenseits von Mensch und Tier zeichnet sich vielfach dadurch aus, dass der optische Fluss mit einer gewissen Ortsfestigkeit gepaart ist. Offensichtlich ist das bei Bewegungen von Blättern, Zweigen und Baumstämmen im Luftstrom so; aber auch bei stehenden und selbst fließenden Gewässern, bei denen physikalisch durchaus Ortswechsel vorliegt, ist die Bewegung für das Auge mit Beharren verbunden. Ebenso zeigen atmosphärische Erscheinungen Bewegung meist im Zusammenhang mit Kontinuität: Wolken, Regentropfen oder Schneeflocken werden in der Regel nicht als Individuen verfolgt, sondern imponieren als von Bewegung erfüllte Atmosphäre (Bsp. für eine Ausnahme: eine Wolkenfront, die sich nähert). – Dass insbesondere Bewegungen von Wasser und Vegetation (wie auch von Flammen) als spielerisch wahrgenommen werden (wie der Sprachgebrauch belegt), kann als Spezialfall der Tendenz zur animistischen Auffassung von Bewegung (vgl. Groos, 1899) verstanden werden: Weil sie nirgends hinführt, scheint die Bewegung hier keinen Zweck jenseits ihrer selbst zu verfolgen (analog zu tierischem und menschlichem Bewegungsspiel und Tanz). Die Bewegung sorgt dabei für Aufmerksamkeit, erweckt aber keinen Handlungsbedarf. Deshalb spielen solche Erscheinungen in der Naturästhetik und bei der Induktion träumerischer und meditativer Zustände eine wichtige Rolle. Mobiles holen das Spiel der Naturerscheinungen in Behausungen. Lichtreklame und kunst greifen den Effekt des Spielerischen ebenso auf wie aufregende Wirkungen von Bewegung.

Lesen u Biologische Bewegung: Jansson, Bergström & Epstein, 1994; Knoblich et al., 2006; Troje, 2008; Mitbewegung/Spiegelneurone: Ennenbach, 1989; Groos, 1892, 1899; 1902; Lipps, 1903, 1897; Meltzhoff, 2002; Reed, Stone & McGoldrick, 2006; Rizzolatti & Sinigaglia, 2008; Tan, 2009; Vischer, 1927; Wilson, 2006; Animismus/Anthropomorphismus: Guthrie, 1993; Scholl & Tremoulet, 2000

Tiere und Menschen sehen: Gesichter Bekanntlich neigen wir dazu, (tierische oder menschliche) Gesichter in allem Möglichen zu sehen. Amorphe Strukturen wie Wolken, Risse oder Unebenheiten bzw. Schatten auf einer Wand werden, wie schon Leonardo da Vinci bemerkte, leicht zu Fratzen (Pareidolien). Die tauchen gelegentlich auch beim Einschlafen vor dem inneren Auge auf (hypnagoge Bilder). Das Schema Gesicht ist offenbar so dominant, dass wenig ausreicht, um es wachzurufen. An den Gesichtern, die sich (ungeplant) an von

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Menschen gefertigten Dingen zeigen – von Häusern über Autos bis zu Zangen oder Kanaldeckeln (u. a. Robert & Robert, 2005) –, kann man ablesen, dass mit dem Entdecken von einem oder zwei Punkt(en), die für Augen in einer Profil- oder Frontalansicht stehen könnten, der entscheidende Schritt getan ist. Man konfiguriert die Gesichter von dem oder den Auge(n) her. Mit großer Toleranz werden Anzeichen für eine Nase oder einen Mund auf diese(n) Kristallisationspunkt(e) bezogen; eins von beiden macht dann schon ein Gesicht fast unabweisbar, wobei ein Mund tendenziell ein prägnanteres Gesicht schafft. Beim Experimentieren mit Papier und Bleistift [u Experiment] kann man feststellen, wie wenig es braucht, damit Punkte Augen und in der Folge Linien zu Gesichtern oder Körpern werden (vgl. McCloud, 1994, Kap. 2; 2007, Kap. 2).

Experiment u Punkt-Blick A1) Skizzieren Sie Rubins Kelch. Setzen Sie nun auf Höhe der Nasenwurzeln beiderseits Punkte in den Raum neben dem Kelch. A2) Setzen Sie Punkte wie in A1), aber diesmal auf Höhe des Mundwinkels oder Kinns. B1) Setzen Sie einen Punkt neben eine beliebige vertikale Schlangen- oder Zickzacklinie. B2) Setzen Sie einen weiteren Punkt auf der anderen Seite der Linie. C) Setzen sie mehrere Punkte untereinander auf der selben Seite einer Linie wie in B). D1) Kritzeln Sie eine amorphe geschlossene Figur aus einem Linienzug und setzten Sie an beliebiger Stelle einen Punkt hinein (Varianten: Kreis, Elipse, Vierecke, Dreiecke). D2) Setzen Sie einen zweiten Punkt hinzu. Ergebnis: A1) unterstützt die Tendenz, die Profile zu sehen. A2) Wenn man einen Punkt fixiert, kann man ein auf dem Kopf stehendes Profil sehen. Dreht man das Blatt nun langsam um 180 Grad, mutet das Profil ab ca. 90 Grad grotesk an. B1) Man entdeckt ein oder mehrere alternative Profile. B2) Das führt zu einer Kippfigur von rechts nach links respektive umgekehrt ausgerichteten Profilen (kann jedoch, wenn man sich darauf einstellt, auch als Halbprofil gesehen werden). C) Das organisiert je nach Fixation die Profile neu. D1) Man findet darin meist unschwer ein bzw. mehrere Gesicht(er) oder ein vollständiges Tier (außerirdisches Wesen, Comicfigur) im Profil. D2) Es entsteht in der Regel eine (verdrehte) Frontalansicht, die keine Beziehung zu den Erscheinungen in D1) hat. – Deutung: Siehe den weiteren Text in diesem Abschnitt.

Säuglinge fixieren bei realen Gesichtern die Augen (was u. a. an deren Bewegungen und Glanz liegt), lächeln aber auch schon zwei schwarze Punkte an (ob sie von einem Kreis oder Oval umgeben sind oder nicht). Mund und ovale Kopfform, also ein vollständigeres Gesichtsschema, gewinnen im Lauf der ersten Lebensmonate an Bedeutung; individuelle Gesichtszüge werden offenbar nach etwa sechs Monaten wahrnehmbar (E. J. Gibson, 1969). Bis ins Grundschulalter unterscheidet sich die Gesichtswahrnehmung noch von der ganzheitlichen Art (siehe unten), in der Erwachsene Gesichter identifizieren (Tanaka & Farah, 2003; Schwarzer, Zauner & Corell, 2003). Das Wiedererkennen von Gesichtern ist bei jüngeren Kindern auch stark durch Brillen, Frisuren

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und Kopfbedeckungen irritierbar. – Aufmerksamkeit für Punkte, die Augen sein könnten, ist also sehr früh gegeben (wahrscheinlich angeboren); für die Herausbildung des vollständigeren Gesichtsschemas und eines besonders effizienten Blicks für individuelle Züge spielen neben der weiteren Reifung des Nervensystems vermutlich auch Lernprozesse eine Rolle. Eindeutig eine Folge des Lernens ist, dass man im späteren Leben leichter Gesichter eines vertrauten Typus differenziert (Gesichter jener Menschenrasse, in deren Mitte man aufgewachsen ist). Wer längere Zeit in eine Welt fremder Gesichter eintaucht – traditionell etwa Missionare –, bei dem bildet sich ein neues Bezugssystem hinsichtlich des Blicks für individuelle Züge. Fenster zur Seele. Studien, in denen die Augenbewegungen von Erwachsenen angesichts von (bewegungslosen) Bildvorlagen aufgezeichnet werden, zeigen, dass neben starken Kontrasten vor allem Augen den Blick auf sich ziehen (bei Großaufnahmen von Gesichtern wird neben den Augen der Mund besonders oft fixiert). Augen fallen auf, weil sie, wie Bewegung, Akteure verraten und – dank ihrer Ausrichtung – potentiell deren Absichten kenntlich machen. Der intentionalen Bedeutung des Blickens, die sich unter anderem in der Rolle von Blickwendungen in der Interaktion mit anderen Akteuren zeigt, verdankt sich die Umschreibung der Augen als „Fenster zur Seele“ (dunkle, spiegelnde Sonnenbrillen sind in diesem fundamentalen Sinn asozial). Wie etwa die antike Blickstrahl-Theorie des Sehens und auch die Angst vor dem bösen Blick zeigen, legen das eigene Blicken und das Erlebnis, angeblickt zu werden, es offenbar nahe, dieses Fenster gewissermaßen als Quellpunkt einer Aktivität aufzufassen (Vorstellung einer physischen oder metaphysischen „Macht des Blickes“). Anhaltspunkte für eine magische Bedeutung von Augendarstellungen finden sich in vielen Kulturen (Eibl-Eibesfeldt & Sütterlin, 1992, 2008; König, 1975). Die abschreckende Wirkung scheinbarer Augen dürfte bereits für entsprechende Zeichnungen im Tierreich verantwortlich sein, welche gelegentlich die Tarnung der eigenen Gestalt ergänzen.

Experiment u Invertierte Fratze Schneiden Sie aus einem Portraitfoto (z. B. einer Illustrierten) rechtwinklig die Augen- und Mundpartie aus [u Abb.] (möglichst ein Portrait mit offenem, z. B. lächelndem Mund, in dem Zähne zu sehen sind). Legen oder kleben Sie das Gesicht auf eine Pappe. Drehen sie nun das Gesicht so, dass es auf dem Kopf

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steht. Fügen Sie die ausgeschnittenen Partien, ohne sie zu drehen (also nicht auf den Kopf gestellt) wieder ein. Betrachten Sie das Portrait und drehen es dann wieder in die normale Lage (wobei nun natürlich Mund und Augen auf den Kopf geraten). Drehen Sie das Bild anschließend noch einmal langsam in den Kopfstand; achten Sie dabei darauf, bei welchem Winkel sich der Eindruck verändert. Effekt & Deutung: Siehe den weiteren Text in diesem Abschnitt. – Weil dieser Effekt zuerst an einem Foto der ehemaligen britischen Premierministerin Margret Thatcher demonstriert wurde (Thompson, 1980) spricht man vom Thatcher-Effekt oder von Thatcherisierung. Schwierigkeiten der Wahrnehmung von verdrehten Gesichtern sind schon länger bekannt (Yin, 1969); u. a. waren sie bei Experimenten mit u Umkehrbrillen aufgefallen (Kohler, 1966). – Überzeugen Sie sich selbst davon, wie schwer es fällt, den mimischen Ausdruck resp. die Person zu erkennen, wenn Gesichter auf dem Kopf stehen.

Gesichtsmodus bzw. -modul. Seit den 1990er Jahren ist eine Welle von Forschung zur Gesichtswahrnehmung zu verzeichnen. Sie kreist u. a. darum, ob Gesichter auf besondere Weise, also anders als andere Objekte, aufgefasst werden und ob sich im Gehirn ein auf diese Leistung spezialisiertes Modul findet. Ausgangspunkt sind psychologische und neurologische Entdeckungen: ❚ Betrachtet man grob entstellte Gesichter, wenn diese auf dem Kopf stehen, sieht man zwar, dass man ein Gesicht vor sich hat, erkennt aber nicht, dass die Konfiguration gestört ist [u Experiment]. ❚ Im Schläfenlappen (genauer: im inferotemporalen Kortex) des Gehirns von Affen wurden Zellen gefunden, die dann besonders aktiv werden, wenn den Tieren eine aufrechte Frontalansicht des vollständigen Gesichts eines Artgenossen präsentiert wird (und die auch auf ein entsprechendes Bild eines Menschen noch relativ stark reagieren, sofern man bei diesem Bild die Augen nicht tilgt); andere Neurone wiederum reagieren bei einem Profil optimal. ❚ Schon länger ist bekannt, dass lokale Schädigungen (Läsionen) in einem bestimmten Bereich des Schläfenlappens (dem inferotemporal gelegenen Gyrus fusiformis) im menschlichen Gehirn speziell das Identifizieren von Gesichtern beeinträchtigen (Prosopagnosie). Mit den neuen Methoden der Aufzeichnung von Stoffwechselaktivitäten im Gehirn wurde nun nachgewiesen, dass dieser Bereich bei Gesunden besonders aktiv ist, wenn sie Gesichter wiedererkennen sollen. Vor diesem Hintergrund postulierte man ein „Gesichtsmodul“, das individuelle Gesichtszüge ganzheitlich (holistisch oder konfigurativ) statt Stück für Stück erkennt (sofern das Gesicht nicht auf dem Kopf steht). Eine Erfahrung, die Dolezal (1982) während des Tragens einer Umkehrbrille machte, illustriert, was mit dieser Gegenüberstellung gemeint ist: Er erkannte das Gesicht einer ihm vertrauten Person nach Beginn des Experiments zunächst überhaupt nicht wieder, konnte sie dann aber an ihrem gebro-

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chenen Nasenbein erkennen, das ihm seit Jahren nicht mehr aufgefallen war (die Identifikation über eine Komponente trat an die Stelle der Wahrnehmung der charakteristischen Konfiguration). Die Beschränkung der genauen konfigurativen Gesichtswahrnehmung auf die aufrechte Ansicht (z. B. irritieren ab ca. 90 Grad u Thatcherisierungen nicht mehr oder deutlich weniger) erklärt man damit, dass dieser Wahrnehmungsmodus sehr aufwendig ist. Der Preis für schnelles Identifizieren von Individuen – als überlebenswichtige Fähigkeit – sei nämlich ein enormer Bedarf an Speicherplatz. Verdrehte Gesichter und fremde Gesichtstypen, die im alltäglichen Agieren keine Rolle spielen, würden deshalb von diesem Verarbeitungsmodus ausgenommen (und stattdessen nur als Gesichter von diesem oder jenem Typus eingeordnet). Im Unterschied zu Gesichtern (des vertrauten Milieus) werden, wie Tanaka und Farah (2003) postulieren, Dinge und Schrift eher analytisch (Komponente für Komponente) wahrgenommen. Allerdings sind die Befunde bei Patienten mit Schädigung des Schläfenlappens hinsichtlich der Unterschiede beim Erkennen von Gesichtern und Objekten nicht ganz eindeutig. Und andererseits belegen – wenn auch nicht unstrittig (McKone & Robbins, 2007; Gauthier & Bukach, 2007) – Studien an gesunden Experten für Hunderassen, Vögel oder Autos, dass das Gesichtsmodul auch bei anderen Objekten aktiv werden kann; das gilt auch für Versuchspersonen, die man trainiert, verschiedene Typen von computergenerierten PhantasiefiGreebles guren zu unterscheiden (sog. Greebles [u Abb.]). Mögliche Schlussfolgerung: Es gibt einen privilegierten Verarbeitungsmodus, der sich für die schwierige Aufgabe herausgebildet hat, Individuen der eigenen Gruppe unter wechselnden Bedingungen schnell und sicher zu identifizieren. Dieser „Blick“ kann indessen auch auf andere Gegenstände übertragen werden, mit denen man sich entsprechend vertraut macht. Ob gewisse Analogien mit menschlichen Gesichtern (wie sie bei Hunden und Vögeln, aber auch bei Autos oder den Greebles vorliegen) dabei vorausgesetzt sind, bleibt offen. Karikatur-Effekt. Übertreibung von Gesichtszügen erleichtert das Identifizieren (sofern sich die Überzeichnung in gewissen Grenzen hält). Das gilt besonders für Gesichter, mit denen man persönlich oder aus den Medien vertraut ist: Cartoons, die Eigenheiten – sprich: Abweichungen vom Durchschnittsgesicht – verstärken, werden schneller erkannt als solche mit den Proportionen des Originals. Sie werden auch als treffender oder ähnlicher empfunden. Karikierende Fotos – die dank digitaler Bildbearbeitungssoftware, die Abweichungen vom Durchschnittsgesicht ermittelt und nach Belieben verstärkt, leicht herstellbar sind – werden ebenfalls schneller erkannt. Allerdings scheinen sie, anders als bei den Cartoons, der Person nicht ähnlicher zu sein als die Originalfotos (Perret et al., 1995).

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Dauerhafte Züge und Mimik. Die Konfiguration eines individuellen Gesichts begegnet den Mitmenschen oft in verzerrter Form: Beim Sprechen, Essen und bei Emotionen verformen sich Gesichter. – Muss man, um individuelle Züge zu erkennen, von diesen Bewegungen abstrahieren? Nach dem neurokognitiven Konzept von Haxby und Kollegen (2000) werden überdauernde Strukturen und (die für die Interaktion relevante) Mimik in verschiedenen Modulen analysiert. Für die dauerhaften Strukturen sei das Was-System zuständig, insbesondere die fusiforme Windung, für die Mimik das Wo/Wie-System (genauer: Neurone in der hinteren oberen Furche des Schläfenlappens, einem Bereich, der an den Scheitellappen grenzt). Allerdings gelingt es offenbar nicht immer, Ausdruck und individuelle Anatomie auseinanderzuhalten. Hochberg (1977) vermutet, dass charakterliche Bewertungen angesichts von Gesichtszügen (physiognomische Urteile) teils darauf zurückgehen, dass man (unabhängig von Ausdrucksspuren à la Lachfältchen) dauerhafte Züge als Ausdruck interpretiert (z. B. einen breiten Mund als Lächeln); insbesondere angesichts statischer Bilder. Ein bekanntes Beispiel sind die von Brunswik und Reiter (1937) demonstrierten Anmutungen, die Änderungen der Proportionen beziehungsweise Konfigurationen in Schemagesichtern herVariable Schemagesichter nach vorrufen [u Abb.]. Brunswik & Reiter, 1937 Karikatur-Effekt und Ausdruck. Ein gewisses Paradox liegt darin, dass Karikaturen die Wahrnehmung von Identitäten erleichtern, während sie zugleich die Vermischung von Struktur und Ausdruck (z. B. übergroße Augen bei Überraschung oder Angst; überbreiter Mund bei Lächeln oder Grinsen) fördern. Im Anschluss an Hochberg (1977) und Gombrich (1977) kann man spekulieren, ob das Wahrnehmen eines motorischen Elements in statischen Karikaturen nicht gerade der Hebel ist, an dem der Karikatur-Effekt ansetzt. Wenn nämlich übertriebene Züge als Moment einer Ausdrucksbewegung aufgefasst würden – weil sie einen Kurzschluss von dauerhaften Zügen und Ausdruck unterstützen oder Erinnerungen an die tatsächliche Mimik der Person wachrufen –, brächte das eine gewisse Intensivierung der Bildwahrnehmung mit sich. Die Beteiligung von Bewegung bzw. Emotion würde jedenfalls gut zu Geschwindigkeit und Eindringlichkeit der Identifikation von Karikaturen passen. Vielleicht springen Karikaturen deshalb ins Auge, weil sie – so wenig das jeweils gerechtfertigt sein mag – Gesichter affektiv aufladen (u Mitbewegungen auslösen). Individuelle Mimik. Das würde auch zu dem Befund passen, dass beim Identifizieren eines Gesichts das Mienenspiel gar nicht stören muss. Im Gegenteil: Wie das Gehen hat auch die Mimik einen je persönlichen Stil, eine individuelle räumliche und zeitliche

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Ausprägung. Wenn man z. B. das Lächeln verschiedener Personen nacheinander auf ein animiertes (computergeneriertes) Durchschnittsgesicht überträgt, bleibt der individuelle Ausdruck trotz dieser Gleichschaltung erkennbar (Knappmeyer, 2004). Weiter zeigte sich, dass auch in Hinblick auf das individuelle Mienenspiel eine (digital ins Werk gesetzte) Übertreibung der Stilmerkmale tendenziell die Identifizierbarkeit erleichtert (also ein motorischer Karikatur-Effekt).

Kunst, Medien & Werbung u Tiergesichter (als Karikaturen) Bekanntlich sind auch vage Ähnlichkeiten mit Tiergesichtern Quelle physiognomischer Zuschreibungen bzw. Thema von Karikaturen. Jemandes Züge z. B. als Gesicht einer Kuh zu stilisieren, impliziert ein Urteil über seine geistige Verfassung. Woher aber rührt unsere Vorstellung von der Mentalität des Wiederkäuers? Aus dem Wissen um das aus unserer Perspektive wenig abwechslungsreiche Leben einer Kuh? Gombrich (1977) vermutet, dass vor allem Einfühlung, insbesondere irriges Mitfühlen mit dem vermeintlichen Ausdruck der überdauernden Züge, die animalischen Charakterbilder erklärt. Gombrich glaubt, „feststellen zu können, dass sich beim Zoobesuch meine Muskelreaktionen verändern, wenn ich vom Flusspferd-Haus zum Wieselkäfig hinübergehe. Wie dem auch sei, die menschliche Reaktion auf die beständigen Merkmale nichtmenschlicher Physiognomien, die in Märchen und Kinderbüchern, in Folklore und Kunst so unvergleichlich dokumentiert ist, deutet nachdrücklich darauf hin, dass unsere Reaktion auf Tiere eng mit unseren eigenen Körpervorstellungen zusammenhängt“ (S. 46).

Kategoriale Wahrnehmung von Gesichtern. Solange Veränderungen in realen Gesichtern vor sich gehen, steht ihre Identität außer Frage – selbst bei erheblichen Verzerrungen etwa in Wut oder panischer Angst. Magisches Morphing, bei dem – wie als Spezialeffekt in Spielfilmen, Videoclips oder Werbung zu sehen – am Ende ein anderes menschliches oder tierisches Gesicht oder gar ein Objekt ganz anderer Art entsteht, ist ausgesprochen befremdlich: Die Gewissheit der Identität – hier: eines bleibenden Formkernes – wird Lügen gestraft. Bei einer Reihe von Porträtfotos zweier Personen, die schrittweise einander angeglichen werden, ordnet man die mittleren Zwischenglieder dem Gesicht zu, von dem man jeweils ausgegangen ist. Dieses Festhalten trotz Veränderung nennt man kategorische bzw. kategoriale Wahrnehmung; Gestaltpsychologen sehen hier den Faktor der objektiven Einstellung am Werk (man sieht in mehrdeutigen Bildern das, worauf man durch den Ausgangspunkt eingestellt ist).

Wahrnehmungsqualitäten u Morphing Da Frontalansicht und Profil von Personen, mit denen man nicht vertraut ist, nicht so leicht identifizierbar sind, gelang es Isabelle und Heinrich Bülthoff (2003), beim Morphing von der Frontalansicht einer Person zum Profil einer anderen (nicht allzu unähnlichen) Identität zu suggerieren, wenn die Bildreihe nicht simultan, sondern nacheinander präsentiert wurde. Versuchspersonen, die jemanden auf diese Weise kennenlernen, sehen eine

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Deformation, wenn man ihnen Sequenzen zeigt, in denen alle Bilder von derselben Person stammen. Hier stiftet Abfolge bzw. Bewegung nicht nur aktuell – wie bei der oben erwähnten Variante des u Tunnel-Effekts –, sondern überdauernd Identität auch bei Formwechsel.

Lesen u Calder, Rhodes, Johnson & Haxby, 2011; Hochberg, 1977; Knappmeyer, 2004; Logothetis, 2006; Perret et al., 1995; Peterson & Rhodes, 2003; Solso, 2003, Kap. 5; Kunst- und Kulturgeschichte: Gombrich, 1977, 1986; Bächthold-Stäubli, 1987, Bd. 1, Stichwort „Auge“; Verhaltensforschung: Eibl-Eibesfeldt, 1995; König, 1975; Morris, 1993; Tomasello & Carpenter, 2007

Menschen und Tiere sehen: Ästhetik „… scheint doch auch der Hund dem Hund das herrlichste Geschöpf zu sein, und das Rind dem Rind, der Esel auch dem Esel und das Schwein dem Schwein.“ (Epicharmos von Syrakus, zit. nach Richter, 1999, S. 65)

Beim Anblick anderer Menschen erkennen wir sie nicht nur als Vertreter eines Typus oder als Individuen, sondern bewerten – wenn vielleicht auch nur beiläufig – ihre Erscheinung. Psychologen sind dem affektiven oder ästhetischen Aspekt, insbesondere der Gesichtswahrnehmung, in zahllosen Studien nachgegangen. Bei diesen Untersuchungen geht es meist um die Beurteilung von Gesichtern oder Körpern auf unbewegten (und seltener auch bewegten) Bildern. Weil Bilder für den heutigen Menschen selbstverständlich sind, übersieht man leicht, dass diese Situation einen Anblick bietet, der sich sonst nur bei mehr oder weniger direkter Konfrontation mit einem anderen Menschen ergibt (Face-to-face-Situation), also meist eine Interaktion mit dem Betrachter einschließt. Die Urteile angesichts solcher Bildbetrachtung machen nur bedingt vorhersagbar, wie man die Erscheinung eines Menschen erlebt, der den Blick erwidert, dessen Gesicht und Körper sich zum Betrachter als Gegenüber verhält. – Fotos von Menschen aus dem privaten Umfeld taxiert man danach, ob sie für erinnerte Muster von Interaktionen charakteristisch sind. Beim Betrachten von Fotos von Politikern, Schauspielern etc. klingt immerhin noch deren Gebaren in (echten oder gespielten) Lebenssituationen an, die man im Fernsehen oder Kino verfolgt hat. Fotos von Unbekannten sind bei ausdrucklosem Gesicht oder Körper eigentümlich nichtssagend – es sei denn, Spuren von Ausdrucksbewegungen oder die Fehlinterpretation anatomischer Gegebenheiten als Mimik sorgen indirekt für Bewegung.

Die heutige Attraktivitätsforschung bestätigt weitgehend eine These, die Kant in seiner Kritik der Urteilskraft formuliert hatte: Mittelmaß ist schön. Kant leitete das daraus ab, dass eine Normalidee von Gesicht und Körper durch die unwillkürliche mentale Überlagerung aller wahrgenommenen und gespeicherten individuellen Gesichter und Körper entstehe. Er hielt es für möglich, ein entsprechendes äußeres Bild auch „mecha-

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nisch“ herzustellen. Was Gesichter angeht, ist das seither vielfach realisiert worden. Man kopierte zunächst Fotos übereinander. Auf dieses Verfahren war Darwins Vetter Galton schon im 19. Jh. auf der Suche nach dem „Verbrechergesicht“ verfallen. Inzwischen bedient man sich digitaler Mittelungsverfahren. Lässt man Durchschnittsbilder beurteilen, stellt sich regelmäßig der Befund ein, dass sie desto attraktiver sind, je mehr Bilder zugrunde liegen (und – wenig verwunderlich – je attraktiver bereits die verwendeten Einzelbilder wirken). – Die Schönheit des Mittelmaßes hielt Kant indessen nicht für das letzte Wort in Sachen Ästhetik der menschlichen Gestalt: „Das Mittelmaß scheint das Grundmaß und die Basis der Schönheit, aber noch lange nicht die Schönheit selbst zu sein, weil zu dieser etwas Charakteristisches erfordert wird.“ (Kant, 1983, S. 249) Und auch nach den Ergebnissen der Attraktivitätsforschung kann die Anziehungskraft von Durchschnittbildern von besonders schönen individuellen Gesichtern übertroffen werden und auch durch gewisse experimentelle Manipulationen der „gemittelten“ Bilder (siehe unten). Wie erklärt man sich den Durchschnitts- oder Prototypen-Effekt? – Da ist einmal die These, Wahrnehmen werde hier durch vorherige Erfahrung, also eine Art Vorwärmen erleichtert (perceptual fluency durch priming): Was man schon einmal gesehen hat, springe leichter ins Auge, und diese Ökonomie sei in sich belohnend; man spricht auch von einem Effekt des bloßen Ausgesetztgewesenseins (mere exposure). Dieser Effekt zeigt sich z. B. in der Bewertung individueller Gesichter: Tendenziell schneiden Bilder, die man Versuchspersonen bereits zuvor (unter irgendeinem Vorwand) gezeigt hatte, besser ab als neue. Die Attraktivität von Durchschnittsgesichtern scheint indessen unabhängig von der vorgängigen Begegnung mit den zugrundeliegenden Individualgesichtern zu sein (Rhodes et al., 2005b). Es lässt sich allenfalls argumentieren, dass ein Durchschnittsgesicht allemal eine Art Wiederbegegnung mit Gesichtern des jeweiligen Typus sei. Tatsächlich geht die Gefälligkeit dieser Bilder mit einem Gefühl der Vertrautheit einher. Vertrautheit macht nachweislich nicht nur menschliche Gesichter gefälliger, sondern auch unbelebte Objekte wie Uhren oder Automobile (Halberstadt & Rohdes, 2003) und auch Kunstwerke, deren Stilmerkmale man einzuordnen vermag [u Kap. 10]. Robert Zajonc, der den Begriff mere exposure eingeführt hat (1980, 2001), betont, dass die Bevorzugung des bereits Bekannten sogar ohne ein ausdrückliches Gefühl von Vertrautheit auskommen kann. Im Hinblick auf die Wirkung von Individualgesichtern, die man schon einmal gesehen hat, ergab eine Hirnscannerstudie von Zebrowitz und Zhang (2012) Anzeichen für eine Verminderung von Angst; größere Gelassenheit könnte demnach ein Faktor der gesteigerten Eingängigkeit (fluency) auch von Durchschnittsgesichtern sein. Zum anderen erklärt man die positive Wirkung des Mittelmaßes damit, dass eine normale Erscheinung für Gesundheit und gute Gene spreche, eine entsprechende Partnerwahl also erfolgreiche Fortpflanzung wahrscheinlich mache. Bei der Mittelung

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der Bilder verschwinden ja eventuelle Unregelmäßigkeiten in Teint und Form, die entsprechende Zweifel erwecken könnten. Da Unregelmäßigkeiten mit zunehmendem Alter im individuellen Gesicht zunehmen, sorgt die Durchschnittsbildung gegebenenfalls auch für eine gewisse Verjüngung. Zur Steigerung der Regelmäßigkeit gehört erhöhte Symmetrie. Die positive Wirkung von Symmetrie, die sich auch bei attraktiven Individualgesichtern geltend macht, wird darauf zurückgeführt, dass sie als Anzeichen der Parasitenresistenz fungiere (weil sie für einen stark gemischten Genpool spreche, der die Voraussetzung für Letztere bilde). – Allerdings wird u Symmetrie generell als angenehm empfunden. Sie kennzeichnet die Gestalt von Lebewesen. Auf die das visuelle Wahrnehmen offenbar eingestellt ist. Symmetrische Objekte gefallen demnach, weil sie wie ein Schlüssel in das Schloss eines vorgegebenen Suchschemas passen (ähnlich wie man das bei der Erklärung angenehmer Vertrautheit durch Vorerfahrung unterstellt; hier allerdings im Sinne einer angeborenen Bahnung). Schließlich ist ein Aspekt der Durchschnittsbilder in Betracht zu ziehen, der mit der Verjüngung durch Glättung der Haut und Rundung der Formen zusammenhängt: die Tilgung nicht nur von subtilen Zeichen der aktuellen Mimik der Individuen, sondern auch von Spuren eines zur Gewohnheit gewordenen Minenspiels. Durchschnittsgesichter sind nicht nur hinsichtlich der Formen der Gegenpol zu Karikaturen. So wie diese wahrscheinlich nicht nur deshalb prägnant wirken, weil sie Eigenheiten der Züge übertreiben, sondern auch dadurch, dass die überspitzten Formen ausdruckshaft anmuten, so beeindrucken umgekehrt die ausgemittelten Gesichter womöglich nicht zuletzt durch ihre Ausdrucks- beziehungsweise Spannungslosigkeit. Wenn man eine mögliche Ansteckung bei Betrachtern bedenkt (sozusagen eine Mit-Bewegungslosigkeit; u Spiegelneurone), ergibt sich damit wiederum ein Indiz dafür, dass Durchschnittsbilder eingängig sind, weil sie Betrachter entspannen, gelassen machen.

Wahrnehmungsqualitäten u Durchschnittsgesichter: engelsgleich – schicksalslos David Katz (1953a), der in den 1930er/1940er Jahren mit Durchschnittsbildern experimentierte, legte Künstlern eine Auswahl solcher Bilder zur freien Beurteilung vor. Diese waren offenbar fasziniert. So zeigt sich der Bildhauer Hans Weil „verblüfft durch die Reinheit der Form“; die Menschen stünden „gewissermaßen in einer transponierten Idealsphäre“; die Stirn sei „klar, von heiter-ausgeglichenem Charakter. Ihre Materie könnte Marmor sein.“ Weiter: „Der Übergang in das über dem oberen Augenlid liegende, für jugendliche Schönheit so bedeutsame Rund des Fleisches ist besonders stetig. Das gilt auch für den Übergang der Stirn zur Nasenwurzel – wie ähnlich gerade diese Züge dem Formcharakter sind, die die Klassik der Antike sowie der Renaissance erstrebte!“ Und: „Die Durchschnittsbilder suggerieren Darstellungen von über die Realsphäre erhobenen Wesen. […] man versteht, warum die Durchschnittsbilder an Vorstellungen von Engeln, Cheruben und dergleichen Gestalten erinnern und an ihre Darstellung in der Kunst, insbesondere der Antike, der italienischen Renaissance und des französischen Klassizismus. Man denkt an

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Künstler wie Leonardo, dessen Gestalten derselbe rätselhafte und zugleich klare Blick eigen ist.“ (S. 31) Auch dem Porträtisten Arne Cassel erschien der Ausdruck „oft rätselhafter, unbestimmter, weniger charakteristisch“ (S. 32) als bei Fotos von Individuen. Und der Maler Gunnar Ericsson meinte, „daß die Bilder eine Idealschönheit vom Typ der Mona Lisa zeigen“ (S. 32). Katz führt den beeindruckenden mechanischen „Läuterungsprozeß“ (S. 33) darauf zurück, dass mit den Falten die Spuren der „habituelle(n) mimische(n) Reaktionsweisen“ getilgt werden, weshalb die Gesichter „sozusagen schicksalslos“ (S. 35) wirken: „[…] sie haben eine Art Zeitlosigkeit. Sie wirken unberührt von dem Treiben der Welt, unbekümmert und naiv.“ (S. 36) Von hier ließe sich ein Bogen spannen zur Parallele, die der Neurologe Jonathan Cole (1999) zwischen den Mädchenporträts Modiglianis und dem ausdruckslosen Erscheinungsbild bei Lähmung des Gesichts (Möbius-Syndrom) findet – und zur Hoffnung, durch Spritzen mit Nervengift (Botox) ewige jugendliche Gesichtsschönheit zu erlangen (um den Preis der tendenziellen Verwandlung eines lebendigen Gesichts in eine Maske).

Die ästhetische Wirkung von Vertrautheit durch Vorerfahrung oder von angeborener Aufgeschlossenheit für symmetrische Formen ist indessen begrenzt. Allzu vertraute Gesichter sind – wie gängige Gebrauchs- oder Kunstgegenstände – tendenziell uninteressant. Und so wie völlig symmetrische Formen bei aller Eingängigkeit tendenziell langweilig wirken, so fehlt auch Durchschnittsgesichtern das „gewisse Etwas“ markanter Schönheit. Sie sind weder auffallend noch einprägsam. Kosmetik, Haar- und Brillendesign versuchen sich wie die Mode insgesamt – grundsätzlich gesehen – in dem Kunststück, zugleich den Eindruck von Vertrautheit bzw. Ebenmaß wie den von Eigenheit zu fördern. Auch jenseits der menschlichen Gestalt bemüht man sich im Design darum, eingängige und zugleich interessante, in Maßen neue Dinge zu entwerfen („most advanced, yet acceptable“; vgl. Hekkert, Snelders & Wieringen, 2003). Kunst, zumal gegenwärtige, spielt gar mit Rätselhaftigkeit, die indessen als solche auf ‚Kenner‘ durchaus vertraut wirken kann.

Was das Charakteristische sei, dessen in seinen Augen „die Schönheit selbst“ bedürfe, benennt Kant in seiner Vorlesung zur Anthropologie in pragmatischer Hinsicht exemplarisch als Ausdruck von „Gutmütigkeit und Frohsinn“, welcher auch ein entstelltes Gesicht sympathisch machen könnte, weshalb es „keineswegs hässlich genannt werden darf “. In der Kritik der Urteilskraft hatte er von der Normalidee des Schönen dessen Ideal unterschieden, das „in dem Ausdrucke des Sittlichen“ bestehe. Schon Edmund Burke hatte zuvor in Vom Erhabenen und Schönen postuliert, um „vollendete menschliche Schönheit“ zu bilden, bedürfe ein Gesicht nicht nur der „Sanftheit, Glätte und Zartheit der äußeren Form“, sondern müsse „vornehme und liebenswürdige Qualitäten ausdrücken“ (1953, S. 158). Auch in dieser Hinsicht wird die philosophische Ästhetik durch die zeitgenössische Forschung gestützt: Schönheit von Gesichtern bedarf offenbar eines sozialen Moments.

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Die soziale Komponente der Gesichtschönheit kommt unmittelbar in dem schlichten Befund zum Ausdruck, dass Lächeln Gesichter attraktiver macht. Indirekt – im Sinne der besprochenen Ausdrucksdeutung von Karikaturen – könnten die anatomisch gegebenen überdurchschnittlich breiten Münder, die man bei Illustriertenschönheiten oder manchen Filmschauspielerinnen findet, in Richtung Lächeln und damit der Attraktion einer sozialen Haltung weisen (Grammer, 2000); nennen wir das den Julia-Roberts-Effekt. Bestimmte experimentelle Veränderungen an Durchschnittsbildern führen zu noch positiveren Bewertungen. So gewinnt ein weibliches Durchschnittsgesicht durch künstliche Betonung der Wangenknochen (wie es heißt, als Zeichen dafür, dass man es nicht mit einem Kind zu tun hat; evtl. aber auch als u Smiley-Effekt wie im Lächeln der Mona Lisa; siehe unten), durch Vergrößerung der Augen, Verkleinerung der Kinnpartie und Verkürzung der unteren Gesichtshälfte (Perrett, May & Yoshikawa, 1994). Diese Manipulationen könnten wirkungsvoll sein, weil sie einen sozialen Ausdruck fingieren oder weil sie in anderer Weise das Herz des Betrachters erwärmen: ❚ Die Vergrößerung der Augen könnte für sich genommen mit einem Ausdruck von Interesse und Offenheit oder dem Augengruß in Verbindung gebracht werden (Grammer, 2000). Bekanntlich sind Hervorhebung (scheinbare Vergrößerung) der Augen und zeichnerisches Hochziehen der Augenbrauen verbreitete kosmetische Maßnahmen. Große Augen sorgen außerdem für mehr u Glanz. ❚ Zusammen mit den anderen Manipulationen – ausgenommen vielleicht dem Hervorheben der Wangenknochen – ergibt die Augenvergrößerung eine Veränderung, die an das allseits bekannte u Kindchenschema erinnert, das bekanntlich fürsorgliche Zuwendung evoziert (in der Sprache der Humanbiologie: als angeborener auslösender Mechanismus, AAM, für soziales Verhalten fungiert; Wärme und geringe Dominanz strahlen, wie Sparko und Zebrowitz (2011) zeigen, auch nichtmanipulierte Fotos von Frauen mit kindlich proportioniertem Gesicht aus). Die weiblichen „Superschönheiten“ würden demnach ein Zeichen von erwachsener Weiblichkeit (ausgeprägte Wangenknochen, die eventuell aber auch wegen des Smiley-Effekts gefallen) und den Audruck von Kindlichkeit, der (als gewissermaßen passive Sittlichkeit) soziales Verhalten provoziert, in sich vereinen. Männliche Gesichter sind für viele Frauen attraktiv, wenn sie ein ausgeprägtes Kinn zeigen. Das führt man darauf zurück, dass so ein Gesicht einen hohen Testosteronspiegel signalisiere. Nach der Handicap-Theorie ist das attraktiv, weil solch ein Hormonspiegel eigentlich schlecht für das Immunsystem ist und es deshalb auf eine robuste Gesundheit deute, wenn man mit so einem Kinn (und anderen ausgeprägten sekundären männlichen Geschlechtsmerkmalen) überlebt. Nach dem Motto, dass man schon sehr fit sein müsse, um sich diesen Testosteronspiegel leisten zu können (wie der Pfau den Luxus seines sperrigen Federkleides). Die Erfinder der Handicap-Theorie sehen in

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ausgeprägtem Bartwuchs insofern ein zusätzliches Hindernis, als „ein Bart einen Mann bei einem Kampf verletzlich machen kann“ (man kann ihn am Bart packen): „Wenn ein Mann sich einen Bart wachsen lässt, zeigt er damit also sein Selbstvertrauen“ (Zahavie & Zahavie, 1998, S. 358). Macht man allerdings männliche Durchschnittsgesichter „supermännlich“, indem man die Differenzen zu weiblichen Durchschnittsgesichtern überspitzt, verlieren sie an Anziehungskraft, während nach der nämlichen Logik produzierte „superweibliche“ Gesichter besser ankommen als das weibliche Durchschnittsgesicht. Bemerkenswerterweise gewann bei diesen Experimenten auch das männliche Durchschnittsgesicht durch Verweiblichung (Rhodes, Hickford & Jeffery, 2000). Obwohl also Zeichen einer normalen Männlichkeit bei der Partnerwahl eine gewisse Rolle spielen, mindert sich tendenziell die Anziehungskraft durch entsprechende Zuspitzung (das gilt offenbar auch für den Körper, also die Ausbildung der Muskulatur). Die Steigerung der Attraktivität durchschnittlicher Männergesichter durch künstliche Verweiblichung könnte damit zusammenhängen, dass das typische männliche Gesicht weniger schön (und damit auch weniger freundlich und sozial) denn dominant erscheint; in der klassischen Polarität von Schönheit und Erhabenheit ausgedrückt, wären besonders männliche Züge eher „erhaben“ (sprich: schreckerregend) als schön. Vielleicht lautet die Devise der weiblichen Partnerwahl: Männer sollen in Maßen machtvoll wirken. Für den dominanten Eindruck sorgen markiges Kinn, Bartwuchs und andere Testosteronfolgen – wie das Pfauenrad nicht minder – wahrscheinlich auch unabhängig vom theoretischen Überschlag rückwärts, den die Handicap-Theorie für nötig erachtet. Männer und Frauen unterscheiden sich auch hinsichtlich Mimik und Kopfbewegung: Kopf und Gesicht von Frauen sind bewegter als die von Männern (überträgt man Kopfbewegungen und Mimik von Männern und Frauen auf ein animiertes neutrales Modell, werden die Geschlechter immer noch überzufällig häufig identifiziert; Morrison et al., 2007). Sequenzen von Mimik und Kopfbewegungen, die trotz der Übertragung auf ein neutrales Kopfmodell besonders eindeutig als weiblich identifiziert werden, zeichnen sich durch große Lebhaftigkeit aus. Der betont weibliche Stil ist zugleich besonders attraktiv. Umgekehrt wirkt gut erkennbare – also spärliche – männliche Mimik und Kopfbewegung nicht besonders anziehend. Wenn man bedenkt, dass die Wahrnehmung von Bewegung (zumindest innere) Mitbewegung provoziert, wird deutlich: Auch die Anziehungskraft lebendiger weiblicher Mimik und Kopfbewegung impliziert eine soziale Komponente der Schönheit. Andeutungen solcher Bewegungen (u fruchtbare Momente) können auch statische Bilder vermitteln. Fotografien von Frauen mit erwachsen wirkenden Gesichtern vermitteln etwa den gleichen Eindruck von Wärme wie Fotos von Frauen mit babyface, wenn sie gleichermaßen eine Überraschungsmimik zeigen, die grundsätzlich eine gewisse Aufgeschlossenheit impliziert (Sparko & Zebrowitz, 2011). Frey (1999) weist darauf hin, dass Leonardo da Vinci sich der einnehmenden Wirkung einer gewissen (Zu-)Neigung des Kopfes bei

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Frauenporträts bewusst war; wenn er gleichwohl die Mona Lisa den Kopf fast kerzengerade halten lässt, deute dies darauf hin, dass er mit Bedacht eindeutige Zeichen der Zuwendung vermeiden wollte. Am Beispiel von Botticellis „Geburt der Venus“ hebt Deuflhard (2008) hervor, dass nicht nur die Neigung des Kopfes, sondern auch Andeutungen anmutiger Gestik auf das Gesicht ausstrahlen können. Und er macht darauf aufmerksam, dass Bärte die Mimik maskieren und so ein distanziertes Erscheinungsbild des männlichen Gesichts unterstützen. Kant hatte die Normalidee auf den Typus der vertrauten Gesichter bezogen und postuliert, dass deshalb „ein Neger notwendig (…) eine andere Normalidee der Schönheit der Gestalt haben muß, als ein Weißer, ein Chinese eine andere als der Europäer“ (1924, S. 76). Diesem Postulat widerspricht allerdings eine Erfahrung, die man NaomiCampbell-Effekt nennen könnte: die – auch in formellen Studien nachgewiesene – Attraktivität von individuellen Mischlingsgesichtern. Auch artifiziell hergestellte Mischlingsgesichter sind besonders attraktiv. Gehen in Durchschnittsbilder etwa Fotos von Kaukasiern (wie man Europäer und ihre nordamerikanischen Nachfahren nennt) und Asiaten ein, erscheinen diese gemischten Durchschnittsbilder kaukasischen und asiatischen Beurteilern attraktiver als diejenigen vom jeweils eigenen Gesichtstypus (Rhodes et al., 2005a). – Vielleicht rührt der besondere Reiz von der Kombination der Eingängigkeit des Durchschnitts (Glättung, Symmetrisierung, Vertrautheit) mit der Auffälligkeit des Fremden, also daher, dass diese Verbindung vertraut und neu zugleich wirkt. Körpergestalt und Körperbewegung. Universell wirken Zeichen von Jugendlichkeit und Gesundheit anziehend; das betrifft neben dem Erscheinungsbild von Haut und Haaren nicht zuletzt dynamische Qualitäten, also Haltung und Bewegung. Bei Kleinkindern erscheint Tapsigkeit liebenswert, wirkt gewissermaßen als motorisches Kindchenschema. Im Erwachsenenalter wird jenseits geschlechtspezifischer Akzente (siehe unten) ein Minimum an Spannkraft, Zielsicherheit und Flüssigkeit vorausgesetzt. Abweichungen wirken abstoßend, bedrohlich (wahrscheinlich, weil sie den potentiellen Verlust der eigenen Gesundheit bzw. Normalität vor Augen führen) oder auch mitleiderregend. Das schlägt sich in der bekannten Schwierigkeit nieder, körperlich Behinderten gelassen zu begegnen. Solche universellen Phänomene schließen kulturelle Differenzen in der Ästhetik von Gang und Haltung nicht aus (etwa die Wertschätzung eines würdevollen Alterstils in asiatischen Gesellschaften; Montepare & Zebrowitz-McArthur, 1988). Jugendlichkeit von Körper und Gesicht spielt allerdings in der männlichen Partnerwahl eine größere Rolle als in der weiblichen; für Frauen versprechen Zeichen der Reife eher eine gesicherte Versorgung des Nachwuchses. Eine Reihe von geschlechtstypischen Merkmalen dürfte universell bei der Partnerwahl eine Rolle spielen (ohne diese freilich völlig zu determinieren – sonst wären mehr Menschen ohne Partner):

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❚ Männer sollten in den Augen der meisten Frauen eine gewisse Minimalgröße der Statur aufweisen sowie eine (in Maßen) sichtbare Ausprägung der Muskulatur; erwähnenswert ist, dass viele Frauen sich von ausgesprochenen Muskelmännern distanzieren, aber einen „knackigen Po“ schätzen: Der gluteus maximus ist der größte Muskel und das Indiz für (nicht zwischenmenschlich bedrohliche, aber etwa jagdtaugliche) Fortbewegungskraft; weiterhin scheinen eine relativ geringe Differenz von Hüft- und Taillenbreite sowie relativ breite Schultern (T-Figur) Männer anziehend zu machen. ❚ Männer fühlen sich in der Regel nicht zu Frauen hingezogen, die eine relativ zu ihnen überragende Statur ausweisen; attraktiv ist bei Frauen ein gewisses Minimum von (rundendem) Fettgewebe an Brust und Hinterteil, das Geschlechtsreife signalisiert; dazu eine im Verhältnis zur Hüfte schmale Taille (Sanduhr-Figur) ❚ unterschiedliche Bewegungsstile; exemplarisch sei die eher schwere und raumgreifende (schulterbetonte) männliche Gehweise gegenüber der eher eng geführten, geschmeidigeren (hüftbetonten) weiblichen erwähnt (eine Differenz, die von feministischer Seite als Zeichen der Unterdrückung betrachtet wird). [Siehe auch Kap. 10: Wahrnehmungsqualitäten u Tanz: Partnerwahl, Schwerkraftspiel, sensomotorische Synchronisation, Ekstase] Ob Schlankheit oder Üppigkeit gefallen, scheint bei beiden Geschlechtern von der historisch gegebenen Versorgung mit Lebensmitteln abzuhängen. Bekleidung kann bekanntlich (geschlechtstypische) Körperformen verdecken oder betonen (wie z. B. Reifrock oder Schulterpolster). Weiter trägt sie zusammen mit Schuhen zur Akzentuierung oder Nivellierung von Bewegungsstilen bei (z. B. Cowboystiefel, Stöckelschuhe, Sneaker). Lesen u Etcoff, 1999; Heij, 1996; Kersten, 2005; Reichholf, 2011; Ästhetik der Bewegung: Buytendijk, 1948, 1963; Grammer et al. 2003; speziell Gesichtsschönheit: Calder, Rhodes, Johnson & Haxby, 2011, Kap. 33; Deuflhard, 2008; Grammer, 2007; Gründl, 2007; McNeill, 2003

Gesichter und Körper der Dinge Jenseits möglicher Anklänge von Automobilen, Häusern etc. an Gesichter spricht man auch dann vom „Gesicht“ einer Sache (wie einer Schreibmaschine oder einem Sessel), wenn man sich auf ihre Vorderseite oder charakteristische Ansicht bezieht. Diese sind oft auf potentielle Aktionen (schreiben, sich setzen) bezogen und dem Akteur zugewandt. Fahrzeuge zeigen mehrere „Gesichter“, also Typen charakteristischer Ansichten: Fronten, weil sie selbst Akteure sind bzw. Akteuren ein temporäres Gesicht geben; die Flanken, die Eintritt bzw. Aufstieg ermöglichen, und schließlich Perspektiven, die

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sich den Insassen bieten (Steuer, Armaturen, Frontfenster oder -rahmen); handliche Gegenstände, also Werkzeuge im engeren Sinn, werden sofort erkannt, wenn sie Griff und Wirkseite erkennen lassen. Fällt der Blick schräg von vorn auf die Dinge (Halbprofil oder 3/4-Ansicht), erschließt sich meist auch der zum Gesicht gehörige Körper von Hammer, Schreibmaschine, Sessel, Fahrrad, Automobil etc. weitgehend. In der Forschung zur Objektwahrnehmung bezeichnet man Ansichten, die ein Objekt optimal erkennen lassen, als kanonische Ansichten [u Abb.]. Der Befund, dass so dargebotene Dinge besser (schneller) erkennbar sind als etwa in Aufsicht oder Untersicht präsentierte, hat Theorien fragwürdig gemacht, die (wie die u komputationale Theorie oder die Theorie der u Geone) das Wahrnehmen als handlungsunabhängige, computeranaloge Konstruktion von mentalen 3D-Modellen erklären (Bülthoff & Ruppertsberg, 2006). Die bessere Erkennbarkeit kanonischer Ansichten könnte damit zusammenhängen, dass der Anblick in diesem Fall Handlungen simuliert (u kanonische Neurone). Bei der Durchsicht der Kataloge von Museen für Angewandte Kunst/ Design ist der Kunsthistorikerin Kerstin Albrecht (2009) – ganz unabhängig von der psychologischen Diskussion kanonischer Ansichten – ein in seiner Selbstverständlichkeit leicht übersehbarer Aspekt des Zusammenhangs von Handeln und bildlicher Darstellung aufgefallen: „Da die Kannen meist mit nach rechts weisendem Griff dargestellt sind, implizieren die Abbildungen den Gebrauch als Handlung des Ergreifens. Aufgrund des zahlenmäßig hohen Vorkommens dieses Kompositionsmotivs lässt sich hier von der Herausbildung eines regelrechten Darstellungsschemas sprechen.“ (S. 245) In einer Anmerkung ergänzt sie: „Man glaubt darin auch regelrecht die Handlung des Fotografen wiederzuerkennen, der das Objekt zum Ablichten vor sich abgestellt hat.“ (ebd.) – Vorlesungshörer, die ich angesichts von Bildern eines Wasserkochers mit nach links oder rechts weisendem Griff fragte, welche Darstellung optimal sei, beantworteten die Frage gemäß ihrer Links- beziehungsweise Rechtshändigkeit.

Praktisch stellt sich das Problem des Erkennens von Objekten in nichtkanonischer Ansicht bei der Durchleuchtung von Gepäckstücken (Schwaninger, 2005). Manchen Geräten des heutigen Alltags fehlt ein Gesicht, auch wenn man sie in kanonischer Ansicht präsentiert, weil ihre Funktionen (Aktionen, die sie vermitteln) im universellen Erscheinungsbild von Gehäuse bzw. Druckknöpfen

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verborgen bleiben. Wahrnehmbarkeit als Moment der Brauchbarkeit (Usability) verlagert sich hier auf das Display (Icons), also (cartoonartige kanonische) Repräsentationen, die Aktionen evozieren (etwa schematische Darstellungen von Telefonen in früherer Gestalt; Schönhammer, 2004c). Manchmal wird behauptet, charakteristisch für künstlerische Darstellungen sei das Abweichen von kanonischen Ansichten (nur so könne sie lehren, „Dinge neu zu sehen“; Zaidel, 2005). Das ist diskutierbar [u Kap. 10]. Ohne Zweifel können ungewöhnliche Perspektiven, etwa die Auf- und Untersichten in den Fotos des Bauhauslehrers Moholy-Nagy, den Betrachter zu verlängertem Hinschauen zwingen oder den Reiz einer Enträtselung mit sich bringen. Formkonstanz. Die meisten Objekte zeigen in unterschiedlichen Ansichten verschiedene Oberflächen bzw. Umrisse. Dennoch scheinen sie während des Wechsels der Ansicht in aller Regel nicht aus der Form zu gehen: Man sieht eher Bewegung (eigene oder des Objektes) als Gestaltwandel (Metamorphosen). Dass die Veränderungen der Ansicht von Objekten durch Bewegung reversibel sind, ist eine Erfahrung und vielleicht eine angeborene Erwartung. Diese Gewissheit geht mit Erfahrungen/Erwartungen hinsichtlich der (relativen) Festigkeit einher, die Menschen und andere Objekte in handgreiflicher Beziehung zeigen. Das u Morphing verletzt die grundlegende Erfahrung der Formkonstanz im Allgemeinen und der begrenzten bzw. temporären Veränderung von Gesichtern und Tierkörpern im Besonderen. Jenseits solcher Trugbilder zeigen – als befremdliche und faszinierende Ausnahmen von der Regel – einfache Lebewesen (wie Amöben oder Quallen) oder Objekte wie Seifenblasen, Pudding oder Lava (und Lavalampen) weitergehenden Gestaltwandel. Die Umkehrbarkeit von anschaulichen Formänderungen wird gelegentlich als Invarianz (im Sinne von Gibson) bezeichnet. Dieser Begriff hat indessen einen weiteren (nebulösen) Bedeutungsumfang. Das Zusammenspiel von Bewegung und Sehen als Basis der Formkonstanz impliziert, dass das u Molyneuxproblem auf einem verkürzten Verständnis des Sehens beruht: In der Korrelation von Ansicht und Bewegung ist die Haptik ins Sehen gewissermaßen eingebaut. Die Rede von der Formkonstanz birgt, wie unter anderem Arnheim oder Hochberg angemerkt haben, Missverständnisse. Nicht nur deshalb, weil die Konstanz von Größe oder Form bei manchen alltäglichen Situationen oder unter bestimmten Laborbedingungen ausbleiben können. Die Konstanz selbst ist ein uneindeutiges Phänomen. Man sieht etwa beim seitlichen Blick auf ein Glas, dass seine Öffnung kreisrund ist. Man kann sich aber vergegenwärtigen, dass man das im Moment dank einer elliptischen Erscheinungsweise dieses Kreises sieht; Rock etikettiert diese Sicht als „Zusatzmodus“ gegenüber dem „Hauptmodus“ der Konstanz. Formkonstanz schließt also nicht das Gewahren des veränderten Anschauungsbildes aus (wie u Helligkeits- oder Farbkonstanz nicht dem Wahrnehmen von Änderungen der Beleuchtung entgegenstehen).

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Als Beleg für das Übersehen der Erscheinungsweise beim alltäglichen Sehen kann man werten, dass Versuchspersonen ihren Eindruck von einem schräg dargebotenen Kreis eher einem Kreis angenähert wiedergeben (durch Einstellen auf einem Bildschirm); besonders dann, wenn sie wissen, dass es sich um die perspektivische Sicht eines Kreises handelt (Ropar & Mitchell, 2002). Gleichwohl sieht man bei einem Glas, dessen Öffnung man im Blick behält, während man es von der Aufsicht in eine Seitenansicht bringt, eindeutig ein zunehmend elliptisches Erscheinungsbild dieser Öffnung, ohne dabei den Eindruck zu haben, das Glas deformiere sich. Und bei einer entsprechend der Formkonstanz verzeichneten Darstellung [u Abb.] in einem Animationsfilm würde sich wohl ein gewisses Spannungsgefühl einstellen.

Wahrnehmungsqualitäten u Kubismus Manche Darstellungsweisen von Menschen, Tieren und Sachen geben mehr wieder, als man in der Realität auf einmal sehen kann. Bedeutet dies eine Erleichterung der Wahrnehmung? Werden z. B. kubistische Bilder geschätzt, weil sie Information verdichten? Manche Psychologen und Neurowissenschaftler vermuten das. So argumentiert Ramachandran (2005) mit einer Potenzierung der Erregung durch gleichzeitige Aktivierung von Neuronen, die auf Profil- bzw. Frontalansicht eines Gesichts ansprechen. Solso (2003) glaubt, kubistische Bilder kämen der Funktionsweise des Gedächtnisses entgegen. Vergegenwärtigt man sich indessen mit Arnheim (1978) oder Martindale (1999), wie irritierend solche Bilder auf unbefangene Betrachter wirken können, spricht das eher dafür, dass sie das Wahrnehmen durch Entstellung bzw. Verrätselung erschweren. Was (in den Augen mancher Betrachter) seinen eigenen Reiz haben mag, der kubistischen Künstlern vermutlich bewusst vor Augen stand (die Anklänge an die ‚Kunst der Verrückten’ sind offenbar nicht unbeabsichtigt; Thévoz, 1997). – Es scheint, als ob Wahrnehmungsforscher angesichts der Aussicht, große Kunst zur Galionsfigur für einen Lieblingsgedanken machen zu können, zu Kurzschlüssen neigen. Anders als beim Kubismus liegt der Fall übrigens, wie ebenfalls Arnheim festhielt, bei der „ägyptischen Methode“ (Gesicht im Profil, aber das Auge in Frontalansicht; Oberkörper frontal, Beine im Profil). Diese Figuren wirken auf uns gezwungen, aber nicht entstellt (die unrealistische Einbettung des Frontalauges ins Profilgesicht wird tendenziell gar nicht bemerkt). Hier scheint die Kombination von Profil- und Frontalansicht tatsächlich die besonders eingängige Sicht des Halbprofils vorwegzunehmen.

Wertschätzung von Gegenständen. Dass Gegenstände weithin auf Handeln bezogen sind, schließt ein, dass sie für gesteigerte Handlungsmöglichkeiten des eigenen Körpers stehen können. Befragungen bestätigen Alltagsbeobachtungen, nach denen typischerweise Männer Dinge unter diesem Gesichtspunkt taxieren, während Frauen demgegenüber in den Dingen eher die sozialen Beziehungen sehen, die jene vermitteln, oder die Objekte selbst als (beseeltes) Gegenüber wahrnehmen (Csikszentmihalyi

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& Rochberg-Halton, 1989; vgl. Gosling, Craik, Martin & Pryor, 2005). Diese Geschlechterdifferenz schlägt sich in abweichenden Ding-Ranglisten von Männern und Frauen nieder, aber auch darin, dass ein und dieselbe Objektgattung von beiden Geschlechtern aus unterschiedlichen Gründen geschätzt wird; Letzteres spiegelt sich etwa in den unterschiedlichen Argumenten und bildlichen Inszenierungsstereotypien der an Männer und Frauen gerichteten Automobilwerbungen (Schönhammer; 1999a). Lesen u Handlung und Ansicht: Hoffmann, 1993; Reed, Stone & McGlodrick, 2006; Formkonstanz: Arnheim, 1978; Hochberg, 1983; Maund, 2012; Rock, 1985; Wertschätzung: Csikszentmihalyi & Rochberg-Halton, 1989; Miller, 2010 (ungekürzt: 2008); Schönhammer, 1999b

Blick in die Szenerie Die visuelle Wahrnehmung der Umgebung dient – im Verbund mit Hören und Riechen [u Kap. 5 und 8] und eingebunden in die Körperwahrnehmung [u Kap. 1–4] – dazu, auf Distanz Ressourcen, Wege und Aufenthaltsbedingungen zu erkennen bzw. zu bewerten. Ressourcen. Vegetation als Quelle von Früchten, Aufenthaltsort anderer Tiere und Indiz für Wasser wird an Farbe und auch Texturen, Glanz sowie teils statischer Beweglichkeit (z. B. Glitzern, Flirren) erkannt (Tiere als Nahrungsquelle – Beute oder Aas – an Bewegung oder Spuren, sei es der Opfer, sei es anderer Interessenten; verendete Tiere konnten unsere Vorfahren u. a. dank kreisender Geier orten). Auf diese grundlegenden Ressourcen (Flora und Fauna) ist das menschliche Wahrnehmen offenbar auch insofern eingestellt, als ihr Anblick erfreut. Die Freude über eine bunte Blumenwiese oder die vielfältigen Schattierungen des Grüns von Bäumen und Büschen steht aber wahrscheinlich nicht unbedingt in direktem Zusammenhang mit der Nahrungssuche. Vielfalt der Vegetation zeigt ein lebendiges Milieu und steht insofern ganz prinzipiell für günstige Lebensbedingungen. Eine Diskussion um die Freude an Flora und Fauna hat der Biologe Edward O. Wilson 1984 mit seinem Buch Biophilia angestoßen (Kellert & Wilson, 1993); der Begriff ist inzwischen auch zu einem Leitmotiv der Erneuerung in Stadtplanung, Architektur und Design geworden (Kellert, Heerwagen & Mador, 2008; Beatley, 2011). In den Schriften des Architekten Christopher Alexander ist Lebendigkeit gebauter Umwelt schon seit geraumer Zeit das zentrale Thema (Alexander, 1979; 2002–2004; Alexander et al., 1995; vgl. Salingaros & Masden, 2008; Salingaros, 2010). Wie sehr der beiläufig wahrgenommene Gesamteindruck von Lebendigkeit zur Einschätzung der Atmosphäre einer Umgebung beiträgt, ist kaum zu überschätzen [u Kap. 10].

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Reichtum an Formen und Farben (verbunden mit Gerüchen und Geräuschen der Pflanzen selbst sowie der Lautsphäre summender Insekten und singender Vögel) erfreuen wahrscheinlich selbst noch jenseits der pauschalen Anzeige eines zuträglichen Milieus allein durch die Nahrung, die sie den Sinnen geben (u Funktionslust; Salingaros & Masden [2008] sprechen von neurological nourishment); wobei natürlich vorausgesetzt ist, dass sich die Sinnessysteme nicht jenseits von Überlebensvorteilen herausgebildet haben. Haviland-Jones, Rosario, Wilson und McGuire (2005) argumentieren, die Evolution der Blumen habe sozusagen mit Erfolg darauf gesetzt, dass Menschen sie allein schon deshalb hegen, weil ihre Farben, Formen und Düfte gute Laune machen. Die ästhetische Dimension gegenständlicher Naturwahrnehmung zeigt sich an Paradiesvorstellungen, der Tradition, Landschaften und Gärten auch aus rein ästhetischen Gründen zu kultivieren, floralen Ornamenten in der Baukunst und auch der verbreiteten Darstellung fruchtbarer Landschaften in Bildern (wobei auch Aspekte ihrer Zugänglichkeit eine Rolle spielen; siehe unten). Aufenthaltsorte. Als relativ sicher haben sich in der menschlichen (Vor-)Geschichte Orte erwiesen, die durch Höhe nicht leicht zugänglich sind, durch feste Barrieren den Rücken freihalten und/oder Sichtschutz bei gleichzeitigem Überblick bieten (Bäume, Nischen im Fels). Orte und natürlich auch Wege, die es erlauben zu sehen, ohne gesehen zu werden, bergen einen Überlebensvorteil. Auch heutige Menschen schätzen Szenerien auf die beiden Pole der Sichtbarkeit hin ein. Nach der Prospect-Refuge-Theorie (Appleton, 1975) erklärt sich so die affektive bzw. ästhetische Bewertung von landschaftlichen Situationen und die Wahl von landschaftlichen Bildmotiven. Umweltpsychologen knüpfen an diese These mit quantitativen Studien an. So variierte Arthur Stamps (z. B. 2010, 2011, 2012) in einer langen Reihe von Untersuchungen systematisch die physischen Bedingungen von Szenerien, um festzustellen, woran sich der Eindruck von Eingeschlossenheit (enclosure) und Geräumigkeit (spaciousness) festmacht, welche Rolle dabei jeweils Blickweite (visual permeability) und Offenheit für Bewegung (locomotive permeability) spielen. An diesen Studien irritiert zwar, dass die Analyse der Ambivalenzen von eng und weit zu kurz kommt, doch die publizierten Bildvorlagen und Befragungsergebnisse liefern aufschlussreiche Anknüpfungspunkte. Erwähnenswert ist, dass Stamps u. a. auch die Beleuchtungsverhältnisse variiert und im Ergebnis deren Bedeutung für das Behagen an Orten unterstreicht. Wenn wir durch eine reale Szenerie spazieren, scheinen wir übrigens beiläufig immer auch der Weite des Raumes, der bereits hinter uns liegt, inne zu sein; dies zeigen Experimente eines japanischen Teams, die ihre Versuchspersonen während des Gehens (mit nach vorne gerichtetem Blick) auf einem Regler den Druck einstellen lassen, den ihnen die Umgebung vermittelt (Inagami, Ohno & Tsujiuchi, 2008; Inagami & Ohno, 2010).

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Fenster und Türen. Weil Türen Behausungen zugänglich machen, werden sie traditionell von Gucklöchern und auch rein symbolisch nach außen gerichteten, gefahrabwehrenden Augenzeichen begleitet (Bollnow, 1984; König, 1975). Für Belüftung und Licht sorgen in der Geschichte des Hausbaus vielerorts lediglich auf einen Innenhof gerichtete Fenster (Tuan, 1977; VeltheimLottum, 1952). Einen geradezu dramatischen Gegensatz dazu bilden moderne Panoramafenster. Die technische Entwicklung erlaubt es, Wände auf breiter Front visuell zu öffnen (und teils fungieren solche Fenster bekanntlich auch als Türen). So werden Blicke in die Landschaft möglich, die offenbar tief verankerten Bedürfnissen entgegenkommen; jedenfalls ist gut belegt, dass eingebaute Ausblicke auf Vegetation und andere natürliche Landschaftselemente das Wohlbefinden steigern und auch Genesungsprozesse fördern können (Kaplan, Kaplan & Ryan, 1998; Loftness & Snyder, 2008; Ulrich, 1993, 2008). Die potentielle Blickumkehr (von außen nach innen – insbesondere in den Abendstunden) wirkt indessen verunsichernd (Bollnow, 1984; Riley, 1999). – Bloomer (2008) vergleicht den Blick durch Panoramafenster mit den zwiespältigen Schauwerten eines Zoobesuchs und plädiert dafür, den Übergang von innen nach außen durch ein kleinteiligeres Fensterdesign (etwa ornamentales Stabwerk) für die Augen fassbar zu machen.

Kulturgeschichte u Fernblick In Die Kultur der Renaissance datierte Jacob Burckhardt (1976) die Geburt des Wohlgefallens am Fernblick (von Bergeshöhe) auf die Erlebnisse, die der Dichter Petrarca von seiner Besteigung des Mont Ventoux berichtet. Auf dieser Basis wurde dann durch Joachim Ritter (1974) die Theorie formuliert, Landschaftsästhetik sei eine Folge der in der Renaissance rapide zunehmenden Naturbeherrschung. Distanz von der Natur und ihre sehnsüchtige Betrachtung seien zwei Seiten der selben Medaille. Gegen diese Theorie lassen sich eine Reihe widersprechender historischer Fakten anführen. So geißelt Augustinus, den Burckhardt als Zeugen dafür anführt, dass Menschen der Antike die Wertschätzung von Fernblicken fremd war, in seinen Confessiones gerade die Faszination seiner Zeitgenossen für solche Anblicke (denen gegenüber er Innerlichkeit des christlichen Glaubens anmahnt). Dass die mittelalterliche Malerei kaum Landschaften oder Aussichten darstellt, hat also wahrscheinlich eher mit Darstellungskonventionen unter dem Diktat des Christentums als mit fehlender Wertschätzung der Zeitgenossen für Fernblicke zu tun (vgl. Carl, 2006). Der Fall Fernblick belegt exemplarisch, dass Schlüsse von Bildsujets auf spezifische historische Wahrnehmungsstile potentiell zu kurz greifen (Schönhammer, 2000).

Wege. Begrenztheit der Ressourcen macht das Auskundschaften von unbekannten Szenerien nötig. Neben Ansichten, die Überblick (Orientierung) gewähren, sind deshalb solche Szenen (und entsprechende Bilder) interessant, die auf die Möglichkeit von Aussichten hinweisen. Sie sind spannend, weil sie sozusagen Sichtbarkeit versprechen. Das tut etwa der Blick in einen abgebogenen Weg. Die ästhetische Qualität dieser Situation, deren Reiz schon vom Renaissancebaumeister Alberti beschrieben wurde, charakterisiert die angelsächsische Umweltpsychologie mit dem von Kaplan und Kaplan (1989) kreierten plakativen Etikett mystery, wenn dieser Begriff auch missver-

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ständlich ist: eine Aussicht zu erwarten, hat nicht den Beigeschmack des Unheimlichen, der mystery im allgemeinen Sprachgebrauch anhaftet (Stamps, 2007). Wie sicher der Boden unter den Füßen sein wird, ergibt sich aus Texturen (als Anzeichen der stofflichen Qualität) und Kanten (als Indizien von Abgründen). Die bekannten Experimente mit u visuellen Kliffs demonstrieren, dass das Vermeiden von visuell erkennbaren Abgründen angeboren ist (E. J. Gibson, 1969; Fischer, 1995). Das ebenfalls angeborene Zurückschrecken vor plötzlich sich vergrößernden Objekten im Gesichtsfeld (u looming) kann auch vor Kollisionen bei eigener schneller Bewegung bewahren. Im Laufe des Bewegungslernens eignen sich Menschen die Fähigkeit an, Steigungen und Stufen visuell auf die eigenen Bewegungsmöglichkeiten zu beziehen. Sehen ist außerdem derart auf die eigene Bewegung in der Umgebung eingestellt, dass man bei Annäherung an Engpässe relativ früh abschätzen kann, ob sie passierbar sind und wie stark und frühzeitig z. B. die Schulter gedreht werden muss, um nicht anzuecken (solche Einschätzungen werden auch dem kategorialen Wahrnehmen zugerechnet; Guski, 1996). Die Erweiterung des Bewegungsapparates durch Fahrzeuge ergänzt die entsprechenden Register des Sehens (z. B. angesichts einer Parklücke). Orientierung. Deutliche (insbesondere weithin sichtbare) Eigenheiten einer Umgebung erlauben es festzustellen, wo man ist, und verschiedene Regionen miteinander in Beziehung zu setzen. Beim Blick in die Umgebung registriert man deshalb regelmäßig markante Punkte (Landmarken) im Verhältnis zu Wegen. So bekommen Szenerien eine Art individuelles Gesicht (in gesichtslosen Landschaften – Meer, Wüste – helfen die Gestirne aus). Szenerien, die markante Eigenheiten zeigen, erfreuen, monotone oder stereotype Situationen (von der Wüste bis zu modernen Siedlungen) dagegen machen tendenziell Angst [u Kap. 4]. Details einer Umgebung erschließen sich besser (werden besser wiedererkannt), wenn man sie im Zuge der eigenen Bewegung wahrnimmt. So können Versuchspersonen unbekannte Ansichten einer Szenerie besser einordnen, wenn sie sich mit Hilfe virtueller Realität aktiv durch sie bewegt hatten, statt nur mit einem Film oder Fotos konfrontiert worden zu sein (Bülthoff & Bülthoff, 2003). Die intentionsabhängige Abfolge von Ansichten konstituiert also trotz der tendenziellen Desorientierung wegen der Störung des Zusammenklangs von vestibulären, propriozeptiven und visuellen Reizen in herkömmlichen Installationen virtueller Realität [u Kap. 4] eher eine Merkwelt als von durchlaufenen Wegen völlig unabhängige Bilder. Entfernung/räumliche Tiefe. Fortbewegung und Orientierung erfordern (ebenso wie die Einschätzung der Position und Bewegung anderer Akteure) Wahrnehmung von Entfernungen. Das gilt auch für das Handeln im engeren Sinn (Werfen, Sammeln, Ernten, Hämmern, Einfädeln usf.). In die visuelle Wahrnehmung der räumlichen Tiefe

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geht eine Reihe von Faktoren ein, die unter natürlichen Umständen auf die eine oder andere Art zusammenspielen. Neben Merkmalen dessen, was die Umgebung zeigt, spielen dabei auch körperliche Prozesse des Sehaktes eine Rolle. Für Zeichner und Maler ist es seit je Thema, wie Bilder eine räumliche Wirkung erzielen können, die dem Sehen der realen Umgebung nahekommt; grundlegende Einsichten, von denen noch heutige Darstellungen in Psychologiebüchern zehren, hat Leonardo da Vinci in seinen Schriften zur Malerei festgehalten (Leonardo da Vinci & Chastel, 1990); Filmer und Designer von Computerspielen können weitere Tiefenregister ziehen. Dass Verdeckung ein wesentlicher Indikator für vorne und hinten ist, hatte ich schon im Zusammenhang mit u Figur und Grund erwähnt. Das Sehen von Verdeckung als solcher unterstellt die Erfahrung oder Gewissheit, dass sie verschwinden kann, wenn die Objekte im Sichtfeld sich bewegen oder man den eigenen Standpunkt verändert; zugleich ist beim Sehen von Verdeckung eine Art Gestaltwissen bzw. eine Intuition über wahrscheinliche Formen (u Prägnanzprinzip) impliziert. Beim Blick auf eine Baumgruppe etwa sehen wir selbstverständlich Facetten ganzer Bäume, Äste und Blätter und nicht ein Mosaik von verhackstückten Bäumen. Als es um das Sehen von Bewegung von Mensch und Tier ging, war von einem weiteren Tiefenhinweis die Rede: der relativen Größe bekannter Objekte im momentanen Gesichtsfeld. Beim Blick in einen belaubten Baum sehen wir kleinere Blätter hinten, größere vorn, so wie wir Passanten unter normalen Umständen nicht schrumpfen oder wachsen sehen (Größenkonstanz). Wieder deutet diese Gewissheit darauf hin, dass man Variation von visuellen Erscheinungen in Verbindung mit eigener und/oder fremder Bewegung erfahren hat und weitere (auch handgreifliche) Erfahrungen mit den Objekten einen spontanen Größenwechsel unwahrscheinlich machen (u Formkonstanz). Auch eine dichtere Staffelung der Blätter des nämlichen Baumes sehen wir als zunehmende Entfernung; mit James Gibson bezeichnet man diese Verdichtung als Texturgradient (meist durch schräge Aufsicht auf Kopfsteinpflaster oder einen Kieselstrand illustriert). Wenn ich auf eine Baumgruppe schaue, liegen die entfernteren Bäume im Gesichtsfeld näher am Horizont (weiter oben), die Wolken in der Ferne sind ebenfalls dem Horizont nahe (und deshalb im Gesichtsfeld weiter unten als die Wolken in der Nähe). Beim Blick auf einen Wald, der sich bis zum Horizont zieht, verlieren sich mit der Entfernung nicht nur einzelne Konturen, das grüne Wogen wird blasser, bekommt einen zunehmenden Stich ins Blaue – und bei entsprechenden Klimabedingungen legt sich auch ein zunehmender Dunstschleier darüber; einzelne Wolken am Horizont sind verglichen mit dem Weiß von jenen in der Nähe gelbstichig. Weil er erkannte, dass die Fernbläue und -blässe vom Medium Luft rühren, sprach Leonardo da Vinci diese Erscheinung (wohl als Erster) als Luftperspektive an. (Der Blaustich entsteht, weil sich mit der Entfernung vermehrt das diffuse blaue Strahlen der Atmosphäre geltend

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macht; Lichter – und leuchtende Wolken – erscheinen mit zunehmender Entfernung eher gelblich oder rötlich, weil größere Anteile des kurzwelligen Lichts, das sie ausstrahlen, in die Atmosphäre diffundieren.) Zur plastischen, also räumlichen Erscheinung von Objekten tragen wie schon erwähnt u Schatten und u Glanz erheblich bei. Was die Schatten angeht, ist (neben den u anhaftenden Schatten und u Schlagschatten) nicht zuletzt an die u Luftschatten zu denken, die – zusammen mit den kontrastierenden lichten oder leuchtenden Bereichen der Luft – dem scheinbar leeren Raum Volumen geben. Räumlichkeit ist auch mit der Transluzenz von Objekten (etwa von Wolken oder Blättern) gegeben. Die Ufer eines Flusses und Bäume der Allee scheinen mit der Annäherung an den Horizont aufeinander zuzulaufen: Linearperspektive. In Bildern – und unter besonderen Bedingungen auch in der körperlichen Welt [siehe Wahrnehmungsqualitäten u Scheinbare Entfernung und Größe] – lassen sich groteske Widersprüche der bislang genannten Entfernungshinweise inszenieren; ein klassisches Beispiel ist William Hogarths Satire on False Perspective.

Wahrnehmungsqualitäten u Scheinbare Entfernung und Größe Die Ponzo-Täuschung [u Abb.] verdankt sich offensichtlich der Verbindung der Tiefenhinweise „Höhe im Gesichtsfeld“ und „Linearperspektive“ – demonstriert also lediglich, dass Größe in Relation zur wahrgenomenen Entfernung gesehen wird. Ob die u Müller-Lyer-Täuschung [u Abb.] so zu erklären ist – Gregory (2001) deutet die Pfeile als Zeichen einer vorbzw. zurückspringenden Ecke –, ist fraglich. Schließlich funktioniert diese Täuschung auch bei anderem Aussehen der Endstücke [u Abb.] und auch haptisch bei Geburtsblinden, die mit perspektivischen Darstellungen nicht vertraut sind [u Kap. 3]. Der berühmte dreidimensionale Raum von Ames [u Abb.], der dank eines festgelegten Blickpunktes die perspektivisch verzeichnete, zurückweichende Rückwand frontparallel erscheinen lässt, spielt die (täuschende) Perspektive gegen die Hinweise aus Scharfstellung (Akkommodation) und die Gewissheit aus, dass veränderte Größe des Netzhautbildes bei Objekten und Personen auf Entfernung statt auf Wachsen oder Schrumpfen beruht (meist erfolgreich; wenn man besonders nahe stehende Personen bei Bewegungen in diesem Raum beobachtet, ist tendenziell die Größenkonstanz hartnäckiger).

Sieht man Menschen und Tiere in einem Bild, scheint räumliche Tiefe als Korrelat potentieller beziehungsweise angedeuteter Bewegung auf. Diesen Faktor, der in theoretischen Abhandlungen zur Raumwahrnehmung oft übersehen wird, aber schon aus steinzeitlichen Höhlenzeichnungen spricht, könnte man Aktionsperspektive nennen. Insbesondere wenn (u fruchtbare) Momente mehr oder minder dynamischer Aktio-

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nen gezeigt werden, ist unsere Bereitschaft zu raumgreifender imaginärer Mitbewegung angesprochen: Bei Andeutung von Angriff, Flucht und Verfolgung sind wir innerlich auf dem Sprung. Selbst wenn die Umgebung nur angedeutet oder gar ausgeblendet ist, katapultieren solche Körperdarstellungen uns geradezu in den Raum (dem geht Schüwer [2008] am Beispiel des Comics nach). Bildlich vermittelte (wie auch reale) räumliche Tiefe tritt aber auch schon dann stärker ins Bewusstsein, wenn nur überhaupt Tiere oder Menschen unterwegs sind (und sei es vertreten durch Fahrzeuge). Schlagend sehen wir die Tiefenstaffelung von Blättern und Zweigen, wenn ein Windstoß durch einen Baum geht. Aus Verdeckung wird Verschiebung, wobei von Zweigen ähnlicher Beweglichkeit die näheren über einen weiteren Bereich des Gesichtsfeldes wischen als die entfernteren. Die Verschiebung und die unterschiedlich schnelle/umfangreiche Passage der Zweige zeigen sich auch, wenn man an Bäumen vorbeigeht (Bewegungsparallaxe). In kleinem Maßstab ist diese Erscheinung auch beim abwechselnden Schließen der Augen präsent. Bewegt man sich in der Umgebung nach vorn, steht man sozusagen gegen den Fluss der Strukturen im Gesichtsfeld; Gibson sprach vom Fließen der optischen Anordnung (z. B. 1982, S. 244); Auseinanderfließen beim Blick nach vorn und Zusammenfließen beim Blick nach hinten lassen sich für Passagiere in Automobil, Bus und manchmal besonders beindruckend, wenn sich solche Perspektiven ergeben, im Zug beobachten. Filme, die entsprechende Bilder zeigen, erzeugen, weil sich die Kamera in der Längsachse bewegt, wie im 4. Kapitel besprochen, irritierende Bewegungserlebnisse: Raumerleben dank visueller Bewegungsinduktion (visueller Kinästhesie/Vektion). Beidäugig sehen wir die gegeneinander verschobenen Ansichten der beiden Augen gleichzeitig (binokulare Parallaxe oder binokulare Disparität) und – unter normalen Umständen – vereinigt zu jenem plastischen Raumeindruck, der gemeinhin mit dem räumlichen Sehen, mit 3D, gleichgesetzt wird. Lässt man den Blick abwechselnd mit einem oder beiden Augen durch nahes Blattwerk streifen, zeigt sich ein markanter Unterschied hinsichtlich Plastizität respektive Klarheit der Lagebeziehungen. Wiederholt man das Spiel mit zunehmend entfernten Bäumen, stellt man fest: Allzu weit reicht der Vorzug des Stereosehens nicht. Dieses Geschenk des Fernsinnes Sehen ist der näheren und nächsten Umgebung vorbehalten – und bildet eine Voraussetzung für sicheres Gehen, Rennen, Greifen, Werfen, Stochern, Angeln, Fädeln. Betrachten wir Bilder, die nähere Szenerien zeigen, geraten Indikatoren naher Staffelung in diesen Bildern in Konflikt damit, dass sich die Ansicht für beide Augen nicht unterscheidet. Wenn man mit beiden Augen den Zeigefinger fixiert und ihn dabei von Armeslänge zur Nasenspitze führt, spürt man eine zunehmende Anspannung im Augenbereich – ein Anzeichen der ansonsten eher unauffälligen Arbeit der Augenmuskulatur im Dienst der Vereinigung der Blickachsen beider Augen (Vergenzbewegung). Während beim Betrachten der Umgebung die Blickachsen beider Augen je nach Entfernung des Fixationspunktes sich in zunehmend spitzen Winkeln treffen, bis sie beim entspannten

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Fernblick (als Gegenpol zur Verkrampfung beim Fixieren der Nasenspitze) parallel verlaufen, treffen sich Blickachsen bei Betrachtung eines Bildes immer an Punkten der Oberfläche des Bildes, welche Anzeichen von Tiefe im Bild auch enthalten sein mögen. Es fehlen also bei beidäugigem Blick auf räumliche Darstellungen jene Augenbewegungen, die in der Umgebung mit den anschaulichen Distanzmerkmalen (relative Größe usw.) verbunden sind. Auch die Muskelbewegung beim Scharfstellen der Linse (Akkommodation) auf unterschiedliche Ebenen der Betrachtung, deren glattes Funktionieren wir ignorieren, wird beim Anschauen von Bildern denaturiert: Welche Nähe oder Ferne das Bild auch wachruft, scharf gestellt bleibt allemal die Ebene der Bildoberfläche. Allerdings scheint dieser Gegensatz von Umgebungssehen und Bildbetrachtung in anschaulicher Hinsicht nicht so gravierend zu sein wie die beiden eben genannten Konflikte des beidäugigen Sehens mit bildlicher Tiefenbeschwörung [siehe Experiment u 3D mit einem Auge (I)]. Halten wir fest: Schon beim Sehen mit einem Auge erschließt sich Entfernung/ räumliche Tiefe durch 1) Verdeckung, 2) relative Größe bekannter Objekte, 3) die Staffelung von Mustern (Texturgradient), 4) relative Distanz zum Horizont, 5) Luftperspektive, 6) Schatten und Glanz, 7) die Linearperspektive, 8) die Aktionsperspektive, 9) Verschiebung/Bewegungsparallaxe sowie 10) den Fluss der Strukturen im Gesichtsfeld (bei Eigenbewegung); beim Sehen mit beiden Augen kommen 11) die binokulare Parallaxe/Disparität, 13) Vergenzbewegungen der Blickachsen sowie 14) Akkommodation hinzu.

Experiment u 3D mit einem Auge (I) Bekanntlich ist weniger gar nicht so selten mehr. Schaut man ruhig auf ein normales Bild mit einer räumlichen Darstellung und schließt dabei ein Auge, kann man auf ungewohnte Weise in die Szene hineingeraten. Das war offenbar schon Leonardo da Vinci geläufig (Pirenne, 1970). Die Anzeichen von Tiefe und Körperlichkeit wirken in diesem Moment ungetrübt, ❚ da das Stillhalten Bild und reale Umgebung hinsichtlich der Bewegungsparallaxe gleichstellt (schon leichte Bewegungen des Kopfes bringen beim Blick in die Umwelt ja eine Verschiebung der Objekte in verschiedenen Ebenen mit sich, die ein flaches Bild nicht bietet); ❚ da jene Tiefenhinweise (wie Verdeckung, relative Größe, Texturgradient, Perspektive), die jedes Auge für sich aufnimmt, beim einäugigen Sehen nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass beide Augen dasselbe zu sehen bekommen; ❚ da man beim einäugigen Blick auf ein Bild nicht länger eine Vergenzbewegung der Augen zu einem Fixationspunkt auf der Bildoberfläche ausführt, die der dargestellten Tiefe (etwa der eines Waldes am Horizont) widerspricht; ❚ da die Fluchtpunkte der Linearperspektive (wie bei einem normalen Foto) ohnehin einäugig konstruiert sind.

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Dass der Gegensatz zwischen flexibler (Umgebung) und fester Scharfstellung (Bild) durch einäugiges Sehen nicht aus der Welt zu schaffen ist, fällt offenbar nicht so sehr ins Gewicht. Lesen u Ciuffreda & Engber, 2002; Pirenne, 1970

Experiment u 3D mit einem Auge (II) Dank einer gewissen Trägheit des Nervensystems lässt sich etwas vom Effekt des Stereosehens für das Sehen mit einem Auge hinüberretten, wenn man die abweichenden Ansichten nacheinander präsentiert. Fotografiert man eine Szenerie – günstig sind tiefengestaffelte Äste und Blätter – in Stereomanier (Fotoapparat auf Stativ, das Objektiv einmal in Position des rechten Auges, einmal in der des linken) und betrachtet die beiden Bilder dann einäugig im schnellen Wechsel auf einem Bildschirm (an derselben Stelle des Bildschirms bzw. als Vollbild), so erzeugt das Nacheinander der Stereobilder einen dem Stereoskop vergleichbaren Gewinn an Plastizität. (Nebenbei kann man auf diese Weise schön die Bewegungsparallaxe beobachten.) Erstellt man aus den beiden Bildern einen Film, kann man hinsichtlich der optimalen Bildrate experimentieren. In einem filmhistorischen Essay macht Arthur Maria Rabenalt auf diese Art von Stereoskopie für ein Auge aufmerksam: „Ich habe [...] einen, ohne zusätzliche Geräte und Apparaturen nahezu perfekt plastisch wirkenden Film, der zufällig entstanden war, bereits in den mittleren zwanziger Jahren gesehen. Dies geschah bei der Vorführung von Mustern eines Stummfilmes, den Alexander Korda in den Ufa-Ateliers in Tempelhof inszenierte. Die damals noch mit der Hand ‚gedrehte‘ Filmkamera, bzw. ihre Armierung auf dem dreibeinigen Stativ muß defekt oder locker gewesen sein, wahrscheinlich bewegte sie sich aus irgendwelchen Gründen bei der Kurbelei um Millimeter seitlich hin und her. Dies genügte, um jeweils einem Bild einen geringfügig anderen Blickwinkel zu verleihen als dem nächsten. Die ruckweise horizontale Verschiebung bewirkte bei der Vorführung einen stereoskopischen Effekt, d. h. eine gewisse plastische Wirkung.“ (1980, S. 123) – In der Wahrnehmungsforschung war der Effekt schon länger bekannt (z. B. Watt, 1910; Überblick: Ludwig, Pieper & Lachnit, 2007). Auch die in Zufallsmuster-Stereogrammen versteckten Bilder lassen sich im beschriebenen Nacheinander hervorzaubern (statt sie in einem Stereoskop oder durch Stereostarren sichtbar zu machen). Wechselt man die Bilder langsam, tauchen die im bloßen Nebeneinander kaschierten Formen auf, um nach kurzer Weile wieder zu verschwinden, weil offenbar das erste Bild nur kurz nachwirkt. – Dieser Effekt erinnert an den einzigartig gebliebenen Fall einer Eidetikerin (wie man Personen mit einem ungewöhnlich ausgeprägten bildhaften Gedächtnis nennt); diese erlebte nach eigener Auskunft den Stereoeffekt, wenn man rechtem und linkem Auge Stereobilder im Abstand mehrerer Stunden zeigte. Um das zu überprüfen, legte man ihr Zufallsmuster-Stereogramme vor, die ihr Geheimnis ja nur durch Überlagerung preisgeben (Stromeyer & Psotka, 1970; vgl. Hall, 1976). 2D/3D. Obgleich wir – egal, ob mit einem oder beiden Augen – immer räumlich sehen, ist die Bezeichnung räumliches Sehen oder 3D meist doch gesteigerten Formen des räumlichen Eindrucks vorbehalten:

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(1) Gegenüber jenem Typus von Videospielen, bei denen sich die Handlung in frontparalleler Ebene abspielt(e), firmier(t)en solche mit Aktionen im perspektivischen Raum als 3D-Spiele (was seit der Markteinführung von Spielkonsolen mit stereoskopischen Ansichten zusätzlich verwirrt). Die sogenannten Egoshooter, als der Typus von Bildschirmspielen im perspektivischen Raum, beeindrucken – ebenso wie die durchfahrbaren Architekturdarstellungen des ComputerAidedDesign – durch das Bewegungserlebnis (u visuelle Kinästhesie bzw. u Vektion), das die Vorwärtsbewegungen der (subjektiven) Kamera erzeugt (wie im 4. Kapitel erläutert allerdings um den Preis von u Gaming-Sickness bzw. u Simulator-Sickness). Die mehr oder minder freie visuelle Bewegung durch perspektivisch dargestellte Räume bietet den Augen also mehr räumliche Tiefe, als dem Gehirn eines ruhenden Körpers zuträglich ist. (2) Heute ist von 3D hauptsächlich dann die Rede, wenn beiden Augen verschobene Ansichten geboten werden. Ob nun auf Spiele oder das Kino bezogen stehen die Stereobildwelten für die Möglichkeit, eine Szenerie gewissermaßen körperhaft greifbar zu erleben. Auch wenn das, was man da zu sehen bekommt, nicht unbedingt dem realen Umgebungssehen entspricht. Die Aufnahmetechnik bringt neben magischem Glanz [siehe Experiment u Binokularer Glanz] immer wieder surreale Puppenstubenansichten mit sich, da sie den Bereich des Stereosehens überdehnt: Man sieht mit gewissermaßen auseinandergerückten Augen. Befindlichkeitsstörungen sind übrigens auch im 3D-Kino keine Seltenheit: Zu den Nebenwirkungen der auch hier gerne eingesetzten Vorwärtsbewegung der Kamera (deren schwindelerregender Effekt sich bei Stereodarbietung deutlich verstärkt [Keshavarz & Hecht, 2012]) kommt u. a. der Widerspruch zwischen der von den Ansichten hervorgerufenen Vergenzbewegung und der Scharfstellung auf die Leinwand. (3) Als in den 1990er Jahren 3D-Helme für die selbstgesteuerte visuelle Bewegung in stereoskopisch dargebotenen perspektivischen Raumdarstellungen (im Idealfall 360° um den Akteur realisierbar) als die mediale Zukunftsvision galten, sprach man von Cyberspace und immersiver virtueller Realität (VR). Medienwissenschaftler umkreisen seither den Begriff der Immersion und setzen ihn etwa in Beziehung zur Rede von Versetzung (transportation), Gegenwärtigsein (presence/telepresence) oder Verkörperung (embodiment) (siehe z. B. Kilteni, Groten & Slater, 2012; Neitzel, 2008; Wirth & Hofer, 2008); im engeren Sinne steht Immersion für überwältigende sensorische bzw. motorische Umstände, die Momente der Bewegung des Betrachters in realen Umgebungen simulieren, etwa visuelle/auditorische Kinästhesie/Vektion, die Betrachtern/Insassen gewissermaßen den Boden unter den Füßen wegzieht; die wirkmächtigen Immersionsfaktoren bringen oft erhebliche Störungen des Befindens mit sich. Allerdings wirkt nicht jede Manipulation des sensorischen Angebots, die Immersion herstellen soll, derart eindringlich. Wie schon im 2. Kapitel erwähnt, können immersive Angebote, deren Wirkung nicht überwältigt (vibrierende Kinosessel, Sprühregen etc. in 4D-/5D-Kinos), unbeabsichtigt reflexive Distanz zum Medium befördern. Sofern wesentlich die intentionale Beteiligung des Publikums angesprochen ist, also etwa die innere Mitbewegung mit den Akteuren von Comic oder Film, sollte besser von Involvierung statt von Immersion die Rede sein.

Lesen u Landschaft/Habitat/visuelle Umweltästhetik: Appelton, 1975; Dutton, 2009; Flade, 2010; Louv, 2012; Orientierung: Downs & Stea, 1982; räumliche Tiefe: Gibson, 1982; Leonardo da Vinci & Chastel, 1990; Kebeck, 2006; McCloud, 2007; Nitsche, 2008

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Teil III: Die „höheren Sinne“ – Sehen und Hören

Kulturgeschichte u Perspektive Vielen Kulturwissenschaftlern gilt es als Tatsache, dass perspektivisches Sehen eine Wahrnehmungsqualität sei, die sich der (Wieder-)Entdeckung der linearperspektivischen Darstellungsweise in der Renaissance verdanke. Die Rede von der Perspektive als symbolische Form, die der Kunsthistoriker Erwin Panofsky (1927) in die Welt gesetzt hat, fasziniert bis heute als exemplarische Formel für die Macht der Kultur über fundamentale Aspekte der Wahrnehmung. Verkennen nicht tatsächlich Angehörige von Kulturen ohne perspektivische Bilder das, was solche Bilder zeigen, wenn man sie erstmals damit konfrontiert? Eine vielzitierte Studie (Hudson, 1960), die das scheinbar bewiesen hatte, verwendet allerdings, wie Hochberg (1977) anmerkte, Bildvorlagen (stilisierte Umrisszeichnungen), die unabhängig vom Thema Perspektive für Bildnovizen verwirrend sind. Weiter konstatiert Hochberg, dass Kinder in unserer Kultur perspektivische Darstellungen sowie Fotos intuitiv erfassen (auch im Fall der quasi-experimentellen Abschottung seines Kindes vor Bildern bzw. dem Erklären von Bildern bis zu einem Alter von knapp zwei Jahren; Hochberg & Brooks, 1962). Die Sache verhält sich also wohl eher so: Weil Menschen trotz Größen- und Formkonstanz von Natur aus perspektivisch sehen, konnten Bilder mit linearperspektivischer Abbildung, wie etwa Fotos sie bieten, ihren Siegeszug antreten. Indessen werden auch Abweichungen von der Linearperspektive in Bildern toleriert oder sind gar gestalterisch mitunter sinnvoll, weil sich die Wahrnehmung zweidimensionaler Bilder wesentlich von der dreidimensionaler Situationen unterscheidet (Wechsel der Ansicht bei Bewegung relativ zum Blickpunkt, Sehen mit zwei Augen, Sehen des gesamten Umfeldes vs. Sehen der Bildoberfläche; Pirenne, 1970; Zimmer, 1997; Groh, 2005). Dass entfernte Gegenstände auf Fotos in der Regel als überraschend klein erscheinen, belegt jedenfalls nicht, dass unser Wahrnehmen im natürlichen Umfeld aperspektivisch wäre. Diese Irritation verdankt sich vielmehr dem Umstand, dass in der realen Situation umfassendere Entfernungsinformationen zur Verfügung stehen. Es bedarf also keiner kulturspezifischen Schule des Sehens, um zu erkennen, was ein Foto abbildet. Davon zu unterscheiden ist die Einübung des Wahrnehmens im Dienst des perspektivischen Zeichnens (in der Renaissance schon von Alberti angesprochen). Im Akt des perspektivischen Zeichnens oder Malens muss man eine Betrachtung praktizieren, welche die im alltäglichen Sehen zugleich gegebenen Konstanzen ignoriert – damit ein Bild entsteht, das eben jenem Alltagsblick weitgehend naturgetreu erscheint. (Unterschiede in den Hirnaktivitätsbildern von Könnern und Laien beim Zeichnen der nämlichen Objekte lassen sich als Korrelat für die besondere Aufmerksamkeit beim naturalistischen Darstellen verstehen; Solso, 2003.) Autistische Probanden lassen sich bei dem im Text erwähnten Experiment mit schräg präsentierten Kreisen weniger von dem Wissen beeinflussen, dass es sich um eine schräge Ansicht eines Kreises handelt, geben ihren Eindruck also eher als Ellipse wieder. Bei ihnen scheinen demnach Top-down-Prozesse bzw. Schemata von Objekten eine geringere Rolle beim Wahrnehmen zu spielen. Diesen Umstand bringt man mit den besonderen zeichnerischen Fähigkeiten einiger autistischer Kinder (Savants, wie geistig Behinderte mit Sonderbegabungen genannt werden) in Verbindung (Sacks, 1997). Wie erwähnt, macht das Ausschalten von Konstanzen beim naturalistischen bzw. perspektivischen Zeichnen normalerweise gewisse Mühe. Dass dies aber nicht der einzige Grund für diese Sonderbegabungen

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sein kann, ist schon an der relativ geringen Zahl solcher Talente – im Verhältnis zur Verbreitung autistischer Störungen – ersichtlich. Die weitergehende Spekulation (Humphrey, 1999), dem Fehlen eines an Sprache gebundenen begrifflichen Denkens verdankten sich gleichermaßen naturalistische Darstellungen von Steinzeitmenschen wie bei autistischen Kindern, widerspricht der Umstand, dass die Zeichenfähigkeiten von Savants ein passables Erlernen der Sprache überdauern können (Mottron et al., 2003). Lesen u Gegenfurtner, 2006b; Hochberg, 1977; Hochberg & Brooks, 1962; Pirenne, 1970

Sehen, ohne zu sehen Paradoxien wie in dieser Überschrift (das oft kopierte Markenzeichen der populären Fallgeschichten des Neurologen Oliver Sacks) drängen sich auf, weil die Sprache tendenziell unterschiedliche Ebenen oder Aspekte des Wahrnehmens zusammenwirft. Hier steht die paradoxe Formulierung für recht unterschiedliche Gegebenheiten: 1. Leistungen des visuellen Systems, die ohne bewusste Beteiligung ablaufen (alltägliche, gewohnte Handlungen, Effekte von Umkehrbrillen, die Kasuistik des Blindsehens) 2. Nichtbemerken des blinden Flecks [u Exp. S. 203], der schlechten, peripheren Auflösung, von Sakkaden und Doppelbildern 3. Übersehen von Dingen, die man vor Augen hat (Veränderungsblindheit) Sehen beim Handeln. Wir alle vollziehen täglich Handlungen, an denen das Sehen wesentlich beteiligt ist, ohne dass uns bewusst wird, was wir da sehen. Beispielsweise kann das Sehen bei Gängen oder Fahrten auf vertrauten Wegen auf fast unheimliche Weise vom Bewusstsein abgespalten sein. Man führt dieses geläufige Phänomen unter anderem auf die Arbeitsweise (von Teilen) des dorsalen Wie/Wo-Systems zurück. Simons, Mitroff und Franconeri (2003) vermuten, dass das unbewusste Sehen – im Vergleich zum bewussten Sehen der Umgebung – sogar besonders detailliert sein sollte, weil sonst Fehlhandlungen an der Tagesordnung wären. Das, was wir nicht sehen, sehen wir womöglich besonders genau. Die Trennung von bewusstem Sehen und dem Sehen fürs Handeln wurde experimentell unter anderem anhand der Ebbinghausschen Täuschung [u Abb.] nachgewiesen: Beim Greifen lässt man sich – unter bestimmtem Versuchsbedingungen – nicht von der Täuschung leiten, die gleichzeitig im bewussten Wahrnehmen gegeben ist. Goodale (2000) schließt daraus, Ziele, die man sich dank des bewussten Sehens stecke, würden analog zur Technologie der Teleassistenz von einer Art semi-autonomen Roboter umgesetzt, der über ein eigenes „Sehen fürs Ausführen“ verfüge. – Wie beide Aspekte des Sehens im

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Einzelnen zusammenspielen, bleibt offen. Aus der Zuordnung der visuellen Bewegungswahrnehmung zum dorsalen Pfad folgt jedenfalls nicht unbedingt, sie sei vom Bewusstsein grundsätzlich oder weitgehend ausgeschlossen. Umkehrbrillen stellen die Welt auch auf den Kopf. Doch man kann mühsam lernen, unter dieser Bedingung halbwegs sicher zu agieren (etwa mit einem Fahrrad zu fahren). Das setzt, wohlgemerkt, eigene Aktivität voraus: Wer passiv durch die Umgebung bewegt wird, macht dadurch keine Fortschritte für die praktische Anpassung an die neue Situation (Held, 1986). Trotz zunehmender Selbstverständlichkeit der neuen Ansicht bleibt aber die Gewissheit, dass das, was man vor Augen hat, nicht die vertraute Erscheinungsweise der Umgebung ist. Diese Spaltung von Weltbild und Agieren kann als weiterer Beleg dafür verstanden werden, dass ein bewusster und ein unbewusster Zweig des visuellen Systems (die beiden mehrfach erwähnten Pfade) sich bis zu einem gewissen Grad gegeneinander verselbständigen können. Die Spaltung (Dissoziation) hat in diesem Fall ihren Preis: Störungen des Wohlbefindens respektive des multisensorischen Gleichgewichtssystems bei Ein- und Ausstieg [u Kap. 4]. Gelegentlich kann man lesen, nach einiger Zeit sehe man wieder „richtig herum“. Das ist sehr zweifelhaft. Zwar gaben Versuchspersonen von Kohler (1951) flüchtige Umdrehungen des Anschauungsbildes in Momenten unmittelbaren Kontaktes mit Gegenständen oder sogar eine länger anhaltende Rückkehr von „einwandfreiem aufrechten Sehen“ zu Protokoll (S. 17), die sorgfältiger dokumentierten Selbstversuche von Kottenhoff (1961) und Dolezal (1982) schließen indes jede anschauliche Rückdrehung aus. Kottenhoff und Dolezal unterstreichen, dass die Verkehrung nach einiger Zeit weniger befremdlich sei und nicht mehr dauernd (aufmerksam) registriert werde. Möglicherweise wird das Gefühl von Stimmigkeit – wie Kohler (1966) auch in einer späteren Überblicksdarstellung andeutet – gelegentlich irrig als Rückkehr zur Ansicht vor dem Versuch interpretiert.

Blindsehen (blind sight). Dieser Begriff steht für ein Krankheitsbild, bei dem durch Schädigung der primären Sehrinde an der Spitze des Hinterhauptslappens subjektiv völlige Blindheit im gesamten Gesichtsfeld oder Teilen davon eintritt. Gleichzeitig können die Patienten noch Reize im blinden Gesichtsfeld lokalisieren (auf Aufforderung die Augen darauf richten oder hindeuten). Das implizite Sehen lässt sich dadurch erklären, dass aus subkortikalen Gebieten gewissermaßen über Nebenstraßen visuelle Informationen in sekundäre visuelle Areale der Sehrinde gelangen (insbesondere solche, die die Lokalisierung von Reizen betreffen). Durch Training hat man etwa erreicht, dass eine kortikal blinde Äffin sich visuell in freiem Gelände orientieren konnte. Auch Patienten, die „über viele Jahre hinweg an Untersuchungen teilgenommen hatten“, berichten, „dass sie im täglichen Leben besser zurechtkommen, Hindernissen ausweichen und ‚mehr sehen, obwohl sie nichts sehen‘“ (Stoering, 2006, S. 102).

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203 Experiment u Blinder Fleck

Befestigen Sie ein Kartonquadrat von ca. 1 cm Seitenlänge an einem Draht oder dünnen Stab (zur Not tut es auch ein Stift mit einem farblich abgesetzten Endstück). Schließen Sie das rechte Auge und fixieren Sie nun mit dem linken einen Buchstaben am rechten Rand der Buchseite. Abstand von Auge und Buchseite ca. 30 cm. Bewegen Sie nun das am Draht bzw. Stab gehaltene Quadrat von links etwa auf Höhe der Zeile des fixierten Buchstabens auf diesen Buchstaben zu – bis das Quadrat verschwindet und nach weiterer Bewegung nach rechts wieder auftaucht [u Abb.]. Wenn sie den blinden Fleck so geortet haben, können Sie seinen Umfang durch kleine Bewegungen des Quadrats in alle Richtungen parallel zur Buchseite einschätzen (je mehr Sie das Quadrat dem Auge nähern, desto kleiner wird natürlich der blinde Gesichtsfeldbereich). Der Effekt fällt umso deutlicher aus, je heller der Hintergrund ist (weiße, hell erleuchtete Seite; z. B. eine Textseite auf einem Bildschirm). – Deutung: Siehe den weiteren Text in diesem Abschnitt.

Den blinden Fleck der Netzhaut nehmen wir unter außergewöhnlichen (experimentellen) Umständen bei einäugigem Sehen wahr [u Exp.]. Bei beidäugigem Sehen sorgt ja schon die Tatsache, dass die blinden Flecken der beiden Augen nicht auf die gleiche Stelle des Gesichtsfeldes bezogen sind, für Ausgleich. Vermutlich wird die systembedingte Lücke bei einäugigem Sehen nicht einfach übersehen, sondern regelrecht ausgefüllt (sofern das Umfeld ahnen lässt, was wahrscheinlich zu sehen wäre; Ramachandran & Blakeslee, 2001; analoges Ausfüllen bei u simultanem Farbkontrast und u amodalen Farben). Zum Übersehen des blinden Fleckes tragen auch die schlechte Auflösung im peripheren Sehen und die beständige Bewegung der Augen bei. Auch die Unschärfe im peripheren Gesichtsfeld fällt beim normalen Blick in die Umgebung nicht auf. Nur wenn man einen Punkt fixiert und – was nicht ganz leicht fällt – gleichzeitig seine Aufmerksamkeit auf andere Stellen im Gesichtsfeld richtet, ohne den Blick sogleich auf sie zu lenken, wird man der ‚mangelhaften Bildqualität‘ jenseits des Bereichs des scharfen Sehens gewahr (neben der schlechten Auflösung auch eine relative Farbschwäche). Die ungenaue Sicht scheint völlig ausreichend zu sein, um eine Übersicht zu vermitteln, auf deren Basis man bei Bedarf wechselnde Bereiche „ins Auge fassen“ (fixieren) kann. Subjektiv haben wir vor diesem Hintergrund den Eindruck, jederzeit im gesamten Gesichtsfeld genau zu sehen.

Wahrnehmungsqualitäten u Mona Lisas Lächeln Lächelt Mona Lisa nur für das periphere Sehen? Das ist jedenfalls die Idee, mit der Margaret Livingstone (2002) hofft, dem berühmten Geheimnis dieses Lächelns beizukommen. Bei Präsentation des Bildes in grober Auflösung (durch digitale Bildbearbeitung), wie sie entsprechend das (völlig oder annähernd) periphere Sehen leistet, sei das Lächeln deutli-

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cher als bei feinkörniger Wiedergabe. Bei Letzterer sind die groben Kontraste ausgeschaltet, was dem fokalen Sehen entspricht. Man erahne deshalb beim Betrachten des unbearbeiteten Bildes ein Lächeln, wenn – und auch nur solange – man nicht das Gesicht beziehungsweise den Mund fokussiere. Das Lächeln sei so ein Versprechen, das nicht eingelöst werde. Diese Idee hat indessen den Haken, dass das Lächeln der Dame auf dem Bild auch und gerade dann präsent ist (und eben merkwürdig in der Schwebe bleibt), wenn man ihr Gesicht bzw. Augen oder Mund fokussiert. Fraglich wird der Beitrag dieser These zur Erklärung des vieldiskutierten Rätsels auch dadurch, dass – wie Livingstone ausdrücklich betont – das periphere Sehen ganz grundsätzlich im Ausdruckswahrnehmen dem genauen Hinschauen überlegen sein soll. Wo bleibt da die gerühmte Einzigartigkeit des Ausdrucks in Leonardo da Vincis Porträt? Livingstones Deutung hat große Popularität erlangt. Tatsächlich wirken ihre Illustrationen suggestiv. Dass in der groben Auflösung (man spricht auch von niedrigen Raumfrequenzen oder Tiefpassfilterung) und auch in der mittleren dem Betrachter ein Lächeln ins Auge springt, liegt daran, dass durch die kontrastreicheren Wangenschatten ein Smiley entsteht, das von den Mund- bis zu den Augenwinkeln reicht. In der feinen Auflösung, die sie diesen Bildern gegenüberstellt, fehlt dieses Smiley. Aber das Lächeln, von dem man nicht recht weiß, ob es offen-zugewandt oder ironisch-distanziert ist, zeigt sich, wenn man sich von dem Smiley-Effekt nicht bluffen lässt, gerade in dieser Version am besten. Abgesehen von dieser kleinen Zauberei spricht nicht nur die Tatsache, dass Menschen in der Realität und bei Bildern prinzipiell besonders häufig Augen und Mund fokussieren, gegen Livingstones These, das periphere Sehen sei in der Ausdruckswahrnehmung dem fokalen grundsätzlich überlegen; nach experimentellen Studien (z. B. Goren & Wilson, 2006; Calvo, Nummenmaa & Avero, 2010) nähert sich – jenseits der Mona Lisa – die Sicherheit der peripheren Ausdruckswahrnehmung jener der fokalen allenfalls an. Eine Überprüfung der These von Livingstone stellen ausdrücklich Bohrn, Carbon und Hutzler (2010) in Aussicht. Sie kommen ohne da Vincis Bild aus. In dem technisch nicht unaufwendigen Experiment war ein (für das fokale Sehen gut erkennbar lächelnder) Mund peripher zu sehen. Auf ein Signal hin sollten die Versuchspersonen dann den Mund fixieren. Im Moment der Blickbewegung wurde allerdings der lächelnde Mund durch einen neutralen ersetzt (wegen der u sakkadischen Suppression unbemerkt). Ein so gesehenes Gesicht schnitt bei der Bewertung auf einer Lächelskala im Durchschnitt mit einem Wert ab, der zwischen dem Urteil über eines mit fokal sichtbarem Lächeln und eines mit nur neutralem Mund lag. – Das belegt, dass ein peripher gesehenes Lächeln (wohlgemerkt: eines, das bei genauem Hinsehen eindeutig als Lächeln auszumachen wäre) auch dann in den Eindruck eingeht, wenn fokal nur ein neutraler Mund zu sehen ist. Livingstone hatte indessen von einem Lächeln gesprochen, das bei genauer Betrachtung des Mundes gerade nicht erkennbar sei (sondern eben nur dank der Operation Wangenschatten-Smiley).

Doppelbilder kennen viele von Momenten der Übermüdung oder aus alkoholisiertem Zustand. Man kann sie jederzeit erzeugen, indem man eine Fingerspitze so ins

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Gesichtsfeld hält, dass sie sich ohne Anstrengung fixieren lässt (z. B. auf halbe Armeslänge): Richtet man während des Fixierens die Aufmerksamkeit auf Gegenstände im Hintergrund (z. B. einen in der selben Linie auf ganze Armeslänge gehaltenen Finger der anderen Hand), so erscheinen diese doppelt. Bei normalem Sehen werden die Doppelbilder offensichtlich ignoriert. Sakkaden. Wer, wie eben mehrfach verlangt, etwas fixieren und sich zugleich bemühen soll, auf eine andere Stelle des Gesichtsfeldes aufzumerken, erlebt das als Zumutung. Das demonstriert nebenbei eine weitere, normalerweise aus der Innenperspektive übersehene Qualität des Sehens: seine Sprunghaftigkeit (die an den Augen der Anderen unschwer ablesbar ist); zwischen den Fixationen (ca. 3 pro Sekunde) nehmen wir visuell keine Reißschwenks (wie man schnelle, verwischende Kamerabewegungen nennt) wahr, obgleich wir, wenn wir derart auf das Herumblicken reflektieren, der Motorik der Augen durchaus innewerden können. Was sich von außen als schnelles Springen der Augen (Sakkaden) darstellt, erleben wir bei unbefangenem Sehen als Konzentration auf verschiedene Aspekte des ruhenden Anschauungsbildes der Umgebung. Dass man die eigenen Sakkaden übersieht, liegt unter anderem daran, dass sie sehr kurz sind und während der Sprünge die Wahrnehmungsschwelle stark heraufgesetzt ist (sakkadische Suppression; man versuche einmal im Spiegel die eigenen Augenbewegungen zwischen dem Fixieren unterschiedlicher Punkte im eigenen Gesicht zu sehen; für jemanden, der zugleich in diesen Spiegel sieht, sind sie unübersehbar). Dass wir überhaupt trotz der Bewegungen von Augen und Kopf bzw. Körper eine ruhende Umgebung sehen, ist keineswegs selbstverständlich [u Kap. 4]. Veränderungsblindheit (Change Blindness). Veränderungen zwischen zwei ähnlichen Szenen werden leicht übersehen (experimentell wird das meist durch relativ kurze Projektionen von Bildern, die von einem Schwarzbild unterbrochen werden, untersucht). Diese hoch gehandelte Entdeckung bestätigt im Grunde nur die bekannte Tatsache, dass Sehen auswählt (also nicht mit Fotografieren verwechselt werden darf). Man sollte diese Befunde nicht überinterpretieren. Auch wenn wir Details übersehen, ist unser Gefühl, über die Umgebung „im Bild zu sein“, keine bloße Einbildung. Wäre die bewusst gesehene Szenerie bis auf kleine Ausschnitte nur ein Phantasma, dann sollte das Wiedererkennen von Szenerien, die sich nicht nur in Details unterscheiden, nicht so gut gelingen, wie es das tut (visuelles Langzeitgedächtnis für Umgebungen; Henderson & Hollingworth, 2003). Wir prägen uns die jeweilige Umwelt wahrscheinlich in den charakteristischen Zügen ein, während uns jenseits dieser prinzipiellen Verortung und all jener Details, die uns gerade interessieren, tatsächlich viele Einzelheiten entgehen. Dabei haben wir jedoch nicht den Eindruck, dass wir etwas ausblenden, weil in der Verbindung von Überblick und Blicksprüngen ja alle Einzelheiten im Gesichtsfeld prinzipiell zugänglich sind (im Sinn dieser aktuellen Gewissheit ist die Welt, wie gele-

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gentlich formuliert wird, als externes visuelles Gedächtnis wirksam; die Faszination der Fotografie verrät indessen ein gewisses Bewusstsein der Flüchtigkeit dieses Speichers; siehe unten). Dass uns dabei in der Regel nicht etwas Relevantes entgeht, auf das wir von der augenblicklichen Interessenlage her vielleicht nicht achten würden, dafür sorgt – neben Hinweisen aus anderen Sinnesbereichen, vor allem Geräuschen – nicht zuletzt die schon besprochene unwillkürliche Aufmerksamkeit für bewegte Erscheinungen (Orientierungsreaktion). Bei den Experimenten zu Veränderungsblindheit und selektiver Aufmerksamkeit ist die Frage, wie die Aufmerksamkeit der Betrachter jeweils gelenkt wird, vielleicht interessanter als das Ergebnis, dass manches übersehen wird. Wenn etwa in einem Feature der BBC über das Sehen das Publikum damit konfrontiert wird, dass es im Laufe der Sendung verschiedentlich einen als Affen verkleideten Akteur übersehen habe, dann ist das nicht unbedingt verblüffender als der geläufige Umstand, dass Zauberer ihr Publikum durch vordergründige ‚laute‘ Aktionen von verräterischen Handgriffen ablenken können. Auf eine einfache Formel gebracht, sorgen die verschiedenen Formen das „Sehens, ohne zu sehen“ auf je unterschiedliche Weise dafür, dass wir in der jeweiligen Situation den Überblick behalten, um jederzeit potentiell Bedeutsames genau ins Auge fassen zu können: Übersehen gehört zur Pragmatik der visuellen Wahrnehmung. Lesen u Aschersleben, 2008; Henderson & Hollingworth, 2003; Heuer & Jäncke, 2006; Ramachandran & Blakeslee, 2001; Simons, Mitroff & Franconeri, 2003; Wohlschläger & Prinz, 2006

Visuelles Vorstellen, Halluzinieren, Träumen – und (Bild-)Wahrnehmung Visuelles Vorstellen. Schädigungen des Kortex, etwa in Folge von Schlaganfällen, die das Sehen beeinträchtigen, können auch visuelles Vorstellen in Mitleidenschaft ziehen. Hirnbilder von Gesunden bestätigen, dass Teile des visuellen Kortex am Produzieren innerer Bilder beteiligt sind. Das Gleiche gilt für Experimente, bei denen man das Vorstellen zu unterbinden vermag, indem man durch pulsierende Magnetfelder gezielt das Funktionieren von Teilen des visuellen Kortex stört. Trotzdem kann man normalerweise innere Bilder ohne Weiteres vom visuellen Wahrnehmen unterscheiden. Anhaltspunkte für diese Differenzierung sind der (potentielle) Detailreichtum des Wahrnehmens, mit dem die Bilder vor dem geistigen Auge nicht mithalten können, die Beziehung des Sehens zu tatsächlichen Augen-, Kopf- und Körperbewegungen sowie schließlich die mentale Anstrengung beim Vorstellen. Selbst im Fall des bei Erwachsenen äußerst seltenen eidetischen Gedächtnisses, also der Fähigkeit, Gesehenes ähnlich wie

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ein Foto festzuhalten und abrufbar zu machen, bleiben als Unterscheidungskriterien gegenüber dem Sehen die mentale Aktivität und der Umstand, dass das Auskundschaften des inneren Bildes nicht mit tatsächlichen Bewegungen des Körpers verbunden ist. Umgekehrt ist es unter bestimmten Bedingungen möglich, Realbilder als Vorstellungen erscheinen zu lassen: Wer aufgefordert wird, sich einen Gegenstand, etwa eine Banane, vorzustellen, während er auf einen weißen Bildschirm blickt, hält leicht die Projektion eines lichtschwachen Bildes dieses Objekts für seine Vorstellung (PerkyEffekt). Dem Erlebnis der Aktivität beim Vorstellen entspricht der Befund, dass während des Imaginierens Gebiete des Frontalhirns aktiver sind als beim Sehen. Patienten mit bestimmten Schädigungen des Frontalhirns können zwar noch sehen, aber keine inneren Bilder mehr aufrufen. Lediglich bei diffizilen Wahrnehmungsaufgaben ist in solchen Fällen auch das visuelle Wahrnehmen beeinträchtigt (Farah, 2000). Dass beim Vorstellen Frontalhirnbereiche aktiver, die visuellen Module im hinteren Scheitel- und im Hinterhauptslappen aber weniger aktiv sind als bei Halluzination, zeigte sich bei einem Experiment mit längerfristiger visueller Deprivation (Sireteanu et al., 2008); auch dies passt zum intentionalen Charakter und zur relativen Blässe von Vorstellungsbildern. Kosslyn und Thompson (2000) gehen davon aus, dass eine Vorstufe des visuellen Vorstellens zum Erkennen von Objekten und Szenen gehört und dass regelrechte innere Bilder Informationen enthalten, die nicht sprachlich oder in einem abstrakten Format gespeichert sind. Ob innere Anschauungen uns etwas zeigen können, das wir nicht auch unbildlich im Kopf haben, war in den vergangenen Jahrzehnten Gegenstand der Imagery-Debatte, die auch angesichts der neurowissenschaftlichen Erkenntnisse der jüngeren Zeit fortdauert (u. a. Kosslyn, 1994; Pylyshyn, 2003). Über die Bedeutung von Vorstellungen für das Begreifen streiten Psychologen schon länger. Immerhin kann man festhalten, dass räumliche Vorstellungen, etwa beim mentalen Rotieren (bekannt von Aufgaben, bei denen man entscheiden soll, ob zwei Bilder von gewundenen dreidimensionalen Körpern durch Drehung ineinander überführbar sind) weniger die Was- als die Wo/Wie-Schiene des Sehens sowie motorische Areale aktivieren, also eher mit mental fingierter Bewegung als mit inneren Anschauungsbildern zu tun haben. Das spricht für die Überlegung, dass räumliches Wahrnehmen und Denken, auch wenn sie vom Sehen ausgehen, in einem Bewegungsformat ablaufen (u. a. vermittelt über die Augenbewegungen beim Explorieren der sichtbaren Umgebung; Restat, 1999) [u Kap. 3]. Unterstützt wird diese Vermutung dadurch, dass visuelle Vorstellungen von Bewegung durch gleichzeitige körperliche Bewegungen (Gesten) beeinflussbar sind (Newell, 2004) und dass man die Auffassung eines Daumenkinos von kreisförmig geordneten Punkten, das links- oder rechtsgedreht wahrgenommen werden kann, dadurch verändern kann, dass man eine Hand beim Betrachten in der einen oder andern Richtung kreisen lässt (Wohlschläger & Prinz, 2006).

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Kosslyn und Thompson (2000) heben davon anschauliche innere Bilder (depictive imagery) ab, die es erlauben, Objekte zu vergegenwärtigen oder wiederzuerkennen. Beim Orientieren in der Umgebung bzw. beim Planen von Wegen dürften beide Arten von Vorstellungen allerdings zusammenwirken (bestimmte Ansichten von Landmarken in Beziehung zu Richtungen und Entfernungen). Der Überlebenswert einer Verflechtung von Anschauungsbild und Weg bzw. Bewegungsvorstellung liegt auf der Hand. Wie naheliegend diese Kombination für unseren Geist ist, kann man daran ablesen, dass das ‚Ablegen‘ von Begriffen an markanten Punkten eines vertrauten Weges eine alte Merk-Technik ist, sich die Gliederung einer Rede einzuprägen (Loci-Technik). Halluzinationen. Lebhafte unwillkürliche innere Bilder, die man für äußere hält, nennt man gemeinhin Halluzinationen. Sofern die Betroffenen diese inneren Bilder nicht mit Wahrnehmungen verwechseln, ist einschränkend von Pseudohalluzinationen die Rede. Beides fällt in der Neuropsychologie unter den Begriff der visuellen Reizerscheinungen. Sie reichen von einfachen geometrischen Formen bis zu komplexen Szenen. Dass die Erscheinungen sich auf verschiedene visuelle Qualitäten (Farben, bestimmte bewegte oder unbewegte Formen, Lichter, Gesichter) beschränken können, führt man auf die selektive Aktivität verschiedener Module im visuellen System zurück. Gesichter oder Körper, die sich gelegentlich in der Einschlafphase zeigen (hypnagoge Bilder), könnten indessen auch auf das unwillkürliche Ausdeuten eines Rauschens in frühen Stufen des visuellen Systems (Netzhaut bis primärer visueller Kortex) zurückgehen (analog zu den illusorischen Gesichtern etc., die etwa auf einer rissigen Wand erscheinen, sog. Pareidolien). Visuelle Halluzinationen treten nach Schädigung des zentralen visuellen Systems, aber auch des Auges auf (Charles-Bonnet-Syndrom); weiterhin in vorübergehenden Situationen der u sensorischen oder u perzeptuellen Deprivation. Eine naheliegende Erklärung ist, dass sich, bedingt durch die Unterbrechung des sensorischen Zustroms, nachgelagerte Bereiche der visuellen Verarbeitung verselbständigen. Weiter kommt es bei Epilepsien, in der Migräne-Aura, bei Störungen des aufsteigenden retikulären Erregungssystems, unter Drogeneinfluss, bei Schizophrenie, Parkinsonscher Erkrankung und Alzheimer-Demenz zu visuellen Halluzinationen. In schizophrenen Zuständen, in denen unwillkürliche visuelle Erscheinungen regelmäßig für bare Münze genommen werden, gehen diese Trugwahrnehmungen oft mit gestörter sensomotorischer Integration einher. Letztere zeigt sich z. B. beim Selbstkitzeln [u Kap. 2] oder dem Gefühl, die eigenen Bewegungen würden von einem fremden Willen gesteuert [u Kap. 3]. Den Patienten fehlt somit das oben angesprochene Kriterium, das es erlaubt, innere Bilder, auch dann, wenn sie lebhaft sind, von Wahrnehmungen zu unterscheiden: Gewissheit über den Zusammenhang von Wahrnehmung und Willkürbewegung.

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209 Schlaf und Traum u Wie sehen Traumbilder aus?

Visuelle Erscheinungen sind bekanntlich der Stoff, aus dem Träume hauptsächlich gemacht sind. Wie diese „Bilder“ aussehen, ist indessen kaum bekannt. Schon die geläufige Rede von Traumbildern bezieht sich nicht auf die Qualität der visuellen Erscheinungen, sondern auf gewissermaßen dramaturgische Einheiten. Jenseits besonders beeindruckender sinnlicher Erfahrungen (strahlendes Licht, Schwebe- oder Fallgefühle) wird den sensorischen Qualitäten der Träume weder in den Traumberichten des Alltags noch in der Mehrzahl wissenschaftlicher Traumprotokolle Beachtung geschenkt. Das liegt teils daran, dass die sinnliche Seite des Träumens meist nur schwer in den Wachzustand hinüberzuretten ist. Selten wird allerdings überhaupt nachgefragt, ob und wie beispielsweise eine Küchenszene gesehen, gehört und womöglich auch gerochen wurde oder ob man nur wusste, dass sich das Geschehen in einer Küche abspielt. Gelegentlich tauchen in der wissenschaftlichen Traumliteratur spontan angefertigte Bilder von Traumszenen auf (bspw. das Bild zum berühmten Wolfstraum in Band 12 von Freuds gesammelten Werken; Freud, 1940; oder von Hobson, 1988, wiedergegebene Zeichnungen aus dem Traumtagebuch des „engine man“). Indessen wird da die Aussagekraft der Bilder in Hinblick auf die visuelle Qualität der Träume nicht eigens diskutiert. So auch im Fall der Traumaufzeichnungen von Stiles (1927) oder eines psychoanalytisch orientierten Vergleichs von Schlaflabor-Traumzeichnungen und Tagtraumzeichnungen (Hau, 2002). Rechtschaffen und Buchignani (1992) haben Träumern, die sie im Schaflabor aus REM-Phasen weckten, eine Serie von über hundert, sich in Farbsättigung, Helligkeit, Bildschärfe und Fokussierung unterscheidenden Varianten eines Bildes vorgelegt und gefragt, welche der visuellen Qualität des eben geträumten Traumes entspreche. Die Bildqualität der Träume zeichnet sich nach den Ergebnissen dieser Untersuchung durch eine gewisse Farbschwäche aus und dadurch, dass der Hintergrund kaum beachtet und zugleich eher verschwommen gesehen wird. Das schließt nicht aus, dass sich, wie Seligman und Yellen (1987) annehmen, in Träumen regelmäßig lebendigere Halluzinationen und Bilder, die eher den Vorstellungsbildern des Wachens entsprechen, abwechseln (welche die halluzinatorischen Bilder ausdeuten). In jüngerer Zeit hat die Schweizer Neuropsychologin Sophie Schwartz nicht zuletzt auf Basis der Protokollierung ihrer eigenen Träume festgehalten, dass Träume von Gesunden manche Bildstörung und Verselbständigung von Bild und Geschehen enthalten (z. B. Farbe nur in einer Gesichtsfeldhälfte, Vervielfachung von Personen und Objekten, Nichtpassen von visueller Erscheinung und Identität bei Personen und Orten), die von neurologischen Störungsbildern her bekannt sind und für eine selektive bzw. gestörte Aktivierung einzelner Module des visuellen Systems im Traumschlaf sprechen (Schwartz & Maquet, 2002; Schwartz et al., 2005). Vorläufig ist das Bild, dass wir uns von den Bildern des Traumes machen, nicht zuletzt von den Mitteln bestimmt, mit denen Künstler und mehr noch Filmemacher versuchen, Traumhaftigkeit zu suggerieren. Auch wenn manches davon recht klischeehaft anmutet. Von einigen Film- wie auch Traumtheoretikern wird die Kinosituation als solche mit der Traumerfahrung gleichgesetzt. – Ein berühmtes Künstlertraumbild, bei dem es nicht um plakative Suggestion von Traumhaftigkeit, sondern die Dokumentation einer eindrücklichen Traumvision geht, ist Dürers „Sintfluttraum“ von 1525 (Dinzelbacher, 2002). Anregend für die persönliche Beschäftigung mit sowie wissenschaftliche Erforschung von

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Traumbildern ist die Kombination von vielzähligen kurzen Traumberichten und Skizzen in den posthum veröffentlichen Traumtagebüchern von Federico Fellini (2007). Lesen u Strauch & Meier, 2004; Schwartz et al., 2005; Traum in Kunst und Film: Brütsch, 2011; Gamwell, 2000; Heraeus, 1998; Petric, 1981; Damasio, 2006; Kruse & Wulff, 2006; Schönhammer, 2007

Träume. Auch im Schlaf fasst man in der Regel die inneren Bilder als Wahrnehmungen einer Umwelt auf, in der man gerade agiert. Die andeutungsweise Vergegenwärtigung, dass man schläft und träumt, ist besonders intensiven Träumen an der Grenze zum Erwachen vorbehalten und geht paradoxerweise oft mit einem besonders eindringlichen Wirklichkeitsakzent des Geträumten einher. Ein Kennzeichen intensiver Träume, insbesondere solcher, bei denen das Bewusstsein, dass man träumt, einschießt (luzide Träume), sind spektakuläre Visionen von (farbigem) Licht, die ehrfürchtige Gefühle wecken können. Entsprechende Halluzinationen im Wachzustand treten regelmäßig bei pathologischer Überaktivität des aufsteigenden retikulären Erregungssystems des Hirnstammes (das den Wachheitsgrad reguliert) auf. Weiter weiß man, dass luzide Träume in besonders erregten u REM-Phasen stattfinden und dass der ‚Motor‘ dieser Phasen ein Aktivitätsschub eben des aufsteigenden retikulären Systems ist. Das bedeutet: Entsprechende Traumbilder (etwa von einer Explosion oder einem Feuerwerk) sind aller Wahrscheinlichkeit nach die (wahrnehmende) Ausdeutung von aktuellen visuellen Reizerscheinungen. In diese Richtung weisen auch Berührungspunkte von Schlaf bzw. Träumen und visuellen Erlebnissen bei Epilepsien sowie Migräneauren (beides Zustände, in denen übererregte kortikale Herde u. a. das zentrale visuelle System erfassen; Sacks, 1994, 1996). Bei einem Teil der visuellen Erscheinungen des Träumens dürfte es sich um Vorstellungen handeln, die durch Halluzinationen in anderen Sinnesgebieten und motorische Impulse während des Schlafes ausgelöst werden. Bildwahrnehmung und Vorstellungen. Die mehrfach erwähnte Beteiligung von Topdown-Prozessen am Wahrnehmen ist wahrscheinlich nur eine andere Formulierung für den Umstand, dass Vorformen von Vorstellungen regelmäßig (z. B. beim Wahrnehmen von Formkonstanz) am Wahrnehmen beteiligt sind (und auch die im vorigen Abschnitt besprochenen Lücken im Sehen füllen), ohne dass uns dies zu Bewusstsein käme. Da beim Wahrnehmen von Bildern der äußere Reiz relativ arm ist, kann, wie Kebeck (2006) im Anschluss an Shephard (1984) argumentiert, der Anteil des Vorstellens in dieser Situation ein stärkeres Gewicht erlangen. u Pareidolien wären eine Zuspitzung dieser Tendenz unter der Bedingung visueller Reize von extremer struktureller Armut. Lesen u Lohmar, 2008; Vorstellen: Engelkamp & Zimmer, 2006; Kosslyn, 1994; Pylyshyn, 2003; Restat, 1999; Halluzinationen: Czycholl, 2003; Jaspers, 1973; Ramachandran & Blakeslee, 2001; Zihl, 2006; Traum: Schönhammer, 2004a; Bildwahrnehmung: Kebeck, 2006

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Bildmedien Wer Bilder anschaut, steht in der Regel nicht unter Handlungsdruck. Das Sehen ist hier vom Stress des Lebens gelöst, wird – etwas altertümlich ausgedrückt – zum „Schauen“. Im Ansatz ist das auch bei verdeckter Beobachtung der Szenerie, von der bereits die Rede war, so. Das biologisch begründete Bedürfnis, zu sehen, ohne gesehen zu werden, dürfte dazu beitragen, dass Bildmedien ganz unabhängig vom jeweiligen Inhalt attraktiv sind. Auch der Fernblick ist ein Sehen aus sicherer Position. Diese Situation ist der Bildwahrnehmung (wie dem Betrachten plastischer Modelle) auch in der Verdichtung bzw. Übersichtlichkeit ähnlich, die im Falle von vielen Bildgattungen durch Verkleinerung entsteht. Im engeren Sinne voyeuristisch ist die Situation der Bildbetrachtung, sofern sie einen Nahblick auf Gesichter und Körper zulässt, der ansonsten Interaktion mit anderen, also deren Bereitschaft, sich betrachten zu lassen, voraussetzt. Sofern der Blick von abgebildeten Personen auf den Betrachter gerichtet zu sein scheint, wird meist Einverständnis bzw. Zuwendung suggeriert. Statische Bilder, die Aktionen zeigen, unterscheiden sich von realen Situationen durch die Zeit, die sie dem Sehen einzelner Phasen der Aktion einräumen (das gilt natürlich auch für Zeitlupenaufnahmen). In der bildenden Kunst erlauben traditionell Modelle, die unnatürlich in Haltungen ausharren müssen, annähernd, solche flüchtigen Momente zu fixieren. Manche Aspekte von Bewegung sind bekanntlich überhaupt erst durch Fotografieren mit kurzer Belichtungszeit für das menschliche Auge sichtbar geworden. Das bringt allerdings auch Schnappschüsse von Bewegung mit sich, die auf Betrachter keineswegs dynamisch wirken (z. B. in der Luft hängende Fußballspieler), weil sie den u fruchtbaren Moment der Bewegung verfehlen. Entdeckungen kann man wegen der Selektivität des Sehens aber auch auf Fotos oder Filmen machen, die man von ruhigen Szenen angefertigt hat. Die Möglichkeit, statische oder bewegte Lichtbilder zu erzeugen, erweitert das oben angesprochene externe visuelle Gedächtnis über die Situation hinaus. Diese Erweiterung des Sehens impliziert ihrerseits eine Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Bilderzeugung. Insofern schränkt der Mensch hinter einer Kamera sein Wahrnehmen der Umgebung auch ein, gibt ihm eine Richtung, die es ohne Kamera vielleicht nicht genommen hätte. Dieser Zwiespalt ist einer der Gründe für die kontroverse Bewertung der privaten Foto- und Videografie. (Dass statische Bilder überhaupt Momente aus dem Lebensfluss mit einer Präzision fixieren, die dem Erinnern und Vorstellen fremd ist, wird nicht nur als Bereicherung, sondern auch als Entfremdung, Verdinglichung bzw. als Form des Absterbens erlebt.) Bewegte Lichtbilder potenzieren zum einen diesen Zwiespalt der Fotografie, mildern ihn indessen zugleich, insofern sie dank der flüchtigen Darbietung eher so wahrgenommen werden wie reale Situationen. Dank der Bewegung sind Filmbilder

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dem Leben nah. Deshalb wirken Filme ohne Geräusche oder Musik befremdlich [u Kap. 8]. Spielfilme sprechen Zuschauer zum einen – wie vormals Aufführungen von Tanz oder Akrobatik – durch außergewöhnliche Bewegung an. Zum andern durch Verstrickung in Geschichten (wie Erzählung, Roman, Theater). Dank der möglichen Nähe der Kamera zu Gesichtern, Gesten und Haltungen macht der Film übertriebenes Agieren, wie es auf der Bühne verbreitet ist, überflüssig. Der Zuschauer ist gewissermaßen mit einer Tarnkappe mitten im lebensnah nachgestellten Geschehen. Seit der Frühzeit des Films haben prominente Psychologen gelegentlich Ansätze zu einer Wahrnehmungspsychologie des Films geliefert und dabei auch die Effekte von Kameraaktionen (Schärfenebene, Zoom, Fahrt, Schwenk, Rollen) und Schnitt bzw. Montage mit dem natürlichen Sehen verglichen. Auf die tendenziell irritierende Wirkung von Kamerafahrten, die James Gibson (1982) favorisiert, um die Wahrnehmung von Filmen jener der Umwelt anzugleichen, habe ich bereits hingewiesen [u Kap. 4 sowie Abschnitt Blick in die Szenerie in diesem Kapitel]. Der Schnitt auf Details, über welche die Zuschauer zuvor (durch einen establishing shot) orientiert waren, kommt wegen der u sakkadischen Suppression dem Sehen näher als ein Schwenk, wie er von Videoamateuren bevorzugt genutzt wird. Schwenks, die der Verfolgung eines bewegten Objektes dienen, entsprechen dagegen tatsächlich den langsamen Folgebewegungen des Auges. Wie beim natürlichen Sehen die Blicke anderer eigene Blickwendungen motivieren (geteilte Aufmerksamkeit), so kann der Blick von Akteuren Schnitte nachvollziehbar machen; die Kamera muss dafür nicht unbedingt die Perspektive derjenigen einnehmen (im Sinn der subjektiven Kamera bzw. des point of view shot), deren Blick den Schnitt motiviert. Anders als beim natürlichen Sehen ändern sich die Ebene der Scharfstellung (Akkommodation) und die Stellung der Augen zueinander (Vergenzbewegung) beim Blick auf Leinwand oder Bildschirm nicht, wenn der Abstand zum Geschehen sich (scheinbar) vergrößert oder verringert [zum 3D-Kino siehe den Abschnitt Blick in die Szenerie in diesem Kapitel]. Dies und die starre Ausrichtung des Körpers unterscheiden bei aller Lebensnähe des Gezeigten die Filmwahrnehmung vom Sehen der realen Umgebung (beim Fernsehen verstärkt das kleine Blickfeld das Starren). Auf Dauer – also vor allem beim zeitlich tendenziell unbegrenzten Fernsehen – leidet dabei das Befinden. Insbesondere dann, wenn die Aufmerksamkeit durch schnellen Wechsel (u Orientierungsreaktionen) gebunden wird, ohne dem Betrachter die Schnitte intentional nahe zu bringen (im Zapping behauptet sich in abstrakter Form die Aktivität des natürlichen Sehens). Lesen u Statische Bilder/Fotografie: Arnheim, 2004; Schuster, 1996; Sontag, 1980; Film: Arnheim, 2002; Gibson, 1982; Grodal, 1977, 2005, 2009; Hochberg & Brooks, 1978; Kracauer, 1985; Münsterberg, 1996; Tan, 1996

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213 Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom Sehen

Alle Bilder implizieren Sehen. Bilder und Mittel der Bilderzeugung und -wiedergabe (Leinwände, Fotoapparate, Bildschirme) sowie Bildermacher (Maler, Fotografen) wurden und werden deshalb gerne als Allegorien des Sehens benutzt. Ein besonderer Fall sind Bilder, denen (oder deren Kontext) zu entnehmen ist, dass es sich um die Perspektive eines Subjektes (sozusagen um einen Blick mit dessen Augen) handelt. In der Malerei oder Fotografie wurde das herkömmlicherweise nur durch das Zeigen eines von außen betrachteten Akt des Blickens suggeriert (z. B. Betrachter in der Landschaft, vor einem Bild, Fenster oder Spiegel; Maler, Szene, entstehendes Bild). Ein berühmter Versuch, das Sehen radikaler ins Bild zu setzen, stammt vom Physiker und Wahrnehmungsforscher Ernst Mach (1987): sein „Selbstbildnis“ zeigt den Blick aus einem seiner Augen an Nase und Schnurrbart vorbei über die hochgelegten Beine des sitzenden Betrachters hinweg in ein Zimmer (James Gibson, 1982, hat dieses Bild variiert; wir auch [u Abb]). Das Bild trifft indessen nicht die gewohnte Sicht der Umgebung. Zwanglos dagegen werden normale filmische Bilder subjektiviert. Der Filmbetrachter ist es gewohnt, dass ihm durch entsprechende Montage bedeutet wird, dass und wann das, was die Leinwand gerade zeigt, die Sicht eines Protagonisten abbildet (subjektive Kamera, point of view shot; abgeschwächt und analog zu Darstellungen in der Malerei ist der Blick von hinten über die Schulter von Akteuren). Unschärfe, Zeitlupe, seitliches Kippen (durch Rollen der Kamera) oder Blackouts schreibt der Betrachter bei subjektiver Kamera der Befindlichkeit des Akteurs zu. Es gibt Bilder, die ausdrücklich zu dem Zweck gemalt wurden, Sehstörungen nachvollziehbar zu machen (etwa die leuchtenden Gesichtsfeldausfälle, Flimmerskotome, bei Migräneauren; Sacks, 1994). Werke berühmter Künstler sind verschiedentlich unter der Perspektive abgehandelt worden, in ihnen zeigten sich Defekte im visuellen System ihrer Schöpfer. Diese Sicht muss nicht grundsätzlich abwegig sein, wenngleich das berühmteste Beispiel – der Versuch, El Grecos längliche Figuren durch dessen Astigmatismus zu erklären – ohne Weiteres als Trugschluss erkennbar ist und offenbar auch sachlichen Indizien (normal proportionierten Skizzen aus seiner Hand) widerspricht. Da die meisten Bilder von jemandem hergestellt wurden, ist es nicht abwegig, nach Spuren der Subjektivität der Schöpfer zu suchen (im Falle eines Amateurfotos etwa die Motivwahl zu thematisieren). Gleichwohl wäre es mehr als gewagt, behaupten zu wollen, Bilder zeigten grundsätzlich, wie ihre Urheber die Welt (ge)sehen (haben). In der Kunstgeschichtsschreibung ist der Kurzschluss von Darstellungs- auf Wahrnehmungsweisen indessen nicht selten (u Fernblick, u Perspektive). Ein besonderer Fall ist die Deutung des Impressionismus als Wiedergabe dessen, was wir „auf einen Blick Wahrnehmen“ („retinaler Eindruck“). Wie Pirenne (1970) ausführte, ist es jedoch unsinnig, ein vermeintliches eigentliches Sehen (des Auges) gegen das Seherlebnis auszuspielen. Margaret Livingstone (2002) begibt sich wie andere vor ihr auf diesen Abweg, wenn sie Monets Rue Montorgeuil in Paris, Festival des 30. Juni 1878 (analog zu ihrer Sicht des u Lächelns der Mona Lisa) mit dem peripheren Sehen in Zusammenhang bringt. Verkörpert das Bild die „Flüchtigkeit des Augenblicks“, weil die

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Ungenauigkeit der Malweise, wie Livingstone ausführt, dem Erleben eines einzelnen Blicks entspricht? Das steht im Widerspruch zu der Tatsache, dass wir die Ungenauigkeit des peripheren Sehens nur durch konzentrierte Anstrengung wahrnehmen (anders, als es übrigens Lehrbuchabbildungen suggerieren, die demonstrieren sollen, wie unscharf wir „eigentlich“ sehen). Der erste Blick ist normalerweise nicht weniger als alle weiteren einer, der die Ungenauigkeit des peripheren Sehens übersieht. Vermutlich gemahnen Bilder, wie das von Livingstone diskutierte, den Betrachter durch die Unmöglichkeit des genauen Sehens der Szene (nicht der Pinselstriche) an das visuelle Erlebnis von u Atmosphäre – auch wenn niemand je dieser Malweise entsprechend gesehen hat. Lesen u Ikonographie: Jütte, 2000; Kaufmann, 1943; Künstlersehstörungen: Mühleis, 2005; Trever-Roper, 2001; Zaidel, 2005; Subjektive Kamera: Branigan, 1984; Galloway 2007

Rückschau in Fragen Mit welchem Recht kann man von Licht-Pathos bzw. Licht-Mythos sprechen? Wie entsteht Glanz? Was ist binokularer Glanz? Wie wird erklärt, dass Glanz attraktiv ist? Inwiefern ist Glanz ambivalent? Was haben Glanz und Schatten gemein? Warum kann eine gemalte Lichtquelle den Eindruck erwecken zu leuchten? Was ist und welche Wirkung hat ein Ganzfeld? Was meint der Kunsthistoriker Wölfflin, wenn er von der malerischen Dämmerstunde spricht? Was ist die physiologische Basis dieses Phänomens? Was versteht man unter High- und Low-Key-Beleuchtung? Wie wirken sich diese Beleuchtungsformen auf die Raum- und Gegenstandswahrnehmung sowie auf die Stimmung aus? Was spricht dafür, dass ungeachtet von historisch und kulturell unterschiedlich aufgefächerter Farbbezeichnungen die Farbsensibilität universell relativ einheitlich ist? Was versteht man unter Helligkeits- und Farbkonstanz sowie amodalen Farben? Auf welche grundlegende Charakteristik der Farbwahrnehmung deuten diese Erscheinungen? Was unterschlägt die Ordnung der Farben nach Farbton, Sättigung und Helligkeit? Warum sind Aussagen über affektive Bedeutung von Farben in verschiedener Hinsicht problematisch?

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Wie könnte die Eigenhelligkeit von Farbtönen zu deren affektiver Wirkung beitragen? Was lehrt das Phänomen der Modefarbe im Hinblick auf die wissenschaftliche Vorhersage der Effekte von Farbgestaltung? Inwiefern ist die Wahrnehmung von Figur und Grund in zweidimensionalen Bildern eine Folge des Zusammenhangs von Sehen und Bewegung? Was ist mit der Behauptung „Wir sehen grundsätzlich szenisch“ gemeint? In welchen Eigenheiten des Sehens zeigt sich die besondere biologische Bedeutung bewegter Objekte? Was wurde mit Hilfe des Lichtpunkt-Paradigmas gezeigt? Was versteht man unter „motion capture“? Was versteht man unter einem fruchtbaren Moment? Auf welche Weise wird dieser auf die bildende Kunst gemünzte Begriff heute in Verbindung mit den sogenannten Spiegelneuronen gebracht? Worauf bauen abstrakte Animationsfilme? Wofür stehen jeweils die Begriffe „Animismus“, „Anthropomorphismus“ und "uncanny valley"? Woran zeigt sich, dass das Sehen auf Gesichter eingestellt ist? Was deutet auf einen spezifischen Modus bzw. ein gesondertes Modul der Wahrnehmung von Gesichtern? Was ist der Karikatur-Effekt? Wie könnte er zustande kommen? Wie erklärt man, dass artifiziell generierte Durchschnittsgesichter relativ attraktiv sind? Wie kann Mittelmaß-Schönheit übertroffen werden? Was lehrt der besondere Reiz, der von natürlichen und gemittelten Mischlingsgesichtern ausgeht? Was versteht man unter kanonischen Ansichten von Dingen? Wie kann man ihre Bedeutung für das Sehen erklären? Unter welchen allgemeinen Bedingungen erscheinen Umgebungen bzw. Aufenthaltsorte attraktiv? Welche Tiefenhinweise spielt der Raum von Ames gegeneinander aus? Warum kann einäugige Bildbetrachtung den Eindruck räumlicher Tiefe verstärken? Was versteht man unter Größen- und Formkonstanz?

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Wie lassen sich diese Phänomene erklären? Mit welchem Recht kann man behaupten, dass es handlungsrelevante visuelle Wahrnehmungen gibt, die nicht zu Bewusstsein kommen? Warum kann man Saccaden bei anderen, aber nicht bei sich selbst (beim Blick in einen Spiegel) beobachten? Welche Bedeutung hat dies für die Filmwahrnehmung? Wie unterscheiden sich Vorstellungsbilder subjektiv von Wahrnehmungen? Warum könnte bei der Wahrnehmung von Bildern das Vorstellen eine größere Rolle spielen als beim Blick in die Umgebung? Was macht Bildmedien unabhängig vom Inhalt attraktiv? Auf welche Anhaltspunkte stützen sich Thesen, die die Wertschätzung von Fernblicken oder das perspektivische Sehen als Ergebnis spezifischer kulturhistorischer Entwicklungen auffassen? Wo liegen die Schwachpunkte der jeweiligen Argumentation?

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Hörend werden Organismen indirekt von entfernten Geschehnissen berührt. Das verdankt sich dem Umstand, dass Vibration die Luft in Schwingungen versetzt, Schall erzeugt. Schall ist der adäquate Reiz für die Ohren: Schwingungen elastischer Medien (Luft, Wasser). Bei diesen Schwingungen handelt es sich um einen Wechsel von Verdichtung und Verdünnung der Moleküle des Mediums, also Druckschwankungen in Richtung der Ausbreitung der Welle (Longitudinalwellen). Für Menschen sind Schallwellen zwischen etwa 20 und 20 000 Schwingungen pro Sekunde (20 Hertz und 20 Kilohertz; kH) hörbar; langsamere Schwingungen heißen Infraschall, schnellere Ultraschall. Empfunden werden, vereinfacht gesagt [u Psychoakustisches Glossar], langsame Schwingungen als tiefe Töne, schnelle als hohe, die Menge der in Schwingung befindlichen Teilchen des Mediums als Lautstärke.

Experiment u Versuchsweise blind oder taub (I) Wie wir in Sehen und Hören in jeweils besonderer Weise auf die Umwelt bezogen sind, können Sie erfahren, indem Sie versuchsweise abwechselnd auf einen der beiden Sinne verzichten: Eine Augenbinde oder Schlafmaske schalten das Sehen aus, Ohrstöpsel und zusätzliche Ohrenhauben, wie sie für den Lärmschutz im Baumarkt erhältlich sind, schotten vor einem großen Teil der akustischen Umwelt ab (Geräusche im Kopf, wie sie etwa beim Kauen entstehen, werden in dieser Situation dagegen ungewohnt deutlich wahrgenommen). Spätestens wenn Sie die Wohnung verlassen, aber auch schon, wenn Sie sich blind auf Treppen begeben, sollten Sie sich der Hilfe eines Begleiters versichern, um Unfälle auszuschließen. Effekt und Deutung: u Lebensgefühl bei Taubheit; u Exp. Versuchsweise blind oder taub (II), S. 238.

Mit dem Hören ist uns meist das Geschehen gegenwärtig, das den Schall verursacht. Wir hören ein Tropfen, Steinschlag, Schritte, Atem, Lachen, Weinen usw. Im Tönen sind die jeweilige Körperlichkeit der Schallquellen (z. B. geben große Objekte eher tiefe Töne von sich, kleine eher hohe) und die spezifischen dynamischen Abläufe von Ereignissen (Schlagen, Reiben etc.) vernehmbar. Geräusche, die wir nicht mit uns geläufigen Geschehnissen in Verbindung bringen können, machen Angst. ScienceFiction-Filme und auch andere Genres des Kinos bemühen regelmäßig die unheimliche Wirkung unidentifizierbaren Schalls (Flückiger, 2007). In der Phänomenologie sowie der ökologisch orientierten Psychologie ist es üblich hervorzuheben, dass die eigentlichen Ton- und Geräuschempfindungen (wie sich etwas anhört) gegenüber dem Identifizieren des tönenden Geschehens (was tönt) in den Hintergrund treten. Es ist indessen nicht sinnvoll, das Identifizieren von Ereignissen oder Objekten gegen das Vernehmen von Geräusch- und Lautstrukturen auszuspielen: Wie sich anhört, was an unser Ohr dringt, ist der Beschreibung durchaus zugänglich und wird auch spontan

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registriert. Das bezeugen nicht zuletzt lautmalerische Verben wie klingeln, sausen, zischen, poltern etc. Die Wiedergabe der empfundenen Laute dient – wie eines der ersten Worte der meisten Kinder: Wauwau – gelegentlich auch der Benennung der Geräuschquelle. Der Komponist und Filmemacher Michel Chion, der ein einflussreiches Buch über das Zusammenspiel von Ton und Bildern im Film verfasst hat, stellt im Anschluss an den Komponisten Pierre Schaeffer einem Hören, das auf die sinnlichen Qualitäten bezogen ist (reduziertes Hören), das Vernehmen der Quelle (kausales Hören) und das Auffassen von konventionellen Bedeutungen (semantisches Hören) gegenüber. Reduziertes Hören erfordere Training und eine gewisse Disziplin. Allerdings schließt Chion nicht aus, dass kausales und reduziertes Hören Hand in Hand gehen können, schließlich seien es ja die charakteristischen Formen des Gehörten, die auf dessen Ursache verweisen („Indeed, what leads us to deduce a sound’s cause if not the charakteristic form it takes“ [1994, S. 32]). Er irrt allerdings, wenn er glaubt, das gelinge nur einem geübten Hörer (a seasoned auditor).

Kategoriale Wahrnehmung. Insbesondere bei der sprachlichen Kommunikation zeigt sich allerdings, dass das Hören nicht immer ungebrochen den physikalischen Reizen folgt, sondern sie teilweise mit einer eigenen Einteilung überformt. Ähnlich wie wir beim u Morphing zweier Gesichter Abweichungen vom Erscheinungsbild in gewissem Maße ignorieren und entweder das eine oder das andere Gesicht sehen, nicht aber die Zwischenformen als eigenständige Gesichter, hören wir bei kontinuierlichem akustischen Übergang, etwa von /ba/ zu /pa/, nicht das physikalisch gegebene Spektrum von Lauten dazwischen, sondern bis zu einem bestimmten Punkt den einen und dann übergangslos den anderen Laut. Die pragmatische Bedeutung solcher Vereinfachungen zeigt sich daran, dass es von der Lautstruktur der jeweils vertrauten Sprache(n) bzw. Dialekte abhängt, wo es zu Kategorisierungen kommt.

Neuro-Skizze u Hören Die als Schall wahrnehmbaren Änderungen des Luftdruckes werden in den Innenohren [u Abb.] auf beiden Seiten des Schädels in elektrische Impulse übersetzt. Zuvor sorgt das Mittelohr dank der konzentrierten Weitergabe der Luftdruckschwankungen des Trommelfells über die Gehörknöchelchen (Hammer, Amboß und Steigbügel) auf die sensible Membran des Innenohrs (ovales Fenster) dafür, dass feine Änderungen des Luftdruckes überhaupt merkliche Effekte in den von Flüssigkeit gefüllten Innenohren erzeugen. Der Gehörgang, der von außen zum Trommelfell führt, schützt das Mittelohr und verstärkt als Resonanzkörper bereits einen breiten Bereich der hörbaren Frequenzen. Die Ohrmuschel fängt Schall bestimmter Frequenzen (Stimmen) besonders effektiv ein. Durch ihre eigentümliche Form unterstützt die Ohrmuschel das u Richtungshören. Das mit Perilymphe gefüllte Innenohr ist ein verzweigter Hohlraum (knöchernes Labyrinth), der neben der Hörschnecke (Cochlea) das Gleichgewichtsorgan [u Kap. 4] enthält.

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Die Hörschnecke ist ein zusammengerollter, von Häutchen gebildeter Strumpf, der aus drei Kammern besteht [u Abb.]. Die Rezeptorzellen sitzen in der mittleren Kammer auf einer elastischen Trennwand, der sogenannten Basilarmembran. Über den Rezeptorzellen wölbt sich eine gallertartige Masse, die bei Bewegung der Basilarmembran die Sinneshärchen (Stereozilien) der Rezeptorzellen abbiegt. Diese funktionelle Einheit, an der Bewegung in Nervenimpulse umgewandelt wird, heißt Cortisches Organ. Bewegungen des Steigbügels lösen am ovalen Fenster der Hörschnecke eine Wanderwelle entlang der Basilarembran aus. Am runden Fenster wird der Druck wieder ans Mittelohr abgegeben. Da die Basilarmembran an der Verbindung zum Mittelohr schmaler und steifer ist als an der Spitze der Schnecke, wird sie hier stärker von schnelleren Schwingungen, dort stärker von langsameren ausgelenkt. Wandert eine Welle durch die Schnecke, wird das Cortische Organ also je nach Frequenz an bestimmten Stellen der Schnecke besonders stark gereizt. Andererseits variiert mit der Frequenz das zeitliche Muster der Verschiebung. Je nach Frequenz der Welle feuern die Sinneszellen entlang der Schnecke in spezifischen örtlichen und zeitlichen Mustern. Im Cortischen Organ finden sich zwei Typen von Haarzellen, von denen Nervenfasern zum Gehirn führen (Afferenzen). Eine der beiden Sorten von Rezeptorzellen wird auch von steuernden Impulsen aus dem Gehirn (Efferenzen) erreicht. So können Verarbeitungsstufen im Gehirn (top down) dafür sorgen, dass diese Haarzellen wie eine Art Muskel den Spannungszustand der Basilarmembran verändern und dadurch die lokale Ansprechbarkeit des Cortischen Organes modulieren bzw. steigern. Das erlaubt es, die Reizaufnahme situationsgemäß zu beeinflussen. Afferenzen und Efferenzen der Sinneszellen sind im Hörnerv gebündelt. Erste Schaltstelle auf dem Weg zum Kortex ist (beidseitig) der Cochleariskern im Hirnstamm. Bei der

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Weiterleitung zur zweiten Station, der linken und rechten oberen Olive, verzweigen sich die Zuflüsse von beiden Ohren. In beiden oberen Oliven werden Intensität und Zeitverlauf der Reizung des linken und rechten Ohres verglichen und so ein wesentlicher Beitrag zum u Richtungshören geleistet. Eine direkte, efferente Verbindung von den Cochleariskernen zu einem kleinen Muskel im Mittelohr sorgt bei größerer Lautstärke für eine Entkoppelung der Gehörknöchelchen, um das Innenohr zu schützen (Stapediusreflex); gegenüber extremem Schalldruck, etwa in einer Disco, bleibt dieser angeborene Schutzmechanismus indessen wirkungslos. Über den Cochleariskernen wird die Information aus dem Ohr zudem ins Kleinhirn (Bewegungssteuerung) und das aufsteigende retikuläre Erregungssystem (formatio reticularis; Wachheitsgrad, Orientierungs- und Schreckreflex) eingespeist. Weiter führt die Hörbahn beidseitig zu den sogenannten unteren Hügelchen (inferioren Colliculi) im Mittelhirn. Verbindungen zu den benachbarten oberen Hügelchen (superioren Colliculi) spielen eine wichtige Rolle bei der Koordination von taktil-haptischer, visueller und auditiver Lokalisation von Objekten. Nach einer weiteren Umschaltung im auditiven Thalamus im Zwischenhirn mündet die Hörbahn schließlich im primären auditorischen Kortex im rechten und linken Temporallappen (in der Sylvischen Furche an der Grenze zu Scheitel- und Frontallappen). Wie schon die Hörschnecke Frequenzunterschiede des Schalls örtlich abbildet, sind die Neuronen in den genannten Stationen der Hörbahn nach ihrer Empfindlichkeit für Frequenzen geordnet (tonotope Ordnung). Auf dem Weg vom oberen Olivenkern zum Kortex setzt sich die Auswertung von Reizen hinsichtlich der Lokalisierung von Schallquellen fort, außerdem werden bereits für bestimmte Schallquellen charakteristische Frequenzmischungen und Verlaufsmuster registriert. Der primäre auditorische Kortex reagiert noch auf einfache Töne. Neuronen im benachbarten sekundären auditorischen Kortex und dem anschließenden assoziativen auditorischen Kortex sind nur durch komplexere Schallereignisse zu aktivieren. Je nachdem, ob es um die Lokalisierung einer Schall-

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quelle oder das Erkennen eines Klanges oder Geräusches geht, werden Hörreize weiter in verschiedenen Arealen von Frontal-, Scheitel- und auch Hinterhauptslappen verarbeitet. Die Pfade beim Lokalisieren und Identifizieren von Schallquellen überschneiden sich mit den Was- und Wo-Bahnen des Sehens [u Kap. 7]. Die Was-Bahn des Hörens schließt einen Bereich des Frontallappens (Brocasches Areal) ein, der die Motorik des Artikulierens vermittelt. Auditive u Spiegelneurone sind sowohl beim Hören von Stimmlauten als auch bei Geräuschen, die bei Handlungen anderer entstehen, aktiv. Musikalisch ausgelöste positive Emotionen korrelieren mit Aktivität im limbischen System und in mit ihm verbundenen Strukturen. Das, was man über die Funktionen der betroffenen Areale weiß, deutet, wie Koelsch, Siebel und Fritz (2010) darlegen, auf ein Zusammenspiel von Angstminderung (Amygdala), Mobilisierung von positiven Gefühlen und Erinnerungen (Hippocampus, parahippocampaler Gyrus), Erwartung/Überraschung und Wertung (orbitofrontaler Kortex), sicherer, freudvoller Bewegung (ventrales Striatum, Insula) sowie Abstimmung des vegetativen Nervensystems und des Hormonhaushalts (anteriorer cingulärer Kortex und insulärer Kortex); siehe auch den Überblick, den Brattico, Bogert und Jacobsen (2013) zur Neurologie der emotionalen Wirkung von Musik geben. Der rechte Kortex ist (bei Rechtshändern) dem linken im Hinblick auf Lokalisierung von Schallquellen überlegen und spricht – bei Nichtmusikern – auch stärker auf Musik an. Umgekehrt ist der linke Kortex beim Sprachverstehen und allgemeiner bei der Analyse der Zusammensetzung von Klängen und Geräuschen aktiver. Als absteigende Hörbahn bezeichnet man die Rückverbindungen vom Kortex zur Hörschnecke. Vermutlich tragen insbesondere Verbindungen vom Kortex zum Thalamus dazu bei, dass man aus dem umgebenden Schall das heraushören (filtern) kann, was einen momentan interessiert. – Dass das Gehirn beim Hören den Entladungsmustern einer relativ geringen Zahl von Rezeptorzellen Information entnehmen muss (die Zahl der

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lichtempfindlichen Zellen der Netzhaut ist wesentlich größer), wird mit der besonderen Erfahrungsabhängigkeit des Hörens (gegenüber dem Sehen) in Verbindung gebracht. Lesen u Altenmüller, 2006; Birbaumer & Schmidt, 2006; Bösel, 2006; Gallese, 2007; Rizzolatti & Sinigaglia, 2008, Kap. 6; Roberts, 2002, Kap. 2–4; Musik- und Sprachverstehen: Turner & Ioannides, 2009; Musik und Emotion: Koelsch, Siebel & Fritz, 2010

Warnsinn. Wir hören rundum, im Hellen wie im Dunkeln. Hören kann so auf unsichtbare Gefahren aufmerksam machen: Das Gehör ist – wie das Riechen – in besonderem Maß ein Warnsinn. Ein unerwartetes Geräusch in der Umgebung erregt unwillkürlich Aufmerksamkeit und bedingt Zuwendung, um ins Auge fassen zu können, was da geschieht (Orientierungsreaktion). Neben einer allgemeinen Erregung (Steigerung der Wachheit) schließt diese Reaktion die Lokalisierung der Schallquelle – also der möglichen Gefahr oder Attraktion – ein. Richtungshören. Das Orten verdankt sich zum einen dem Vergleich der Reizung der beiden Ohren (binaurale Faktoren) und zum anderen richtungs- und entfernungsabhängigen Variationen der Schallzusammensetzung, die bereits von einem Ohr (monaural) registriert werden. Ob sich eine Schallquelle links oder rechts befindet [u Abb.], entnimmt das auditive System den Differenzen an beiden Ohren. Ausgewertet werden Unterschiede in ❚ Intensität (ein hinreichender Schallschatten entsteht durch den Kopf allerdings nur bei hohen Frequenzen), ❚ Schallzusammensetzung (der Schall wird je nach Frequenz in unterschiedlichem Maß durch den Kopf abgeschattet), ❚ zeitlicher Abfolge der Reize (Phasenverschiebung wegen der unterschiedlich weiten Wege zu beiden Ohren). Nahe der Gradeausrichtung des Kopfes kann der Einfallswinkel mit einer Genauigkeit von 1–3 Grad bestimmt werden. Weiter seitlich nimmt die Genauigkeit ab. Die zunehmende Unschärfe ist unter natürlichen Umständen kein Hindernis, weil Kopfbewegungen bei der Lokalisierung mitwirken. Die unregelmäßige Form der Ohrmuschel erlaubt uns auszumachen, ob sich etwas vorne oder hinten, oben oder unten abspielt. Der Schall gelangt nicht nur direkt in den Gehörgang, sondern wird auch von den verschiedenen Partien der Ohrmuschel reflektiert. Dabei macht es einen Unterschied, ob Geräusche von vorne, hinten, unten oder oben kommen. Denn je nachdem, von wo sie kommen, werden bestimmte Komponenten von Frequenzgemischen verstärkt oder

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abgeschwächt. Mit dem Einfallswinkel ändert sich also die Schallzusammensetzung, die ins Ohr gelangt. Dieses Kriterium setzt allerdings voraus, dass es sich überhaupt um einen breitbandigen Schall handelt. Monofrequente Töne sind so nicht korrekt lokalisierbar. – Wenn die optischen Hinweise auf die Schallquelle von den akustischen abweichen, tendieren wir dazu, sie auch da zu hören, wo wir sie sehen. Deshalb können Bauchredner ihr Publikum täuschen [u Kap. 9]. Entfernungshören. Bei Lauten oder Geräuschen, die uns geläufig sind, können wir die Entfernung der Schallquelle einschätzen, weil die Intensität der hohen Frequenzen schneller abnimmt als die der tiefen: Eine uns bekannte Stimme hört sich deshalb mit zunehmendem Abstand tiefer an. Deshalb irritiert es, wenn in Filmen ein visuell entferntes Geschehen von einem in der Nähe der Aktion aufgenommenen Ton begleitet wird. Schnelle Annäherung oder Entfernung einer Schallquelle, zum Beispiel eines Fahrzeugs, wird an einer Erhöhung bzw. Verringerung der Frequenzen erkannt (Doppler-Effekt). Identifizieren. In der Geräuschkulisse, die uns beispielsweise bei einem Spaziergang umgibt, können wir etwa Blätterrauschen, Plätschern, Vogelgesang, unsere Schritte und die eines Begleiters, seine und unsere Worte, gedämpfte Straßengeräusche, ein fernes Flugzeug und anderes mehr ausmachen. Wie gelingt es, das Gemisch von Schallwellen, das in einer gewissen Zeitspanne ans Ohr dringt, sinnvoll einzuteilen? Eine wesentliche Hilfe für das Auseinanderhalten der Momente des Umgebungsschalls – man spricht auch von auditivem Streaming oder auditiver Szenenanalyse – ist die eben besprochene Lokalisierung: Schall, der aus der gleichen Richtung kommt, geht potentiell auf dasselbe Ereignis zurück, geht von derselben Schallquelle aus. Insbesondere dann, wenn die Bestandteile des Schalls gemeinsam ihre Richtung relativ zum Hörer verändern: Deutliche Ortsveränderung unterstützt im Hören wie im Sehen die Wahrnehmung einer Figur, die sich vor einem Grund abhebt. Die Wahrnehmung des Wo enthält in diesem Fall mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit übrigens auch schon einen Hinweis auf das Was. Wie schon beim Thema unerwartete Berührung [u Kap. 2] und auch im Kapitel zum Sehen [u Kap. 7] festgehalten, spricht das Wahrnehmen vermutlich deshalb besonders auf Bewegung an, weil ihr gewissermaßen der Verdacht eingeschrieben ist: Was sich bewegt, könnte ein (eventuell gefährliches) Lebewesen sein. Die Momente der besagten Geräuschkulisse können wir aber selbst dann einigermaßen heraushören, wenn wir sie in der Wiedergabe eines Monolautsprechers hören (die Radioreportage von einem Spaziergang). Neben der Einteilung über die Richtung sieht man einige formale Prinzipien am Werk, die den u Gestaltfaktoren, wie sie für das Sehen formuliert wurden, entsprechen: ❚ zeitliche Nähe (was gleichzeitig einsetzt, gehört zusammen),

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❚ Ähnlichkeit (was ähnlich klingt, gehört zusammen; Sprünge in der Abfolge oder Differenzen innerhalb der simultanen Frequenzmischung, die nicht durch ihre harmonische Struktur als Resonanzen kenntlich werden, sprechen für getrennte Quellen), ❚ als Spezialfall der Gruppierung nach Ähnlichkeit kann man gleichgerichtete Änderungen in Intensität oder Frequenz ansehen (Faktor des gemeinsamen Schicksals). Beim Heraushören von Geschehnissen aus dem, was zeitgleich an die Ohren dringt, spielt vielfach auch das Sehen eine Rolle. So sehen wir die Schritte der Person, die uns begleitet (weshalb uns das Hören dieser Schritte keineswegs beunruhigt). Und wenn sie spricht, sind ihre Lippen in synchroner Bewegung. Die Monowiedergabe eines Gesprächs mit einer größeren Zahl von Teilnehmern verwirrt, wenn keine visuelle Zuordnung möglich ist. Bei asynchronen audiovisuellen Darbietungen stört es übrigens kaum, wenn der Ton leicht verzögert ist; ein zu früher Ton dagegen irritiert deutlich: Wegen der geringeren Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalls sehen wir die Lippenbewegungen ja immer ein wenig früher, als wir das Gesprochene hören. Unter erschwerten Bedingungen, also bei störendem Schall, hören wir durch das Lippenlesen besser. – Wenn man experimentell nicht zueinander passende Lippenbewegungen und Laute miteinander kombiniert, ist der Höreindruck ein Kompromiss aus dem tatsächlichen akustischen Reiz und dem von den Lippenbewegungen suggerierten: Zeigt man Lippenbewegungen von /ga-ga/, spielt dazu aber /ba-ba/ vom Band, hören Versuchspersonen /da-da/; McGurk-Effekt [u Kap. 9]. Was wir selbst sagen, korreliert ebenso wie die Geräusche, die bei unseren eigenen Bewegungen entstehen, mit der eigenen Motorik. (Dass wir uns selbst sprechen hören, ermöglicht bzw. erleichtert Artikulation; die Geräusche unserer Schritte unterstützen sicheren Tritt, was man bei experimenteller Taubheit – oder auch, wenn man mit Kopfhörern unterwegs ist – beispielsweise dann erfährt, wenn plötzlich auch Blindheit hinzukommt, z. B. in einem Keller das Licht ausgeht; die Ohren frei zu machen, verhilft in diesem Moment nicht nur zu einem gewissen Gefühl für den Umraum (siehe unten), sondern beseitigt auch den spontanen Eindruck, auf Watte zu gehen. Der synchrone Verlauf von Gehörtem und Gesehenem sowie die auditive Rückkoppelung eigener Aktivitäten erschließt einen Teil des ‚Durcheinanders‘ der aktuellen Hörwelt auf wenig geheimnisvolle Weise. Weiter sorgt der Umstand, dass Aktionen des eigenen Körpers (ob nun stimmliche Aktivitäten, Schritte oder Schlagen, Klatschen, Reiben, Kratzen) mit bestimmten Schallmustern verbunden sind, dafür, dass wir entsprechende auditive Szenen – auch dann, wenn sie auf die Aktivität anderer zurückgehen – dank unseres inneren Mitmachens identifizieren können. Mit Blick auf das Verstehen von Sprachlauten wurde das schon vor Jahrzehnten postuliert (motorische Theorie des Sprachverstehens): Wir identifizieren Sprachlaute wahrscheinlich unter anderem deshalb, weil diese in uns den Impuls auslösen, sie unsererseits zu artikulieren. Inzwischen konnte nachgewiesen werden, dass jener Bereich des Gehirns

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(Brocasches Areal), der wesentlich die Sprechmotorik steuert, beim bloßen Hören von Sprache ebenfalls aktiviert ist. Auch im auditiven System finden sich u Spiegelneurone. – Diese Mitbewegung dürfte übrigens nicht nur eine Folge von Lernen sein. Wie die Beobachtung der Kommunikation von Erwachsenen mit Säuglingen wahrscheinlich macht (siehe unten), bemühen sich Neugeborene – so wie sie Mimiken imitieren – von den ersten Lebensstunden an beim Vernehmen von Stimmen um nachahmende Artikulation (das betrifft zunächst offenbar den Vokal /a/). Ein spezieller Fall von Heraushören ist unter dem Etikett Cocktailparty-Phänomen bekannt geworden. Wir sind in der Lage, aus einem Stimmengewirr auch ohne visuelle Unterstützung eine Stimme herauszuhören und dem zu folgen, was sie mitteilt. Es handelt sich hier um die Fähigkeit zur selektiven auditiven Aufmerksamkeit für eine unter vielen ähnlichen Schallquellen. Die Auswahl kann willkürlich oder unwillkürlich (z. B. ausgelöst dadurch, dass etwa der eigene Name fällt) erfolgen. Ohne Lokalisierung gelingt das Heraushören in diesem Fall allerdings kaum. Lesen u Bregman, 1990; Fowler, 2004; Guski, 1996, Kap. 7; Handel, 1989; Hauser, 1996; Lewald, 2006; Moore, 2005; Schröger, Kaernbach & Schönwiesner, 2008

Psychophysik u Psychoakustisches Glossar Die folgenden Begriffserklärungen streifen auch einige Fragen der Psychophysik des Hörens, die im Text nicht angesprochen werden. ❚ Amplitude: Ausschlag in der Darstellung einer (Schall-)Schwingung (steht für Intensität). ❚ Audiometrie: Methoden zur Bestimmung (von Minderungen) der Sensibilität des Gehörs; Bedingung einer optimalen Anpassung von Hörgeräten an Sensibilitätsveränderungen etwa bei Altersschwerhörigkeit (in der Regel größere Verstärkung im Bereich höherer Frequenzen). ❚ Bandweite/-breite: Frequenzumfang eines Schalls; Hoch- bzw. Tiefpassfilter lassen nur den jeweils genannten Frequenzbereich passieren. ❚ Frequenz: Schwingungszahl einer (Schall-)Schwingung; 1 Hertz (1 Hz) = 1 Schwingung pro Sekunde. ❚ Fourieranalyse: Nach seinem Schöpfer benanntes mathematisches Verfahren zur Zerlegung einer komplexen (Schall-)Welle in die enthaltenen Sinuswellen. ❚ Geräusch (sound; noise): Ist im engeren Sinn definiert als Schall von unbestimmter u Tonhöhe und u Klangfarbe. Im alltäglichen Sprachgebrauch umfasst Geräusch auch u Klänge; u Spektralanalyse. ❚ Grundton: Tiefster Ton eines u Klanges; bestimmt dessen u Tonhöhe; paradoxerweise auch dann, wenn er fehlt (z. B. wegen der Übertragungstechnik; etwa beim Telefon): Art und Verlauf der u Obertöne lassen den Grundton mithören. ❚ Harmonische: Bestandteile eines u Klanges: u Grundton (1. Harmonische) und dessen Obertöne (zweite bis xte Harmonische = ganzzahlige Vielfache der Frequenz des Grundtones), die sich jeweils den besonderen Resonanzbedingungen im schallenden Körper verdanken.

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❚ Hüllkurve: Beschreibt den zeitlichen Verlauf der u Amplitude eines Schallereignisses (gegliedert in Einschwingphase/Attack, erste Dämpfung/Decay, Aushaltephase/Körper und Ausklingen/Release). ❚ Isophone: Die empfundene u Lautstärke ist nicht nur von der u Amplitude, sondern auch von der u Frequenz des Schalls abhängig; Kurven gleicher Lautstärke (gemessen in u Phon) zeigen, welchen Schalldruck Töne unterschiedlicher Frequenz haben müssen, um als gleichlaut (isophon) empfunden zu werden; bei mittleren, sprachrelevanten Frequenzen ist die Empfindlichkeit besonders hoch. ❚ Klang: Bei tierischen Stimmlauten und Tönen von Musikinstrumenten spricht man von Klang: einer komplexen Struktur aus u Grundton und u Obertönen; einfacher sind u Sinustöne, -wellen; u Fourieranalyse; u Geräusch. ❚ Klangfarbe: Es liegt an der Klangfarbe, dass Töne gleicher u Tonhöhe und u Lautstärke gleichwohl erkennen lassen, ob sie etwa auf einer Flöte oder dem Klavier erzeugt wurden. Auch die Stimmen von Individuen unterscheiden sich in ihrer Klangfarbe. Verantwortlich dafür sind vor allem die spezifischen u Obertöne, deren Energieanteil und zeitliche Entwicklung. ❚ Lautstärke und Lautheit: beziehen sich auf die Intensität des Gehörten. Es handelt sich dabei um subjektive Erscheinungen. Maße der Intensität (u Phone und u Sone) sind bezogen auf das Erleben bei physikalisch definierten Bezugsgrößen (u Schalldruckpegel, u Frequenz). Oft liest man, Phone sei das Maß der Lautstärke, während Sone sich auf Lautheit beziehe. Dieser Versuch, die beiden verschiedenen Intensitätsmaße sprachlich zu verankern, ist eher verwirrend als hilfreich. ❚ Maskierung (masking): Herabsetzung der Hörbarkeit (Ansteigen der Schwelle) eines Schalls (sog. Nutzsignal) durch ein anderes, vorheriges, gleichzeitiges oder nachfolgendes Schallereignis (sog. Störsignal). Maskierung ist stärker, wenn beide Signale aus der gleichen Richtung kommen, also etwa ein Sprecher zwischen dem Zuhörer und einem offenen Fenster, durch welches Verkehrslärm in den Raum dringt, steht. ❚ Obertöne u Harmonische ❚ Phon: Maßeinheit für u Lautstärke bzw. Lautheit; ist bezogen auf den Schalldruckpegel eines 1000-Hz-Tones, der die nämliche Lautstärkeempfindung auslöst. u Isophone. ❚ Präzedenzeffekt (Haas-Effekt, Gesetz der ersten Wellenfront): Lokalisierung der Schallquelle in jener Richtung, aus der ein Schall zuerst den Hörer erreicht, sowie Unterdrückung einer Echowahrnehmung bei Zeitdifferenzen bis 50 Millisekunden; erlaubt es im Kino durch entsprechendes Timing bei der Bespielung von Leinwandund Seitenlautsprechern, die Schallquelle vorne wahrnehmbar zu machen, auch wenn die seitliche Lautstärke größer ist. ❚ Rauhigkeit: Bei zunehmender Differenz gleichzeitig erklingender ähnlicher Sinustöne geht die u Schwebung in die Empfindung von (unangenehmer) Rauhigkeit über. Diese hält auch in einem Bereich noch an, in dem die beiden Töne bereits als unterschieden wahrgenommen werden (Dissonanz). Erst beim Überschreiten der sogenannten kritischen Bandweite des Abstandes klingen zwei Sinustöne (angenehm) glatt (Konsonanz). ❚ Schalldruckpegel (sound pressure level, SPL): wird gemessen in Dezibel (dB); abhängig von der u Amplitude der Schallwelle; u Lautstärke. ❚ Schwebung: Bei Tönen sehr ähnlicher Frequenz führt die periodische Phasenverschiebung dazu, dass man nur einen Ton hört, dessen Lautstärke pulsiert.

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❚ Sinustöne, -wellen: künstlich erzeugte Schallwellen, die nur in einer Frequenz schwingen. ❚ Sone: Maßeinheit der u Lautstärke bzw. Lautheit, bei der es, anders als bei Angaben in u Phone, darum geht, um wievielmal lauter ein Schall als ein anderer erscheint. Ein Sone wurde bezogen auf die Lautheits-Empfindung bei einem 1000-Hz-Ton mit einem u Schalldruckpegel von 40 dB. Die Lautheits-Empfindung verdoppelt sich bei einer Steigerung um 10 dB (man beachte: Wegen der logarithmischen Skala bedeutet eine Steigerung um 10 dB eine Verzehnfachung des Schalldrucks; diese wird lediglich als Verdopplung der Lautheit wahrgenommen). ❚ Spektrogramm/spektrale Zusammensetzung: Darstellung der Frequenzen (in Hz) und ihrer physikalischen Intensitäten (u Schalldruckpegel) im Zeitverlauf von Schallereignissen; insbesondere bei Geräuschen benutzt. ❚ Tonhöhe (Pitch): ist eine Empfindung, die sich mit der Frequenz eines u Sinustones ändert, durch sie aber nicht vollständig festgelegt ist; Änderungen der u Amplitude können auch die Tonhöhe leicht verschieben. Während bei der Bestimmung der Tonhöhe von Sinustönen Unsicherheiten auftreten, erleichtert bei u Klängen die komplexe Struktur der u Obertöne das Hören des u Grundtones. ❚ weißes Rauschen: maximal breitbandiges u Geräusch, das alle hörbaren Frequenzen in gleicher Intensität (u Schalldruckpegel) enthält. u Bandweite, -breite. Lesen u Fastl & Zwicker, 2007; Moore, 2005; Roederer, 2007; Raffaseder, 2002

Stimme und Kommunikation Im Tierreich finden sich vielgestaltige Formen der akustischen Kommunikation (Zirpen, Zähneknirschen, Zungen- oder Lippenschnalzen, Pfeifen, Klopfen, Klatschen usf.). Bei Vögeln und Säugetieren spielt die Stimme eine bedeutende Rolle als Mittel der Verständigung. Während Menschen die Welt sprechend gewissermaßen zu verdoppeln vermögen, bleibt es bei anderen Tieren, so der Primatenverwandtschaft, bei einem Repertoire von Signalen für bestimmte Situationen (z. B. unterschiedlichen Warnrufen, die auf Angreifer am Boden oder aus der Luft deuten). Weiterhin machen bei Menschen und anderen Tieren Stimmlaute individuelle Zustände und Motivlagen für andere Subjekte (vor allem der eigenen Art) auditiv erfahrbar. Diese fundamentale stimmliche Kommunikation geht beim Menschen dem verbalen Austausch voraus und ist auch im Sprechen gegenwärtig. Analysen des gestisch-mimischen und stimmlichen Austauschs zwischen Müttern bzw. Pflegepersonen und Säuglingen zeigen ein fein abgestimmtes Spiel gegenseitiger Nachahmung. Bei dieser Vorstufe eines Gesprächs (Protokonversation) wechseln die Erwachsenen in die Tonlage des Säuglings und ahmen die Melodik und den Rhythmus von dessen spontanen Lautäußerungen nach (im Englischen wird dieser Sing-Sang Motherese genannt). Das verstärkt nicht nur die Lautproduktion des Nachwuchses, sondern schafft einen Rahmen, in dem die Säuglinge auch ihrerseits den Lauten der

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Erwachsenen folgen. Bei diesen Quasidialogen (man spricht auch von Duetten) sind das Wahrnehmen von Mimik und Gestik sowie von Lauten miteinander und auch mit der Artikulationsmotorik verschränkt. Die Integration von Sehen, Hören, motorischen Impulsen und Spüren der Bewegungen des eigenen Körpers (visuell-auditivmotorisch-propriozeptive Koordination) unterstützt das spätere Verständnis der Lautstruktur der Muttersprache und ermöglicht letztlich auch das Hineinwachsen in kulturelle Besonderheiten des ausdrucksvollen körperlichen Gebarens. Unmittelbar vermittelt das Wechselspiel die emotionale Abstimmung (Affektabstimmung). Der Gebrauch der Stimme drückt nicht nur Befindlichkeiten und Absichten aus. Individuen sind bekanntlich auch an ihren Stimmen identifizierbar (Neugeborene erkennen ihre Mütter sehr bald an der Stimme). Das entspricht der Doppelfunktion von Gesichtszügen und Mienenspiel: Zum einen, Individuen zu kennzeichnen, zum anderen, überindividuell Gemütszustände darzustellen [u Kap. 7].

Auch wenn Erwachsene miteinander sprechen, kommunizieren ihre Stimmen zugleich auf nonverbaler Ebene: Die Intonation oder Prosodie des Sprechens kann ein und demselben Satz sehr unterschiedliche Bedeutung verleihen. Das betrifft nicht nur grammatikalische Differenzen wie die Unterscheidung von Frage und Aussage. Gefühle wie Ärger, Traurigkeit und Angst sind universell gut an prosodischen Aspekten des Sprechens erfahrbar („Der Ton macht die Musik.“). So wird Ärger etwa an einer eher tiefen Tonlage, abrupten Übergängen und einer gewissen Lautstärke kenntlich. Angenehme Gefühle bringen prinzipiell ein variationsreiches, melodisches Sprechen mit sich, wobei freudige Erregung speziell mit einer hohen Tonlage verbunden ist. Zärtlichkeit trägt sich gehaucht, mit besonders weichen Übergängen vor. Bei ärgerlichen Artikulationen werden Lippen zurückgezogen, bei zärtlichen sind sie gerundet (Labialisierung). Ekel ist weniger an Tonlage und Sprachmelodie kenntlich denn an kurzen Rachen- und Zungenlauten (entsprechend der abstoßend-ausscheidenden u EkelMimik). Auch wenn jemand in einer Sprache spricht, die man nicht versteht, nimmt man oft Gefühle und Stimmungen treffend wahr. Die quasi-musikalische Seite des Sprechens ist von grundlegender sozialer Bedeutung (man betrachtet die Prosodie tatsächlich als Vorläufer von Musik, Protomusik). Die präverbale Stimmkommunikation erlaubt es, Emotionen und Stimmungen zu vermitteln bzw. gegenseitig zu beeinflussen, weil Hören mit innerer Mitbewegung einhergeht. In einem Experiment präsentierten Beatrice de Gelder und Jean Vroomen (2000) eine Stimme mit fröhlicher oder trauriger Intonation zugleich mit Bildern, die den jeweils entgegengesetzten Gesichtsausdruck zeigten. Die Einschätzung des Gesichtsausdruckes verschob sich in Richtung der stimmlich ausgedrückten Emotion. Diese Beeinflussung funktioniert auch umgekehrt. Neurologische Befunde legen nahe, dass es sich bei dieser Beeinflussung nicht erst um einen Kompromiss auf kognitiver Ebene handelt. Das

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gemeinsame Dritte der auditiven und visuellen Ausdruckswahrnehmung könnten beim Wahrnehmen aktivierte Handlungsschemata, also abstrakte motorische Repräsentationen von Fröhlichkeit und Traurigkeit sein (de Gelder, Vroomen & Pourtois, 2004). Im Hinblick auf den Gruppenzusammenhalt wird die stimmliche Kommunikation als effektive Ergänzung bzw. als Ersatz sozialer Körperpflege betrachtet (vocal grooming im Sinne der These, beim Menschen habe der Klatsch das Sich-Lausen als sozialen Kitt ersetzt [u Kap. 2]). Die emotionale Resonanz mit dem, was Stimmen ausdrücken, ist wahrscheinlich eine wesentliche Grundlage für die enorme Bedeutung von Musik in sämtlichen Kulturen. Lesen u Akustische Kommunikation bei Tieren: Hauser, 1996; Stevens, 2013; Tembrock, 1996; Protokonversation: Bråten, 2007; Dissanayake, 2009; Gratier & ApterDanon, 2009; Papoušek & Papoušek, 2003; Powers & Threvarthen, 2009; Intonation: Eibl-Eibesfeldt, 1995; Johnstone & Scherer, 2000; Vaissière, 2005

Musik und Tanz „ (…) die Orchesterdirigenten pflegen sich nicht mit maschinenmäßigem Taktschlagen zu begnügen, sondern folgen mit ihrem Stabe der Melodiebewegung; diese charakteristischen malenden Arm- und Handbewegungen erleichtern oft dem Hörer das Auffassen der Musik wesentlich.“ (v. Hornbostel, 1986, S. 79; Orig. 1903)

Wie die Stimme in Abhängigkeit vom Spannungszustand des Organismus variiert und Hörer auf die ausgedrückte Befindlichkeit einstimmt, so involviert Musik diejenigen, die sie vernehmen, körperlich. Seit Menschengedenken ist bekannt, dass Musik beruhigen (Wiegenlieder) oder erregen (Kriegsgesänge) kann. Moderne Messverfahren registrieren vegetative (Herzrate, Hautwiderstand), hormonelle (z. B. Senkung des Testosteronspiegels bei beruhigender Musik), immunologische (Erhöhung von Immunglobulin A im Speichel bei aktivem Musizieren) und motorische Effekte von Musik. Nicht zu übersehen ist die Wirkung musikalischer Rhythmen: Sie lösen unwillkürlich Bewegungsimpulse aus. Es lässt sich experimentell nachweisen, dass Menschen Änderungen im Rhythmus mit ihren (Finger-)Bewegungen selbst dann folgen, wenn ihnen diese Änderungen nicht bewusst werden (Hasan & Thaut, 2004; Thaut, 2005). Musik eignet sich deshalb dazu, die Akzente der Bewegungen einer größeren Anzahl von Menschen zu synchronisieren. Sei es im Dienst von selbstzweckhaften Gemeinschaftsritualen, sei es bei ritualisierten Formen sexueller Annäherung oder der Koordination von kollektiven Arbeitsprozessen (wovon etwa die reiche Tradition von Arbeitsgesängen zeugt, die Karl Bücher in seinem klassischen Buch Arbeit und Rhythmus nachgezeichnet hat).

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Körperlich verausgabende Abläufe werden unter dem Einfluss rhythmischer Musik geradezu anstrengungslos vollzogen. Die Musik ersetzt den Willensakt, sich zu bewegen. Dieser ekstatische Effekt (im wörtlichen Sinn von Ekstase als Außersichsein: Die Musik übernimmt die Bewegungskontrolle) ist die Innenseite der Synchronisation mit anderen – also des temporären Aufgehens von Individuen in der gemeinsamen, musikalisch induzierten Bewegung. Musikalische Rhythmen werden auch zur Kompensation von Störungen der neuronalen Bewegungskontrolle eingesetzt (z. B. als Impulsgeber bei Patienten, die an Morbus Parkinson leiden). Wie der Musikpsychologe und -ethnologe Erich Moritz von Hornbostel vor hundert Jahren betonte, drängt auch die Melodie zu körperlicher Bewegung: „Die Richtung der Körperbewegung fällt stets mit der Melodiebewegung zusammen: bei steigender Melodie haben wir die Tendenz, Kopf, Arm, Bein und Thorax zu heben, bei fallender Melodie, die Gliedmaßen sinken zu lassen und auszuatmen“ (von Hornbostel, 1986, S. 79). Die intuitiv einleuchtende These von der Entsprechung von Ton- und Körperbewegung ist auch Thema objektivierender Studien (Davidson, 2002, 2005; Schögler & Trevarthen, 2007). Dem Zusammenhang von Musik, Bewegung und Emotion ging Manfred Clynes (1989) schon vor einiger Zeit nach, indem er Versuchspersonen die Vorstellung unterschiedlicher Gefühle und auch die Vergegenwärtigung des Charakters verschiedener Musikstücke in kurze Finger- bzw. Armgesten umsetzen ließ, deren Dynamik mit einem einfachen Apparat gemessen wurde (durch Registrieren des vertikalen und horizontalen Drucks beim Betätigen einer Taste mit dem Mittelfinger der dominanten Hand). Dieses Verfahren ist dem (nur Papier und Bleistift erfordernden) Experiment verwandt, Gefühle oder Farben in abstrakte Kritzelbewegungen umzusetzen [u Kap. 7]. Die Ergebnisse, die man dabei etwa für Freude, Wut oder Trauer in der Regel erzielt, stimmen mit den Melodiebewegungen von Musik mit entsprechendem Charakter (sowie typischen tänzerischen Umsetzungen solcher Musik) überein [u Kap. 9]. Auch der Philosoph John Dewey bezieht sich implizit auf die Melodiebewegung, wenn er konstatiert: „Die Musik vermittelt uns beispielsweise die wahre Essenz des Fallens und erhabenen Aufsteigens, des Brandens und Zurückweichens, der Akzeleration und Retardation, der Anspannung und Entspannung, des plötzlichen Andrängens und allmählichen leisen Eindringens von Dingen. Der Ausdruck ist abstrakt, sofern er frei von der Bindung an dieses und jenes, wogegen er zur gleichen Zeit leidenschaftlich unmittelbar und konkret ist.“ (1988, S. 242, Hervorhebungen R. Sch.). In jüngerer Zeit wurde die Ausdrucksbedeutung von Musik durch sogenanntes semantisches Priming nachgewiesen: Dass etwa der Begriff Weite besser zu einem Satz passt, in dem vom Blick in die Ferne die Rede ist, als zu einem anderen vorgegebenen Satz, der beispielsweise von beengen-

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den Fesseln handelt, lässt sich an einem bestimmten Indikator im Hirnstrombild ablesen (nur bei unpassenden Vorgaben findet sich nach 400 Millisekunden ein charakteristischer negativer Ausschlag, N 400). Der nämliche Effekt lässt sich erzielen, wenn man statt Sätzen Musikstücke vorgibt, denen man größere oder geringere Nähe zum Zielbegriff unterstellt. So wurde objektiviert, dass einem Musikstück (im Experiment eine Passage aus Richard Strauss‘ Salome) etwa die Bedeutung Weite zukommen kann (Koelsch & Fritz, 2007). Im Falle des Begriffes Weite liegt es übrigens nahe, die Bedeutung des Wortes – also das Ansprechen eines großen Spielraumes für Blick- respektive Körperbewegung – schon mit seinem eigenen Klang bzw. der Artikulationsbewegung, die ihn erzeugt, in Verbindung zu bringen: einer ausladenden, öffnenden Bewegung. Das phonetische oder artikulatorische Bewegungsmoment von Weite kann man sich leicht vergegenwärtigen, wenn man es im Wechsel mit Enge ausspricht. Den expressiven Bewegungscharakter von Lauten oder Worten hat vor Jahrzehnten Ertl (1969) in breit angelegten Studien nachweisen.

Die unmittelbar körperliche Wirkung von Rhythmus und Melodie impliziert die (ursprüngliche) Einheit von Musik und Tanz (die sich etwa darin niederschlägt, dass es bei manchen Naturvölkern für beides nur einen Begriff gibt). Neuerdings erzeugen Sportwissenschaftler akustische Rückmeldungen von Bewegungen als Trainingshilfe (Bewegungs-Sonification); dass es hilft, eine Bewegung besser auszuführen, wenn man sich darum bemüht, die Tonfolge zu treffen, die mit dem optimalen Ablauf verbunden ist, lebt von der Entsprechung (im Sinne von detaillierter Übersetzbarkeit) von Körperbewegung bzw. -gefühl und Tonbewegung (Effenberg, 2004). Wenn heute viele Menschen regelmäßig Musik konsumieren, um ihre Stimmung zu regulieren, geht das wahrscheinlich letztlich auf die emotionale Bedeutung der stimmlichen Kommunikation (Affektabstimmung mit dem Nachwuchs, aber auch erwachsenen Gruppenmitgliedern) zurück, die vermutlich die Urform der Musik darstellt. Musik und Tanz als eigenständige Aktivität waren im Laufe der Geschichte im Wesentlichen gemeinschaftliches Handeln. Die sozial-emotionale Bedeutung des Musizierens und Tanzens erklärt wahrscheinlich die Evolution der menschlichen Musikalität (Synchronisation der Gruppe; Cross, 2001; Cross & Morley, 2009). Auch individualisierter Musikkonsum hat jedenfalls indirekt an der sozial einbettenden Funktion der Musik Anteil (Huron, 2001). – Als Hinweis auf den sozialen Charakter von Musik – wie auch die Verbindung von Musik und Stimme bzw. Sprechen – kann man den Befund verstehen, dass das Hören angenehmer Instrumentalmusik unter anderem jenen Bereich des Gehirns aktiviert, der für die motorische Steuerung des Kehlkopfes zuständig ist (Rolandisches Operculum; Koelsch & Fritz, 2007): Innerlich scheint man in die Musik einzustimmen, die man passiv vernimmt. Die starke Erfahrungsabhängigkeit der neuroanatomischen Substrate der Musikwahrnehmung – wie des Hörens überhaupt – macht Musik (wie sprachliche Intonation) und die mit ihr verbundenen motorischen Aspekte zu einem Kristallisationspunkt lebensgeschichtlicher wie kulturspezifischer Prägung (Altenmüller, 2006).

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Wie grundlegende sozial-emotionale Konstellationen im Einzelnen in musikalischen Strukturen gegenwärtig sind, ist eine offene Frage. So kann man spekulieren, ob und wodurch sich beispielsweise in der Wirkung von Dur vs. Moll das Erleben von Vereinigung vs. Trennung (bzw. der Sehnsucht nach der Überwindung Letzterer) spiegelt (die Auffassung von Dur und Moll als fröhlich bzw. traurig stellt sich regelmäßig ein, wenn auch relativiert durch Tempo und Melodieführung; Cook, 2002). Lassen sich unterschiedliche Formen des Spannungsaufbaus – für Musikwissenschaftler ein zentraler Aspekt der Analyse von Kompositionen – als ‚Choreographien‘ des emotionsgeladenen menschlichen Miteinander verstehen? – Panksepp (1998) erklärt wohligen Schauer (Chills/Gänsehaut) beim Musikhören aus dem Frösteln (und damit einhergehenden Effekten auf den Endorphinhaushalt des Gehirns), das Menschen erfasst, wenn das, was sie hören (etwa ein Violincrescendo), Trennungsgefühle anklingen lässt. Indizien für die soziale Bedeutung musikalisch erzeugten Schauers sind in Panksepps Augen einerseits die Verwandtschaft chillender Musik mit (kindlichen) stimmlichen Klagelauten sowie die besondere Ansprechbarkeit von Frauen für diese Wirkung von Musik und andererseits die Tatsache, dass Musik, die kriegerische Heldentaten bzw. Aufopferung von Individuen für die Nation verherrlicht, die Hörer regelmäßig schauern lässt (vgl. Panksepp & Bernatzky, 2002). Andere Autoren haben belegt, dass musikalisch erzeugte Gänsehaut mit Erregung limbischer u Belohnungszentren einhergeht. Huron vermutet, die Haare stellten sich deshalb auf, weil etwas Unerwartetes geschehe – wie eine plötzliche Zunahme der Lautstärke oder Einsetzen neuer Stimmen/Instrumente, die den Frequenzbereich abrupt erweitern: Man erschrecke kurz, um dann festzustellen: „It’s just music“, weshalb man den Schauer genießen könne (Huron & Helmuth Margulis, 2010). Die Verbindung von Musik, Tanz und sozialer Abstimmung macht musikalische Improvisation zum vielversprechenden Ansatzpunkt, um reduzierte soziale Ansprechbarkeit, etwa bei Formen des Autismus (ASD, autism spectrum disorder), zu therapieren (Wigram & Elefant, 2009); exemplarisch macht das der Dokumentarfilm Im Garten der Klänge (Belluci, 2010) anschaulich. Lesen u Altenmüller, 2006; Bråten, 2007; Eibl-Eibesfeldt, 1995; Hesse, 2003; Malloch & Trevarthen, 2009; Miell, MacDonald & Hargreaves, 2005; Pfleiderer, 2006; Papousˇek, 2003; Spitzer, 2003

Lautsphären und Raumakustik Was man bei einem Spaziergang auf dem Land oder in einem Park hören kann, unterscheidet sich bekanntlich von den akustischen Angeboten einer Hauptverkehrsstraße, einer innerstädtischen Fußgängerzone oder eines verkehrsberuhigten Wohnviertels. Das jeweilige Gemisch von Geräuschen bzw. Lauten charakterisiert die Typen von

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Örtlichkeiten. Im Englischen bezeichnet man den hörbaren Charakter eine Szenerie als Soundscape. Eingedeutscht wird dieser durch die Arbeiten von Murray Schafer populär gewordene Begriff als Lautsphäre. Schafer unterscheidet unter anderem den Grundton einer Umgebung (was dauernd zu hören ist, einen Hindergrund bildet, wie bspw. Verkehrsgeräusche in der Stadt) von Signallauten (Aufmerksamkeit erregende Laute, wie bspw. Sirenen) und schließlich den Orientierungslaut (ein „Gemeindelaut, der einmalig ist“, wie die Glocke einer Dorfkirche; Schafer, 1988, S. 316). Im Alltag werden Lautsphären nur ausnahmsweise bewusst wahrgenommen. Aufmerksamkeit auf die auditive Umgebung schließt meist bereits eine positive oder negative Bewertung ein, ein besonderes Behagen oder Unbehagen. Blinde sind sich der auditiven Qualitäten der Umwelt ständig bewusst. Sehenden hilft diesbezüglich die Verfremdung des normalen Wahrnehmens: Radioreisereportagen oder (O-Ton-)Hörspiele, ein eigener Gang mit verbundenen Augen oder auch nur der Wille, sich zu vergegenwärtigen und eventuell auch zu notieren, was in verschiedenen Situationen zu hören ist (das Wahrnehmen der Umwelt wird dabei ansatzweise zum ästhetischen Erlebnis [u Kap. 10]). Stadtbewohnern fällt bei einem Spaziergang in ländlicher Umgebung die besondere auditive Qualität nicht nur deshalb auf, weil sie sich vom Gewohnten unterscheidet. Die Lautsphäre auf dem Land (oder in einem hinreichend großen Park) spricht sowohl hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit als auch wegen der konkreten Wahrnehmungsobjekte besonders an. 1. Wahrnehmbarkeit. Anders als auf einer verkehrsreichen Straße, wo das dominante, sich über einen weiten Frequenzbereich erstreckende (breitbandige) Geräusch der Motoren und Reifen andere Laute von nahen oder fernen Geräusch- und Klangquellen tendenziell verdeckt, bietet sich auf dem Land oder im Park in der Regel ein tief gestaffeltes, differenziertes Hörbild, in dem vielfältige Lautquellen und ihre Lokalisierung wahrnehmbar sind (abgesehen von Situationen, die etwa durch starken Wind oder tosende Wasserfälle geprägt sind). Wohnviertel in der Stadt oder gar am Stadtrand liegen hinsichtlich dieser abstrakten auditiven Qualität zwischen den Hörbildern von Hauptverkehrsstraße und Land bzw. Park. In einer belebten innerstädtischen Fußgängerzone leiden Differenzierbarkeit und Horizont der Hörwelt, ohne dass diese – wie es bei starkem Straßenverkehr der Fall ist – zu einem ‚Brei‘ würde. In Analogie zu der gängigen Bezeichnung der Wiedergabequalität von auditiven Medien spricht Schafer von Hifi- vs. Lofi-Lautsphären, wenn er sich auf Unterschiede in der Wahrnehmbarkeit bezieht. Die Wertschätzung, die man Umgebungen mit guter auditiver Wahrnehmbarkeit entgegenbringt, entspricht der Attraktion von Fernblick, klarer Beleuchtung und reichhaltiger, aber nicht verwirrender Strukturiertheit der sichtbaren Welt [u Kap. 7 und 10]. – Ein wichtiges Moment der abstrakten auditiven Wahrnehmungsqualität ist das Ausmaß, in dem man die selbst erzeugten Laute vernehmen kann: Geräusche der eigenen

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Schritte als Rückmeldung über die eigene Bewegungen und Hinweis auf die Qualität des Bodens bzw. Weges sowie Hören dessen, was man sagt. 2. Wahrnehmungsobjekte. Ländliche Lautsphären sind auch deshalb attraktiv, weil das, was in ihnen vernehmbar wird, auf lebenswichtige Ressourcen beziehungsweise auf ein lebendiges Milieu verweist: So sind beispielsweise im Plätschern, Blätterrauschen und Vogelgezwitscher Wasser, Vegetation sowie Fauna hörbar. Solche vitalen Angebote sind, wie bereits erwähnt [u Kap. 7], auch für die Augen attraktiv. Die Hörbarkeit des Elements Wasser spielt übrigens traditionell in der Umwelt- und Stadtgestaltung eine Rolle: Die Konstruktion von Brunnen ist etwa immer schon Design für Augen und Ohren gewesen. Heute bietet sich lautes Plätschern an, um Verkehrslärm zu übertönen (wie etwa am Münchener Stachus zur Abgrenzung des verkehrsreichen Platzes von einem Fußgängerbereich): So verbessert sich zwar nicht die Wahrnehmbarkeit der Situation, doch immerhin tritt ein aus biologischen Gründen attraktives Geräusch in den Vordergrund. Als sozusagen auf dem eigenen Mist gewachsene hörbare Attraktionen bieten innerstädtische Fußgängerbereiche wie auch Straßen in Wohnvierteln menschliche Stimmen sowie die Geräusche von Schritten und anderen körperlichen Aktivitäten. Auch wenn ein Übermaß bzw. eine zu große Nähe von hörbarem ‚Menscheln‘ bedrohlich werden kann, vermittelt es oft (wie die angesprochenen Naturgeräusche) Lebendigkeit und darüber hinaus anonyme soziale Geborgenheit. Natur- und Soziallaute variieren mit der Tages- und Jahreszeit sowie mit lokalen Besonderheiten der natürlichen Gegebenheiten, der materiellen Kultur oder Bauweise sowie der sozialen Organisation und Mentalität. Das führt zu zeitlich und örtlich charakteristischen auditiven Atmosphären, die von Medien in (stilisierter Form) benutzt werden können, um das Publikum in spezifische raum-zeitliche Situationen zu versetzen und ein bestimmtes Lebensgefühl zu vermitteln (im Filmerjargon steht Atmo für diese Funktion von Lautsphären). Raumakustik. In der Steppe, der Sandwüste oder einer Schneelandschaft hört man hauptsächlich den Schall, der direkt von der Quelle an die Ohren dringt (Primärschall). In einer städtischen Straße oder einem geschlossenen Raum folgen dem direkten Schall diverse Reflexionen von Wänden, Decke, Boden und Gegenständen – sofern das Material dieser Flächen nicht ausnahmsweise wie Sand oder Schnee den Schall weitgehend absorbiert (bspw. Schaumgummiprofile in schalltoten Räumen). Stimmen, Schritte oder andere Geräusche geben deshalb immer auch Anhaltspunkte dafür, ob bzw. in welchem Ausmaß Räume offen oder geschlossen, wie groß und aus welchen Materialien sie gebaut, ob sie leer oder möbliert sind. Blinde nutzen beispielsweise nach dem Prinzip eines Echolots Reflexionen des z. B. durch die eigenen Schritte, den Blindenstock oder auch ein Schnalzen mit der Zunge erzeugten Schalls für die Raumwahrnehmung

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(u Raumsinn der Blinden; den Sinn von Geräten, die Signale von Kameras analog zu den taktilen Displays der u TVSS in eine Art Geräuschrelief verwandeln, darf man, was die eigene Fortbewegung Blinder angeht, bezweifeln, mögen sie auch eine besonders hohe räumliche Auflösung bieten [Striem-Amit, Guendelman, Amedi & Serino, 2012], da sie nicht nur die geschilderte natürliche Echoortung, sondern auch das gleichzeitige Rundumhören der Umgebung beeinträchtigen). Raumakustik ist ein Moment von Lautsphären. Akustische Atmosphären (Atmos) können in den Medien deshalb Situationen nicht nur durch orts- und zeittypische Schallquellen, sondern auch die Struktur und Materialität von Räumen vermitteln. – Ein klassisches Thema der Raumakustik ist die Optimierung des Nachhalls in Vortrags- und vor allem Konzertsälen: Einerseits gilt es Echos (also Reflexionen mit zu großer Verzögerung) zu vermeiden, weil sie verwirren, andererseits darf die Nachhallzeit nicht zu kurz sein, weil Klänge sonst ersticken. In welchem Maß durch Materialwahl und Einbauten Schall (in engen oder weiten Frequenzbereichen) reflektiert oder absorbiert werden soll, ist auch Thema des Akustikdesigns (von Großraumbüros, Cafés etc.). Erhellend für das Thema Raumakustik ist es, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das auditive System des Primaten Mensch sich im Wesentlichen für die Erfordernisse eines Lebens unter freiem Himmel (an Orten mit mehr oder weniger dichter Vegetation) hin entwickelt hat (Blesser & Salter, 2009): Räume mit größerem Nachhall mussten auf unsere Vorfahren befremdlich und faszinierend wirken; Hall oder Echo in Höhlen haben sie wahrscheinlich animistisch, d. h. als Äußerung von geheimnisvollen Wesen, aufgefasst (dazu passt, dass akustische Archäologen festgestellt haben, dass die in Höhlenzeichnungen abgebildeten Tiere zu den jeweiligen akustischen Bedingungen passen: Raubkatzen bei Nachhall im Bereich höherer Frequenzen, größere Huftiere bei verstärktem Nachhall im niederfrequenten Bereich); auch in späterer sakraler Architektur ist auf die eine oder andere Weise auditiver Zauber eingebaut (der sich teils natürlich als Nebeneffekt beim Verwirklichen anderer Zwecke ergeben haben kann). Lesen u Schafer, 1988, 1993; Truax, 2001; Architektur: Blesser & Salter, 2009; Mador, 2008; Pallasmaa, 2005; Rasmussen, 1959, Kap. 10

Philosophie u „Das Wesen des Hörens“ Philosophen wie Immanuel Kant (1983) und philosophierende Psychologen oder Soziologen wie Helmuth Plessner (1980), Georg Simmel (1983), Erwin Straus (1956, 1960) oder Ludwig Binswanger (1955) haben weitgehend übereinstimmend das Wesen des Hörens (im Vergleich zum Sehen) durch die Attribute Passivität, Aktualität und Kollektivität charakterisiert. Anhaltspunkte reichen von 1. anatomischen Gegebenheiten (das Ohr hat kein Lid) über 2. vergleichende Psychologie von Blinden bzw. Tauben, 3. den Sprachgebrauch (stechender Blick vs. Hörigkeit), 4. das Gegenüberstellen von objektiven Qualitäten dessen, was man sieht (Bleibendes; in der Kunst: Bilder, Plastiken, Bauwerke) und hört (Vergängliches; in der Kunst: Musik), 5. Beobachtungen über die (individuelle,

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aktive vs. gleichgerichtete, passive) Ausrichtung der Aufmerksamkeit im Alltag und in Bildergalerien oder Konzerten bis zu 6. den unwillkürlichen motorischen Konsequenzen des Hörens gegenüber der ruhigen Distanz des Betrachtens. Angesichts dieser heute breit akzeptierten plakativen Gegenüberstellung von Hören und Sehen sollte man bedenken, dass die Verhältnisse auf den zweiten Blick nicht so eindeutig liegen: I) Wie zum Beispiel die Untersuchungen zum u Cocktailparty-Phänomen belegen, kann das Hören auswählen (selektive Wahrnehmung) – teils passiv (eigener Name), teils bewusst kontrollierbar (was sagt XY?) –, statt durchgängig passiv und gleichgeschaltet zu sein. II) Umgekehrt erregt Bewegung auch im Sehfeld automatisch (passiv) Aufmerksamkeit. III) Mimik, Gestik und Habitus rufen offene oder verdeckte Mitbewegung bei allen hervor, die auf sie aufmerksam werden [u Kap. 7]. IV) Bewegte Erscheinungen sind auch für das visuelle Wahrnehmen flüchtig (Film vs. ruhendes Bild). – Was als Wesen des Hörens bezeichnet wurde, scheint eher transmodal das Wahrnehmen von Bewegung zu charakterisieren. Vom Sehen unterscheidet sich das Hören nun tatsächlich dadurch, dass es immer mit Bewegung zu tun hat. (Zwischen verschiedenen Bewegungsinformationen bzw. Geräuschen wählt das Individuum willkürlich oder unwillkürlich nach Bedeutsamkeit aus. Dabei ist zu bedenken: Gleichbleibender Schall wird eher wie Ruhe aufgefasst bzw. ignoriert; plötzliche Stille dagegen erregt Aufmerksamkeit; so wie das Gleichgewichtsorgan nicht auf unveränderte Geschwindigkeit, sondern positive oder negative Beschleunigung anspricht [u Kap. 4]).

Lebensgefühl bei Taubheit „(…) so wie man viele Blinde sieht, welche gesprächig, gesellschaftlich und an der Tafel fröhlich sind, so wird man schwerlich einen der sein Gehör verloren hat, in Gesellschaft anders als verdrießlich, misstrauisch und unzufrieden antreffen.“ (Kant, 1983/1798, S. 78)

Wie sehr das Hören Zugehörigkeit und Lebendigkeit vermittelt, zeigen auch die Erfahrungen bei tatsächlicher oder auch nur experimenteller Blindheit oder Taubheit. Menschen, die ihren Hörsinn eingebüßt haben, schildern ein Gefühl des Ausgeschlossenseins: Als sie noch hören konnten, sei ihnen nicht bewusst gewesen, wie sehr das Empfinden von räumlicher Tiefe/Darinsein sowie das Gefühl von Teilhabe am Leben von der Hörbarkeit der Umwelt abhänge. In Kapitel 7 war davon die Rede, dass bewegte Erscheinungen tendenziell sogar gegen besseres Wissen als belebt und ausdruckshaltig wahrgenommen werden (Animismus, physiognomisches Wahrnehmen). Vergegenwärtigt man sich, dass Schall immer auf Bewegung zurückgeht, kann es nicht überraschen, wenn dem Hören ein kurzer Draht zu Lebendigkeit und Stimmung nachgesagt wird. Obwohl Blindheit den meisten gesunden Menschen, die den jeweiligen Weltbezug von Hören und Sehen nicht isoliert erfahren haben, als die schwerwiegendere Behinderung erscheint, und bei Blinden ja tatsächlich die freie Bewegung in der Umwelt

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stark eingeschränkt ist, während Taube selbständig agieren können, tendieren Betroffene, die sowohl Phasen von Blindheit als auch von Taubheit erlitten haben, dazu, das Blindsein dem Taubsein vorzuziehen. Tatsächlich bringen Schwerhörigkeit und der Verlust des Hörens regelmäßig Einsamkeit und Misstrauen mit sich, während blinde Menschen eine geradezu sprichwörtliche Gelassenheit und Freundlichkeit ausstrahlen. – Menschen, die taub geboren wurden oder früh das Gehör verloren, fehlt zwar ebenfalls das unwillkürliche umfassende Einbezogensein in das Geschehen ihrer Umgebung, ihr Lebensgefühl ist indessen nicht durch eine entsprechende Verlusterfahrung geprägt; das Bedürfnis nach einer Teilhabe am Leben der Umgebung ist bei ihnen von vornherein auf das gerichtet, was die anderen Sinne vermitteln. Der Schriftsteller David Wright, der im Alter von sieben Jahren das Gehör verlor, bestreitet die geläufige These, der Verlust eines Sinnes würde durch die verbleibenden kompensiert: “There are no compensations. Life is not like that.” (1990, S. 12) Bestenfalls ergäben sich Alternativen; in seinem sei das nicht zuletzt die besondere Aufgeschlossenheit für sichtbare Bewegung, die er regelrecht höre, selbst wenn sie – wie der Flug von Vögeln oder im Aquarium kreisende Fische – normalerweise, wie ihm durchaus bewusst sei, nicht hörbar sind. Stille ist für ihn gleichbedeutend mit der Abwesenheit von Bewegung (“Suppose it is a calm day, absolutely still, not a twig or a leaf stirring. To me it will seem quiet as a tomb […].” [S. 11]). Angesichts der eingeschränkten Möglichkeiten zur Kommunikation halte er sich so auch an Feinheiten der Ausdrucksbewegung seiner Mitmenschen, die Sehenden in der Regel wohl entgingen. Er werde geradezu zum Lauscher, dem nicht entgeht, was nicht dazu bestimmt ist, gehört zu werden (“[…] an eavesdropper listening to what he is not intended to hear.” [S. 112]). – Eine Form der Teilhabe, die nicht frei ist vom Beigeschmack der Isolation. Wrights Erfahrungen stützen übrigens Überlegungen des Kunstpsychologen und Filmtheoretikers Rudolf Arnheim, wonach der Stummfilm als Schule des Bewegungssehens und Ausdrucksverstehens dienen kann.

Wer versuchsweise auf das Sehen verzichtet, erfährt in der Regel eine besondere Verbundenheit mit anderen Menschen, auf deren Hilfe und Führung er angewiesen ist. Über die Lautsphären, auf die man bei solchen Experimenten besonders aufmerkt, fühlt man sich zugleich in das Leben der Umgebung eingebettet (Naturlaute, Stimmen, Aktivitäten). Experimentelle Taubheit vermittelt umgekehrt die Isolation, unter der Taubgewordene leiden, wenngleich der Befremdung (wegen des Unernstes der Situation) natürlich auch ein spielerischer Reiz abgewonnen werden kann und man eventuell sogar froh ist, einmal – in sonst auditiv eher belästigenden Situationen – seine Ruhe zu haben. Schwerhörigkeit bringt Missverständnisse, Peinlichkeiten und unfreiwillige Komik mit sich. Fast jeder kann entsprechende Anekdoten aus seinem privaten Umfeld beisteuern. „Deafness is a banana skin“, stellt David Wright (1990, S. 5) fest und denkt dabei nicht zuletzt an die Schwerhörigen (“The partially deaf, it seems to me, have the worst of both worlds”, 1990, S. 6f.). Der Romanautor David Lodge, der schon in frühe-

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ren Werken gelegentlich die sozialen Schieflagen des (selbsterlittenen) Schwerhörigwerdens aufscheinen ließ, entfaltet in Deaf Sentence (2009; dt. Wie bitte?, 2010) auf dieser Bananenschale eine amüsante Choreographie, die bei aller Situationskomik den Stachel der Vereinsamung spürbar macht. Eine wichtige Nebenrolle hat in diesem Roman – wie in den alltäglichen Anekdoten – das Hörgerät, das Schwerhörige nicht nur mit diversen Tücken (funktionalen Schwächen, Abhängigkeit von der Stromversorgung, Verlegen) peinigt. Es ist das äußere Zeichen ihrer sozialen Ausgrenzung; diese Stigmatisierung wird vielleicht durch die zunehmende Verbreitung von Headsets zum mobilen Telefonieren und Ohrstöpseln für das Musikhören unterwegs gemildert. – Wer noch daran zweifelt, dass Schwerhörigkeit schwermütig macht, muss nur einen Blick auf die Werbung für Hörgeräte werfen: „Mama, flirtest du schon wieder? – Mit Siemens Hörsystemen. Lachen, leben, alles können. Das Leben mit allen Sinnen genießen. Wir von Siemens verstehen, dass Ihnen genau das wichtig ist. Hörsysteme fürs Leben – klein, charmant und passend zu jedem Typ. Welches dieser Hörsysteme gehört zu Ihnen? Am besten, Sie finden es gleich selbst heraus. www.leben-und-hoeren.de oder Telefon … Answers for life. SIEMENS“ (Inserat, Die ZEIT, 51, 2008)

Stille ist für Hörende mehrdeutig, da sowohl verbunden mit Momenten, in denen Mensch und Natur zur Ruhe kommen, als auch mit spannungsgeladenen Augenblicken, wie der sprichwörtlichen „Ruhe vor dem Sturm“, dem Lauschen auf Geräusche eines womöglich lauernden Angreifers oder in Situationen, in denen etwa Kommunikation quälend gehemmt ist; schließlich steht (anhaltende) Stille für Tod (im Film häufig angekündigt oder begleitet von Zeitlupensequenzen, die Absterben visualisieren; Flückiger, 2007). Lesen u Handl, 1989; Sacks, 1990; Southworth, 1969; Wright, 1990

Experiment u Versuchsweise blind oder taub (II) Southworth (1969) führte in Boston ein Experiment durch, das nicht nur auf Erfahrungsgewinn der Teilnehmer zielte. Es ging vielmehr um die systematische Aufzeichnung von Differenzen der Umweltwahrnehmung unter den Bedingungen experimenteller Blindheit und Taubheit sowie uneingeschränkter Wahrnehmung. Die Versuchspersonen hatten die Aufgabe, beim Gang auf einer festgelegten Route durch unterschiedliche Gebiete der Stadt ihr Wahrnehmen der Umwelt direkt auf Tonband festzuhalten. (Die Versuchspersonen, die nicht sehen konnten, wurden bei diesem Experiment auf einem Rollstuhl gefahren.) Die Ergebnisse bestätigen, die im Text grob umrissenen Differenzen. Bei künstlicher Taubheit wurden verstärkt bewegte visuelle Erscheinungen vermerkt und zugleich als absurd oder surreal erlebt. Unter der Normalbedingung wurden hauptsächlich Erscheinungen registriert, die man zugleich sehen und hören konnte. Gerüche, Temperatur und Wind wurden unter der Normalbedingung am seltensten bemerkt (am häufigsten, wenn man nicht sehen konnte).

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Lärm macht krank, dumm und asozial – und unter Umständen glücklich „Selbst beim Anhören von Musik kann […] die blosse Lust am Lärm eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.“ „[…] beim selbsterzeugten Lärm [tritt] die Freude am Ursachesein stark hervor und bewirkt es, dass uns auch das Unangenehme mit Lust erfüllt, wenn wir es nur selbst hervorbringen […].“ (Groos, 1899, S. 27 u. S. 53)

Jeder weiß, was Lärm ist. Gleichwohl fällt es nicht leicht, Lärm zu definieren. Die gängige Formel Lärm ist störender Schall einer gewissen Lautstärke kennzeichnet sicher typische Lärmsituationen (Einflugschneise, Nachbarschaft einer Diskothek). Verkehrsgeräusche machen aber nachweislich auch Menschen krank, die sich von ihnen nicht gestört fühlen. Und regelmäßige Disco-Besucher erleiden Gehörschäden, auch wenn die laute Musik sie immer wieder glücklich macht. Lärmtaubheit. Ab einer bestimmten Lautstärke nehmen die Sinneshärchen im Innenohr dauerhaft Schaden. Neben der Arbeit an Maschinen ist Musikkonsum (Disco, Autostereoanlagen, Kopfhörer etc.) häufig die Ursache von verminderter Hörfähigkeit und Ohrensausen (Tinnitus). Warum setzt man sich wiederholt aus freien Stücken Musik extremer Lautstärke aus? – Deshalb, weil laute Musik Glücksgefühle wecken kann. Einen Rausch durch intensive Reize, wie er auch in anderen Sinnesgebieten vorkommt; auf neurologischer Ebene: eine außergewöhnliche Stimulation des Arousal-Systems im Hirnstamm (hier verbunden mit ‚good vibrations‘ durch vertraute Klänge). Zur berauschenden Wirkung lauter Musik (Schwebegefühlen) trägt womöglich bei, dass ab einem gewissen Schalldruck – der sogenannten Rock’n’RollSchwelle – auch das Gleichgewichtsorgan angesprochen wird (McAngus-Todd & Cody, 2000); das Potential zur Schwebedroge dürfte – neben den vermittelten Kraftgefühlen (u Stimmen der Dinge) – auch zum Reiz beitragen, der von extrem leistungsfähigen Autostereoanlagen (nicht selten zusammen mit selbsterzeugtem Lärm auffrisierter Motoren) ausgeht. Lärmstress. Das Herz-Kreislauf-System ist bei Anwohnern von verkehrsreichen Straßen nachweislich einem erhöhten Risiko ausgesetzt, unabhängig davon, ob sie sich durch die Verkehrsgeräusche gestört fühlen oder nicht. Man erklärt das aus andauernder Anspannung (körperlicher Handlungsbereitschaft), die wohl mit der ererbten Warnfunktion des Hörens zusammenhängt (vielleicht rührt die Daueranspannung nicht von den Verkehrsgeräuschen selbst, sondern von der durch sie verringerten Wahrnehmbarkeit von potentiellen Warnreizen).

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Lärm – vor und während des Schlafes – bringt auch (Ein-)Schlafstörungen oder Minderungen der Schlafqualität mit sich. Zum Aufwachen führen besonders Reize, die sich in Intensität und Qualität aus dem vertrauten Geräuschteppich herausheben. Unter beeinträchtigtem Schlaf leidet die körperliche und psychische Konstitution einschließlich der geistigen Leistungsfähigkeit. Verkehrslärm mindert die Verstehbarkeit von Sprache. Das macht Gespräche anstrengend, schränkt also die Kommunikation ein. Bei Schulkindern, deren Klassenräume an lauten Straßen liegen, ist die Sprachentwicklung verzögert. Zu den kognitiven Beeinträchtigungen durch laute Geräusche zählt auch Ablenkung vom konzentrierten Denken bzw. inneren Sprechen. Lärm ist freundlichem Miteinander abträglich (sieht man einmal von geteilter Ekstase im Rausch lauter Musik ab). Diese experimentell untermauerte Alltagserfahrung erklärt sich unschwer aus der gereizten Stimmung in Folge dauernder Alarmiertheit; die Verschlechterung der Kommunikationsbedingungen wird zum Rückzug beitragen (die Stimme zu erheben, wirkt zudem eher unfreundlich). Sozialer Lärm. Auch relativ leise Reize können stören: Gespräche Dritter, insbesondere Telefongespräche, oder auch Signallaute, wie zum Beispiel das Telefonklingeln. Wegen der prinzipiellen sozialen Bedeutung des Sprechens kommt man regelmäßig nicht umhin, unwillkürlich auf Kommunikationsakte aufzumerken, die einen nicht angehen. Die soziale Funktion von Sprechen und Hören verkehrt sich hier unter den Bedingungen des heutigen Zusammenlebens in das Ärgernis der Ablenkung. Dass sich mancher durch fremde Musik nicht erst bei extremen Lautstärkepegeln gestört fühlt, dürfte sich hier einordnen, lässt sich Musik doch als Verselbständigung u stimmlicher Kommunikation verstehen. – Bei einem Spaziergang können indessen die nämlichen fremden Soziallaute, die an der Arbeitsstelle oder in der eigenen Wohnung ein Ärgernis sind, zur lebendigen Atmosphäre werden. Ob man sich durch sozialen Lärm gestört fühlt, hängt von der momentanen Betätigung ab und auch davon, ob man darauf eingestellt ist, ein Territorium zu verteidigen. Sofern das der Fall ist, werden die hörbaren Lebensäußerungen von anderen tendenziell zu einer Machtfrage. Umgekehrt gilt: Mancher auch am Schalldruckpegel objektivierbare Lärm entsteht tatsächlich, weil jemand Stärke demonstrieren will. Auch deshalb kann Lärm berauschen. – Oft bedenken die Lärmerzeuger indessen gar nicht, dass auch andere die für sie selbstverständlichen Begleitgeräusche ihres Tuns oder die nach momentaner Stimmung gewählte mediale Beschallung mithören müssen – und dass das unfreiwillige Mithören für andere einen Kontrollverlust bedeutet. Lärmbekämpfung. Regelmäßige, wenig markante und uninformative Geräusche stören weniger als unregelmäßige und in Zeitverlauf, Intensität, Zusammensetzung und/oder bekannter Bedeutung herausstechende. So kann Rauschen (z. B. von Klima-

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anlagen) eingesetzt werden, um störenden Schall zu maskieren; bei Maskierung durch Plätschern oder Brandungsrauschen kommt die positive Bewertung der Schallquelle hinzu. Wenn Lärmopfer sich entscheiden, die Fenster geschlossen zu halten, dämmende Ohrstöpsel bzw. -hauben zu tragen oder Kopfhörer, die durch Phasenverschiebung einen Teil der Geräusche neutralisieren, erkaufen sie Beruhigung durch potentielle Minderung des körperlichen Wohlbefindens (Fremdkörper, stickige Luft), eine Verfremdung der gewohnten Wahrnehmungssituation, die ihrerseits eventuell die Aufmerksamkeit auf lästige Weise in Anspruch nimmt, und schließlich durch Einschränkungen ihrer (territorialen) Handlungsfreiheit. Gegenschall aus der eigenen Stereoanlage mag den Einzelnen vor fremdem Lärm schützen, multipliziert zugleich aber die Lärmbelästigung für andere und birgt die Gefahr, für die eigenen Ohren zu viel des Guten zu tun. Potentielle Gehörsschädigungen drohen auch, wenn Musik aus Kopfhören vor fremdem Lärm schützen soll. – Mündliche und schriftliche Proteste, Klagen etc. können vorübergehend Gefühlen der Ohnmacht entgegenwirken, verursachen aber ihrerseits Stress bei zweifelhaften Erfolgsaussichten. – Entspannungstechniken oder körperliche Betätigung wirken zumindest den psychophysischen Stresswirkungen entgegen und erleichtern das Einschlafen. Zur Entspannung könnte auch eine akzeptierende Einstellung gegenüber sozialem Lärm beitragen; für die meisten eine eher theoretische Perspektive. Auch Ortswechsel für die Dauer der Belastung liegt aus verschiedenen Gründen meist jenseits des Horizonts oder der Möglichkeiten der Betroffenen. Lesen u Gabrielsson, 2010; Groos, 1899; Guski, 1987; Hellbrück & Fischer, 1999; Hellbrück & Guski, 2005

Hör-Medien Abgesehen von Hörgeräten im engeren Sinn nutzt man auditive Medien, um Laute getrennt von Ort und/oder Zeit ihrer Produktion zu vernehmen. Murray Schafer etikettierte diese Trennung als Schizophonie. Sein Wortspiel in kulturkritischer Absicht erscheint mir etwas unglücklich, weil die angedeutete drastische Pathologisierung des Gebrauchs von Telefon, Radio etc., der für die meisten Menschen selbstverständlich ist, eher Achselzucken oder Abwehr hervorruft als Interesse daran, die jeweiligen Wahrnehmungssituationen zu verstehen. Indem das Telefon aktuelle Verbindungen zwischen Ohr und Stimme von Menschen knüpft, die sich an verschiedenen Orten aufhalten, isoliert es die Intimität des stimmlichen Austausches von körperlicher Präsenz. Die Verbindung von Unmittelbarkeit bzw. Nähe und Distanz führt zu eigentümlichen Gesprächsformen wie beispielsweise ausgedehnten Beendigungsritualen bei Telefonaten, die nicht nur einem knap-

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pen Informationsaustausch dienen. Einerseits kommt die Möglichkeit, sich bei körperlicher Abwesenheit unmittelbar stimmlich auszutauschen, dem Bedürfnis nach, vertrauten Menschen über trennende Lebensbedingungen hinweg verbunden zu sein; insofern schreibt das Telefon ein Kapitel in der Psychologie der Sehnsucht. Andererseits erlaubt (oder erfordert) diese Konstellation ein hohes Maß an Verbindlichkeit bei gleichzeitiger Reserve, fügt sich also mit der Individualisierung des modernen Stadtbewohners. – Bemerkenswert ist, dass sich die – technisch schon lange mögliche – Bildtelefonie bis heute nicht durchgesetzt hat. Audio-Kommunikation kommt offenbar gut ohne visuelle Ergänzung aus. Im Übrigen bietet fehlende Anschauung manchmal sogar gewisse Vorteile. – Eine psychologisch eigentümliche Situation entsteht auch am Ort der jeweiligen körperlichen Präsenz, sofern dort andere anwesend sind. So werden Unbeteiligte durch ein Gespräch, bei dem beide Partner anwesend sind, in der Regel weniger abgelenkt als durch ein Telefonat: Die auditive Leerstelle erregt unwillkürlich Aufmerksamkeit. Schallkonserven machen das Leben von Lautsphären, Stimmen und nicht zuletzt Musik beliebig verfügbar. Das ermöglicht es, individuell (Abspielen der eigenen Sammlung zuhause oder unterwegs), massenmedial (Radio), raumgestalterisch (Hintergrundmusik – sog. Muzak – in Warenhaus, Gastronomie, Arbeitsstätten, Arztpraxen etc.) oder für festliche Situationen (Disco, Rummelplatz etc.) Stimmungen zu regulieren bzw. entsprechende Angebote zu machen. Das Abspielen von Tonaufzeichnungen zielt auf die ‚good vibrations‘ von Natur-, Soziallauten und insbesondere von Musik. Weiter erlaubt es der so erzeugte Schall, störende akustische Gegebenheiten vor Ort zu verdecken – oder ausnahmsweise umgekehrt, erwünschte zu provozieren, etwa in Kneipen durch Musik lautstarkes Sprechen zu erzwingen und damit eine lebendige Atmosphäre zu erzeugen. Die verbreitete Praxis, durch die eine oder andere Verwendung von Schallkonserven private Blasen oder öffentliche Teppiche von positiv stimmenden Geräuschen oder Klängen zu erzeugen, wird von Schafer und anderen Kulturkritikern als Verfälschung bzw. Nivellierung von Lautsphären bzw. individuelle Realitätsflucht (Eskapismus) oder auch als Infantilismus (Regression) kritisiert. Radio. Radio liefert neben Konserven (Musik, Hörspiele, Lesungen etc.) aktuelle Mitteilungen. Es kommt damit nicht nur dem Bedürfnis nach Einstimmung entgegen, sondern auch dem nach informierender Kommunikation. Die Aktualität verstärkt das Gefühl, angesprochen zu werden, sozial eingebettet zu sein. Das Radio holt gewissermaßen das Palaver auf dem Dorfplatz in die Wohnung. Das färbt selbst auf die gesendeten Musikkonserven ab: Musik, die man im Radio hört, ist eher ein soziales Ereignis als das Abspielen von Stücken der eigenen Sammlung, das mit dem Anflug des Bewusstseins, eine Ersatzhandlung zu begehen, verbunden sein kann. – Seit der Frühzeit des Radios

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existiert das Ideal interaktiver Radiokommunikation, das dank Telefon (und neuerdings dem Internet) in bescheidenem Umfang und mit einer wohl unvermeidlichen kommunikativen Schieflage zwischen sprechenden Hörern und professionellen Sprechern realisiert wird. Radio wird vielfach beiläufig gehört: Die soziale Atmosphäre ist wichtiger als die einzelne Mitteilung. Das Fernsehen ist wie das Radio teils ein aktuelles Medium. Insofern überschneiden sich trotz der unterschiedlichen Wahrnehmungssituationen die psychologischen Wirkungen beider Medien. Tatsächlich wird das Fernsehen ja ungeachtet seiner Herausforderung zum Hinschauen beiläufig genutzt. Wiederholte Sendung von bereits bekannten Nachrichten (womöglich in kurzem Takt), aber auch schon die stündliche oder tägliche Wiederkehr des festgefügten Rahmens und der Formeln solcher Sendungen schenken nicht nur Gefühle von Ordnung und Sicherheit. Die Stereotypie solcher Angebote geht über jene von Ritualisierungen, die ja auch im direkten sozialen Austausch gegeben sind, deutlich hinaus. Bei Hörern und Sehern klingt damit gelegentlich ein Empfinden von Unwirklichkeit an. Dieser den Aktualitätsmedien Radio und TV grundsätzlich anhaftenden Tendenz zum Déjà-entendu beziehungsweise Déjà-vu hat der Film Und täglich grüßt das Murmeltier ein Denkmal gesetzt. – Vielleicht trägt der irreale Eindruck dazu bei, dass man die Inhalte von Nachrichtensendungen, wie gut belegt ist, schon kurz nach dem Empfang nicht mehr erinnern kann.

Film. Stummfilme wurden in der Regel musikalisch begleitet. Sichtbare, aber geräuschlose Bewegung von Fahrzeugen (in nicht allzu großer Entfernung) sowie stumme Unterhaltungen und Aktionen der Protagonisten befremden: Wenn wir entsprechende Szenen im wirklichen Leben vor Augen haben, hören wir sie zugleich, was umgekehrt nicht der Fall sein muss. Um sich die Absurdität stummer Aktionen zu vergegenwärtigen, muss man nur am Fernsehgerät den Ton abstellen. Experimente zeigen, dass das, was wir sehen, von der Tonspur abhängen kann [u Kap. 9]. Die Musikbegleitung hat das Problem absurd stillen Geschehens überspielt und darüber hinaus zur Dramatisierung des Geschehens beigetragen. Dabei wurden musikalische Illustrationen von Geräuschen bzw. Bewegung entwickelt oder aus der Programmmusik des 19. Jahrhunderts aufgegriffen. Auch im Tonfilm ist musikalische Beschreibung von Geräuschen und Bewegungsabläufen nie ganz verschwunden. Die dramaturgische bzw. expressive Bedeutung der Filmmusik gewann indessen an Spielraum, sobald sie nicht länger dem Fehlen von Geräuschen und gesprochener Sprache entgegenarbeiten musste. Gewisse Plumpheiten des musikalischen Ausdrucks wurden überflüssig, so wie sich zugleich Übertreibungen in Mimik und Gebaren von Schauspielern verloren. Im Tonfilm vermitteln originale oder stilisierte Umgebungsgeräusche (Atmo) räumliche Tiefe, lokales und historisches Kolorit sowie Stimmungen. Die Musik trägt das ihre dazu bei. Zu weiteren Funktionen der Filmmusik zählen: die Präsentation zu rahmen, die Handlung einzuteilen, Entwicklungen vorwegzunehmen, die emotionale Bedeutung von Geschehnissen zu vermitteln bzw. nachklingen zu lassen, Personen leitmoti-

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visch zu begleiten und ihre momentanen Gefühle auszudrücken. Dabei bleibt die Musik in der Regel im Hintergrund einer realistischen Darstellung, obwohl sie meist eine unrealistische Zutat zur Filmhandlung ist; nur ausnahmsweise beschränkt sich ein Spielfilm auf Musik, die in die Handlung eingebettet ist (Akteur legt Platte auf etc.). Die meisten Spielfilme für ein größeres Publikum hier und heute sind also eine Art Musiktheater, ohne dass die Musik dabei wie in Oper, Operette, Musical oder Bollywood-Filmen zeitweise zum Mittelpunkt würde. Computerspiele. Computerspiele, die sich vor allem mit der Stereotypie ihrer Handlungs- und Erfolgsrückmeldungen (Loops, Action-Sounds) in Erinnerung gebracht haben, sollen nach Absicht ihrer Gestalter stärker an den Tonfilm anknüpfen; das fällt indessen wegen der relativ kurzatmigen Dramaturgie der Spielhandlung nicht leicht – nicht zuletzt hinsichtlich der Verwendung von Musik. Videoclip. Jenseits des klassischen Spielfilms gibt es eine längere Tradition der experimentellen filmischen Interpretation von Musikstücken (durch abstrakte Animationen, die auf u synästhetische Erlebnisse anspielen [u Kap. 9]). Mit dem Videoclip wurde die Bebilderung von Musik zu einer kommerziell erfolgreichen Gattung. Auf vielfältige Weise sichern hier visuelle Attraktionen den Popsongs zusätzliche Aufmerksamkeit. In formaler Hinsicht setzt man nicht zuletzt auf schnelle, rhythmisierte Schnitte, die Salven von u Orientierungsreaktionen auslösen. Inhaltlich werden einprägsame Bilder aller Art (u. a. diverse Kinogenres) herbeizitiert und die Sängerinnen und Sänger eindrucksvoll – oft durch sexuell verlockende Choreographien und Kameraeinstellungen – ins Bild gesetzt. Dabei sichert die kokette Präsentation in kurzen Häppchen zusätzlich Aufmerksamkeit (Voyeurismus unter erschwerten Bedingungen). Kopfhörer. In der Geschichte der Hörmedien wurden Kopfhörer privat zunächst mangels hinreichender Verstärkung zum Radioempfang genutzt, später, um in den eigenen vier Wänden intensiv, ungestört – und andere nicht störend – Musik zu hören. Mit dem Walkman und seinen Nachfolgern wurde und wird der intime intensive Musikkonsum in die Öffentlichkeit getragen und mit dem Gehen und anderen Formen der Fortbewegung verknüpft. Für Außenstehende sind Menschen, die in der Öffentlichkeit Kopfhörer tragen, tendenziell ein Stein des Anstoßes, weil die künstlichen Lider die biologisch vorgegebene auditive Offenheit/Ansprechbarkeit negieren. Wer selbst mit Kopfhörern unterwegs ist, dessen Wahrnehmung der Umgebung (auf die er dabei ja anders als auf dem eigenen Sofa aufmerken muss) erfährt durch die weitgehende Trennung von visuellem und auditivem Bezugssystem eine Verfremdung, die vielfach als Ästhetisierung („wie im Film“) erlebt wird. Da die akustische Information aus dem Umraum erheblich eingeschränkt ist, sind aber auch Schreckmomente, etwa angesichts von hinten kommender Fahrzeuge, keine Seltenheit. Weiter ist das gewohnte Zusammenspiel von Hören

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und Bewegung unterbrochen: Bewegungen des Kopfes führen nicht wie sonst zur veränderten relativen Lage von Schallquellen, der Raum wandert mit, dreht sich mit dem Kopf (die Schallquelle wird mit Kopfhörern auch bei Ruhe im Kopf lokalisiert, sofern die Aufnahmen nicht mit der Kunstkopftechnik erstellt oder entsprechend aufbereitet wurden). Diese sensomotorische Entkoppelung irritiert potentiell ungeachtet des Umstandes, dass wegen der weitgehend ausgeblendeten Umgebungsgeräusche die Orientierung sich nun auf das Sehen konzentriert. Diese Irritation kann die Situation aber auch zusätzlich interessant machen. Durch Techniken, die die Bewegung aufzeichnen (tracking), und Computerprogramme, die das, was aus den Kopfhörern schallt, entsprechend ausrichten, kann heute im Prinzip die eigene Bewegung im akustischen Raum, den die Kopfhörer vermitteln, berücksichtigt werden. Auf diese Weise sollen etwa Systeme der virtuellen Realität (VR) vervollständigt werden (in der Frühzeit der visuellen 3D-Simulationen tauchte man in befremdlich stumme Szenerien ein). Lesen u Allg.: Schafer, 1988, 1993; Truax, 2001; Telefon: Forschungsgruppe Telefonkommunikation, 1989, 1990; Rutter, 1987; Schönhammer, 2004c; Radio: Arnheim, 2001; Musik und Medien: Blaukopf, 1994; Münch & Eibach, 2005; Film: de la MotteHaber & Emons, 1980; Flückiger, 2007; Computerspiele: Raffaseder, 2002; Süß, 2006; Nitsche, 2008; Musikvideo: Behne, 1987; Emons, 2005; Schlemmer-James, 2006; Kopfhörer: Blesser & Salter, 2009; Gibson, 1973; Schönhammer, 1989

Wahrnehmungsqualitäten u Kopf-Hörer als mobile Kunstköpfe In Erwartung zunehmender Verbreitung von Kunstkopfaufnahmen, die es erlauben, mit Kopfhörern die Schallquellen in der Umgebung statt im Kopf zu lokalisieren, schrieb Berry Truax: “One awaits a marriage of kunstkopf and Walkman to overlay one environment with another and give the lie to the old adage that you can't be two places at once!” (2001, S. 152) Die Heirat, an die Truax dachte, meinte professionelle Aufnahmen einerseits und den mobilen Konsum mit Kopfhörern andererseits; das Ergebnis sei dann jene zauberhafte oder unheimliche Überlagerung des Raumes, in dem man sich aufhält, mit dem Raum, aus dem die Aufnahme stammt. – Ein Patent des Walkman-Erfinders Andreas Pavel zielt auf eine radikalere Vereinigung von Kopfhören und Kunstkopftechnik: Warum sollten all die Menschen, die mit Kopfhörern unterwegs sind – so die Idee –, das, was in der Umgebung, in der sie sich gerade befinden, zu hören ist, nicht anderen in Kunstkopfqualität über ihr Mobiltelefon übermitteln? Dazu müssten nur die Kopfhörer durch Mikrophone ergänzt und die Aufnahmen stereophon gesendet werden. – Wegen der potentiellen Bewegungsinduktion (auditive Kinästhesie/Vektion) sollte man die resultierende räumliche Versetzung/Bilokation indessen wohl am besten mit geschlossenen Augen und in entspannter Sitzposition oder Lage genießen.

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Stimmen der Dinge – Akustisches Produktdesign Von einem gesunden kraftvollen Tier erwartet man kein Fiepen. Einem laut brüllenden Verbrennungsmotor traut man fälschlicherweise größere Beschleunigungskräfte zu als dem leise surrenden Elektromotor. Dem menschlichen Ohr gelten Betriebsgeräusche als Ausdruck des Lebens bzw. der Kraft von Geräten (die sich – insbesondere im Fall von Fahrzeugen – offenbar auch auf die Steuernden überträgt). Akustisches Produktdesign lebt mit dem Konflikt zwischen Lärmschutz und solchen animistischen Erwartungen. Dass manche Luxusfahrzeuge es Insassen heute gestatten, elektronisch zu regeln, was sie von den Motorgeräuschen ihres Gefährts mitbekommmen wollen, ist eine Lösung dieses Konfliktes, die auf ihre Weise unterstreicht, dass Lärm auch eine soziale Frage ist. Bekanntlich haben die Lebenszeichen von Geräten durchaus eine praktische Seite. Sie sind manchmal hilfreich, weil sie erkennen lassen, ob die Apparate – ungestört – laufen. Bei elektronischen Geräten signalisieren ersatzweise künstlich entworfene Klänge oder Geräusche das Ein- und Ausschalten oder bestimmte Aktionen. Was Akustikdesigner dafür entwerfen, soll auf die eine oder andere Weise sprechend sein (die Begriffe, die darüber orientieren, was da möglich ist, sind das nicht immer: Auditory Icons als Bezeichnung für den Versuch, Alltagsgeräusche metaphorisch einzusetzen, Earcons als Etikett für neue komponierte Signale und semiabstrakte Klangobjekte für die Verbindung von beidem; Raffaseder, 2002). Computern und anderen Geräten eine möglichst vielsagende ‚Tonspur‘ zu verleihen, soll darüber hinaus den intuitiven Gebrauch – orientiert an Wahrnehmungs- und Handlungsgewohnheiten – unterstützen. So schlägt Raffaseder etwa vor, die Größe einer Datei durch Tonhöhe (tief = groß), ihr Alter durch ein nahes oder entferntes Rascheln zu signalisieren. Solches Design ist gut gemeint, scheint aber die Frage aus dem Auge zu verlieren, ob für derartige Informationen womöglich die Präzision von geschriebenen Zahlen und Worten nicht nur hinreichend, sondern sogar überlegen ist. Plakativ multisensuelles Schnittstellendesign als vorgebliches Mittel zur Optimierung der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine bildet oft ein Störpotential. Schon die heutigen Signale von Computern etwa tönen so markant, dass oft nicht nur die Nutzer selbst (meist unnötig) aufmerken. Die Stereotypie dieser Klänge sorgt bei aller Unruhe für eine dumpfe Atmosphäre. Ähnlich wie für das u Olfaktorik-Design gilt auch im Feld der akustischen Gestaltung, dass Bemühungen, unnötige Reize zu vermeiden, Vorrang haben sollten. Hörbare Warnsignale sind unter Umständen unverzichtbar – wenn sie das tatsächlich sind. Schon früh wurde erkannt, dass der ruhige Lauf von Fahrrädern eine Gefahr darstellt und für Schreckmomente sorgt. Eine „Laufglocke“, sprich eine an die Drehung der Räder gekoppelte Klingel, sollte für Aufmerksamkeit sorgen. Gelöst ist das Problem bis heute nicht. Im Hinblick

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auf Elektroautos ist das Fehlen warnender Fahrgeräusche neuerlich virulent geworden und beschäftigt nun die Designer der Autoindustrie. Die Ruftöne von Mobiltelefonen stören; unter anderem deshalb, weil andere glauben können, ihr eigener Apparat klingle. Individualisierte Klänge schränken diese spezielle Irritation ein (und geben nebenbei öffentlich Auskunft über die Besitzer), nicht jedoch die grundsätzliche Störung durch das Signal. Dem sollte der Vibrationsalarm beikommen. Entgegen der Absicht der Erfinder fungiert er indessen meist als akustisches Signal, auf das wiederum auch Unbeteiligte gerade wegen der geringen Lautstärke aufmerken: Es könnte ja das eigene Telefon in der Manteltasche sein, das da schnurrt.

Lesen u Bernsen, 1999; Langenmaier, 1993; Raffaseder, 2002; Langguth, 2002; Schifferstein & Hekkert, 2008, Kap. 3; Schoon & Volmar, 2012; Spehr, 2009

Auditive Vorstellungen, Halluzinationen, Träume und Synästhesien „Inneres Hören“ wird beispielsweise bewusst, wenn einem eine Melodie „nicht mehr aus dem Kopf geht“, sich als Ohrwurm festsetzt. Die meisten Menschen sprechen beim Lesen innerlich. Denken vollzieht sich unter anderem als inneres Sprechen bzw. Hören. Musikhören kommt nicht ohne zumindest implizites Vorstellen von verklungenen und erwarteten Tönen aus. Musiker müssen sich die Töne, die sie treffen wollen, vorstellen können. Obwohl auditive Vorstellungen also von großer Bedeutung sind, hat die Psychologie ihnen vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt: Die enorme Forschungsliteratur zum Thema Vorstellung (Imagery) dreht sich hauptsächlich um das innere Sehen. Das mag auch mit einer gewissen Asymmetrie in der Wirkung von Hören und Sehen auf das Vorstellen im jeweils anderen Sinnesgebiet zusammenhängen: Gehörtes kommt, wie im Abschnitt zu den Hörmedien angesprochen, ohne gleichzeitige Sichtbarkeit aus, wird unwillkürlich und unproblematisch durch mehr oder weniger deutliche visuelle Vorstellungen ergänzt (Hörspiele, Telefon etc.). Lautloses visuelles Geschehen dagegen befremdet (Stummfilm). Wenn man bedenkt, dass Hören im natürlichen Wahrnehmen oft dem Hinschauen vorhergeht, ein sichtbares Ereignis vorstellig macht, während Anblick und Hören (dann) in der Regel eine Einheit bilden, ist diese Differenz nicht verwunderlich. (Wie sehr das Vorstellen dem Visuellen zugeschlagen wird, zeigt sich auch daran, dass manche Autoren irreführend von „auditiven Vorstellungen“ sprechen, wenn sie sich auf die visuellen Vorstellungen beziehen, die Gehörtes mit sich bringt.) Ähnlich wie visuelles Vorstellen auf einer innerlich ausgelösten Aktivierung von Teilen des Sehhirns basiert [u Kap. 7], sind nach dem Zeugnis neurowissenschaftlicher Messverfahren am auditiven Vorstellen Bereiche des Gehirns beteiligt, die auch das

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Teil III: Die „höheren Sinne“ – Sehen und Hören

äußere Hören vermitteln; dazu zählen Areale (im prämotorischen Kortex), die auf inneres Anstimmen deuten (Halpern, 2001). Auditive Halluzinationen. Unter verschiedenen ungewöhnlichen Bedingungen wird inneres Hören trügerisch als Wahrnehmung eines äußeren Geschehens aufgefasst. Im Alkoholdelirium hören die Betroffenen lebhafte Geräusche und Stimmen. Auch in den Auren von Epilepsie und Migräne sowie eingeschränkten Formen epileptischer Anfälle kommt es zu unwillkürlichen, lebhaften auditiven Einbildungen. Teils werden sie als subjektive Phänomene erkannt (u Pseudohalluzinationen). Sofern Schizophrenie mit Halluzinationen verbunden ist, handelt es sich deutlich häufiger um solche des Gehörs als des Sehens; charakteristisch für die Schizophrenie ist das Hören von Stimmen, die, anders als etwa im Fall der Alkoholhalluzinose, meist im Kopf wahrgenommen werden. Eine Reihe von Indizien spricht dafür, dass die Stimmen, die Schizophrene hören, auf ein inneres Sprechen zurückgehen, dessen Urheberschaft die Patienten nicht erkennen, also eine Spielart der Entfremdung der eigenen (innerlichen) Motorik darstellen [u Kap. 2 und 3]. Auditive Halluzinationen bei anderen Krankheitsbildern gehen wahrscheinlich auf anders bedingte Reizungen oder spontane Aktivitäten auditiver Zentren zurück. Eine Sonderstellung nimmt das Ohrenklingeln (Tinnitus) ein. Dabei handelt es sich um subjektive Erscheinungen, die in den Ohren oder auch im Kopf lokalisiert werden. Gelegentlich wird das Klingeln, Brummen etc. aber auch – zumindest anfänglich – irrig als Umweltgeräusch aufgefasst. Von den auditiven Qualitäten her überschneiden sich Tinnitus und Halluzinationen unspezifischer Geräusche (Akoasmen). Manchmal ist Tinnitus auch mit (pseudo)halluzinatorischem Hören von Musik verbunden. Das Ohrenklingeln hat mannigfache Auslöser. So können Schwerhörigkeit, Taubheit oder vorübergehende sensorische Deprivation zu verselbständigter zentralnervöser bzw. kortikaler Aktivität führen (analog zum u Charles-Bonnet-Syndrom). Relativ selten liegt die Ursache dauerhaft in den Ohren (wenn das so ist, spricht man von objektivem Tinnitus). Chronisch werden die „Ohrgeräusche“ eventuell nicht zuletzt dadurch, dass – aus Besorgnis – die Aufmerksamkeit auf sie fokussiert wird. Einschlaf-Halluzinationen. Neben Lichtblitzen, Fratzen, mit Fallgefühlen verbundenen Zuckungen oder „elektrischen“ Empfindungen auf der Haut begleiten auch Klirren, Knallen, Töne wie vom Zupfen einer gespannten Saite etc. bei relativ vielen Menschen gelegentlich das Einschlafen (hypnagoge Erscheinungen). Wahrscheinliche Ursache sind Spontanentladungen im zentralen Nervensystem, die sich der Reduktion des sensorischen Zuflusses verdanken (Oswald, 1962).

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Auditorische Synästhesie. Gegenüber Formen des visuellen Mitempfindens bei akustischen Reizen, wie dem klassischen Farbensehen beim Hören, sind durch andere Sinnesreize ausgelöste Hörempfindungen – etwa tönende Farben – besonders selten [u Kap. 9]. Träume. Statistische Untersuchungen von Traumschilderungen führen das Hören, mit einigem Abstand nach dem Sehen, als am zweitstärksten vertretene Sinnesmodalität auf (bezogen auf Träume des u REM-Schlafes; für den Nicht-REM-Schlaf sind rein verbale Träume typisch, in denen mehr oder minder sinnvolle Lautgebilde, Worte und Phrasen vorherrschen). Nicht selten verselbständigt sich das, was man im REM-Traum hört, von dem, was man sieht. Eindringliche Geräusche und Stimmen werden zum Beispiel von u luziden Träumen berichtet. Manche Komposition, wie etwa Tartinis Teufelstrillersonate oder Paul McCartneys Yesterday, sollen auf geträumte Musik zurückgehen (Barrett, 2001). Nach einer Hypothese von Symons (1993) spielt das Hören wegen seiner Warnfunktion eine gegenüber dem Sehen relativ untergeordnete Rolle in REM-Träumen. (Dass die Warnfunktion des Hörens im Schlaf allerdings nur eingeschränkt bereitsteht, zeigen die geläufigen Träume, bei denen Weckgeräusche zunächst in Traumszenen integriert werden; der sogenannte Ammenschlaf, also die besondere Hellhörigkeit schlafender Mütter für Laute ihrer Kinder – nicht aber für andere Geräusche –, belegt, dass es in gewissem Maß von Einstellungen bzw. Erwartungen abhängt, durch welche Laute man sich wecken lässt.) Lesen u Hörvorstellungen allg.: Reisberg, 1992; vorgestellte Musik: Bruhn, 2005; Halpern, 2001; Halluzinationen: Smith, 1992; Jeannerod, 2006; Sacks, 2008; Traum: Schönhammer, 2004a; Strauch & Meier, 2004

Kunst, Medien & Werbung u Bilder vom Hören Traditionell setzten Malerei und Grafik das Hören nicht zuletzt durch Musikinstrumente ins Bild. Jenseits von Stillleben tauchen die Instrumente oft in ausgelassenen geselligen Szenen (mit Tanz) auf und spielen damit auf die Bedeutung des Hörens für die Teilhabe am sozialen Leben und das Eintauchen in Atmosphären an. Tanz verweist auf das Bewegungspotential der Musik. Angedeutete Bewegtheit (einer größeren Zahl) von Menschen und Objekten steht aber auch für sich als Indikator einer belebten u Atmo. Auf der anderen Seite versinnbildlichen auch Szenen des Innehaltens in konzentrierter Zuwendung das Hören (Menschen um einen Sprecher). Lesen u Jütte, 2000; Kaufmann, 1943

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Teil III: Die „höheren Sinne“ – Sehen und Hören

Rückschau in Fragen Was zeichnet das Hören gegenüber dem Sehen aus? Wie zeigt sich das bei Experimenten mit künstlicher Taubheit oder Blindheit? Was macht das Hören zum Warnsinn? Wie hört man den Abstand zu Geschehnissen? Welche Anhaltspunkte erlauben es zu ordnen und zu identifizieren, was ans Ohr dringt? Was versteht man unter kategorialer auditiver Wahrnehmung? Was ist der McGurk-Effekt? Welche Entsprechung hat er bei Affektwahrnehmung? Worauf könnten diese Erscheinungen beruhen? Was unterscheidet fröhliche, ärgerliche und traurige Intonation? Was geschieht auf sensomotorischer Ebene bei den Protokonversationen zwischen Erwachsenen und Säuglingen? Welche aktuellen und langfristigen Wirkungen hat das? Wo könnte die evolutionäre Basis der menschlichen Musikalität liegen? Wie erklärt man wohlige Schauer beim Hören von Musik? Was zeichnet das Lebensgefühl bei Taubheit aus? Was macht Lautsphären mehr oder weniger attraktiv? Was versteht man unter Atmo, einem Begriff der Filmterminologie? Inwiefern kann Schall schädlich wirken, auch wenn er nicht stört? Warum kann Lärm begeistern? Warum kann ein in dezenter Lautstärke geführtes, fremdes Telefonat sehr stören? Warum wurden Stummfilme in der Regel musikalisch begleitet? Welche Auswirkung hat es auf die Wahrnehmung der Umwelt, wenn man mit Kopfhörern unterwegs ist? Mit welchen grundsätzlichen Problemen sieht man sich im Bereich des akustischen Produktdesigns konfrontiert? Warum sind Hörgeräte bei Schwerhörigen unbeliebt?

Teil IV Die Einheit der Sinne

Die Themen Multisensorische Wahrnehmung und Synästhesie haben die Wahrnehmungsforschung in der jüngeren Zeit aufgerüttelt. Die Frage nach der Einheit der Sinne faszinierte schon einmal: Am Übergang zum 20. Jh. und in dessen ersten Jahrzehnten fassten Psychologen – und auch Künstler – gewöhnliche und ungewöhnliche Interaktionen der Sinne nicht zuletzt deshalb ins Auge, weil sie sich davon einen neuen Zugang zum ästhetischen Erleben versprachen. Die frühe Entwicklung der ungegenständlichen Malerei steht in diesem Zusammenhang. Die vorstehenden Kapitel haben vielfältige Beziehungen der Sinne untereinander aufgezeigt und deutlich gemacht, dass Wahrnehmen nicht nur Bewegungen des Körpers (Agieren) zur Voraussetzung hat und seinerseits ermöglicht, sondern dass Motorik/Aktionserfahrungen im Wahrnehmen selbst gegenwärtig sind. Im 9. Kapitel geht es nun nicht zuletzt darum, jene exotischen sensorischen „Kurzschlüsse“, für die sich in Psychologie und Neurowissenschaft der Begriff Synästhesie eingebürgert hat, von jedermann zugänglichen Brücken zwischen den Sinnen abzugrenzen (wie den transmodalen Qualitäten und auch von visuell induzierten Berührungs- und Schmerzempfindungen). Das abschließende Kapitel greift auf, was sich zu Ästhetischem Erleben und Atmosphäre aus der Perspektive der einzelnen Sinne bisher ergeben hat, und bezieht es auf Theorien dieser Aspekte des Wahrnehmens.

Experiment u Bauhausfragebogen zu Form und Farbe I In den frühen 1920er Jahren sahen sich Studierende am Weimarer Bauhaus mit diesem Fragebogen ihres Lehrers Kandinsky konfrontiert [u Abb.]. Wie die Befragung ablief und ausgegangen ist, weiß man nicht genau. Kandinskys persönliche Sicht, deren Propagierung die Aktion offenbar diente, ist bekannt, ja, geradezu zum Emblem dieser berühmten Kunst- und Designhochschule geworden. Leser, die dem bunten BauhausWappen im Kunstunterricht nicht begegnet sind und unbefangen ihre Vorlieben hinsichtlich der Beziehung der Farben Rot, Gelb und Blau zu Quadrat, Kreis und Dreieck erkunden wollen, empfehle ich, Kandinskys Fragebogen auszufüllen, bevor sie die Auflösung in diesem Kapitel lesen [s. Experiment u Bauhausfragebogen zu Form und Farbe II]. Die Experimente u Farbausdruck kritzeln sowie u Gefühle kritzeln berühren ähnliche Fragen. Es empfiehlt sich, auch diese vor Lektüre der Auflösung ebenso wie vor dem Lesen des Abschnittes Transmodale Qualitäten durchzuführen. Alle drei Experimente sind im Handumdrehen ausgeführt.

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Multisensorische Wahrnehmung und Synästhesie

Lippenbewegungen, die man sieht, bestimmen mit, welche Laute man hört. Auch die Wahrnehmung von Sprachmelodie und Gesichtsausdruck beeinflusst sich gegenseitig [u Kap. 8]. Die Intensität von Aromen wird durch Farben und Mundgefühle modifiziert [u Kap. 6], der Duft eines Parfums von seinem Erscheinungsbild [u Kap. 5], die Einschätzung der Süße einer Speise hängt von der Stärke ihres Aromas ab (und umgekehrt) [u Kap. 6], das innere Gespür, also die Propriozeption der Lage der eigenen Glieder, wird durch (täuschende) visuelle Eindrücke mitbestimmt [u Kap. 1], so wie der ertastete Eindruck der Form von Gegenständen sich bei verzerrender Optik verändert [u Kap. 3], während umgekehrt Oberflächen ihr Aussehen verändern, wenn man den Fingerspitzen gröbere oder feinere Texturen unterschiebt [u Kap. 2]. Eine Sonderstellung nehmen Gleichgewicht bzw. Schwindel ein, weil der sechste Sinn geradezu durch Multisensualität definiert ist, sprich durch die Integration von inneren und äußeren Eindrücken (Empfindungen in Muskeln und Sehnen sowie Reizungen des Gleichgewichtsorgans im Innenohr einerseits und visuellen und auditiven Eindrücken andererseits) [u Kap. 4].

Noch vor nicht allzu langer Zeit herrschte die Ansicht vor, die Sinne seien säuberlich getrennte Module der Informationsverarbeitung, die man isoliert zu erforschen habe, um schließlich noch der Frage nachzugehen, wie das, was wir sehen, hören, fühlen etc., sich am Ende zur wahrgenommenen Welt fügt. Dieses sogenannte Bindungsproblem wurde vorrangig hinsichtlich der engeren Frage diskutiert, wie es zu einheitlichen Anschauungen kommt, wo doch Form, Farbe und Bewegung dessen, was man vor Augen hat, in getrennten Untermodulen des Sehsystems verarbeitet werden. Inzwischen wurden bislang unbekannte Wechselwirkungen zwischen den Sinnen entdeckt, und schon länger bekannte gewinnen erneut an Interesse. Nicht zuletzt hat die Hirnforschung das Bild von gegeneinander abgeschotteten Sinneskanälen korrigiert. Invasive Studien an den Gehirnen von Katzen, Affen und anderen Tieren (Messung an einzelnen Neuronen) und dezentere, aber weniger aussagekräftige Beobachtungen an denen von Menschen (Hirnströme, funktionelle Bildgebung) erhellen die neurophysiologischen und -anatomischen Grundlagen der Einheit der Sinne.

Neuro-Skizze u Multisensorisches Wahrnehmen und Synästhesie Wie finden Erregungen der verschiedenen Sinne im Gehirn zusammen? Das Bindungsproblem geht von der getrennten kortikalen Verarbeitung der Modalitäten (Hören, Sehen usw.) und verschiedener Qualitäten innerhalb einer Modalität (z. B. Farbe und Form) aus und fragt, wie es dennoch zu einheitlichen Gegenständen des Wahrnehmens kommt. Die Hypothese, es sei Aufmerksamkeit, die Einzelempfindungen zur Wahrnehmung bündle, ist so alt wie die Formulierung des Bindungsproblems. Aufmerksamkeit ist hier geradezu ein Synonym für Bindung. Ein physiologisches Phänomen, das dabei eine

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Teil IV: Die Einheit der Sinne

herausragende Rolle spielen könnte, ist synchrones Feuern von Neuronen. So kann, sozusagen durch Einklang, ungeachtet räumlicher Trennung Einheit entstehen. Andererseits gibt es Assoziationsareale, in denen Erregungen, die nach der Reizung der Sinnesorgane zunächst in getrennten Modulen ausgewertet werden, in Netzen bi- bzw. multimodaler Neurone aufeinandertreffen; etwa Bereiche des Scheitellappens als Treffpunkt von Sehen, Hören und Reizen aus dem Körper (als Basis von Gleichgewicht, Raumwahrnehmung, Orientierung [u Kap. 4]); oder Teile des (hinter der Stirn direkt über den Augäpfeln gelegenen) Orbitofrontalkortex. Bei Affen finden sich hier in bunter Mischung Zellen, in denen Reize aus Auge, Ohr, Haut, Muskeln sowie Nase und Zunge bimodal gekoppelt sind. Studien mit bildgebenden Verfahren beim Menschen deuten darauf hin, dass es in ihren Gehirnen ein vergleichbares Zusammentreffen gibt. Die mulitsensorische Bewertung dessen, was man isst und trinkt, basiert wesentlich auf dem, was zwischen diesem Gebiet und dem limbischen System vorgeht. Auch für jene in Fleisch und Blut übergegangenen ästhetischen Bewertungen, die man im übertragenen Sinn Geschmack nennt, könnte diese Kreuzung Bedeutung haben (siehe die Neuroskizzen zu Kapitel 8 und 10). Ein Dogma der Neurologie besagt(e), dass es keine direkten Verbindungen zwischen den primären bzw. sekundären sensorischen Arealen der verschiedenen Modalitäten gebe. In jüngerer Zeit wurden solche Verbindungen indessen im Gehirn von Affen nachgewiesen. Ableitungen der Hirnströme an der Schädeldecke (sog. ereignisbezogene Ausschläge im EEG) und bildgebende Verfahren zeigen für das menschliche Gehirn zumindest, dass Bereiche, die man früher als monosensuell betrachtete, offen für die Stimulation durch andere Sinne sind. So führt etwa (passend zum u McGurk-Effekt) Lippen-

9 Multisensorische Wahrnehmung und Synästhesie

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lesen zu Aktivierungen im primären auditorischen Kortex. Berührungen, die man bei anderen beobachtet, schlagen sich in Erregung entsprechender Areale im eigenen u somatosensorischen Homunculus nieder. Gegen die traditionelle Vorstellung strikter Modularität spricht weiter die Entdeckung, dass Bereiche des visuellen Kortex aktiv sind, wenn Blinde Braille-Schrift lesen, und sich ein vergleichbarer Effekt bei Sehenden schon nach relativ kurzer Übung mit verbundenen Augen einstellt. Entsprechend scheint bei Tauben der auditorische Kortex am visuellen Wahrnehmen beteiligt zu sein. Diese „Rekrutierungen“ tangieren offenbar nicht das Was der Wahrnehmung (Tasten unter Mitarbeit des visuellen Kortex bleibt Tasten; so wie die direkte experimentelle Verdrahtung des auditiven Kortex mit visuellen Reizen bei Nagern den Tieren offenbar optische Gegebenheiten erschließt; Roe et al., 1990). Eine Vermutung geht dahin, dass die Bereiche des Gehirns, die man traditionell einem der Sinne zugeordnet hat, also etwa dem Sehen oder Hören, Strukturen enthalten, die auch bei funktionierenden Sinnen eine analoge Aufgabe erfüllen (z. B. zur räumlichen Analyse beitragen) und deshalb auch schnell auf den Input eines anderen Sinnes umstellen können (Nava & Röder, 2011; Sathian, 2012). Allerdings scheint auch ein gewisser Reiz in der Spekulation zu liegen, selbst bei Geburtsblinden oder Früherblindeten könnten die Bereiche des Gehirns, die bei Sehenden primär mit der visuellen Wahrnehmung beschäftigt sind, etwas von einem Kern visueller Erfahrung bewahren oder vermitteln. Die taubblinde Helen Keller hatte in Meine Welt spekuliert: „Wenn ein Mensch sein Bein verliert, treibt ihn sein Gehirn immer noch an, zu gebrauchen, was er nicht mehr hat und wovon er doch fühlt, daß es noch da ist. Ist vielleicht das Gehirn so beschaffen, daß es seine Tätigkeit, wodurch die Sinne des Gesichts und des Gehörs belebt werden, noch fortsetzt, nachdem Auge und Ohr zerstört sind?“ (1908, S. 52f.) Ganz ähnlich hört es sich an, wenn die Neurowissenschaftler Amedi, Merabet, Tal und Pasqual-Leone (2011) bei der Diskussion der Hirnscans, die sie bei einem früh erblindeten Maler mit überraschenden Fähigkeiten der räumlichen Darstellung gemacht haben, konstatieren: “This pattern of activation is also typically seen in normally sighted subjects during visual imagery tasks […], E. A. is absolutely blind from a very early age, so, what kind of imagery does E. A. possess? Does the sole fact there is activity within visual areas in E. A. during imagery and drawing signify that his experience must inherently be visual, despite his lack of actual vision? These intriguing questions have yet to be answered.” (S. 474f.) Auch die Funktionsteilung der Untermodule des Sehens ist nicht so strikt, wie vor nicht allzu langer Zeit noch angenommen. Querverbindungen zwischen den Sinnen existieren nicht erst auf kortikaler Ebene. In einem Gebiet im Mittelhirn (den superioren Colliculi), das (auch bei Menschen) eine entscheidende Rolle bei der Blicksteuerung bzw. aufmerksamen Zuwendung spielt, wurden zunächst bei Katzen und später auch bei Affen multisensorische Neurone entdeckt, die die gegenseitige, raumbezogene Sensibilisierung von Fühlen, Sehen und Hören vermitteln. Die Aktivität der multimodalen Neurone übersteigt dann, wenn nicht nur einer der Zuflüsse aktiviert ist, die Summe der Einzelerregungen: Es geht sozusagen die Post ab, wenn irgendwo zugleich etwas zu sehen und zu hören ist; bei unterschiedlicher Lokalisierung der Reize können sie ihre Verarbeitung umgekehrt hemmen. (Je nachdem, ob Zellen für nahe oder entfernte Bereiche zuständig sind – wo ihr rezeptives Feld liegt –, haben sie ein unterschiedliches Timing für die optimierende

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Teil IV: Die Einheit der Sinne

Wirkung der visuellen und auditiven Reize; auf diese Weise wird die Gleichzeitigkeit von optischem und akustischem Geschehen trotz der unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Licht und Schall sowie der unterschiedlichen Dauer der Reizleitung im Gehirn registriert.) Multisensorische Konvergenzen finden sich auch in dem vom Hirnstamm (formatio reticularis) aufsteigenden retikulären Erregungssystem (Wachheitsregulation) und in limbischen Strukturen wie der Amygdala (emotionale Bewertung). Beide Funktionsbereiche beeinflussen ihrerseits die kortikale Verarbeitung der modalen Reize. Sie werden, wie im Text besprochen, mit transmodalen Qualitäten („helle Düfte“) und auch Synästhesien (z. B. akustisch ausgelösten Farbvisionen) in Verbindung gebracht. Für die affektive Verbindung zwischen den Sinnen (Stimmung) sind auch jene Bereiche des Gehirns bedeutsam, die über den Hormonhaushalt und das efferente und afferente autonome Nervensystem mit den viszeralen Funktionen (Atmung, Kreislauf, Verdauung, Sexualität, Wärmehauhalt) verknüpft sind (neben Teilen des Hirnstammes, des limbischen Systems und des Hypothalamus nicht zuletzt Lust- und Wertungsinstanzen im präfrontalen Kortex). Synästhesie. Dass man etwa bei ungewöhnlichen Farbwahrnehmungen, die ohne Farbreiz allein durch Töne ausgelöst werden, unter anderem eine erhöhte Akivität in dem als Farbmodul (V4) bezeichneten Areal feststellen kann, während bei Nichtsynästhetikern unter den gleichen Bedingungen die Farbwahrnehmung und auch die V4-Aktivität ausbleibt, bestätigt die Glaubwürdigkeit der rätselhaften Eigenheit. Erklärt wird sie derzeit von vielen mit der Hypothese, bei manchen Menschen blieben übermäßig dichte kortikale Verknüpfungen aus der Säuglingszeit erhalten, die normalerweise im Lauf der Entwicklung ausgedünnt werden (siehe Text). Schließlich sei an den in den vorstehenden Kapiteln mehrfach erwähnten Umstand erinnert, dass neurologische Befunde bei Mensch und Tier die direkte Beteiligung prämotorischer Areale am Wahrnehmen belegen. Eine bemerkenswerte Bestätigung für die Bedeutung von zielgerichteter Bewegung bzw. Handlungsintentionen für das Wahrnehmen ist die Beobachtung, dass Bereiche im somatosensorischen Kortex von Affen, die den Gebrauch eines Werkzeuges trainiert haben, dann auf visuelle Reize nahe dem Werkzeug ansprechen, wenn die Affen das Werkzeug als solches benutzen, aber nicht reagieren, wenn sie es nur in der Hand halten (Ishibashi, Obayahi & Iriki, 2004). Lesen u Funktionelle Hirnanatomie allgemein: Bösel, 2006; Aufmerksamkeit: Birbaumer & Schmidt, 2006, Kap. 21; Mesulam, 2000; Synchronisation: Engel, 2006; Large, 2010; Llinás, 2001; Singer & Ricard, 2008; Scheitellappen: Cohen & Anderson, 2004; Gallese, 2007; Jäncke, 2007; Orbitofrontalkortex: Brown & Dissanayake 2009; Rolls, 2004, 2005; Verbindung primärer Areale usw.: Calvert & Lewis, 2004; Makaluso & Driver, 2004; Raij & Jousmäki, 2004; Rekrutierungen bei Blindheit/Taubheit: Nava & Röder, 2011; Paviani & Röder, 2012; Sathian, 2012; Subkortikale Multisensorik: Meredith, 2012; Mesulam, 2000; Stein & Meredith, 1993; Limbisches System, Belohnungszentren: Birbaumer & Schmidt, 2006, Kap. 25; Panksepp, 1998, 2000; Synästhesie: Beeli, Esslen & Jäncke, 2008; Nunn, Gregory & Brammer, 2002; Motorik/Handlung: Fogassi & Gallese, 2004; Gallese, 2007; Ishibashi, Obayahi & Iriki, 2004

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Körper, Raum, Aufmerksamkeit Bei der räumlichen Ausrichtung der unwillkürlichen Aufmerksamkeit arbeiten die Sinne zusammen. So wird die Reaktionsbereitschaft gegenüber einem visuellen Reiz erhöht, wenn er aus einer Richtung kommt, in der zuvor schon etwas zu hören oder zu spüren war (auch dann, wenn die Richtung dieser Reize in der Versuchsserie nicht regelmäßig mit der des visuellen Reizes übereinstimmt, sie also keine verlässlichen Hinweise sind, und die Versuchspersonen dazu angehalten sind, unverwandt einen frontalen Punkt zu fixieren und andere Reize zu ignorieren). Ähnlich steigt die Reaktionsbereitschaft gegenüber auditiven oder taktilen Reizen durch entsprechend lokalisierte Reize in anderen Modalitäten (Spence & McDonald, 2004). – Wenn visuelle und auditive Informationen räumlich gespalten sind – wie etwa beim Telefonieren im Auto (wenn der Schall nicht aus Fahrtrichtung ertönt) oder auch durch das Design der Cockpits von Fahr- und Flugzeugen –, steht das also einer optimal aufgabenbezogen Ausrichtung der Aufmerksamkeit entgegen (Spence, 2002). Besonderes Interesse fand das multisensorische Wahrnehmen im sogenannten peripersonalen Raum, einer Raumhülle in unmittelbarer Nähe des Körpers, die bislang hauptsächlich bezogen auf Hände und Kopf untersucht wurde. Auditorische und visuelle Reize wirken in diesem Bereich unter Umständen wie Berührungen (bis zu einer Entfernung von 5 cm ist die Wirkung maximal, bei ca. 30 cm fällt sie drastisch ab). Beim Menschen wurde das bei neurologischen Patienten nachgewiesen, bei denen eine besondere Form der Schädigung der rechten Gehirnhälfte dazu führt, dass sie Berührungen an der linken Hand (die auf die geschädigte rechte Seite projiziert werden) dann nicht mehr wahrnehmen, wenn gleichzeitig die rechte Hand berührt wird. Innerhalb des peripersonalen Raumes lässt sich bei diesen Patienten nun der nämliche Auslöschungseffekt bereits allein durch visuelle oder auditive Reize erzielen (Làdavas & Farnè, 2006). Weiter wurde der Fall eines Schlaganfallpatienten beschrieben, der linksseitig unempfindlich für Berührungen wurde, sofern er sie nicht auch sehen konnte. Auch Videoaufnahmen, die man als Echtzeitfeedback einer Berührung ausgab, brachten Berührungsempfindungen mit sich. Man etikettierte diesen Fall als erworbene visuelltaktile Synästhesie (Halligan et al., 1996). Was hier durch die Schädigung des Gehirns erworben wurde, ist wahrscheinlich nicht die visuell-taktile Verbindung, sondern ihre Verselbständigung. Bi- oder multimodale Neurone könnten das Substrat solcher Äquivalenzen sein. Bloße Beobachtung von Berührungen oder Verletzungen, die andere erfahren, führt jedenfalls bei Menschen regelmäßig zur Aktivierung der sekundären und primären u somatosensorischen Areale. Allerdings ist diese Aktivierung in der Regel nicht stark genug, um das Gesehene auch am eigenen Leibe spürbar zu machen. Anekdoten heftiger empathischer Schmerzwahrnehmung, wie sie etwa William James in seinen Princi-

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Teil IV: Die Einheit der Sinne

ples of Psychology berichtete [u Kap. 2], zeigen, dass es unter Umständen wahrscheinlich bei den meisten Menschen zu visuell induzierten empathischen Schmerzempfindungen kommen kann. Drohende Begegnungen mit scharfen oder spitzen Gegenständen versetzen manchmal „einen Stich“ im bedrohten Körperteil. Hammerschläge auf ein Objekt, das zuvor wiederholt mit der eigenen Hand gereizt und damit einverleibt wurde, machen – gemessen am Hautwiderstand (Angstschweiß) – betroffen, auch wenn die eigene Hand im Moment des Schlages nicht berührt wird [u Kap. 2]. Ein Sonderfall sind Menschen, die prinzipiell solche Berührungen am eigenen Leibe verspüren, die sie bloß bei anderen beobachteten. Im Fall einer gesunden Frau mit solch einer empathischen visuell-taktilen Synästhesie beobachtete man besondere Aktivierung genau in jenen Bereichen des u somatosensorischen Homunculus, in denen die beobachteten Personen berührt wurden (Blakemore et al., 2005). Untersuchungen an Mensch und Tier zeigen, dass der peripersonale Raum sich auch um Werkzeuge herum bildet, die momentan den Körper erweitern (der im Alltag an Beifahrern zu beobachtende u Marionetten-Effekt deutet darauf, dass es hinreichend sein kann, wenn situations- bzw. gewohnheitsgemäß die Intention zum Werkzeuggebrauch geweckt wird). Dies impliziert, dass die Zusammenarbeit der Sinne durch Handlungsabsichten modifiziert wird. In dieses Bild fügt sich, dass die Wahrnehmung des Körpers und des ihn umgebenden Raumes leidet, wenn die Willkürmotorik beeinträchtigt ist: Halbseitige Schädigungen von Gehirnbereichen, die an der Planung zielgerichteter Bewegung beteiligt sind, bringen nicht nur Lähmungen auf der betroffenen (gegenüberliegenden) Seite mit sich, sondern auch Unempfindlichkeit an den gelähmten Gliedern und um sie herum (Gallese, 2007). Im Fall des u Selbstberührungseffekts wird umgekehrt ein Sensibilitätsverlust dadurch aufgehoben, dass Patienten mit ihrer gesunden Hand etwa einen lahm-tauben Arm berühren: Die auf den eigenen Körper bezogene Bewegung sensibilisiert momentan für Reize, die zwar noch an das Gehirn weitergeleitet, aber ansonsten wegen der Lähmung ignoriert werden. Lesen u Blakemore et al., 2005; Bufalari et al., 2007; Kapitel 1, 26–28, 50–51 in Calvert, Spence & Stein, 2004; Foxe, 2012; Knoblich et al., 2006, Kap. 2–5, 8

Die relative Dominanz des Sehens Wer versucht, sich mit geschlossenen Augen auch nur durch die eigene Wohnung zu bewegen, dem wird die effiziente Auffassung von Raum und Formen durch das Sehen bewusst. Spielt man in Experimenten Sehen und haptische Wahrnehmung gegeneinander aus, setzen sich, wie zu Beginn dieses Kapitels schon ins Gedächtnis gerufen, die Augen gegen die Hände durch [u Kap. 3]. Der im vorigen Kapitel erwähnte Bauchrednereffekt (Ventriloquismus) steht dafür, dass wir unter Umständen den Schall, abweichend von den tatsächlichen Verhältnissen, von dort her kom-

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men hören, wo die Augen eine plausible Schallquelle ausmachen. Deshalb hält sich die Irritation von Kinobesuchern angesichts der Abweichungen der akustischen Gegebenheiten von den sichtbaren Schallquellen in Grenzen. Abweichungen, die selbst bei perfekter Technik kaum vermeidbar und bei schlichterer recht deutlich sind. Wie sehr man im Kino mit den Augen die Richtung hört, kann man sich durch den Versuch bewusst machen, einmal mit geschlossenen Augen Sprecher oder Geräuschquellen zu lokalisieren. Der Bauchrednereffekt wurde in zahlreichen Experimenten, teils nahe an der namensgebenden Varietésituation, aber vor allem mit reduzierten abstrakten Reizen (Lichtpunkten und einzelnen Tönen) untersucht. Unter anderem zeigte sich, dass der Effekt weitgehende Synchronizität voraussetzt (verspäteter Schall wird eher toleriert als verfrühter, was kaum verwundert, da Schall langsamer ist als Licht). Weiter wurde untersucht, wie groß der Abstand werden darf, bevor der Effekt zusammenbricht (wahrscheinlich vergrößert sich die Toleranz für den Abstand bei bedeutungsvollen Verbindungen von Szene und Geräusch, wie sie das Kino bietet – im Unterschied zu den abstrakten Lichtsignalen und Beeps vieler Laboruntersuchungen). Man fand auch heraus, dass visuell wahrgenommene Bewegungsrichtungen regelmäßig die wahrgenommene Bewegungsrichtung von Schallreizen beeinflussen (für sich mehrdeutig wabernde visuelle Bewegungsreize werden indessen umgekehrt durch ein eindeutig bewegtes auditives Signal ausgerichtet). Auch Nacheffekte wurden entdeckt: Die Verschiebung im Richtungshören dauert nach Ende der Versuche eine Weile an. Das Sehen kann also nachhaltig die Koordinaten des auditiven Raumes verschieben.

Die überlegene Leistungsfähigkeit des Sehens im Wahrnehmen räumlicher Sachverhalte (hohes räumliches Auflösungsvermögen, Überblick) ist eine naheliegende Erklärung für seine Dominanz bei intersensorischen Konflikten (visual capture). Auf eine allgemeine Formel gebracht: Der besser geeignete Sinn setzt sich jeweils durch (Angemessenheits-Hypothese). Wo es um Veränderungen in der Zeit geht, sollte nach dieser Hypothese das Hören dominieren, da das auditive System schneller arbeitet, also über ein höheres zeitliches Auflösungsvermögen verfügt. Tatsächlich ist schon länger bekannt, dass flimmernde Lichter für sich genommen bei einer niedrigeren Frequenz des Flimmerns zu einem kontinuierlichen Leuchten verschmelzen als bei Begleitung durch einen synchron pulsierenden auditiven Reiz (Erhöhung der Flimmerfusionsschwelle). Heute weiß man auch, dass das, was man hört, auch dazu verführen kann, die Unterbrechung eines kontinuierlichen visuellen Reizes zu fingieren: Wenn ein einzelner Lichtblitz durch zwei kurze Töne begleitet wird, sieht man zwei Blitze (Doppelblitz-Illusion; Kaimitani & Shimojo, 2004). Zwei weitere Beobachtungen aus jüngerer Zeit, in denen auditive Reize das modifizieren, was man sieht, haben eine eher indirekte Beziehung zum zeitlichen Auflösungsvermögen des Hörens: ❚ Ein plötzlicher hoher Ton erleichtert es, in einer Folge von schnell wechselnden Bildern dasjenige mit einem gesuchten Muster dingfest zu machen. Jenes Bild, das mit

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dem Ton synchron präsentiert wird, scheint leuchtender bzw. länger vor Augen zu stehen (Einfrier- bzw. Freezing-Phänomen; Vroomen & de Gelder, 2004). ❚ Führt man auf einem Bildschirm zwei Punkte so in gerader Linie gegeneinander, dass sie sich durchdringen und dann jeweils da weiterlaufen, wo der andere herkam, nehmen Beobachter in der Regel eben diese gleichförmige Bewegung wahr. Wenn indessen im Moment der Berührung plötzlich ein kurzes Geräusch erklingt, sehen viele die Punkte voneinander abprallen und zurücklaufen: Prellball-Effekt (bouncing ball effect; Sekuler, Sekuler & Lau, 1997). Auch wenn es in dem Moment, in dem die beiden Punkte aufeinandertreffen, blitzt oder die Betrachter kurz berührt werden, entsteht der Eindruck, die Punkte würden aufeinanderprallen und zurückspringen statt sich durchdringen und gradlinig weiterziehen (Watanabe & Shimojo, 1998). Die besondere Beziehung des Hörens zu zeitlichen Abläufen prädestiniert es dazu, Plötzlichkeit zu vermitteln, ein Ereignis wahrnehmen zu lassen (der Ton macht aus einem fingierten Film-Kinnhaken einen punktgenauen Treffer). Im Falle des EinfrierPhänomens dehnt (und erhellt) das plötzliche Geräusch im wahrsten Sinn des Wortes den Augenblick. Ein sensorisches Ausrufezeichen, das die Wahrnehmung eines gleichmäßigen Geschehens akzentuiert, kann, wie die Varianten des Prellball-Versuchs lehren, aber auch in einer anderen Modalität gesetzt werden (Blitz, kurze Berührung). Die experimentellen Hinweise auf die Bedeutung des Hörens für das Wahrnehmen von Ereignissen passen einerseits zur Irritation angesichts von u Stummfilm oder bei u Taubheit und andererseits zur Rolle des Hörens für die u Trittsicherheit und die u Synchronisation bei kollektiven Arbeitsprozessen oder auch für die Reaktion auf gegnerische Bälle bei Spielen wie Volleyball, Tennis (hier auch experimentell nachgewiesen) oder Ping-Pong. Lesen u Calvert, Spence & Stein, 2004, Kap. 2–4, 9; de la Motte-Haber, 2006; Fujisaki, Kitazawa & Nishida, 2012; Guski, 1996, Kap. 8; Melcher & Zampini, 2011

Transmodale Qualitäten “The German poet Morgenstern once said of seagulls: ‘Die Möwen sehen alle aus, als ob sie Emma hiessen.’ […] Morgenstern, I find, was quite right. The sound of ‘Emma’ as a name and the visual appearance of the bird appear to me similar.” (Köhler, 1947, S. 224)

Warme Farben, schwere Düfte, helle Töne, eine laute Krawatte – der allgemeine Sprachgebrauch überträgt manche Sinnesqualität von einer Modalität auf eine oder mehrere andere. Ist das lediglich ein sinnbildliches Sprechen? Oder werden manche Qualitäten tatsächlich nicht nur von einem Sinn vermittelt (trans-, inter-, a- oder crossmodale Qualitäten)?

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Intensiv untersucht wurde die auditive Bedeutung der Qualität Helligkeit. Hohe Töne (selbst schon eine transmodale Verknüpfung) und lauten Schall ordnen die meisten Menschen größerer Helligkeit zu (helleren Graustufen, ungesättigten Farben mit höherem Weißanteil, gesättigten Farben mit größerer Eigenhelligkeit, also z. B. einem reinen Gelb statt einem reinen Blau, und schließlich Lichtquellen mit größerer Leuchtkraft). Wenn in Experimenten unter Zeitdruck ein Helligkeitswert bestimmt werden soll, ist die Leistung akkurater, wenn zugleich ein „entsprechend“ lauter oder hoher Ton erklingt; umgekehrt werden laute oder leise, hohe oder niedrige Töne schneller korrekt bestimmt, wenn ein in der Helligkeit jeweils „passender“ Lichtreiz oder Grauwert angeboten wird (Überblick: Marks, 2004). Das sollte man nicht erwarten, wenn die Analogie von Helligkeitsgrad und Tonhöhe bzw. Lautstärke lediglich ein bemühter Vergleich wäre. Nach älteren Untersuchungen, die Heinz Werner 1966 in einen Handbuchartikel zusammenfasste, können hohe bzw. tiefe Töne die Wahrnehmung von Farben sogar aufhellen bzw. verdunkeln; allerdings nur unter der Bedingung, dass die Farbreize undeutlich oder sehr kurz (tachistoskopisch) präsentiert werden (z. B. wurde aus Rot bei einem tiefen Ton Dunkelrot oder Violett, bei einem hohen Ton Orange oder Gelb). Auch die Aufhellung oder Verdunklung eines u Ganzfeldes durch hohe oder tiefe Töne wurde festgestellt. In einigen neueren Experimenten zeigten sich ebenfalls Aufhellungen durch akustische Reize (u. a. beim eben erwähnten Freezing-Phänomen), ohne dass dabei auf systematische Variationen von Helligkeit und Tonhöhe geachtet worden wäre. Andere Versuche aus jüngerer Zeit, die den gegenseitigen Einfluss von Tonhöhe und Helligkeit zum Gegenstand hatten, kamen jedoch zu einem grundsätzlich negativen Ergebnis hinsichtlich der Tonhöhe-Helligkeits-Wechselwirkung, was vielleicht einer zu mächtigen Präsentation der jeweiligen optischen und akustischen Reize zuzuschreiben ist. Lautstärke und Leuchtkraft sind offensichtlich Qualitäten, die sich auf die Intensität von Empfindungen beziehen. Auch Grauwerte, Helligkeitswerte ungesättigter Farben sowie verschiedene Eigenhelligkeiten gesättigter Farben implizieren – im Sinne eines Mehr oder Weniger an Helligkeit – ein Erlebnis von Intensität. Insofern liegt es nahe, eine Parallele in der Intensität zu sehen. Das würde allerdings noch nicht die Aufhellung durch laute Töne erklären. Der Schlüssel dazu liegt vielleicht, wie schon Heinz Werner annahm, darin, dass intensive Reize, ob nun in diesem oder jenem Sinn aufgenommen, gleichermaßen die zentralnervöse Erregung steigern. Und damit potentiell auf andere Sinne überschlagen, die Reizverarbeitung intermodal beeinflussen. Eine mögliche neurologische Grundlage seiner senorisch-tonischen Theorie sah Werner in der retikulären Formation im Hirnstamm. Diese erhält, wie in den Neuro-Skizzen immer wieder angesprochen, Zuflüsse aus allen Sinnesorganen und reguliert den Erregungs- bzw. Wachheitsgrad des Organismus. Bei verselbständigter Aktivität dieses Nervennetzes können u visuelle Reizerscheinungen auftreten.

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Wie aber verhält sich die Tonhöhe zum Verbindungsglied Intensität? Muss man für die Brücke zwischen Tonhöhe und Helligkeit nach einer Erklärung jenseits des Erregungsgrades suchen? – Im sprachrelevanten Frequenzbereich werden (bei gleichem Schalldruck) hohe Töne als lauter empfunden als tiefe (u Isophone). Bei hohen Tönen liegt auch die Schmerzgrenze niedriger. Aber auch jenseits der ausdrücklichen Lautstärkebewertung gilt, dass hohe Tone besonders eindringlich sind. Das geht wahrscheinlich auf die affektive Bedeutung von Situationen zurück, in denen Menschen und andere Tiere hohe Töne von sich geben. Die zentralnervöse Erregung hängt von der biologischen Bedeutung von Reizen ab. Die Steigerung bei physikalischen Größen wie Schalldruck und Lichtenergie ist da nur ein Faktor unter anderen. In Lebenssituationen wie auch in Experimenten sind, je nach den begleitenden Umständen, Abweichungen von der Gleichung von Erregungssteigerung und physikalischer Energiezunahme zu erwarten. Präsentiert man als Reizvorlage einen schwarzen Fleck mit einem weißen Rand, so mag das deutlich erregender wirken als ein einheitliches helles Grau, von dem unter gleichen Beleuchtungsbedingungen erheblich mehr Lichtenergie reflektiert wird: Kontrast ist biologisch bedeutsam. Leise Geräusche können bekanntlich sehr erregend wirken (z. B. im Dunkeln), weil die Situation für (ängstlich) gespannte Aufmerksamkeit sorgt. Die Schleusen des Erregungssystems werden durch übergeordnete affektive Prozesse geöffnet. (Der erregenden Wirkung von Kontrasten und Düsternis bedient sich bspw. der u Film noir.) Das eben Gesagte macht nebenbei verständlich, warum man kontrastreiche optische Reize oft als laut bezeichnet. Wie Kontrast visuell aufweckt, wirken plötzlich einsetzende Töne oder Geräusche erregender als allmählich anschwellende (man fühlt sich durch sie leichter gestört: u Lärm ist auch eine Frage der Zeitstruktur akustischer Reize). Das u Freezing-Phänomen setzt einen plötzlich einsetzenden Ton voraus. Maluma und Takete. Dieses vom Gestaltpsychologen Wolfgang Köhler kreierte Beispiel für transmodales Wahrnehmen kann die Analogie von Helligkeit und Tonhöhe illustrieren. Erscheint Ihnen der Wortklang von Maluma heller als der von Takete? Wahrscheinlich nicht. Noch deutlicher ist die Differenz bei der neueren Variante bouba und kiki: Mit zunehmender Tonhöhe erscheinen Vokale heller: vom dunklen /u/ über /o/, /a/ und /e/ bis zum besonders hellen /i/. – Indessen steckt in Köhlers Gegenüberstellung mehr als diese Parallele. Dass die eine Lautfolge zu gerundeten Linien passt, die andere zu einem Zickzack [u Abb.], entspricht den schmiegsamen oder abrupten bzw. explosiven Bewegungen, durch die man die Phantasieworte artikuliert (übrigens auch die Worte rund bzw. Zickzack). Die Linienformen lassen sich ihrerseits als Bewegungsspuren auffassen. Jedenfalls kommen entsprechende Bewegungen zustande, wenn man jemanden, dem Köhlers Skizzen unbekannt sind, die Laute Maluma und Takete gestisch darstellen oder in eine Kritzelei umsetzen lässt.

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Die unterschiedlichen Bewegungsformen lassen sich zwar in der Dimension Erregtheit unterscheiden; die Differenzen gehen darin aber nicht auf. Sie deuten auf den motorischen Aspekt unterschiedlicher Affekte. Das sticht ins Auge, wenn man beide Figuren mit Kritzelzeichnungen zu Gefühlen (und Farben) vergleicht [u Abb.]: Zackige Richtungswechsel wie bei Köhlers Takete zeigen sich regelmäßig bei Wut-Kritzeln; die mit Freude assoziierten Bewegungen muten mit ihrem Schwung zwar ebenfalls als erregt an, unterscheiden sich aber deutlich durch runden oder geschmeidigen Verlauf, der zugleich (anders als Maluma) Aufsteigen oder Leichtigkeit betont. (Die schwungvollen Kritzel zu den als erregt/erregend empfundenen Farben Rot und Gelb sind teils zackig, teils gerundet ausgeformt.) Nicht nur Intensität bzw. Erregung, sondern auch affektspezifische Motorik dürften also dazu beitragen, dass Sinnesqualitäten vergleichbar sind (transmodale Ausdruckswahrnehmung). Als Beleg für dieses Bindeglied zwischen den Sinnen kann man auch die gegenseitige Beeinflussung der Wahrnehmung von emotionalem Gesichtsausdruck und Sprachmelodie verstehen. Menschen mit Störungen des autistischen Formenkreises haben bekanntlich Schwierigkeiten, den Gesichtern, Körperbewegungen und Stimmen anderer abzulesen, welche Gefühle sich darin ausdrücken. Dass sich insbesondere für die stärker von Autismus Betroffenen auch Zuordnungen von Lauten und Formen nach dem Muster von Maluma und Takete keineswegs von selbst verstehen (Occelli et al., 2013), ist ein deutliches Indiz für die Rolle der Empathie, d.h. der inneren Mitbewegung (u Spiegelneurone), bei der Wahrnehmung von Köhlers Figuren und Lauten.

Farb- und Gefühlskritzel nach Kobbert, 1986, Jilk, Piesbergen & Tunner, 1995 und eigenen Stichproben; Auflösung Seite 349. Leser, die an einem Selbstversuch interessiert sind, sollen zuerst die auf den Seiten 160 und 169 beschriebenen Experimente durchführen.

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Bereits Herder und Wundt sahen die affektiven Wirkungen der Sinne als deren verbindendes Moment an. Gelegentlich werden transmodale Qualitäten als Gefühlssynästhesien bezeichnet, was indessen der Differenzierung gegenüber Synästhesien im engeren Sinn (siehe unten) nicht unbedingt dienlich ist.

Experiment u Bauhausfragebogen zu Form und Farbe II Dies ist die Auflösung zu Experiment u Bauhausfragebogen zu Form und Farbe I. Auch Ergebnisse der Experimente u Farbausdruck kritzeln sowie u Gefühle kritzeln werden angesprochen. Wer am Selbstversuch interessiert ist, sollte die unaufwendigen Experimente vor der Lektüre der folgenden Zeilen durchführen.

Kandinskys persönliche Vorlieben bei der Zuordnung von Formen und Farben kommen bereits in der (leicht suggestiven) Reihenfolge der auf dem Fragebogen angeführten Farben und Formen zum Ausdruck: Der spitze Winkel gehört, wie er in seiner theoretischen Schrift Punkt und Linie zu Fläche (1955) darlegt, zur der hellsten der drei Farben (beide stehen für hitzige Aktivität). Der stumpfe Winkel und von ihm abgeleitet der Bogen, passt in Kandinskys Augen zur Passivität, dem Zurückweichen der kühlsten der drei Farben. Bleibt für jene Farbe, die man gemeinhin als die wärmste anspricht, nur noch, sich in die Rolle des „kaltwarmen“ Mitteldings und die Vermählung mit dem rechten Winkel zu fügen. In Über das Geistige in der Kunst (1952) relativiert Kandinsky die Wärme des Rot nicht, aber konstatiert, diese Energie ruhe hier in „sozusagen männlicher Reife“ (S. 99) in sich, während sie bei Gelb nach außen dränge und das Blau vom Menschen weg und auf ein Zentrum hin ausgerichtet sei. Lupton und Miller (1994) haben den Fragebogen ein paar Designern, Lehrern und Kritikern geschickt, deren Rückantworten mehrheitlich die Aufgabe unterliefen: Mal bleiben die Formen leer, mal bekommt jede alle Farben, sei es als Mischung (Braun), sei es nach Regenbogenart, mal werden die Formen mit dreifarbigen Balken ausgeixt – man gibt sich genervt und originell. Aus einem anderen Grund verweigern manche Synästhetiker sich Kandinskys Frage: Da sie ganz automatisch z. B. das Dreieck Grün sehen, ist ihnen eine Zuordnung zu den drei vorgegebenen Farben schlechthin unmöglich (was sich in einer noch unveröffentlichten Studie von Sabine Schneider zeigte [Schneider, 2013]). Studierende jenseits von Kunst, Design und Synästhesie halten sich, wie 2002 eine Befragung in Leipzig zeigte, beim Zuordnen eher an Sonne und warnende Verkehrsschilder. Die meisten befragten Besucher einer Tagung von Kunstpädagogen, die bemerkenswerterweise bis auf eine Ausnahme angaben, Kandinskys System nicht zu kennen, gingen in Sachen Dreieck mit dem Bauhausmeister konform; eine ganze Reihe der fertigen oder angehenden Kunstpädagogen färbten das Dreieck allerdings Rot, wenn sie diese Farbe nicht bereits mit dem Runden verbanden (was jedoch mehrheitlich der Fall war; von beiden Erhebungen berichten Jacobsen & Wolsdorff, 2007). Typische Ergebnisse beim Kritzeln von Farben sprechen ebenfalls für eine Verbindung von spitzem Winkel und den beiden warmen bzw. erregenden Farben [u Abb. S. 263], wobei es bei Kobbert (1986, 2011) nach einer eindeutigen Verbindung von Zackenlinien und Gelb und rund geschwungenen Linien und Rot aussieht, während bei eigenen Stichproben Zickzack und runder Schwung regelmäßig beiden Farben zugeordnet wur-

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den. Die Kritzel zu Wut zeigen jedenfalls, dass gespannte Erregung eindeutig zu spitzwinkligen Linienzügen passt. Espe, Hautz, Krampen und Walter (2005) haben Studien zu Grundformen und Farben durchgeführt, die sich mit Kandinskys Frage überschneiden, wenn sie diese auch nicht direkt angingen. Trotz teils widersprüchlicher Ergebnisse und hauptsächlich gestützt auf eine Untersuchung zu Markenlogos, gelangen sie schließlich zu einer Einschätzung, die sich mit dem Votum der befragten Kunstpädagogen trifft: Dreieck wie Kandinsky, Kreis und Quadrat umgekehrt. Lesen u Kandinsky, 1952, 1955; Zur Vor- und Nachgeschichte von Kandinskys Bauhauslehre: Düchting, 1996, 2002; Lupton & Miller, 1994; Poling, 1982

Eventuell tragen auch Lernprozesse dazu bei, dass Qualitäten eines Sinnes auf einen anderen übertragen werden. Warum gelten manche Düfte als süß? Weil sie ebenso entspannend wirken oder gerne aufgenommen werden wie süße Speisen (u gustofaziale Reflexe)? Oder riecht etwa Vanille einfach deshalb süß, weil dieses Aroma gewohnheitsmäßig mit süßem Geschmack kombiniert ist? – Richard Stevenson und Kollegen, die nachgewiesen haben, dass Vanillearoma nicht nur süß riecht, sondern auch den Geschmack von Süße verstärken kann, vertreten diese These (Stevenson & Boakes, 2004). Sie sehen hier einen Fall von gelernter Synästhesie. Dafür, dass Süße von Gerüchen mehr sein könnte als eine transmodale Qualität, wie sie etwa eine delicato gespielte Tonfolge mit süßem Geschmack verbindet (Mesz, Trevisan & Sigman, 2011), spricht, dass die beiden chemischen Sinne prinzipiell besonders eng miteinander verbunden sind [u Teil II]. Stevenson betont in seinem Artikel zur Aromawahrnehmung im New Handbook of Multisensory Processing (2012), dass die Wirkung der Süße von Gerüchen teilweise experimentell davon isolierbar ist, ob man den süßen Geruch als angenehm oder unangenehm empfindet. In einem im gleichen Jahr erschienenen Aufsatz über die Querverbindung von Riechen zu allen anderen Sinnen äußern Stevenson und Kollegen (Stevenson, Rich & Russell, 2012) allerdings die Vermutung, es sei vielleicht doch der hedonische beziehungsweise affektive Faktor, der das so stark gefühls- und stimmungsbezogene Riechen [u Kap. 5] mit den anderen Sinnen verbände. Die affektive Parallele kann erklären, warum auch sichtbare Erscheinungen oder Melodien als süß anmuten können: Eine liebenswerte Person lächeln wir an – der Anblick fühlt sich im eigenen Gesicht und dem Körpertonus insgesamt so an wie eine süße Speise, wir sind entspannt und offen (wie erinnerlich gleicht der u gustofaziale Reflex bei süßem Geschmack dem Lächeln). Der Zusammenhang von Süße und positiven Gefühlen passt auch zur Bewertung von einzelnen Worten oder Redewendungen als süß (gegenüber z. B. solchen, die stinken). Wenn der Ethnologe David Howes (2011) dies als Besonderheit afrikanischer Sprachen (wie Dogon) gegenüber europäischen Sprachen und damit für nur kulturwissenschaftlich, nicht aber biopsychologisch erklärbar ansieht, verkennt er, wie mir scheint, nicht nur den europäischen und amerikanischen Sprachgebrauch, sondern auch, wie naheliegend es ist, dass Empfindungen, die ursprünglich auf

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Geschmack und Aroma bezogen sind, universell zu Etiketten für Bewertung auch in anderen Sinnesgebieten werden. Aus der lustbetonten körperlichen Reaktion auf Süßes im u gustofazialen Reflex leiten Spence und Deroy (2013) eine Erklärung für den experimentellen Befund ihrer Forschungsgruppe (Crisinel et al., 2012) ab, dass das Hören hoher Töne den Süßgeschmack von bittersüßen Toffees verstärkt, während tiefe Töne für den bitteren Geschmack sensibilisieren: Die Mimik des Süßen entspreche eher der Mundbewegung beim Artikulieren von hochtönenden Lauten, die des Bitteren, die auf Ausstoßen des Widerwärtigen zielt, eher den Mundbewegungen beim Erzeugen tieferer Laute. Diese These würde dazu passen, dass Aussprechen von cheese ein Lächeln aufs Gesicht zaubert und dieses u i-Gesicht tatsächlich die Stimmung aufhellt. Die phonetische Ähnlichkeit von sweet und cheese ist zudem nicht zu übersehen; auch das Wort süß ist artikulatorisch näher an der Motorik des auskostenden Aufnehmens als der des Ausspuckens oder -stoßens. Weiter fügt sich der Umstand, dass man hohe Töne auf kleine (entspannend harmlose) Geräuschquellen zurückführt [u Kap. 8], mit Anmutungen solcher Laute als süß. – Die Sache hat aber mehr als einen Haken: Zum einen wäre wegen der bekannten transmodalen Verbindung von hochtönend, hell und spitz sowie der von süß und rund eher zu erwarten, dass süß im Einklang mit tiefen Tönen steht, was tatsächlich bei einer Reihe von Experimenten herauskam (Ngo, Misra, & Spence, 2011; Ngo et al. 2013; Simner, Cuskley & Kirby, 2010). Zweitens zeigte sich in einer anderen Untersuchung der Gruppe um Spence (Crisinel & Spence, 2012) überhaupt keine signifikante Korrelation von Tonhöhe und Süß- oder Bittergeschmack. Bei dem zuletzt genannten Experiment erwies sich an Stelle der Tonhöhe die Klangfarbe des Instruments als wirksam: Klaviertöne standen da eindeutig im Einklang mit starker Süß- und schwacher Bitterempfindung; Streichertöne und die Klangfarbe von Holzblasinstrumenten eher mit ausgeprägtem Bittergeschmack. Der Unterschied in der Klangfarbe dieser Instrumente dürfte sich mit dem Eindruck glatt vs. rau überschneiden. Wenn man sich das Tonmaterial jener Studie, die süß = hohe Töne und bitter = tiefe Töne zu belegen schien, anhört (www.condimentjunkie.co.uk), wird deutlich, dass der tiefe Soundtrack, in den u. a. grollende Geräusche von Verkehr in einem Tunnel gemischt wurden, zugleich rau klingt, während die hohe Mischung, die auf legato gespielten, hallig wiedergegebenen Klaviertönen basiert, eine perlende Glätte hat. Neben der Klangfarbe entscheidet auch der abrupte oder gezogene Verlauf von Lauten darüber, ob ein hoher oder tiefer Ton anspannend oder beruhigend wirkt (smooth ist süß; Simner, Cuskley & Kirby, 2010). Fazit: Bestimmte hohe Laute passen zu süß – bestimmte tiefe auch.

Der Intensität als transmodaler Qualität ist es wahrscheinlich zuzuschreiben, dass farbige Lösungen, unabhängig davon, um welche Farbe es sich handelt, stärker zu riechen scheinen als farblose (Zellner & Kautz, 1990). Die erregende Wirkung von (satter) Farbe respektive Kontrast oder Buntheit zieht das Riechen mit [u Kap. 5]. Lesen u Gembris, 2006; Köhler, 1947; Marks, 1975, 1978, 2004; Maurer, 1997; Maurer & Mondloch, 2005; McCloud, 1994, Kap. 5; Spence, 2011; Tunner, 1999; Werner, 1959, 1966

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Synästhesie „Heute achte ich in Gesprächen oder Vorlesungen manchmal bewusst auf die inneren Farben, wenn ich mir etwas besonders gut merken will […]. Die Synästhesiefarben sind sozusagen meine natürlichen ‚Eselsbrücken‘. So kann ich mir, um ein weiteres Beispiel anzuführen, einmal gehörte Telefonnummern sehr einfach merken.“ (Schneider, 2011, S. 11) „Beim Deutsch lernen hatte ich Schwierigkeiten mit Akkusativ- und Dativ-Präpositionen, weil die Lehrerin Dativ immer mit Rot und Akkusativ mit Blau geschrieben hat. Für mich ist A allerdings rot und D ist dunkel-blau/grau, also kam ich ganz durcheinander damit.“ „[…] Fünf = orange/braun, Drei = rot und Acht = blau […]. Deswegen habe ich immer zuerst an Sieben (Gelb) gedacht, wenn ich Fünf plus Drei ausrechnen sollte.“ „Vor kurzem ist mir eine von meinen ersten Erinnerungen mit den Farben auf den Zahlen und Buchstaben wieder in den Sinn gekommen. Das erste mal als ich auch Leuten davon erzählt habe […]. Es war als wir in der Schule von Gruppe 5A nach 6A aufgestiegen sind. Also von der fünften in die sechste Grundschulklasse. A war und ist für mich immer Rot, und 5 hat so ein dunkel-orange nah an der Grenze zu Braun. 5 hat gut gepasst zu dem A. Als ich dann in der sechsten Klasse anfangen sollte, empfand ich die Farben nicht mehr als schön. Denn die Sechs ist dunkel-lila und ich fand es nicht schön neben dem roten A. Ich erinnere mich, ich habe mir schon lange davor Sorgen gemacht, und in den Schulferien gesagt, ich wolle nicht in der sechsten Klasse anfangen. Als ich das Jahr darauf in das siebente Grundschuljahr eingestiegen bin, war alles wieder ok. Sieben ist ein klares Gelb, und Gelb und Rot ist eine Farbkombination, die ich immer gemocht habe.“ (Aamondt, 2013, S. 2f.)

Phänomenologie. Das klassische Beispiel für Synästhesie (wörtlich: Mitwahrnehmung) ist das farbige Hören: ein unwillkürliches Wahrnehmen von Farben beim Vernehmen von Klängen, Lauten und Geräuschen, ohne dass entsprechende Lichtreize vorlägen. Deshalb spricht man die Farbwahrnehmungen auch analog zu Halluzinationen als Photismen an. Die Farben werden entweder „im Kopf “ gesehen oder (seltener) in den visuellen Raum projiziert (von nah vor Augen bis zu einigen Metern). Häufiger noch als visuelle Mitwahrnehmungen bei akustischen Reizen ist eine innervisuelle Synästhesie: das unwillkürliche Farbigsehen von Zahlen und Buchstaben (Graphem-Farbe-Synästhesie). Weiter evozieren Geschmäcke, Gerüche, Berührungen, Temperaturwahrnehmungen oder Schmerzen das Sehen von Farben. Diese Verbindungen sind indes deutlich seltener als das farbige Hören und Lesen (von Zahlen und Buchstaben), die zusammen mehr als die Hälfte der registrierten Fälle von Synästhesie ausmachen (Day, 2006). Nur relativ wenige der bekannten Fälle von Mitwahrnehmen münden in anderen Empfindungen als Farberlebnissen. Unabhängig von der sensorischen Präsentation lösen auch Zeitbegriffe, wie beispielsweise die Namen von Wochentagen oder Monaten, Farberlebnisse aus (Begriffssynästhesie, cognitive/conceptual synesthesia; auch als höhere Synästhesie der niederen, durch

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Empfindungen ausgelösten gegenübergestellt, die auch als Wahrnehmungssynästhesie bezeichnet wird). Seit einiger Zeit tendiert das fieberhafte Publikationswesen zum Thema geradezu zum Überkochen: Vorschnell werden neue Formen der Synästhesie ausgewiesen, Schätzungen zur Verbreitung der bekannten auf Basis keineswegs repräsentativer Stichproben spektakulär nach oben korrigiert, die Abgrenzung zu Formen der transmodalen Wahrnehmung und anderen nicht außergewöhnlichen Verknüpfungen zwischen Sinnesmodalitäten plakativ über den Haufen geworfen (auch wenn man im gewissermaßen Kleingedruckten zugeben muss, dass entscheidende Unterschiede nicht aus der Welt zu schaffen sind). Angesichts dieses Treibens, das mehr Licht auf die Sozialpsychologie der Wissenschaft wirft als auf die Sache, fehlt es glücklicherweise nicht an abkühlenden Stellungnahmen, die erläutern Why we are not all synesthetes (not even weakly so) (Deroy & Spence, 2013). Begriffsverirrungen. Im Feuilleton und der geisteswissenschaftlichen Ästhetik ist oft von Synästhesie die Rede, wenn es um Kunstformen geht, die nicht nur einen Sinn ansprechen, also multisensorisch sind. In Psychologie und Neurowissenschaft dagegen ist der Begriff reserviert für Querverbindungen zwischen den Modalitäten. Dabei hebt man Synästhesie von den transmodalen Qualitäten ab (Behne, 1998; Haverkamp, 2006). Indessen wurden und werden auch Parallelen gezogen und Unterschiede in Frage gestellt oder verwischt (etwa mit dem bereits erwähnten Begriff Gefühlssynästhesie). Van Campen (2011) spricht von synchronaesthesia, wenn er sich auf transmodale Qualitäten bezieht, der er die eigentliche Synästhesie als neural synaesthesia gegenüberstellt. Letztere erscheine ihm als internalisierte Form Ersterer – was auch immer das bedeuten mag. Ward (2012) verfolgt die Rhetorik des Alles-hängt-mit allem-zusammen, indem er u. a. einen problematischen terminologischen Vorschlag von Marks belebt, der die Rede von schwacher (weak) und starker (strong) Synästhesie eingeführt hatte. Gelegentlich versucht man, durch einen Zusatz – genuine Synästhesien – die eigentlichen Synästhesien von sonstigen Brücken zwischen den Sinnen abzugrenzen. Um Fälle, in denen Personen „schon immer“ entsprechend wahrgenommen haben, von solchen abzuheben, in denen Synästhesie als Folge von Unfällen, Erkrankungen oder vorübergehender Veränderungen (Drogen) auftreten, hebt man auch idiopathische von erworbenen Synästhesien ab; Erstere werden auch als Entwicklungssynästhesien bezeichnet. Weiter wurden in den vergangenen Jahren Formen von Synästhesie beschrieben oder, anders gesagt, solche multisensorischen Erscheinungen der Synästhesie zugeschlagen, die quer zu den bisherigen Ordnungsversuchen stehen (siehe unten). Abgrenzung. Wie besprochen, werden transmodale Qualitäten von den meisten Menschen in gleicher Form erlebt. Sie sind reversibel (laut ist hell, hell ist laut) und

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eher abstrakter Natur (auch wenn gewisse gegenseitige Beeinflussungen zu verzeichnen sind). Dagegen ❚ sind Klang-Farb-Kombinationen der Synästhetiker individuell unterschiedlich (idiosynkratisch). Das gilt ungeachtet gewisser Regelmäßigkeiten von Ton-Farbsowie Vokal-Farb-Synästhesien, die der allgemein nachvollziehbaren Analogie von Helligkeitsgrad und Tonhöhe entsprechen (Marks, 1975; Behne, 2006). Suggestionen, dieses Charakteristikum habe sich erledigt, erscheinen vorschnell. ❚ sind idiopathische Synästhesien selten. Schätzungen lagen bislang zwischen 1 : 25.000 und 1 : 200 bezogen auf die erwachsene Bevölkerung. Ward (2012) nennt nun für manche Formen der Synästhesie deutlich höhere Zahlen, die auf eigenen nichtrepräsentativen britischen Stichproben seiner Forschungsgruppe beruhen (z. B. Simner et al., 2006). Synästhesien treten familiär gehäuft auf. Da mehrheitlich Frauen betroffen schienen, erschien die Hypothese einer ans X-Chromosom geknüpften Erblichkeit plausibel (Harrison & Baron-Cohen, 1997a; Bailley & Johnson, 1997). Dies hat sich nicht bestätigt. Die Vererblichkeit indes kann heute als gesichert gelten (Asher et al., 2009; Barnett et al., 2008). ❚ sind Synästhesien fast immer Einbahnstraßen: Klang-zu-Farbe-Synästhetiker erleben in der Regel nicht auch die umgekehrte Mitwahrnehmung: Farben bleiben stumm. Ward (2012, S. 326) relativiert diese Tatsachen allen Ernstes mit der Überlegung, womöglich funktionierten die Synästhesien normalerweise in beide Richtungen, nur käme eben eine davon nicht zu Bewusstsein. ❚ sind Synästhesien meist – den Halluzinationen vergleichbar – konkrete modale Empfindungen (während Nichtsynästhetiker unter normalen Umständen einen hohen Ton als hell empfinden, ohne dabei ein Licht oder Farben zu sehen). Dass Synästhetiker auch vage Empfindungen beschreiben, sollte nicht dazu führen, die grundsätzliche Eindrücklichkeit synästhetischer Erlebnisse in Frage zu stellen. Die im vorigen Abschnitt erwähnte Süße von Düften oder Aromen passt zumindest nicht zu diesen Kennzeichen klassischer Synästhesie: Bestimmte Düfte muten allgemein als süß an. Süße kann ihrerseits Aromen verstärken, die wechselseitige Verstärkung ist nicht gleichbedeutend mit einem deutlichen, eigenständigen Erlebnis von Schmecken (wie es z. B. bei seltenen Fällen von auditiv-gustatorischer Synästhesie vorkommt). Die ebenfalls in diesem Kapitel schon angesprochene u erworbene visuell-taktile Synästhesie wie auch die u empathisch visuell-taktile Synästhesie sind zwar, wie klassische Synästhesien, selten, einseitig und konkret sensorisch: Gleichwohl sind diese Mitempfindungen weniger rätselhaft, handelt es sich doch offensichtlich in beiden Fällen lediglich um die ungewöhnliche Steigerung einer von allen Menschen geteilten Konvergenz von Sehen und Spüren (zur Kritik einer Verwässerung des Synästhesiebegriffes in diesem Zusammenhang siehe Rothen, N. & Meier [2013]).

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Der Unterschied von Synästhesien zu Halluzinationen liegt darin, dass ein äußerer Reiz ursächlich ist. Allerdings kommt es bei Menschen, denen unter normalen Umständen Mitwahrnehmungen fremd sind, unter Bedingungen, die Halluzinationen erzeugen (psychoaktive Drogen, Sinnesausfälle/u sensorische Deprivation), offenbar auch zu Synästhesien. Manche berühmte Dichter-Synästhesie, wie etwa die von Baudelaire, verdankt sich wahrscheinlich ausschließlich dem Konsum von Drogen. Umstände, die verselbständigte Nervenaktivität in sinnesspezifischen kortikalen Gebieten herbeiführen, scheinen auch Mitwahrnehmungen zu erleichtern. In diesem Zusammenhang ist auch das gehäufte Auftreten von Synästhesien bei Epilepsien und in Migräneauren zu sehen. Dass viele Meditierende von Synästhesien berichten (Walsh, 2005), hängt ebenfalls vielleicht weniger mit der gesteigerten „Achtsamkeit“ zusammen als mit u sensorischer Deprivation durch ungewöhnliche Konzentration und die dadurch angestoßenen zentralnervösen Entladungen (Dittrich, 1985). Man kann die Varianten erworbener bzw. temporärer Synästhesie als Quasi-Experimente betrachten. Damit sind sie in theoretischer Hinsicht interessant. Ob die Erlebnisse bei erworbenen Synästhesien denen bei idiopathischer Synästhesie hinreichend ähnlich sind, um sie überhaupt unter einem gemeinsamen Dach zu versammeln, ist indessen strittig (Harrison & Baron-Cohen, 1997a). Glaubwürdigkeit. Berichte von synästhetischen Erlebnissen faszinieren, weil die meisten Menschen niemals Vergleichbares erfahren haben. Aus dem nämlichen Grund fällt es manchem schwer, ihnen Glauben zu schenken. Verschiedene Indizien sprechen indes gegen ein grundsätzliches Bezweifeln des Phänomens. 1. Unangekündigt wiederholte Befragungen reproduzieren – auch nach Monaten oder Jahren – weitgehend die zunächst berichteten individuellen Kombinationen. Darin sieht man mit Simon Baron-Cohen, der diesen Test einführte, eine Bestätigung der Wahrhaftigkeit, da Zuordnungen etwa von Klängen und Farben, die man bei Nichtsynästhetikern erfragt, von diesen schon in relativ geringem zeitlichen Abstand deutlich variieren. 2. Auch Aufzeichnungen von Aktivitätsmustern des Gehirns deuten auf die Objektivität des individuellen subjektiven Phänomens hin: Sie unterscheiden sich bei gleichen Reizen von dem, was sich an den Hirnen von Nichtsynästhetikern ablesen lässt. 3. Schließlich erlauben Graphem-Farbe-Synästhesien Tests, die in der Erleichterung oder Erschwerung der visuellen Wahrnehmung durch Farbe gründen: a) Bei unübersichtlichen Suchaufgaben (z. B. eine 2 in 5en als „Nadel im Heuhaufen“ [u Abb.]) sollte das Sehen von Ziffern in unterschiedlichen Farben so hilfreich wirken wie für einen normalsichtigen NichtsynästhetiSuchaufgabe ker das Rot beim Suchen nach reifen Tomaten im Blattwerk.

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Was unter geeigneten Umständen tatsächlich der Fall ist (Ramachandran, Hubbard & Butcher, 2004; zur Diskussion der Bedingungen siehe Kap. 4–7 und 12 in Robertson & Sagiv, 2005; auch wenn die gesuchten Objekte bei Synästhetikern nicht regelrecht aufpoppen, verschafft ihnen ihre Eigenheit offenbar einen nachweisbaren Vorteil bei solchen Aufgaben [Rich & Karstoft, 2013]). b) Bei Synästhetikern treten Stroop-Effekte auf. (Dieser nach seinem EntdeStroop-Effekt cker benannte Effekt besteht in der verzögerten Lesegeschwindigkeit von Farbnamen, die in anderen Farben als der bezeichneten geschrieben sind; z. B. „Rot“ in grünen Buchstaben [u Abb.]). Auch synästhetische Stroop-Effekte beziehungsweise die umgekehrte Erleichterung bei Synästhesie (wessen /G/ gelb ist, der liest das schwarz geschriebene Wort Gelb schneller – so wie sich ein Nichtsynästhetiker mit einem gelb geschriebenen Gelb besonders leicht tut) hat man nachgewiesen (u. a. Dixon et al., 2004; Mattingley & Rich, 2004). Allerdings tritt dieser Effekt auch dann auf, wenn Nichtsynästhetiker sich forciert Kombinationen von Zeichen und Farbe einprägen. Man hat solchen Drill als Synästhesietraining bezeichnet (Rothen, Wantz & Meier, 2011), aber damit bislang niemandem zu synästhetischen Erlebnissen verholfen: Die Automatisierung von Assoziationen zeigt eine Wirkung, die sich an einem Punkt mit einem Effekt der Synästhesie überschneidet, bringt aber eben keine Mitwahrnehmung mit sich; das gewählte Etikett für das Einpauken von Assoziationen steht also allenfalls für eine Absicht; angesichts des Resultats erscheint es ebenso plakativ wie irreführend. 4. Weiterhin nutzt man die Möglichkeit, bei Synästhetikern einen Schreckreflex, den man ihnen durch die Kopplung eines plötzlichen lauten Tons mit einer Farbe antrainiert, auch durch das Zeichen oder Objekt auszulösen, das jeweils die Synästhesie mit sich bringt. Jemand, für den die /8/ auf synästhetische Weise Blau ist, zuckt also schon bei einer /8/ zusammen, wenn man den bedingten Schreckreflex für Blau bei ihm installiert hat. Im Gegensatz dazu führt das bloße Antrainieren von Assoziationen, von dem im vorigen Absatz die Rede war, nicht zu einer derartigen Übertragung des Reflexes. So haben Rothen und Kollegen nachgewiesen, dass ihnen jemand mit der Behauptung einer durch unterschiedliche Schwimmstile ausgelösten Farbsynästhesie wohl keinen Bären aufgebunden hat (Rothen et al., 2013). Theorie. Was steckt hinter den ungewöhnlichen Verbindungen? Bislang gibt es lediglich Spekulationen, die viele Fragen offen lassen. Und die Versuchung, bedeutsam klingende Begriffe – etwa: Hyperbinding – zu prägen (Emrich, u. a. 2002). Neurologische

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Spekulationen werden teils mit entwicklungspsychologischen Vorstellungen verknüpft. Heinz Werner (1966) macht bei seiner sensorisch-tonischen Theorie, die das retikluäre Erregungssystem ins Spiel bringt, keinen Unterschied zwischen Synästhesie und transmodalen Qualitäten. Er ging davon aus, dass sich die verschiedenen Sinnesgebiete erst im Laufe der Individualentwicklung deutlich voneinander unterscheiden. Zugespitzt: Alle Kinder (und auch Naturvölker) sind Synästhetiker, (normale) zivilisierte Erwachsene nur noch in besonderen Bewusstseinszuständen bzw. wenn sie Sinnesreize nicht (aufmerksam) wahrnehmen, sondern empfinden (subjektive vs. objektive Einstellung). Die besonderen Kennzeichen von Synästhesien, insbesondere ihre Idiosynkrasie, bleiben ungeklärt. Auch Daphne Maurer (1997) vermutet, dass wir als Synästhetiker geboren werden. Zunächst würden gar nicht unterschiedliche Qualitäten wahrgenommen, sondern nur verschiedene Grade von Erregung. Damit erklärt sie nebenbei die gängige Deutung der entwicklungspsychologischen Experimente zum u Molyneux-Problem zu einem Missverständnis: Die Säuglinge würden gar nicht taktil-haptisch oder visuell Formen wahrnehmen, sondern bei gleichen Formen über beide Kanäle lediglich jeweils im gleichen Maße erregt. Maurer stützt sich auf Studien, die bei Säuglingen intermodale Wechselwirkung von Licht und Lautstärke nachweisen (Lewkowicz & Turkewitz, 1980; tatsächlich erlaubt dieses Ergebnis nicht mehr als die Feststellung, dass Intensität bereits im Säuglingsalter transmodal wirkt). Maurer unterstellt im Gehirn von Säuglingen übermäßige Verbindungen zwischen Kortexarealen, die sich im Lauf der Entwicklung ausdünnten (pruning; z. B. bei Hamstern nachgewiesen). Warum Synästhesien Einbahnstraßen sind und meist zur Farbe führen, versucht die Theorie nicht zu erklären. Vilayanur Ramachandran und Kollegen (u. a. Ramachandran, Hubbard & Butcher, 2004) haben in den vergangenen Jahren mit größerer Resonanz eine Variation des Konzepts von Überbleibseln besonders starker frühkindlicher kortikaler Vernetzung ins Gespräch gebracht. Danach führt die Mutation eines einzelnen Gens zu der geringen Ausdünnung der infantilen Verbindungen zwischen der Graphem-Region im Temporallappen und dem benachbarten Hirnareal V4, das an der Farbwahrnehmung beteiligt ist; auf dieser Basis würden dann individuell Buchstaben bzw. Zahlen-Farben-Kombinationen gelernt. Auch zwischen anderen kortikalen Gebieten könnte die genetisch bedingte Hyperkonnektivität und damit andere Mitwahrnehmungen entstehen. – Woher aber die Einseitigkeiten der Verbindungen und die besondere Rolle von Farbe? Weiter spekulieren Ramachandran und seine Mitautoren über den Ursprung des metaphorischen Denkens in der Synästhesie. Dabei knüpfen sie an Köhlers These von der transmodalen Bedeutung von Dynamik an, die dieser anhand des Demonstrationsbeispiels u Maluma und Takete entwickelt hatte (von ihnen stammt die Variante bouba und kiki; u. a. Ramachandran & Hubbard, 2005). Die Verbindung dieser Überlegungen zu ihrer Ausdünn-These bleibt dunkel.

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Richard Cytowic, dessen zuerst 1993 erschienenes Buch The man who tasted shapes dem Thema zu neuer Popularität verhalf (mit der Darstellung einer recht untypischen Synästhesieform), spielt auf Parallelen zu Erlebnissen bei Temporallappenepilepsie, Migräneaura und Drogenrausch an und vermutet eine ursächliche Rolle limbischer Aktivität, die ansonsten vom Kortex aus gehemmt würde (u. a. Cytowic, 2002; ähnlich: Emrich, 2002). Neuerdings setzt er auf die mitursächliche Rolle von Gefühlen, ohne sich auf eine neuroanatomische Lokalisierung festzulegen (2003). Betroffene betonen demgegenüber oft ein völlig unpathetisches Mitwahrnehmen – Töne haben z. B. für sie seit jeher Farben, warum sollen sie darüber jedesmal in Verzückung geraten (Day, 2006). Es bleibt auch unklar, wie Gefühle zu den besprochenen Eigenheiten, wie z. B. dem Einbahnstraßen-Charakter, führen sollen. Eine speziell auf Graphem-Farbe-Synästhesien gemünzte Theorie besagt, der frühzeitige Umgang mit bunten Eisschrank-Magnetbuchstaben etc. sei für diese Synästhesieform verantwortlich. Das erscheint, nach Harrison und Baron-Cohen (1997a), die diese Erklärung erwähnen, aus einer ganzen Reihe von Gründen kaum plausibel. So unterscheiden sich z. B. die Zuordnungen von gemeinsam aufgewachsenen Geschwistern, zudem haben bei Synästhetikern – anders als den Spielzeugbuchstaben – im Alphabet benachbarte Buchstaben oft ähnliche Farben. Weiter sind die Farben hier meist braunstichig-fahl, dort aber immer satt. Warum schließlich sind angesichts der großen Verbreitung solcher Objekte nur so wenige Menschen betroffen? Die vorliegenden Spekulationen lassen nicht nur wesentliche Fragen offen, sondern verwischen teilweise auch die Unterschiede zu transmodalen Qualitäten. Das verdankt sich vielleicht nicht zuletzt der Absicht, möglichst weitreichende Theorien zu entwickeln. Lesen u Baron-Cohen & Harrison, 1997; Calvert, Spence & Stein, 2004, Kap. 52– 54; Cytowic, 2002; Cytowic & Eagleman, 2009; Deroy & Spence, 2013; Dittmar, 2007; Marks, 1978; Maurer, 1997; Ramachandran & Hubbard, 2001, 2003; Robertson & Sagiv, 2005; Kriminalroman, der Recherchen zur Synästhesie verwertet: Suter, 2007

Kunst, Medien & Werbung u Bilder von der Einheit der Sinne/Synästhesien Synästhesien ins Bild zu setzen, hat einen gewissen (wegen der Probleme der getreuen Umsetzung schwer wägbaren) informativen oder wissenschaftlichen Wert. Bildwerke oder audiovisuelle Inszenierungen, die beanspruchen, synästhetische Erlebnisse mitzuteilen, wurden und werden indessen auch als Kunstwerke intendiert und betrachtet. Das rätselhafte Phänomen hatte um die Wende zum 20. Jh. gestandene Künstler fasziniert, und manch einer, Kandinsky etwa, hat sich als Synästhetiker ausgegeben, der, soweit sich das rekonstruieren lässt, wohl gar keiner war (Harrison & Baron Cohen, 1997b). Weniger aus kunsttheoretischer Faszination setzen auch tatsächlich Betroffene ihre Erlebnisse in Bilder oder andere Produktionen um. Sie finden oftmals ein interessiertes Publikum.

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Das Interesse am Rätselhaften oder Kuriosen bleibt indessen nicht unwidersprochen. Unter dem Titel Über die Untauglichkeit der Synästhesie als ästhetisches Paradigma stellt der Musikwissenschaftler Klaus-Ernst Behne (1998) provokativ fest, etwaige Synästhesien eines Künstlers seien nicht mitteilenswerter als seine Fingerabdrücke (beides persönliche Eigenheiten ohne allgemeines Interesse). Ward und Kollegen (Ward et al. 2008; vgl. Ward, 2011) ließen fünf Synästhetiker ihre farbigen Mitwahrnehmungen bei Varianten von Violin- und Cellotönen schildern und setzten die zeitlichen Verläufe dann in professionelle Animationen um. Dieses Material (Ward et al., 2006), das man auf youtube.com als Publikation von Psychology Press findet, wenn man nach animations samantha moore sucht, ließen sie von Nichtsynästhetikern bewerten (liking, eruiert durch einen interaktiven Bildschirmbalken, auf dem man einen Punkt zwischen einem Smiley und dem Piktogramm eines unglücklichen Gesichts positionieren sollte). Was eine derartige Beurteilung über den aesthetic appeal der Animationen, um den es den Autoren ging, aussagt, ist eine Frage für sich (siehe den Anfang des nächsten Kapitels). Jedenfalls schnitten die nach Anweisung der Synästhetiker erstellten Animationen nicht besser ab als jene Clips, die man um 90° gedreht oder farblich verändert hatte (Gegenfarben). Nur wenn die Töne (die, wohlgemerkt, ein relativ breites Spektrum von zeitlichen Charakteristiken aufweisen) zufällig mit den bewegten Bildern gemischt wurden, fiel der Pegel der Zustimmung ab. Was hauptsächlich ansprach, war demnach die Synchronizität der Animationen mit dem Klangverlauf, die bei den Zufallskombinationen auf der Strecke blieb. Nach Angaben von Nichtsynästhetikern hergestellte Animationen punkteten schwächer (dieses Material, das es erlauben würde, nach objektiven Anhaltspunkten für das unterschiedliche Maß des Mögens zu sehen, ist leider nicht zugänglich). Die Faszination von Künstlern, wie Kandinsky, für das Thema ist mit dem Geheimnisfaktor nicht ausreichend umschrieben. Es ging Kandinsky, Klee & Co. wohl auch nicht hauptsächlich darum, Töne und Farben schematisch ineinander zu übersetzen (oder Farbe und Form; siehe Experiment u Bauhausfragebogen zu Form und Farbe I & II). Das zentrale Anliegen von Über das Geistige in der Kunst (Kandinsky, 1952) oder des Klee’schen Diktums, Kunst habe nicht abzubilden, sondern sichtbar zu machen, ist n. m. E. weder die Überhöhung von kuriosen Idiosynkrasien noch dogmatische Zuordnung von Farben zu Klängen oder Formen. Im Wesentlichen scheint es ihnen eher darum zu gehen, das Augenmerk auf einen dynamischen (sensomotorischen) Kern des Erlebens zu lenken (u transmodale Qualitäten als Kern der Wahrnehmung von Ausdruck bei Lebewesen, Dingen und Räumen). Die gestaltpsychologische Kunstpsychologie Rudolf Arnheims hat dieses Grundthema übernommen. Lesen u Arnheim, 1978, 1980a–c; Behne, 1998, 2002; Jewanski & Sidler, 2006; Kandinsky, 1952, 1955; Maur, 1985; Podoll, 2007

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Rückschau in Fragen Wofür steht der Begriff Bindungsproblem? Welche Lösungen werden diskutiert? Was ist der peripersonale Raum? Welche Rolle spielt dieser beim Gebrauch von Werkzeugen? Was ist ❚ der Bauchredner-Effekt? ❚ die Doppelblitz-Illusion? ❚ das Freezing-Phänomen? ❚ der Prellball-Effekt? Welche allgemeine Schlussfolgerung hinsichtlich der Zusammenarbeit von Hören und Sehen legen diese Phänomene nahe? Helligkeit ist eine transmodale Qualität. Was bedeutet das? Inwiefern kann Süße als transmodale Qualität angesprochen werden? Wie werden transmodale Qualitäten erklärt? Wie lassen sich transmodale Qualitäten von Synästhesien abgrenzen? Wie kann man nachweisen, dass Synästhesien tatsächlich vorkommen (statt nur behauptete Wahrnehmungsqualitäten zu sein)? Wie erklärt man sich Synästhesien?

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Ästhetisches Erleben und Atmosphäre

Ästhetische Momente des Wahrnehmens sind uns in den vorstehenden Kapiteln auf Schritt und Tritt begegnet. Ästhetisches Erleben ist alles andere als eine spezielle Sphäre des menschlichen Lebens. Es ist keineswegs auf die Begegnung mit Kunstwerken beschränkt. Ein verbreiteter Zugang psychologischer Forschung zur Ästhetik ist es, zu untersuchen, welche Reize gegenüber anderen bevorzugt werden. Wenn man Versuchspersonen Bilder von verschiedenen Gesichtern oder Mustern vorlegt und sie auffordert, diese jeweils nach Gefälligkeit zu sortieren, also in eine Rangfolge zu bringen, produziert man allerdings möglicherweise eine Art von Gefallens- oder Geschmacksurteil gegenüber Objekten, die im wirklichen Leben gar nicht aufgefallen wären. Selbst wenn wir jenseits psychologischer Untersuchungen beiläufig jemanden oder etwas eher hübsch oder hässlich finden oder beim Blättern in Illustrierten oder Katalogen Gesichter und Gegenstände taxieren, ist das kein ästhetisches Erlebnis im emphatischen Sinn, sprich: eine Wahrnehmung mit Ausrufezeichen. Um eine solche bemüht man sich eventuell (konform mit den Bildungsnormen unserer Kultur), indem man vielgerühmte Werke der Portraitkunst auf sich wirken lässt; oder allgemeiner durch einen Museumsbesuch. Vielleicht wird man auch ausnahmsweise ganz zufällig einmal im Vorbeigehen in den Bann eines atemberaubend schönen Gesichts gezogen oder von einer unerwarteten (sicht-, hör-, riechbaren) Situation oder Szene gefangen. Halten wir fest: Ästhetisches Erleben ist mehrschichtig, reicht von experimentell herausgekitzelten Bewertungen gegenüber ansonsten indifferenten Reizen über spontane praktische Bevorzugung und verbale Geschmacksurteile bis zu Augenblicken, in denen ein Wahrnehmen – aus welchen Gründen auch immer – hervorsticht. In diesem Kapitel werde ich nun Theorien ansprechen, die sich um die Erklärung der ästhetischen Seite des Wahrnehmens bemühen. Zunächst geht es um Perspektiven, die in der Psychologie eine gewisse Tradition haben. Anschließend komme ich zu der Frage, was das Erleben von Atmosphäre – über welchen Sinn sie sich auch vermitteln mag – ausmacht; das ist ein Thema, dem sich Psychologie bislang kaum gewidmet hat.

Neuro-Skizze u Ästhetisches Erleben Entsprechend der Vielfalt der im Text angesprochenen Bedingungen für lustvolles Wahrnehmen wurden und werden unterschiedliche Ebenen des Gehirns mit dem ästhetischen Erleben in Zusammenhang gebracht: ❚ Das vom Hirnstamm ausgehende aufsteigende retikuläre Erregungssystem, das Zugänge aus allen Sinneskanälen, aber auch aus dem limbischen System und dem Kortex erhält, ist vielleicht direkt für die ästhetische Wirkung intensiver Reize – gleißendes Licht, Lautstärke – verantwortlich; vermittelt kann es auch zur herausgehobe-

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nen Wahrnehmung biologisch oder kulturell bzw. individuell bedeutsamer Reize beitragen; Berlyne (s. Text) sah hier den für ästhetisches Erleben wesentlichen Bereich des Gehirns. ❚ Limbische Strukturen, die wahrscheinlich genetisch verankerte Bewertungen bereithalten (Schreckreize; Reize, auf die Nahrungs- und Sexualtrieb ansprechen; Lust am Suchen und Entdecken) sowie entsprechend den kulturellen Bedingungen und der individuellen Lerngeschichte auch von anderen Reizen angesprochen werden; in diesem Sinn werden z. B. die Verbindungen der multisensorischen orbitofrontalen Bereiche zu Mandelkern (Amygdala) und Belohnungszentren im limbischen System und Hypothalamus gedeutet [u Kap. 9]. Belohnungszentren heißen so, weil Versuchstiere, die sich in diesen Bereichen durch eingepflanzte Elektroden selbst elektrisch reizen können, dies ausgiebig und bis zur Erschöpfung tun (ursprünglich eine zufällige Entdeckung). Wegen des wesentlichen Botenstoffs werden diese Strukturen auch aufsteigendes Dopamin-System genannt (Kokain verdankt seine euphorisierende Wirkung der Beeinflussung des Dopaminstoffwechsels). Aber auch „Schmerzzentren“ können zum Zielpunkt elektrischer Selbststimulation werden; das könnte daran liegen, dass deren Reizung hirneigene Opiate (Endorphine) freisetzt. Wahrscheinlich prädestinieren genetisch bedingte Eigenheiten im Dopamin- und Endorphinstoffwechsel zu Suchtverhalten bzw. rastlosem Abenteurertum (sensation-seeking). ❚ Hirnstamm, Bereiche des limbischen Systems, Hypothalamus und der Belohnungsund Bewertungsinstanzen im präfrontalen Kortex sind über das autonome Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus) und den Hormonhaushalt mit den viszeralen Funktionen (Atmung, Kreislauf, Verdauung, Sexualität, Wärmehaushalt) verbunden, die wesentlich die Stimmung oder hintergründige Befindlichkeit ausmachen. Das, was man in den Eingeweiden spürt (the visceral, gut feelings), ist im englischen Sprachraum geradezu zum Synonym für tiefverwurzelte und -empfundene affektive Reaktionen geworden. Diese Redeweise kann unglücklicherweise dazu beitragen, dass man die ebenfalls affektiv tiefgehende Wahrnehmung von Ausdruck, für welche die innere Mitbewegung verantwortlich ist, also das System der u Spiegelneurone, das mit dem willkürlichen Nervensystem beziehungsweise der Skelettmuskulatur zusammenhängt, und das Spüren von Stimmungen, das beim Erleben von Atmosphäre von zentraler Bedeutung ist [u Atmosphäre: Milieu-Empfinden in diesem Kapitel], in einen Topf wirft (wie es etwa Donald Norman in seinem Buch Emotional Design tut [2004]). ❚ Kortikale Bereiche. Einerseits sensorische Areale. Der Neurophysiologe Zeki (1999) erklärt die Attraktivität künstlerischer Stile, die bestimmte Wahrnehmungsqualitäten wie Form, Farbe oder Bewegung besonders ansprechen, damit, dass diese Qualitäten getrennt (modular) verarbeitet werden: Selektive Aktivierung bedingt ästhetische Wirkung. Wie Objekte, die nicht auf Isolation von Farbe oder Bewegung etc. setzen, ästhetisch wirken können, bleibt ungeklärt. Freedberg und Gallese (2007) heben die Bedeutung u bimodaler visuell-somatosensorischer kortikaler Neurone und vor allem die Involvierung prämotorischer Areale (u Spiegelneurone) für die einfühlende Wahrnehmung von Bildern und Plastiken hervor. Sie lassen indessen offen, was solche Wahrnehmungen zum ästhetischen Erlebnis macht (die Aktivierungen, die sie ansprechen, sind ja beständig am Werk). Neben sensorischen und motorischen Area-

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len könnten auch Gebiete im Frontal- und Parietallappen, von deren Aktivität Aufmerksamkeit abhängt, für das ästhetische Erleben von Bedeutung sein. Wenn man mit bildgebenden Verfahren in das Gehirn von Versuchspersonen schaut, während diese Geschmacksurteile zu diversen Bildvorlagen abgeben, sieht man neben einer stärkeren Aktivierung diverser visueller Areale bei bevorzugten Bildern (die offenbar mehr Aufmerksamkeit finden) Hinweise auf erhöhte Aktivität frontaler Strukturen, die mit dem Belohnungswert von Erfahrungen in Verbindung gebracht werden; das betrifft u. a. den als Teil der Basalkerne unterhalb des Kortex lokalisierten Streifenkörper (Striatum), der hauptsächlich zur Integration motorischer Funktionen beiträgt, und Bereiche des insularen und orbitofrontalen Kortex, die auch beim positiven Erleben von Musik eine Rolle spielen [u Neuroskizze in Kap. 8 und 9]. Unabhängig von der Aktivität bestimmter Bereiche des Gehirns ist der Grad der Aufmerksamkeit bzw. der Bewusstheit von Wahrnehmungen mit dem Maß der Synchronizität der neuronalen Aktivität in verschiedenen Arealen verbunden (wie im letzten Kapitel angesprochen, werden bestimmte Formen synchroner Entladungen auch damit in Verbindung gebracht, dass wir überhaupt etwas wahrnehmen – z. B. einen Vogel – und nicht bloß Farben, Formen, Bewegung und Gezwitscher; u Bindungsproblem). Der Gedanke liegt nahe, gesteigerte Synchronizität mit (lustvoller) Vergegenwärtigung des Wahrnehmens in Verbindung zu bringen. Das synchrone Hirnstrombild in der epileptischen Aura bei gleichzeitigem Erleben höchster Intensität und Sinnfülle ist ein Indiz für den Zusammenhang von ästhetischem Erleben und herausragender Synchronisierung. Auch durch Meditation veränderte Bewusstseinszustände zeichnen sich durch ein besonders synchrones Hirnstrombild (EEG) aus. Man kann darüber spekulieren, ob auch die Verbindung von Gesang oder Musik und Bewegung bzw. Tanz, die oft als „Urkunst“ angesprochen wird, sowie die Lust an harmonischen bzw. rhythmischen Körperbewegungen im Allgemeinen mit außergewöhnlicher Synchronisierung neuronaler Prozesse zusammenhängt (Ekstase durch Synchronisierung). Lesen u Funktionelle Neuroanatomie allgemein: Bösel, 2006; Aufmerksamkeit/Erregungssystem: Berlyne, 1971; Birbaumer & Schmidt, 2006, Kap. 21; Mesulam, 2000; Synchronisation: Large, 2010 (bei Musik); Llinás, 2001; Singer & Ricard, 2008; Limbisches System, Belohnungs- und Bewertungszentren: Birbaumer & Schmidt, 2006, Kap. 25; Brown & Dissanayake, 2009; Kirk, 2011; Panksepp, 1998, 2000; Rolls, 2005; Viszerales Empfinden: Damasio, 1995, 2000; Studien mit bildgebenden Verfahren: Chatterjee, 2011; Ishai, 2011; Vartanian & Goel, 2004a, 2004b; Zaidel, 2005, Kap. 9

Lust, Erregungsgrad und Komplexität Ein Ansatzpunkt für Versuche, ästhetisches Erleben zu erklären, ist der Zustand des Organismus bzw. dessen Veränderung als Folge von dem, was man wahrnimmt. Nach dem Motto: Reize haben dann ästhetisch gewirkt, wenn sie eine wünschenswerte Befindlichkeit erzeugen. Hauptsächlich zwei Aspekte oder Dimensionen des Befindens wurden und werden dabei ins Auge gefasst: der Grad der Erregung und der

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Gegensatz von Lust und Unlust. In einem bis heute vielzitierten Ansatz ging Berlyne (1971) davon aus, dass beide Dimensionen voneinander abhängig sind: der Grad der Erregung das Maß von Lust oder Unlust bestimmt (der sozusagen energetische Zustand die elementare Bewertung auslöst, ob man sich gut oder schlecht fühlt). Berlyne postuliert: Bei steigender Erregung steigt zunächst auch die Lust, doch bei weiter zunehmender Intensität fällt die Lust wieder ab; bei noch größerer Erregung gerät man in den negativen Bereich wachsender Unlust. Ähnlich hatten schon Wilhelm Wundt und vor diesem noch Gustav Theodor Fechner in der zweiten Hälfte des 19. Jh. einen mittleren Grad der Erregung als optimal für das Wohlbefinden betrachtet. Berlyne vermutete nun, dass ein derartiger Zustand des Organismus dann entsteht, wenn dieser Objekte, Situationen, kurz: Reize registriert, die ihn genügend, aber nicht zu sehr herausfordern. Er untersuchte die Beurteilung von Vorlagen mit unterschiedlichen Graden von Neuheit, Überraschung, Komplexität, Zwiespältigkeit oder Rätselhaftigkeit. Würden Versuchspersonen jeweils mittlere Werte bevorzugen, wäre das auch, so unterstellte Berlyne, ein Beleg für die ästhetische Wirksamkeit mittelstarker Erregung. Berlyne bezeichnete seine Reizdimensionen als collative, d. h. vergleichende Variablen, weil sie, wie er meinte, einen Informationsvergleich unterschiedlicher Quellen implizieren (1971, 69); alternativ sprach er von strukturellen Eigenheiten, was deshalb irreführend ist, weil z. B. Neuheit oder Überraschung ja immer nur im Verhältnis zum Subjekt gegeben sein können. Berlynes Studien, bei denen Probanden z. B. unterschiedlich komplexe Strichzeichnungen zu beurteilen hatten, bestätigten kulturübergreifend die Hypothese, dass dem Mittelmaß der Vorzug gegeben wird. Dieses Forschungsprogramm ist als neue empirische Ästhetik berühmt geworden. Als neu etikettierte Berlyne seine Untersuchungen, weil er darin die Wiederbelebung sowie methodische Professionalisierung von Bemühungen Fechners sah, der schon hundert Jahre zuvor Leipziger Galeriebesucher gefragt hatte, was ihnen besser oder schlechter gefiel – also empirische Ästhetik (Ästhetik von unten) betrieb, statt allein aus Begriffen ableiten zu wollen, was das Schöne sei (Ästhetik von oben). Es ist von vielen Seiten kritisch darauf hingewiesen worden, dass unbeschadet dieser Forschungsergebnisse kein Zweifel daran bestehen kann, dass auch sehr erregende Situationen von Menschen (ästhetisch) genossen werden; man denke nur an die Ekstasen von Besuchern eines Rockkonzertes oder, allgemeiner gesprochen, die Glücksgefühle bei lauter Musik [u Kap. 8], die Empfänglichkeit von Menschen für gleißendes Licht [u Kap. 7], die Lust an stark erregenden Hautreizen, wie sie die Sauna oder scharfe Speisen vermitteln [u Kap. 2, 5 und 6], sowie die berauschende Wirkung abrupter Beschleunigung [u Kap. 4]. In der geisteswissenschaftlichen Ästhetik werden solche dionysischen Freuden (abgeleitet vom griechischen Gott Dionysos als Schutzpatron orgiastischer Feste) den apollinischen gegenübergestellt, die eher der distanzierten Betrachtung des Museumsbesuchers entsprechen und als Muster der Kunst-Ästhetik gelten. Umgekehrt gilt auch, dass extrem ruhige Situationen bzw. das Ausblenden von

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Reizen – wie in der Ästhetik des Zen-Buddhismus bzw. Formen der Meditation kultiviert – erfüllend sein können (Fischer, 1971). Diese Einwände betreffen nicht nur das Konzept der neuen empirischen Ästhetik. Sie gelten auch für andere Theorien, die ästhetische Potenz nur ganz bestimmten Erregungs- beziehungsweise Spannungsgraden oder -verläufen zubilligen. Etwa die von Kreitler und Kreitler in Psychologie der Kunst (1980) vertretene These, das Kunsterlebnis verdanke sich immer einer zweiphasigen Einwirkung auf den Organismus: 1. einer Steigerung der (mehr oder minder diffusen) Spannung, die der Rezipient in die Situation mitbringe, und 2. der durch die Aufgipfelung erst ermöglichten lustvollen Lösung der Spannung. Der These, erst mit der schlussendlichen Entspannung trete das ästhetische Erlebnis ein, widerspricht indessen, dass schon Steigerung von Spannung und nicht erst ihr Verschwinden Lust bereiten kann. Wie Berlynes Theorie mag auch dieses Modell der Homöostase (Gleichgewichtsregulation), wie die Autoren ihren Ansatz nennen, bestimmte Momente des ästhetischen Erlebens treffend beschreiben. Mit dem Anspruch einer erschöpfenden Erklärung des ästhetischen Wahrnehmens durch optimalen Erregungsgrad oder Spannungsverlauf scheitern beide Konzepte jedoch. (Auf die Beziehung von Lust, Erregung und Spannung komme ich im Abschnitt zur Atmosphäre zurück.)

Philosophische Ästhetik u Vom Erhabenen und Schönen Der britische Denker Edmund Burke (1956/1756), dessen Bemerkungen etwa zu angenehmen bzw. unangenehmen Tast- oder Geschmacks- oder Beleuchtungserlebnissen wir schon begegnet sind, nahm an, dass das Erlebnis des Schönen grundsätzlich auf die entspannende Wirkung von bestimmten Empfindungen bzw. Wahrnehmungen zurückzuführen sei (z. B. bei Glätte, Süße oder milder Beleuchtung). Ästhetisches Erleben ist in seinen Augen aber nicht auf den entspannenden Genuss von Schönheit beschränkt, sondern kann auch durch Schreck und Schmerz (sofern sie nicht wirklich die Existenz gefährden) hervorgebracht werden. Das Erhabene (the sublime), wie Burke entsprechende Situationen nennt, wirkt nach seiner Analyse durch extrem starke Erregung, bei der Unlust in eine eigene Art von Lust umschlage. (Burkes Beobachtungen treffen sich mit dem in der Neuro-Skizze dieses Kapitels erwähnten Umstand, dass auch Schmerzzentren zur elektrischen Selbststimulation einladen. Einen neurobiologisch inspirierten Versuch zur Ästhetik von Furcht und Schrecken, der ganz ohne Hinweis auf Burke und das Erhabene auskommt, hat Aiken 1998 vorgelegt.)

Hinsichtlich der Frage nach Wirkung unterschiedlicher Komplexität von Reizen auf das ästhetische Erleben trifft sich Berlynes Ansatz mit dem zentralen Thema von Theorien der sogenannten Informationsästhetik (Birkhoff, Bense, Franke). Jenseits möglicher Vermittlung über den Erregungszustand wurde hier nach einer Formel für ein Verhältnis von Komplexität bzw. Reizfülle und Ordnung bzw. Einfachheit gesucht,

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die dem „Informationsverarbeitungssystem Mensch“ besonders angemessen sei. Ein grundlegendes Problem solcher Theorien, die durch die Entwicklung der Nachrichtentechnik im 20.Jh. angeregt worden waren, ist die Abstraktion vom Inhalt der Information, also der Bedeutung unterschiedlicher Situationen. Wenn man nach einem idealen Forschungsgegenstand für diese Theorien sucht, wären vielleicht ungegenständliche Ornamente zu nennen. (Aber selbst hier ist es fraglich, ob ein optimales Verhältnis von Komplexität und Ordnung mathematisch zu fassen ist. Messung selbst ist im Fall dieser Theorien eher ein ästhetisches Ideal, eine Metapher für elegante Forschung als eine realisierbare Beschreibung des Erlebens.) Die philosophische Ästhetik hatte die Frage der Informationsästhetiker mit der Formel, Einheit in der Vielfalt sei ansprechend, bereits auf eine Art gelöst, der in ihrer Unbestimmtheit wohl auch Weisheit eigen ist. Nachdem es um die Informationsästhetik zwischenzeitlich eher still geworden war, ist mit dem mathematischen Konzept der Fraktale neuerlich ein Kandidat für eine präzise Schönheitsformel aufgetaucht (Salingaros & Masden, 2008). Viele Anhänger dieser Sicht nehmen zugleich an, die Relationslogik der Fraktale beschreibe ein grundlegendes Bauprinzip der belebten Natur (Welsch, 2012). Die Tatsache, dass Bäume in aller Welt die Herzen der Menschen erfreuen, wäre demgemäß erklärbar mit Resonanz oder Harmonie der Struktur des Lebendigen in der Umgebung und in uns (Funktionsweise des Nervensystems); in diesem Sinn ist u Biophilia, die Wertschätzung des Lebendigen, nicht eingeschränkt auf Anzeichen günstiger natürlicher Lebensbedingungen. Aber auch wenn man es vorzieht, sich an die alte, vage Faustregel zu halten, dass Einheit in der Vielfalt gefällt, erscheint die Spekulation nicht ganz abwegig, dieses Wohlgefallen verdanke sich einer gewissen Entsprechung der menschlichen mit der umgebenden Natur. Lesen u Zur Geschichte der Psychologischen Ästhetik: Allesch, 1987, 2006; Spektrum ästhetischer Erfahrung: Marković, 2012; Saito, 2010; Welsch, 2012; Empirische Ästhetik: Berlyne, 1971, 1974a, 1974b; Fechner, 1876; Silvia, 2005; Kebeck & Schroll, 2011; Locher, 2011; Smith, 2011; Informationsästhetik/Resonanz: Cramer, 1998; Salingaros & Masden, 2008; Sprinkhardt, 1982; Welsch, 2012

Biologisch bedeutsame Objekte und Situationen Manche Objekte oder Situationen, die lustvoll wahrgenommen werden, sind offensichtlich mit bestimmten Lebensfunktionen verbunden. Ein Klassiker dieser Art ist das Kindchenschema, auf das der Biologe Konrad Lorenz aufmerksam gemacht hatte: Ein runder, im Verhältnis zum Körper großer Kopf, große Augen, hohe, runde Stirn, Näschen, kleines Kinn wirken als Blickfang und vermitteln Gefühle von Zuneigung [u Kap. 7]; analog wirken Laute, die Säuglinge von sich geben [u Kap. 8]. Der Sinn sol-

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cher Auszeichnung des Wahrnehmungsobjektes „Nachwuchs“ liegt auf der Hand. Neben der Brutpflege spielen die zunächst von der Verhaltensbiologie (Ethologie) und inzwischen auch von der Evolutionspsychologie (als relativ junger Unterdisziplin der Psychologie) postulierten angeborenen auslösenden Mechanismen (AAM) wahrscheinlich auch bei der Partnerwahl eine wesentliche Rolle [u Kap. 7]. Entsprechend sind attraktive menschliche Gesichter und Körper Dauerbrenner in der bildenden Kunst sowie in der Unterhaltungsindustrie. In der enormen Rolle, die Gesang und andere Musik in Alltag wie Hochkultur spielen, reflektiert sich die biologische Bedeutung der stimmlichen Affektabstimmung [u Kap. 8]. Weitere Objekte oder Situationen, die im Wahrnehmen ausgezeichnet sind: 1. die Qualitäten natürlicher Ressourcen (Flora, Fauna, Wasser bzw. Feuchtigkeit, Licht, Wärme) als Attraktionen für Fühlen, Riechen, Sehen, Hören [u Kap. 2, 5, 7 und 8] und 2. landschaftliche Situationen, die Überblick bzw. tiefgestaffelte auditive Orientierung bieten [u Kap. 7 und 8]. Lesen u Coss, 2003; Eibl-Eibesfeldt & Sütterlin, 2008; Heerwagen & Gregory, 2008; Mador, 2008; Richter, 1999

Kunst, Medien & Werbung u Haben Spiel und Kunst eine evolutionäre Bedeutung? Die Tatsache, dass eine ganze Reihe von Vorlieben, die Menschen hegen, biologisch sinnvoll sind, verführt leicht zu dem Umkehrschluss, alles, wofür Menschen einigen Aufwand treiben, müsste auch nützlich für das Überleben sein. Der amerikanische Psychologe Steven Pinker (z. B. 1999) hält dagegen: Wenn Versuchstiere ihre Lustzentren bis zur Erschöpfung reizen, sofern man ihnen Gelegenheit dazu gibt, warum sollten dann nicht auch Menschen die sensomotorischen Möglichkeiten, sich Genüsse zu verschaffen, die im Lauf der Evolution entstanden sind, selbstzweckhaft – also ohne dadurch einen Überlebensvorteil zu erhaschen – ausnutzen? We enjoy strawberry cheesecake, but not because we evolved a taste for it. (S. 525) Pinkers Paradebeispiel für selbstzweckhafte Genüsse, der Erdbeer-Käsekuchen, das einige Prominenz in der evolutionstheoretischen Diskussion erlangt hat, ist nicht sehr glücklich gewählt, weil dieses Objekt ganz Mittel zu dem Zweck ist, dem sich, evolutionär gesehen, die Vorlieben für Süßes und Fettiges aller Wahrscheinlichkeit nach verdanken: Aufnahme kalorienreicher Nahrung. Das Beispiel, das Pinker gleich darauf anfügt, wenn er schreibt pornography is another pleasure technology (ebd.), kommt der Sache näher; allerdings nur, sofern man zwischen den Zeilen liest: Pornographie, unverblümte Zurschaustellung von Sexualität, steht ja nicht per se im Gegensatz zu Begattung, also der biologischen Funktion der sexuellen Attraktion; erst da, wo das Vergnügen am Sex sich ausdrücklich von der Fortpflanzung abkoppelt, liegt eine reine selbstzweckhafte Lusttechnik vor. Pinker unterstellt also, dass man liest: Pornographie = Masturbation (als Idealtypus von Sexualität jenseits von Fortpflanzung). Tatsächlich ist Masturbation, neben Drogen, ja auch die naheliegende Assoziation zu den Versuchstieren, die vom Stimulationshebel nicht lassen können. Und gerade die Anspielung auf Masturbation macht es erst zum Coup, wenn Pinker im folgenden Satz lapidar sagt: I will suggest that the arts are a third [pleasure technology] (ebd.). – Ausführlich

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geht Pinker auf Musik ein. Sie selbst habe keinen Überlebenswert, sondern beute die belohnenden Wohlgefühle aus, die im Dienste lebenswichtiger Funktionen entstanden sind: der stimmlichen Kommunikation, der Umweltwahrnehmung und der Kontrolle der eigenen Bewegung. Ian Cross (2011) entgegnet dem, die eminente Bedeutung der Musik für die gefühlsmäßige soziale Abstimmung spreche doch für einen Überlebensvorteil durch Musik; zudem sind die Grenzen zwischen der Affektabstimmung in stimmlicher Kommunikation und einem ausdrücklich musikalischen Geschehen fließend [u Kap. 8]. Als reine Lusttechnik, die sich von zwischenmenschlicher Affektabstimmung ablöst und das Gemeinschaftspotential von Klängen sozusagen ersatzweise genießt, kann man, wie Cross argumentiert, erst moderne Formen des passiven Musikkonsums ansehen. Pinkers Lustknopf-Argument (Masturbationsanalogie) sticht, was die Musik angeht, erst im Hinblick auf viele Aspekte der Musikkultur in industriellen Gesellschaften. Im Fall von Spielen, die nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Säugetieren verbreitet sind, wie den Beschleunigungs- und Schwerkraftspielen [u Kap. 4] oder dem gegenseitigen Sichjagen, könnte, wie mir scheint, eine reine Lusttechnologie bereits ein frühes Nebenprodukt der Evolution sein, ein spandrel (Gewölbezwickel), wie man in der Evolutionstheorie mit Stephen Jay Goulds Entlehnung von der Bausprache Erscheinungen nennt, die sich ergeben, aber keinen eigenen Zweck erfüllen (dieses Konzept hatte Pinkers Idee vorgebahnt). Auch wenn gerade bei den Jagd-, Verfolgungs- oder Fangspielen der Nutzen einer Einübung von Geschick, das im Ernstfall erforderlich ist, aber besser in einer Art Schonraum trainiert wird, zum Greifen nahezuliegen scheint, sind sich Biologen doch keineswegs einig darüber, ob derartige Einübung überhaupt erforderlich ist (Burghardt, 2005; Fagen, 1981). Beschleunigungsreize und Auf-dem-Sprung-Sein für Flucht oder Nachsetzen sind – gerade wegen der existenziellen Bedeutung der Balance beziehungsweise des Stürzens sowie von Jagen und Gejagtwerden – vielleicht einfach besonders leicht auslösbare und zugleich berauschende Schüsse ins Gehirn, die junge Hunde ebenso wie Menschenkinder und erwachsenes Kinopublikum zur spielerischen Lustmaximierung herausfordern. Nicht erst die Behauptung mancher Medienpsychologen (Schwab, 2010; Steen & Owens, 2001), dass heutige Menschen sich an Verfolgungsszenen bei James Bond etc. erfreuen, weil sie auf diese Weise eine Art Überlebenstraining absolvieren, darf bezweifelt werden.

Erleichterung des Wahrnehmens/Erschweren des Wahrnehmens Aus berühmten Attrappen-Experimenten von Verhaltensbiologen (Tinbergen) ist bekannt, dass künstlich übertriebene verhaltensauslösende Reize sich gegen die natürlichen Merkmale durchsetzen können (Prägung von Küken auf Attrappen mit supernormalen Merkmalen). Vor diesem Hintergrund hat in der jüngeren Zeit Ramachandran die These aufgestellt, alle Kunst sei Karikatur (Ramachandran & Hirstein, 1999; Ramachandran, 2005). Er und seine Mitstreiter illustrieren das hauptsächlich an traditionellen indischen Plastiken, die in ihren Proportionen und Haltungen Anzeichen des Weiblichen überbetonen. Dieses Beispiel soll aber nicht nur für die besonde-

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re Auffälligkeit und Erfreulichkeit stehen, die Überzeichnung biologisch bedeutsamer, zumal sexueller Reize mit sich bringt (übrigens erklären Humanbiologen nicht erst neuerdings auf diese Weise, warum Korsagen, Reifröcke oder Schulterpolster kreiert wurden; Eibl-Eibesfeldt, 1995). Es geht Ramachandran darüber hinaus um ein formales ästhetisches Prinzip: Übertreibung erleichtert Wahrnehmen – und dieser Umstand sei unabhängig vom jeweiligen Inhalt lustvoll. Erleichterung im bisher besprochenen Sinn baut auf angeborene Spurrillen des menschlichen Wahrnehmens. Erleichterung kommt indessen auch als Wirkung von Erfahrung oder Lernen in Betracht. Bei der Frage, warum u Durchschnittsgesichter anziehend sind, waren wir der These begegnet, Wahrnehmen von etwas, das man schon einmal gesehen hat, erfreue, weil die Wege gewissermaßen schon gebahnt sind (u Priming): Vertrautheit erleichtert Wahrnehmung. Das kann (sub)kultur- und epochenspezifische Geschmacksgemeinschaften erklären und macht auch verständlich, warum manche Kunstrichtung (wie z. B. der Impressionismus), die bei ihrem ersten Auftreten hauptsächlich Kopfschütteln hervorriefen, heute allseits geschätzt werden (u Kitsch). Als allgemeingültige Formel des ästhetischen Wahrnehmens ist Vertrautheit allerdings nicht tauglich: Allzu Bekanntes wird tendenziell nicht beachtet oder langweilt. Wahrnehmen kann schließlich durch Rahmenbedingungen erleichtert werden. Etwa die u Beleuchtungsverhältnisse. Oder eine privilegierte Situation des Beobachtens, wie sie grundsätzlich mit u Bildmedien gegeben ist. Aber auch hinsichtlich Beleuchtung und Beobachterposition gilt: Erleichterung ist kein allgemeingültiges Prinzip für die Erklärung „reizvoller Ansichten“. Bekanntlich können Dunkel, Nebel, Verdeckung interessant machen, was man – unvollständig – vor Augen hat (u Mystery). So kann man geradezu Erschweren des Wahrnehmens als komplementären Faktor des ästhetischen Erlebens betrachten. Das hat auch Ramachandran in seiner Liste von Kunstgesetzen berücksichtigt. Er spricht von perzeptuellem Problemlösen. Zur Illustration weist er unter anderem auf den erotischen Reiz teilweise verschleierter Nacktheit. Den Bogen, von herausgeforderter Neugier zum ästhetischen Erleben zu schlagen, ist nicht neu. Der Überlebensvorteil des Erkundens (explorativen Verhaltens) ist die weithin akzeptierte Erklärung für die Lust an Wahrnehmungshindernissen (bspw. auch in Berlynes Konzept). Lesen u Cutting, 2006; Ramachandran, 2005; Ramachandran & Hirstein, 1999 (und die an diesen Targetartikel anschl. Diskussion im gleichen Heft); Reber, 2011; Überblick: Kersten, 2005; Schifferstein & Hekkert, 2008, Kap. 10

Philosophische Ästhetik u Kitsch Als Kitsch gilt, was allzu gefällig ist. In seiner Phänomenologie des Kitsches betont Giesz (1994), Distanzlosigkeit unterscheide den Kitsch- vom Kunstgenuss. Kitscherleben in diesem Sinn wird nicht nur gegenüber prototypischen Kitschobjekten gesehen. Durch massenhafte Reproduktion von Kunstwerken würden auch sie zu Kitsch. Moles (1985) spricht

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von einem soziokulturellen Kreislauf des Kitsches, in dem auch eine (neuerliche) künstlerische Veredelung von banalen oder banalisierten Objekten vorgesehen ist. Entsprechend ist übrigens auch der Funktionalismus (etwa der Bauhausästhetik), den Moles (1972) in anderem Zusammenhang als Anti-Kitsch-Bewegung einführt, vor Verkitschung nicht gefeit. Ähnlich fasst Flusser (1985) Kitsch als Recycling von (informationellem) Abfall. Bei Giesz wird Kitscherleben mit Sentimentalität gleichgesetzt. Auf der anderen Seite dienen häufig angenehme Empfindungen der niederen Sinne als Metaphern für Kitschgenuss (warmes Bad, Süßlichkeit) [u Kap. 2 und 5]. Die im Text erwähnten Forschungen zur empirischen oder auch biologischen Ästhetik verhalten sich neutral zur Unterscheidung Kitsch- bzw. Kunstgenuss. Vom Standpunkt von Kitschdiskursen, wie den hier angedeuteten, stehen Objekte, die in entsprechenden Studien großen Zuspruch erfahren, per se unter Kitschverdacht. Egal, ob die Attraktivität sich nun den unmittelbaren sinnlichen Qualitäten, der bloßen Vertrautheit oder der Mobilisierung von Wissen (Kennertum) verdankt. Kitschtheorien haftet also in der Regel ein elitärer Gestus an, wie er von der Soziologie des Geschmacks kritisch untersucht wird (Bourdieu, 1987). Wer die Ästhetik des Angenehmen (vgl. Tessin, 2008) nicht verachtet, muss deswegen n. m. E. nicht auf ästhetische Wertung verzichten. Wie David Hume in seinem klassischen Essay On the standard of taste (2008 [Orig. 1757]) betonte, gibt es Dinge, die über die Zeiten und Kulturgrenzen hinweg Wertschätzung erlangen und behalten, während anderes schnell seinen Reiz verliert. Hume empfiehlt, sich im vielfältigen Vergleichen von Dingen zu üben, um ein Gespür für den Gehalt dessen, was bleibt, zu bekommen. Nicht umsonst wird man sich im Ergebnis immer wieder an Werke der Volkskunst und auch Produkte von bodenständigen Bauweisen (vernacular architecture) halten, in die der Test der Zeit sozusagen schon als Bauprinzip eingegangen ist (vgl. Alexander, 1964). Bei den extensiven Vergleichen, die Christopher Alexander dem Leser der vier Bände von The nature of order (2002–2004) erschließt, setzt er Minderwertigkeit mit Leblosigkeit gleich. Eine nichtelitäre Definition der abwertenden Vokabel Kitsch wäre in diesem Sinn: Kitsch ist das, was nicht lebt, weil hier plump, lieblos attraktive Attribute zusammengeschustert sind (Schönhammer, 2010). Bei Alexander kann man studieren, das manches Ergebnis edlen, kühlen Designs sich in dieser Hinsicht nicht von lieblichen Kitschprototypen unterscheidet (zum Cool-Kitsch siehe Schönhammer, 2010). Indirekt spielen auch Ramachandran und Seckel (2011) auf einen Mangel an Leben bzw. auf Lieblosigkeit an, wenn sie Kitsch als Resultat einer absichtsvollen, in der linken Hälfte des Gehirns geplanten Anwendung von (Ramachandrans; s. Text) ästhetischen Prinzipien ansprechen, die sie einem „Schaffen aus dem Bauch heraus“ gegenüberstellen: „Perhaps kitsch artists blindly follow the principles we’ve outlined without a gut-level understanding of them. We are tempted to suggest that true ‘understanding’ taps into the aesthetic sensibilities of the right hemisphere, whereas kitsch results from the left hemisphere’s attempts to usurp this and replace it with an (inevitably superficial) intellectual deployment of the same principles. And of course it fails.” (S. 388) Mit einem Augenzwinkern schlagen Ramachandran und Seckel vor, ihre Hypothese im Hirnscanner zu überprüfen. Lesen u Bourdieu, 1987; Flusser, 1985; Giesz; 1994/1971; Moles, 1972, 1985; Ramachandran & Seckel, 2011; Schönhammer, 2010

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Funktionslust, Einfühlung und Flow „Was Lazarus in seinem Büchlein Die Reize des Spiels […] vom Kinde sagt, trifft im Grunde genommen auch auf das Tier zu: ‚Das allgemeinste Interesse, von welchem unser Gemüt beherrscht, geleitet und getrieben wird, ist die Tätigkeit. Tätigkeit ist Leben.‘“ (Schmid, 1930, S. 88) „Die Tätigkeit als solche, das angemessene, glatte, reibungslose Funktionieren der Körperorgane, abgesehen von jedem Erfolg, den die Tätigkeit bringen könnte, wurde zur Lustquelle gemacht.“ (Bühler, 1930, S. 458)

Funktionslust kann Wahrnehmen begleiten, ob es nun erleichtert oder erschwert ist. Lassen sich mit diesem Begriff die unterschiedlichen, scheinbar widersprüchlichen Bedingungen ästhetischen Erlebens, von denen bis jetzt die Rede war, unter einen Hut bringen? In der Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane findet sich 1890 ein Aufsatz über Die ästhetischen Gefühle, in dem wir lesen, „daß die zunächst im Dienste der inhaltlichen oder materialen Bedürfnisbefriedigung fungierenden Organe, Anlagen, Fähigkeiten, daneben ein selbständiges Funktionsbedürfnis besitzen“, welches unabhängig vom praktischen Erfolg des Tuns sich in „Funktionslust manifestiert, daß ferner diese Funktionslust auch da vorhanden ist, wo die materiale Wirkung der Affektion Unlust ist, oder wo ein materiales Interesse nicht ins Spiel kommt“ (Döring, 1890, S. 163). Dieser reine Genuss der Betätigung gebe der potentiell missverständlichen Formel Kants für das ästhetische Erleben – dem interesselosen Wohlgefallen – erst Sinn: Verstehe man nämlich Interesselosigkeit als grundsätzlichen Gegensatz zu Lust, sei Kants Formel ein Widerspruch in sich. (Döring, der die Funktionsbedürfnisse in körperliche sowie seelische unterteilt – Wahrnehmen zählt bei ihm zu Letzteren –, zieht für die ästhetischen Gefühle nur seelische Funktionslust in Betracht.) Zu Beginn des 20. Jh. betont dann Utitz die Bedeutung von Funktionsfreuden für das ästhetische Erleben. Wer etwa Zeuge eines Großfeuers wird, bei dem stelle sich jenseits etwaiger Sorgen oder Mitleides meist auch ein Hingegebensein an das mächtige Schauspiel ein: „In diesem Augenblick treten wir gleichsam aus dem gewöhnlichen Leben heraus und genießen lediglich die Eindruckswerte.“ (1914, S. 90) Im „reinen Hingegebensein an die Eindrücke“ liege, auch bei äußerlich unspektakulären Situationen, das Wesen des „ästhetischen Verhaltens“ (S. 90f). Ohne ausdrücklich von Funktionslust zu sprechen, argumentiert dann der amerikanische Philosoph Dewey in Kunst als Erfahrung ähnlich [u Kap. 1]. Durchgesetzt hat sich der Begriff der Funktionslust später über die Theorie des Spiels bzw. die Entwicklungspsychologie. Karl Bühler (1930) postuliert im Anschluss an Karl Groos (1896, 1899), Funktionslust sei der Motor des Bewegungslernens: Wegen der Lust, die das Fungieren des Bewegungsapparats verschaffe, betätige sich der Nachwuchs von Mensch und Tier nimmermüde im – letztlich praktisch höchst bedeutsamen –

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Bewegungsspiel. Später hat Konrad Lorenz die Rolle der Funktionslust „bei der Entstehung wohlausgeschliffener gekonnter Bewegungsfolgen“ unterstrichen. Er appelliert an die Erfahrung seiner Leser: „Wir wissen von uns selbst, daß jede Vervollständigung, jedes Glätten einer noch vorhandenen ‚Rauhigkeit‘ einen deutlich zu beobachtenden Lustgewinn darstellt“ (1977, S. 140). Ob nun beim Sport oder beim Tanz, der „Urform aller menschlichen Kunst“ (Lorenz, 1982, S. 361), beim Spielen eines Musikinstruments, Steuern eines Fahrzeugs oder beim Betrachten der „herrlichen Flugspiele der Kolkraben“ oder der „eleganten Figuren des Wellenreitens von Seelöwen und Delphinen“ – stets spreche ein effizienter Bewegungsablauf unser Schönheitsempfinden an.

Wahrnehmungsqualitäten u Tanz: Partnerwahl, Schwerkraftspiel, sensomotorische Synchronisation, Ekstase Auf Darwin geht der Gedanke zurück, dass Tanz bei Tier und Mensch der sexuellen Werbung dient. Zwar ist Darwins Theorie der sexuellen Selektion, bei der Schönheit als eigenständiges Kriterium gegenüber Anzeichen von optimaler Ausrüstung fürs Überleben fungiert, bei heutigen Biologen und Psychologen zugunsten der Tauglichkeitsperspektive ins Hintertreffen geraten (vgl. Menninghaus, 2007; Welsch, 2012), doch auch wenn Attraktivität nur noch als Indikator für Gesundheit etc. gilt, wird doch noch danach gefragt, was potentiellen Partnern aneinander gefällt. Biologen und Psychologen versuchen seit einiger Zeit, Eigenheiten von Bewegungen zu finden, die bei der Partnerwahl eine Rolle spielen. Ihr Versuch, Muster von Tanzbewegungen auszumachen, die relevant für die Partnerwahl sind, hat bislang jedoch nicht zu klaren Ergebnissen geführt (Grammer, Oberzaucher, Holzleitner & Atmaca, 2011; Grammer, Striebel, Atmüller & Fink, 2003). Eher zeigte sich, dass überhaupt eine gewisse Dynamik gefällt; so auch bei einer Studie von Neave et al. 2011, für die, wie die Autoren mit Stolz vermerken, avancierteste u motion-capture-Technik zum Einsatz kam, um Bewegungsabläufe vom körperlichen Erscheinungsbild zu trennen: Ein lebendiger Tanzstil ist offenbar geschlechterübergreifend attraktiver als ein dumpf-steifer. Es kommt demnach beim Betrachten von Tanz mehr auf die Bewegung per se als auf eine mögliche Hormonstatus-Anzeige an. Studien, die unabhängig vom Thema Partnerwahl untersucht haben, welche Tanzbewegungen besonders ansprechen, finden, dass bei professionellen Darbietungen dynamische Körperbewegungen, insbesondere Sprünge, deutlich besser bewertet werden als verhaltene, horizontale Bewegungsmuster (Calvo-Merino & Haggard, 2011; Torrents et al. 2013). Die größere Attraktivität korreliert offenbar mit stärkerer Mitbewegung (gemessen an der Durchblutung motorischer Zentren des Gehirns); die Intensität der motorischen Spiegelung scheint, wie Calvo-Merino und Kollegen schon zuvor demonstriert hatten, auch mit der Vertrautheit (Expertise) mit spezifischen Bewegungsabläufen zu steigen. Kreitler & Kreitler (1980) hatten in ihrer psychologischen Analyse des Ballett-Tanzes das Spiel mit riskanter Labilität als ein Merkmal des Tanzes gesehen, das sich mit dem Wesen der Akrobatik überschneidet, zugleich aber die Ausdruckshaftigkeit des Tanzes betont, also die Verbindung von Schwerkraftspiel und Affektkommunikation. Letztere fällt gerade dann ins Auge, wenn man die nicht ganz unwichtige Beziehung der Tanzbewegungen zur Musik bedenkt. Dazu gehört, dass Tanzbewegungen nicht zielgerichtet den

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Raum durchmessen, sondern sozusagen die affektive Struktur der Musik in ihn einzeichnen (was Erwin Straus [1960] veranlasste, von einer Homogenisierung des Raumes zu sprechen). Durch die Musik bewegt, können die Tanzenden in einen ekstatischen Zustand geraten [u Kap. 8]. Von Tanzformen in indigenen Gesellschaften über traditionelle Volkstänze bis zu Disco und Pop/Rock-Konzerten erlaubt die Synchronisation von Musik und Bewegung zugleich intensive Gemeinschaftserlebnisse (Gabrielsson, 2010), bei denen die kollektiv von der Musik getragenen Bewegungen der Individuen zugleich in Resonanz zueinander geraten. Der resultierende Rauschzustand fördert, wie Karl Groos (1899) schon in seiner Auseinandersetzung mit Darwins Verständnis des Tanzes betonte, sexuelle Annäherung auch jenseits der Frage, ob die jeweilige Darbietung einen potentiellen Partner ins rechte Licht setzt.

Wie schon im ersten Kapitel erwähnt, bleiben die gekonnten Bewegungsabläufe des erwachsenen Alltags weithin unscheinbar. Aber selbst das Gehen kann dank absichtlicher Beachtung und äußerer Umstände (etwa einem Treppenlauf, der die Schritte in Fluss bringt) Funktionslust vermitteln und somit ein ästhetisches Erlebnis sein. Die Lust am Sichbewegen erklärt die Bedeutung der Einfühlung bzw. der inneren Mitbewegung für das ästhetische Erleben. Momente des visuellen Wahrnehmens, in denen das innere Mitmachen (u Spiegelneurone) einer Bewegung im Vordergrund steht, enthalten den Ansatz eigener Bewegung. Die innere und auch äußere Mitbewegung beim Sehen (und auch Hören) fremder Lebensäußerungen unterstützen nicht nur das Bewegungs- und Sprechenlernen, sondern sind auch grundlegend für die Kommunikation, sprich: das Erkennen von Absichten und Gefühlen anderer [u Kap. 7 und 8]. Die gegenseitige Abstimmung von Bewegungen und Gefühlen ist ein „Spiel“, das höchste sensomotorische Funktionslust schenken kann. Die Ethnologin Ellen Dissanayake (2000) spricht in diesem Sinn von einer Ästhetik der Gegenseitigkeit (Mutuality). Deren Urform sieht sie in den multisensorischen Interaktionen zwischen Säuglingen und Müttern (oder anderen Bezugspersonen) [u Kap. 8]; gegenwärtig sei diese Lustquelle weiter in synchronisierenden Abläufen sozialer Rituale und nicht zuletzt auch im Liebesakt, sofern er nicht bloß mechanisch vollzogen werde. In den vergangenen Jahrzehnten ist der Begriff der Funktionslust geradezu populär geworden. Allerdings nicht das Wort, sondern nur die Sache, die gewissermaßen neu verpackt wurde. Das sogenannte Flow-Erlebnis, kurz: Flow, steht für beglückende Momente, in denen man so bei einer Sache oder einem Tun ist, dass man sich selbst und alle praktischen Zwecke vergisst, um nur den Ablauf selbst zu genießen (Csikszentmihalyi u. a. 1988). Die Rede vom Fließen umschreibt anschaulich, dass die Aufmerksamkeit in solchen Augenblicken ungeteilt beim Geschehen ist. Und damit das, was rauschhafte Ekstasen und meditative „Enstasen“ gemein haben. Csikszentmihalyi stellt diesen Zustand der Konzentration dem alltäglichen, entnervenden Durcheinander von Absichten gegenüber, das er mit dem physikalischen Begriff der Entropie

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(zunehmende Unordnung, Übergang gerichteter Energie in Wärme) umschreibt: Flow als Negentropie. Wahrscheinlich deshalb, weil er auf die Funktionslust im Rahmen motivationspsychologischer Forschungen gestoßen war, ergänzt der Autor seine Be- und Umschreibung des Phänomens allerdings um eine Theorie, die es einseitig auf die Leistungsfähigkeit des Individuums bezieht. Bedingung für das Eintreten von Flow bzw. Funktionslust sei, dass die Anforderungen einer Situation die Fähigkeiten weder unter- noch überfordern. Sonst drohe Langeweile oder Angst. Damit knüpft er offenbar an den hartnäckigen Mittelmaß-Irrtum an (siehe oben). Schwerer noch wiegt indessen, dass lustvolles Erleben so auf Bewältigen von „Herausforderungen“ eingeschränkt wird. Augenblicke, in denen starke oder anders bedeutsame äußere Reize das Individuum davontragen, deutet diese Theorie bemüht in Leistungen um. Das Gleiche gilt für jene Momente, in denen man von Kleinigkeiten, wie Stimmen, die aus einem offenen Fenster dringen, oder dem Vernehmen verhallender Schritte, in den Bann gezogen wird (Epiphanien). Halten wir fest: Funktionslust ist weniger eine Erklärung als eine Umschreibung des ästhetischen Erlebens. Nützlich ist dieser Begriff nicht zuletzt deshalb, weil er die ästhetische Potenz von Bewegung und Körperempfindungen deutlich macht. Lesen u Csikszentmihalyi, 1992; Dissanayake, 2000; Bühler, 1930; Groos, 1896, 1899, 1902; Lorenz, 1982; Schönhammer, 1991

Wahrnehmungsqualitäten u Sexuelle Lust Dass sexuelle Attraktion im ästhetischen Erleben eine erhebliche Rolle spielt und als Thema nicht nur in Mode, Fitness und Kosmetik, sondern auch in der Kunst gegenwärtig ist, wird heute niemand bezweifeln. Gleichwohl lösten Ramachandran und Hirstein (1999) eine gewisse Irritation damit aus, dass sie ihre Thesen zur Wirkung von Kunst (siehe Text) hauptsächlich mit Fotos und Skizzen von lasziven indischen Plastiken illustrieren. Provokativ wirkte über die betonten weiblichen Formen hinaus wohl die Tatsache, dass ein Teil der Szenen hingebungsvolle sexuelle Aktionen bzw. den Liebesakt zeigt. Neben Essen und Trinken sind körperliche Berührung und sexuelle Betätigung fundamentale Lustquellen. Dennoch ist es in unserer Kultur eher ungewöhnlich, wenn der Liebesakt, wie in Dissanayakes Art and Intimacy, ausdrücklich als potentiell ästhetisches Erlebnis angesprochen wird. Die Autorin selbst beeilt sich, „mechanischem Sex“ diese Möglichkeit abzusprechen. Der Funktionslust-Theoretiker Utitz grenzte die sexuelle Lust wegen des „Begehrens nach Befriedigung“ (1972, S. 88) ausdrücklich von ästhetischer Funktionslust ab; nach dem Motto: Ein Trieb kann kein interesseloses Wohlgefallen mit sich bringen. Immerhin schließt Utitz nicht aus, dass hier eine Lust entspringen kann, „die bei dem genießenden Verweilen empfangener Eindrücke verharrt, ganz hingegeben ist dem Gefühl an den dargebotenen Erscheinungen“ (S. 88). „Gier“ und „Befriedigungslust“ entwickeln sich in der Sicht von Karl Bühler im Tierreich mit und aus „Nahrungs- und Geschlechtstrieb“ (1930, S. 454). Zwar „durchwärmt“, wie er sich ausdrückt, die Aussicht auf die „End-

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lust“ die gesamte triebhafte Betätigung, doch dies schließe eine Verselbständigung (und Kultivierung) der Lust am körperlichen Fungieren nicht aus: „Es gibt angefangen von der Wiederholung und dem Indielängeziehen […] über das Umwege-Machen und das etappenweise Vorgehen bis hinauf zu dem ausgeklügelten System von Methoden eine große […] Mannigfaltigkeit von Verwicklungen.“ (S. 457) Karl Groos hatte bereits 1902 den Ausschluss der Sexualität aus der Ästhetik als zeitbedingt angesehen und festgestellt: „wer solche Gegenstände a priori für ausserästhetisch hält, der hat den Thatsachen gegenüber einen schweren Stand“ (1902, S. 249). Csikszentmihalyi zieht „Sex als Flow“ in Betracht (1992, S. 139). Anfangs, bemerkt er, sei „es leicht, Lust und sogar Freude in der Sexualität zu erfahren. (…) der erste Kuß der erste Verkehr stellen schwindelerregende Herausforderungen dar (…).“ (S. 140) Körperliche „Herausforderungen“ seien indessen nicht hinreichend, um den Flow einer Partnerschaft aufrechtzuhalten. Auch wer dem nicht widersprechen will, mag sich fragen, warum sexuelle Funktionslust auf diese Weise relativiert werden muss. Übrigens verhindert, wie wir gleich sehen, ein Herausgefordertsein in diesem Sinn wahrscheinlich gerade „Sex als Flow“. Berlyne (1971, S. 92) streifte das Thema sexuelle Funktionslust, weil die starke Erregung, die dabei im Spiel ist, offensichtlich sein Postulat in Frage stellt, mittlere Erregung sei für die Erfahrung von Lust bzw. ästhetisches Erleben optimal; er räumt hier ein, die Erregungssteigerung sei wohl nicht nur deshalb lustvoll, weil sie die Entspannung nach dem Höhepunkt bedinge. Bei der Steigerung sexueller Lust handelt es sich um ein höchst konzentriertes sensomotorisches Geschehen. Die hochgradige Synchronisierung neuronaler Prozesse [u Neuro-Skizze: Ästhetisches Erleben] mündet im Idealfall vor und im Orgasmus in einen ekstatischen Zustand. Die Muskelkontraktionen bei intensiven Orgasmen erinnern an epileptische Erscheinungen. Im Liebesakt ist die Funktionslust indessen bekanntlich störanfällig (und die Ekstase bzw. Krämpfe werden vorgetäuscht). Dass zwei ‚Systeme‘ sich synchron ekstatisch aufschaukeln, ist keine Selbstverständlichkeit (zumal angesichts der offensichtlichen Differenzen zwischen männlicher und weiblicher Erregbarkeit). Hinzu kommt die ‚Selbstbeobachtung der Systeme‘, sprich: das Lampenfieber – „Bin ich ein wertvolles Weibchen bzw. Männchen?“. Auch wenn sexuelles Verhalten und Erleben von Männern und Frauen (samt seinen Differenzen) im Gehirn von Säugetieren verankert sein mögen (Panksepp, 2000, 1998), macht sich gleichwohl auch hier die Reflexivität des Menschen geltend. Deshalb ist es eine „Herausforderung“, das Herausgefordertsein der Beteiligten gewissermaßen auszuklammern. Eine gängige Strategie der Sexualtherapie ist es, gegenseitige Unbefangenheit aufzubauen. Um das zu erreichen, versucht man, die Lust an Berühren und Berührtwerden (vorläufig) vom Koitus abzukoppeln – dem interesselosen Wohlgefallen an der Sexualität gewissermaßen durch Kuscheln seine triebhafte Unschuld zurückzugeben. Lesen u Beier et al., 2005; Dissanayake, 2000; Menninghaus, 2003; Panksepp, 2000, 1998; Seikowski & Gollek, 2001; Welsch, 2012

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Aufmerken „Es gibt Menschen, die nichts zu tun haben. Vollkommen überflüssige des Daseins. Mit weit aufgerissenen Augen schauen sie und schauen. Diese hat das Schicksal bestimmt, die Vielzuvielbeschäftigten zum Verweilen zu bringen vor den Schönheiten der Welt!“ (Altenberg, 2009, S. 88) „In dem Maß, in dem eine Erfahrung eine Erfahrung ist, bedeutet sie erhöhte Vitalität. […] Selbst in ihren rudimentären Formen enthält sie das Versprechen jener genußvollen Perzeption, die wir als ästhetische Erfahrung bezeichnen.“ (Dewey, 1988, S. 28)

Wenn alles ästhetische Erleben in Funktionslust besteht, bleibt die Frage, warum nicht jedes sensomotorische Fungieren lustvoll erfahren wird. Oder anders: Warum erleben wir nicht fortlaufend Wahrnehmung und Bewegung ästhetisch? – Weil wir in unterschiedlichem Grad auf dieses Fungieren aufmerken. Über weite Strecken des Alltags agieren wir „automatisch“. Und auch Momente bewussten Wahrnehmens sind meist flüchtig. Augenblicke herausgehobener Aufmerksamkeit sind im Ansatz ästhetische Erlebnisse, Wahrnehmungen mit Ausrufezeichen. Ob wir aktiv (willentlich oder topdown gesteuert) oder passiv (unwillkürlich, durch starke oder anders bedeutsame Reize bottom-up angesprochen) aufmerken, spielt dabei keine Rolle. Deshalb scheitern Versuche, ästhetisches Erleben ausschließlich auf bestimmte Reizkonstellationen zurückzuführen. Zirkus- und Sportarenen, Diskotheken und andere Festplätze, ebenso wie Museen, Konzertsäle, Theater und Kinos sind Orte, die Menschen schaffen bzw. besuchen, um sich mit unterschiedlichen Akzenten des eigenen Wahrnehmens und Bewegens, sprich: ihres sensomotorischen Fungierens bewusst zu werden. Klagen darüber, dass spektakuläre Museumsbauten dem eigentlichen Museumszweck, also dem Betrachten der Exponate, in die Quere kämen, relativieren sich unter diesem Gesichtspunkt. Wie der Genuss von u Fernblicken lehrt, stellt nicht erst neuerdings die situative Rahmung oder Akzentuierung des Wahrnehmens bereits einen wesentlichen Inhalt des ästhetischen Erlebnisses dar. Im Falle von Fernblicken vermag übrigens das „Wiedererkennen der Bergspitzen, Ortschaften, Schlösser etc., die das Panorama erschließt“, wie Groos in Der ästhetische Genuss (1902, 133) festhielt, die Aufmerksamkeit und damit das Vergnügen am Wahrnehmen zu steigern. Der Kennerblick trägt auch bei Betrachtern von Sportereignissen sowie bei Besuchern von Kunstausstellungen potentiell zum ästhetischen Erleben bei. Lesen u Marković, 2012; Alltagsästhetik/japanische Ästhetik: Saito, 2010; Rahmen/mediale Verfremdung: Paquin, 1992; Schönhammer, 1989; Museum: Schuster & Ameln-Haffke, 2006; Wiedererkennen von Kunststilen etc.: Leder, 2002; Leder & Belke, 2007; Smith & Smith, 2006

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Atmosphäre: Milieu-Empfinden „Träger solcher Stimmungen sind […] vor allem Luft, Licht, Schatten, Dunkel, Wärme, Kühle, Wolken, Wasser. Dies ist begreiflich, wenn wir bedenken, was diese Naturelemente für uns sind: Nicht, oder nicht allein, Träger bestimmter einzelner Lebensfunktionen, sondern Träger einer allgemein belebenden Wirkung, meine Gesamtlebensbetätigung steigernd, belebend, beschleunigend, erleichternd, befreiend oder beruhigend, zurückhaltend, spannend und lösend. Dies alles nun sind nicht einzelne Erlebnisse und Zusammenhänge von solchen, sondern es ist eine Stimmung […]. Diese Stimmung findet sich in mir; sie ist meine Stimmung. Aber sie kommt aus der Natur, in welcher diese Lebenselemente walten und herrschen. Und so scheint die Stimmung in der Natur zu liegen […]. […] etwas […] im wahrgenommenen Ganzen Waltendes, […] dem allgemeinen Pulsschlag des Lebens im Ganzen der Landschaft.“ (Lipps, 1903, S. 222f.; kursive Stellen im Orig. gesperrt) “How many of us have experienced going to New York City and absorbed its ‘sense of place’ by walking on the street, which sometimes vibrates under our feet with the subway passage, noisy with honking taxis, surrounded by skyscrapers, with aroma of burned chestnut and pretzels and the saxophone melody by a street musician wafting in the air? These ingredients together give rise to the atmosphere of vibrancy and zaniness.” (Saito, 2010, S. 123)

Wenn jemand beispielsweise von einer urbanen Atmosphäre spricht, ist sofort klar, dass es ihm nicht um das Aussehen eines bestimmten Gebäudes, um dieses oder jenes Monument, den Zuschnitt einer Straße, eines Platzes oder das Aussehen oder Gebaren einzelner Menschen geht. Der Begriff Atmosphäre steht für einen Gesamteindruck; im Beispiel: für Vielfalt und eine Art gespannter, geschäftiger Lebendigkeit. Wie wird dieser Gesamteindruck wahrgenommen? Atmosphären, so sagt man, muten an. Ein Synonym für Atomsphäre ist Stimmung. Vertreter der phänomenologischen Tradition der Psychologie, wie Hubert Tellenbach, sehen im Erlebnis von Atmosphären ein Verschwimmen der Grenze von Subjekt und Welt: Umgebungscharaktere, die Stimmungen des Subjektes beeinflussen, werden als Stimmungen erlebt. Ludwig Binswanger stellte das Erlebnis eines gestimmten Raumes (als Synonym für Atmosphäre) dem differenzierenden Wahrnehmen, dem orientierten Raum, wie er das nannte, gegenüber. Milieu-Wahrnehmung und Gewahrwerden der eigenen Befindlichkeit in einer Umgebung sind schwer zu trennen; deshalb ist es vielleicht treffender, von MilieuEmpfinden zu sprechen. Verträgt sich das damit, dass jemand, der in einer nachhaltig schwermütigen Stimmung steckt, gleichwohl die heitere Atmosphäre eines Sommertages als solche registrieren kann? Dieses in der Phänomenologie von Stimmung und Atmosphäre oft diskutierte Problem trägt in der Theorie des Philosophen Hermann Schmitz (z. B. 1998) zur Untermauerung der mystisch inspirierten These bei, Stimmungen und Gefühle seien tatsächlich ein vom Subjekt unabhängiges Fluidum. Eine

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nüchternere Erklärung hierfür ist, dass das, was auch einen momentan depressiven Menschen in einer heiteren Atmosphäre anfliegt, hintergründig entsprechende Erinnerungen anklingen lässt, auch wenn das für eine Umstimmung nicht hinreicht. Der Philosoph Gernot Böhme vertritt in den Spuren von Schmitz die These, ästhetisches Erleben falle mit dem Spüren von Atmosphären zusammen. Ausgangspunkt ist wohl der Umstand, dass einerseits im Erlebnis von Atmosphäre die eigene Befindlichkeit gegenwärtig ist und andererseits ästhetisches Erleben sich als lustvolles Bewusstwerden sinnlich-körperlichen Fungierens beschreiben lässt. Daraus scheint Böhme – wiederum mit einer gewissen Schlagseite zum Mystischen hin – zu folgern, ästhetisches Erleben verdanke sich einer Art von Ausstrahlung der Objekte (Aura der Dinge). Böhme (u. a. 1995, 2001) spricht auch von Ekstasen der Dinge. Mit anderen Worten: Dass man, wie man sagt, im ästhetischen Wahrnehmen von einer Erscheinung berührt werde, liege daran, dass der Zwischenraum zwischen Subjekt und Objekt affektiv aufgeladen oder erfüllt sei. Auch wenn man über die esoterischen Anklänge hinwegsieht, bleibt diese Sicht unbefriedigend, da in Böhmes Konzept für die Differenz zwischen der ästhetischen Wirkung einzelner Objekte oder räumlicher Strukturen (Bauwerke, Monumente, Straßen- und Platzanlagen) und dem Erleben der Atmosphäre einer Stadt im Prinzip kein Platz ist. In dieser Atmosphären-Theorie des ästhetischen Wahrnehmens geht verloren, worin das Besondere des Erlebens von Atmosphäre besteht (Schönhammer, 1998, 1999c), wenn Böhme in seinen Beispielen, wie etwa der Beschreibung urbaner Atmosphäre, auch an dieser Besonderheit nicht vorbeikommt. Böhme hat (u. a. 2006a, 121ff; 2006b, 130) diesem Einwand durch eine gewisse, wenn auch halbherzige, Relativierung seiner Gleichsetzung von Ästhetik und Atmosphäre implizit Rechnung getragen. Bei der ästhetischen Wahrnehmung eines einzelnen Objekts, z. B. eines Bauwerks oder einer Statue, geht es um bestimmte Formen, die etwa gerichtete innere Mitbewegungen anstoßen. Das Erlebnis von städtischer Atmosphäre liegt demgegenüber in der diffusen Erregung, die von einer vielstimmigen Geräuschkulisse und dem visuellen Eindruck mannigfacher, sich überkreuzender Bewegungen von Menschen, Fahrzeugen, Lichtern ausgelöst (und entsprechend beispielsweise für Spielfilme inszeniert) wird, wie auch vom schwer zu überblickenden Nebeneinander von Objekten. Atmosphären haben subjektiv wie objektiv einen diffusen Charakter: ❚ Das Milieu umfasst, wie es das Wort Atmosphäre benennt, was rundum „in der Luft liegt“ und deshalb nicht fokussiert, sondern beiläufig wahrgenommen wird; dabei spielen nicht zuletzt physikalische Luftqualitäten wie Wärme, Druck, elektrische Aufladung etc. (Größen, die das Bio-Wetter bestimmen) eine Rolle, weiter der vertraute vs. fremde Geruch (jenseits der Lokalisierung einer Geruchsquelle), die (belebte vs. unbelebte) Qualität der Geräuschkulisse (nicht einzelne, lokalisierte Geräusche und Klänge) und schließlich das, was visuell den (Hinter-)Grund einzelner Beobachtungen ausmacht; neben der Beleuchtung hauptsächlich das Maß an Fülle, Kargheit, Bewegung oder Ruhe.

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❚ Atmosphären wecken Stimmungen; Stimmungen unterscheiden sich von Gefühlen (nach dem allgemeinen Verständnis, dem die Psychologie bislang wenig hinzuzufügen hatte) durch eine gewisse Vagheit. Im Falle des Bio-Wetters (und nicht nur da): Behagen bzw. Unbehagen, gesteigerte bzw. verminderte Vitalität, Gereiztheit bzw. Ruhe. Willy Hellpach bezeichnete die Wirkungen des Milieus (Wetter, Klima und Landschaft) als sensutonisch (diesem Begriff waren wir schon im Hinblick auf die u Vitalempfindung von Licht begegnet; im vorigen Kapitel zeigte sich, dass die tonische Wirkung von Licht eine plausible Erklärung von u transmodalen Qualitäten liefert). In der heutigen Umweltpsychologie sind „angenehm – unangenehm“ und „Grad der Erregung“ als Dimensionen der Bewertung von Umgebungen (affektive appraisals of environments) eingeführt (u. a. Russell, 1988; Küller, 1991; vgl. Flade, 2008). Hervorgegangen ist diese Sicht aus Osgoods semantischem Differential beziehungsweise den von ihm postulierten Grunddimensionen jeglicher sprachlicher Beschreibung: Valenz, Erregung und Mächtigkeit (Osgood, Suci & Tannenbaum, 1957). Da sich die Dimension Mächtigkeit/Dominanz (potency) bei einer Befragung zu verschiedensten Umgebungen als relativ unbedeutend erwies (Russell, Ward & Pratt, 1981), propagierte Russell für die Messung der affektiv getönten Umweltwahrnehmung eine zweidimensionale Lösung, bei der das gesamte Spektrum möglicher Bewertungen einer Umgebung in ein Koordinatenkreuz von angenehm vs. unangenehm (pleasant vs. unpleasant) und erregt vs. ruhig (arousing vs. sleepy) eingeordnet wird [u Abb.]. Methodisch ergeben sich diese Dimensionen durch das Verfahren der Faktorenanalyse, bei dem Bewertungsaspekte mit korrelierenden Antworttendenzen zusammengefasst und mit einem plausibel erscheinenden Etikett versehen werden. Das Ergebnis dieses Vorgehens täuscht oft über Willkür und Ungereimtheiten bei der Vereinheitlichungsprozedur hinweg. Das gilt auch für Russells Modell, bei dem etwa die konkrete Frage, wie erregend ein Ort erlebt wird, gar nicht vorranging auf den Erregung genannten Faktor „lädt“ (wie man sich ausdrückt, um die Stärke der statistischen Verwobenheit zu bezeichnen). Bemerkenswert ist nicht zuletzt, dass dieses Schema es nicht zulässt, eine Situation als belebend und zugleich entspannend zu taxieren, da diese Qualitäten ja entgegengesetzte Pole der Erregungs-/Arousal-Dimension bilden. Das widerspricht der Lebenserfahrung, also dem, was beispielsweise ein Spaziergang im Grünen regelmäßig mit sich bringt (pikanterweise auch Studien zufolge, die sich prinzipiell an Russells Schema orientieren [z. B. Fomara, 2011]); auch Wohlgeruch wird regelmäßig als vitalisierend und entspannend zugleich erfahren [u Kap. 6]. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass in Russells Erregungsdimension Momente von Erregung mit solchen von Spannung vermischt sind (Schönhammer, in Vorb.). Eine Dimension Spannung vs. Lösung hatte bereits Wilhelm Wundt (1902) zur Beschreibung von affektiven Zuständen vorgesehen [u Abb.]. Osgood sah sich in den Fußstapfen dieses Modells, hatte mit Macht vs. Ohnmacht

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aber Qualitäten, die zwar auf den Spannungsgrad wirken können, aber nicht mit ihm zusammenfallen, an die Stelle von Spannung vs. Lösung gesetzt und damit dem dreidimensionalen Affektmodell einen anderen Dreh gegeben. Die Dimension Spannung ist heute weniger in der Umweltpsychologie als in Modellen der Stimmung gegenwärtig. So bei Thayer (1989), der Stimmungen grundsätzlich in den Dimensionen Energie vs. Ermüdung und Ruhe vs. Anspannung verortet und das optimale Wohlbefinden bei „ruhiger Energie“ anderen Kombinationen gegenüberstellt. Damasio (1995, 2000), der es vorzieht, von Hintergrundgefühlen statt von Stimmungen zu sprechen (und Thayer nicht erwähnt), führt die gleichen Pole an. Tatsächlich sind die Beschreibungsdimensionen Erregung und Spannung auch erhellend für die Analyse idealtypischer Atmosphären. Man denke nur an unterschiedliche Formen des sozialen Lebens, Naturerlebnisse bei Tage und des Nachts oder die Differenz von Großstadt- und Dorfatmosphäre. Ein Aspekt, der in alltäglichen Beschreibungen von Atmosphären eine große Rolle spielt und auch direkt an einen biologisch wichtigen Aspekt der umgebenden Luft anknüpft, ist die Temperatur (warm vs. kalt). Bei Befragungen zur Befindlichkeit in Umgebungen korrelieren Bewertungen als warm mit der Einschätzung von Situationen als entspannt (Schönhammer, in Vorb.). Dieser Zusammenhang passt zu der physiologisch entspannenden Wirkung warmer Luft. Die Kombinationen von weitgehend unabhängig voneinander variierenden Erregungs- und Spannungsgraden ist also hilfreich, wenn man sich vergegenwärtigen will, wie das Leben an einem Ort pulst (siehe das Motto). Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass diese Dimensionen eine Entsprechung in relativ selbständigen neurophysiologischen Funktionseinheiten haben: dem vom Hirnstamm aufsteigenden retikulären Erregungssystem einerseits und dem autonomen/vegetativen Nervensystem mit seinen partiell antagonistischen Teilsystemen Sympathikus (aktiv bei Kampf und Flucht) und Parasympathikus (aktiv bei Essen und Sex) andererseits. Die sinnliche Fülle, die ein Spaziergang in der Natur bereithält, stimuliert das retikuläre System, während zugleich die beiläufig feststellbare Harmlosigkeit der Situation den Organismus parasympathisch auf Gelassenheit einstellt (vgl. Frohmann, Grote, Avian & Moser, 2010).

Bei Nebel und in der Dämmerung reduziert sich das Reizangebot der Umwelt auf diffuse Erscheinungen. Das macht entsprechende Situationen zu Idealbildern des Atmosphärischen. Im Falle der Ansammlung einer Vielzahl bewegter Objekte (wie Menschen, Fahrzeuge und Lichtreklame in einer urbanen Szenerie) wäre dagegen zwar das je einzelne Objekt prägnant wahrnehmbar, doch das Reizangebot wird in diesem Fall dadurch ‚unscharf ‘, dass es einer Fokussierung der Aufmerksamkeit entgegenläuft. Mit seiner Unterscheidung von linearem vs. malerischen Stil (z. B. Renaissance vs. Barock) wies der Kunsthistoriker Wölfflin (1991) auf den atmosphärischen Effekt von Darstellungsmitteln (Klarheit und Übersichtlichkeit vs. Verschwimmen der Konturen und unübersichtliche Fülle) hin. Der Impressionismus verkörpert idealtypisch

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atmosphärische Kunst, weil er eine fokussierte Betrachtung einzelner Objekte ausschließt; genau genommen vermitteln impressionistische Bilder in der Regel ein bestimmte, nämlich lebendige Atmosphäre, die sich der Andeutung allseitiger Bewegung verdankt [u Kap. 7]. Auch ausgesprochen übersichtliche und konturierte Bilder können durch Starre und Detailarmut (ungewöhnliche Leere) atmosphärisch wirken (z. B. Werke von Edward Hopper). Leblosigkeit ist ein atmosphärischer Eindruck, auch wenn der Sprachgebrauch dazu tendiert, eine leblose Atmosphäre mit einem Fehlen von Atmosphäre gleichzusetzen. Der herausragende Beitrag von Hören und Riechen zum Erleben von Atmosphäre zeigt sich unter anderem daran, dass Menschen, die einen dieser Sinne einbüßen (anders als Blinde), über einen massiven Verlust von Vitalqualität klagen [u Kap. 5 und 8]. Zum ästhetischen Erlebnis wird ein Milieu dann, wenn man sich die eigene Stimmung als Resonanz des momentanen Gesamteindrucks der Umgebung (oder eben „die Stimmung der Umgebung“) vergegenwärtigt, wenn – um es in der gestaltpsychologischen Metapher von Figur und Grund auszudrücken – das Empfinden des Grundes zur Figur (aufmerksam wahrgenommen) wird. Man spürt sich und das Leben am Ort. Lesen u Klassiker zur Stimmung von Räumen: Binswanger, 1955; Bollnow, 1984 (Überblick über d. ältere Literatur); Lipps, 1903, 1906; Wölfflin, 1991; Geruch und Atmosphäre: Tellenbach, 1968, 1987; Umweltpsychologie: Flade, 2008 (Überblick); Hellpach, 1977 (Klassiker); Tessin, 2008 (Freiraumästhetik); Stimmung: Ewert, 1965; Morris, 1989; Thayer, 1989; Zillmann, 2004; Reflexionen von Gestaltern: Gehl, 2012; Zumthor, 2006; zur Böhme-Schmitz-Position: Hauskeller, 1995 (Zusammenfassung aus Schülersicht); Henckmann, 2007 (Kritik)

Rückschau in Fragen Wie wird ästhetisches Erleben in psychologischen Untersuchungen gemessen? Wie verhält sich das zu dem, wofür die Rede von einem ästhetischen Erlebnis gemeinhin steht? Warum bezeichnet man bestimmte Gebiete im Gehirn als Belohnungszentren? Inwiefern gibt die epileptische Aura einen Hinweis auf Hirnprozesse, die dem ästhetischen Erleben zugrunde liegen könnten? In welchen neuronalen Prozessen sah die neue empirische Ästhetik (Berlyne) die Basis des ästhetischen Erlebens? Welche Reizqualitäten betrachtet sie als Auslöser für ein entsprechendes Optimum? Warum steht diese Theorie ungeachtet empirischer Bestätigungen auf schwachen Füßen?

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Wo liegt die neurophysiologische Basis von Stimmungen beziehungsweise hintergründigen Befindlichkeiten? Welche Anhaltspunkte sprechen für die ästhetische Wirkung biologisch bedeutsamer Objekte und Situationen? Was ist gemeint, wenn man sagt, „Erleichterung des Wahrnehmens wirkt ästhetisch“? Was spricht dagegen, dieses Prinzip zum Universalschlüssel des ästhetischen Erlebens zu erklären? Wie macht der Begriff der Funktionslust die Rolle von Einfühlung bzw. Mitbewegung im ästhetischen Erleben plausibel? Wofür steht Ästhetik der Gegenseitigkeit (Dissanayake)? Inwiefern ist die Theorie des Flowerlebens unbefriedigend? Worin besteht die Besonderheit des ästhetischen Erlebens von Atmosphären? Welche affektiven Dimensionen sind bei der Beschreibung von Atmosphären hilfreich?

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Abbildungsverzeichnis Alle Illustrationen für dieses Buch wurden von Claudia Maiwald erstellt. Die Nutzungsrechte liegen bei facultas.wuv (für dieses Buch) und bei der Illustratorin. – In folgenden Fällen orientieren sich die Skizzen an benennbaren Vorbildern: S. 14: Uexküll & Kriszat, 1970 – S. 25: Der sensorische Homunculus folgt der Revision der klassischen Darstellung von Penfield und Rasmussen (bei der das Genital sozusagen am großen Zeh hing) durch Kell, C. A., Rösler, A., Kleinschmidt, A. & Laufs, H. (2005). The Sensory Cortical Representation of the Human Penis: Revisiting Somatotopy in the Male Homunculus. Journal of Neuroscience, 25(25), 5984–5987 (auch wenn andere inzwischen den Lageplan von Penfield und Rasmussen bestätigen: Komisaruk, B. R., Wise, N., Frangos, E., Liu, W.-C., Allen, K. & Brody, S. (2011). Women's Clitoris, Vagina, and Cervix Mapped on the Sensory Cortex: fMRI Evidence. The Journal of Sexual Medicine, 8(10), 2822–2830.) – S. 26: Lackner, 1988 – S. 27: Guterstam, A. & Ehrsson, H. H., 2012 – S. 28: Petkova, Zetterberg, Ehrsson & Tsakiris, 2012 – S. 46: Wolfe et al., 2006 – S. 50: Fotografie in Moholy-Nagy, 1968/1929 – S. 55 Mitte: Fotografie und Schema in Cahusac, 2002 – S. 55 unten: Campenhausen, 1993 – S. 66 oben: Kennedy, 1982 – S. 66 unten links: Katz, 1953b – S. 67 unten: Kennedy, 1997 – S. 89: Homepage von Axel Bossert – S. 91 links: Fotografie in Rock, 1985 – S. 91 rechts: Schema in Rock, 1985 – S. 92: mehrere Abbildungen in E. J. Gibson, 1969 – S. 104: Burdach, 1988 – S. 105 links: P. Jelinek, 1994/1954 – S. 105 rechts: J. S. Jelinek, 1997 – S. 107: nach Fotografien von R. Soussignan et al., reproduziert in Schaal, Soussignan & Marlier, 2002 – S. 114: Wyatt, 2003 – S. 118: Titel (graphisch verfremdete Fotografie) Giedion, 1985/1929 – S. 119: Stoddart, 1990 – S. 131: nach Fotografien von J. E. Steiner reproduziert in Logue, 1995 – S. 143 unten: Verlauf der Bahnen, insbesondere der mittleren Bahn (im Orig.: „ventro-dorsale Bahn“) nach Gallese, 2007 – S. 148: Helmholtz, 1867 – S. 151: Held, Kugemann & Vollmer, 1987 – S. 152: Ramachandran, 1995 – S. 155: Gegenfurtner, 2006b – S. 156: Goldstein, 2002 – S. 158 ganz oben links: Hoffman, 1998 – S. 158 zweite und dritte von oben: Mausfeld, 2007 – S. 163 links oben: Grafik nach G. Kanizsa, 1979 – S. 163 Mitte: Rubin, 1921 – S. 163 links unten: Arnheim, 1978 – S. 164: Guski, 1996 – S. 171: Metzger, 1966 – S. 176: Tarr, 2003 – S. 177: Brunswik & Reiter, 1937 – S. 195: frontales Foto und Schema einer ¾ Ansicht in Goldstein, 2002 – S. 213: Mach, 1987/1886 sowie Gibson, 1982 – S. 219 Mitte: Schröger, Kaernbach & Schönwiesner, 2008 – S. 220: Wo- und Was-Bahn nach Goldstein, 2008 – S. 222: Lewald, 2006 – S. 252: Die ausgefüllte Version des Bauhausarchivs, die z. B. Düchting (1996) zeigt, haben wir in den jüngferlichen Zustand zurückversetzt und dabei auch etwas poliert. – S. 262: Köhler, 1947 – S. 263 unten: Kobbert, 1986; Jilk, Piesbergen & Tunner, 1995, sowie unveröff. Daten des Autors – S. 270: Ramachandran & Hubbard, 2005 – S. 294: Russell, Ward & Pratt, 1981 – S. 295: Wundt, 1902

Auflösung zu den Farb- und Gefühlskritzeln, S. 263: 1 = Rot; 2 = Gelb; 3 = Grün; 4 = Violett; A = Freude; B = Trauer; C = Wut; D = Angst

Register In diesem Register werden neben Sachbegriffen nur ausgewählte Namen genannt. – Kursive Seitenzahlen beziehen sich auf Abbildungen. Kursive Begriffe hinter einem Verweisungspfeil stehen für „siehe auch“, andere kursive Textstellen beziehen sich auf Werktitel. A 2D/3D 71, 158, 164, 198f., 207 u Bildwahrnehmung, u binokulare Parallaxe/Disparität, u Film, u Raumwahrnehmung 4D/5D u Film Abgrund 90, 92, 96, 193 Abwendung 33, 100, 105, 133, 137 u Eskapismus Achselhöhle (Axilla), Achselgeruch 114f. Action-Sounds 244 Adaptation 38, 102, 124, 128, 146, 155, 157, 202 Aerobic 35, 83 Affektabstimmung u Gefühl Afferenzen 23, 29, 54, 58, 62, 79, 93, 102f, 220f., 248, 255, 261 u bottom up Prozesse Reafferenz 58, 62 Affordanz 72, 165 u Aufforderungscharakter Ageusie 129 Aicher, O. 72 Albträume u Traum (Alpträume) Alexander, Chr. 190, 285 Alpträume u Traum Anbändeln 117, 170 Angst u Gefühle Animationsfilm u Film Anspannung u Gefühl (Stimmungsdimensionen) Anthropomorphismus (Vermenschlichung) 170 Akkommodation 195, 197f., 212 Akoasmen 248 Akrobatik 36, 96, 212, 287 Aktualgenese 165 Akustikdesign 235, 240f., 246 u Action-Sounds, u Loops Alberti, L. B. 118, 192, 200 Alkohol-Delirium 62, 248

Alloästhesie 130 Alter (Sensibilitätsminderung) Altersschwerhörigkeit 225 Gleichgewichtssinn 83 gustatorisch 129, 130 olfaktorisch 109 taktil 73 Alzheimersche Krankheit 52, 208 Ambivalenz (Zwiespältigkeit) als ästhetisch wirksame Reizeigenschaft 279 Ästhetik der chemischen Sinne 101 Bewertung von Körpergerüchen 114-6 Bewertung von Lichtbildern 211 Hedonik der Selbstberührung 56 Ames’ Raum 195, 195 amodale Farben 154, 158, 158, 203 amodale Figuren (subjektive Konturen) 158, 160, 160 amodale Verarbeitungsstufe 61 u transmodale Qualitäten amodale W. u Tunnel-Effekt Amoore, J. E. 104 Amplitude 225-7 Amygdala 102, 103, 127, 221, 256, 277 u limbisches System angeborener auslösender Mechanismus (AAM) 183, 282 Angemessenheits-Hypothese u intermodale Beeinflussung Animismus (Beseelung) 43, 150, 170, 172, 189, 235, 236 Anosmie 109, 129, 296 anschauliche Transparenz 158, 158 Anstrengung 22, 230 mentale 205, 206, 214, 239 Aphrodisiaka 136 apollinisch 279 Architektur 33, 36, 51, 85, 87, 91f., 95f., 118, 152, 154, 190, 199, 235, 285 u Alberti, L. B., u Atmosphäre, u Bomarzo,

Register u Geborgenheit, u Innenraumgestaltung,

Karten, u Modelle, u Pläne, u Raumakustik, u Raumwahrnehmung, u Treppen, u Windrichtung u. Stadtplanung, u Wohnräume Architektursimulationen 85, 87, 199 „Bauen mit Licht“ 152, 154 bodenständige Bauweisen (vernacular architecture) 285 Fernster 118, 150, 192, 213, 241, 289 Gucklöcher 192 Innenhöfe 192 Lichtinszenierung in Bühnenbildern 147, 152f. Phæno 91 sakrale A. 150, 235 Türen 192 Aristoteles 31 Aristotelische Täuschung 46, 47 Arnheim, R. 67, 68, 92, 160, 170, 188, 189, 237, 274 Aroma 107, 109, 110f., 122, 129, 131, 137, 253, 265, 292 u Riechen u Schmecken abh. vom Schmecken 131 abh. vom Sehen 133, 266 abh. vom Spüren 132f. Beschreibung in Weinkarten 104 Vanillearoma versüßt 128, 265 Aromatherapie 109 Arousal 42, 239, 294 u Gefühl (Stimmungsdimensionen), u Wachheitsregulation Assoziationsareale 25, 143, 220, 234 auditorische 220 mulimodale 254 somatosensorische 25 visuelle 143 Ästhetik Ä. der Gegenseitigkeit 288 Ä. der Homöostase 280 Ä. von unten vs. Ä. von oben 279 Ä. , neue empirische 279f. ästhetische Bildung 50, 124, 137 Ästhetisches Erleben 35-7, 48-51, 53-6, 70-2, 91f., 109, 117-9, 120-4, 144-54, 159-62, 165, 168, 179-86, 188, 190-2, 235-5, 273f., 276-296 u

351 u Architektur, u Atmosphäre, u Einheit

in der Vielfalt, u erhaben, u Film, u Funktionslust, u Intensität, u japanische Ästhetik, u Kunst, u Lust/Unlust, u Lusttechnologie (Erdbeer-Käsekuchen-Argument, Masturbation), u Mitbewegung, u Musik, u Raumwahrnehmung, u Schönheit, u Sexualität, u Tanz Atmo 137, 234, 243, 249 Atmosphäre 42, 43, 51, 116, 117-20, 124, 146f., 151-4, 172, 190, 194f., 214, 240, 242, 243, 246, 277, 292-6 A. d. Dämmerung 147, 153, 295 auditive A. 234f., 240, 242f. bedrohliche A. 119 dramatische A. 151 dumpfe A. 246 lebendige A. 162, 190, 234, 240, 242, 296 persönliche A. 116 religiöse A. 119 Riechen (olfaktorische A.) 117-20 soziale A. 234, 240, 242f. unheimliche A. 93 Verwöhnatmosphäre 109 visuell vermittelt 51, 124, 137, 146f., 151-3, 213f., 249, 293, 215f. atmosphärische Kunst 213f., 215f. atmosphärisches Spüren 42f., 50f., 53 Atmung 25, 34, 84, 94, 110, 256, 277 Attraktion, körperliche 100, 179-86, 244, 282, 289 Attrappenversuche 283 Audiometrie 225 auditive Kinästhesie/Vektion 199, 245 auditive W. u Hören auditives Streaming, auditive Szenenanalyse 223-5 auditorischer Kortex assoziativer 220, 220 primärer 220, 220, 221, 254f., 254 sekundärer 220, 220 Auditory Icons 246 Aufforderungscharakter 72, 165 Aufmerksamkeit 22, 29, 34, 36, 61, 106, 124, 150, 153, 172, 174, 200, 203, 205, 206, 211, 212, 222, 225, 233, 236, 241, 242, 244, 246, 247, 248, 253f., 256, 257f., 262, 278, 288, 291, 295

352 u Bindungsproblem

ästhetisches Erl. 34, 211, 233, 278, 288, 291, 293-6 beiläufige A. 22, 51, 55, 117, 119, 149, 151, 179, 190, 191, 243, 276, 293, 295 Flow 288f. geteilte A. 212 Mimik 106, 177, 183 Neuheit 61, 102, 182, 185, 232, 279 pathologische A. 248 selektive A. 205f., 211, 225 Training 34 unwillkürliche A. 22, 35, 42, 150, 206, 222, 225, 236, 237, 240, 242, 257, 291, willkürliche A. 31,153, 200, 225, 235f., 278 aufrechter Gang u Gehen Befreiung der Hände 72 Balance 77, 88 Geruchssinn 101 aufsteigendes retikuläres Erregungssystem (ARAS; Erregung = Arousal) 54, 78, 78, 87, 142, 208, 210, 220, 220, 256, 261, 276, 295 u Arousal, u formatio reticularis Augen u Gesichter(hinein)sehen, u Glanz Augenbewegung 74, 82, 86, 174, 197, 205, 207 Blicksteuerung 23, 81, 255 Fixieren 80, 81, 82, 83, 137, 148, 155, 173f., 196f., 203, 204f., 257, Augengruß 183 Augenlid 81, 235, 244 Augensymbolik (Gefahrabwehr) 174, 192 Aura 147, 149, u Epilepsie, u Licht, u Migräne der Dinge 293 persönliche Geruchsaura 116 Ausdruck 32f., 36, 107, 124, 150, 160, 168-70, 175, 177-86., 204, 228f., 230, 236f., 243, 253, 263, 277, 287, u Gefühl, u Mimik Bewegungsstil 170, 186 Haltung 36, 168f., 185 Kopfbewegung 184f. von abstrakten Bildern, Plastiken,

Register

Designobjekten, Bauwerken 33, 36, 68, 71, 169f., 262-5, Ausfüllmechanismus 155, 203, 210 Augustinus 192 Ausräuchern 119 Außenohr 218, 219, 222 Autismus Musiktherapie 232 Savants 200 transmodale Qualitäten 263 autogenes Training 34 Automobil 31f., 53, 88, 96, 122, 149, 161, 170, 180, 186, 187, 190, 196, 257 Autostereoanlagen 239 Beifahrersituation 32, 84, Cabriolet 53 Elektroautos 247 Highway-Trance 84 Automobilwerbung 190 autonomes Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus) 79, 256, 277, 295 u vegetative Körperfunktionen Avatare 28, 32 B Bacon, F. (Neues Organon) 131 Bad, warmes 22, 35, 44, 55, 285 u Sonnenbad, u Luftbad Badekultur, Sauna, Wechselbäder 42, 55, 279 Balance 36, 77-96, 283, 287 u Gleichgewichtssinn Bandweite/-breite 225, 226, 227 breitbandiger Schall 223, 227, 233 Baron-Cohen, S. 269f., 273 Basalkerne 278 Basilarmembran 219, 219 Bauby, J.-D. (Schmetterling und Taucherglocke) 88 Bauchredner-Effekt 233, 258f. Baudelaire, Ch. 270 Bauhaus 50, 188, 252, 264f., 285 Bäume 147, 190, 191, 194-6, 281 u Vegetation Beauvoir, S. de 45 Bauwerke, Baukunst u Architektur Bedienelemente 72-4, 186f. Beduftung 113, 117f., 122f.

Register

Behne, K.-E. 268f., 274 Beleuchtungslicht 150 Beleuchtungsverhältnisse 88, 123, 141, 14455, 157, 188, 191, 233, 262, 280, 284, 293 Belluci, N. (Im Garten der Klänge) Belohnungszentren 56, 232, 277f. Bense, M. 280 Berlyne, D. E. 277, 279f., 284, 290 Berührung u taktile W. u hapitsche W. Beschleunigungswahrnehmung 35, 77f., 81, 84-6, 88f., 236, 246, 279, 283 Bett 29, 48 Betzhold-Brücke-Phänomen 159 Bewegung [oft] u Atmosphäre, u Augenbewegung, u Ausdruck, u Ereignis-/Geschehniswahrnehmung, u Film, u fruchtbarer Moment, u Funktionslust, u Handeln u Kinästhesie, u Kommunikation, u Mitbewegung, u Musik, u Perspektive (Aktionsperspektive), u Spuren, u Tanz auditive W. im Dienst der Eigenbewegung 224, 244f. auditive W. von 217, 222-5, 227-38, 243-5 beim auditiven W. 222, 244f. auditiv-visuelle Konflikte beim W. von B. 257f. u McGurk-Effekt visuelle W. im Dienst der Eigenbewegung 192-7, 201f. visuelle W. von 140, 144, 150f., 164-72, 174, 195f., 253, 277 beim visuellen W. 164f., 193-8, 206-8 spielerische 87-90, 162, 172, 286-8 neuronale Basis der Ästhetik von B. 278 rhythmische 36, 71, 84, 87-90, 92, 227, 229-31, 244, 278 Bewegungskrankheiten 28, 75, 82-7, 199 u Umkehrbrillen Bewegungsparallaxe 197f. Bewegungs-Sonifikation 231 Bewegungsspuren 169, 171, 179, 181f., 190 Bewegungsstil 170, 186, 287 u Lichtpunkt-Paradigma Lebensalter 185 männlich vs. weiblich 184-6, 287 Tanz 287

353 Bewertung 20, 33, 47, 54f., 100-9, 120f., 127, 129-31, 160-2, 177, 179-86, 189-93, 211, 233f., 241, 254, 256, 262, 265f., 276-85, 294-6 u Geschmack Bewusstseinszustand, veränderter 53-5, 84, 87-90, 109f., 119, 145, 272, 278 u Ekstase, u Meditation, u sensorische Deprivation, u Trance, u Traum Bild(medien), Bildwahrnehmung 75, 96, 124, 137, 146-9, 152f., 157, 162, 163-5, 168-71, 173, 174-201, 203f., 210-14, 236f., 243f., 249, 259, 274, 278, 282, 289, 291, 295f. u Film, u Foto, u Kunst, u Verbildlichung, u virtuelle Realität ägyptische Methode 189 Augendarstellungen 173f., 192 Leuchten im Bild 149f. Perspektive 67, 195-201 Sendelicht vs. Beleuchtungslicht 150 Röntgenbilder 166 taktil-haptische (Blinde und Bilder) 65-70 Umrisszeichnungen 65-7 Veränderungsblindheit 205f. Verdeckung 67f., 164, 194 bildgebende Verfahren u Hirnbilder Bildschirme 50, 85, 95, 149, 159, 189, 199, 203, 207, 212f. Bildtelefone 242 bimodale Zellen (multisensorische Neurone) 42, 254, 277 binaurales Hören 222, 222 Bindungsproblem 144, 253f., 278 binokulare Parallaxe, binokulare Disparität 196f., binokularer Glanz 148f., 199 Binswanger, L. 235, 292 Bioenergetik 34f. Biophilia 190, 281, u Natur Biosignale u Hirnströme (EEG) Biofeedback 34f. EKG 86 Hautwiderstand 27, 52, 229, 258 Bio-Wetter 293

354 Bipolares W. 40f. Birkhoff, G. D. 280 bitter 104, 107, 126-32, 266 bittersüß 129f., 266 Mimik 107, 131, 131 Blau u Farbe blauer Lotos (blaue Wasserlilie) 110 Blendung 146, 149, 151, 154 Blick böser 174 stechender 235 tastender 70f. Blickstrahl-Theorie 174 Blickumkehr 192 Blickweite (visual permeability) u Raumwahrnehmung Blinde 26, 28, 39, 41, 59, 60f., 64-71, 93, 104, 112, 119, 195, 202, 233, 234-7, 255, 296 u Blindsehen, u Raumsinn der Blinden blinde Bildhauer 71 blinde Maler/Zeichner 67, 255 experimentelle Blindheit 119, 217, 238 Rekrutierung visueller kortikaler Areale 255 Blinder Fleck 142, 201, 203 Blindsehen (blind sight) 201f. Blitze 150, 248, 259f. Blumen 110, 111, 117, 190f. u Vegetation Boden 47, 53, 62, 78, 80, 82, 85, 87, 90, 92, 193, 199, 227, 234 Böhme, G. 293 Bogengänge 77, 77f., 219, 221 Bomarzo (schwindelerregende Architektur in der Parkanlage von B.) 91 bottom up Prozesse 23, 166, 291, u Afferenzen Botox 182 bouba und kiki 262, 272 Braille-Schrift 46, 68, 255 Breuer, J. 77 Brocasches Areal 220, 221, 225 Bücher, K. 229 Bühler, K. 149, 152, 286, 289 bulbus olfactorius u Riechkolben Bungeejumping 88 Buntheit 137, 150, 162, 266

Register

Burke, E. 32, 48, 88, 129, 132, 153, 182, 280 Buytendijk, F. J. J. 16, 48f. C Carpenter-Effekt 36 Cartesianismus 28 Cassel, A. 182 Change Blindness u Veränderungsblindheit Charles-Bonnet-Syndrom 208, 248 Chiaroscuro 153 Chiasma opticum 142, 143 Chills beim Musikhören 232 cingulärer Kortex 221 Chion, M. u Film Chromophobie 162 Classen C. 112, 121 Clynes, M. 230 Cochlea (Hörschnecke) 77f., 87, 218-21, 219, 221 Cochleariskern 219f., 220f. Cocktailparty-Phänomen 225, 236 collative Variablen 279 Colliculi inferiores 143, 220, 220 Colliculi superiores 142, 143, 220, 220, 255 Comics 96, 196 common code 166 Computer 32, 68, 74, 187, 246 u virtuelle Realität Blinde u. Computer 68 Computer Aided Design (CAD) 50, 85-8, 199 Computeranalogie 187 Computer-Maus 32, 74 Computerspiele u Videospiele Conchen 102, 103 Condillac, É. B. de 20f., 30 Corpus geniculatum laterale (seitlicher Kniekörper) 142, 143 Cortisches Organ 219, 219 Cowboystiefel 186 crossmodal u intermodale Beeinflussung Csikszentmihalyi, M. 189, 288, 290 Cybernauten 85f. Cybersickness 28, 85-7, 199 Cyberspace u virtuelle Realität Cytowic, R. 52, 273

Register

D da Vinci, L. 149, 172, 184, 194, 197, 204 Dämmerung 141, 147, 153, 155, 159, 161, 295 Darwin, Ch. 180, 287f. Daumen, opponierender 58, 73 Demokrit 132 Denken 74, 170, 201 u top down Prozesse inneres Sprechen 240, 247 Metaphern 272 räumliches D. 65-8, 93f., 207 depictive imagery 208 Depressionen u Gefühl Descartes, R. 28 Design, Gestaltung 28, 31f., 35, 49f., 53f., 68f., 72-5, 85-7, 88f., 91f., 95f., 106, 118f., 1213, 135f., 149, 154, 161f., 170, 182, 187, 190, 192, 234f., 246f., 257, 285 u Akustikdesign, u Architektur, u Bauhaus, u Innenraumgestaltung, u materielle Kultur, u Olfaktorik-Design, u Raumakustik Desorientierung 79, 85, 86, 93f., 193 Deuflhard, P. 185 Dewey, J. 35, 230, 286, 291 Dingwahrnehmung u Materialqualität, u materielle Kultur ästhetisch 48-51, 70-2, 92, 95f., 121-3, 131-5, 136f., 147-9, 161f., 169-72, 180-2, 189f., 246f., 254, 277f., 279-85, 291 auditiv 46, 217f., 223-5, 232-5, 246f. gustatorisch 129-35 haptisch 58-61, 64f., 70-5 multisensorisch 46, 51, 53, 71, 131-5 olfaktorisch 100, 104-9, 110f. taktil 46-54 transmodal 60f., 254, 260-6 visuell 66f., 70f., 145f., 149, 161-7, 186-90 visuell-vestibulär 91f., 96 dionysisch 279 Disco, Diskothek 41, 220, 239, 242, 288, 291 Displays u Bildschirme bildlich 34f., 188 hörbar 34f., 69, 188, 235 spürbar 50, 68, 69, 73f., 81

355 Dissanayake, E. 288f. Dissioziation von bewusstem Sehen und Agieren 201f. Döring, A. 286 Doppelbilder 201, 204f. Doppelblitz-Illusion u intermodale Beeinflussung Doppelgänger (Autoskopie bzw. Heautoskopie) u Körper Doppler-Effekt 223 dorsaler Pfad u Wo-Bahn Dreieck 169, 251, 264f. Drogen psychoaktive 27, 30, 52, 87, 94, 112, 145, 270, 282 körpereigene 55, 232, 277 mechanische 87-90, 96, 239 (laute Musik) Dürer, A. 209 Duftklassifikationen 104f. Durchschnittseffekt (Gefälligkeit von Durchschnittsgesichtern) u Prototypen-Effekt E Earcons 246 Ebbinghaussche Täuschung 201, 201 Echo 170, 226, 235 u Raumakustik Echolot 41, 234f. Efferenzen 23, 58, 62, 78, 219f., 256 u top down Prozese efferente Hemmung 23 Efferenzkopie 58, 62 Egoshooter 199 Eidetiker 198 Eigenhelligkeit („Leuchtkraft“ der Farbtöne) 156, 159f., 261 Einfühlungstheorie/-ästhetik 16, 36, 75, 92, 168, 178, 277, 288 Eingeweideempfindungen (the visceral, gut feelings) 22f., 94, 277 u autonomes Nervensystem u viszerale W. Einheit in der Vielfalt 281 Einschlafbilder (hypnagoge Bilder) 30, 172, 208, 248 Ekel u Gefühle, u Nausea Ekel-Mimik u Gefühl

356 Ekstase 94, 96, 230, 240, 278, 279, 287f., 290 Embodiment (Verkörperung) 15, 199 u Denken, u Gefühl, u Sensomotorik, u Somatopsychologie, u Empathie, u Einfühlungstheorie, u Körper, u Mitbewegung, u Spiegelneurone Empathie u Mitbewegung empathische Schmerzwahrnehmung 51, 75, 258 empathische visuell-taktile Synästhesie 51, 258, 269 Enaktives Wahrnehmen 15f. u Handeln Endorphine 55, 232, 277 Engeempfindung 39, 53, 191, 231 Engpässe 193 Entfernungshinweise/-wahrnehmung Entfernungshören 223 visuelle Entfernungshinweise 168, 193-8, 200f. Entspannen, Entspannung 22, 29f., 34, 44, 49, 55, 105, 124, 130, 132, 181, 196f., 230, 241, 265f., 280, 290, 294f. Entspannungstank 29, 88 Entspannungstechniken 29, 34, 241 Epilepsie 52, 109, 112, 145, 208, 210, 248, 270, 273, 278, 290 eingeschränkte Anfallsformen (partiell komplexe Anfälle) 112, 248 epileptische Aura 62, 112, 208, 273, 278 Epiphanie 119, 289 Ereignis-/Geschehniswahrnehmung 42, 217, 223, 235f., 257, 260 u Orientierungsreaktion Ergonomie 72 kognitive E. 74 erhaben, das Erhabene (the sublime) 37, 48, 49, 88, 129, 150, 153, 184, 230, 280 Ericsson, G. 182 Erinnerung u Vorstellung Erkennungsschwelle u Maskierung Geruch 102, 122 Geschmack (spezifische Geschmacksschwelle) 128 Erkunden (exploratives Verhalten) 38f., 40, 50f., 58f., 60-2, 64f., 71, 119, 124, 207, 284

Register

Erleichterung der Wahrnehmung u Einfrierphänomen, u Karikatureffekt, u Prototypeneffekt Erl. d. W. als Test für Synästhesie 270f. Erl. d. W. bei Bildern für Blinde 68 Erl. der Musikauffassung durch Körperbewegungen der Aufführenden 229f. Erl. der Objektwahrnehmung durch Entfernungshinweise 168 Erl. der visuellen W. durch Farbe 156, 163 Erl. d. W. durch Kubismus 189 Hören des Grundtones durch Obertöne 227 Erl. d. W. wirkt ästhetisch 180, 283f. Erregung u Arousal Ersatzhandlung 44, 242 Ersatzobjekt(e) 44 u Kuscheldecke Erschwernis der Wahrnehmung u Rätselhaftigkeit wirkt ästhetisch 283f. erworbene visuell-taktile Synästhesie 257, 296 Erzählung, Roman 36, 212 Erziehung der Sinne u Sensibilisierung Eskapismus 242 Esoterik, esoterisch 119, 293 Ethnographie, Kulturanthropologie 95f., 101, 120f., 140, 265 u Naturvölker Ethologie (Verhaltensbiologie) 16, 89, 282, 283 Eustachische Röhre 219 Evolution 34, 88, 100f., 114, 130, 161, 164, 191, 231, 282f. Evolutionspsychologie 147, 282 Exkremente, Kot 48, 108 u Fäkalgeruch exploratives Verhalten u Erkunden Exterozeption 20, 40 F facial vision 41, 234f. Fahrrad 42, 82, 84f., 187, 202, 246 Fahrzeuge, Fortbewegungsmittel 35,77f., 84, 89f., 186, 193, 196, 223, 243, 244, 246f., 257, 258, 287, 293, 295 u Automobil, u Fahrrad

Register

Fäkalgeruch 104, 108, 111, 115 Fallen 80, 88f., 92, 94f, u Abgrund, u visuelles Kliff, u Jahrmarkt, u Traum Farbe u Buntheit, u Eigenhelligkeit („Leuchtkraft“ der Farbtöne), u Graustufen, u Helligkeit additive Farbmischung 158, 158 Blau 146, 155, 156, 158-62, 194, 252, 261, 264f., 267, 271 Gedächtnisfarben 157 Gelb 155f., 158-62, 252, 261, 263-5., 267, 271 Grün 104, 155, 156, 158, 160f., 264, Helligkeit (Lightness, Unbuntart; bei ungesättigten Farben) 159 kalte Farben 156, 160, 264 metamere Farben 155, 158 optische Farbmischung (partitive Farbmischung) 159 Rot 133, 155f., 158-62, 264, 267, 270f. Sättigung (Chroma, Unbuntgrad) 159, 162, 209 subtraktive Farbmischung 158, 158 Violett 160, 261 warme Farben 53, 153, 160f., 264 Farbenblindheit 156 Farbgestaltung 161f., Farbkonstanz 157, 188 Farbkreis 158 Farbmodul (V4) 143, 256, 272 Farbnamen 156, 271 Farbton (Buntart, Hue) 151, 156, 159, 160 Fata Morgana 147 Fauna 167-72, 178, 179, 188, 190, 227, 234, 235, 246, 262, 282, 283, 286, 287 Fechner, G. Th. 279 Feldabhängigkeit/-unabhängigkeit 91 Feldenkrais Methode 34, 35 Fellini, F. (Das Buch der Träume) 210 Fenster u Architektur Fernbedienung u Teleoperation Fernblau u Luftperspektive Fernblick 192, 197, 211, 213, 233, 291 Fernsehen (TV) 74, 122, 179, 212, 243 Fernsinne, Distanzsinne 41, 100, 140, 196

357 Fettgeschmack 128, 130, 135, 182 Feuer 100, 144, 150, 160, 286 Feuerwerk 150, 210 Figur & Grund 66, 163f., 167, 171, 173, 194, 223, 296 filling in u Ausfüllmechanismus Film (Kino) 36, 51, 86f., 96, 150, 162, 167, 168, 171, 194, 211f., 213, 236, 293 u Atmo, u Foto, u Morphing, u Präzedenzeffekt, u Schauspieler, u stroboskopische Bewegung, u Stummfilm, u Videoclip 2D/3D 198, 199 Korda, A. 198 Rabenalt, A. M. 198 Wenders, W. (Pina) 149 4D/5D 54, 199 Animationsfilm 168-71, 189, uncanny valley 168, 171 Beleuchtung 147, 152f. Filmmusik 243f. Hautreize 54, 279 Imax-Kinos 85 Involvierung 54, 199 Kamerabewegung 81, 196, 212, u Reißschwenk Orientierung 193 Riechkino 122 Tykwer, T. (Das Parfum) 106, 113, 122 Russell, K. (Altered States/Der Höllentrip) 30 Schnitt 212 subjektive Kamera, point of view shot 86, 212, 213 Ton 233, 234, 238, 243f., 260 Chion, M. 218 Schall, unidentifizierbarer 217 Traum 209f. Verfolgungsjagd 86 Zeitlupe 211, 213, 238 Film noir 153, 262 Finger 25, 26, 39, 40f., 46, 47, 51, 55, 58f., 64f., 66f., 73, 132, 230 u Hand, u Daumen Fingerlutschen 44 Fingernagel 72 Fingerspitzen 39, 41, 46, 65, 73, 74, 253 Flavour-/Flavorforschung 128, 134

358 Flehmen 114 Flimmerfusionsschwelle 259 u intermodale Beeinflussung Flimmerskotome 213 Flora u Blumen Flow 288f., 290 Flucht u Verfolgung fluency 180 u Erleichterung der Wahrnehmung Flug-/Fahrsimulatoren 58-7, 199 Flusser, V. 285 Food Design 131, 134 force-feedback 73 formatio reticularis, retikuläres System 23, 54, 78, 78, 87, 103, 103, 142, 146, 208, 210, 220, 256, 261, 272, 276, 295 u Arousal Formkonstanz 188f., 194, 200, 210 Fotografie 51, 68, 150, 162, 164, 168, 174f., 176, 178, 179f., 182, 187, 188, 193, 197, 200, 206, 211f., 213 Fötus 44, 59 Fourieranalyse 225 fovea centralis 141, 141, 153 Fraktale 281 Franke, H. W. 280 Frankfurt/M. 119 Freezing-Phänomen (Einfrier-Phänomen) u intermodale Beeinflussung Fremdenfeindlichkeit 108, 120 u Neophobie, u Neugier, kulturelle Frequenz Schallschwingungen 54, 218f., 222, 224, 225-7, 235 elektromagnetische Strahlung 141, 146, 155, 156, 157, 158, 161 Freud, S. 101, 135, 209 Frontallappen (Stirnlappen) 24, 25, 107, 144, 220f., 220 fruchtbarer Moment 36, 168f., 184, 195f., 211 Fühlen u Spüren u Gefühl Fülle 70f., 147, 280, 293, 295 Funktionslust 22, 36, 91, 286-9, 289f., 291 fusiforme Windung 144, 177 G Galton, F. 180

Register

galvanische vestibuläre Stimulation u Simulatorsickness-Linderungstechniken Gamingsickness 85-7, 199 Gänsehaut 232 Ganzfeld 96, 151, 261 Gebetsketten 56, 71 Geborgenheit, Sicherheit 45, 106, 108, 115, 145, 234, 243 Gebrauch, intuitiver 74, 246 u Usability Gebrauchsanleitung 74 Gebrauchsspuren 75 Gedächtnis 64, 94, 111, 166, 189 u Vorstellung, u Loci-(Merk-)Technik eidetisches G. 198, 206f. episodisches G. 111 explizites G. 65 externes visuelles G. 206, 211 Geruchsgedächtnis (Proust-Efekt) 110f., 124, 133 implizites G. 65 visuelles Langzeitgedächtnis für Umgebungen 205 Gedächtnisfarben 157 Gedächtnistastung 51 Gefühle, Affekt, Emotion, Stimmung 15, 32f., 44f., 49, 79, 94, 95, 102, 105f., 111f., 118f., 123, 124, 129, 140, 141, 144-54, 159-62, 170f., 177-9, 191f., 256, 262-5, 277, 292-6 u Ausdruck, u Bewertung, u limbisches System, u Lust, u Mitbewegung, u Sexualität, u Stimme, u Vitalqualität Affektabstimmung 227-32, 282, 283, 287f. Angst 29, 33 52, 83, 86, 88, 93, 106, 153, 169, 170f., 174, 177, 178, 180, 193, 217, 221, 228, 258, 262, 289 Angstlust 90 Depression 33, 109, 112, 145, 237 Einsamkeit 109, 237 Ekel 48, 49, 55, 84, 105, 109, 112, 116, 121, 122, 124, 133, 136f., 171, 228 u Nausea Ekel-Mimik 106-9, 107, 130f., 131 Freude 32, 117, 137, 144-7, 169, 190, 230, 263, 279, 286, 290 Freude (am Ursachesein) 239f.

Register

Fröhlichkeit, Euphorie 23, 33, 94, 150, 169, 228f., 232, 236 Geburtstrauma 45 Gleichgewichtssinn 83, 87-90, 93 Leichtigkeit 32, 263 Panik 86, 94, 178 Misstrauen 237 Schwere 32 Sehnsucht 45, 71, 192, 232, 242 Stimmung 32f., 105f., 117f., 142, 144-54, 159-62, 168, 238, 240, 243, 256, 265f., 277, 292-6 u autonomes Nervensystem Stimmung vs. Gefühl 33, 277 Stimmungsdimensionen Anspannung/Spannung vs. EntSpannung/Gelassenheit 33, 105, 294f. Arousal/Erregung vs. Ruhe 33, 105, 294f. u Intensität Lust vs. Unlust 294f. Stimmungsregulation 110, 122, 231, 242 religiöse G. 119, 144f., 146f. Traurigkeit 32, 169, 232, 228-30 Vertrauen 92, 135, 153 Wut 32, 150, 169, 178, 230, 263, 265 Gefühlssynästhesie 264, 268 Gegenlicht 146f., 149 Gehen 34f., 36, 77-9, 82-4, 87-9, 92, 95, 177, 191-3, 196, 244 u aufrechter Gang, u Trittsicherheit, u Walkman ästhetisches Erlebnis 36, 288 Stil 168, 185 Treppen 36, 87f., 92, 95, 288 Gehörgang 218, 219, 222 Gehörknöchelchen (Hammer, Amboß, Steigbügel) 218-222, 219 Gehörschäden 239f. u Schwerhörigkeit Gehry, F. O. 92 Geisterbahn 42 Gelassenheit u Gefühle (Stimmungsdimensionen) Gelb u Farbe

359 Gelenke 23, 29, 58, 79, 168 u Propriozeption Gemeingefühl, Hintergrundgefühle 22, 277, 295 Geone 166, 187 Geräusche 41, 46, 132f., 170, 191, 206, 212, 217, 221-4, 227, 232-49, 262, 266, 267, 293 Nahrungsaufnahme 132 Vibration 54, 247 Geräuschkulisse 223f., 293 Geruchslandschaft u Smellscape Geruchsprisma 104, 104 Geschmack, Geschmacksurteil (im uneigentlichen Sinn) 134, 161f., 254, 276, 284f. Geschmacksknospen 126 Geschmackspapillen 126, 128, 129 Gesichter(hinein)sehen 172f. Gesichterschönheit 179-85, 282 Gesichtsausdruck 32f., 36, 106-8, 124, 130f., 133, 177-85, 225, 228f., 236, 243, 263, 266 Gesichtsfeld (Sehfeld) 80, 85f., 142, 151, 157, 193-7, 202f., 205, 209, 213, 236 oben/unten im G. 194, 195 peripheres G. 80, 86, 141f., 153, 167, 201, 203f., 213f. Gesichtsfeldausfälle 202, 213 Gesichtsmodul 175f. Gesichtsmodus (holistisches vs. konfiguratives Wahrenehmen) 175f. Gespenster 43, 94, 145 Gestaltfaktoren/-gesetzte 15, 163-5, 168, 171, 223 u gute Gestalt Faktor der durchgehenden Kurve (Gesetz des glatten Verlaufs) 165, 171, 171 Faktor der Erfahrung (der objektiven Einstellung) 165 Faktor der Geschlossenheit 165 Faktor der Gleichartigkeit (Ähnlichkeit) 165, 224 Faktor der Nähe 165, 223 Faktor der Symmetrie 167f. u Symmetrie Faktor des gemeinsamen Schicksals 165, 171, 224 Gestaltkreislehre 16

360 Gestaltpsychologie 160, 163-6, 171, 178, 262, 274 gestimmter Raum 292 Gibson, J. J. 16f., 38, 65, 165, 173, 188, 193, 194, 196, 212, 213 Giesz, L. 284f. Glanz 53, 144, 147-51, 154, 161, 164, 195, 197 Augen 147, 173, 183, 199 binokularer Glanz 148f., 148 Haut, unbehaarte 147 Metallglanz 149 Spiegelglanz 147 Vegetation 190 Wasseroberflächen 147, 161 Glanzlichter/-punkte in Bildern 149, 164 Glanzpapier 149, 154 Gleichgewichtsorgan 23, 25, 77, 77-9, 80, 82, 84, 86, 90, 218, 236, 239, 253 Gleichgewichtssinn 36, 74, 77-96, 202, 253 Gleiten 71, 89f. Glitzern 150 Vegetation 190 Wasseroberflächen 161 Gombrich, E. H. 177, 178 Graustufen, Grautöne 155, 160, 261 Schwarz 149, 153, 155, 156, 158, 160, 162, 163, 173, 262, 271 Weiß 149, 151, 153, 156-60, 162, 194, 261 Greebles 176, 176 Greifen 58-75, 201 u haptische W. Griffe 72f. Groos, K. 16, 43, 55, 87, 144, 169, 172, 239, 286, 288, 290, 291 Gropius, W. 72 Größenkonstanz 194, 195 Grundriss 69, 91 Grundton einer Lautsphäre 233 Grundton eines Klangs 225, 227 Grunwald, M. 43 Grün u Farbe Gummihand-Illusion 26-8, 32, 52 Gustatorische W. u Schmecken gustofaziale Reflexe 107f., 130f., 131, 132, 265f. gute Gestalt („Gesetz der guten Gestalt“) 165 Gyroskope 88

Register

H Haar taktile W. 41, 42 Geruchsträger 114 Visualisierung von Duft, Atmosphäre 124 Lichtaura 147 Haardesign 182 Indikator von Gesundheit 185 Habitat 158, 190-2 Habituation 38f. Hadid, Z. 91, 92 Hall, E. T. 45 Halluzinationen 27, 30 u Pseudohalluzinationen auditiv 248 Gleichgewichtssinn 94f. haptisch, kinästhetisch 62-4 olfaktorisch 112f. taktil 52 visuell 145, 151, 207-10 Hand 20, 23, 26-8, 31f., 38f., 42, 49, 51-3, 55f., 58-67, 70-5, 132, 258 u Finger, u Handschuhe, u Handwerk Lesehand 39 Links- bzw. Rechtshändigkeit in der SachFotografie 187 Rechtshänder 221 Handeln, Handlung (Akteur, Aktion, agieren) 22, 31, 35, 59, 72-5, 85, 133, 144, 166, 168f., 172, 187-90, 193, 195f., 199, 201f., 211, 221, 229, 231, 239, 241, 242, 244, 246, 256, 258 u Interaktion, u Teleoperation, u Werkzeug Handlungsrückmeldung 58, 231, 234, 244 Handlungsunfähigkeit 85 übertriebenes Agieren in Theater u. Stummfilm 212 Handhaben 39, 58, 132 u intuitiver Gebrauch, u Usability Handicap-Theorie 183f. handlich 58f., 71, 187 Handschmeichler 71 Handschuhe 54, 73, 74 Handwerk 50, 72, 74, 135 haptische W. 23, 38, 46, 49, 50, 54, 55, 58-75, 123, 132, 135, 220, 258

Register u Greifen, u Propriozeption, u Mund, u Spüren

Harlow, H. F. 44 Harmonische 225f. Haschisch 110 Hass, H. 123, 131 Haut, unbehaarte 54, 147 Hautempfindungen 38-56 u Juckreiz, u Schmerz, u Temperaturwahrnehmung Hautwiderstand u Biosignale Head, H. 25 Hedonik, hedonische Qualität u Lust, Unlust Heider, F. 169, 170 Helligkeit u Dämmerung, u Farbe, u Kontrast, u Leuchten, u Licht, u Schatten als transmodale Qualität 146, 261f., 269 Physiologie der Helligkeitsempfindung 155, 261f. Helligkeitskonstanz 145, 156, 156, 157, 158 Hellpach, W. 110, 113, 146, 294 Helmholtz, H. von 148, 149 Henning, H. 104 Herder, J. G. 70, 264 Hering, E. 149 Hexenschaukel 80, 80 High-Key-Beleuchtung 152 Hippocampus 102, 103, 111, 221 Hirnbilder 111, 206, 253-5, 278 Hirnstamm u Stammhirn Hirnströme (EEG) 43, 86, 231, 253f., 278 Messung an einzelnen Neuronen 144, 253f. Hirschfeld, C. C. L. 154 Hobson, J. A. 63, 209 Hochberg, J. 177, 188, 200 Hochpassfilterung, akustische 225 Höhlenzeichnungen 96, 195, 235 Hogarth, W. (Satire on False Perspective) 195 Holmes, N. P. 25, 35 Hopper, E. 296 Hörbahn 220 absteigende 221 Hören, Gehör 20, 25, 41, 58, 64, 79, 93, 105, 119, 129, 140, 190, 217-49, 243-6, 253-6, 257, 259f., 266, 267, 282, 288, 296

361 Hörgeräte 225, 238, 241 Hörigkeit 235 Horizontale 61, 92, 143 Hornbostel, E. M. v. 229, 230 Hörnerv 219, 219 Hörschnecke u Cochlea Hörzellen (Haarzellen, Stereozilien) 219 Hull, J. M. (On sight & insight: A journey into the world of blindness) 41, 71 Hüllkurve 226 Hume, D. (On the standard of taste) 285 Husserl, E. 28 Hyperaktivität 90 Hyperbinding 271 Hyperventilation 110 hypnagoge Bilder u Einschlafbilder Hypogeusie 129 Hypothalamus 78, 79, 103, 103, 126, 127, 127, 142, 256, 277 I Identifizieren u Dingwahrnehmung, u Tarnung auditiv 217, 223-5, 228, 232-5 haptisch 58-61, 64-70 olfaktorisch 102-6, 124 taktil 38, 40-2, 46-8, 52 visuell 152, 156-8, 161, 163-79 Ideo-Real-Efekt 36 i-Gesicht 33, 266 Ikonographie u Verbildlichung Ilinx 89 Image von Parfums 106 als Teil von Food Design 135 Imagery Debatte 207 u Vorstellung Immersion 54, 73, 199 Informationsästhetik 280, 281 Infraschall 217 Innenohr 23, 77, 79, 80, 82, 84, 87, 91, 96, 218, 219, 220, 239, 253 Innenraumgestaltung 51, 53f., 72, 118, 122f., 135, 146f., 154, 161f. u Möbel Insula 78, 79, 107, 127, 221, 278

362 Intensität 30, 51, 53, 102, 111, 128, 131, 133, 150, 160, 163, 220, 222-7, 240, 253, 261-3, 266, 272, 278f., 289 Interaktion 161, 174, 179, 211, 287-90 u Ausdruck, u Kommunikation Interfaces u Bedienelemente, u Display Interior Design u Innenraumgestaltung intermodale Beeinflussung 91f., 261, 272 u Aroma, u Gummihand-Illusion, u McGurk-Effekt, u multisensorisch, u peripersonaler Raum, u Pinocchio-Illusion, u transmodale Qualitäten, u Synästhesie, u visual capture Angemessenheits-Hypothese 259 Doppelblitz-Illusion 259 Einfrier-/Freezing-Phänomen 260, 261, 262 Flimmerfusionsschwelle 259 Pergamenthaut-Illusion 46 Prellball-Effekt 260 sensorisch-tonisch/sensutonisch, Theorie 146, 261, 272, 294 visuell induzierte Berührungserlebnisse 51f., 53, 257f. Internet 68, 122, 167, 243 Interozeption 23 Intonation 228, 231 Invarianz 188 Involvierung u Film „Irrenschleudern“ 90 Isophone 226, 262 J Jahrmarkt 35, 80, 89, 90 u Geisterbahn James, W. 33, 51, 257 James-Lange-Theorie 32 japanische Ästhetik 154, 291 Jarisch, R. 83 Jellinek, J. S. 104, 105, 106 Jellinek, P. 104, 105, Johansson, G. 168 Juckreiz 22, 38 Julia-Roberts-Effekt 183 K Kafka, F. (Die Verwandlung) 63

Register

Kälte, Kühle 22, 38, 40, 42, 47-9, 51, 54f., 104, 160, 264, 285, 292, 295 Kandinsky, W. 252, 264f., 273f. kanonische Ansichten 187f. kanonische Neurone 75, 144, 166, 187 Kant, I. 58, 70, 73, 87, 116, 121, 140, 179f., 182, 185, 235, 236 Kanten, sichtbare 163, 193 Kargheit 137, 293 Karikatur-Effekt 176-8, 181 Karten (Landkarten, Stadtpläne) 69, 86, 119f. kategoriale Wahrnehmung auditiv 218 visuell 178, 193 Katz, D. 40, 42, 43, 51, 65, 149, 151, 152, 153, 181f. Kavaliersstart 88 Keller H. (The world I live in/Meine Welt) 109, 112, 119, 255 Kennertum 182, 285, 291 Gastronomie 134, 135 Weinkenner 104 Kinästhesie 23, 62, 71, 79, 81, 93, 196, 199, 245 u Gleichgewichtssinn, u Propriozeption Kindchenschema 170, 183, 185, 281 Kinetosen u Bewegungskrankheiten Kino u Film Kippfigur taktil 40 visuell 163f., 173 Kitsch 55, 129, 147, 284f. Cool-Kitsch 285 Kitzelempfindung 23, 38, 40, 55f., 69, 208 Klages, W. 112 Klang 132, 146, 170, 221, 225-7, 231-5, 239, 242, 246f., 262, 266, 267-74, 283, 293 Klangfarbe 225, 226, 266 Klangwahrnehmung und Artikulationsmotorik 224f., 231, 262f. Klatsch 45, 229 Klee, P. 92, 274 Kleidung 35, 48, 53f., 147, 162, 186 u Mode kleine Eindrücke/Wahrnehmungen (Leibniz) Kleinhirn 23, 24, 78, 78, 220, 220

Register

Klettverschluss 74 Klimaanlagen Beduftung 118, 123 Maskierung von störendem Schall 226, 241 Knopf, Knopfloch 74 Köhler, W. 260, 262f., 272 Kokain 52, 277 Kollision u looming Kommunikation u Ausdruck, u Lippenbewegungen, u Protokommunikation, u Stimme, u Telefon Komplexität 278-81 Komputationale Theorie 166, 187 Konsistenz 60, 80, 132 u Boden, u Materialqualität Kontraste Gerüche 104 Helligkeit und Farbe 144f., 147, 149f., 154f., 158, 162, 163, 168, 174, 195, 203, 204, 262, 266 Kontrolle, Kontrollverlust 29, 31f., 78, 90, 117, 230, 236, 240, 283 u Ekstase Konvergenz (der Blickachsen) 196f., 199, 212 Konzentration (mental) 56, 124, 205, 270, 288 Konzentration von Duftstoffen 102, 105f., 109, 122f. von Geschmackstoffen 129f., 131 Kopfhörer 224, 239, 241, 244f. Kopfschmerz 84, 109, 122 Korda, A. u Film Körper u Bewegung, u Funktionslust, u Gefühle, u Gesichter, u Handlung, u Lokalisierung, u Orientierung, u Parietallappen, u Sensomotorik, u Sexualität, u Tanz, u Tonus, u Traum, u Vitalempfindung affektive Wirkung von Rot 161 Aromatherapie 109 Ästhetik, Attraktion 179-86, 281f., 287f. außerkörperliche Erlebnisse/OBEs (Out of Body Experiences) 27f., 94 bei d. Filmwahrnehmung 199, 212 beim Riechen 106f., beim Schmecken 130f., 132f., 135f. Doppelgängererlebnisse 94 Erlebnisse unheimlicher Nähe 94

363 Hören 217, 224f., 227-32, 234f. Lärm 239 Schauspieler 36, 171, 179, 183, 243 Somästhetik 35 Tarnung 152, 168, 174 Tierphysiognomien 178 Voyeurismus 211 Körperbild u Körperfühlbild, u Körperschema Körperfühlbild 26, 42, 43 u Körpergefühl Körpergefühl 22-96 u Spüren, Gespür, u haptische W. Körpergeruch, Parfümierung 109, 114-7, 120 Körperkontakt 44-6, 48 Körperpflege, soziale 45, 229 Körperschema 25-32, 43, 82 u Körperbild, u Phantomglieder, u Werkzeuggebrauch Körperselbst 31 Körpersprache u Ausdruck Korsagen 284 Krabbelkinder 92, 107 Kreis 169, 189, 252, 264f. Kreitler, H. 160, 280, 287 Kreitler, S. 160, 280, 287 kreuzmodal u intermodale Beeinflussung Kriszat, G. 17 Kultur akustisches Produktdesign 246 Arbeitsgesänge 229 Augendarstellungen/-mythologien 174, 192 Bäderkultur 42 Beleuchtung 154 Berührung, Distanzkultur, Nähekultur 44f. Bewertung von Riechen & Schmecken 100 Bildungsnormen 276 Farbpräferenzen 161f. Farbwahrnehmung/-namen 156 Fernblick 191f., 291 Freikörperkultur 53 Geruchspräferenzen 108, 120 Geruchs-Sensibilität 104, 120f. Geruchsträume, Trauminkubation 111f.

364 Gesang, Musik 229, 231 Geschmack, Stilpräferenz, Kitsch 134, 254, 284f. Gestaltwahrnehmung 165 Hörmedien 234, 241-5 indigene Kulturen, Naturvölker 44, 112 Kochkulturen 133-5, 136f. Körperästhetik 185f. Körperwahrnehmung 26, 34f. Lautsphären 234 materielle Kultur 35, 53f., 72-5, 82-92, 95f., 133-5, 136, 167, 234f., 238, 241-7 Perspektive 194-8, 199-201 Protokonversation & Akkulturation 227f. Sexualität und Ästhetik 113-5, 135f., 282f., 287f., 289f. kulturelle Neugier 120 Kulturgeschichte 34f., 43, 72-5, 95f., 101, 117-21, 144-7, 156, 170, 174, 185, 192, 200f., 228, 231 Mittelalter 149, 150, 192 Renaissance 118, 150, 181, 192, 200, 295 Vor-/Frühgeschichte 52, 71, 72, 96, 190, 195, 201, 235 Wahrnehmungsstile 34, 140, 192, 200 Kulturkritik Berührungstabu 44f., 60, 70f. haptische Unterforderung 73f. Hörenmedien, Schizophonie 241 Körperwahrnehmung 34 Riechen & Schmecken 120f., 123f. Sehen, Distanzsinne 34, 70, 140 Kunst 32, 35-7, 70f., 75, 96, 101, 134, 136f., 146f., 149f., 153, 169f., 178, 181f., 184f., 276-96 u Architektur, u Ausdruck, u Bild, u Kitsch, u Museum abstrakte, ungegenständliche Malerei 68, 252, 274 Achselhöhlen 114 Animismus 170f. Betrachter im Bild 213 Chiaroscuro-Malerei 153 Dämmerung 153, 295 Eat-Art 136 Farbe 162 fruchtbarer Moment 36, 168f., 211

Register

Geisteskrankheit 189 Geruchskunst 123 Glanz 149 Ikonenmalerei, Goldgrund 149 Impressionismus 150, 213, 284, 295f. Karikatur („alle K. ist Karikatur“) 283f. Kochkunst 101, 134, 136 Kubismus 189 Künstler (Originalitätszwang) 96 Künstler-Sehstörungen 213 Landschaftsdarstellung 191 Lichtkunst 150, 151 Maler-Modelle 211 Mobiles 172 Mona Lisa 182, 183, 185, 203f., 213 Nebel 151 Opart 94 Perspektive 194, 200 Plastik, Bildhauerei 36, 70f. religiöse Kunst 146f., 150, 235 Steinzeit 195, 201 Stil 92, 96, 153, 180, 277, 291 Stil, linearer vs. malerischer 295 Symmetrie 70, 181 Synästhesie 273f. Theater 151, 168 Tierdarstellungen 178 Traum 96, 209f. „Urkunst“ 278 Volkskunst 162, 285 Kunstkopftechnik 245 Kuscheldecke (security blanket) 44 L Labialisierung 228 Lächeln 33, 106, 177f., 183, 203f., 265f. u gustofaziale Reflexe, u i-Gesicht, u Mona Lisa, u Smiley-Effekt Lagewahrnehmung 26-8, 67-9 Lähmung 56, 62-4, 73, 74, 95, 170, 182, 258 Landkarte 69, 86, 119f. Landmarken u Wegzeichen Landschaftsgestaltung 118f., 234f. Landschaftswahrnehmung/-ästhetik Hören 233f., 282, 292-5 Riechen 100, 109, 117-20, 124 Sehen 151f., 161, 191-3, 213, 291, 292-5

365

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Spüren (Luft, Temperatur) 42f., 292-5 Langeweile 182, 284, 289 Lärm 220, 223, 239-41, 246 u Rock’n’Roll-Schwelle, u Verkehrsgeräusche Lärmtaubheit 239 laterale Hemmung 142, 142, 155 Laufband 81, 85 Lauflernhilfen 82 Laufrad 82 Lautsphäre 232-5, 241-5 Hifi vs. Lofi 233 Lautstärke, Lautheit 217, 220, 226f., 239-41, 261f., 272, 276 u Phon, u Sone Lavalampe 162, 188 Lebensmittel u Nahrungsmittel Lebensweise u Kultur Leib (vs. Körper) 28f. Leibniz, G. W. (Neue Abhandlungen ü. d. menschl. Verstand) 60, 117 Lennep, D. J. van 16 Lessing, G. E. (Laokoon) 36, 51, 169 Leuchtkraft (von Lichtquellen) 261 „Leuchtkraft“ (von Farbtönen) u Eigenhelligkeit Leuchtreklame 150, 171 Libeskind, D. 92 Licht 141, 144-62 u Farbe, u Helligkeit, u Transluzenz Aura 147 Ausbreitungsgeschwindigkeit 225f., 259 Traum 209f. Lichtdusche 145 lichtempfindliche Riesenganglienzellen 141 Lichterketten 171 Lichtmagie 150 „Lichtmaterie“ 147, 149 Lichtpathos, Lichtmystik 145 Lichtpunkt-Paradigma (Point-light-Paradigma) 168f. Lightkost 135 Lilly, J. C. 29f. Limbisches System 25, 78, 79, 102, 103, 103, 127, 127, 142, 221, 232, 254, 254, 256, 273, 276-7 Linearperspektive u Perspektive

Links- bzw. Rechtshändigkeit u Hand Lippen 25, 39, 41, 59, 132, 135, 253 Artikulation 228 Lippenlesen 224, 253f. Lippenschnalzen 227 Lipps, Th. 16, 169, 292 Livingstone, M. 203f., 213f. Loci-(Merk-)Technik 208 Locke, J. 60 Locked-in-Syndrom 63f. Lodge, D. (Deaf Sentence/Wie bitte?) 237 Lokalisierung u Orientierung auditiv 220-3, 226, 232-5, 244 Körpergefühl, Berührung 23, 26-8, 41f., 93f. multisensorisch 255, 257f. visuell 143, 143f., 202 visuell vs. auditiv 223, 258f. Looming 167, 193 Loops 244 Lorenz, K. 16, 281, 287 Loroi-Gourhan, A. 102 Lowen, A. 34 Low-Key-Beleuchtung 152 Lücken im sehen u Ausfüllmechanismus Luftbad 53 Luftperspektive u Perspektive Luftverbesserer 120, 123 Lukrez 132 Lust/Unlust, Hedonik 276-95 u Attraktion, u Gefühle (Stimmungsdimensionen) Hören 132, 231f., 233f., 239 Licht 144-50, 159-62 Riechen 105-9, 121-3 Schmecken 129-31, 132, 136 Spüren 42-6, 47, 48-51, 53-6, 70f., 87-90 Lusttechnologie (Erdbeer-Käsekuchen-Argument, Masturbation) 282 luzide Träume 210, 249 M Mach, E. 77, 213 Machbänder 142 Macula 141 Madeleine-Episode 110

366 Maiglöckchenduft (Bourgeonal) 104, 115 Magersucht 43 Makrosmaten 100 Malerei u Kunst Maluma & Takete 169, 262f., 272 Mandelkern u Amygdala männlich, Männer Farbenblindheit 150 Geruchssensibilität 109 Geruchsträume 111 körperl. Attraktion zw. den Geschlechtern 185f., 282, 287f. männliche Gesichter 184f. männlicher Achselschweiß 114 Parfum 105 Reaktion auf weibliche Gerüche 111, 114f., 116 sexuelle Erregbarkeit 45, 290 Wertschätzung von Gegenständen 189f. Marinetti, F. T. (Manifest zum Taktilismus) 50 Marionetten-Effekt 32, 258 Marketing mit Duft 106, 121 Marr, D. 166 Maskierung auditiv 226, 241 olfaktorisch 116, 119 visuell 174 (Sonnenbrille) 185 (Bart) Massage 40, 41, 45, 53, 69, 109 Säuglingsmassage 44, 82 Massagegeräte 53 Materialästhetik 48-51, 118, 149 Materialbibliotheken 50 Materialqualität 46-51, 123, 149 u Textur McCartney, P. (Yesterday) 249 McGurk-Effekt 224, 254 Mechanorezeptoren 23, 38, 47 Medien (im allg. Sprachgebrauch) 27f., 32, 36, 68, 74f., 58-7, 94, 95f., 114, 121-3, 124, 137, 146f., 150, 176, 178, 199, 211-4, 233-5, 241-5, 249, 273, 283, 284 u Computer, u Fernsehen, u Film, u Fotografie, u Schallkonserven, u Telefon, Videoclips, u Videospiele, u virtuelle Realität Medien (im abstrakten Sinn) 56, 72f., 136 u materielle Kultur, u Werkzeug Medien, Medium (Luft, Wasser etc.) 42f., 55, 124, 147, 151f., 153, 194, 217, 238, 293-6

Register u Milieu Meditation 30, 34, 145, 278, 280 medulla oblongata u verlängertes Rückenmark Melancholie 146, 160 u Gefühl Melatonin 142, 146 Melodie, Melodik 227-32, 247 Sprachmelodie 227f., 253, 263 mentales Rotieren 207 mere-exposure 180 Merk-/Wirkwelt 17, 193 u Habitat, u Handeln Merkmalsintegration 166 u Bindungsproblem Merleau-Ponty, M. 16 Metzger, W. 165 Michotte, A 169f., 172 Migräne/Migräneaura 109, 208, 210, 248, 270, 273 Mikrosmaten 100 Milieu 100, 108, 117-21, 133, 137, 176, 190f., 234, 292-6 u Atmosphäre, u Medium Mimik 33, 36, 106-8, 124, 130f., 177-9, 181, 184f., 225, 228, 236, 243, 266 u Ausdruck, u gustofaziale Reflexe u Lächeln visuelle Ekelinduktion 107, 133 weinerliches Gesicht 106 Mischlingsgesichter 185 Mitbewegung, Mitbewegungsästhetik 16, 33, 36, 62, 86, 92, 168f., 177, 184, 196, 199, 225, 228, 236, 263, 277, 287, 288, 293 u Einfühlungstheorie, u Spiegelneurone MIT-Media Lab 54 Mittelalter u Kulturgeschichte Mittelhirn 24, 25, 220, 255 Mittelmaßschönheit 179f., 279 Mittelohr 218-20, 219 Möbel 35, 49, 53 schwingende 87f. Mobiles 172 Mobiltelefon 54, 238, 245, 247, 257 Möbius-Syndrom 182 Mode 161, 182, 289 u Kleidung Modelle 25, 86, 166, 171, 184, 211 Modigliani, A. 182

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Moholy-Nagy, L. 50, 188 Moles, A. 284f. Molyneux, W. 20, 60 Molyneuxproblem 60f., 188, 272 Mona Lisa 182, 183, 185, 203f., 213 monaurales Hören 222 Morgenstern, Chr. 260 Morphing 178f., 188, 218 Morris, D. 45 Moschus 104, 108, 115 most advanced, yet acceptable (MAYA-Prinzip) 182 Motherese 227 Motion capture 168, 171, 287 mp3-Player u Walkman Müller, G. (Im Reich der Halluzinationen: Gefangen im Ich nach dem Schlaganfall) 64 Müller-Lyer-Täuschung 61, 61, 195, 195 multisensorisch/-modal 25, 52, 55, 80, 94, 126f., 131-5, 137, 202, 246, 253-57, 277f. u bimodale Zellen u intermodale Beeinflussung, u transmodale Qualitäten multisensorischer vestibulärer Kortex 78, 79, 254 München 118 Mund 59-61, 107, 113, 131f. u Lippen, u Zunge visuelle W. des M. 173f., 177, 183, 204 Mundgefühle 130, 132, 253 Murphy, R. F. (The body silent) 63 Museum 276, 279, 291 Musik 36, 41, 73, 101, 111, 117, 124, 132, 228-32, 239f., 242-4, 247-9, 278, 279, 282f., 287f. delicato 265 Film 212, 243f. Klang 226 Legato 132 Musikerkrämpfe 73 Programmmusik 243 staccato 132 Taubheit 41 Muskeln, Muskulatur 23, 26, 29, 31-6, 40, 58, 71-3, 77-9, 82, 86, 131, 169, 178, 184, 186, 196f., 219f., 253, 254, 277, 290

u Propriozeption Muttermilch 133 Muzak 242 Mystery 192f., 284

N Nachrichtensendungen 243 Nahrungsmittel 39, 100f., 106, 108, 115, 129-37 u Fauna, u Vegetation, u Wasser Nahsinne 41, 100 Ultra-Nahsinn 100 Naomi-Campell-Effekt 185 Nausea (Übelkeit) 82-4 Nase, Nüstern 26, 47, 100f., 102, 106-8, 114, 124, 126f., 173, 176, 181, 196f., 213 u Aristotelische Täuschung, u PinocchioEffekt Mimik 106-8, 124 zugehaltene 107, 124, 131 Natur u Animismus, u natürliche Ressourcen -ästhetik 43, 50, 172, 191f., 281f., 292-6 Farben 161 -geräusche 234, 237, 238, 242 -gerüche 115, 124 natürliche Beleuchtung 151, 152 Zersetzungsprodukte 48 natürliche Ressourcen u Fauna, u Licht, u Vegetation, u Wärme, u Wasser Naturvölker 44, 121, 170, 231, 272 Navigation 69 u Orientierung Nebel 126, 151, 284, 295 Negentropie 289 Neophobie 134, 136 Nervus vestibularis 77, 78 Nervus vestibulocochlearis 77, 78, 221 Netzhaut 71, 74, 80, 82, 102, 141-3, 141, 146, 153, 155, 161, 163, 166, 167, 195, 203, 208, 222 Neugeborene 44, 59f., 61, 92, 107, 131, 163, 225, 228 u Säuglinge Neugier 284 kulturelle 120 Neuheit 279 u Überraschung

368 Neurogenese 102 neuronale Anpassungsfähigkeit (neuronale Plastizität) im sensorischen Homunculus 31, 39 Rekrutierung von „Arealen anderer Sinne“ 255 Neuropathie, periphere sensorische 29, 31 Neuroprothese, visuelle 70 New York City 292 „Nichtschmecker“ 128f. niedere Sinne 20, 101, 133, 134, 285 Nimbus 147 Nucleus tractus solitarius 126f. O obere(r) Olive(nkern) 220f., 220 Oberflächensensibilität 23 u Hautempfindungen, u taktile Wahrnehmung Obertöne 225-7 OBEs (Out of Body Experiences) u Körper Objektwahrnehmung u Dingwahrnehmung oblique effect u Schräge-Effekt Ohrenklingeln u Tinnitus Ohrmuschel 218, 219, 222 Ohrwurm 247 ökologische Validität 128 ökologischer Ansatz 16, 38, 217 u Umweltperspektive in der Psychologie Okzipitallappen (Hinterhauptslappen) 24, 93, 142-4, 143, 166, 202, 207, 220, 221, 254 Oldies 111 Olfaktorik-Design 121-4 olfaktorische Makro- und Mikromilieus 117 olfaktorische Region 102 olfaktorische W. u Riechen orbitofrontaler Kortex 126f., 127, 133, 221, 254, 254, 277, 278 Ordnung als ästhetischer Reiz 70, 133, 162, 243, 280f., 288f. orientierter Raum 292 Orientierung 42, 68, 78f., 82, 85f., 93f., 100, 119, 121, 145, 192, 193, 245, 254, 282 u Aufmerksamkeit, u Lagewahrnehmung, u Richtungshören Orientierungslaut einer Lautsphäre 233

Register

Orientierungsreaktion 42, 78, 103, 142, 150, 167, 206, 212, 220, 222, 244 Ornament 191, 192, 281 Osgood, C. E. 294 Otolithenorgane u Statolithenorgane P Panik u Gefühl Panofsky, E. 200 Panoramafenster 192 Pantke, K.-H. (Locked-in: Gefangen im eigenen Körper) 63f. Paradiesvorstellungen 191 paradoxer Schlaf > Schlaf parahippocampaler Gyrus 221 Parahippocampus 111 Paraplegie 63 Pareidolien 172, 208, 210 Parfumeure 104, 111, 112, 124 Parfum-Marketing 106, 121 Parietallappen (Scheitellappen) 24, 25, 43, 93, 143f., 143, 166, 177, 254, 254 Parietoinsulärer vestibulärer Kortex (PIVC) 78, 79 Parkinsonsche Krankheit 52, 208, 230 Parosmien 112 Partnerwahl/Partnerwerbung 100, 113f., 180, 184-6, 282, 287f. u Attraktion Passagiersituation 32, 35, 80, 84, 196, 258 Patina 75 Pavel, A. 245 Pergamenthaut-Illusion u intermodale Beeinflussung peripersonaler Raum 42, 257f. peripheres Sehen 80, 86, 141, 153, 167, 201, 203f., 213f. Perky-Effekt 207 Perspektive u Bild, u 2D/3D Aktionsperspektive 195f., 197 Linearperspektive 66-8, 164, 189, 195, 199-202 Luftperspektive 161, 194, 197 perzeptive, perzeptuelle Deprivation 30, 96, 151, 208 perzeptuelles Lernen 166

369

Register

perzeptuelles Problemlösen 284 Pest, Pestärzte 119, 119 Petrarca 192 phæno u Architektur Phänomenologie 16, 28f., 217, 292 Pheromone, Sexualpheromone 113-5 Phi-Phänomen u stroposkopische Bewegung Phon 226 physiognomische Urteile 177, 178, 236 Piaget, J. 67, 74, 170 Pick, A. 25 Pilotenausbildung 84 Pinocchio-Illusion 26, 26, 79 piriformer Kortex 102 Pläne u Karten Plastik (Kunststoff ) 49f. Plastiken, Skulpturen 36, 70f., 235, 277, 283, 289 u fruchtbarer Moment Plastizität, neuronale u neurale Anpassungsfähigkeit Platon 134 Plötzlichkeit 260, 262 Po, knackiger 186 Ponzo Täuschung 195, 195 posttraumatisches Belastungssyndrom 112 Prägnanztendenz 164f. prämotorische Areale 24, 25, 144, 248, 254, 256, 277 Präzedenzeffekt 226 Prellball-Effekt (bouncing ball effect) u intermodale Beeinflussung primärer auditorischer Kortex 220, 220f., 255 primärer gustatorischer Kortex 127, 127 primärer olfaktorischer Kortex 102, 103 primärer visueller Kortex (V1) 142, 143, 166, 208, 254 primäres/r motorisches/r Areal/Kortex 24, 25, 73 primäres/r somatosensorisches/r Areal/ Kortex 24, 25, 25, 56, 257 Primärschall 234 u Präzedenzeffekt Primaten u Tiervergleiche priming 180, 230 Prinz, W. 166, 207 Programmmusik u Musik

progressive Muskelentspannung 34 Propriozeption 23, 29, 58, 79, 80f., 193, 228, 253 u Gelenke, u haptische W., u Kinästhesie, u Körperbild, u Körperschema, u Muskeln, u Sehnen Prosodie 228 u Intonation Prosopagnosie 175 Prospect-Refuge-Theorie 191 Prothese 31 auditive visuelle Substitution 235 Electrotaktile Vestibular Substitution System [ETVSS] 81 Taktile Vision Substitution System [TVSS] 69 visuelle Neuroprothese 70 Protokonversation 227 Protomusik 228 Prototypen-Effekt 180 Proust-Effekt 111 Proxemik 45, 116 pruning 272 Pseudohalluzinationen 208, 248 Psychose 52, 55 Purkinje-Phänomen 159 Q Quadrat 65, 252, 265 R Rabenalt, A. M. u Film Radio 223, 233, 241-5 Ramachandran, V. 31, 52, 152, 189, 203, 271, 272, 283f., 285, 289 Rank, O. 45 Rätselhaftigkeit 168, 182, 188f., 204f., 273f., 279 Räucherstäbchen-Atmosphäre 119 Rauhigkeit, auditive 226 Raumakustik 232-5 Raumbeduftung 113, 117f., 122f. Raumfrequenz, niedrig vs. hoch 204 Raumsinn der Blinden 41, 235 Raumwahrnehmung u 2D/3D u Abgrund, u Architektur, u Atmosphäre, u Desorientierung, u Enge,

370

Register

u Fernblick, u Geborgenheit, u Habitat, u Karte, u Landschaftswahrnehmung, u Lokalisierung, u

Milieu, u Modelle,

u Mystery, u Orientierung, u Perspektive, u Plan, u Proxemik, u Raumakustik, u Smellscape, u Soundscape, u Stadt(planung), u Überblick, u Wegzeichen, u Weiteempfindung Blickweite (visual permeability) 191f. Eingeschlossenheit (enclosure) 191 Geräumigkeit (spaciousness) 191 gestörtes Raumgefühl 86 Rauschen, weißes 227 Regression 45, 242 Reich, W. 34 Reifröcke 186, 284 Reißschwenk 205 Reliefs (Ertasten von) 43, 65-8, 66 religiöse Bilderwelten 96, 119, 146f. religiöse Gefühle 119, 144-7 religiöse Rituale 110, 119 Renaissance u Kulturgeschichte Resonanz 224f., 281, 288 im Gehörgang 218 neuronale Synchronizität 253f., 278 mit dem Milieu 296 Stimme und Gefühl 229 Retinotopie 142 retronasales Riechen u Riechen Rhythmus hörbarer 227-31, 244 sichtbarer 92, 230, 244 spürbarer 36, 71, 87-90, 92, 229 Riechen 20, 93, 100-24, 129, 131, 135f., 137, 140, 190, 222, 265, 266, 282, 296 retronasales 131 Riechhirn 102f., 103, 127 Riechkolben 102, 103 Nebenriechkolben 114 Riechkulturen 120 Riechschleimhaut 102, 107 Richtungshören 218, 220, 222, 222, 259 Riechzellen (in der Riechschleimhaut) 102, 103 Ritter, J. 192 Rock’n’Roll-Schwelle 239 Rock/Pop-Konzert 279, 288

rod & frame (Stab & Rahmen) 91, 91 Rolandisches Operculum 231 Roller 82, 84 Rosen 104, 111 Rosenkranz, K. 48, 49 Rot u Farbe Rubinscher Becher 163, 163, 164, 173 Rudofski, B. 35, 90, 95 Rückwärtsprojektion (backward projection) 166 Russell, K. (Altered States/Der Höllentrip) u Film S Sacculus 77f., 77 Sack, M. 72 Sacks, O. 200, 201, 210, 213 Sakkaden 201, 205 sakkadische Suppresision 204, 205, 212 salzig 126-8, 130, 132 Samadhi-Tank, Isoliertank 29f., 88 Sanduhr-Figur 186 Sartre, J. P. 45 sauer 104, 122, 126-8, 130, 132 Säuglinge 20, 44, 60f., 82, 87f., 107, 108, 109, 156, 167, 173, 225, 227, 256, 272, 281, 288 u Neugeborene Schafer, M. 233, 241, 242 Schalldruckpegel 220, 226f., 239f., 262 Schallkonserven 242 Schallschatten 222, 222 schalltote Räume 234 u sensorische Deprivation Schallwellen 123, 217, 223, 226f. scharfes, zentrales Sehen 141, 153 Schatten 149-53, 152, 156f., 172, 195, 197, 204, 292 Schaukel(n) 42, 80, 82, 87-90 Schaukelstuhl 88 Schauspieler 36, 171, 179, 183, 243 Schievelbusch, W. 145 Schizophonie 241 Schizophrenie 43, 62, 109, 112, 208, 248 u Psychose Schlaf u Einschlafbilder, u Traum Ammenschlaf 249

Register

Nicht-REM-Schlaf 249 paradoxer Schlaf 62f., 87, 95 REM-Phase/-Schlaf 55, 62, 111f., 210, 249 Schlaflabor 87, 111f., 209 Schlafparalyse 52, 62 Schlafstörungen 240 Siesta 30 Schlaf-Wach-Rhythmus 141, 142 Schlaganfallpatienten 56, 206, 257 Schmarsow, A. 92 Schmecken, Geschmack 20, 52, 100f., 103, 107, 109, 112, 126-37, 140, 254, 265f., 269, 280 Schmeckzellen 126 Schmerz 22f., 29, 30f., 35, 38-40, 48f., 51, 54f., 84, 107, 109, 122, 130, 252, 267 u Kopfschmerz, u empathische Schmerzwahrnehmung auditive Schmerzgrenze 262 Nervus trigeminus 107 Phantomschmerz 31 Placebo 39 visuell induzierter 44, 65, 225 Schmerz-Lust 55, 277, 280 Schmerztherapie 31, 34f., 54 Schmitz, H. 28, 33, 292f. Schnappschuss 211 Schnittstellen (von Mensch und Maschinen) 74, 246 u Displays, u Griffe Schöne, W. 144, 149, 150 Schönheit 48f., 70, 72, 88, 101, 129, 153, 17986, 267, 276-81, 287, 291 u Dingwahrnehmung, u Kitsch, u Landschaftswahrnehmung Schokolade 83 bittere Schokolade 130, 132 Milchschokolade 132 Schräge 92, 93, 96 Schräge-Effekt 92 Schreck-Reaktion 42, 52, 55, 63, 78, 88, 94, 95, 103, 110, 167, 170f., 184, 193, 220, 232, 244, 246, 271, 277, 280 Schulterpolster 186, 284 Schultz, J. H. 34 Schwarz u Graustufen Schwebegefühl 29, 94-6, 209, 239

371 Schwebung 226 Schwenk 212 u Film Schwerelosigkeit 84, 92, 95 Schwerhörigkeit 225, 237f., 248 Schwerkraft 77-9, 84, 89, 91, 283, 287 Schwindel 79, 84, 86, 89, 93, 94-6, 109, 199, 253, 290 Segway 88, 88 Sehfeld u Gesichtsfeld Sehnen 23, 29, 40, 58, 79, 253 u Propriozeption Sehnerv 70, 141, 142, 143 sekundäre visuelle Areale (V2, V3, V4 ) 143, 166, 202, 254, 256, 272 sekundärer auditorischer Kortex 220, 220 sekundärer gustatorischer Kortex 126, 127 sekundärer somatosensorischer Kortex 254, 257 Selbstberührung 20, 28, 44, 54-6, 55, 71, 258 Selbstberührungseffekt 55, 56, 258 Selbstgefühl, gestörtes 27f., 29f., 32, 43, 55, 94 Selektive Aufmerksamkeit u Aufmerksamkeit semantisches Priming 230 semiabstrakte Klangobjekte 246 Sendelicht 150 sensation seeker/ing 90, 277 Sensibilisierung u Training d. Körperwahrnehmung 34 Riechpädagogik 103, 124 Schmeckpädagogik 136f. Sensibilitätsmessung u Audiometrie, u Zweipunkteschwelle Sensibilitätsminderung, altersbedingt u Alter Sensomotorik 15-7, 23-5, 30, 34, 59, 77-96, 133, 208, 245, 274, 282, 287f., 288, 290, 291 sensomotorische Intelligenz 74 sensorische Deprivation 27, 29f., 88, 151, 207, 248, 270 u perzeptuelle Deprivation Sensory Processing Disorder [SPD] sensutonisch u Tonus, u Vitalempfindung Sentimentalität 285 Sexualität 20, 35, 45, 49, 54, 55f., 71, 75, 100f., 113-5, 135-7, 277, 282, 287f., 289f.

372 Cyber-Sex 54 sha (AlphaLiege) 88 Shusterman, R. 35 Sichbalgen 44 Sich-Lausen 45, 229 Sichtschutz 161, 191 Siebbein 102, 109 Signallaut (Lautsphäre) 233, 240 Simmel, G. 116, 120, 121, 235 Simmel, M. 169, 170 Simulatorsickness 28, 85f., 199 Simulatorsickness-Linderungstechniken 86 simultaner Farbkontrast 154, 155, 155, 158, 163 Simultankontrast 142, 150, 154, 155, 155, 158, 163 Sinnesprothesen u Prothese Sinustöne 226, 227 Smellscape 100, 109, 118, 120, 124 Smiley-Effekt 183, 204 Sneaker 186 Sniffman 122 Somatopsychologie 33 u Bewegung, u Denken, u Gefühl somatosensorischer Homunculus 24, 25, 25, 26, 31, 39, 73, 127, 143, 255, 258 somatoviszerale W. 22f. Sone 226, 227 Sonne 53, 141, 145-7, 149, 151, 160, 264 Sonnenbad 42 Sonnenbrille als Maske 174 Soundscape u Lautsphäre Soziologie des Geschmacks 285 Space-Motion-Sickness 84 spandrel (Gewölbezwickel) (Jay Gould) 283 Spannung u Gefühle (Stimmungsdimensionen) Speisekarte 135 spezifisches System (Somatosensorik) 23 Spiegelneurone 36, 62, 75, 144, 168, 181, 221, 225, 263, 277, 288 Spiel 36, 89, 108, 144, 170, 172, 227, 282f., 286f. u Videospiel Ballspiele 260 Drehspiele 89

Register

Raufspiele 45, 56 vestibuläre Spiele (Beschleunigungs-, Schwerkraftspiele) 87, 89, 283, 287 Sprache u Stummfilm, u Telefon Beschreibbarkeit von Handlungen 74 Beschreibbarkeit von Düften/Aromen 104, 124, 137 Farbnamen 156 inneres Sprechen 240, 247f. Intonation, Prosodie, Sprachmelodie 228f., 231 kategoriale W. von Lauten 218 Lärm vs. Sprachverstehen 240 linker Kortex 221 motorische Th. des Sprachverstehens 224 Muttersprache 218, 228 Protokonversation 227-9 sprachrelevante Schallfrequenzen 218, 226, 262 und Denken, Vorstellen 201 vocal grooming 229 Vokale 262 Spuren 136, 169, 171, 179, 181f., 190, 213 Spüren, Gespür 19-96, 132, 140, 228, 253, 269, 277, 293, 296 u Berührung, u Gleichgewichtssinn, u haptische W., u Milieu, u Medium, u taktile W. Stäbchenzellen 141f., 141, 153, 155, 159, 161 Stabilität der visuellen Umwelt bei Eigenbewegung 79 u Vektion Stadt/-planung, städtisches Leben 88, 109, 116, 118-21, 190, 232-4, 242, 292-5 Stallgeruch 108, 120 Stammhirn (Hirnstamm) 42, 54, 63, 78, 142, 143, 146, 210, 219, 221, 239, 256, 261, 276, 277 Stapediusreflex 220 Statolithenorgane 78 Stelarc 32 Stereosehen u binokulare Parallaxe/Disparität Stereoskop 148, 198 u Videohelm Stereokameras 148

Register

stereoskopischen Ansichten 148, 148, 199 Zufallsmuster-Stereogramme 198 Stigmatisierung 238 Stille 236, 237, 238 surreale bei experimenteller Taubheit 224, 236, 237 Stimme, stimmliche Kommunikation 41, 218, 223, 225-9, 231f., 234, 237, 240, 241f., 246, 248, 249, 263, 289 Klagelaute 232 Stimmung u Gefühle Stöckelschuhe 186 Stoddart, M. 114f. Stoffwechsel 100, 130, 175, 277 Straus, E. 16, 235, 288 Strauss, R. 231 Striatum (Streifenkörper) 221, 278 Stroop-Effekt 271, 271 stroposkopische Bewegung 171 Stummfilm 198, 237, 243, 247, 260 subjektive Konturen 163, 172 Suggestion 34, 53, 68, 85, 91, 112f., 137, 151, 152, 178, 181, 204, 209, 211, 213f., 214, 224, 264 Sukzessivkontrast 154f., 155 „Superschmecker“ 128, 130 suprachiasmatischer Kern 142, 143 süß 104, 110, 113, 126-32, 253, 265, 266, 269, 280, 282, 285 Mimik 107, 107, 131, 131 Süßkind, P. (Das Parfum) 106, 122 Swingo 88f., 89 Sylvische Furche 220 Symmetrie 36, 70, 92, 163, 167f., 181f., 185 Synästhesie, synästhetische W. 53, 112f., 244, 256, 267-74 u empathische visuell-taktile Synästhesie, u erworbene visuell-taktile Synästhesie, u intermodale Beeinflussung, u transmodale Qualitäten Begriffssynästhesie 267 Entwicklungssynästhesie 268 erworbene S. 268 Gefühlssynästhesie 264, 268 gelernte S. 265 genuine S. 268

373 Graphem-Farbe-Synästhesie 267, 273 ideopathische S. 268 Wahrnehmungssynästhesie 268 Synchronizität auditiv-motorisch 224, 274 autitiv-visuell 224, 259f., 274 neuronale 254, 278, 290 Synchronisierung von Handlungen, Gefühlen 229-31, 287f., 290 u Musik, u Tanz T tachistoskopische Darbietung 261 Tai Chi 34 taktile W. 23-5, 27f., 32, 38-56, 58-75, 81, 123, 128, 131-3, 135, 220, 235, 237f., 269, 272, 287f. u empathische Schmerzwahrnehmung, u empathische visuell-taktile Synästhesie, u erworbene visuell-taktile Synästhesie, u peripersonaler Raum taktil-haptische Täuschungen u Aristotelische Täuschung Größen-Gewichts-Täuschung 59, 59 Müller-Lyer-Täuschung 61, 61, 195, 195 Webersche Täuschung 47 Vertikalen-Täuschung 61, 61 Tangible Design 54, 74 Tanz 35f., 83, 89, 87, 96, 113, 168, 172, 212, 229-32, 230, 249, 278, 287f. Tarnung 152, 168, 174 Tartini, G. (Teufelstrillersonate) 249 Tastaturen 149 Tastsinn u taktile W., u haptische W. Taubheit 41, 217, 224, 235, 236-9, 248, 260 experimentelle 217, 224, 238 kortikale Veränderungen (Plastizität) 255 Lärmtaubheit 239 taubblind 41, 93, 112, 119, 255 Tavalaro, J. (Bis auf den Grund des Ozeans) 64 Technik 15, 72, 74, 95 u materielle Kultur, u Medien, u tracking Beleuchtungstechnik 147 Beduftungstechnik 123 Kinoton 259 Kunstkopftechnik 245 Lebensmitteltechnik 134f.

374 Nachrichtentechnik 281 Selbstamputation durch T. 95 Übertragungstechnik, Telefon 225 Telefon 166, 188, 225, 238, 240, 241f., 243, 247, 257 u Mobiltelefon Bildtelefon 242 Teleoperation 58, 72 Tellenbach, H. 136, 292 Temperaturwahrnehmung 23, 29, 38-40, 42, 47f., 107, 131, 238, 295 u thermaler Komfort Temporallappen (Schläfenlappen) 24, 78, 143, 144, 175f., 177, 220, 220f., 272, 273 Territorialverhalten 100, 116, 240 Tetraplegie 63 Textur 46, 50, 59, 65, 71, 132, 164, 165, 190, 193, 253 Texturgradient 194, 197 T-Figur 186 Thalamus 78, 79, 103, 103, 127, 127, 142, 220f., 220f. Thatcherisierung 174, 175, 176 Theater 147, 151, 212, 244, 291 thermaler Komfort 47, 48-51, 295 Thermorezeptoren 23 Thermosensibilität u Temperaturwahrnehmung Tiefensensibilität 23, 40 u autogenes Training, u Bioenergetik, u Biofeedback, u Feldenkrais Methode, u Eingeweide, u haptische W., u progressive Muskelentspannung, u Propriozeption, u somatoviszerale W., u Tai Chi, u Yoga Tiefpassfilterung akustisch 225 optisch 204 Tiervergleiche akustische Signale 227 Farbwahrnehmung 156 Riechen 100-2, 114 Spüren 42, 44f., 56 Hunde 17, 89, 101f., 114, 120, 179, 283 Insekten 17, 100, 113, 144 Primaten 44f., 56, 58, 100, 156, 227, 235 Säugetiere allg. 89, 92, 100f., 113f., 156, 227, 283, 290

Register

Vertebraten 113 Vögel 89, 144, 227 Tinbergen, N. 283 Tinnitus 239, 248 Tod 110, 136, 238 Tonart 232 Tonhöhe 225-7, 246, 261f., 266, 269 Tonotopie, tonotope Ordnung 220 Tonus, tonisch 35, 146, 265, 294 top down Prozesse 23, 166, 200, 219 u Efferenzen Totstellreflex 167 tracking 245 Tractus solitarius 127 Tragetuch 88 Training bei Blindsehen 202 berufl. T. d. Geruchsinns 104 berufl. T. d. visuellen Systems 166 d. Gleichgewichtssinns 82f., 89 d. haptischen Wahrnehmens 65 d. Riechens bei Anosmie 109 d. taktilen Sensibilität 50 trainierter Geruchssinn und Traum 112 Transkraniale magnetische Stimulation (TMS) 39, 206 Transluzenz 147, 149, 151, 195 transmodale Qualitäten 61f., 132, 146, 236, 252, 256, 260-6, 268, 272-4, 294 u bouba & kiki, u intermodale Beeinflussung, u Maluma & Takete, u Synästhesie Traum 30, 101 u Einschlafbilder, u luzide Träume, u Schlaf Alptraum 30, 62, 170 auditive T. 249 Berührung 52 Bewegungsalpträume 62-4 durch Duftreize angeregte T. 111 Flug-, Schwebe-, Fallträume 64, 88, 94f., 96 Körpererleben 27, 29, 62-4, 94 Riech-/Schmeckträume 111f. strahlendes Licht 145, 210 Tagträume 71, 172 Traumerinnerung 64 Träume bei Lähmung 63f. Träume Blinder 112

Register

Trauminkubation 111 Verfolgungsträume 62, 170 visuelle Qualität 209f. Traurigkeit u Gefühl Treisman, A. 166 Treppen 36, 87, 88, 92, 95, 193, 217, 288 Rolltreppe 35 trigeminale Chemorezeption (allgemeiner chemischer Sinn) 23, 107, 101, 131 Trittsicherheit, auditiv 224, 260 Trommelfell 218 Tunnel-Effekt 172, 179 Turell, J. 151 Tykwer, T. (Das Parfum) u Film U Überblick, Übersicht 191f., 203, 205f., 211, 259, 282, 295f. Überraschung 42, 55, 92, 177, 184, 221, 279 Übertreibung 176, 178, 181, 243, 284 Uexküll, J. v. 16f. Ultraschall 217 umami 127f., 130 uncanny valley u Film Umkehrbrillen 85, 175, 201, 202 Umweltbewertung/-qualität 100, 108f., 117f., 121, 190f., 233f., 281f., 292-6 u Paradiesvorstellungen, u Natur Umweltperspektive in der Psychologie 17, 128 Und täglich grüßt das Murmeltier 243 Universalien, universell 107, 115, 147, 156, 165, 185, 278, 266 Unschärfe 124, 203, 209, 213f., 295 u peripheres Sehen auditive Lokalisierung 222 Dämmerung 153, 295 Visualisierung von Atmosphäre 124, 194 unspezifisches System (Somatosensorik) 23, 53f. Unterschiedsschwelle beim Riechen 102 Usability 74, 188 u Gebrauch, intuitiver Utitz, E. 286, 289 Utriculus 77, 78f.

375 V Vaginalgeruch 111, 113 Vegetation 160f., 167, 172, 190, 192, 234, 235 vegetative Körperfunktionen 79, 103, 127, 221, 229, 277, 295 vegetatives Nervensystem u autonomes Nervensystem Vektion 80, 196, 199, 245 ventraler Pfad u Wie-Bahn Ventriloquismus u Bauchredner-Effekt ventro-dorsaler Pfad 143, 144 Veränderungsblindheit 201, 205f. Verbildlichung (Ikonographie) Fühlen, Spüren 20, 75 Gleichgewichtsinn 96 Hören 249 Riechen, Geruch 114, 124 Schmecken 137 Sehen 213f. Synästhesie 273f. Verfolgungsjagd 169f., 196, 283 u Spiel, u Film Verfolgungswahn (Paranoia) 170 Vergenzbewegung u Konvergenz Verkehrsgeräusche 226, 232-4, 239f., 266 verlängertes Rückenmark (medulla oblongata) 23, 24, 126f., 127 Verstärker, primäre 133, 136 Vertikale 91f., 152, 165 subjektive V. 91 Vertikalen-Täuschung 61, 61 Vertrautheit 29, 64f., 67, 108, 115, 168, 174-6, 178, 180-2, 185, 195, 201, 202, 208, 218, 239, 240, 242, 284, 285, 287, 293 vestibulärer Kortex 78, 79 vestibuläres Organ u Gleichgewichtsorgan Vestibulariskerne 78, 78 Vestibulo-okulärer-Reflex 81 Vibration 23, 26, 31, 38f., 41, 53f., 69, 72f., 79, 86, 217, 247, 292 Vibrationsalarm 54, 247 Videoamateure 212 Videoclip 178, 244 Videohelm 27 Videospiele 32, 74, 85f., 170, 194, 199, 244 Violett u Farbe

376 Virilio, P. 91 virtuelle Realität (VR) 15, 28, 32, 58, 73, 85f., 94, 193, 199, 245 Gegenwärtigsein (presence/telepresence) 32, 199, 241f. Versetzung (transportation) 199 virtuelle Modelle 86 Vischer, R. 16, 169 Visionen 145, 210 u Halluzination, u Synästhesie Viskosität und Aroma 132f. visual capture, visuelle Dominanz 65, 259 u Gummihand-Illusion visuelle Reizerscheinungen (Halluzintionen) 208, 210, 261 visuelle Täuschungen u Ames’ Raum, u Ebbinghaussche-Täuschung u MüllerLyer-Täuschung, u Ponzo Täuschung, u Vertikalen-Täuschung visuelles Kliff 92, 92, 193 viszerale Funktionen u vegetative Körperfunktionen viszerale W. 22, 256, 277 u Eingeweide, u Tiefensensibilität, u vegetative Körperfunktionen Vitalempfindung 58, 121, 143, 291, 294 Vitalqualität (Teilhabe am Leben) 105, 109, 234, 291, 294f. Vitruv, P. M. (Vitruvius, P. M.) 118 vocal grooming 229 vomeronasales Organ 113, 114 Vorstellung, Erinnerung 37, 47, 133 u autogenes Training, u Gedächtnis, u Meditation, u Traum auditive 230, 247f. haptische 61f., 70f. olfaktorische 111 taktile 51 visuelle 206-10 visuelle Körperbilder 25f. Voyeurismus 211, 244 u Bild, u Zuschauer W Wachheitsregulation 23, 42, 78, 94, 103, 142, 210, 220, 222, 256, 261

Register u Arousal, u formatio reticularis, u Weckgeräusche Wahrnehmungsschwelle (unspezifische Reizschwelle) u sakkadische Suppression Riechen 102, 123 Geschmack 128 Walkman (und Nachfolgegeräte) 242, 244, 245 Wärme 22, 34f., 40, 42, 44f., 47, 48f., 50, 55, 59, 104, 183f., 256, 277, 282, 285, 289, 292-5 warme Farben 53, 153, 156, 160f., 264 Warnung auditiv 222, 227, 239, 246f., 249 olfaktorisch 100 Schmerz 23 taktil 42, 52, 54 visuell 71 Was-Bahn visuell 142-4, 143, 177, 207 auditorisch 220, 221 Wasser Hören 217, 233, 234 Spüren 40, 43, 47, 53, 80 Riechen (Feuchtigkeit) 118 Sehen 147, 150, 160, 161, 172, 190 Wasserbetten 50, 88 Waterman, I. 29 Weber, E. H. 47 Weckgeräusche 249 Wegintegration 93 Wegzeichen 93, 193, 207 weiblich, Frauen Ansprechbarkeit auf chillende Musik 232 Bedürfnis nach Zärtlichkeit vs. Sexualität 45, 290 Auftr. v. Synästhesien 269 Geruchssensibilität 109 Geruchsträume 111 körperl. Attraktion zw. den Geschlechtern 185f., 282, 287f., 289f. Parfumierung 115, 116f. sexuelle Erregbarkeit 45, 290 weibliche Gesichter & Mimik 183-5 Wertschätzung von Gegenständen 189f.

377

Register

zyklusabhängige Bewert. von männl. Achselschweiß 113 Weil, H. 181 Weiß u Graustufen Weiteempfindung 33, 191, 230f. Weizsäcker, V. v. 16 Wenders, W. (Pina) u Film Werbung 75, 96, 114, 116, 122, 124, 135, 137, 146, 150, 154, 167, 178, 190, 213, 238, 249, 273, 282, 287, 289 Werkzeuggebrauch 31f., 72-5, 187, 256, 258 Wertheimer, M. 171 Wiege 87, 88 Wien 118, 120 Wind 42, 233, 238 Windrichtung und Stadtplanung 118 Winterdepression (SAD, Seasonal Affective Disorder) 145 Wilson, E. O. (Biophilia) 190f. Witelo 144 Witkin, H. A. 91 Wo/Wie-Bahn auditorisch 220, 221 visuell 142-4, 143, 177, 201, 207 Wohlgefallen, interesseloses 286, 289f. Wohlgeruch 106f., 109, 117-9, 294 Wohnräume 51, 53, 108, 116, 118, 240, 242 Wölfflin, H. 36, 153, 295 Wright, D. (Deafness. A personal account) 237 Wundt, W. 149, 264, 279, 294 Wut u Gefühle

Y Yoga 34, 83 u Körper, u Meditation Z Zajonc, R. 180 Zäpfchenzellen 141f., 141, 153, 155, 156, 161 Zapping 212 Zauberer 206 Zeitlupe u Film Zeki, S. 157, 277 Zen-Buddhismus 280 u Meditation Zirbeldrüse (Epiphyse) 142, 146 Zombies 171 Zunge 25, 59, 69, 81, 100, 126-31, 126, 135, 227, 228, 234, 254 Züngeln 114 Zungenspitze 39, 41 Zuschauer (Publikum) 36, 54, 96, 113, 122, 147, 199, 206, 212, 223, 283 Zuwendung 44-6 aktiv 33, 106, 185, 222, 249, 255 passiv 56, 183, 211 Zwei-Punkte-Schwelle 39, 39 Zwiespältigkeit u Ambivalenz Zwischenhirn 24, 25, 142, 146, 220