Die Zoi-Bewegung Griechenlands 9783666562242, 9783525562246

147 72 10MB

German Pages [160] Year 1970

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die Zoi-Bewegung Griechenlands
 9783666562242, 9783525562246

Citation preview

Christoph Maczewski . Die Zoi-Bewegung Griechenlands

CHRISTOPH

MACZEWSKI

Die Zoi-Bewegung Griechenlands Ein Beitrag zum Traditionsproblem der Ostkirche

VANDENHOECK & RUPRECHT IN G Ö T T I N G E N

Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Edmund Schlink Band 21

© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1970. — Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen

Vorwort Als ich 1959 Vikar in der deutschen Gemeinde in Athen war, machte mich H e r r Professor D. Dr. Edmund Schlink auf die Zoi-Bewegung aufmerksam. Sie sei weithin noch unbekannt und eine Bearbeitung dieser in der griechischen Kirche sehr einflußreichen Erneuerungsbewegung könnte dem besseren Verständnis gegenwärtiger griechischer Orthodoxie dienlich sein. Nach diesem abendlichen Gespräch in einer Athener Taverne begannen meine Studien über die Zoi, die sich über einen Zeitraum von neun Jahren hin erstreckten. Zunächst habe ich mir in Athen, dem Zentrum und Ausgangspunkt der Bewegung, durch Teilnahme an ihren Veranstaltungen und durch persönliche Kontakte mit verschiedenen ihrer Mitarbeiter und Leiter ein erstes Bild von dieser Erneuerungsbewegung verschafft und Informationen und Literatur gesammelt. Die große Bedeutung der Zoi für die innerkirchliche Entwicklung Neugriechenlands wurde mir damals schon deutlich, aber audi die Schwierigkeit, die sie hatte, sich der modernen Zeit offen zu stellen. Die Spaltung des Kerns der Bewegung, der Theologenbruderschaft Zoi, schien jedoch einen Durchbruch zu ermöglichen und auch schon anzukündigen. 1960 war ich dann ein Semester lang Stipendiat an der griechisch-orthodoxen Theologischen Akademie des ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel, auf der Insel Halki im Marmarameer, und habe dort das Urteil über die Zoi-Bewegung seitens der außergriechischen Orthodoxie kennengelernt. In ihr wurde die Bewegung vor allem ihrer Predigtarbeit wegen geschätzt und gerühmt. Darauf lebte ich ein Semester lang als Stipendiat der griechischen Kirche im Athener Zentrum der Apostoliki Diakonia, einer zeitweiligen Parallelund Konkurrenzinstitution der griechisch-orthodoxen Kirche zur Zoi. Dort habe ich die innergriechische kirchliche Reaktion auf die Zoi-Bewegung unmittelbar zur Kenntnis nehmen können. Gute Kontakte zu Professoren und Assistenten der Athener Theologischen Fakultät haben mich zu gleicher Zeit die Rolle der Zoi-Bewegung innerhalb der neugriechischen Kirchengeschichte von orthodoxer Sicht aus sehen gelehrt und mir orthodoxe Ansatzpunkte für eine theologische Kritik gegeben. Nach diesen zwei Studienjahren in Griechenland und Konstantinopel kehrte ich 1961 nach Deutschland zurück und fuhr 1962 vom Predigerseminar aus erneut nach Athen, um weiteres Material über die Zoi und über einige andere sehr aktiv tätige orthodoxe Erneuerungsbewegungen zu sammeln. Da wurde bereits sichtbar, daß die an dem Problem der Erneuerung aufgebrochene Spaltung der Zoi-Bewegung die Hoffnung auf eine entscheidende Reform wohl nicht erfüllen würde. Der Eintritt ins P f a r r a m t 5

1963 hat dann meine Studien unterbrochen, bis die Beurlaubung für den Missionsdienst in Afrika mich 1968 in die Lage versetzte, die Untersuchungen über die Zoi-Bewegung zum Abschluß zu führen und sie als Dissertation der Theologischen Fakultät zu Heidelberg vorzulegen. Im April 1968 war ich noch einmal in Athen und konnte dort die durch die Militärrevolution von 1967 neu entstandene kirchliche Situation mit ihren einschneidenden Folgen für die Zoi-Bewegung selber wahrnehmen, konnte die vielfache Kritik hören, die sich vor allem seitens der jüngeren Theologen an der Zoi und an der neuen Lage entzündete, und konnte letzte Informationen sammeln. Nach diesem Aufenthalt in Griechenland ist die vorliegende Studie niedergeschrieben worden. Für die vielfache Hilfe, die mir in Griechenland zuteil wurde, habe ich zuallererst den Mitarbeitern und Leitern der Zoi-Bewegung zu danken, insbesondere dem ehemaligen Prior der Zoi-Bruderschaft: Archimandrit Elias Mastrojannopoulos, dem Mitbegründer der Zoi- und der SotirBruderschaft: Professor Panajotis Trembelas, dessen Schwager: Professor Panajotis Bratsiotis, und dem Zoi-Bruder Georgios Meletis für alle ihre Informationen, ihre ständige Bereitschaft zum Gespräch und ihre Hilfe bei der Beschaffung von mir wichtigem Material. Großzügig wurde mir auch der Zugang zum Archiv der Bruderschaft gewährt. Aufgrund solcher Aufgeschlossenheit erst konnte diese Gesamtdarstellung der Bewegung unternommen werden. Sodann danke ich Erzbischof Hieronymos Kotsonis, damals Professor für kanonisches Recht, und seinem Freunde, Professor Alexander Tsirindanis von der juristischen Fakultät, für klärende Gespräche und Professor Andreas Phytrakis und Assistent Johannes Konstantinidis für die Interpretation der kirchlichen Haltung gegenüber der Zoi. Der Nationalbibliothek und der Gennadionbibliothek schulde ich Dank für ihr Entgegenkommen und für die Hilfe beim Aufsuchen von Dokumenten. Mein kritischer Blick wurde geschärft durch die geisteswissenschaftliche Kritik von Professor Demetrios Tsakonas und durch die dynamische Theologie von Professor Nikolaos Nissiotis. Ihnen beiden danke ich auch für ihre Gastfreundschaft. Von den jungen Theologen seien stellvertretend Jakob Mainas und Elias Voulgarakis dankbar erwähnt, die mir bei meinem letzten Besuch in Athen mit Material und in ihren Gesprächen die Haltung der jungen Generation zur Zoi-Bewegung lebendig vor Augen geführt haben. Der Evangelisch-Lutherischen Mission (Leipziger Mission) zu Erlangen danke ich, daß sie mich einen wesentlichen Teil der Vorbereitungszeit für den Missionsdienst für die Fertigstellung meiner Dissertation hat nutzen lassen. Vor allem aber danke ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor D. Dr. Edmund Schlink, für seine geduldige und wohlwollende Förderung meiner Zoi-Studien. Ihm verdanke ich auch meine in dieser Begegnung gewachsene Liebe zur Orthodoxie. 6

Diese Studie hat ein doppeltes Ziel: das Verständnis der neugriechischen Kirche außerhalb Griechenlands durch eine theologische Analyse der Zoi-Bewegung zu erweitern und der griechischen Kirche selber für ihre eigene theologische Arbeit einen Beitrag vorzulegen. Darum habe ich mich bemüht, auch die orthodoxen Gesichtspunkte mit aufzunehmen. Die grundsätzliche theologische Stellungnahme jedoch verleugnet nicht meinen evangelischen Standort. Gerade durch eine konfessionell geprägte ökumenische Forschung, meine ich, kann der Sache der Einen Kirche gedient werden. Daß diese Studie dazu beitragen möchte, ist mein Wunsch. Moshi/Tansania, P.O. Box 795, im Januar 1970 Christoph Maczewski

7

Inhalt Vorwort Einleitung I. Geschichtlicher Abriß Einführung: Griechenlands Befreiung von 1821 und die Bewegung Makrakis (1830—1905)

5 11 13 13

A) Eusebios Matthopoulos, der Gründer (1849—1929) B) Zoi-Bruderschaft, der Trägerkreis (gegr. 1907) C) Entfaltung zur Organisation D) Spannungen mit der Kirche E) Spaltung in Zoi und Sotir (1959) F) Gescheiterter Reformversuch G) Unter der Revolutionsregierung von 1967 Zusammenfassung

14 20 23 31 36 41 45 49

II. Das Verhältnis zu D o g m a und kirchlicher Praxis Einführung: Traditionelle Typologie orthodoxer Tradition

52 52

A) Die Zoi-Bewegung in ihrem Verhältnis zur dogmatischen Tradition B) Die Zoi-Bewegung in ihrem Verhältnis zur kirchlichen Tradition a) Umgestaltung bestehender Traditionen 1. Liturgie 2. Sakramente 3. Diakonie 4. Theologie 5. Kirchenväter 6. Mönchtum

8

53 54 55 56 57 58 59 60

b) Wiederaufnahme alter Traditionen 1. Regelmäßige Predigt 2. Christozentrismus 3. Persönliche Nachfolge 4. Kampfcharakter christlicher Existenz 5. Aktivität der Laien 6. Harmonisierung von Glaube und Wissenschaft 7. Ziel einer griechisch-christlichen Zivilisation 8. Äußere Mission

62 63 65 65 67 68 70 71

c) Einführung neuer Traditionen 1. Systematisches Bibelstudium 2. Durchorganisiertes Jugendkatechumenat 3. Paragemeindliches Vereinswesen 4. Apostolat der Gläubigen

73 75 78 80

5. Führungsstellung der Laien 6. Schriftenmission Zusammenfassung

III. Konsequenzen für die theologische Neubesinnung

81 83 87

89

E i n f ü h r u n g : Kritik an der Zoi-Bewegung seitens jüngerer, aus der Bewegung ausgeschiedener Theologen A) Lösung aus westlich-theologischer Ü b e r f r e m d u n g B) Wiederaufnahme der Vätertheologie 1. Hellenistische Kategorien 2. Katholizität u n d ö k u m e n i z i t ä t 3. Kirchliches Bewußtsein 4. Mystische Tiefe 5. Asketischer U r s p r u n g 6. Dogmatische Grundlegung 7. Prophetische V e r a n t w o r t u n g 8. Eschatologischer H o r i z o n t 9. Doxologischer Charakter

89 91 92 93 94 96 97 98 99 101 102 102

C) Bewältigung der modernen Welt Zusammenfassung

104 106

IV. Tradition und Geschichte als ekklesiologisches Problem E i n f ü h r u n g : Die griechische Theologie an der Wende v o m altkirchlichen z u m neuzeitlichen Denken A) Metaphysisches u n d geschichtliches Traditionsverständnis . . . B) Das Problem der „schöpferischen Synthese" von Vergangenheit u n d Gegenwart C) Aspekte einer neuzeitlichen H e r m e n e u t i k dogmatischer Tradition D) V o m geschichtlichen Traditionsverständnis zum ökumenischen Kirchenverständnis E) Konfessionelle Traditionserneuerung als ökumenischer A n näherungsprozeß Zusammenfassung Schluß

109 109 111 115 118 122 125 128 130

Dokumentation A) B) C) D) E) F) G) H)

Aus der Satzung der Zoi-Bruderschaft (gegr. 1907) Der Leitartikel der ersten Ausgabe der Zoi-Zeitschrift (1911) . . Aus dem H a u p t w e r k von Eusebios Matthopoulos (1915) . . . . Das Manifest der griechischen Wissenschaftler (1946) Aus dem H a u p t w e r k v o n Alexander Tsirindanis (1950) Eine Symposion-Einleitung von Elias Mastrojannopoulos (1962) Eine junge Theologenstimme aus der Synoro-Zeitschrift (1966) Die gegenwärtig bestehenden Zoi- u n d Sotir-Organe (Stand: April 1968)

Literaturverzeichnis

133 136 137 141 143 145 149 152

157 9

Die wichtigste religiöse Bewegung in der Autokephalen Kirche Griechenlands — und vielleicht der Orthodoxen Kirche überhaupt — vom Standpunkt des Geistes, des Aushaltens und der bleibenden Ergebnisse ist und bleibt die vom Archimandriten Eusebios Matthopoulos gegründete „Zoi-Bewegung".

Professor Panagiotis Bratiotis, Athen, in: Die Orthodoxe Kirche in griechischer Sicht, 2. Teil, Stuttgart 1960, S. 60

Einleitung Die Zoi-Bewegung hat das religiöse Leben in Griechenland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt und die innere Erneuerung der griechischen Kirche entscheidend vorangetrieben. Mit der politischen Revolution von 1967 sind „Zoikoi", Zoi-Anhänger, sogar kirchenpolitisch zur Herrschaft gelangt und versuchen seitdem, die griechische Kirche nach ihren Vorstellungen zu reformieren. In Erzbischof Hieronymus Kotsonis steht ein langjährig führender Mitarbeiter der ZoiBewegung an der Spitze der griechischen Kirche, und das von ihm proklamierte Reformprogramm stellt ein aus Zoi-Geist konzipiertes Modernisierungsprogramm für die griechische Kirche dar. Das Verhältnis der Kirche zur Zoi-Bewegung jedoch ist gespalten. Begeisterte Aufnahme auf der einen und leidenschaftliche Ablehnung auf der anderen Seite haben im Laufe der Zeit geradezu ein latentes Schisma entstehen lassen, das durch die jüngste Besetzung wichtiger Bischofsstühle mit Zoi-Brüdern und Zoi-Anhängern nun schon bis in den Episkopat hinaufreicht und bedrohliche Aktualität angenommen hat. Für den Fall der Rückkehr Griechenlands zur Demokratie wird eine Spaltung der griechischen Kirche in ein zoi-freundliches und ein zoi-feindliches Lager befürchtet. In der Tat ist mit der Zoi-Bewegung ein revolutionäres Element in der griechischen Kirche aufgetaucht, das sofort eine stark ablehnende Reaktion der reformfeindlichen Mehrheit des kirchlichen Establishments herausgefordert hat. Theologisch gesehen könnte die Zoi-Bewegung als eine Reformation der griechischen Kirche bezeichnet werden. Ihre Entstehung und ihre Frontstellung, ihr Existenzkampf und ihre allgemeine Entwicklung weisen manche Parallele zur Reformation des 16. Jahrhunderts auf. Allerdings hat die Zoi-Bewegung die dogmatische Lehre und das kanonische Recht der Orthodoxie nicht angetastet. Dank dieses undogmatischen Charakters ist es in Griechenland nicht zu einer Kirchenspaltung gekommen. Die Gegensätze wurden vielmehr allein auf der Ebene des kirchlichen Lebens ausgetragen. Dort hat die Zoi einen wirkungsvollen Sieg errungen und durch ihren selbstlosen Einsatz und ihr überzeugendes Vorbild die offizielle Kirche gleichsam zum Nachfolgen gezwungen. Im Raum des kirchlichen Lebens also hat sich die Zoi-Bewegung entfaltet. Da sie in der Diakonie besonders vielseitige Anstrengungen unternahm — in der Fürsorge, in eigenen Schulen und Heimen, in ihrer Jugendbewegung und in den verschiedenen Berufsvereinigungen — tauchte beim Verfasser zunächst der Wunsch auf, ihre sozialethischen Grundlagen zu ermitteln. Es stellte sich jedoch heraus, daß der ZoiBewegung die moderne sozialethische Fragestellung noch nicht in das 11

Blickfeld gerückt ist. „Es handelt sich hier um einen Konservativismus, der nichts mit dem sozialen Anliegen des 20. Jahrhunderts gemeinsam hat." So kategorisch, und wohl nicht unzutreffend, beurteilt der griechische Sozial- und Geisteswissenschaftler Demetrios Tsakonas diesen Tatbestand 1 . Die Zoi-Bewegung hat zwar eine hohe Individualethik entwickelt und sich ein unbestrittenes Verdienst dadurch erworben, daß sie in dem allgemeinen moralischen Niedergang Neugriechenlands viele Griechen zu frommen und moralisch untadeligen Persönlichkeiten herangebildet hat, aber die reformbedürftige Gesellschaftsstruktur ist ihr nie zum Problem geworden und zu den Wurzeln der sozialen Nöte, denen sie sich mit so viel Hingabe zuwandte, ist sie nicht vorgedrungen. Mit solcher Einstellung zur sozialen Frage befindet sich die Zoi-Bewegung tief im Lager der Konservativen. Sozialethische Kategorien sind also nicht geeignet, die Bedeutung der Zoi-Bewegung zu messen. Statt dessen scheint sie im Bereich des Traditionsproblems faßbar zu sein. Dort war es nämlich — z . T . unter der Oberfläche des Bewußtseins — zu den entscheidenden Weichenstellungen gekommen, die zu den einzigartigen Erfolgen wie auch zu den gefährlichen Verkürzungen geführt haben. Versteht sich die Zoi-Bewegung doch wesentlich auch als einen Protest gegen den Verfall der orthodoxen Tradition und als einen Versuch, die griechische Kirche wieder zur reinen Überlieferung der Alten Kirche zurückzuführen. So stellte sich im Verhältnis der Zoi-Bewegung zur Tradition die Leitfrage der folgenden Untersuchung. Nach dem informierenden I. Teil, der die Lücke einer Geschichte und einer Gesamtdarstellung der Zoi-Bewegung wenigstens in Form eines Abrisses schließen möchte, kristallisiert sich alles um den II. Teil, die theologische Analyse. Hier wird die innere Struktur der Zoi-Bewegung sichtbar, und ihre große Leistung auf dem Gebiet des kirchlichen Lebens kommt ans Licht. Im I I I . Teil folgt die innerorthodoxe Kritik der jungen Theologengeneration, in der zum ersten Male eine sachliche und theologische Auseinandersetzung mit der Zoi-Bewegung begonnen wird. Durch sie werden die Schwächen, Mängel und die Gefahren der Bewegung aufgezeigt. Im IV. Teil wird abschließend in einer systematischen Auffächerung des Traditionsproblems die grundsätzliche theologische Bedeutung der Zoi-Bewegung zu bestimmen versucht. 1 Die geistigen und religiösen Strömungen im heutigen Griechenland, in: Una Sancta 18. Jg., Heft 1, Jan. 1963, S . 4 5 . Audi die griechische Theologie hat noch keine Sozialethik entwickelt. Siehe: Demosthenes Savramis, Die griechisch-orthodoxe Kirche und die soziale Frage, Ostkirchliche Studien 7, 1958, S. 6 6 — 8 4 , und ders., Christlicher Glaube und soziale Wirklichkeit in Griechenland, in: Christlicher Glaube und Ideologie, hrsg. von Klaus von Bismarck und Walter Dirks, Stuttgart 1964, 126—132.

12

I. Geschichtlicher Abriß Einführung: Griechenlands Befreiung von 1821 und die Bewegung Makrakis (1830—1905) Die Zoi-Bewegung — Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden und Mitte des Jahrhunderts zur höchsten Blüte gelangt — ist in zweierlei Hinsicht mit dem 19. Jahrhundert verbunden: einerseits durch ihre Verhaftung mit dem neugriechischen Nationalismus und andererseits durch ihren Ursprung in der religiösen Erweckungsbewegung des Apostolos Makrakis. Am 25. März 1821 rief Bischof Germanos von Patras im Kloster Hagia Lawra in den peleponnesischen Bergen offiziell den griechischen Befreiungskrieg aus 1 . War es die orthodoxe Kirche, die die griechische Nation durch die vierhundertjährige Türkenherrschaft hindurchgerettet hatte, so w a r es wiederum die Kirche, die zur Erhebung rief. In ihren Klöstern hatte sie in geheimen Schulen das nationale Erbe durch die Generationen weitergereicht, und ebenfalls in ihren Klöstern wurden die Waffen für die Erhebung zusammengetragen. Und nicht nur im Verborgenen spielte die Kirche ihre politische Rolle. Sie vertrat bei der Hohen Pforte offiziell die orthodoxen Untertanen des osmanischen Reiches, war Trägerin des Rechts und in weiten Bereichen sogar auch der zivilen Verwaltung. Nation und Kirche waren zu einer Einheit verschmolzen. „Wie kaum anderswo vollzog sich in Griechenland die politische und kulturelle Durchdringung von Nation und Kirche. Noch heute achtet der kleine Mann den Landsmann nicht als ,richtigen' Griechen, der sich zu einem anderen Glauben bekennt." 2 Als Anfang des 19. Jahrhunderts auch im griechischen Volk der neuzeitliche Nationalismus erwachte, verband sich der politische Freiheitskampf mit dem religiösen Kampf der Kirche gegen die Ungläubigen. Im nationalen Befreiungskampf von 1821—1829 vereinte sich die Kirche noch einmal unlöslich mit der Nation. Dieses Erbe prägt seitdem das moderne Griechenland und dieses Erbe prägt auch die Zoi-Bewegung. Daher blieb sie z.B. auf das griechische Staatsgebiet beschränkt und hat sich nicht zu einer gesamtorthodoxen Bewegung entwickeln können. Das Ausscheiden aus dem osmanischen Imperium führte die griechische Nation in schwerste Existenzkrisen. Die anhaltenden, mit Leidenschaft 1 2

Johannes Gaitanides, Griechenland ohne Säulen, München 1955, S. 162. Ebenda S.153. 13

und Grausamkeit geführten Befreiungskriege, die erst nach hundert Jahren in der Kleinasiatischen Katastrophe von 1921 zu einem jähen Ende kamen, zehrten unaufhaltsam an der physischen und moralischen Substanz des Volkes. Mit dem Wiedereintritt in die europäische Völkerfamilie war Griechenland außerdem sofort dem massiven Einfluß der westeuropäischen säkularen Geistesströmungen ausgesetzt. Sitte und Tradition des Volkes begannen, sich aufzulösen. „Die antireligiösen und antispirituellen Strömungen des Materialismus und Positivismus waren nur zu bald auch in dieses Land eingedrungen und drohten, die Grundlagen nicht nur der Kirche, sondern auch des ganzen nationalen Lebens zu untergraben . . . " 3 In dieser Situation traten religiöse Erneuerungsbewegungen auf, die dem nationalen und religiösen Verfall des griechischen Volkes entgegenwirkten und die entscheidend dazu beigetragen haben, das Volk mit neuer Hoffnung zu erfüllen und mit einem erneuerten geistlichen Leben zu durchdringen. Die erste bedeutende und alle anderen Erneuerer überragende Persönlichkeit ist Apostolos Makrakis. Von ihm geht ein breiter Strom verschiedener Erneuerungbewegungen aus. Auch die Zoi-Bewegung hat hier ihren Ursprung. Ihr Gründer, Eusebios Matthopoulos, war in der Makrakis-Bewegung herangereift und in ihr zu einem der engsten Mitarbeiter von Makrakis geworden. Makrakis, Charismatiker und leidenschaftlicher Evangelist, war im Verlauf seines Wirkens wegen einiger Lehren und neuer Offenbarungen von der offiziellen Kirche zum Irrlehrer erklärt worden. Sie verurteilte den beißenden, unbequemen Kritiker als Häretiker und brachte ihn gewaltsam zum Schweigen. Die Tragik dieser Entwicklung hatte Eusebios Matthopoulos am eigenen Leibe miterlebt. Das führte ihn zu der weitreichenden Entscheidung, sich jeglicher dogmatischen Theologie zu enthalten. Diese Abstinenz ging auf sein Erneuerungswerk über. Damit war die Zoi-Bewegung in zwei ganz bestimmte Bahnen gelenkt worden: einmal, die unauflösliche Verbindung von Kirche und Nation zu wahren, zum anderen, auf jegliche dogmatische Theologie zu verzichten. A) Eusebios Matthopoulos, der Gründer der Bewegung Nach der gewaltsamen Ausschaltung von Apostolos Makrakis wurde Eusebios Matthopoulos die beherrschende Persönlichkeit der neugriechischen Kirchengeschichte. Er wurde zum Prototyp des neugriechischen Christen und sein Werk zum Modell, das von anderen Erneuerungs3 Panajotis Bratsiotis, Die geistigen Strömungen und die religiösen Bewegungen in der Orthodoxen Kirche Griechenlands, in: Die Orthodoxe Kirche in griechischer Sicht, 2. Teil, Stuttgart I960, S.53.

14

bewegungen übernommen wurde. Selbst die offizielle Kirche versuchte, in ihrer „Apostoliki Diakonia" dieses Modell zu kopieren. Obwohl Eusebios Matthopoulos einer der Jüngsten war, wurde er Beichtvater im Makrakischen Mitarbeiterkreis. Auf dem Gebiet der Seelsorge lag nämlich seine besondere Begabung. Hier unterscheidet sich der im Kloster herangereifte, streng asketisch geprägte Mönch und Kleriker von dem autodidaktisch herangewachsenen Theologen und Laien Makrakis, der in Konstantinopel und Paris in einer weltoffenen Atmosphäre studiert hatte. Beide Männer verband ein heiliger Eifer für die Erneuerung der orthodoxen Kirche und für die Wiedergeburt des griechischen Volkes. Beide verband auch eine glühende Frömmigkeit. In ihrer gemeinsamen Arbeit fanden sich der außerkirchliche — Makrakis hatte nie ein kirchliches Amt bekleidet — und der innerkirchliche Erneuerungswille zu einer großartigen Symbiose zusammen. Hier liegt einer der Gründe für die innere Weite und die geistliche Tiefe ihrer gemeinsamen Bewegung. Die Trennung ihrer Wege jedoch brachte dann unvermeidlich Verengungen mit sich: bei Makrakis auf eine außer- und antikirchliche Position, bei Matthopoulos auf eine innerkirchliche und konfessionalistische. Makrakis entwickelte einseitig eine gnostische Spiritualität, Matthopoulos einseitig eine pietistische Moralität. Mit seiner sich verhärtenden antikirchlichen Einstellung nahm Makrakis seiner Bewegung die Zukunft. Matthopoulos dagegen eröffnete mit seinem grundsätzlichen Kirchengehorsam seinem Werke eine große Zukunft. Im Januar 1849 wurde Eusebios Matthopoulos als Sohn sehr frommer Eltern in Melissopetra auf der Peleponnes geboren und auf den Namen Basilios getauft. Er hatte das große Glück, so heißt es in seiner Biographie 4 , in einer frommen Umgebung geboren zu sein. Die Bewohner der Gegend wurden nämlich von Priestern, die in der damals berühmten Schule von Demetsane ausgebildet worden waren, vorbildlich gelehrt und geleitet und unterschieden sich darum von allen anderen der PeleponnesHalbinsel. Früh schon wurde in dem feinsinnigen Jungen die Anlage zu einer tiefen Religiosität sichtbar. Sobald er lesen konnte, verschlang er Lebensbeschreibungen von heiligen Vätern, die in ihm die Sehnsucht weckten, auch einmal einem Heiligen gleich zu werden. Die Mutter förderte diese Neigung. Als öfter Mönche aus dem Kloster Megaspileon im elterlichen Hause zur Herberge weilten — der junge Basilios hielt sie für Engel auf Erden —, entstand in ihm der sehnliche Wunsch, auch Mönch zu werden. Die große Wirksamkeit eines dieser Mönche, des Ignatios Lambropoulos, der zusammen mit dem bekannten Kosmas Flamiatos zum erstenmal nach der Türkenbefreiung eine volksmissio4 Seraphim Papakostas, Eusebios Matthopoulos, Eine Biographie, 2. Aufl., Athen 1948, S. 5 (griedi).

15

narische Tätigkeit in Griechenland aufgenommen hatte, ließ schließlich den Wunsch zu einem festen Entschluß heranreifen. Am 3. Oktober 1863 wanderte Basilios mit seinem Vater in die Berge hinauf zum Kloster Megaspileon. Etwa zweihundert Mönche lebten dort. Einer von ihnen nimmt Basilios bei sich auf und wird auf seinen Wunsch sein geistlicher Vater. Es ist Ignatios Lambropoulos. Von ihm empfängt Basilios seine erste geistliche Prägung: die Einheit von Glauben und Leben, die missionarische Ausrichtung, die Tugend der Demut und die Kunst der Unterscheidung der Geister. In großer Ehrerbietung, Liebe und Zuneigung bleibt er bis zum Tode seines Lehrers und geistlichen Vaters Ignatios Lambropoulos sieben Jahre lang an dessen Seite. Nach drei Jahren, siebzehnjährig, legt er die Mönchsgelübde ab und nimmt den Namen Eusebios an. Dieser neue Name ist wie ein Programm: nicht Herrscher (Basilios = König, Herrscher), sondern Diener Gottes (Eusebios = der Fromme, der Gottesfürchtige) will er sein. Nach dem Tode von Lambropoulos 1869 empfängt Eusebios, 21 jährig, die Diakonen weihe und verläßt 1872 die Abgeschiedenheit der Berge, um sich nach achtjähriger Klosterzeit in Athen weiter fortzubilden. In der griechischen Metropole beginnt er mit Erlaubnis des damaligen Metropoliten Theophilos sogleich mit einer eigenen Predigttätigkeit. Im Fluge absolviert er das Gymnasium und geht zur Universität. Dort schreibt er sich nicht in die theologische Fakultät ein, da in ihr wegen der wenigen Professoren nur spärlich Unterricht erteilt wird, sondern in die philosophische. Mit der Erweiterung seiner philologischen Kenntnisse will er sein Schrift- und Väterstudium weiter vorantreiben. Seit seiner Klosterzeit bildeten diese beiden „Glaubensquellen" die Mitte seines Denkens und Studierens. 1876 wird er, nun 27jährig, zum Priester geweiht und beginnt regelmäßig, wenn möglich sogar täglich, das Abendmahl zu feiern. Fortan nimmt dieses Sakrament eine zentrale Stellung in seinem Leben und Denken ein. Mit dem Studium der Schrift und der Väter und mit der Einwurzelung im Sakrament des Altars war das Fundament gelegt, das später sein ganzes Erneuerungwerk trug. Hat Pater Eusebios im Studium und im Priesteramt seine geistliche Tiefe gewonnen, so in der Makrakis-Bewegung seine pädagogische Methode. Er hatte sich schon in der Klosterzeit aufgrund persönlicher Berichte über Makrakis und durch die Lektüre seiner Schriften für diesen feurigen Erweckungsprediger begeistert und ihn im Kloster auch schon persönlich kennengelernt. In Athen trat er sogleich mit ihm in Verbindung und wurde bald einer seiner engsten Mitarbeiter. Auf der von Makrakis gegründeten „Schule des Logos", einer Art religiöser Volkshochschule, in der Makrakis sein eigenes Erziehungs- und Bildungswesen entwickelte, lernte er die Gruppenarbeit kennen und sie ihrer großen Wirksamkeit wegen schätzen. Mit Intensität arbeitete er an der Vervoll16

kommnung dieser Methode. Sie verlieh später seinem eigenen Werk die Durchschlagskraft. Innerhalb kürzester Zeit, zwei Jahre nach seiner Priesterweihe, wurde der begabte junge Kleriker zum Geistlichen der „Schule des Logos" bestimmt und, 29jährig, zugleich der Beichtvater des gesamten Makrakischen Mitarbeiterkreises. — Wer eine Vorstellung von griechisch-orthodoxer Hierarchie hat, wird die Bedeutung dieser Wahl ermessen können angesichts der Tatsache, daß es in jenem Kreise noch fünf andere, begabte und vor allem ältere Priester gab. Des Paters geistliche Persönlichkeit muß wohl von allen schon erfahren und anerkannt worden sein. So gebrauchte der bekannte Prediger des Kreises, Elias Vlachopoulos, zwanzig Jahre älter als Pater Eusebios, einmal die Anrede: „Mein Kind Eusebios, der ich dich als einen Vater habe." 5 Der dramatische Kampf des Makrakischen Kreises in den Jahren 1875 bis 1879 gegen die Simonie des höheren Klerus endete mit der gewaltsamen Zerschlagung des Erneuerungswerkes und des Makrakischen Freundeskreises. Die Regierung löste die „Schule des Logos" auf, und die Heilige Synode verurteilte alle Kleriker des Kreises widerrechtlich als Irrgläubige zu acht oder zehn Jahren Verbannung und schickte sie einzeln in entlegene Klöster des Landes. Schon wenige Tage nach der Verurteilung wurde Pater Eusebios in das einsame und im Verfall befindliche Kloster Paläokastritsa auf die Insel Kerkyra gebracht. Zehn Mönche lebten dort, dem Verhungern nahe. Als man entdeckte, daß in dem jungen Athener Priester kein gefährlicher Umstürzler, als der er angekündigt worden war, auf die Insel gekommen war, sondern ein untadeliger Kleriker und begabter Prediger, erlaubte der Abt ihm bald — mit Zustimmung des Bischofs von Kerkyra —, in die Inselstadt hinunterzugehen. Dort fing er sogleich mit einer evangelistischen Tätigkeit an, predigte, hörte die Beichte, kam audi in die umliegenden Ortschaften und erwarb sich binnen kurzem die Sympathie aller Insulaner. Viele scheuten sogar einen fünfstündigen Fußmarsch zu seinem Kloster hinauf nicht, um ihn dort predigen zu hören. Pater Eusebios gelang es schnell, das innere Leben des Klosters zu reformieren und es mit Hilfe seiner reichen Brüder auch äußerlich in einen guten Zustand zu bringen. Als er nach zwei Jahren aus der Verbannung zurückgerufen wurde, ließ man ihn nicht ziehen, sondern hielt ihn noch ein weiteres Jahr auf der Insel. Für Pater Eusebios bedeutete die dreijährige Verbannungszeit einen doppelten Gewinn. Einmal gereichte sie ihm zur Vertiefung des Glaubens. In Gebet, Askese und strenger Selbsterforschung entstand in ihm eine mystische Christusfrömmigkeit. Er schreibt aus jener Klosterzeit: 3

2

Serapheim Papakostas, Eusebios Matthopoulos, S. 20 (griech).

Maczewski, Zoi-Bewegung

17

„Wenn die Seele einsieht, daß Christus, daß er allein das Gute für sie ist und daß sie sich durch das unzerreißbare Band des Verlangens und der Liebe an ihn hängen sollte, so wie ein Kind sich an seine Mutter hängt, die es stillt, dann wird sie jene übernatürliche Freude und Lust empfinden, die von keinem anderen Gegenstand dieser Welt jemals zu empfinden möglich ist . . . Alles übrige hält sie dann für Spreu und von keinerlei Wert, verachtet selbst ihr eigenes Leben, nichts anderes hält sie für wirklich reizvoll und besonderer Beachtung wert, alle ihre Gedanken, all ihr Wünschen und all ihr Verlangen sind nur auf ihren Ersehnten ausgerichtet, auf ihren Bräutigam, bei dem allein sie wahre Freude und Ruhe findet."β Das waren neue geistliche Erfahrungen für Pater Eusebios. Sie bildeten den Grund für seinen späteren ausgeprägten Christozentrismus. — Zum anderen hat er auf dieser Insel zum erstenmal selbständig eine Evangelisationstätigkeit aufgenommen und sie mit Erfolg durchgeführt. Damit war die Periode seiner Evangelisationsreisen eingeleitet. Als Pater Eusebios 1882 nach Athen zurückkehrte, kam es über der Frage der Versöhnung mit der Heiligen Synode 1884 zum Bruch mit Makrakis. Dieser hatte sich inzwischen durch außerkirchliche Prophetien und Orakelsprüche, die er in seine Schriftauslegungen und Predigten aufnahm, in aller Augen zum Häretiker entwickelt. Selbst alle Überredungskunst und alles Drängen seiner aus der Verbannung zurückgekehrten Freunde konnten ihn nicht wieder auf den „orthodoxen" Weg zurückbringen. So trennten sie sich schließlich schweren Herzens von ihm. Sechs Kleriker, unter ihnen Eusebios Matthopoulos, verließen ihren so sehr geliebten Freund und langjährigen Kampfgenossen, versöhnten sich mit der Synode und traten wieder in den kirchlichen Dienst. Für Pater Eusebios begann damit, im Jahre 1884, die erste Phase seiner selbständigen und unabhängigen Wirksamkeit: die Periode der Evangelisationsreisen. Nach achtjähriger Klosterzeit in den Bergen und zwölfjähriger Kampfgemeinschaft mit Makrakis tritt er 35jährig, nun allein, in das kirchliche Geschehen. Dreiundzwanzig Jahre lang, bis zur Gründung seiner Bruderschaft 1907, wird er jetzt vorwiegend Wanderprediger sein, und dann wird er die Bruderschaft zweiundzwanzig Jahre lang führen bis zu seinem Tode 1929. Diese beiden letzten Phasen bilden die gesegnete Zeit seines Lebens. In ihnen hat er durch unermüdliches Predigen und seelsorgerisches Wirken das religiöse Leben seines Landes wiederzuerwecken und zu prägen begonnen. Für den gläubigen Griechen von heute ist Pater Eusebios inzwischen zu einem neugriechischen Kirchenvater geworden. „Pater Eusebios bleibt in unserer Kirchengeschichte diejenige Persönlichkeit, die in hervorragender Weise zur Wiedergeburt des Glauβ

18

Serapheim Papakostas, Eusebios Matthopoulos, S.30 (griech).

bens und des religiösen Lebens im neueren Griechenland beigetragen hat." 7 Alles im Leben von Eusebios Matthopoulos sieht nach einem stetigen Reifungsprozeß aus: im Elternhaus und in der heimatlichen Umgebung reift er zum Mönch heran, im Kloster Megaspileon unter Lambropoulos zum Prediger, in Athen im Makrakischen Kreise zum Seelsorger und in seinen Wanderjahren zum pastor pastorum. Als solcher hat er dann als Prior der Bruderschaft seiner Kirche einen unschätzbaren Dienst geleistet. Die Wanderjähre führten Pater Eusebios durchs ganze Land. Zuerst war er Prediger in Messolongion, dann evangelisierte er mit seinem Onkel zusammen in Attika und zog danach allein von Ort zu Ort. Abends hielt er eine Erweckungspredigt und tagsüber hörte er Beichte, diskutierte und machte Hausbesuche. Die Bevölkerung war so ausgehungert nach geistlicher Nahrung, nach Trost und Rat, daß sie überall in großen Scharen zu seinen Predigten zusammenströmte und ihn unablässig mit ihren Fragen und Nöten bedrängte. Trotz hoher Beanspruchung und trotz eines Magenleidens, dem er sein Leben hindurch ausgesetzt war, gönnte er sich keine Unterbrechung. Die religiöse Unwissenheit und sittliche Verwahrlosung seines geschlagenen Volkes ließ ihn nicht los und trieb ihn immer aufs neue zu Predigt und Seelsorge. In einem offiziellen Schreiben der Heiligen Synode vom 12. Juli 1895 wird die Predigt und die Erziehungsarbeit von Pater Eusebios anerkannt und gelobt, und es wird ihm eine Generalerlaubnis erteilt, seine Tätigkeit auf das gesamte griechische Staatsgebiet auszudehnen. Außerdem versieht ihn die Synode mit einem Empfehlungsschreiben an die orthodoxen Nachbarkirchen, mit dem der nimmermüde Evangelist seine Tätigkeit auf Konstantinopel, Kleinasien und Kreta ausdehnt. Als Folge seiner Erweckungspredigt und seiner intensiven Nacharbeit in Gruppendiskussionen, Einzelgesprächen und in der Beichte und infolge seiner zahlreichen Beiträge in religiösen Zeitschriften und seiner umfangreichen Korrespondenz kommt es allmählich zu einer Erweckungsbewegung. In ihr nimmt die Gruppenseelsorge einen besonderen Platz ein. Es wird berichtet, daß Pater Eusebios mit seinen regelmäßigen Diskussionen, die immer sehr schnell in die Tiefe gingen und ganz praktische Hilfen für das alltägliche Leben einschlossen, bald einen ebensolchen Einfluß auf das Volk ausübte wie mit seinen Predigten. Als der Onkel von Pater Eusebios, Hierotheos Mitropoulos, 1893 Bischof von Patras wurde, holte er seinen Neffen zu sich und schuf mit ihm ein kirchliches Erneuerungswerk und eine theologische Ausbildungsstätte. Onkel und Neffe sammelten, ähnlich wie sie es bei Makrakis erlebt 1 Hieronymos Kotsonis in einem Brief, in: Ardiimandrit Eusebios Matthopoulos, Erinnerungsschrift zum 25. Todestag, Athen 1954, S. 15 (griech).

2*

19

hatten, einen Mitarbeiterstab von Klerikern und Laien um sich, und die bischöfliche Residenz von Patras wurde Mittelpunkt volksmissionarischer Veranstaltungen und Ort eines neuartigen Priesterseminars. Innerhalb kurzer Zeit soll diese Aktivität das gesamte kirchliche Leben in der Diözese spürbar verbessert haben. Der frühzeitige Tod von Bischof Hierotheos 1903 setzte jedoch diesen Anfängen ein Ende. Die hoffnungsvoll begonnene Arbeit wurde nicht weiter fortgeführt. Das kirchliche Leben verfiel wieder der Stagnation. Pater Eusebios aber hatten diese zehn Jahre gezeigt, daß mit einem festen Mitarbeiterkreis zu erreichen war, was er als einzelner in seiner langen Wanderzeit nicht hatte erreichen können: eine Erneuerung des gesamten Gemeindelebens. Ein solches umfassendes Vorhaben erforderte langfristigen, systematischen Aufbau und planmäßige Zusammenarbeit vieler Kräfte. Das aber konnte lediglich eine Gruppe leisten. Aus diesen Einsichten und Erfahrungen heraus entstand in ihm der Wunsch, einen festen Kreis von theologisch gebildeten und pädagogisch fähigen Mitarbeitern zu schaffen, der fest zusammengehörte und der sich nicht nach einigen Jahren wieder auflöste, wie es Pater Eusebios bei Makrakis und nun wieder in Patras erlebt hatte. Die Vision einer missionarischen Bruderschaft von Theologen erfaßte ihn und erfüllte von nun an alle seine Gedanken. Inständig betete er um die Erfüllung seiner Sehnsucht, zumal er auch spürte, daß ihm seine Kräfte nicht mehr so wie früher zur Verfügung standen. 1907 ging sein Gebet in Erfüllung. B) Zoi-Bruderschafl,

der Trägerkreis

der

Bewegung

1907 Schloß sich Pater Eusebios mit drei Theologen, die er von seiner Studienzeit her kannte und mit denen er schon damals zusammengelebt hatte, zu einer monastischen Bruderschaft zusammen: mit Dionysios Pharasoulis, Priester und Hauptprediger an der Kathedrale zu Athen, und mit Demetrios Panajotopoulos und Panajotis Trembelas, zwei Laientheologen. Von Anfang an haben sich in dieser für die orthodoxe Kirche neuartigen Bruderschaft das klerikale und das Laienelement partnerschaftlich miteinander verbunden. Eusebios Matthopoulos wurde zum unbestrittenen geistlichen Vater der Bewegung, Demetrios Panajotopoulos zum Gründer des gesamtgriechisch gewordenen pädagogischen Systems der religiösen Jugenderziehung und Panajotis Trembelas zum meistgelesenen Exegeten Neugriechenlands. In den ersten Jahren ihres Bestehens hatte es die kleine Bruderschaft sehr schwer. Die Balkankriege von 1912 und 1913, der Erste Weltkrieg und vor allem 1921 die Tragödie des Kleinasiatischen Abenteuers verhinderten jegliche organische Entfaltung ihres volksmissionarischen Wollens. Drückender lastete jedoch der Widerstand der offiziellen Kirche auf 20

ihr. Bis zum „Triumph" der Bruderschaft vor der Heiligen Synode im Jahre 1923 mußte sie wegen unsachlicher und häßlicher Verleumdungen seitens mancher Bischöfe ständig um ihre Existenz kämpfen. Nicht zuletzt wurde sie im Jahre 1920 durch den frühzeitigen Tod von Dionysios Pharasoulis, der wohl der begabteste Nachwuchstheologe der Bruderschaft war, zutiefst erschüttert. Doch blieb Pater Eusebios fest davon überzeugt, daß die Zahl der Brüder zunehmen und Gott das Werk segnen werde. Audi als die Bruderschaft einmal einer Selbstauflösung nahe war, hielt er unbeirrt an ihrem Bestehen fest. In seinen letzten Lebensjahren konnte er dann noch das Anwachsen der Bruderschaft und ihre ersten Erfolge miterleben. Unter der Priorschaft des Nachfolgers von Eusebios Matthopoulos, des Archimandriten Serapheim Papakostas, hatte die Bruderschaft ihre große Zeit. In diesen Jahren von 1929 bis 1954 wurde sie zum Zentrum einer gesamtgriechischen Erweckungsbewegung. Im Jahre 1959 zählte sie 135 Brüder. 35 Brüder waren Klerikertheologen, 75 Laientheologen und 25 Nichttheologen. Die meisten von ihnen standen ausschließlich im Dienste der Bruderschaft als Prediger, Beichtväter, Katecheten, als Jugendleiter, Heimleiter oder Schulleiter, als Mitarbeiter in Zoi-Vereinigungen und Zoi-Organen. Einige aber standen auch im Dienste der Kirche als Prediger oder im Staatsdienst als Religionslehrer und arbeiteten „nebenbei" in der Bewegung mit. Das offizielle Organ der Bruderschaft, die religiöserbauliche Wochenzeitschrift „Zoi", hatte in jener Zeit eine Spitzenauf läge von 165 000 Exemplaren erreicht (Griechenland: 8 Mill. Einwohner) und übertraf darin alle übrigen religiösen Publikationen Griechenlands. Das Bruderschaftshaus dieser in koinobetischer Tradition lebenden Gruppe befindet sich mitten in Athen. Unauffällig reiht sich das mehrstöckige Gebäude in die Hippokratousstraße ein. Unten im Haus befinden sich Telefonzentrale, Büro-, Verlags- und Wirtschaftsräume, in den Stockwerken darüber Wohn- und Arbeitsräume der modernen Mönche und ganz oben Hauskapelle und Bibliothek. Den hundert Laien der Bruderschaft sieht man ihr Mönchtum nicht an, da sie zivile Kleidung tragen. Sie haben jedoch die drei klassischen Mönchsgelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams abgelegt und leben, soweit es sich einrichten läßt, in einer koinobetischen Lebensgemeinschaft in ihrem Bruderschaftshaus zusammen. Einmal im Jahr, im August, kommen alle Brüder zu einer einmonatigen geistlichen Retraite zusammen. In diesen Tagen werden auch alle die Bruderschaft betreffenden Angelegenheiten geregelt 8 . Rechtlich gesehen ist die Bruderschaft ein eingetragener Verein, keine Einrichtung der Kirche. Das gibt ihr die nötige Freiheit gegenüber der β Vgl., audi für das Folgende, Dokument A : „Aus der Satzung der Zoi-Brudersdiaft, S. 133—136.

21

Kirche, schafft aber auch eine Fülle von Schwierigkeiten, die in ihrem ungelösten kirchenrechtlichen Status begründet sind. Die Bruderschaft wird von einem Bruderrat geleitet, der aus vier bis sieben Brüdern besteht und jeweils für fünf Jahre von der Vollversammlung der Brüder gewählt wird. Glieder der Bruderschaft können grundsätzlich nur Theologen mit abgeschlossener Hochschulbildung werden. Die Bruderschaft ist grundsätzlich eine Theologen-Bruderschaft. In Ausnahmefällen jedoch können audi Nichttheologen aufgenommen werden, wenn dies der Bruderschaft von Nutzen ist. So gehören z.B. viele Drucker des Zoi-Verlages zur Bruderschaft. Das Ziel der Bruderschaft ist ein doppeltes: Formung ihrer Glieder zu vorbildlichen Christen einerseits und Evangelisierung des Volkes andererseits. Die geistliche und vom griechischen Nationalismus bestimmte Erziehung der Brüder ist dabei von strengem Konservativismus geprägt und verlangt einen ungeteilten persönlichen Einsatz für das Werk der Bruderschaft. Auf diese Weise hat sich eine eigene Zoi-Elite herangebildet, die einen großen Teil der nachwachsenden Generation Griechenlands prägte und die dann bei der Säuberung der Hierarchie 1967/68 auch die einzige Gruppe zu sein schien, deren Glieder den geistlichen Anforderungen der höheren kirchlichen Ämter genügten — wie auch von Nicht-Zoi-Anhängern zugestanden wird. Als Mittel und Wege, ihr Ziel zu erreichen, nennt die Satzung (Artikel 3): 1. Organisierung von Predigten, Evangelisationsvorträgen und allgemeinbildenden christlichen Veranstaltungen, 2. Gründung einer Predigerschule, Organisation von Diskussionsgruppen und religiösen Unterrichtsstunden, 3. Gründung christlicher Schulen, 4. Unterstützung strebsamer Studenten, 5. Förderung christlicher Liebestätigkeit, 6. Einrichtung von Leseräumen, 7. Herausgabe religiösen Schrifttums, „vor allem aber die Verbreitung der Heiligen Schrift im Urtext und mit geeigneter Kommentierung". In der Praxis hat die Bruderschaft dann noch andere Mittel und Wege gefunden, das Evangelium zu treiben, insbesondere durch eine gut organisierte Sonntagsschularbeit und ein weitverzweigtes Vereinswesen. 1911 begann die Bruderschaft mit der Herausgabe der Wochenzeitschrift „Zoi". Diese Zeitschrift will Predigt auf schriftliche Weise sein und alle diejenigen erreichen, die sonst keine Predigt hören können 9 . Im Laufe der Jahre hat dieses Verkündigungsblatt die Zoi-Predigt wöchentlich bis zu 165 000fach vervielfältigt und in ungezählten Bibelkreisen in ganz Griechenland Woche für Woche evangelisatorisch gewirkt. Nach dieser Zeitschrift sind dann die Bruderschaft und die von ihr ausgehende Bewegung benannt worden. Das Wort „Zoi" (neugriechische Aus• Siehe Dokument B : „Der Leitartikel der ersten Ausgabe der Zoi-Zeitschrift", S. 136 f.

22

spräche von „Zoe" = Leben) bezieht sich auf zwei johanneische Christusworte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh. 1 4 , 1 6 a) und „Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben" (Joh. 6 , 6 3 b). Jede dieser beiden Stellen gibt einen Grundzug der ZoiTheologie an: sie ist eine Theologie des Wortes (Joh. 6 , 6 3 ) und sie ist eine christozentrische Theologie (Joh. 14,6). Mit dem einen Wort „Zoi" ist somit das Wesen der Bruderschaft umschrieben und zugleich ihr Programm gekennzeichnet: Verbreitung des Lebenswortes Christi durch Predigt und Unterricht und Verwirklichung des Lebens in Christus durch christliche Persönlichkeitsbildung und soziale Aktion. C) Entfaltung

zur

Organisation

Hatte in Pater Eusebios ein Prediger und Seelsorger an der Spitze der Bewegung gestanden, so verlangte sie seit Mitte der zwanziger Jahre infolge des starken Anwachsens der Mitarbeiterschaft und der ständigen Ausweitung der Aktionen einen weitschauenden Organisator zu ihrer Leitung. Der zweite Prior der Bruderschaft, Pater Serapheim Papakostas, entsprach mit seinen Gaben solchen Anforderungen. In ihm verbanden sich Organisationstalent und geistige Begabung, mit deren Hilfe sich die Institutionalisierung der anfänglich charismatischen Erweckungsbewegung vollzog. Ohne den ersten Schwung zu verlieren, hat sie dank der straffen und weitgefächerten Organisation den ursprünglichen Geist der Bewegung fast in jedes griechische D o r f gebracht und es verstanden, ihn in alle Schichten der Gesellschaft zu tragen. Die Bruderschaft bildete dabei das Zentrum, von dem alle Aktionen ausgingen. Das Sonntagsschulwesen ( T a Katechetika Scholeia) ist das hervorragende Merkmal dieses Institutionalisierungsprozesses. Ende des 19. Jahrhunderts, innerhalb der Bildungsarbeit des Apostolos Makrakis 1 0 , wurde der Sonntagsschulgedanke zum erstenmal in Griechenland aufgenommen. Er ist dann von verschiedenen Erneuerungsbewegungen, vor allem von den „Orthodoxen Christlichen Vereinigungen" des Priesters Angelos Nissiotis, weiterentwickelt und mit Erfolg praktiziert worden. Im Schuljahr 1926/27 wandte sich auch die Zoi-Bruderschaft — mit Ermutigung und unter dem Segen des damaligen Erzbischofs Chrysostomos — der Sonntagsschularbeit zu und ließ von dem Zoi-Bruder Demetrios Panajotopoulos einen systematischen Unterrichts- und Erziehungsplan ausarbeiten. Damit entstand in Aufnahme und Fortführung der bisherigen Sonntagsschularbeit das die gesamte Jugendarbeit einbeziehende Sonntagsschulsystem der Zoi. Dieses System hat sich in Griechenland 10 Damals hatten die Priester Georg Makris und Markos Tsaktanis in kleinem Rahmen in Athen und Piräus mit der Sonntagsschularbeit begonnen.

23

sofort durchgesetzt und ist von allen Organisationen, die auf diesem Gebiet arbeiteten, und später auch von der offiziellen Kirche übernommen worden. Im Jahre 1926 hatte die Zoi-Bruderschaft mit 7 Sonntagsschulen begonnen und nach 10 Jahren zählte sie bereits 300 Sonntagsschulen mit rund 35 000 eingeschriebenen Schülern. In diesem Jahre 1936 wurde die griechische Sonntagsschule auf dem internationalen Kongreß der Sonntagsschulen in Oslo mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Ein Jahr später wurde ihr Programm von der Heiligen Synode lobend anerkannt und als „methodisch gut und orthodox" bezeichnet 11 . Im Schuljahr 1958/59 zählte man bereits 2216 Schulen mit 1 4 7 7 4 0 Schülern und 672 Sonntagsschuljugendgruppen mit 10235 Gliedern. Dazu kommen noch 139 Sonntagsschulen mit 7747 Schülern auf Cypern. Mit weitem Abstand steht auf diesem Gebiet die Zoi an erster Stelle kirchlicher Jugendarbeit. Die nächst größere Organisation, die „Orthodoxen Christlichen Vereinigungen", hat zur selben Zeit gut 400 Sonntagsschulen und rd. 200 Jugendgruppen. Wenn man sich vor Augen hält, daß die Sonntagsschularbeit teilweise auf erhebliche Schwierigkeiten gestoßen ist, wird man die Leistung ermessen können, die von der Zoi erbracht wurde. Diese Leistung ist die Frucht eines großen Enthusiasmus, den die Zoi entfachen konnte. Im selben Jahre 1926, in dem die Arbeit der Sonntagsschule aufgenommen wurde, begann auch die Geschichte des Vereinswesens in der ZoiBewegung. Als erster Verein wurde der „Verein für Innere Mission ,Apostel Paulus'" (Syllogos Esoterikes Hierapostoles ,Apostolos Paulos') gegründet. Ihm geht es um die Verbreitung des Evangeliums in Griechenland und um die christliche Erziehung des Volkes. Dazu führt er regelmäßig volksmissionarische Veranstaltungen durch und hat Studentenund Ausbildungsheime geschaffen. 1959 gehörten diesem Verein 8 Studentenheime in Athen, Saloniki und Patras, in denen 800 Studierende in einer christlichen Gemeinschaft zusammenlebten, und 2 Abendschulen im Athener Großraum, in Petralona und in Piräus, in denen 740 Lehrlinge in der Fachausbildung und im Gemeinschaftsleben eine christliche Erziehung erfahren. Zusammen mit der Bruderschaft stellt dieser Verein die Basis für die Bildung der mehr als ein Dutzend anderen Vereine dar, die in den folgenden 35 Jahren entstanden und die sich alle der Evangelisation und der religiösen Volkserziehung widmen. Seit 1926 wird die Geschichte der ZoiBewegung fast ausschließlich durch die Geschichte dieser Vereinigungen bestimmt. Sie haben sich in der „Missionarischen Vereinigung der zusam1 1 Zit. nach dem „Bericht über den gesamten Aufbau der von der Theologenbruderschaft ,Zoi' gegründeten Kirchlichen Katechetisdien Schulen", Athen 1948, S. 14 (griech).

24

menarbeitenden christlichen Körperschaften ,Apostel Paulus' (Hierapostolike Enosis Synergazomenon Christianikon Somateion ,Apostolos Paulos') zu einem Dachverband zusammengeschlossen, der die gesamte Arbeit zusammenfaßt und koordiniert. 1935 entstand die „Panhellenische Elternvereinigung für christliche Erziehung" (Panhellenios Enosis Goneon ,he Christianike Agoge'). Es hatte sich nämlich beim Aufbau der Sonntagsschule herausgestellt, daß Erziehung der Jugend nicht möglich ist ohne Zusammenarbeit mit dem Elternhaus. Dieser Aufgabe widmet sich die Elternvereinigung. Sie lädt die Eltern zu Vorträgen, Bibelstunden und Diskussionen ein, gibt Kinderund Jugendbücher heraus, organisiert Freizeiten und Sommerlager und hält vor allem durch ständige Hausbesuche Kontakt mit den Eltern der Sonntagsschüler. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich diese Arbeit — wie überhaupt alle Aktionen der Zoi-Bewegung — besonders stark ausgeweitet. Allein in Athen entstanden 20 selbständige Sektionen dieser Vereinigung, das übrige Griechenland wurde in 60 weitere Sektionen aufgeteilt. 1953 konnte ein 1. Panhellenischer Kongreß dieser Elternvereinigung durchgeführt werden, 1959 zählte die Vereinigung 9000 Mitglieder und eine Gesamthörerschaft von rd. 80000 Personen. 1938 wird die „Schwesternschaft ,Eusebia c " (Adelphotes ,he Eusebeia') als Entsprechung zur Zoi-Bruderschaft gegründet. Sie widmet sich der Leitung und dem Führungsnachwuchs der weiblichen Sonntagsschulklassen, der Schülerinnengruppen und der Studentinnenheime, der Zusammenarbeit mit allen weiblichen Sektionen und Gruppen der anderen Vereinigungen. Sie gibt die 14tägliche Kinderzeitschrift „Kinderleben" (Zoe tou Paidiou) heraus, die 1959 eine Auflage von 130000 Exemplaren erreichte. Sie arbeitet bei der „Aktines" und bei anderen Zeitschriften der Bewegung mit und gibt Bücher und Schriften besonders für die Frau, die Familie und das Kind heraus. 1959 zählte sie 24 Schwestern. 1940 wird von den „Zusammenarbeitenden christlichen Körperschaften" angesichts der Not derjenigen Familien, die im Kriege ihren Ernährer verloren haben, „Die Fürsorge" (He Pronoia) gegründet. Neben der oft ausgedehnten diakonischen Aktivität in ihrem jeweils eigenen Bereich finden sich hier die einzelnen Körperschaften zu einer gemeinsamen Fürsorge zusammen, der es nicht allein um materielle, sondern in besonderem Maße auch um geistliche Hilfe geht. Nach dem Kriege hat sie bei den durch den Krieg Betroffenen, den sozial Desintegrierten und bei den vielen Familien, die durch die Industrialisierung und die moderne Lebensweise in eine Krise geraten sind, ein weites Betätigungsfeld gefunden. Die Haupttätigkeit besteht dabei in Hausbesuchen. Allein in Athen arbeiteten 1959 rd. 1000 Personen in der „Pronoia". 1945 geht aus dem 1933 gegründeten „Akademisch-sozialen Verband" (Akademaikos Koinonikos Syndesmos), der später in „Sozialer Bildungs25

verband" (Morphotikos Koinonikos Syndesmos) umbenannt wurde, die „Christliche Studentenvereinigung" (Christianike Phoitetike Enosis) hervor. Man sammelte sich zunächst zu Vorträgen und Diskussionen, die meist um das Thema „Glaube und Wissenschaft" kreisten, um seinen eigenen Glauben als moderner Mensch und als Akademiker zu verstehen und vertreten zu können. Man ging gemeinsam zum Gottesdienst und wuchs auf Ausflügen zu einer festen Gemeinschaft zusammen. Dann stieß man missionarisch in die Hochschulen vor. Vorträge, Diskussionen und allgemeine Evangelisationsveranstaltungen wurden organisiert, und solch ein „Durst" (dieses Wort findet sich immer wieder in den Berichten) nach echtem religiösen Leben und nach einem Verstehen des christlichen Glaubens war in der akademischen Jugend vorhanden, daß man manche Vorträge solcher Veranstaltungen vervielfältigte, druckte und in Tausenden von Exemplaren verteilte. Mit Vortragsreihen und Seminaren, mit Bibelstunden und Diskussionsgruppen, mit Studentenchören und Theatergruppen, mit besonderen Gottesdiensten, Ausflügen und Sommerlagern erfaßte man alle Hochschulen Griechenlands. Darüber hinaus führte man Evangelisationsveranstaltungen auf dem Lande durch und ging bis in abgelegene Dörfer hinauf. Zum erstenmal erlebte Griechenland volksmissionarische Veranstaltungen modernen Stils unter freiem Himmel. 1953 hatte die Studentenvereinigung bereits 120 „Freundeskreise" (Philikoi Kykloi), das waren je 15—20 Studierende, die einmal wöchentlich zum Bibelstudium und zur Diskussion zusammenkamen. Diese Gruppen wurden von jungen Ärzten, Juristen, Theologen oder Technikern geleitet, die dazu von der Zoi-Bruderschaft in einem speziellen Seminar ausgebildet worden waren. 1947 gründete die Studentenvereinigung eine „Soldatenfürsorge" (Pronoia tou stratiotou). Ihre Glieder führten mit Tausenden von Soldaten einen Briefwechsel, sandten religiöse Bücher an die Front, Zeitschriften, Kleinschriften und ein Gebetbuch in 80 000 Exemplaren. In den heimatlichen Krankenhäusern besuchten sie Verwundete. Nach dem Kriege wandte sich die Studentenfürsorge anderen fürsorgerischen Aufgaben zu. Man nahm sich bedürftiger Studenten an und ging in Krankenhäuser, Waisenhäuser und andere soziale Einrichtungen. Überall, wo die Zoi-Bewegung Hilfe und Mitarbeiter brauchte, waren die Studenten zur Stelle. In der Sonntagsschularbeit stellte die Studentenvereinigung ein Heer von Sonntagsschullehrern und Gruppenleitern. 1959 waren über 800 ihrer Mitglieder in der Sonntagsschule und in den Vereinigungen der Arbeiterjugend tätig. In einem einjährigen Kursus wurden sie dazu ausgebildet. Im Jahre 1959 zählte die Studentenvereinigung 2500 Mitglieder. Ein Jahr nach der Gründung der Studenten Vereinigung entstand 1946 die „Christliche Vereinigung der Arbeitenden Jugend" (Christianike 26

Enosis Ergazomenes Neolaias). 1959 zählt auch sie schon 2500 eingeschriebene Mitglieder. Rund 6000 junge Arbeiter und Arbeiterinnen beteiligten sich an den gemeinsamen Aktionen. Sie arbeitet ganz ähnlich wie die Studentenvereinigung und ist in ihren 70 Bezirksgruppen auch bis in die kleineren Orte Griechenlands vorgedrungen. Neben dem üblichen Gemeinschaftsleben in Gottesdiensten, Bibelstunden, Ausflügen und Freizeiten wendet sich diese Bewegung sehr stark sozialen Nöten zu. So gehen ihre Glieder in die Krankenhäuser und Gefängnisse, helfen Armen bei der Bestellung ihrer Äcker, bauen für Unbemittelte Häuser. Auch arbeiten sie freiwillig bei Kirchen- und Schulbauten mit. Während des Sommers führen sie d a f ü r überall in Griechenland Arbeitslager durch. 1959 z.B. gaben in 12 Arbeitslagern über 1000 junge Griechen einen guten Teil ihres Sommerurlaubs f ü r solche Arbeiten her. Außerdem unterhält der Verein eine Taubstummenschule und eine Hauswirtschaftsschule für Mädchen. Ebenfalls 1946 entstand die „Christliche Wissenschaftlervereinigung" (Christianike Enosis Epistemonon). Sie ist zur zentralen Vereinigung der Zoi-Bewegung geworden und stellt den gesamten geistigen Führungskader der Bewegung. Diese Vereinigung begann im kleinen Rahmen mit nur 20 Mitgliedern und ist innerhalb von 13 Jahren bis 1959 auf 1450 Mitglieder angewachsen. Die kulturelle Monatsschrift „Aktines" ist mit einer Auflage von 15 000 Exemplaren zu ihrem offiziellen Organ geworden. Über Vorträge, Veröffentlichungen und Bücher versuchen diese Berufswissenschaftler das christliche Gedankengut in die gesamte akademische Welt hineinzutragen. Sie gehen mit ihren Veranstaltungen aber auch in Fabriken, in Krankenhäuser, in Militärakademien und andere Hochschulen. Ihre Glieder beteiligen sich an den Evangelisationen auf dem Lande und eine spezielle Gruppe, die „Freunde der Landbevölkerung", behandelt wissenschaftlich Probleme des bäuerlichen Lebens. Zu Weihnachten 1946 gab diese Vereinigung ein Manifest heraus, das das griechische Volk aus seiner Zerrüttung durch die Kriegsereignisse zum Christentum zurückrufen will. Von 220 Akademikern unterzeichnet ist dieses Manifest in 150000 Exemplaren verbreitet worden und hat sowohl in ganz Griechenland als auch im Ausland starke Beachtung gefunden. Allein die Rückkehr zum christlichen Glauben, so heißt es dort, ermögliche einen neuen Aufbau, allein die Werte des Christentums können die Grundlage f ü r eine wahre und echte Kultur bilden, allein das Christentum löse die Fragen und Probleme der Zeit und rette die Zukunft des Landes und der Menschheit 12 . In der ebenfalls 1946 herausgegebenen, 200 Seiten starken „Erklärung der christlichen Wissenschaftlervereinigung" (Diakeryxis tes Christianikes Enoseos Epistemonon) hat sich diese Vereinigung an „jeden Griechen" 12

Siehe D o k u m e n t D : „Das Manifest der griechischen Wissenschaftler", S. 141 f.

27

gewandt und darin ausführlich deutlich zu machen versucht, daß allein in der Wiederaufnahme des Christentums eine glückliche Zukunft beschlossen liege. Diese Schrift ist durchgehend eine Auseinandersetzung mit dem antichristlichen Geist der reinen Wissenschaft und des populären Materialismus. Sie legt darum besonderen Wert auf die Harmonie von Glaube und Wissenschaft. Sie ist die erste von den drei Schriften des Juristen Alexander N . Tsirindanis, Professor an der Juristischen Fakultät der Universität zu Athen, die das Weltbild der Zoi geprägt haben. In der 270seitigen Schrift „Auf zu einer Christlichen Zivilisation" (Pros hena Christianikon Politismon, engl.: Towards a Christian Civilization) ist 1950 die positive Wegweisung gefolgt. Dieses zweite Werk von Tsirindanis ist zu einer Art gesellschaftspolitischem Manifest der Zoi geworden 1S. 1957 hat sich dann Tsirindanis unter dem Pseudonym P. Melites in der über 300 Seiten starken Schrift „Auf daß der Weg sich öffne" (Gia n' anoixe ho dromos) mit den Schwierigkeiten der Verwirklichung seiner Zukunftsschau auseinandergesetzt und darin zugleich eine anthropologische Grundlegung vorgelegt. Diese „Trilogie" 1 4 von Tsirindanis stellt die ideologische Basis der Wissenschaftlervereinigung dar und ist durch sie weithin zur Grundlage des Zoi-Denkens überhaupt geworden. 1947 wurde die „Christliche Lehrervereinigung" (Christianike Enosis Ekpaideutikon Leitourgon) gegründet. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, das Schulwesen mit christlichen Prinzipien zu durchdringen und die Pädagogik auf das Christentum zu gründen. Sie bemüht sich um christliche Schulbücher, gibt Schriften zu Erziehungsproblemen und pädagogischen Fragen heraus, richtet auf dem Lande Lesebüchereien ein, vertritt in ihrem offiziellen Organ, der Monatszeitschrift „Griechisch-christliche Erziehung" (Hellenochristianike Agoge) eine christliche Ausrichtung neuzeitlicher Pädagogik und diskutiert pädagogische und psychologische Probleme des Jugendalters. Die Vereinigung bemüht sich um die Lebensführung der Schüler innerhalb und außerhalb der Schule, fördert die Sonntagsschule und sorgt in den nördlichen Grenzbezirken Griechenlands für kirchliche Aktivität. Ihre Glieder stellen zusammen mit den Mitgliedern der Wissenschaftlervereinigung den größten Teil der Leiter, Lehrer und Mitarbeiter der Studentenheime und Abendschulen des Apostel-PaulusVereins. 1957 eröffnete die Lehrervereinigung zusammen mit der ZoiBruderschaft eine eigene Grundschule und eine Oberschule, in der sie fast ausschließlich die Lehrerschaft stellt. Als Träger dieser Zoi-Schulen wurde ein eigener Verein gegründet, der „Verein für griechische Bildung" (Syllogos Hellenike Paideia). Er bemüht sich, in den eigenen Schulen die 1 3 Siehe Dokument E : „Aus dem Hauptwerk von Alexander Tsirindanis", S. 1 4 3 — 145 (engl). 1 4 Elias Mastrojannopoulos, in: Aktines N r . 289, März 1968, S. 112 (griech).

28

griechische Jugend nach neuen pädagogischen Erkenntnissen und auf der Grundlage der griechisch-christlichen Idee zu erziehen, legt besonderen Wert auf ständigen und engen Kontakt der Lehrer mit den Eltern und beginnt durch regelmäßige Veranstaltungen für die Elternschaft mit einer eigenen Form der Erwachsenenbildung. 1959 gehörten der Lehrervereinigung rd. 1500 Lehrer an. Ihre Monatszeitschrift „Griechisch-christliche Erziehung" kursierte in einer Auflage von 9500 Exemplaren. Außer dem „Verein für griechische Bildung" steht ihm noch eine Frauen Vereinigung zur Seite, die „Christliche Vereinigung ,Elpis'" (Christianike Enosis ,Elpis'). Sie ist eine Schwesternschaft von rd. 200 Volksschul- und Gymnasiallehrerinnen, die sich den gleichen pädagogischen Zielen widmen und in dem allgemeinen Evangelisationswerk der Zoi mitarbeiten. 1949 wurde eine weitere Schwesternschaft gegründet, die „Christliche Vereinigung ,Eunike'" (Christianike Enosis ,he Hagia Eunike'). Sie ist eine Vereinigung von Krankenschwestern und Krankenbesucherinnen, die mit ihrem Pflege- und Besuchsdienst den Kranken auch das Evangelium bringen wollen. Schon 1939 hatten sie mit der Arbeit begonnen, schlossen sich 1949 zu einer Schwesternschaft zusammen und waren bis 1959 auf 500 Glieder angewachsen. Den größten Teil der geistlichen und geistigen Schulung und die gesamte geistliche Leitung dieser Schwesternschaft haben Theologinnen der Eusebia-Schwesternschaft übernommen. Mit der Tätigkeit der „Eunike" dehnte sich der regelmäßige evangelisatorische Dienst der Zoi auf die Krankenhäuser aus. 1950 und 1951 gründete ein Mitglied der Wissenschaftlervereinigung, der Psychiater Dr. Aristos Aspiotis, zwei Institute. Zunächst das „Zentrum für die soziale Ausbildung der Griechin" (Kentron Koinonikes Morphoseos tes Hellenidos) im Jahre 1950. Dort werden in Seminaren griechische Frauen, Studentinnen und Schülerinnen in die Anforderungen und Aufgaben der Frau in einer modernen Welt eingeführt. Das Organ dieses Institutes, die Frauenzeitschrift „Die Welt der Griechin" (Ho Kosmos tes Hellenidos), hatte 1959 eine Auflage von 10000 Exemplaren erreicht. 1951 entstand dann das „Institut für medizinische Psychologie und seelische Gesundheit" (Instituten Iatrikes Psychologias kai Psychikes Hygieines). Auch dieses Institut arbeitet in Seminarform. Daneben Eat es eine Berufsberatung vor allem für Jugendliche (Kentron Epaggelmatikou Prosanatolismou) und ein heilpädagogisches Zentrum (Iiatropaidagogikon Kentron) eingerichtet. In einer Schriftenreihe „Psychologie und Leben" (Psychologia kai Zoe) hat dieses Institut bis 1959 37 Studien herausgegeben. Sie beschäftigen sich vorwiegend mit der Psychologie des Kindes29

und Jugendalters und sind meist Schriften von Dr. Aspiotis oder Ubersetzungen von Abhandlungen ausländischer Verfasser. Schließlich ist ein letzter Bereich zu nennen, auf dem sich die ZoiBewegung zunehmend organisierte, spezialisierte und entfaltete: der Bereich des Zeitschriften- und Buchwesens. In den einzelnen Vereinigungen spielte nämlich das gedruckte Wort nach und nach eine immer größere Rolle. Vereinsblätter und Jahresberichte, Fachzeitschriften, Fachliteratur und allgemeine Evangelisationsschriften wurden immer stärker in die Arbeit einbezogen. Bald gab es alle Gattungen: vom einfachen Pamphlet bis hin zur wissenschaftlichen Analyse, vom Kindergedicht bis zum Roman; es gab historische, apologetische und erbauliche, biblische, exegetische und liturgische, es gab pädagogische, psychologische und soziologische Schriften, Schriften für Kinder und für Jugendliche, Schriften für Familien, für Erwachsene und für Alte, Schriften für einfache und für anspruchsvolle Leser. Der Zoi-Verlag wuchs innerhalb kurzer Zeit zum größten religiösen Verlag des Landes heran. 1949 konstituierte sich aus dem Kreise der Wissenschaftlervereinigung ein eigenständiger Verlag für christliche Literatur, der „DamaskusVerlag" (Ekdoseis he Damaskos). Er bemüht sich, durch gute Literatur audi die der Kirche Fernstehenden zu erreichen. In dieser Ausrichtung ist er die säkularste Missionsaktion der Zoi-Bewegung. Der Mitarbeiterkreis des Verlages wendet sich außerdem in Seminaren und Literaturkreisen dem dichterischen Nachwuchs Griechenlands zu und schult und fördert junge Literaten. In den 11 Jahren bis 1960 hatte er 90 Titel auf den Markt gebracht, darunter viele Ubersetzungen aus dem westlichen Ausland. In 7 Städten halten Zoi-Buchhandlungen die Schriften der Zoi-Bewegung neben anderem kirchlichen Schrifttum zu überraschend niedrigen Preisen zum Verkauf bereit: in Athen, Piräus und Saloniki, in Patras und Volos, in Heraklion auf Kreta und in Levkosia auf Cypern. In eigenen Lesebüchereien und Leihbibliotheken stehen die Zoi-Schriften der gesamten Bevölkerung zur Verfügung und in „Ausstellungen des christlichen Buches" wird darüber hinaus in allen größeren Städten für das Zoi-Schrifttum geworben. Man hat ausgerechnet, daß allein die Buchproduktion der Zoi bis 1950 für jede griechische Familie 3 Bücher ergeben hat. In der Zoi-Bruderschaft bekam der zentrale Ausschuß für Fragen der Veröffentlichungen eine immer größere Bedeutung. Die Bruderschaft erwarb ein Haus ganz in der Nähe des Bruderschaftshauses und baute darin die größte Druckerei Griechenlands auf. Uber 100 Personen arbeiteten 1959 in der Druckerei an modernsten europäischen Rotationsmaschinen. Noch nie gab es in Griechenland Bücher mit so hohen Auflagenziffern, noch nie gab es in Griechenland ein so vielfältiges religiöses Schrifttum. 30

D) Spannungen mit der

Kirche

Trotz der lauteren Beweggründe der Zoi-Brüder, trotz der treulich eingehaltenen Regel, nur mit Zustimmung der zuständigen Bischöfe zu handeln und sich strikt an die kirchliche Ordnung zu halten, trotz andauernden Bemühens um gute Zusammenarbeit mit den kirchlichen Behörden und ihren Vertretern und trotz der eindeutigen Zielsetzung, allein der Förderung und Erneuerung der orthodoxen kirchlichen Gemeinschaft zu dienen, ist die Zoi-Bewegung seitens der Kirche auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen, sind gegen sie schärfste Angriffe und gehässige Verleumdungen erhoben worden, und hat man sie durch kirchenrechtliche Maßnahmen auszuschalten versucht, ohne sich ihrer Herausforderung zu stellen. Wie war das möglich? In einer streng hierarchisch strukturierten Kirche stößt jede eigenständige Bewegung privater Initiative zunächst auf Mißtrauen. Versammlung von Gläubigen zu Gottesdiensten und religiösen Veranstaltungen, die nicht vom zuständigen Bischof und von seinen Priestern durchgeführt wurden, religiöse Schulung der Jugend ohne kirchliche Beteiligung, allgemeine Erfassung der religiös Interessierten in selbständigen Vereinigungen, die außerhalb der kirchlichen Instanzen standen — das alles kam konservativ-orthodoxen Kreisen der Praktizierung eines Schismas gleich. Wo die Zuständigkeit der von der Kirche eingesetzten Kleriker für alle kirchlichen Handlungen als starres Gesetz verstanden wurde, war mit einer Paragemeinde, so rechtgläubig und kirchlich sie sich auch geben mochte, sofort die Frage nach der Einheit der Kirche gestellt. Was nicht vom Bischof und vom Ortspriester ausging, galt als Zersetzung, als vom Bösen, als Häresie, als antichristlich und mußte bekämpft werden. Ein solches Vorurteil hat von vornherein die kirchliche Auseinandersetzung belastet und zunächst jegliches theologische Gespräch unmöglich gemacht. Dazu trat noch ein Moment aus dem persönlichen Bereich. Gegenüber den ehrgeizigen und geldhungrigen, theologisch ungebildeten und ungeistlichen Bischöfen, die in der Hierarchie einen erheblichen Einfluß hatten, die sich den Gläubigen nicht zuwandten und keine religiöse Kraft ausstrahlten, wirkten die demütigen und evangelistisch geschulten, die frommen und vom Geist Christi getriebenen Zoi-Brüder, die sofort die Menschen an sich zogen, als eine flammende Anklage. So haben sich — ähnlich wie auf der Synode von 1879 gegenüber dem Makrakischen Kreise — audi gegenüber der Zoi die Hierarchen mit vereinter Macht der evangelisierenden „Unterwanderung" zu erwehren gesucht. Tatsächlich war ja mit der Zoi der griechischen Kirche eine Existenzfrage gestellt worden. Diese ist jedoch trotz aller positiven Äußerungen über die Zoi seitens der offiziellen Kirche und trotz der langsam in Gang gekommenen 31

Versachlichung, Verständigung und teilweise auch erfreulichen Zusammenarbeit zwischen Kirche und religiösen Organisationen bis zur Stunde noch unbeantwortet geblieben. Erzbischof Hieronymos Kotsonis hat in seiner vielbeachteten Inthronisierungsrede am 17. Mai 1967 dieses Problem offen ausgesprochen und das latent bestehende Schisma indirekt bestätigt 1 5 . Obwohl Pater Eusebios mit dem Fortgang seines Lebenswerkes in den Augen der Hierarchie Griechenlands zu einer integren Persönlichkeit geworden war, lief seine kleine Bruderschaft zu Anfang jedoch noch zweimal Gefahr, aufgelöst zu werden. 1914 und 1923 mußte der schon alt gewordene Pater vor der Synode erscheinen, um sein Werk gegen die vorgebrachten Anschuldigungen zu verteidigen. 1914 hatte eine Gruppe von Mönchen unter der Führung von Athanasios Danielidis gegen die Bruderschaft Vorwürfe erhoben, und 1923 war ein heftiger literarischer Streit zwischen dem Bischof Timotheos von Ägialeia und Kalavryta und dem Zoi-Mitbegründer Trembelas Ursache für die Verhandlungen vor der Synode. Beide Male hatte die Synode die Zoi-Brüder für unschuldig befinden müssen, die Anklagen als böswillige Verleumdungen entlarvt und 1923 folgende Erklärung abgegeben: „Die Heilige Synode erklärt einstimmig, daß die Archimandriten Eusebios Matthopoulos und Ignatios Koliopoulos, der Diakon Serapheim Papakostas, P. Trembelas, D . Panajotopoulos und die übrigen Kleriker und Laientheologen, Verfasser und Mitarbeiter der Zeitschrift ,Zoi', der gegen sie erhobenen Anklagen gegenüber unschuldig sind, für im Glauben gesund erachtet und als rechtgläubige Lehrer angesehen werden. Die Synode hält sie für des Lobes wert und der Bestärkung in dem Werk, das sie als ehrenhafte Arbeiter im Weinberg des Herrn für die Kirche treiben." 1 0 Das war den Zoi-Brüdern der „Triumph" von 1923. Seit dieser Zeit war die Legalität der Bewegung zumindest von offizieller Seite unangefochten. Bisher skeptische Bischöfe wandten sich der Bewegung jetzt zu, erbaten ihre Prediger, öffneten ihre Diözesen den Katecheten. Die Zeit der Entfaltung begann. Aber die Unruhe auf Seiten der konservativen Kreise legte sich damit keineswegs. Im Gegenteil. Gerade mit der nun einsetzenden rasdien Ausbreitung der Bewegung und ihrem ständigen inneren Ausbau nahmen die Reibungsflächen zu und häuften sich die Zwischenfälle. Sie ereigneten sich meistens an den Frontlinien der Zoi-Bewegung: in der missionarischen Predigt- und in der Sonntagsschultätigkeit. Für die aus Mangel an geistlichen Kräften in die Defensive gedrängte kirchliche Seite tauchte bald der 1 5 Siehe: Informationen aus der Orthodoxen Kirche X V I I I , Kirchliches Außenamt der E K D , Frankfurt. 1 6 S. Papakostas, Eusebios Matthopoulos, S. 69 (griedi).

32

1967/1, S.4,

Hrsg.:

Alptraum einer Usurpation der Kirche durch die Zoi auf. Die Zoi „erzeugt den Eindruck, daß die offizielle Kirche gestorben sei und daß nun alle auf ihre eigene Organisation der ,Laienväter' des Hippokratischen Patriarchates (das Bruderschaftshaus in der Hippokratesstraße in Athen, Verf.) zu blicken haben" 17 . Mit ätzenden Worten warnt der Verfasser jener Zeilen, der Prediger Christophoros Kalybas aus Chalkis, in zwei Schriften „Licht oder Feuer?" und „Ohne Maske" Kirche und Bischöfe vor dem großen Betrug der Zoi. Sie sei ein „antichristliches System", das sich auf den „Jesuitismus", „Faschismus" und „Kommunismus" gründe, „parteiisch" und „pharisäisch" sei, „plutokratisch" und „totalitär" und unter Androhung des Verlustes des ewigen Heils die Gläubigen der Kirche entreiße und die Einheit der Kirche spalte 18 . Die Zoi erstrebe eine Wiedergeburt Griechenlands durch ein „Zoizistisches Königreich", in dem alle Bürger zugleich auch Bürger des himmlischen Reiches seien19. In der Schrift „Licht oder Feuer?", die Ende 1956 erschien, sind vom Verfasser auch 17 Streitbriefe abgedruckt, die er in den voraufgegangenen Jahren in einem öffentlichen Briefwechsel in dem Kirchenblatt „Enoria" an Professor Trembelas gerichtet hatte und in denen alle Vorfälle und Reibereien, alle Vorwürfe, Vorurteile und Verurteilungen zutage kommen. Trembelas hatte sofort im Januar 1957 in der Schrift „Prüfung bedauernswerter Einbildungen" darauf eine Antwort gegeben und in dieser Schrift neben anderem Dokumentarmaterial auch seine Briefe aus dem öffentlichen Briefwechsel eingefügt. Dieser Versuch sachlicher und brüderlicher Klärung bewirkte beim Prediger Kalybas jedoch eine Steigerung seiner Ausfälle gegen die Zoi. In seiner Antwortschrift „Ohne Maske" — sie soll der Zoi-Bewegung die Maske vom Gesicht reißen — stellt er sich durch abgründigen H a ß bloß. Den Schwierigkeiten, denen ohne Zweifel auf beiden Seiten Schuld zugrunde lag, konnte so nicht begegnet werden. Man blieb an der Oberfläche, kam über Äußerlichkeiten und beleidigende Polemik nicht hinaus und drang nicht zu sachlicher und theologischer Grundklärung vor. So verhärteten sich die Fronten. Parallel zu den Kämpfen an der Front praktischer Evangelisationsarbeit vollzog sich — leider in ähnlicher Weise — zwischen den Führungsorganen eine Auseinandersetzung auf struktureller Ebene. Diese Auseinandersetzungen traten zwar öffentlich kaum in Erscheinung, waren aber bedeutsamer als die peripheren Zusammenstöße, da es hier um grundsätzliche Entscheidungen ging. 17 18 19

3

Christophoros Kalybas, Licht oder Feuer?, Athen 1956, S. 21 (griech). Ders., Ohne Maske, Athen 1957, S.lOOf (griech). Ders., Ohne Maske, S . 9 6 (griech).

Maczewski, Zoi-Bewegung

33

Die Hierarchie sah sich angesichts der großen Erfolge nicht nur der Zoi-Bewegung, sondern auch der anderen Erneuerungsbewegungen bald gezwungen, selber die Fragen einer Erneuerung und Verlebendigung des Gemeindelebens aufzugreifen. So gründete sie im Zusammenwirken mit dem griechischen Staat und der Athener Theologischen Fakultät 1936 die Apostoliki Diakonia. Diese erhielt 1946 eine ausführliche Satzung 20 und seitdem allergrößte Unterstützung. Im Laufe der Jahre hat sie sich zu einem regen Zentrum für Innere Mission und Evangelisation entfaltet. Werden die Ziele der Apostoliki Diakonia, wie sie in der Satzung niedergelegt sind, mit denen der Zoi-Bruderschaft verglichen, so stellt sich heraus, daß sie mit ihnen nahezu übereinstimmen: Predigt, Beichte und Sonntagsschule sollen überall eingeführt werden bzw. stärkere Betonung erfahren, und der orthodoxe Glaube soll durch Evangelisationsveranstaltungen und durch gute Literatur gestärkt und erneuert werden. In Artikel 23 wird sogar die Gründung einer Theologenbruderschaft ins Auge gefaßt, die sich ausschließlich in den Dienst der Apostoliki Diakonia stellen soll. Kein Wort aber von dem Bestehen der großen Erneuerungsbewegungen, die bereits seit langem diese Arbeit tun. Kein Wort von einer Zusammenarbeit mit ihnen. Sie sind der Satzung nach für die Hierarchie wie nicht existent. Den Vertretern der Erneuerungsbewegungen jedoch wurde die Apostoliki Diakonia als ein Organ dargestellt, das alle Aktionen zur kirchlichen Erneuerung fördern und koordinieren solle. Im Gegensatz dazu entwickelte sie sich aber zu einer eigenständigen Erneuerungsinstitution und trat in Konkurrenz zu den anderen Bewegungen. Alle religiösen Veranstaltungen wurden später sogar ausschließlich der Kompetenz der Apostoliki Diakonia unterstellt. Das konnte nur zum Zusammenprall mit den bestehenden Bewegungen führen. Nicht allein von Böswilligen wird daher behauptet, daß die Apostoliki Diakonia in der geheimen Absicht geschaffen wurde, die religiösen Bewegungen auszuschalten und deren Kräfte in die eigene Arbeit zu übernehmen. Die Kirche hatte sich jedoch mit diesem Kurs erheblich übernommen. Er scheiterte weithin schon im Ansatz bei der geforderten Bildung der bischöflichen Zweigstellen, die in den Diözesen die Initiative ergreifen und die Leitung und Verantwortung der geplanten Gemeindearbeit übernehmen sollten. Die Voraussetzung für die Durchführung dieses umfangreichen Programms, fähige Priester und Laien nämlich, fehlte. Eine derartige Erneuerung kann wohl nicht von oben her organisiert werden, sondern muß von unten wachsen. Die Arbeit der Zoi wuchs von unten, die Hierarchie organisierte von oben. Daher wurde aus der Arbeit der Zoi-Bruderschaft eine Bewegung, aus der Arbeit der Apostoliki Diakonia 20 Gesetz Nr. 976 über die Apostoliki Diakonia der Kirche Griechenlands, in: Amtsblatt des Königs von Griechenland vom 21. Febr. 1946, Bd. 1, S. 299—304, Blatt Nr. 58 (griech).

34

dagegen nicht. Die von der Hierarchie geplante Theologenbruderschaft der Apostoliki Diakonia ist bis heute noch nicht gegründet. Trotz aller aufweisbaren Leistungen auf den Gebieten der Priesterschulung, der Katechetenausbildung, des kirchlichen Zeitschriften- und Buchwesens und dem weiten Feld der Diakonie ist die Apostoliki Diakonia aus der Krise ihres Selbstverständnisses noch nicht herausgekommen. Als die Bischöfe erkannten, daß sie nicht erreichen konnten, was sie geplant und gefordert hatten, überprüften sie nicht ihre Konzeption, sondern ergriffen gegenüber den nicht in der offiziellen Kirche erwachsenen Aktivitäten härtere Maßnahmen. Auf der 13. Synode der Hierarchie im November 1958 wurde beschlossen: „Allein die offizielle Kirche hat das Recht der Gründung, Führung, Programmierung und Beaufsichtigung von Sonntagsschulen oder anderen, daneben veranstalteten Unternehmungen zur christlichen Erziehung der Jugend, keinem Anderen, sei es einem Einzelnen, sei es einer Organisation, kann dieses Recht zugestanden werden." 21 Alle kirchliche Arbeit wurde von dieser Synode der Apostoliki Diakonia und den kirchlichen Behörden unterstellt. Das versetzte der gesamten Zoi-Arbeit einen harten Schlag. Doch damit nicht genug. Darüber hinaus wurde gefordert, „daß gesetzgebende Vorsorge getroffen werden solle, damit die Errichtung jedweder religiösen Körperschaft, unter welchem Namen auch immer, verboten werden könne, sofern sie unter ihren Zielen auch solche hat, die kraft göttlichen Rechts allein der Kirche zustehen (Predigt, Sonntagsschule, Beichte, gottesdienstliches Leben, Studium und Weitergabe der Heiligen Schrift, ethisch-religiöse Erziehung der Jugend und der Familie usf.). Alle gegenwärtig bestehenden religiösen Körperschaften, seien sie offiziell anerkannt oder nicht, sollen aufgehoben werden, damit sie ohne Vorbehalt und aufrichtig ihre Unterordnung unter die offizielle Kirche bekunden mögen, — andernfalls seien sie vor dem Volk zu verklagen und aufzulösen, und ihr Vermögen, das bewegliche und unbewegliche, habe durch Gesetz der Kirche zuzufallen." 22 Der Geist, in dem diese Beschlüsse gefaßt wurden, erscheint autoritär und intolerant. Vom Bangen um ihre Stellung wurden die Bischöfe wohl bewogen, den Weg solcher Maßnahmen einzuschlagen. In der Enzyklika 1043 vom 13. Oktober 1959 hat dann die Synode einen ins einzelne gehenden Strukturplan für die Durchorganisierung der Gemeindearbeit allen Bischöfen „zur Anwendung" übersandt. Dieser Strukturplan bringt die Ausführungsbestimmungen zu den Beschlüssen der 13. Synode von 1958 23 . 21 Sitzungsberichte der 13. Synode der Hierarchie der Kirche Griechenlands, Athen 1959, S. 70 (griech). 22 Ebenda S. 71 (griech). 23 Die kirchliche Arbeit in der Ortsgemeinde, Die grundlegenden Ausführungsbeschlüssse, Hrsg. Apostoliki Diakonia der Kirche Griechenlands, Athen 1960 (griech).

3*

35

Die Verwirklichung der Beschlüsse der Synode von 1958 und die Durchführung des Strukturplanes von 1959 blieben jedoch aus. Die vorgesehenen Träger dieser neuen Ordnung nämlich, geschulte und fähige Gemeindepriester, waren noch kaum vorhanden. Nach Angaben der Apostoliki Diakonia selber würden von den 7000 Priestern im Lande nur etwa 1000 in der Lage sein, die vorgesehenen Aufgaben zu erfüllen. Schon im Ansatz also stieß auch dieser Plan ins Leere und vermochte keine Wandlung des bestehenden kirchlichen Lebens herbeizuführen. Die Kirche hat das stillschweigend zur Kenntnis genommen und daraufhin verstärkt mit der notwendigen ersten Vorarbeit begonnen, mit der Schulung ihres Klerus. Sie hat darüber hinaus eingesehen, daß sie ohne die religiösen Bewegungen nicht existieren kann. Sie lenkte deshalb in einen Kurs der Zusammenarbeit mit den religiösen Organisationen ein. Die Beschlüsse der Synode von 1958 seien nur dazu da, so wurde jetzt interpretiert, die Arbeit zu koordinieren. Die verschiedenen Bewegungen könnten so bleiben, wie sie seien, sie müßten nur „auf die Linie der Kirche einschwenken" und sich ihrer Leitung unterordnen. Von diesem Zeitpunkt an setzte endlich eine fruchtbare Zusammenarbeit ein.

E) Spaltung in Zoi und Sotir Die Pionierphase des Kampfes um die eigene Existenz ging mit dem öffentlichen „Triumph" vor der Heiligen Synode im Jahre 1923 zu Ende. Darauf folgte eine Phase überraschend großer Ausbreitung der Bewegung, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den fünfziger Jahren ihrem Höhepunkt zuging. Diese schnelle Ausbreitung aber kam der Bewegung nicht zugute. Mitten in der Zeit größter Erfolge reifte bereits der innere Konflikt heran. Die Verausgabung der Zoi-Brüder und aller führenden Kräfte an die zahlreicher werdenden Aktivitäten der sich ständig erweiternden Bewegung ließ nämlich die theologische Fundierung und die geistliche Vertiefung zu kurz kommen und allmählich verkümmern. Die Bewegung verflachte zu einem moralistischen Aktivismus und erstarrte teilweise in einem selbstgerechten Formalismus. Der Verlust an geistlicher Tiefe aber machte sie unfähig, in die Auseinandersetzung mit der modernen Welt einzutreten. Sie wich daher dieser Auseinandersetzung aus, zog sich auf die Pflege der eigenen Frömmigkeit zurück, verlor den Kontakt mit der Wirklichkeit und brachte sich selbst in ein Gettodasein. An der in der Bewegung herangewachsenen jüngeren Generation, die auf eine innere Reform drängte, brach der Konflikt auf. E r entzündete sich gerade an der Stellung der Zoi zur modernen Welt. Über dieser Frage kam es dann zum Bruch. Die Geschichte der Spaltung der Zoi ist die Geschichte der Auseinandersetzung zwischen den 36

konservativen alten Kräften und den liberalen Erneuerungskräften innerhalb der Bewegung. Die Meinungsverschiedenheiten traten schon Anfang der fünfziger Jahre auf, als — weniger sichtbar nach außen, aber spürbar nach innen — eine Reihe fähiger Mitarbeiter der Zoi, vor allem aus der WissenschaftlerVereinigung, sich aus der Arbeit zurückzogen oder ganz aus der Vereinigung austraten. Zu ihnen gehörten z.B. die führenden Köpfe Hieronymos Kotsonis und Alexander Tsirindanis. Ihnen folgte eine Gruppe jüngerer Theologen, die in der Bewegung aufgewachsen waren und ebenfalls die Konsequenzen zogen, als sie erfahren mußten, daß die erstrebte Erneuerung sich nicht verwirklichen ließ. Mit der Abwanderung entscheidender Führungskräfte verlor die Bewegung an Profil und innerem Zusammenhalt und mit der Auswanderung der fähigen Nachwuchskräfte ihre theologische Avantgarde und ihren progressiven Führungsnachwuchs. Mitte der fünfziger Jahre griff die Krise auf den Kern der Bewegung über, sie drang in die Bruderschaft selber ein. Das Problem der Neubesetzung des Prioramtes 1954 löste schließlich die zur Spaltung führenden Ereignisse aus. Pater Eusebios Matthopoulos, der erste Prior der Bruderschaft, hatte 1927, anderthalb Jahre vor seinem Tode, in seinem Testament Serapheim Papakostas zu seinem Nachfolger bestimmt. Dieser wurde daraufhin im Dezember 1927 von der Bruderschaft zum Prior gewählt. Beim Tode von Serapheim Papakostas 1954 dagegen lag kein Testament vor, das über die Nachfolge bestimmte. So wurde diesmal kein neuer Prior gewählt, sondern ein Rat von 4 Brüdern, der Verwaltungsrat der Bruderschaft, übernahm die Leitung. Diese Lösung jedoch bewährte sich auf die Dauer nicht. Es zeigte sich, daß sowohl die Bruderschaft als audi die Zoi-Bewegung zu ihrer Leitung einer einzelnen Persönlichkeit bedurften. D a tauchte ein Schriftstück von Pater Serapheim auf, das Pater Elias Mastrojannopoulos, einen jüngeren Zoi-Bruder, zum Nachfolger im Prioramt bestimmte. Aus „unbekannten Gründen" war es bis jetzt verschwunden gewesen. Die älteren Brüder aber weigerten sich, den jungen Pater Elias als Prior anzunehmen und schlugen statt dessen einen älteren Pater, Georgios Dimopoulos, als Prior vor. Es kam zu Auseinandersetzungen, in deren Verlauf sich die Bruderschaft in zwei Parteien spaltete: in die der jüngeren Brüder zusammen mit denen, die für eine innere Reform eintraten, um Pater Elias als Prior-Kandidaten — und in die der älteren und konservativen Brüder um Pater Georgios als Prior-Kandidaten. D a keine der beiden Seiten nachzugeben bereit war, vertiefte sich die Spaltung. Schließlich unterbreiteten die Älteren den Jüngeren einen KompromißVorschlag: das Prioramt zeitlich zu begrenzen und Pater Georgios auf nur zwei Jahre zu wählen. Das war ein ungewöhnlicher Vorschlag, da in monastischen Gemeinschaften das Prioramt normalerweise auf Lebenszeit ver37

liehen wird. „Um des lieben Friedens willen" — so ist es aus der Gruppe um Pater Elias zu hören — ließen sich die Jüngeren auf diesen Vorschlag ein, und Pater Georgios wurde im Jahre 1958 auf zwei Jahre zum Prior gewählt. Der neue Prior aber wurde von den Anforderungen seines Amtes offensichtlich überfordert. Eine so stark angewachsene Bewegung verlangte mitten im 20. Jahrhundert größere Fähigkeiten, als sie Pater Georgios mitbrachte. Der Niedergang der Zoi-Bewegung setzte ein. D a reichte nach anderthalb Jahren Pater Georgios selber seine Entlassung ein. Diejenigen, die sich vorher gegen Pater Elias für Pater Georgios eingesetzt hatten, wünschten nun Pater Elias als Prior der Bruderschaft. Dieser aber lehnte wiederholt ab. Als er jedoch in einem Gottesdienst bei einer Retraite der Brüder als der einzig fähige Führer ausgerufen wurde und alle mit „axios" (er ist würdig) ihre Zustimmung gaben, konnte er sich dem Drängen nicht mehr entziehen und willigte ein. 15 Tage später wurde er einstimmig zum neuen Prior gewählt (1959). Mit dem Abtreten von Pater Georgios aus dem Prioramt wurde auch der Bruderrat aufgelöst und mußte neu gewählt werden. Die Partei der Älteren hoffte jetzt, über den Bruderrat ihre Vorstellungen zur Geltung bringen zu können, um wenigstens auf diese Weise an der Leitung der Bruderschaft beteiligt zu sein. Auf Pater Elias Vorschlag jedoch wurden nur jüngere, ihm nahestehende Brüder gewählt. Die „Alten" mußten feststellen, daß ihnen sämtlicher Einfluß auf die Bruderschaft aus den Händen geglitten war. Daraufhin kam es zum Bruch: am 31. Juli 1959 verließen 45 von 135 Brüdern die Bruderschaft. So lautet die Zoi-Darstellung der Ereignisse. Die ausgetretenen Brüder dagegen geben das Geschehen anders wieder und sprechen sich von jeglicher Schuld frei. Es sei schon ein Fehler von Pater Serapheim Papakostas gewesen, so sagen sie, daß er sich zu seinen Lebzeiten nicht zur Frage seiner Nachfolge geäußert habe und nur in einem Schriftstück den jungen Pater Elias zum Nachfolger bestimmt hätte, ohne sich mit den Brüdern darüber abzusprechen. 1958 hätten dann alle Brüder gemeinsam einen neuen Prior gewählt. Pater Georgios Dimopoulos und Pater Elias Mastrojannopoulos hätten zur Wahl gestanden. Pater Georgios habe 58 Stimmen erhalten, Pater Elias 28 Stimmen. Georgios Dimopoulos sei damit der neue Prior geworden. Das testamentarische Schriftstück von Serapheim Papakostas, das Pater Elias zum Nachfolger bestimme, sei daraufhin von einer großen Anzahl von Brüdern nicht mehr anerkannt worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Anhänger von Pater Elias mit dem „Aufruhr" begonnen. Sie hätten sogar Vereinigungen von außen in ihr aufrührerisches Treiben eingeschaltet und den neuen Prior schließlich zum Verzicht gezwungen. Damit hätten sie gegen das eine der drei monastischen Grundprinzipien, nämlich gegen das Prinzip des Gehorsams, ver38

stoßen und so die Gemeinschaft zerstört. — So lautet die Version der ausgetretenen Brüder. Den Winter 1959/60 hindurch wurden noch Versuche unternommen, die Trennung wieder rückgängig zu machen, aber ohne Erfolg. Im Frühjahr 1960 drang der Streit an die Öffentlichkeit. Im Juni 1960 gründeten die ausgetretenen Zoi-Brüder die neue Bruderschaft „Sotir" (neugriechische Aussprache von „Soter" = Retter). Der Kern der großartigsten kirchlichen Erneuerungsbewegung im neuzeitlichen Griechenland w a r auseinandergebrochen. Es w a r ein tragischer Bruch, denn in den Grundlagen, in der Theologie und in der Gesamtkonzeption der Bewegung, ist man sich nie uneins gewesen. Uneinigkeit bestand nur darüber, wie sich die Zoi der modernen Welt gegenüber verhalten solle. So lehnten die „Alten" z.B. das Erlernen von fremden Sprachen als Gefahrenquelle für einen Einbruch des weltlichen Geistes ab und verhinderten das Auslandsstudium. Unter dem Priorat von Pater Georgios wurden auch Rauchen und Tanzen, Mode und Kinobesuche als Sünde und Glaubensabfall gebrandmarkt. Den „Jungen" wurde „Neoterismos" (Neuerung) und „Modernismos" vorgeworfen, — eine für orthodoxes Denken vernichtende Kritik, denn das Festhalten am Alten ist für dieses Denken identisch mit der Bewahrung des Wahren. „Pater Eusebios hat auch keine fremde Sprache gesprochen", wurde argumentiert. Die „Jungen" dagegen versuchten klarzumachen, daß sie nicht „Neuerungen" bringen, sondern fest an der Väterlehre halten und die Treue zu ihr gerade in einem lebendigen Eingehen auf die Moderne beweisen wollten. Die Frontlinie der beiden Parteien verläuft jedoch nicht starr zwischen den Generationen, so daß zur Sotir-Bruderschaft alle Alten übergegangen und in der Zoi-Bruderschaft die Jungen zurückgeblieben wären. Die Sotir-Bruderschaft hat manchen jungen Mitarbeiter, und in der Zoi-Bruderschaft blieben viele ältere Brüder. Nur vordergründig erweist sich der Bruch als Generationskonflikt. Hinter ihm steht vielmehr ein verschiedenes Traditionsverständnis, das zu der so unterschiedlichen Haltung der modernen Welt gegenüber führt. Das ist aber den Beteiligten noch kaum bewußt. Für sie stehen bisher überwiegend die persönlichen Motive im Vordergrund. Pater Elias selbst sieht die persönlichen Motive als die entscheidenden an. Auch in der öffentlichen Erklärung der Sotir-Gruppe anläßlich der Bekanntgabe der Spaltung und der Neugründung der Sotir-Bruderschaft heißt es lediglich, daß sich die Unterzeichner gezwungen sähen, sich von der gegenwärtigen Leitung der Zoi zu distanzieren. Keine inhaltliche Begründung, keine theologische oder kirchliche Rechtfertigung dieses Schrittes. Im Gegenteil! Es wird unterstrichen, daß diese Bruderschaft weiter auf den Wegen der Väter Eusebios Matthopoulos und Serapheim Papakostas wandeln wolle und dieselben Prinzipien und Traditionen weiterfortzuführen gedenke, die die Zoi-Bruderschaft bisher bestimmten. Hier hat sich in begrenztem 39

Rahmen vollzogen, was die Kirche als ganze in ihrer Geschichte immer wieder erlebte: Spaltung ohne zureichenden theologischen Grund. Sotir verfolgt also einen streng konservativen Kurs, Zoi demgegenüber einen liberaleren. Sotir wählte wieder Pater Georgios Dimopoulos zum Prior, Zoi dagegen hatte in Pater Elias einen Mann, der sich unter strenger Wahrung der Tradition der neuen Zeit und Generation weit zu öffnen bemühte. Allerdings hat er sich schon Anfang 1960 wieder vom Prioramt zurückgezogen — wieder „um des lieben Friedens willen". Aufgrund seiner Persönlichkeit aber, seiner theologischen Arbeiten und seiner weiterhin leitenden Funktion innerhalb der Bruderschaft ist er bis zur Revolution von 1967 faktisch der Führer der Zoi geblieben. Die Spaltung der Bruderschaft hat glücklicherweise nicht auch alle einzelnen Zoi-Vereinigungen auseinanderbrechen lassen. Nur die beiden Schwesternschaften haben sich geteilt: von den 15 Eusebia-Schwestern sind 9 und von den 500 Eunike-Gliedern etwa 200 zu Sotir übergegangen. Sie haben sich inzwischen zu neuen Schwesternschaften zusammengeschlossen24. Die Elternvereinigung, die Elpis-Vereinigung und der „Verein für griechische Bildung" halten sich insgesamt zu Sotir, alle anderen Körperschaften sind bei der Zoi geblieben. Nur Einzelne noch haben sich herausgelöst. Professor Trembelas, Mitbegründer der ZoiBruderschaft und führender Theologe der gesamten Bewegung, ist SotirBruder geworden. Er hat sie sogar zusammen mit dem anderen Mitbegründer der Zoi-Bruderschaft, Demetrios Panajotopoulos, und dem bald nach der Gründung hinzugekommenen Johannes Koliopoulos mitgegründet. Professor P. Bratsiotis, Schwager von Trembelas, nicht ZoiMitglied, aber einer ihrer bedeutendsten geistigen Mitarbeiter und Förderer, hält sich auch zu Sotir. Erzbischof Hieronymos Kotsonis dagegen hat sich aus allen Streitigkeiten herausgehalten, sympathisiert jedoch mit den Jüngeren der Zoi und ihrem Reformgeist. Bei all den enttäuschenden und z . T . blamablen Vorgängen um die Spaltung — es gab z.B. einen ärgerlichen Streit um das Editionsrecht des von Trembelas in die griechische Volkssprache übersetzten Neuen Testaments, und jahrelang prozessierte man vor Gericht um das inzwischen stark angewachsene Vermögen an Häusern und Einrichtungen — ist aber dies das Erfreuliche und Charakteristische, daß auf beiden Seiten nachträglich die Spaltung als ein Gericht Gottes verstanden wurde. Sie sei die gerechte Strafe Gottes für die Irrwege und Unterlassungen der Bruderschaft und treibe nun zu einer Klärung und Vertiefung des festzuhaltenden gemeinsamen apostolischen Auftrages. Also ging jede Seite an eine „Erneuerung" heran: Sotir in einer bewußten Rückwendung zur Anfangszeit, Zoi in einem Versuch des Aufbruchs nach vorn. 24

40

Siehe S.155, 6. und 7.

F) Gescheiterter

Reformversucb

„Wir brauchen eine neue theologische Grundlegung unseres Lebens und unseres Werkes", — fordert der junge Theologe der Zoi-Bruderschaft Anastasios Jannoulatos vor der „Christlichen Wissenschaftlervereinigung" im Juli 1960 in seinem Vortrag „Der Sinn unserer Krise" 2 5 . Mit diesem Vortrag durchbricht er das vorherrschende oberflächliche Verständnis der Spaltung als einer rein persönlichen und internen, lediglich organisatorischen Angelegenheit und deckt selbstkritisch ihre tieferen Ursachen auf. Was draußen auf dem Aktionsfelde schon lange die Arbeit zu lähmen begonnen hatte, wird jetzt endlich im Führungszentrum offen ausgesprochen. Mit einem am Neuen Testament geschulten Blick spricht Jannoulatos von der pharisäischen Sünde der Überheblichkeit und Selbstgenügsamkeit, von der Vergesetzlichung und Moralisierung des Glaubens, von der geistigen Verengung, dem Fehlen einer Theologie und dem Prozeß der Gettoisierung. Schonungslos rügt er das exklusive Gruppenbewußtsein, die Naivität des Denkens, die Primitivität der Methoden, die Angst vor jeglicher Reform, den Prozeß der Verbürgerlichung. Das alles habe konsequent zur Spaltung geführt. Sie sei Gottes Gericht über die eigenen großen Sünden. Dieses Gericht Gottes aber wolle zur Buße leiten. Mit einer persönlichen Erneuerung müsse es beginnen: an die Stelle des pharisäischen Geistes müsse echtes und tiefes kirchliches Bewußtsein treten. — Jannoulatos sprach aus, was viele schon lange erkannt hatten: die Notwendigkeit einer inneren Reform. Die durch die Spaltung hervorgerufene Erschütterung bewirkte jetzt allenthalben, daß ein Ruf nach einer inneren Erneuerung laut wurde, ein Ruf nach neuer theologischer Grundlegung und nach neuer geistlicher Vertiefung des missionarischen Werkes. Dieser Aufgabe, deren Bedeutung für die weitere Existenz der gesamten Zoi-Bewegung inzwischen allen wachen Kräften der Bruderschaft deutlich geworden war, widmeten sich mit besonderem Einsatz die progressiven jungen Theologen der Bruderschaft. Ihnen allen voran stellte sich Pater Elias. Seine Arbeit ist in den kommenden Jahren ausschließlich der inneren Erneuerung der Bewegung gewidmet. Im Juni 1961, ein Jahr nach dem Vortrag von Jannoulatos, legte Pater Elias vor der Jahresversammlung der Wissenschaftlervereinigung eine erste theologische Grundsatzerklärung vor in dem Vortrag „Die Grundprinzipien unseres christlichen Glaubens und die daraus folgenden Konsequenzen" 26 . Von einer nicänisch-christologischen Basis aus werden darin die Themen: Kirche, Sakramente, Sünden- und Gnadenlehre, die Heiligen, Gottesdienst, Schrift und Tradition angegangen und die Ver25 28

Vortragstext, maschinensdiriftl. S. 6 (griech). Elias Mastrojannopoulos, Orientierungen, Athen 1962, S. 110—141 (griech).

41

kürzung des Glaubens auf einen Moralismus und der selbstgerechte Formalismus mit den negativen Folgeerscheinungen zu überwinden versucht mit Hilfe einer Lehre von der Christifizierung des Lebens. Der Vortrag mündet aus in einen Appell zum intensiven Studium und zur geistlichen Vertiefung. In mehreren Reden vor verschiedenen Zoi-Vereinigungen, meistens aber vor der Wissenschaftlervereinigung, ruft Pater Elias immer wieder neu zu einer gründlichen geistlichen und persönlichen Erneuerung auf und entfaltet seine Vorstellungen von der künftigen Zoi-Arbeit. Man müsse zurück zu den Quellen der Heiligen Schrift, der Kirchenväter und der Liturgie, zurück zur Offenbarung der Schrift, zur dogmatischen Tradition der Väter und zum Mysterium des sakramentalen Lebens. Allein ein aus diesen Quellen erneuertes Christentum vermöge die Gefahren der Gegenwart zu überwinden und Griechenland zu einer Wiedergeburt zu führen. In einem Sammelband sind diese programmatischen Reden der Jahre 1960 und 1961 unter dem Titel „Orientierungen" 1962 von der Bruderschaft herausgegeben worden. Bei einem bloßen Aufruf zur Erneuerung blieb Pater Elias nicht stehen. Als führende Persönlichkeit der Reformwilligen gab er drei Symposien heraus, die als Handreichung zum persönlichen Studium und als Hilfe und Material für die innere Erneuerung dienen sollten. Das erste Symposion erschien im Jahre 1962 unter dem bezeichnenden Titel „Theologie". Darin kommen Repräsentanten der neueren orthodoxen Theologie zu Wort: Georgios Florovsky, Vladimir Lossky, Alexander Schmemann, Johannes Meyendorff, Justin Popowitsch und Nikolaos Nissiotis. Pater Elias leitet den Sammelband mit dem Gedanken der Wiederentdeckung des übersehenen Wertes der Theologie ein 27 . Die Sammlung wird abgeschlossen mit dem Beitrag eines Nachwuchstheologen aus der Bruderschaft, Demetrios Trakatellis, unter dem programmatischen Titel „Unsere Theologie gestern und morgen". Anläßlich der 1000-Jahr-Feier des Berges Athos erschien 1963 das 2. Symposion unter dem Titel „Mönchtum und gegenwärtige Welt". In einem ersten Teil werden orthodoxe und in einem ebenso starken zweiten Teil katholische und evangelische Stimmen zur Erneuerung des Mönchtums vorgelegt. Kleriker, Laientheologen und Mönche kommen darin zu Wort. Im Jahr darauf, 1964, erschien das 3. Symposion, diesmal zum Problem des Gottesdienstes unter dem Titel „Unsere Liturgie". Darin versuchen Pater Elias, Alexander Schmemann und Olivier Clement mit ihren Beiträgen zur byzantinischen Liturgie, den modernen orthodoxen Menschen in die Bedeutung und in die Tiefe seines Gottesdienstes einzuführen. 2 7 Siehe Dokument F: „Eine Symposion-Einleitung von Elias Mastrojannopoulos", S. 145—149.

42

Während der Arbeit an den Symposien war Pater Elias weiterhin unermüdlich an dem Erneuerungswerk tätig. Im März/April 1962 veranstaltete die Bruderschaft ein Seminar für Bibelkreisleiter, dessen Grundsatzreferat „Was ist der Bibelkreis?" Pater Elias hielt. Er versuchte darin, den Reformgeist in die gesamte Bibelkreisbewegung der Zoi hineinzupflanzen. Die 5 Hauptreferate des Seminars sind 1966 unter dem Titel „Der Bibelkreis" herausgegeben worden, um sie auch den Bibelkreisleitern auf dem Lande zugänglich zu machen. (1965 hatte die Zoi-Bewegung 1300 Bibelkreise mit einer Gesamtteilnehmerzahl von rd. 20000.) Im Winterhalbjahr 1962/63 hielt Pater Elias, wieder vor der Wissenschaftlervereinigung, eine Vortragsreihe zum Thema „Die Königsherrschaft Gottes". Sie ist 1965 veröffentlicht worden. Die bedeutendste Aktion aber, die Pater Elias in seinem Reformeifer zustande brachte, waren die Theologenkongresse „Ephesos". Auf seine Initiative hin berief die Zoi-Bruderschaft seit 1960 jährlich einen Theologenkongreß „Ephesos" ein, der zuerst in Athen und dann unmittelbar darauf noch einmal in Saloniki stattfand. In einer modernen Tagungsform und eingebettet in einen liturgischen Rahmen stellten sich auf diesen Kongressen die Zoi-Theologen zusammen mit Universitätsprofessoren, Bischöfen und Theologen verschiedener Richtungen in freimütiger Diskussion aktuellen kirchlichen und theologischen Fragen. 1960 fanden sich in Athen 150, in Saloniki 50 Teilnehmer zusammen. Zwar hat es schon vor 1960 Tagungen ähnlicher Art gegeben, aber unregelmäßig und lediglich unter praktischen Fragestellungen wie z.B. die nach der rechten Didaktik in der Sonntagsschularbeit oder nach der rechten Methode der Predigt. Es waren das mehr interne Schulungstagungen als öffentliche Theologenkongresse. Pater Elias aber gab ihnen nun einen primär theologischen Charakter, ließ sie jährlich einberufen und erweiterte den Teilnehmerkreis zu einem öffentlichen Forum kirchlicher und theologischer Repräsentanten. 1963 war sogar Erzbischof Chrysostomos anwesend. Pater Elias war es auch, der ihnen den Namen „Ephesos" gab, in Erinnerung an „die beiden größten Revolutionäre des Christentums", Johannes und Paulus, die in dieser Stadt gewirkt hatten und in deren Geist die theologische Arbeit der Kongresse stattfinden sollte28. Die Themen der Tagungen spiegeln die Probleme und die Aufgaben wider, denen sich die Zoi damals gegenüber sah. 1960 lautete das Thema: „Probleme lebendiger theologischer Erziehung". Es wurde in drei Unterthemen behandelt: „Die Notwendigkeit der Erneuerung", „Das Problem des persönlichen Lebens", „Die Forderung an uns nach einer gründlichen 28 In: Die Heilige Schrift, das Wort Gottes, 5. Theologenkongreß „Ephesos", AthenThessaloniki 1964, Athen 1965, S . 2 (griech/hektograph).

43

Standortbestimmung innerhalb der Kirche" 2 9 . 1961 lautete das Thema: „Die Kirche, der Leib Christi", 1962: „Theologie", 1963: „Die Heilige Liturgie", 1964: „Die Heilige Schrift, das Wort Gottes". Nach diesen fünf Jahren großangelegter theologischer Arbeit und intensiven Reformbemühens ließ der Erneuerungselan überraschend schnell nach. Die Theologenkongresse wurden wieder zu praktischen Mitarbeiterschulungen, und das Niveau sank auf den Zoi-Provinzialismus zurück. Diese Entwicklung ist bezeichnend für die Gesamtheit der Reformbemühungen. Nach anfänglichem Enthusiasmus und großangelegten Erneuerungsprogrammen kam die tatsächliche Reform nach ersten Schritten schon ins Stocken und verlief dann bald im Sande. Zwar gab Pater Elias 1966 noch ein weiteres, fast 400 Seiten starkes Studien werk unter dem Titel „Die Kirchenväter und der Mensch" heraus, in dem er nach einer ausführlichen Einführung in die Patrologie die Lehren der Kirchenväter über den Menschen referiert und ihre Gedanken auch zu anderen Themen zu Gehör bringt, aber die Reformbewegung war bereits rückläufig geworden. Die Zoi-Bewegung war wieder in die alten Geleise zurückgefallen oder gar nicht erst aus ihnen herausgekommen. Die konservativen Kräfte waren audi in der Zoi — obwohl die streng konservative Sotir-Gruppe bereits ausgeschieden war — in der Ubermacht geblieben und hielten die Arbeit auf altem Kurs. In dieser Reaktion spielte gerade die Wissenschaftlervereinigung eine führende Rolle. Die Geschichte der Zoi-Bewegung begann an dem Reformer Pater Elias und an den progressiven jüngeren Theologen vorbeizugehen. Damit war über die Zukunft der Zoi entschieden. Hatten sich Mitte der fünfziger Jahre schon jüngere Theologen aus der Mitarbeit in der Zoi-Bewegung herausgelöst, so drang dieser Auflösungsprozeß nun bis in den Kern vor: jüngere Zoi-Brüder, die besten Theologen, traten im Laufe der sechziger Jahre aus der Bruderschaft aus und gingen zu einem großen Teil ins Ausland. Mit ihnen verlor die Zoi-Bewegung ihre progressiven Entwicklungsmöglichkeiten. Man spricht im Hinblick auf diese Austritte schon von einer „zweiten Spaltung". Zugleich verlassen führende Mitglieder aus verschiedenen Zoi-Vereinigungen die Bewegung, und nicht nur jüngere. Ihnen folgen viele andere. Die Wissenschaftlervereinigung verliert 2/a ihrer Mitglieder, die Zeitschrift „Aktines" 3/4 der Leserschaft. Die ursprüngliche Anziehungskraft der Zoi war verlorengegangen. Die Bewegung schrumpfte zu einem Konventikel zusammen. Selbst Pater Elias, der unangefochtene Führer der verjüngten Zoi-Bruderschaft, den man 1959 zum Prior erhoben hatte und über dessen Person die Bruderschaft auseinandergebrochen war, der dann seit 1960 mit allen Kräften an 2 9 In: Referate und Diskussionen, 1. Theologenkongreß „Ephesos", Athen-Thessaloniki 1960, Athen 1961, S. 1 (griech/hektograph).

44

der Erneuerung gearbeitet und noch 1966 das Studienwerk über die Kirchenväter herausgegeben hatte, schied 1967 aus der Arbeit aus. Er wurde Leiter der kirchlichen Priesterschule auf der Insel Tinos. Sein Reformwerk ist — seiner Meinung nach — an dem ungeistlichen Geist der gegenwärtigen Träger der Zoi gescheitert. Doch kommt wohl auch hinzu, daß Pater Elias selber nicht die geistliche Kraft besaß, die nötig gewesen wäre, um das eingefahrene und erstarrte Denken der Zoi tatsächlich aufzubrechen, und daß er ebenfalls noch zu stark in dem herkömmlichen Pietismus der Zoi wurzelte, als daß er einen eigenen schöpferischen Kristallisationspunkt theologischer Erneuerung hätte bilden können. Aber das „gescheitert" gilt nur für den theologischen Reform versuch, die empfindliche Abwanderung führender Kräfte und vieler Mitglieder nur für die Intelligenzschicht und die Studenten- und die Wissenschaftlervereinigung. Dem Fall der Mitgliederzahl in der Wissenschaftlervereinigung steht z.B. ein steter Anstieg der Aktionen und eine ständige Erweiterung der Abteilung „Fürsorge" eben dieser Vereinigung gegenüber 30 . Und dem Schwund der Aktines-Leser steht ein Anwachsen der Leserschaft der Kinderzeitschrift „Kinderleben" und ein Anwachsen der Gesamtleserschaft der Zoi- und Sotir-Wochenzeitschrift gegenüber. Die akute Krise ergriff wohl den Kern, die Bruderschaft, und die auf Reform drängende Intelligenzschicht mit ihren Vereinigungen, die Bewegung als solche ist aber zahlenmäßig weiter im Wachsen. Die Mitarbeiter in der „Fürsorge" des Apostel-Paulus-Vereins z.B. sind von 1000 im Jahre 1959 auf 3000 im Jahre 1968 (April) angewachsen. G) Unter der Revolutionsregierung

von 1967

Der gewaltsame Eingriff der Militärregierung in die Leitung der Kirche Griechenlands hat mit Hilfe der von der Regierung einberufenen „Synode der Besten" den ehemals führenden Mitarbeiter und ständigen Freund der Zoi-Bewegung, Professor Hieronymos Kotsonis, an die Spitze der Orthodoxen Kirche Griechenlands gebracht. Das hatte für die Zoi-Bewegung erhebliche Bedeutung, denn nun war mit einem Male der Geist der ZoiBewegung kirchenpolitisch zur Herrschaft gelangt. War im Jahre 1962 die Kandidatur von Hieronymos Kotsonis für das Erzbischofsamt wegen seiner inneren Übereinstimmung mit der Zoi und wegen seiner guten persönlichen Beziehungen zu dieser Bewegung und zum griechischen Königshaus von den zoi-feindlichen Bischöfen zu Fall 3 0 Eteokles Gregoriades, Zehn Jahre „Abteilung Fürsorge" der Christlichen Wissenschaftlervereinigung (Dez. 1957—Dez. 1967), in: Aktines, 31. Jg., N r . 2 9 1 , Mai 1968, S. 2 0 8 — 2 1 4 (griech).

45

gebracht worden, so galt er den Offizieren des Putsches vom 21. April 1967, die zu einem großen Teil zur alten Zoi-Generation gehören und geistig weitgehend von ihr geprägt sind, offenbar als die in ihrem Sinne geeignete Persönlichkeit für die Leitung der Kirche. Er stellte zudem für das Ausland eine integre Persönlichkeit dar, war in den Augen aller fähig zu dem hohen Amte und gab in seiner Person den Offizieren die Gewähr dafür, daß die dringend notwendige Reform der Kirche in ihrem, nämlich nationalem Geiste durchgeführt würde. Also wurden die zoi-feindlichen — und das bedeutete oft auch zugleich die reformfeindlichen — Bischöfe zusammen mit der gesamten Hierarchie von der Regierung in ihren Amtsvollmachten eingeschränkt, Hieronymos Kotsonis auf eine kirchenrechtlich höchst umstrittene Weise zum Erzbischof eingesetzt, sein Reformprogramm von der Regierung zunächst gutgeheißen und unterstützt und einiges davon, ζ. B. die Anhebung der Priestergehälter, mit Gesetzeskraft schnell verwirklicht. Um jedoch sein Reformwerk, das eine Strukturreform in sämtlichen kirchlichen Arbeitsbereichen vorsieht, auf breiter Ebene durchführen zu können, braucht Erzbischof Hieronymos eine Hierarchie, die hinter seinem Reformprogramm steht. Diesem Ziel wandte er sich darum sogleich mit aller Kraft zu und in knapp einem Jahr besetzte er über 20 Bischofsstühle mit reformwilligen und mit ausschließlich zoi-freundlichen Persönlichkeiten. Fünf der neuen Bischöfe sind sogar Zoi-Brüder 3 1 . Zu den neuen Bischöfen — etwa ein Drittel von ζ. Z. 67 amtierenden Bischöfen Griechenlands — sind zusätzlich die 8 Bischöfe der „Ständigen Synode" zu zählen, die sich für das Reformprogramm des Erzbischofs einsetzen. Außerdem können auch alle diejenigen Bischöfe zu den Befürwortern gerechnet werden, die zwar nicht strenge Parteigänger der Zoi sind, aber doch nachdrücklich für eine kirchliche Reform eintreten und in ihren Diözesen z . T . schon selber an einer Verlebendigung des kirchlichen Lebens arbeiten. Das ergibt bereits eine absolute Mehrheit für die Reformpläne des Erzbischofs. Hält man sich weiterhin vor Augen, daß inzwischen auch die neben den Bischofssitzen entscheidenden Stellen — die in der kirchlichen Verwaltung und in den kirchlichen Werken — ebenfalls mit Zoi-Anhängern oder sogar mit Zoi-Brüdern 3 2 besetzt worden sind und daß alle Neubesetzungen weitere Zoi-Mitarbeiter und Zoi-Freunde in kirchliche Posi3 1 Konstantios Chronis, am 8 . 6 . 6 7 zum Bischof von Alexandroupolis geweiht, Apostolos Papakonstantinos, am 27. 6. 67 zum Bischof von Zakynthos, Nikolaos Xenos, am 19. 3. 68 zum Militärbischof, Leonidas Paraskevopoulos, am 31. 3. 68 zum Bischof von Saloniki und Nikodemos Gatzipoulis, am 14. 4. 68 zum Bischof von Attika und Megara geweiht. 3 2 SotiriosTrabas wurde Protosyngelos des Athener Bischofs, Bruder Stylios Direktor der Caritas, Elias Mastrojannopoulos Leiter der neuen Priesterschule auf Tinos und Anastasios Jannoulatos übernahm die Äußere Mission.

46

tionen bringen, so steht man vor der Tatsache, daß die Leitung der Kirche Griechenlands fest in die H ä n d e von Zoi-Anhängern übergegangen ist. Schon wird auch von einer ständig wachsenden Zahl Kritikern von der Zoi als einer herrschsüchtigen Kirchenpartei gesprochen, die durch die Diktatoren an die Macht gekommen sei und damit das Ziel ihres lang gehegten Wunsches erreicht habe. Sie sei nun dabei, unbarmherzig und fanatisch und überdies mit kirchenrechtlich problematischen Methoden ihre Macht auszubauen und zu festigen. Das ist die Neufassung einer alten Verleumdung, die einer realen Grundlage entbehrt und lediglich die Atmosphäre wieder vergiftet, die sich zwischen der Zoi und der Kirche bereits erfreulich zu entspannen begonnen hatte. Sie wird jedoch nur von denen erhoben, die die innere Lage der Zoi nicht kennen. Unterscheidet man einmal — um der Sachklärung willen — zwischen der Zoi-Bruderschaft, der Zoi-Bewegung und dem Zoi-Geist, so ließe sich zwar in der Tat sagen, daß der Zoi-Geist kirchenpolitisch zur Herrschaft gekommen ist, und es ließe sich in der Tat auch sagen, daß der "Zoi-Bewegung jetzt überall die Türen offenstehen und daß ihre erfahrenen und tüchtigen Mitarbeiter bis in die Hierarchie hinaufgerufen werden, — es läßt sich aber nicht sagen, daß es die ZoiBruderschafl ist, die als treibende Kraft hinter diesem Geschehen steht. Ganz im Gegenteil! Gerade durch diese Entwicklung hat die Bruderschaft einen weiteren und so schweren Aderlaß erlitten, daß es nicht sicher ist, wie und ob sie sich überhaupt je wieder davon wird erholen können. Durch die Hergabe ihrer letzten fähigen Mitarbeiter an die Kirche nämlich ist sie zu einer bedeutungslosen Gruppe abgesunken. Zu dem Zeitpunkt, an dem ihr Geist die gesamte Kirche zu beherrschen beginnt, ist sie selber auf einem Tiefpunkt angelangt. Es kann daher keine Rede davon sein, daß sie als Kirchenpartei die Herrschaft an sich reiße. Die Zoi-Bruderschaft ist sogar vom Prinzip her eine a-politische Gruppe. Eusebios Matthopoulos hatte es wiederholt abgelehnt, Bischof zu werden, und in seiner Bruderschaft wurde es dann zum Prinzip, auf alle höheren kirchlichen Ämter, insbesondere auf das Bischofsamt, zu verzichten. Wer sich dennoch dazu entschloß, was hin und wieder geschah, der schied aus der Bruderschaft aus. Die Brüder sollten und wollten frei sein von jeder Verwaltungsarbeit und von jeglicher kirchenpolitischen Tätigkeit, um sich ganz dem Evangelisationsdienst widmen zu können. Darum haben sich auch die Zoi-Brüder zunächst ablehnend verhalten, als ihnen Erzbischof Hieronymos das Bischofsamt antrug. In einem Falle ist es sogar zu einem offenen Streit und zum persönlichen Bruch gekommen. Am Ende aber gaben doch einige dem Drängen des Erzbischofs nach und fügten sich ihm als der „Stimme Gottes". H a r t e Auseinandersetzungen — selbst zwischen alten Freunden — waren dieser Entscheidung vorausgegangen. 47

Das wird in der gegenwärtigen Diskussion leider kaum beachtet, obwohl es für die Einschätzung der Rolle der Zoi-Bruderschaft beim Zustandekommen der gegenwärtigen Hierarchie von Bedeutung ist. Daß aber Erzbischof Hieronymos gerade Zoi-Brüder und Zoi-Anhänger auf die Bischofsstühle rief und in die Kirchenleitung holte, das — so wird immer wieder betont — habe lediglich daran gelegen, daß in ganz Griechenland nirgendwo sonst würdige (nicht: fähige!) Kandidaten zu finden gewesen seien. — Doch ist darüber ein Urteil noch nicht möglich. Sicherlich wird auch die Einstellung der Kandidaten zum Reformprogramm des Erzbischofs eine Rolle gespielt haben. Für die Zoi-Bruderschaft jedenfalls bedeutete das Aufrücken ihrer Mitglieder und Anhänger nicht nur eine Auszeichnung, sondern zugleich auch eine Herausforderung zur Selbstpreisgabe. Und es scheint, daß sich die Bruderschaft in einer letzten großen Tat für die Kirche aufgeopfert hat. Damit hätte sie getreu ihrem ursprünglichen Geist gehandelt, „in Selbstverleugnung und Selbstaufopferung" der Erneuerung der Kirche zu dienen, wie es in der Bruderschaftssatzung heißt. So ist die Bruderschaft im Frühjahr 1968 auf weniger als 50 Brüder zusammengeschmolzen. Von diesen sind nur noch die Hälfte Theologen, die andere Hälfte sind Arbeiter. Die drei Austrittswellen: die der Spaltung von 1959, die des gescheiterten Reformversuchs Anfang und Mitte der sechziger Jahre und die des Übergangs in den Dienst der offiziellen Kirche unter der Revolutionsregierung von 1967, haben der Zoi-Bruderschaft in weniger als einem Jahrzehnt den gesamten inneren Führungsstab und den progressiven Teil der jüngeren Generation genommen. Sie steht jetzt — sofern man es positiv ausdrücken will — vor einem völlig neuen Anfang. Demgegenüber ist die Zoi-Bewegung im Volk weiter im Anwachsen. Wenn auch einzelne Vereinigungen Verlustzahlen aufweisen und innerlich Krisen durchzustehen haben, so ist doch der gesamte Komplex der Organisation nicht ernsthaft erschüttert worden. Er befindet sich im Gegenteil weiter im Ausbau. Das zeigt z.B. das Anwachsen der Gruppenzeitschriften: seit 1957 gibt die Arbeiterjugend die Monatszeitschrift „Arbeitslicht" (Ergatikon Phos) heraus, seit 1959 die WissenschaftlerVereinigung ihre monatlichen „Auskünfte" (Plerophoriai), seit 1962 die Fürsorge-Abteilung das zweimonatliche Nachrichtenblatt „Die Sammlung" (Logia, = Geldsammlung, nach 1.Kor. 16,1 f.). Seit 1963 erscheint das Nachrichtenheft „Ein Herz" (Mia Kardia) für die Jugendgruppenleiter und seit 1965 die Zeitschrift „Christliche Pulsschläge" (Christianikoi Palmoi) der Studentenvereinigung. Ein großes Vereinshaus im Athener Zentrum ist kurz vor der Fertigstellung und wird fast allen Vereinigungen eine moderne Heimstatt geben. Außerdem hat die Sotir-Bruderschaft, die zur Zoi-Bewegung geredinet werden kann, weil sie im Grunde die Frühform der Zoi-Bruderschaft 48

darstellt, inzwischen eine der Zoi parallele Organisation aufbauen können und ist zu einer festgefügten und zielstrebig arbeitenden G r u p p e geworden. Sie ist bereits von 50 Brüdern bei ihrer G r ü n d u n g 1960 auf 70 Brüder angewachsen, ihre Wochenzeitschrift „Sotir" hat eine Auflage von 75 000 Exemplaren erreicht, und neue Häuser und Einrichtungen zeugen von einem starken Zukunftswillen. Eine Atmosphäre des Aufbaus beherrscht diese der Zoi parallele Bewegung. Die Problematik f ü r die Kirche Griechenlands besteht jetzt darin, d a ß auf allen Seiten, auf der der Kirche, der Zoi-Bewegung und der SotirBewegung, in einer nur unwesentlichen Variation ein und derselbe Geist die Führung übernommen h a t und ein und derselbe Glaube an eine neue Erweckung des orthodoxen Volkes und an eine christliche Wiedergeburt der griechischen N a t i o n die H e r z e n erfüllt und den Blick f ü r die Realitäten trübt. Vor einer Generation noch hatte dieser Geist dem geschlagenen griechischen Volke M u t und neues Leben einflößen und in der griechischen Kirche eine lebendige Erweckungsbewegung hervorrufen können. Jetzt aber bildet er unter den veränderten Verhältnissen ein großes Hindernis f ü r eine realistische Beurteilung der Dinge und f ü r eine zeitgerechte Reform der orthodoxen Kirche. H i e r liegt der G r u n d f ü r die bereits ein J a h r nach der Revolution auftauchenden ernsthaften Schwierigkeiten bei der Realisierung des Reformprogramms des Erzbischofs. Der gegenwärtigen Führung der griechischen Kirche wird damit die Tatsache vor Augen gestellt, d a ß mit gutem Willen und frommen Programmen allein die Kirche nicht zu reformieren ist und d a ß vor allem die Kirche nicht unter das D i k t a t eines bereits überholten Glaubensverständnisses gestellt werden kann. U n d d a der provinzielle und konfessionalistische Geist der Zoi mit der Revolution von 1967 auf Kirche und Staat gleicherweise übergegangen ist, ist die Problematik der gegenwärtigen Kirche Griechenlands zugleich auch die innere Problematik des Athener Offiziersregimes. Beide scheinen durch die Utopie der vor allem durch Tsirindanis ideologisierten Zoi-Weltanschauung in starkem M a ß e realitätsblind geworden zu sein und sich mit fortschreitender Zeit von der Wirklichkeit zu entfernen. Zusammenfassung Die bisherigen sechzig Jahre der Zoi-Bewegung — von der G r ü n d u n g der Bruderschaft 1907 bis zur politischen Revolution von 1967 — gliedern sich in drei Phasen: in eine erste, charismatische Phase unter dem G r ü n d e r und ersten Prior, Eusebios Matthopoulos; in eine zweite, eine A u f b a u phase unter dem zweiten Prior, Serapheim Papakostas, und in eine dritte, eine Phase des inneren Verfalls, unter der — wenn auch nicht immer offiziellen, so doch faktischen — Priorschaft von Elias Mastrojannopoulos. 4

Maczewski, Zoi-Bewegung

49

Die erste Phase unter Pater Eusebios dauerte von 1907 bis 1929 und hatte die Evangelisationspredigt zur Mitte. Sie kann als die Erweckungsphase bezeichnet werden. Die zweite Periode unter Pater Serapheim dauerte von 1929 bis 1954 und hatte die religiöse Volksbildung zum Zentrum. Sie kann als die Periode des Aufbaus und der Institutionalisierung bezeichnet werden. Die dritte Phase unter Pater Elias dauerte von 1954 bis 1967 und war ein Versuch theologischer Erneuerung. Aber dieser Versuch führte nicht zur Erneuerung, sondern zur Spaltung der Zoi in zwei Bruderschaften und in zwei Bewegungen und zu einem weiteren inneren Verfall der gesamten Arbeit. Die Auswanderung der jungen progressiven Theologen aus der Bewegung und die empfindliche Schwächung der Fiihrungsschicht der Zoi durch den Verlust der besten ihr noch verbliebenen Kräfte an die offizielle Kirche im Zusammenhang mit den Ereignissen der Revolution von 1967 haben die Bewegung gegenwärtig auf einen Tiefpunkt gebracht. Die dritte Phase muß daher als eine Phase der permanenten Krise bezeichnet werden. Über die Zukunft der Zoi-Bewegung wird verschieden geurteilt. Der aus der Bruderschaft ausgetretene Theologe Emmanuel Psilopoulos sieht für sie keine Existenzberechtigung mehr: „Jede Bewegung . . . muß bereit sein zu sterben, sobald es zum Besten der Kirche dient nach dem Worte Christi ,Wenn das Weizenkorn, das in die Erde gelegt ist, nicht erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, trägt es viele Früchte.' (Joh. 1 2 , 2 4 ) . . . wenn die Zoi-Bewegung das charismatische Element verliert, hat sie keinen Grund zum Bestehen mehr." 3 3 Der ebenfalls frühere Zoi-Bruder Christos Jannaras geht wesentlich weiter. Er sieht in der Zoi das Verderben der Orthodoxie, „eine neue ,Häresie der Reinen' " 3 4 , die es mit aller Macht zu überwinden gelte. Demgegenüber setzt die gegenwärtige Zoi-Führung anscheinend unangefochten von allen Rückschlägen ihre Arbeit unbeirrt fort und unternimmt sogar noch Anstrengungen zum weiteren Ausbau ihrer Aktionen. Anläßlich der 20jährigen Wiederkehr der Herausgabe des Manifestes der griechischen christlichen Wissenschaftler von 1946 und der Feierlichkeiten zum 30jährigen Bestehen der Wissenschaftlervereinigung (1937 Gründung der Aktines-Vereinigung—1967) hat sich die gesamte Zoi-Führung erneut und verstärkt zur Fortführung des alten Kurses bekannt. Dieser Kurs ist durch die Schriften von Alexander Tsirindanis entscheidend geprägt worden und hat die Schaffung einer griechisch-christlichen Kultur zum Ziel. Die Erfahrung, die die Wissenschaftlervereinigung in den letzten Jahren gemacht hat, scheint ihr gerade die Wahrheit ihrer „Welt3 3 Emmanuel Psilopoulos, L a Confrerie des Theologiens ,Ζοί', Diss. Straßburg 1965, S. 161 und 162 (franz/hektograph). 3 4 Christos Jannaras, Ehrlich mit der Orthodoxie, Neugriechische theologische Versuche, Athen 1968, S . 7 0 (griedi).

50

anschauung" zu bestätigen, und sie hat erklärt, daß sie „heute mit mehr Grund" davon überzeugt sei, daß diese Weltanschauung „die Grundlage des Lebens der Einzelnen und der Völker und unserer ganzen Nation" zu bilden habe 35 . Zusammen mit Tsirindanis als dem Ideologen versucht Erzbischof Hieronymos, die griechische Kirche auf diesen Kurs zu bringen, und hofft, gerade mit dem Zoi-Geist die griechische Kirche retten und erneuern zu können. Aus dieser unvereinbaren Gegensätzlichkeit der Meinungen kann nur eine sachliche und nüchterne Beurteilung des Wesens der Zoi-Bewegung herausführen. Daran aber mangelt es noch. Bis heute gibt es z.B. noch keine kritische Darstellung und keine theologische Beurteilung dieser für die griechische Kirche so bedeutsam gewordenen Bewegung. Im folgenden soll daher ein erster Versuch in dieser Richtung unternommen werden und damit zugleich die Frage nach der Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der Zoi mit der orthodoxen Tradition einer Beantwortung nähergerückt werden. 35

Aktines 31. Jg., Nr. 289, März 1968, S.81 (griech).

51

II. Das Verhältnis zu Dogma und kirchlicher Praxis Einführung: Traditionelle

Typologie

orthodoxer

Tradition

In der gegenwärtigen Schuldogmatik der griechischen Theologie werden grundsätzlich zwei Arten von Tradition unterschieden: auf der einen Seite die „dogmatische Tradition", die die verbindliche Glaubenslehre enthält, und auf der anderen Seite die „kirchliche Tradition", die 3ie Glaubenslehre interpretiert und das kirchliche Leben regelt. Die dogmatische Tradition hat absolute Gültigkeit, ist unwandelbar und hat daher gleichen Rang wie die Heilige Schrift; der kirchlichen Tradition kommt demgegenüber nur relative Autorität zu, sie ist wandelbar und hat lediglich zeitbedingte und regionale Gültigkeit. Chrysostomos Konstantinidis, Professor für systematische Theologie an der Theologischen Hochschule des ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel zu Halki, unterscheidet „Tradition", die den Glauben betrifft und folglich von gleicher Autorität ist wie die Heilige Schrift, und Traditionen mehr kirchlichen Charakters, d.h. historische, liturgische, kanonische und andere Traditionen, wandelbar und von nur relativer Autorität, weil sie nämlich nicht den Glauben und die Dogmen der Orthodoxen Kirche betreffen 1 . Für Professor — und jetzt audi Metropolit — Chrysostomos Konstantinidis gehören zu der dogmatischen Tradition: „1. Die gültige und authentische Interpretation der Schrift in der Kirche, 2. die offiziellen Formulierungen und Glaubensbekenntnisse, 3. die Formulierungen, Definitionen und Glaubensbekenntnisse der ö k u menischen Konzile, 4. die größeren Ubereinstimmungen der Lehre der Väter und kirchlicher Autoren, m. a. Worten der ,Consensus Patrum', 5. die Formen, Handlungen und Institutionen des Gottesdienstes und der Liturgien der frühen Kirche, die den lebendigen Ausdruck des apostolischen Geistes in der Weise des Gottesdienstes in der Kirche darstellen." 2 Johannes N. Karmiris, Professor für systematische Theologie an der Athener Universität, unterscheidet „drei hauptsächliche Kategorien" von Tradition, die den drei Hauptperioden orthodoxer Kirchengeschichte zugeordnet sind: Tradition von „absoluter Autorität" der Periode der sieben ökumenischen Synoden, Tradition von „relativer Autorität" der byzantinischen Zeit und Tradition von „ganz und gar zweitrangiger Bedeutung" der nachbyzantinischen Epoche 3 . Im Grunde also folgt auch Ecumenical Review X I I , N r . 2, Januar 1960, S. 146 (engl). Ebenda S. 147 (engl). 3 Johannes N . Karmiris, Die Dogmen- und Bekenntnisschriften der Orthodoxen Katholischen Kirche, 2. erw. Aufl., Athen 1960, Band 1, S . 3 2 (griech). 1 2

52

Karmiris der üblichen Zweiteilung der Tradition in die absolute und die relative, und nur aufgrund der weiteren Differenzierung der „zweitrangigen" Tradition gelangt er zu einer Dreiteilung. Zur Tradition mit absoluter Geltung, die er wie Konstantinidis auch die „Heilige Tradition" nennt, gehören: „1. Die drei alten ökumenischen Symbole, 2. die Glaubensbekenntnisse, dogmatische Artikel, Bestimmungen, Beschlüsse und Texte dogmatischen Charakters der alten ökumenischen und Ortssynoden und der Kirchenväter und 3. die Heilige Liturgie der Orthodoxen Katholischen Kirche." 4 Die Lehr- und die liturgische Tradition der gesamten Alten Kirche also haben in der Sicht der gegenwärtigen offiziellen griechischen Theologie den Rang dogmatischer Tradition. Die Unterschiede in der Grenzziehung zwischen absoluter und relativer Tradition sind von geringfügiger und wohl meist auch nur von terminologischer Bedeutung, gemeinsam aber und selbstverständliche Voraussetzung alles dogmatischen Denkens ist in der griechischen Theologie die Unterscheidung in die unverrückbare, mit der Heiligen Schrift gleichrangige Tradition einerseits und in die wandelbare Tradition andererseits. Ordnet man nun die Zoi-Bewegung in dieses in Griechenland allgemein gebräuchliche Koordinatensystem ein, dann wird einmal ihre Stellung innerhalb der Orthodoxen Kirche deutlich — der Streitpunkt, auf dem die innerorthodoxe Kritik immer wieder zurückkommt — und zum anderen wird ihre großartige Leistung offenbar, die so zündend auf die anderen Erneuerungsbewegungen und auf die Kirche selbst eingewirkt hat. A) Die Zoi-Bewegung

in ihrem Verhältnis

zur dogmatischen

Tradition

Das Verhältnis der Zoi-Bewegung zur dogmatischen Tradition war niemals problematisch. Von Anfang an und grundsätzlich hat sie sich fest auf den dogmatischen Boden ihrer Kirche gestellt und ohne Einschränkung die gesamte dogmatische Tradition anerkannt und übernommen. Auch die Wahrheitsfrage ist für sie mit der Annahme der dogmatischen Tradition längst und ein für allemal entschieden. Darum wird jegliche Diskussion dogmatischer Lehre für unnötig gehalten. Der Zoi geht es allein um die "Weitergabe und um die Durchsetzung der ererbten Lehre. Der immer wieder seitens der Zoi-Gegner erhobene Vorwurf, die Zoi verlasse den Boden der heiligen orthodoxen Tradition, zerstöre den wahren orthodoxen Glauben, sei im Grunde eine protestantische Unterwanderung und also eine klare Häresie, entbehrt demnach seiner Grundlage. Die Zoi hat im Gegenteil mit großer Intensität an einer Wiedereinführung der alten orthodoxen Tradition gearbeitet. Die verunglimp4

Ebenda S.29 (griech). 53

fenden Verurteilungen verraten eher bei denen, die sie äußern, einen pseudoorthodoxen Standpunkt und dazu Unkenntnis über die Grundlagen der Zoi, — natürliche Folge der theologischen Unbildung und der ungeistlichen Grundhaltung weiter Teile des griechischen Klerus. Das entschiedene und eindeutig positive Verhältnis der Zoi-Bewegung zur dogmatischen Tradition liegt in ihrem Wesen und in ihrer Herkunft begründet: in ihrem Wesen als einer Erweckungsbewegung und in ihrer Herkunft aus der Makrakis-Bewegung. Als Erweckungsbewegung geht es ihr nicht um theologische und dogmatische Diskussionen, sondern allein um die Weckung christlichen Glaubens und um allgemeine religiöse Erziehung des Volkes innerhalb der völlig unangefochtenen eigenen Konfession. Auf dem Boden der überlieferten dogmatischen Tradition soll neues religiöses Leben entstehen. Nicht die Lehre also, sondern das Leben soll erneuert werden; nicht die Tradition, sondern die kirchliche Praxis liegt im Argen; nicht das Dogma, sondern das kirchliche Leben steht zur Diskussion. Ebenso hat die Herkunft aus der Makrakis-Bewegung eine positive Beschäftigung mit der Dogmatik verhindert. Denn die kirchliche Verurteilung und die gewaltsame Zerschlagung der Erneuerungsbewegung des Apostolos Makrakis, der gerade die Grunddogmen orthodoxer Tradition neu durchdachte und ein eigenes philosophisch-theologisches System entwickelte, haben wie ein Schock auf die künftigen Zoi-Träger gewirkt. Die Gefahr einer Abweichung von der offiziellen kirchlichen Lehre und eine möglicherweise daraus folgende Exkommunizierung wollten sie auf alle Fälle vermeiden. So wichen sie bewußt und ängstlich jeglicher theologischen Beschäftigung mit dem Dogma aus. Nicht, daß man das Dogma ignorierte oder gar fahren ließ. Das war nicht möglich, da in der Ostkirche Liturgie und Dogma eng verflochten sind und die Zoi-Bewegung ihr Erneuerungswerk wesentlich mit einer liturgischen Reform verband. Die Dogmen waren und blieben das Fundament. Aber sie wurden gleichsam tabuisiert und damit der theologischen Diskussion entzogen. Auf diesen Sachverhalt richtete sich später die leidenschaftliche Kritik der jüngeren Theologen, die darin wohl zu Recht einen entscheidenden Grund für den unbeweglichen theologischen Konservativismus der Zoi erkannten, der schließlich auch zum Scheitern der Bewegung geführt hat. B) Die Zoi-Bewegung

in ihrem Verhältnis zur kirchlichen

Tradition

Ist das Verhältnis der Zoi-Bewegung zur dogmatischen Tradition gekennzeichnet durch einen Verzicht auf theologische Interpretation, so ihr Verhältnis zur kirchlichen Tradition durch Freiheit zu schöpferischer Neugestaltung. Diese Neugestaltung umfaßt Restaurationen, Reformen 54

und Neueinführungen, die hinsichtlich der bestehenden Traditionsgestalt sogar revolutionären Charakter annehmen konnten. Zwar hat sich die Zoi zunächst allein in dem von der kirchlichen Tradition abgesteckten Rahmen zu entfalten versucht, aber die innere Dynamik der von ihr begonnenen Erneuerung trieb zu immer umfangreicheren Ausweitungen und auch zu Überschreitungen, die dem kirchlichen Leben in Griechenland ein neues Gesicht gaben. Dieses geschah durch Umgestaltung bestehender Traditionen, Wiederaufnahme alter Traditionen und Einführung neuer Traditionen 5 . a) Umgestaltung

bestehender

Traditionen

1. Liturgie. Im Zentrum ostkirchlichen Lebens setzte die Reform ein: im sonntäglichen Gottesdienst, in der „Göttlichen Liturgie". Schon im äußeren Erscheinungsbild machen sich die Veränderungen bemerkbar. So ist bei Beginn des Gottesdienstes die Gemeinde bereits versammelt, und sie bleibt beieinander bis zum Schluß des Gottesdienstes. Das ist für den herkömmlichen orthodoxen Gottesdienst etwas völlig Neues. In ihm ist gewöhnlich ein Kommen und Gehen zu beobachten. Im Zoi-Gottesdienst dagegen herrscht gesammelte, aufmerksame Stille. Audi nimmt die Gemeinde zum Gottesdienst Platz. Das ist ebenfalls neu und verhilft zur Konzentration. Ist doch der Zoi-Gottesdienst ganz darauf ausgerichtet, wachgewordenen Christen Hilfe für ihr Leben, Trost für ihr Leid und Weisung für ihr Denken zu geben. Unter seelsorgerlichen Aspekten vor allem ist die liturgische Reform durchgeführt worden. Darum hat man, um den Gottesdienstbesucher nicht zu überfordern, die eineinhalb bis zwei Stunden oder noch länger dauernde orthodoxe Liturgie auf eine Stunde gekürzt. Außerdem werden jetzt nahezu alle liturgischen Texte laut und für die Gemeinde verständlich gesprochen, bzw. rezitiert. Das Sprechen hat überhaupt große Bedeutung erlangt. So werden z.B. zentrale liturgische Stücke wie die Epistel und das Evangelium in den „Mustergottesdiensten" der Zoi nicht mehr gesungen, sondern gelesen. Viele Gebete und selbst die aus dem Kanon, die leise zu rezitieren vorgeschrieben sind, werden nunmehr vom Priester laut und vernehmlich vorgetragen. Und die Schola schweigt, wenn der Priester etwas zu sagen hat. — Das alles ist neu und ungewöhnlich im Vergleich zur bisherigen Tradition und gibt dem orthodoxen Gottesdienst ein neues Gesicht. Oberflächliche Betrachtung hat in diesen Maß5 U m alle Lebensäußerungen der Z o i - B e w e g u n g erfassen und unter einen gemeinsamen Begriff subsumieren zu können, ist im folgenden ein sehr weiter T r a d i t i o n s begriff verwendet worden, der sich — in Übereinstimmung mit der C h a r a k t e r i s i e r u n g als „kirchliche T r a d i t i o n " — bis hin auf Glaubenshaltungen und Lebensordnungen der G e m e i n d e erstredet.

55

nahmen gleich westlich-häretische Beeinflussung sehen wollen, die „die echte orthodoxe Tradition" zerstöre. Außer unter dem Aspekt der Lebenshilfe ist der Gottesdienst auch unter dem Gesichtspunkt aktiver Beteiligung der Laien erneuert worden. Da steht an erster Stelle der Gemeindegesang. Er hat einen festen Platz in den neuen Gottesdiensten gewonnen. Geistliche Lieder und bestimmte liturgische Stücke werden von der ganzen Gemeinde gesungen. Dazu tritt das gemeinsame Sprechen. Zentrale Teile des Gottesdienstes wie das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser werden von der Gemeinde stets laut mitgesprochen. Auch das ist im herkömmlichen orthodoxen Gottesdienst unbekannt gewesen. Inhalt und Aufbau der Liturgie sind von diesen Änderungen nicht berührt worden. Gehört doch die Chrysostomos-Liturgie zur dogmatischen und damit zur unantastbaren Tradition. Die Gestaltung der Gottesdienste jedoch, ihr Geist und die Anteilnahme der Gemeinde haben sich gewandelt. Ungezählten Griechen hat die Zoi-Bewegung mit dieser liturgischen Erneuerung einen neuen und glaubenstärkenden Zugang zu ihrem alten Gottesdienst aufgetan. 2. Sakramente. Infolge biblisch-begründeter Neuinterpretation des Glaubens und intensiver Aufnahme der paulinischen Kreuzestheologie und Rechtfertigungslehre rückten die Sakramente der Beichte und des Abendmahls wieder stärker in den Vordergrund. Vor allem das Sakrament der Beichte. Das kündigte sich schon in der Evangelisationstätigkeit von Pater Eusebios an. Seine Erweckungspredigten, Einzelgespräche und Gruppendiskussionen zielten auf die Forderung, sich für Christus zu entscheiden. Diese Entscheidung wurde oft in der Beichte vollzogen. Hier wurde der „alte Mensch" abgelegt und der „neue Mensch" angezogen. Für viele wurde damit die Beichte wieder zu einem entscheidenden Schritt in die Nachfolge hinein, zu einem Tor des Glaubens, zu einem Wendepunkt ihres Lebens. Und den Gläubiggewordenen wurde sie als eine immer neue Stärkung und praktische Weisung im christusgemäßen Leben unentbehrlich. Das Bedürfnis nach Beichtgelegenheit wurde bald so stark, daß sie regelmäßig nach den Gottesdiensten und auch an bestimmten Wochentagen zu festgesetzten Zeiten angeboten wurde. Auch wurde die Jugend frühzeitig zur Beichte erzogen. Die Schüler der mittleren und oberen Sonntagsschulklassen z.B. werden jährlich ein- bis zweimal zu einer besonders für sie eingerichteten Beichte geführt. Beichtehören wurde neben der Predigttätigkeit für die Kleriker der Zoi-Bruderschaft zur wichtigsten und vornehmsten Tätigkeit. Nicht zufällig ist daher das Büchlein „Die Buße" von Serapheim Papakostos zur weitverbreitetsten Schrift der ZoiBewegung geworden. Sie könnte fast als der Kleine Katechismus der 56

Zoi-Bewegung bezeichnet werden. Unzähligen hat sie die Einübung in den christlichen Glauben gewiesen und erleichtert. Audi das Abendmahl rückte wieder ins Zentrum des Glaubens und des kirchlichen Lebens. Wie die Beichte, so wurde auch dieses Sakrament vom neutestamentlichen Evangelium her neu erschlossen. D.h. in Predigten und Bibelstunden arbeitete man die neutestamentliche Bedeutung des Altarsakramentes heraus und behob damit die Unkenntnis bzw. die Einseitigkeit dogmatischen Wissens. Dadurch wurden die pseudochristlichen und abergläubischen Abendmahlsvorstellungen zurückgedrängt. Es wurde auch wieder — für konservative Orthodoxe geradezu revolutionär — der häufige Gang zum Abendmahl proklamiert und praktiziert. Und wieder: im persönlichen Leben ihres Gründers wurzelt audi diese geistliche Reform der Zoi. Als Pater Eusebios nämlich zum Priester geweiht wurde, war es für ihn von großer Bedeutung, nun täglich kommunizieren zu dürfen. Von diesem Tage an wurde ihm Brot und Wein des Abendmahls zum täglichen Brot für seine Seele. Und es war diese persönliche Verbundenheit mit dem Sakrament, die seinem Reden über das Abendmahl so starke Eindringlichkeit verlieh, — so wie auch die große Wirksamkeit der Schrift über die Beichte von Pater Serapheim in dessen besonderer persönlicher Erfahrung der Beichte begründet lag. Für Pater Eusebios erfüllte sich im Abendmahl die irdische Bestimmung des Menschen, Christus als dem himmlischen Ebenbilde gleichgestaltet zu werden. Der Gedankengang seines Hauptwerkes „Die Bestimmung des Menschen" richtet sich daher konsequent auf das Abendmahl hin aus. — Dank der geistlichen Erfahrungen der beiden ersten Bruderschaftsführer wurden also Beichte und Abendmahl aus ihrem konventionellen veräußerlichten Ritualismus befreit und wieder zu Trägern neutestamentlicher Erlösungsbotschaft. 3. Diakonie. Zu allen Zeiten hatte die Ostkirche christliche Nächstenliebe geübt, indem sie sich der Notleidenden annahm. Ihre diakonische Tätigkeit blieb jedoch in der herkömmlichen Form auf die Milderung äußerer Notstände beschränkt und gelangte nicht zur Behebung der zugrundeliegenden Ursachen. Die Zoi-Bewegung jedoch drang infolge ihrer Betonung der Glaubenserneuerung des einzelnen zu manchen persönlichkeitsbedingten Wurzeln von Notständen vor. Sie machte in ihrer Diakonie immer wieder die Erfahrung, daß äußere Notstände in persönlichen Krisen, in seelischen Krankheiten oder auch nur in inneren Einstellungen begründet sein konnten. So erweiterte sich ihre Diakonie mehr und mehr zu einer Persönlichkeits-Therapie. Das Eingehen auf die Not der Hilfsbedürftigen trieb sie in Bereiche seelischer Diakonie vor. Diese Entwicklung traf sich mit dem Anliegen der „Pronoia", die in ihrer fürsorgerischen Tätigkeit auch missionarisch wirken wollte. In ihr 57

sind Tausende von Gläubigen, die sich in die bewußte Nachfolge Jesu Christi gestellt hatten, zu Trägern der auf Heilung der Person ausgerichteten Diakonie der Zoi geworden. Ohne auf materielle Hilfeleistung zu verzichten oder sie audi nur für gering zu achten, verlagerte sich der Schwerpunkt des Diakonieverständnisses und der diakonischen Tätigkeit auf die geistliche Seite. Dem entspricht es, daß die „Pronoia" es als ihre Hauptaufgabe ansieht, Hausbesuche durchzuführen. In ihnen versucht sie u. a. der Arbeit Entfremdete zu regelmäßiger Arbeit zu bewegen, Kranke zur Annahme ihrer Krankheit zu führen und Beladene und Uberlastete zur Bewältigung ihres Schicksals. Unter dem erweiterten Diakonieverständnis haben sich aber auch neue Formen diakonischer Tätigkeit entwickelt, in denen die klassische Fürsorge kaum mehr eine Rolle spielte, sondern in denen sich die diakonischen Aktionen nahezu ausschließlich auf den seelisch-geistlichen Bereich erstreckten. So z.B. in der „Soldaten-Fürsorge" der Studentenvereinigung und in dem „Damaskus-Kreis" des Damaskus-Vereins. Mit Hilfe von Briefen, Schriftsendungen und Lazarettbesuchen versuchte die studentische „Soldaten-Fürsorge" auf die geistige Situation der Soldaten einzuwirken und gegen das Umsichgreifen von Resignation, Hoffnungslosigkeit und Unglauben anzugehen. Demgegenüber nahm sich der „Damaskus-Kreis" der Förderung junger Dichter-Talente an, unterstützte mittellose christliche Schriftsteller und veröffentlichte ihre Werke. — In phantasievoller und schöpferischer Verwirklichung des neutestamentlichen Liebesgebotes wuchs so die traditionelle Diakonie in neue Bereiche hinein. 4. Theologie. Trotz strikter Ablehnung dogmatischer Theologie war der Theologie sonst in der Zoi-Bewegung ein bevorzugter Platz eingeräumt worden. Das wurde schon bei der Konstituierung der Bruderschaft als einer Theologenbruderschaft sichtbar. Pater Eusebios hatte deutlich erkannt, daß zu einer wirksamen Erneuerung des kirchlichen Lebens eine gründliche theologische Bildung notwendig ist, und so hatte er den Trägerkreis der Bewegung als eine Bruderschaft von Theologen gegründet. Während sich die Klöster in Griechenland zu traditionellen Stätten der Wissenschaftsfeindlichkeit entwickelt hatten, wurde nun auf einmal ein abgeschlossenes theologisches Hochschulstudium zur Voraussetzung der Aufnahme in die Bruderschaft gemacht. Gerade damit aber hatte der Mönch Eusebios Matthopoulos eine Entscheidung getroffen, die für den ungewöhnlichen Erfolg der Bewegung grundlegend gewesen ist. Jetzt wurde in dem neuen Mönchtum eine intellektuelle und geistliche Elite herangebildet, die der theologischen und außertheologischen Wissenschaft offen gegenüberstand und sich dadurch den anstehenden missionarischen Aufgaben sowohl geistig als methodisch zunächst gewachsen zeigte. 58

Die Entscheidung für eine Theologenbruderschaft hatte hinsichtlich der Rolle der Theologie in der Zoi-Bewegung eine dreifache Bedeutung: erstens wurde die Theologie aus ihrer Isolierung herausgeholt, zweitens wurde sie in eine der Kirche dienende Funktion hineingestellt und drittens wurde sie auf die praktische Theologie beschränkt. An der Universität hatte die Theologie ein Sonderdasein geführt, abgeschnitten vom Leben der Kirche, die ihre Priester in eigenen Schulen mehr liturgisch als theologisch heranbildete und sich ihre Bischöfe aus dem wissenschaftsfeindlich eingestellten Mönchsstand wählte. Die Theologie an der Universität stellte sich eher als ein Ableger westlicher — protestantischer und katholischer — Theologiewissenschaft auf orthodoxem Boden dar und als ein Träger der allgemeinen geistigen Europäisierung des neueren Griechenland als eine vom ursprünglichen orthodoxen Geist bestimmte Wissenschaft. Indem sie hauptsächlich philologische und historische Forschung nach europäischem Vorbild betrieb, sonderte sie sich nicht allein vom kirchlichen Leben ab, sondern blieb auch isoliert vom säkularen Leben Griechenlands und seinen Problemen. Durch die Zoi wurde die Theologie aus dieser theoretisierenden Existenz herausgeholt und mitten ins neugriechische Leben hineingestellt. Jetzt hatte sie die Exegese für die Predigt, eine Apologie der orthodoxen Lehre gegenüber den nach Griechenland einströmenden heterodoxen Konfessionen, jetzt hatte sie die Ausarbeitung eines Lehrsystems für die Sonntagsschule bereitzustellen. Sie hatte Richtlinien zu schaffen f ü r die Bibelkreisarbeit und den theologischen Rahmen für die Interpretation der Sakramente und der Liturgie zu setzen. Schließlich kam ihr die Erarbeitung einer ausführlichen Ethik zu, die in der Zoi-Bewegung einen zentralen Rang erhielt. Damit übernahm die Theologie eine wesentliche Funktion f ü r alle volksmissionarischen Aktionen der Zoi. Nicht mehr Philologie und Philosophie, Historie und Dogmatik, sondern Exegese und Homiletik, Methodik und Pädagogik, Ethik und Liturgik wurden ihr abverlangt. 5. Kirchenväter. Sobald Pater Eusebios in der Schule lesen gelernt hatte, vertiefte er sich in Lebensbeschreibungen von Kirchenheiligen. Sie entzündeten in ihm die Sehnsucht, auch einmal ein Heiliger zu werden. Als er dann vierzehnjährig ins Kloster kam und sich in der griechischen Sprache weitergebildet hatte, widmete er sich intensiv dem Väterstudium. Kirchenheilige und die Kirchenväter haben seinen Glauben und sein Leben stark beeinflußt. Dieses unmittelbare Verhältnis, in dem der Zoi-Gründer zu den Kirchenvätern stand, hat die Zoi-Bruderschaft festzuhalten und auszubauen versucht. Die Kirchenväter wurden wieder gelesen, ihre Gedanken meditiert und weitergegeben. Man lebte wieder mit ihnen. In 59

Predigten und Evangelisationsreden haben die Zoi-Brüder und ihre Mitarbeiter ständig die Kirchenväter zitiert und sie als Vorbilder des Glaubens hingestellt. So vollzog sich auf der Ebene kirchlicher Frömmigkeit, was sich auf akademischer Ebene in der Universitätstheologie abzeichnete: eine Wendung „zurück zu den Vätern" e . Hatten die Kirchenväter ihren Platz bisher vorwiegend in der kirchlichen Lehre gehabt, so wurden sie nun im praktischen Glaubensleben wirksam. Sie wurden wieder lebendig als Vorbilder des Glaubens, als Wegweiser in praktischen Fragen und als Leitbilder persönlichen Lebens. Dabei ging es der Zoi nicht um dogmatische Lehren und Theorien, sondern allein um die Formung von „christlichen Persönlichkeiten". Deswegen wurden allein die hervorragenden Tugenden der Kirchenväter und allein ihre großen menschlichen Leistungen dargestellt, während ihre eigentliche Bedeutung, die im Bereich dogmatischer Theologie liegt, unberücksichtigt blieb. Wie bei der Theologie, so war auch hinsichtlich der Kirchenväter ein wichtiger Schritt getan: das Glaubensleben hatte wieder Beziehung zu ihnen gewonnen. Jedoch hat der Verzicht der Zoi auf dogmatische Theologie eine adäquate Entfaltung der Vätertheologie nicht möglich werden lassen. 6. Mönchtum. Die konsequenzenreichste Umgestaltung kirchlicher Tradition hat die Zoi auf dem Gebiet des Mönchtums vorgenommen. Mit der Konstituierung der Zoi-Bruderschaft als einer missionarischen Theologenbruderschaft hat sie eine radikale Wendung vom hesychiastisch bestimmten zum missionarisch ausgerichteten monastischen Leben vollzogen. Damit wurde selbst der Kern orthodoxer Geistigkeit einem Umwandlungsprozeß ausgesetzt. Das Mönchtum nämlich bildet — trotz seiner gegenwärtigen Krisenlage — weiterhin das Zentrum der Orthodoxie, das das geistliche Denken prägt und das Leitbild gläubiger Existenz bestimmt. In ihrer charismatischen geschichtlichen Stunde hat die Zoi ein neuartiges griechisch-orthodoxes Mönchtum geschaffen, wurde durch Eusebios Matthopoulos „eine wesenhaft neue Form in das mönchische Leben Griechenlands eingeführt" 7 , — eben die missionarische Theologenbruderschaft. Ein zweifacher Wandel im Mönchtum ist festzustellen: einmal ist es der Wandel von Weltflucht zu Weltdienst und andererseits der Wandel von Wissenschaftsfeindlichkeit zu Wissenschaftszugewandtheit. In der Theologenbruderschaft Zoi stellt das orthodoxe Mönchtum den Kampf gegen 6 Vgl. H. S. Alivisatos, Hrsg., Proces-Verbaux du Premier Congres de Theologie Orthodoxe a Athenes, Athenes 1939, S. 77 f. 7 N . Bougatsos, Eusebios Matthopoulos, Station und neuer Anfang der Kirche Griechenlands, in: Archimandrit Eusebios Matthopoulos, Erinnerungsschrift zum 25. Todestag, Athen 1954, S.26 (griech).

60

die Wissenschaft als eine angeblich glaubenzerstörende satanische Macht ein und nimmt die neuzeitliche wissenschaftliche Forschung als ein gottgegebenes Instrument zur zeitgerechten Verkündigung und zur Neugestaltung der immerwährenden Doxologie auf. Diese an die Wurzel des überkommenen orthodoxen Mönchtums reichenden Wandlungen erschienen den Trägern des traditionellen Mönchtums als Zerstörung der geheiligten orthodoxen Tradition und des wahren orthodoxen Glaubens. Darum blieb die Zoi-Bruderschaft dem traditionellen griechischen Mönchtum gegenüber stets isoliert. Im Zoi-Mönchtum ging es nicht mehr darum, allein durch Gebet und Meditation vor Gott zu bestehen, sondern darum, durch ethische Vervollkommnung des einzelnen als leuchtendes Vorbild vor der Welt dazustehen und aktiv in ihr tätig zu werden. Es ging nicht mehr darum, in Gott zu versinken, sondern darum, eine eigene „christliche Persönlichkeit" darzustellen. Es kam nicht mehr darauf an, Gott zu schauen, sondern in die Welt hineinzuwirken. Es kam nicht mehr darauf an, in stummer Anbetung sich selbst zu vergessen, sondern alle Kräfte in sich zu sammeln, um die Welt zu evangelisieren. Auf dieses Ziel wurde das gesamte Leben der Bruderschaft ausgerichtet. Neben die Gottesdienste trat daher die Evangelisation, neben die Meditation das theologische Studium und neben das gemeinsame Schweigen die gemeinsame Diskussion. Die neue Ausrichtung asketischer Lebensform führte zu Konsequenzen, die für das herkömmliche orthodoxe Denken revolutionär waren. Zweierlei fiel dabei besonders auf: die neue Gestalt des Klosters und die äußere Erscheinung der Zoi-Mönche. Die volksmissionarische Aufgabe der Mönche verlangte ständige Präsenz im Volk. Während die herkömmlichen Klöster außerhalb der Ortschaften, oft verborgen in den Bergen lagen und auf diese Weise Zeugnis von ihrer weltflüchtigen Grundausrichtung gaben, wurde nun das Bruderschaftszentrum der ZoiKommunität mitten in Athen errichtet. Man hoffte, auf diese Weise der neuen Aufgabenstellung möglichst weitgehend gerecht werden zu können. Außerdem hat das neuartige Kloster nicht mehr die traditionelle Gestalt einer abgeschlossenen und in sich gekehrten Festung, sondern ist ein offenstehendes, modernes Vereinszentrum und Wohngebäude. U n d wie man dem Bruderschaftshaus in der Athener Hippokratesstraße nicht ansieht, daß es ein Kloster ist, so auch den Zoi-Brüdern nicht, daß sie Mönche sind. Die Kleriker unter ihnen gehen zwar in der vorgeschriebenen klerikalen Tracht wie die anderen Priester auch, die Laienbrüder jedoch, die überwiegende Mehrheit der Bruderschaft, gehen in Zivil. Sie sind von den übrigen Bürgern nicht zu unterscheiden. Nach solchen ersten Eindrücken scheint die Zoi-Bruderschaft mit dem bisherigen Mönchtum fast nichts mehr gemeinsam zu haben. In Wirk61

lichkeit aber vollzieht sich ihr Gemeinschaftsleben streng nach althergebrachter monastischer Tradition. Die Brüder verpflichten sich zu Ehelosigkeit, Besitzlosigkeit und Gehorsam und leben in ihrem Bruderschaftshaus in koinobetischer Tradition zusammen. Ein Prior steht an der Spitze der hierarchisch gegliederten Kommunität, und eine lange und harte Probezeit für die Novizen soll die Gewähr dafür geben, daß nur wirklich Berufene in den Kreis der Brüder eintreten. Die Zoi-Brüder weisen zudem darauf hin, daß ihre Neuprägung des asketischen Lebens nicht eigentlich eine „Neuerung" sei, sondern in Kontinuität stehe mit der orthodoxen Tradition. Schon der Heilige Basilios habe dem Mönchtum eine aktive Funktion in der menschlichen Gesellschaft übertragen. Die Zoi nehme diese Vätertradition nur wieder auf und führe sie weiter fort. Hinsichtlich des religiösen Apostolats, der sozialen Fürsorge und des theologischen Studiums haben die Zoi-Brüder sicherlich recht. Ihre Bruderschaft ist tatsächlich eine Umgestaltung orthodoxer Mönchstradition, die sich auf alte orthodoxe Vorbilder zurückführen läßt. Den revolutionären Charakter erhält diese Umgestaltung lediglich dadurch, daß sie der inzwischen herrschend gewordenen einseitig weitabgewandten Klostertradition widerspricht. b) Wiederaufnahme

alter

Traditionen

1. Regelmäßige Predigt. Während des — wie es oft heißt — „400jährigen Schlafes" der griechischen Nation unter der Türkenherrschaft war alle kirchliche Aktivität auf ein Minimum beschränkt. Predigerschulen und einen Predigerstand gab es nicht. Nur charismatische Verkündiger traten hin und wieder auf. Nach der politischen Befreiung Griechenlands änderte sich diese Situation zunächst noch nicht. Wenn audi vereinzelt einige Wanderprediger mit großer Kraft Evangelisation trieben, so blieb das Volk aufs Ganze gesehen doch noch ohne Verkündigung. Zwar gab es hier und da beamtete Prediger, und auch die Bischöfe hielten manchmal eine Predigt, aber diese Predigten waren mehr nationaler Aufruf als biblisches Zeugnis, mehr Theorie als praktische Lebensführung, mehr menschliche Weisheit als Frohbotschaft Jesu Christi. Erst die Zoi-Bewegung hat es erreicht, diesem Zustand der griechischen Kirche ein Ende zu bereiten. Die Zoi-Brüder haben an vielen Kirchen ihres Landes die regelmäßige Sonntagspredigt wieder eingeführt, und stellvertretend für die gesamte Kirche Griechenlands hat die Zoi-Bruderschaft mit der Schaffung eines ausgebildeten orthodoxen Predigerstandes begonnen. In der Apostoliki Diakonia hat dann eine Generation später die offizielle Kirche diese Verantwortung gesamtkirchlich aufgenommen. Die regelmäßige Predigt als Verkündigung des biblischen Evangeliums ist für die Zoi-Bruderschaft die erste und grundlegende Erneuerungs62

arbeit gewesen. In dem Leitartikel der ersten Ausgabe der Zeitschrift „Zoi" vom 7. Juli 1911 heißt es dazu: „In der Heiligen Schrift und in der Kirchengeschichte liegt die klare Wahrheit vor, daß Erleuchtung, Erneuerung und die Bildung der Menschen nach Gottes Willen unmöglich zu erreichen sind ohne Predigt des göttlichen Wortes. Durch die Predigt vermittelte Christus der Menge, die an seinen Lippen hing, das Leben. Durch die Predigt haben die Apostel die Kirche Christi gegründet und regiert. Durch die Predigt haben unsere unsterblichen Kirchenväter die Christen beseelt und das Gefühl der Liebe und des Gehorsams zu Christus angefacht. Darum werden auch wir, in Athen und in den Gemeinden draußen auf dem Lande, mit der Billigung und unter dem Segen des hochwürdigen Metropoliten von Athen und der ehrwürdigen Hierarchen des Staates es nicht versäumen, soweit es uns nur möglich sein wird, das Wort Gottes zu verkündigen." Pater Eusebios selbst predigte, als er seine Evangelisationsreisen beendet und die Bruderschaft gegründet hatte, bis zu seinem Lebensende regelmäßig in Athener Kirchen. Ein Mitbegründer der Bruderschaft, Dionysios Pharasoulis, war einer der begabtesten Prediger Neugriechenlands und zum Hauptprediger der Athener Bischofskirche bestellt worden. Serapheim Papakostas, Pater Eusebios' Nachfolger, war ebenfalls lange Jahre hindurch — 25 Jahre lang — Hauptprediger an der Athener Bischofskirche. Die begabtesten Prediger Griechenlands traten in die ZoiBruderschaft ein. Und diese hat dann selber wieder viele berühmt gewordene Prediger hervorgebracht. Die regelmäßige Sonntagspredigt bildete den Anfang des Erneuerungswerkes. Mit ihr hat die Zoi urchristliche Tradition wieder aufgenommen und durch die Bindung der Predigt an den neutestamentlichen Text neutestamentlichen Geist im kirchlichen Leben wieder stärker wirksam werden lassen. Die Predigt ist es auch gewesen, die die Zoi-Bewegung für das feindliche Lager unangreifbar und weit über die Grenzen des Landes und der eigenen Konfession hinaus berühmt gemacht hat. 2. Christozentrismus. „Eusebios Matthopoulos lebte in einer Zeit, in der das Evangelium als eine Art goldener Rahmen angesehen wurde, mit dem man die ganz andersartigen Elemente wie politische und ökonomische Ambitionen, persönlichen Ehrgeiz oder audi andere Dinge verzierte, die für sich selber genommen ihren eigenen Wert haben, denen aber woanders ein Platz zukommt. Auf jeden Fall den völkischen Problemen. Eusebios verkündigte das Evangelium rein, vollständig und unverfälscht. Er hatte zwar auch seine Meinung über die anderen Probleme: so liebte er sein Vaterland und zeigte das wie wenige. Aber wenn er auf die Kanzel stieg, die Beichte hörte oder eine christliche Unterweisung schrieb, dann verkündigte er Christus, den Gekreuzigten, und ihn allein. Und damit 63

formte und eröffnete er einen neuen Weg. . . . Eusebios Matthopoulos schuf diejenige Predigt, die als ihr Zentrum und als ihr Leben, als ihr Prinzip und ihr Ziel Christus hat und sein Evangelium. Dieser christozentrische Charakter seiner Predigt war sein Geheimnis und war die einzige Erklärung für den so großen Segen, den sein Werk erfuhr." 8 Nicht allein die Wiedereinführung der Predigt war das Verdienst von Pater Eusebios und der Zoi-Bewegung, sondern auch ihre christozentrische Erneuerung. Die Predigt ist durch die Zoi wieder Christus-Predigt geworden. Man wird vielleicht sogar von einer Art reformatorischer Predigt sprechen können, denn Christus wird jetzt zum ausschließlichen Inhalt der Predigt, und zwar Christus als der für die Welt Gekreuzigte, Christus als das Sühneopfer für die Sünden der Welt. Dabei ist innerhalb der ZoiPredigt die Erlösungslehre des Paulus in besonderem Maße bestimmend und zur Mitte der Evangeliumsverkündigung überhaupt geworden. Das reformatorische „solus Christus" ist manchmal geradezu mit Händen zu greifen. Wenn Pater Eusebios auf die Kanzel stieg, „dann verkündigte er Christus, den Gekreuzigten, und ihn allein". Auch ist das einflußreiche Werk von Pater Eusebios „Die Bestimmung des Menschen" ganz und gar christozentrisch ausgerichtet und im Grunde nichts anderes als eine ausgeführte personale Christologie unter dem Leitgedanken, wie der Mensch Christus ähnlich werden könne. Diese Konzentration auf Christus, die durch die Zoi-Predigt das gesamte Zoi-Werk bestimmte, gab den sachlich begründbaren Anlaß für die Behauptung der Gegner, die Zoi-Bewegung sei eine pro-protestantische Organisation. Sind doch tatsächlich in der paulinischen Glaubensinterpretation „protestantische" Konsequenzen angelegt, die in der ZoiBewegung wirksam geworden sind, die die Gläubigen erfaßt haben und das ganze Erneuerungswerk prägen. Die Gegner haben also berechtigten Anlaß gehabt, von einem „protestantischen Geist" in der Zoi-Bewegung zu sprechen. Aber dieser bestand nicht in einer äußerlichen Kopie protestantischer Praktiken, — dergleichen hatte nur sekundäre Bedeutung, zumal das Übernommene immer gleich konfessionalisiert wurde, wie ζ. B. in der Sonntagsschule. Er äußerte sich auch nicht als ein in der orthodoxen Kirche so verhaßter „Proselytismos", der die Gläubigen aus ihrer Kirche herausgeführt hätte. Der „protestantische Geist der Zoi" zeigte sich vielmehr als eine engagierte biblische Erneuerung des Glaubens auf der unbestrittenen dogmatischen Grundlage der Ostkirche. — Insofern kann die Zoi-Bewegung mit Recht als eine Reformation der Orthodoxie bezeichnet werden, — die im Vergleich zur protestantischen Reformation allerdings nicht zu einer Kirchenspaltung geführt hat. 8 Zina Nomiku in: Aktines 1943, S. 196ff, zitiert nach S.Papakostas, Eusebios Matthopoulos, S. 127 f (griech).

64

Auch nach der Spaltung der Zoi von 1959 halten sich beide Bewegungen — die Zoi- und die Sotir-Bewegung — streng an diese christologische Konzentration. Die Gründer der Sotir-Bruderschaft haben in ihrem Flugblatt vom 29. April 1960, in dem sie dem griechischen Volk die Neugründung der Bruderschaft bekanntgeben, versichert, „die christozentrische Bewegung und Arbeit" von Eusebios Matthopoulos und Serapheim Papakostas weiter fortzusetzen. Und auf der anderen Seite forderte Pater Elias als Prior der Zoi-Bruderschaft in seiner Rede an den Mitarbeiterstab der Jugendarbeit am 8. Juli 1960: „Unsere Erziehungsarbeit muß unbedingt christozentrisch sein" 9 . 3. Persönliche Nachfolge. Wird der biblische Christus wieder zur Mitte des Glaubens und als ethisches Vorbild verstanden, so wird die Forderung persönlicher Nachfolge zum wichtigsten Gebot. Nach Pater Eusebios ist es die Bestimmung des Menschen, „sich so weit als möglich innerlich und äußerlich nach Christus zu gestalten und ihm ähnlich zu werden, damit er seinen ethischen Charakter erlange" 10 . Das ist die grundlegende These von Pater Eusebios, und das ist auch das beherrschende Ziel der ZoiBewegung. Ihm dienen alle Aktionen. Die Forderung nach „innerlicher und äußerlicher" Imitatio Christi ist das Hauptgebot für jeden Gläubigen. Noch vor dem missionarischen Aspekt der „Weitergabe der christlichen Prinzipien und Wahrheiten", der nach außen hin die Zoi-Bewegung so bekannt gemacht hat, steht in allen Satzungen und Leitlinien der ZoiVereinigungen an erster Stelle die gegenseitige Hilfe der Glieder zum christusgemäßen Leben. Die Schaffung einer „christlichen Persönlichkeit" gilt als Vorarbeit und Grundlegung für das missionarische Werk. Daher sind die Predigten der Zoi ein Ruf in die persönliche Nachfolge, sind ihre Gottesdienste eine Hilfe für die persönliche Heiligung, sind die Sakramente Formen der Aufnahme Christi in das persönliche Leben. Also dient das intensive Bibelstudium dem Bedürfnis nach praktischer Wegweisung für den persönlichen Alltag, gilt das freie Gebet der Bitte um die Kraft zur eigenständigen, individuellen Tat. Alle geistlichen Elemente sind in der Zoi-Bewegung ausgerichtet auf die Weckung und Gestaltung einer persönlichen Nachfolge. — Urchristliche Tradition ist darin wieder aufgenommen, insofern es in der Nachfolge jetzt wieder um dasjenige Christusbekenntnis geht, das sich im Wortzeugnis und in der Liebestat verwirklicht. 4. Kampfcharakter christlicher Existenz. „Der gute, der christliche Kampf, das genau ist das wirkliche Christentum. Ein Christ ist ein Kämpfer. Und je größer die Hindernisse sind, die die Gottesleugnung 9 10

5

E. Mastrojannopoulos, Orientierungen, S. 26 (griech). E. Matthopoulos, Die Bestimmung des Menschen, S. 17 (griech).

Maczewski, Z o i - B e w e g u n g

65

aufwirft als Theorie, als gesellschaftliche Umwelt oder als eine auf Abwege geratene Familie, desto edler ist der Kampf." 1 1 Angesichts der nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Griechenland schnell um sich greifenden Säkularisierung ruft die Zoi-Bewegung zum Kampf gegen die Glaubenslosigkeit und den neuzeitlichen Atheismus auf. In der atheistischen Welle sieht sie den modernen Menschen von einer Ersatzreligion ergriffen, die den Einzelnen und die Gemeinschaft im Grunde ihrer Existenz bedrohen. So werden die andauernden und teilweise katastrophalen kriegerischen Ereignisse mit ihren chaotischen Folgen für die menschliche Gemeinschaft wie überhaupt die ganze nationale Tragödie Neugriechenlands als konsequente Folge des Abfalls vom Christentum verstanden. Der Verfall der Sitten und die Auflösung der traditionellen gesellschaftlichen Ordnungen werden als Teufelswerk gebrandmarkt und die Wiederherstellung der alten — vermeintlich christlichen — Ordnung angestrebt. Darum wird beschwörend zum kämpferischen Geist des Christentums zurückgerufen. Schon um der nationalen Zukunft willen müsse alle Gottlosigkeit bekämpft und das Christentum wieder zum Fundament der Gesellschaft und zur bestimmenden Ideologie der gesamten Zivilisation werden. In dieser Ausrichtung auf eine konkrete gesellschaftliche und nationale Wunschvorstellung wird zu einem geistigen und ethischen Kampfe, ja zum „heiligen Krieg" 12 aufgerufen. Dieser Kampf wird mit großem Enthusiasmus und mit der Fülle neutestamentlicher ethischer Gebote geführt. Insofern ist audi hier wieder urchristlicher Geist lebendig geworden. In den bürgerlichen Bevölkerungsschichten Griechenlands waren diese Bestrebungen mit starker Zustimmung aufgenommen worden. Sie wirkten jedoch mehr auf die Bewußtseinsprägung einzelner Gläubiger, als daß sie die Formung einer neuen sozialen Wirklichkeit zur Folge gehabt hätten. Denn die nationale Wunschvorstellung verhinderte eine realistische Einschätzung der Wirklichkeit Griechenlands und hatte zu überhöhten Forderungen an die Gesellschaftsentwicklung geführt. Die Enttäuschung über den ausbleibenden Erfolg schlug sich dann in einer pauschalen negativen Verurteilung der Moderne nieder. So erstarrte der Kampf bald aus ideologischen Gründen. Der urchristliche und charismatische Geist wurde durch die sozial-reaktionäre Grundhaltung der Zoi stumpf und hat dann auch der säkularen Entwicklung Griechenlands keinen nennenswerten Widerstand mehr entgegensetzen können. Die Säkularisierung drang über die Zoi hinweg in das Land ein, und an die Stelle des kämpferischen Geistes der Anfangszeit trat eine Introvertiertheit, die sich vor allem in der Pflege persönlicher Frömmigkeit und fürsorgerischer Aktivität erging. 11

Α. N . Tsirindanis, Erklärung der Christlichen Wissenschaftlervereinigung, S. 197 f (griech). 12 E. Mastrojannopoulos, Orientierungen, S. 36 (griech).

66

5. Aktivität der Laien. Galt die christliche Existenz als ein Kampf, den jeder Christ zu führen hatte, dann bedeutete dies die Aktivierung der Gläubigen zu missionarischem und kirchlichem Tun, bedeutete es den Einsatz auch der Laien in evangelisatorischen und gottesdienstlichen Unternehmungen. Die Gläubigen wurden aus ihrer passiven Rolle, in die sie im Laufe der Jahrhunderte hineingeraten waren, herausgeführt und durch Predigt und Lehre und durch die vielfältigen Vereinigungen und ihre Aktionen sowohl zu gemeinschaftlichem Tun zusammengeführt als auch zum Einzeleinsatz inspiriert. Die Zoi-Bewegung stellt in dieser Hinsicht eine einzigartige Aktivierungsbewegung der Laien dar. „Ihr seid nicht einfach Laien — ein Laie bedeutete zeitweilig eine Absonderung vom Opferaltar und vom Priestertum —, sondern wie uns das Neue Testament sagt, seid auch ihr ein ,Heiliges Priestertum'." 13 Über den immer wieder hervorgehobenen neutestamentlichen Begriff des „königlichen Priestertums" (l.Petr.2,9) kam es gegenüber der offiziellen Kirche verständlicherweise zu heftigen Auseinandersetzungen und auch zu einem literarischen Streit, der sich sogar bis in die Heilige Synode hinein erstreckte. Zwar achtete die Zoi-Bruderschaft bei ihrer so starken Betonung der aktiven Rolle der Laien und lebhaften Praktizierung ihrer Rechte und Möglichkeiten sehr darauf, daß die Aktivierung mit den bestehenden kirchlichen Gesetzen in Übereinstimmung blieb, dessenungeachtet jedoch hat sie eine ängstliche Kritik seitens der autoritär und patriarchalisch gesinnten Bischöfe auf den Plan gerufen. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Klerikern und Laien, wie sie vorbildlich in der Bruderschaft selbst geübt wurde, und die damit verbundenen demokratisierenden Tendenzen, die in der gesamten Zoi-Bewegung wirksam wurden, waren dem reaktionären und ungebildeten Teil der griechischen Hierarchie überaus verdächtig. Professor Trembelas hatte deshalb in einer Artikelserie in der Zeitschrift „Enoria" in den Jahren 1947—1950 die vielfältigen Aussagen der altkirchlichen Tradition über die Stellung der Laien in der Kirche vorgelegt und Hierarchie und Öffentlichkeit mit der aktiven Rolle der Laien in der orthodoxen Tradition konfrontiert. 1957 sind diese Studien unter dem Titel „Die Laien in der Kirche, das königliche Priestertum" in Buchform erschienen. Und Professor Hieronymos Kotsonis hat in seinem Aufsatz „Die Stellung der Laien innerhalb des kirchlichen Organismus" die bedeutende Rolle derLaien in der orthodoxen Kirche bestätigt und darüber hinaus aufgezeigt, wie im Vergleich zu anderen orthodoxen Kirchen besonders in der griechischen Kirche noch in neuerer Zeit die Laienrechte gegenüber der alten Tradition erheblich eingeschränkt worden sind: „Nur in Griechenland ist der Anteil der Laien eng begrenzt, und zwar nicht nur, 13

5*

E. Mastrojannopoulos, Orientierungen, S. 41 (griech).

67

soweit es sich um die Wahl des Erzbischofs und der übrigen Hierarchen handelt, sondern auch selbst bei den Wahlen der Pfarrer und der Beiräte der Kirchengemeinden. Während nämlich nach dem Gesetz 3596 von 1910 die Wahl der Pfarrer — in Übereinstimmung mit der gesetzten Ordnung — und ebenso die der kirchlichen Beiräte von den Gemeindegliedern durchgeführt wurde, werden heute auf Grund des Artikels 49 des Gesetzes 2200/1940 die Pfarrer von den Metropoliten bestimmt, die kirchlichen Beiräte auf Grund des Artikels 13 desselben Gesetzes von den Metropoliten und der politischen Obrigkeit eingesetzt." 14 Als Kirchenrechtler unterstreicht Kotsonis erneut, daß nach alter orthodoxer Tradition beide Stände zusammen die Kirche repräsentieren und konstituieren, daß die Unterscheidung „keine substantielle, sondern eine funktionelle ist" 15 , „daß die Differenz zwischen Klerus und Laien sich nicht auf die Machtbefugnis, sondern auf die Stufe des Dienens bezieht" 16 und daß beide Stände zur Zusammenarbeit verpflichtet seien17. Als Prediger und Katecheten, als Lehrer und Gruppenleiter, als Evangelisten und einzeln missionierende Christen haben die Laien-Zoi-Mitarbeiter sowohl die ihnen kanonisch noch zustehenden Rechte voll ausgeschöpft als auch darüber hinaus — von den neutestamentlichen Texten inspiriert und immer in Zusammenarbeit mit den Klerikern — eine rege kerygmatische und seelsorgerliche Tätigkeit entfaltet. Mit dieser vorrangig vom Neuen Testament herkommenden Aktivierung der Laien hat die Zoi-Bewegung in der griechischen Kirche auf praktischem Felde bereits einen entschiedenen Schritt voran getan in Richtung auf die Erneuerung des kirchlichen Lebens vom Ursprung her. 6. Harmonisierung von Glaube und Wissenschaft. Die Zoi-Bewegung war nie wissenschaftsfeindlich. Von Anfang an hat sie die Wissenschaft bejaht und sie in ihren Dienst genommen. Zur Zeit von Pater Eusebios war das noch revolutionär. „Der Mönch von Megaspileon ehrt die Wissenschaft!"— führt A . N . Tsirindanis 1943 in einem Vortrag vor der Wissenschaftlervereinigung aus: — „Er streitet nicht fanatisch wider sie, er übersieht nicht ihre Wichtigkeit, er schafft nicht eine Kluft dort, wo Harmonie besteht. Eine selbstverständliche Sache scheint das heute für viele Zuhörer zu sein. Aber als jener sein Werk begann, war es keineswegs selbstverständlich. Daß es selbstverständlich wurde, ist eine Frucht seines Lebens." 18 Der Mönch Eusebios Matthopoulos hat hier also eine bedeutsame Wende herbeigeführt. Mit der Gründung der „Aktines-Vereinigung" 1937 und dann 1946 mit der Gründung der „Christlichen Wissenschaftlervereinigung" hat die 14 Hieronymos Kotsonis, Die Stellung der Laien innerhalb des kirchlichen Organismus, in: Die Orthodoxe Kirdie in griechischer Sicht, 2. Teil, Stuttgart I960, S. 108. 15 Ebenda S.92. " Ebenda S.96. " Ebenda S. 115. 18 S. Papakostas, Eusebios Matthopoulos, S. 135 f (griech).

68

Zoi-Bewegung diese Wende zur Versöhnung und zur Zusammenarbeit mit der Wissenschaft in ganzer Breite aufgenommen. In dem „Manifest" der griechischen Wissenschaftler von 1946 heißt es: „Unabhängig von dem, was einstmals geschah, weiß heute die Wissenschaft wie auch die lebendige moderne Kunst den christlichen Glauben und seinen unübertrefflichen schöpferischen Wert zu ehren. Das griechische Volk sollte diese Entwicklung im Auge behalten, damit es sich nicht weiterhin auf veraltete Vorstellungen über das Verhältnis der Wissenschaft zum christlichen Glauben und zur christlichen Ethik gründet und damit es erkennt, daß die Rückkehr zum christlichen Glauben, mit dem das Wesen unserer Nation und 20 Jahrhunderte unserer Geschichte verwoben sind, nicht nur völlig in Einklang steht mit den Ergebnissen des Fortschritts der modernen Wissenschaft, sondern auch die einzige Gewähr für die Lösung der ungeheuren Probleme darstellt, die die gegenwärtigen Zeiten uns vorlegen. Das ist das dringendste Gebot für unser Leben und unsere Zukunft." 1 9 In ihren Publikationen und Veranstaltungen hat die Wissenschaftlervereinigung die traditionell gewordene Wissenschaftsfeindlichkeit der Kirche mit Erfolg bekämpfen können und neue Brücken zu verschiedenen Wissenschaftszweigen geschlagen. Diese erstmals von kirchlicher Seite betriebene Aufklärungs- und Aufbauarbeit, von der monastischen Bruderschaft initiiert und inspiriert, ist über die Wissenschaftlervereinigung in der gesamten Zoi-Arbeit bestimmend geworden. Die letzten beiden Neugründungen der Zoi-Bewegung vor der Spaltung 1959 sind sogar ausgesprochen dieser Zusammenarbeit zwischem christlichem Glauben und moderner Wissenschaft gewidmet: das „Institut für die Soziale Ausbildung der Griechin" und das „Institut für Medizinische Psychologie und Seelische Gesundheit". Die große Idee einer „christlich-griechischen Zivilisation", die Tsirindanis in seiner Trilogie entfaltet hat und die die große Periode der ZoiBewegung bestimmt hat, ist nichts anderes als eine zur höchsten Harmonie gebrachte Verbindung von Glaube und Wissenschaft, von Kirche und Welt, von Theologie und Sozialwissenschaft. In dieser Idee ist der Geist der alten Apologeten und der Kirchenväter wieder auferstanden: Theologie und Philosophie zu vereinigen, Christentum und Naturwissenschaften zu versöhnen, die Kirche zur Mutter und zur Förderin der Kunst werden zu lassen und den christlichen Glauben zur Grundlage des Staatswesens zu erheben. — Mit der Wiederaufnahme, ja Inthronisierung dieser altorthodoxen Tradition hat die Zoi-Bewegung aber die nötige Ernüchterung im nationalen und theologischen Denken Neugriechenlands stark behindert und statt das Volk zu einer Anerkennung der neuen Realitäten zu bringen, es im Gegenteil in eine neue Utopie geführt. " Α. N . Tsirindanis, Erklärung der Christlichen Wissenschaftlervereinigung, S. 203 f (griech); dt. s. im Dokumentarteil, S. 142.

69

7. Ziel einer griechisch-christlichen Zivilisation. Die Harmonisierung von Glaube und Wissenschaft führte auf ein klares Ziel zu: auf eine neue christliche Zivilisation. Das Hauptwerk von Tsirindanis „Auf zu einer christlichen Zivilisation" entfaltet dieses Ziel zu einer praktischen Weltanschauung. Dieses sein Buch ist zu dem weltanschaulichen Manifest der Zoi geworden. Die Wendung zur Wissenschaft hat in dem Buch allerdings ein Ergebnis gezeitigt, das von der Zoi ursprünglich nicht beabsichtigt war. Pater Eusebios hatte seinerzeit zunächst nur die theologische und die philologische Wissenschaft in Dienst genommen, um die Heilige Schrift und die Kirchenväter besser studieren und verstehen zu können, und war noch ganz in einer um die private Frömmigkeit kreisenden Theologie befangen geblieben. Die Zusammenarbeit des Organisationsstrategen Serapheim Papakostas mit dem christlich engagierten Universitätsjuristen Alexander Tsirindanis jedoch führte — veranlaßt durch die großen gesellschaftlichen Nöte, die die unablässigen Kriege über das Land gebracht hatten — auch das Zoi-Denken über die persönliche Frömmigkeit hinaus zu einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. „Anstatt das Christentum in das soziale Leben einzuführen, haben wir das soziale Leben gemieden und uns selbst von ihm abgeschnitten . . . Und so wurde das Christentum zu einer sozialen Häresie." 20 So scharf wird rückblickend die erste Phase der ZoiBewegung beurteilt. Jetzt müsse der Christ wie ein Sauerteig in der Gesellschaft wirken. „Die Gesellschaft wird zum Felde, wo der christliche Kampf gekämpft wird, und von diesem Felde fliehen heißt, vom Kampfe fliehen, von dem guten Kampfe, der das Wesen des Christentums ausmacht." 21 Darum „wird zeitgemäße Theologie soziologisch werden müssen." 22 Die erbauliche Phase, mit dem Namen Eusebios Matthopoulos verknüpft, geht mit Tsirindanis zu Ende, und eine neue Phase beginnt, eine Phase gesamtgesellschaftlichen Engagements. Mit dem in der ersten Phase wieder lebendig gewordenen Glauben soll nun das gesamtgesellschaftliche System Griechenlands neu gestaltet werden. Dabei dient die Vision von der großen byzantinischen Vergangenheit als beherrschendes Leitbild. Und die die Vergangenheit verklärende Erinnerung an die vermeintliche Harmonie antiker Kultur mit dem christlichen Glauben führte den aufgebrochenen Zoi-Enthusiasmus zur Vision einer neuzeitlichen christlichen Kultur und Gesellschaft in Griechenland. Neugriechischer Nationalismus und eine schon schwärmerische Orthodoxie verbanden sich hier zu einer politischen Utopie. Daß diese neue politische Utopie im modernen Griechenland herrschend werden konnte, liegt wohl daran, daß in ihr das geheime griechische 20 21

70

Α. N . Tsirindanis, Towards a Christian Civilization, Athen 1950, S.46 (engl). 22 Ebenda S.59 (engl). Ebenda S.101 (engl).

Sendungsbewußtsein neu aufleben konnte. „Was die Welt dringend braucht, ist, daß die Gesamtheit des Lebens von christlichen Prinzipien regiert wird, die aus dem christlichen Glauben hergeleitet sind." 23 Dazu sei die griechische Nation berufen. Sie habe der verblendeten Welt zu zeigen, wie „die Gesamtheit des Lebens von christlichen Prinzipien regiert" werden könne. Das sei die historische Sendung des griechischen Volkes. Dadurch sei es — das wird fest geglaubt — vor allen anderen Völkern der Welt erwählt und ausgezeichnet. Durch das Revolutionsregime von 1967, dessen führende Offiziere weiterhin diese Weltanschauung ungebrochen proklamieren, hat sich dieses Sendungsbewußtsein noch weiter gesteigert. So kann man z.B. auf dem Titelblatt der Zeitschrift „Ergatikon Phos" der Arbeiterjugend der Zoi vom März 1968 lesen: „Das, was die Seele für den Leib ist, das ist Griechenland für die Menschheit!" Die griechische Jugend wird weiterhin — auch von Seiten der Kirche — in nationalen Illusionen erzogen, die jeglicher realistischen Einschätzung der gegenwärtigen griechischen Wirklichkeit im Wege stehen. 8. Äußere Mission. Durch die glorreiche und zugleich fatale Verschmelzung der kirchlichen und nationalen Belange in den Jahrhunderten der Türkenherrschaft, die in dem nationalen Befreiungskampf von 1821 noch einmal einen Höhepunkt erreicht hatte, war der Horizont ganz auf die eigene Lage beschränkt worden und der Blick für die Weltprobleme verlorengegangen. So war die Heidenmission gänzlich zum Erliegen gekommen. Eine auf Weitergabe des Evangeliums angelegte Bewegung wie die Zoi aber konnte bei der Inneren Mission, bei der Evangelisation innerhalb der eigenen Kirche und innerhalb des eigenen Volkes nicht stehenbleiben. Die Erneuerung von der Schrift her durchbrach bald die nationale Enge, sprengte den provinziellen Horizont und legte den Weg frei für die Wiederaufnahme weltweiter Heidenmission. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts war in Griechenland der Missionsgedanke wieder aufgetaucht, jedoch nur punktuell und ohne sichtbare Auswirkungen. Z.B. hatte Erzbischof Chrysostomos Papadopoulos 1906 einen Artikel über die Notwendigkeit einer orthodoxen Äußeren Mission veröffentlicht, und 1931 bestanden in der griechischen Kirche Bemühungen um die Schaffung einer panorthodoxen Äußeren Mission, — aber diese Bemühungen kamen nicht zur Ausführung. Die Resonanz im Volk blieb aus. Noch waren die tragenden Kräfte nicht da. Erst die vollzogene Erneuerung der Orthodoxie schaffte im Kirchenvolk wieder Aufgeschlossenheit für missionarische Fragen, erst die auf das Neue Testament sich gründende Glaubenserneuerung weckte und entfachte erneut eine Verantwortung für die Äußere Mission. Als das durch die anderen Er23

Α. N . Tsirindanis, Towards a Christian Civilization, S. 102 (engl).

71

neuerungsbewegungen und durch die Zoi-Bewegung in Griechenland verwirklicht worden war, kam es zu konkreten Schritten und zu ersten Ergebnissen. Heute sind bereits griechische Missionare in Afrika tätig. Mit dem Aufbau einer orthodoxen Äußeren Mission hat die panorthodoxe Jugendbewegung begonnen, und zwar in enger Berührung mit der Zoi. Auf der Vierten Vollversammlung des Syndesmos, der internationalen orthodoxen Jugendbewegung, wurde im September 1958 die Gründung einer Internationalen Orthodoxen Missionsgesellschaft beschlossen und zur Verwirklichung dieses Planes ein Exekutiv-Komitee gebildet. Zum ersten Generalsekretär wurde der junge griechische Theologe und Zoi-Bruder Anastasios Jannoulatos gewählt, und das Sekretariat dieses Komitees fand Aufnahme im Athener Bürohaus der Zoi. Unter entscheidender Führung des Zoi-Bruders Jannoulatos begann das Sekretariat 1959 mit der Herausgabe der dreimonatlichen Missionszeitschrift „Porefthentes" ( = „Gehet hin", aus dem Missionsbefehl Mt. 28,19), es führte missionarische Abendveranstaltungen, Vorträge und Versammlungen durch, organisierte Missionskurse, bildete dazu einen Mitarbeiterstab aus Universitätswissenschaftlern und Studenten, nutzte Besuche aus den orthodoxen Missionskirchen in Japan, Korea und Afrika, um die breite Öffentlichkeit für ihre Anliegen zu gewinnen, knüpfte mit den Missionskirchen Kontakt, sammelte und beschaffte für sie materielle Hilfe, schuf eine Missionsbibliothek, begann systematisch die ausländischen Missionszeitschriften zu bearbeiten und wendete sich der wissenschaftlichen Behandlung missionarischer Probleme zu. Das Führungsteam gründete Kreise und Zirkel und 1961 das „Interorthodoxe Missionszentrum ,Porefthentes'" (Diorthodoxon Hierapostolikon Kentron p o r e f thentes'). Es führte einen Propagandafeldzug an der Universität, in den verschiedenen kirchlichen Vereinigungen und in den Gemeinden durch und hatte binnen kurzem die Frage und die Verantwortung der Äußeren Mission in das allgemeine kirchliche Bewußtsein Griechenlands gerückt. Das Sekretariat hat nach den großen Anfangserfolgen den Segen der Kirche Griechenlands und den Segen des ökumenischen Patriarchates von Konstantinopel erhalten und sich daraufhin mit großem Enthusiasmus für seine drei Aufgabenbereiche verstärkt eingesetzt: für die innerkirchliche Information, für den Ausbau des missionswissenschaftlichen Studiums und für die Ausbildung junger Griechen für den praktischen Missionsdienst. Nach dem enthusiastischen Anfang steht die junge Bewegung seit Mitte der sechziger Jahre allerdings in einer mühsamen Konsolidierungsphase. Dieser jüngste Aufbruch in der Kirche Griechenlands zu der alten orthodoxen Tradition der Äußeren Mission steht bereits außerhalb der institutionalisierten Zoi-Bewegung. Denn die Zoi selbst hat die Äußere Mission nie als eine ihrer Aufgaben angesehen. Alle Missionskreise, Veranstal72

tungen und Veröffentlichungen sind audi ausschließlich vom Generalsekretariat des Exekutiv-Komitees ausgegangen, das selber kein Organ der Zoi ist, sondern eine selbständige, panorthodoxe Einrichtung des Syndesmos. Aber dieser Aufbruch des Missiorisgedankens in Griechenland ist nicht denkbar ohne die intensive, fast zwei Generationen umfassende Vorarbeit der Zoi. Außerdem wird die missionarische Bewegung wesentlich von Zoi-Kräften gespeist. — Durch die Glaubenserneuerung im Volk, durch die Repräsentanz von zwei ihrer Jugendorganisationen in dem Missionskomitee der insgesamt 14 Jugendverbände, durch die Besetzung der Führungsspitze der jungen Bewegung mit einem Zoi-Bruder und durch die Lokalisierung der Administration in dem Athener Verwaltungszentrum der Zoi ist die Zoi zwar nur indirekt, aber höchst aktiv bei der Wiederaufnahme der urchristlichen und altkirchlichen Missionstradition beteiligt gewesen. Dieser neue Missionseinsatz wird zudem von wesentlichen Zügen der Zoi geprägt: er ist vorrangig biblisch und christozentrisch orientiert, fordert persönliches Engagement, ist auf die Praxis ausgerichtet, geht planmäßig und systematisch vor, arbeitet mit wissenschaftlichen Methoden und wächst zu einer Gemeindebewegung heran. Er ordnet sich bewußt in die offizielle Kirche ein, will ihr dienen und entwickelt sich überhaupt allmählich zu einer Einrichtung der Kirche. Es läßt sich feststellen, daß in der „Porefthentes"-Bewegung die Zoi-Bewegung sogar schon von Anfang an mit der offiziellen Kirche zusammengewachsen ist. Das wurde z.B. auch darin sichtbar, daß der zweite Sekretär des Generalsekretariats eine Theologin von der Apostoliki Diakonia ist und daß die beiden ersten Veranstaltungen in Athen zunächst im Saal der Apostoliki Diakonia und dann im Saal eines Zoi-Hauses stattfanden. — Damit hat die Jugend auf internationaler Ebene beispielhaft verwirklicht, was sich in den gleichen Jahren zwischen der Zoi und der griechischen Kirche auf nationaler Ebene in der Katechetenschulung, Priesterausbildung und in der Herstellung kirchlichen Arbeitsmaterials langsam vollzog: die Integration von offizieller Kirche und religiöser Organisation. c) Einführung neuer Traditionen 1. Systematisches Bibelstudium. Die bedeutendste Konsequenz der christozentrischen Neuorientierung durch die Zoi ist die Einführung des systematischen Bibelstudiums gewesen. Wieder steht Pater Eusebios hier als Vorbild da: „Diejenigen, die mit Pater Eusebios zusammenlebten oder ihn für längere Zeit zu Gast hatten, wissen, daß das Buch, das vor jedem anderen in seinen Händen zu finden war, die Heilige Schrift war, das Evangelium. Wenn er es studierte, nahm er es völlig in sich auf. Alle seine Geisteskräfte waren eingetaucht in die Tiefe der Ideen, deren unerschöpf73

liehe Quelle die Schrift ist. So intensiv nahm er sie auf und so süß war sie ihm und so sehr schwelgte er geistlich in ihr und genoß sie beim Lesen, daß er oft sogar das Essen vergaß und auch jeglichen Lärm überhörte, wenn sich solcher einmal in seiner Nähe ereignete. Dieses Studium, das in seinen Kinderjahren begonnen hatte und sich bis in die letzten Tage seines Lebens hinein erstreckte, war der ständige Antrieb zur Tugend und zu einem christlichen Leben." 2 4 Beides, die Beständigkeit und die Intensität des Bibelstudiums ist durch Pater Eusebios zum Charakteristikum der Zoi-Bewegung geworden. Von den untersten Klassen der Sonntagsschule an bis hinauf zur Wissenschaftlervereinigung wird regelmäßig und systematisch Bibelstudium getrieben. Darüber hinaus wird immer wieder das persönliche tägliche Bibelstudium angeregt und praktiziert. Und in den Freundeskreisen, den „Philikoi Kykloi", die überall im Lande als Bibelgruppen entstanden, fanden sich über die Mitglieder der Zoi-Vereinigungen hinaus eine Vielzahl orthodoxer Gläubiger zum Bibelstudium zusammen 25 . Außerdem nehmen die gesamte Erbauungsliteratur und die Vereinszeitschriften der Zoi den Leser ständig in ein Bibelstudium hinein. In ihnen wird fast ausschließlich von der Schrift her argumentiert und das Neue Testament immer wieder zitiert. Das gesamte Denken der ZoiBewegung vollzieht sich in ständigem Kontakt mit der Heiligen Schrift. Drei Merkmale sind für das Bibelstudium der Zoi charakteristisch: es ist pragmatisch auf das Leben des einzelnen eingestellt, es ist liturgisch eingebettet und es ist missionarisch ausgerichtet. „Unsere grundlegende Frage, jedesmal wenn wir das Evangelium aufschlagen, ist: Was wird der Herr mir sagen? Was hat mir heute das Wort Gottes zu offenbaren? Was hat es mir zu sagen für den Fall A, B, C, für jeden Augenblick meines persönlichen Lebens? Für meine Familie, für meinen Beruf, für meine Schwierigkeiten und für die Stunden meiner Bedrängnis und meiner Freude? — Auf diese Art und Weise wird das Wort Gottes zu einer täglichen Offenbarung, zu einer Erscheinung des Ewigen in unserer Alltäglichkeit, zu einer Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott, zu einer heiligen Kommunion." 2 6 Neben solcher pragmatischen Verankerung soll die liturgische Einbettung das Bibelstudium vor den zwei Hauptgefahren westlicher Schriftauslegung bewahren: vor dem reinen Individualismus und der distanzierten Wissenschaftlichkeit. „Die Orthodox-Katholische Kirche studierte die Schrift immer im Geiste des Gebets. Dies ist eine ganz und gar unerläßliche Voraussetzung, die erst die grundlegende Atmosphäre für das Bibelstudium schafft." Es ist dabei das Gebet um den Heiligen Geist gemeint, S. Papakostas, Eusebios Matthopoulos, S . 6 2 (griech). 1965 hatte die Zoi 1 300 „Philikoi K y k l o i " mit einer Gesamtteilnehmerzahl von rd. 20000 Gliedern. 2 9 E. Mastrojannopoulos, Orientierungen, S. 147 f (griech). 24 25

74

der allein wahres Schriftstudium ermögliche, denn „ohne die metaphysische Erleuchtung, ohne den Leuchter des allheiligen und lebenspendenden Geistes ist es unmöglich, daß wahres Studium der Schrift zustandekommt." 2 7 Darum ist jede Bibelarbeit der Zoi von Lied und Gebet umschlossen. Das missionarische Moment soll die Relevanz des Textes für die menschliche Gemeinschaft zum Bewußtsein bringen. Es geht dabei um die Verantwortung zum Zeugnis und Dienst innerhalb der Gesellschaft: „Die Aufgabe besteht darin, das Evangelium an den dürstenden und ruhelosen zeitgenössischen Menschen heranzutragen, als Nahrung und als Heilmittel, als Licht und Kompaß, als konkrete Antwort auf die tausend Probleme, die ihn bedrängen, als eine wahrhaft Gute Botschaft." 28 In der Praxis blieb dann dieses missionarische Moment auf die personale Dimension, auf die Aktionen am einzelnen beschränkt. Für das gemeinsame Bibelstudium in den „Philikoi Kykloi" hat die Zoi ein festes Schema entwickelt, in dem diese drei Momente aufgenommen worden sind. Weiterhin ist das Bibelstudium noch dadurch systematisiert, daß sich die Bibelkreisleiter f ü r gewöhnlich in einer vorausliegenden Zusammenkunft auf die kommende Bibelstunde vorbereiten und mit gemeinsamen Richtlinien an die Auslegung und in die Diskussion gehen. Mit einem ungewöhnlichen Ernst und einer großen Bereitschaft hat man sich in Griechenland wieder der Bibel zugewandt. Das Neue Testament ist wieder neu zu einer Quelle des Glaubens geworden. 1912 hatte die Zoi-Bruderschaft festgestellt: „Die Unkenntnis der Heiligen Schrift stellt heute eine der größten Mangelerscheinungen der Christen dar." 2 9 Daraufhin haben die Zoi-Brüder einen Feldzug gegen die Bibel-Unkenntnis unternommen: ihre Predigten vermittelten biblische Texte, in ihren Katechesen und Missionsvorträgen waren Auslegungen neutestamentlicher Perikopen enthalten, ihre Zeitschriften brachten regelmäßig biblische Homilien, und über das ganze Land breitete sich das Netz der „Philikoi Kykloi" aus. Ein so großer Bedarf an neutestamentlichen Texten war auf einmal vorhanden, daß erst Spitzenauflagen des Neuen Testamentes und der neuartigen Kurzkommentare die Nachfrage nach biblischen Texten haben befriedigen können. Eine noch nie dagewesene Situation war in Griechenland eingetreten: regelmäßig lasen und studierten, einzeln und in Gruppen, orthodoxe Christen die Bibel. 2. Durchorganisiertes ]ugendkatechumenat. Der Zoi-Bewegung wird immer wieder nachgerühmt, sie habe „systematisch" gearbeitet und dadurch ihre großen Erfolge erzielen können. Ohne Zweifel liegt hier ein Charakteristikum der Zoi. Pater Eusebios schon hatte auf seinen Evan27 29

28 Ebenda S. 149 (griech). Ebenda S. 150 (griech). „Zoi", Nr. 60, 2. Jg., August 1912, S.269 (griech).

75

gelisitionsreisen erkannt, daß mit Einzelaktionen der Gesamtnot der kirchlichen Lage nicht angemessen begegnet werden konnte und daß es einer überschauenden Gesamtplanung und ineinandergreifender Unternehmungen bedurfte. Aus dieser Einsicht heraus ist auch die Zoi-Bruderschaft entstanden. In ihr ist dann eine Strategie Innerer Mission entworfen worden, und deren konsequente Durchführung hat den großen Erfolg gebracht. Aus dem Bedürfnis nach einer Vereinheitlichung und Koordinierung der Kinder- und Jugendarbeit ist das Sonntagsschulsystem der Zoi entstanden. „Obgleich es in Griechenland nie an Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen gefehlt hat, noch an besonderen und edlen Versuchen, die Jugend christlich zu erziehen, insbesondere durch Vereine, Gruppen und christliche Vereinigungen, spürte man doch überall die Notwendigkeit einer mehr allgemeinen, gleichartigen und koordinierten ethischreligiösen Erziehung der Kinder und Jugendlichen. Diese Notwendigkeit, besonders bestätigt von den Eltern und den Beichtvätern, führte die Theologenbruderschaft Zoi zu der Überlegung, Katechetische Schulen für Kinder und Jugendliche zu gründen." 3 0 Dieses System ist keine Neuschöpfung der Zoi, sondern stellt eine Übernahme von bereits in England und Frankreich erprobten Unterrichtsweisen dar. Sie wurden auf griechische Verhältnisse angewendet und dem orthodoxen Glaubens- und Lehrsystem angepaßt. So übernahm man die 3-Stufen-Methode und bildete eine Unterstufe (To Katoteron Katechetikon), in der die Schüler aus der 4., 5. und 6. Volksschulklasse gesammelt wurden, eine Mittelstufe (To Meson Katechetikon) für die Schüler der 1., 2. und 3. Klasse der Gymnasien und eine Oberstufe (To Anoteron Katechetikon) für die drei letzten Klassen der 6-klassigen Gymnasien. Für die Mädchen und die Jungen wurden jeweils getrennte Klassen eingerichtet. Für die Arbeiterkinder, die nur die Grundschule besucht oder überhaupt keine Schulbildung erfahren hatten, wurde später noch eine Sonderstufe eingerichtet, die Sonntagsschule für die Arbeiterjugend (Katechetikon Scholeion dia tous Ergazomenous). Für jede Unterrichtsstufe wurde ein 3 Jahre umfassender Katechesenzyklus — den drei Jahrgängen entsprechend — festgesetzt. Dieser katechetische Stoff wurde nach pädagogischen Gesichtspunkten aufbereitet, mit didaktischen Anleitungen versehen, gedruckt und den Sonntagsschullehrern in die Hand gegeben. Damit entstand der berühmte 9-JahresZyklus der Sonntagsschulkatechesen der Zoi. Später Schloß sich noch der 3-Jahres-Zyklus für die Arbeiterjugend an. Der Aufbau der Katechesenreihe richtet sich nicht nach der Reihenfolge des biblischen Stoffes, auch 8 0 Bericht über den gesamten A u f b a u der v o n der Theologenbruderschaft „ Z o i " gegründeten Kirchlichen Katechetischen Schulen, o. Verf., Athen 1948, S . 1 (griech).

76

nicht nach dogmatischen Prinzipien oder nach dem kirchlichen Leben der Ostkirche, sondern allein nach den praktsichen Bedürfnissen einer „allgemeinen christlichen Bildung". Zwar ist der 3-Jahres-Zyklus den drei Artikeln des Glaubensbekenntnisses zugeordnet, so daß jedes Jahr thematisch unter einem Artikel steht, doch werden dann in freier Folge dogmatische und ethische Themen behandelt, historische wie liturgische Fragen besprochen, nationale und aktuelle Probleme diskutiert. Unter ihnen nehmen die nationalen Probleme einerseits und die praktischen Fragen andererseits eine bevorzugte Stellung ein. Es wird das Ziel verfolgt, die Schüler außer zu bewußten orthodoxen Gläubigen auch zu nationalbewußten Griechen und zu Christen der Tat zu erziehen. Von dem einstündigen Unterricht, der sonntäglich nach dem Gemeindegottesdienst meist in der Ortskirche abgehalten wird, sind in der Regel 45 Minuten für die Katechese vorgesehen und 15 Minuten für den Gesang. Dadurch hat der Gemeindegesang in den orthodoxen Gottesdiensten Griechenlands neuen Aufschwung erhalten. Außerdem werden jetzt geistliche Lieder und nationale Gesänge, liturgische Stücke und auch neuere Lieder bei jeder Zusammenkunft, auf jeder Reise und in allen Sommerlagern gesungen. — Den Katechesen liegt ein festes Schema zugrunde. Sie beginnen mit einer möglichst mitreißenden Erzählung, und darauf folgt die Darbietung des Themas. Dieses wird dann mit den Schülern eingehend diskutiert, und die Diskussion mit der Formulierung einer bestimmten These oder einer bestimmten Lehre abgeschlossen. Den Schlußteil bildet die praktische Anwendung, die sehr vielfältig gestaltet werden soll. — In eigenen Zoi-Seminaren wird der Mitarbeiterstab der Sonntagsschullehrer gründlich und vor allem auch pädagogisch auf diese Arbeit vorbereitet. Je 10—15 Sonntagsschulen sind zu einem Kreis zusammengeschlossen, dem ein Inspektor — bei den Mädchenklassen eine Inspektorin — vorsteht. Zwei bis drei solcher Kreise wiederum bilden einen Bezirk, der seinen eigenen Bezirksvorsteher bzw. die Bezirksvorsteherin hat. Alle Bezirksvorsteher und -Vorsteherinnen zusammen bilden mit dem Leiter der gesamten Sonntagsschularbeit der Zoi, einem Zoi-Bruder, das Zentralkomitee der Sonntagsschule, das die gesamte Arbeit bestimmt und überwacht. So stehen alle Sonntagsschulklassen unter ständiger Aufsicht und Kontrolle. Auf diese Weise ist eine festgefügte Sonntagsschularbeit entstanden, das in sich geschlossene Sonntagsschulsystem der Zoi. Es gehört außerdem zum Stil der Zoi-Arbeit, möglichst nur gut geschulte Kräfte einzusetzen. Daher wird für alle Sonntagsschullehrer das Abitur und die Absolvierung der Vorbereitungsseminare verlangt. Für die Mittelstufe werden nur noch Erwachsene mit Universitätsdiplom eingesetzt und als Lehrer der Oberstufe nur noch Theologen zugelassen. Eine Reihe von Musiklehrern und Musikfreunden stehen außerdem in der 77

Mitarbeit. Sie springen überall dort ein, wo die Lehrer den Gesangunterricht nicht selber übernehmen können. — Alle diese Arbeit geschieht ausschließlich ehrenamtlich. Demzufolge haben sich nur wirklich Engagierte in dieser Arbeit zusammengefunden. Das war mit ein Grund dafür, daß sich die Sonntagsschularbeit der Zoi mit so großem Schwung und Enthusiasmus ausgebreitet hat. Um den festgefügten Unterricht gruppiert sich eine Anzahl von Unternehmungen, die unmittelbar mit dem Unterricht verbunden werden. Dazu gehören die regelmäßige Teilnahme am Gemeindegottesdienst, die Durchführung eigener Kinder- und Jugendgottesdienste, die die Schüler aktiv mitgestalten und in denen sie gemeinsam zum Abendmahl gehen, dazu gehört die für die Mittel- und Oberstufe ein- oder zweimal im Jahr durchgeführte obligatorische Beichte. Es wird außerdem immer wieder auf die Wichtigkeit des persönlichen Gebets hingewiesen, und in vielen Unterrichtsstunden wird mit den Schülern gemeinsam ein Gebet formuliert, das das behandelte Thema aufnimmt. Die gewecktesten Schüler aus allen Klassen werden außerhalb des Unterrichtes noch zu eigenen Jugendgruppen zusammengefaßt, zu den „Christianikai Mathetikai Omades". Diese stehen unter der Führung von eigenen Gruppenleitern, haben ihr eigenes Gemeinschaftsleben und ein eigenes missionarisches und diakonisches Programm. Außerdem wurde für die Sonntagsschüler ein besonderes Abzeichen geschaffen, eine Reihe von Bildern und Schriften herausgegeben, Jugendbibliotheken und Sprechzimmer für die Eltern eingerichtet und die Zeitschrift „Kinderleben" herausgebracht. Regelmäßig wurden Veranstaltungen für die Gemeinde und für die Eltern der Schüler organisiert, Bunte Abende und Feste gefeiert, Ausflüge unternommen, Kinderkrankenabteilungen, Waisenheime, Taubstummenanstalten und Blindenheime besucht und überallhin meist selbstgebastelte Geschenke und Kärtchen und Schriften mitgenommen. Bastelwettbewerbe wurden durchgeführt und die besten Arbeiten in öffentlichen Ausstellungen gezeigt, gegenseitige Besuche von Sonntagsschulklassen durchgeführt und Briefwechsel miteinander begonnen, — eine regelrechte Sonntagsschulbewegung war entstanden. Jedes Schuljahr wurde mit einem großen Fest abgeschlossen, zu dem alle Eltern eingeladen waren. Da wurde von den Lehrern Rechenschaft über das Jahr abgelegt, und mit kleinen Geschenken wurden die Schüler in die langen Sommerferien entlassen. Die Schülergruppen indes begaben sich auf Zeltlagerfahrt. — Solch eine blühende Jugendarbeit hatte Griechenland noch nie gesehen. Die Einführung des in sich geschlossenen und einheitlichen Systems hatte der griechischen Kirche einen Aufbruch der Jugend beschert. 3. Paragemeindliches Vereinswesen. Was in der Jugend geschah, setzte sich in der Studentenarbeit fort und erfaßte auch die gesamte Erwachsenen78

bildungsarbeit. Die Zoi-Bewegung blühte zu einem weitverzweigten Organismus auf, in dem die konturlose Gemeinde, die sich meist nur zu den Gottesdiensten und Sakramentsfeiern zusammenfand, „systematisch" organisiert wurde. Zum ersten Male in Griechenland begann sich eine differenzierte parochiale und überparochiale Gemeindestruktur herauszubilden. Die breite Basis stellte dabei die Sonntagsschularbeit dar. Sie war Ausgangspunkt und erster durchschlagender Erfolg. Darauf schlossen sich Eltern, Lehrer und Wissenschaftler zu eigenen Vereinigungen zusammen, die Frauen vor allem zu diakonischem Dienst. Uberall entstanden örtliche Abteilungen der Zoi-Organisationen, in denen sich die wachen und aktiven Gemeindeglieder zusammenfanden. Bald war das ganze Land von einem Netz diakonischer und missionarischer Zoi-Vereine überzogen. Da nun in den meisten Gemeinden der Ortsklerus für solche Arbeit noch nicht das Verständnis und auch nicht die Ausbildung hatte, lag folglich die Initiative, die Planung und die Durchführung der Aktionen der örtlichen Vereinigungen in den Händen der Gesamtleitung der Zoi-Vereinigungen. Diese von der Zoi gegründeten Vereine und Körperschaften lassen sich auf zwei Strukturprinzipien zurückführen: entweder auf Berufs- oder auf Sachbezogenheit. So stehen auf der einen Seite die Berufsorganisationen: Studentenvereinigung, Arbeitervereinigung, Elternvereinigung, Lehrervereinigung, Wissenschaftlervereinigung, — und auf der anderen Seite die sachbezogenen Organisationen: Apostel-Paulus-Verein, Fürsorge-Vereinigung, Eunike-Aktionsgruppe, Paideia-Verein, Aktines-Vereinigung, Damaskus-Verlag und die Aspiotis-Institute. Beide Strukturtypen ergänzen sich und haben eine gute Zusammenarbeit entwickelt. Darüber hinaus sind diese Organisationen durch ein Geflecht von Personalunionen verbunden, so daß trotz aller Vielfalt der Vereine und Körperschaften doch von einer einheitlichen und geschlossenen Bewegung gesprochen werden kann, — um so mehr als die Zoi-Brüder, und entsprechend die Eusebia-Schwestern, die organisatorischen Schlüsselpositionen und die unbestrittene geistige Führungsstellung innehaben. Letztlich hat die Einheitlichkeit der Bewegung ihren Grund darin, daß alle Vereinigungen ihre Tätigkeit auf das Doppelziel der Zoi-Bruderschaft aufgebaut haben: auf die gegenseitige Hilfe bei der Vervollkommnung der eigenen christlichen Persönlichkeit zum einen und auf die Evangelisation des griechischen Volkes zum anderen. Gerade dadurch, daß die paragemeindlichen Körperschaften von den lokalen kirchlichen Institutionen letztlich unabhängig waren und auch der das Programm gestaltende führende Mitarbeiterstab meist aus den übergemeindlichen Zentren kam, hat die Zoi-Bewegung innerhalb so kurzer Zeit weite Teile des griechischen Volkes erreichen können. Andererseits hatte die Tatsache, daß für jegliche kirchliche Arbeit innerhalb einer Gemeinde das Einverständnis zumindest des Ortspriesters unabdingbar 79

war, von vornherein den heilsamen Zwang ausgeübt, sich mit den örtlichen kirchlichen Behörden zu arrangieren und nicht gegen die Priesterschaft zu arbeiten. Von beiden Seiten bestanden ja immer wieder Ansätze und auch Anlässe zu Auseinandersetzungen und Feindseligkeiten. Jedoch die Gefahr einer Kirchenspaltung bestand nie. Denn allen Organen der Zoi-Bewegung geht es ausschließlich um die Erneuerung ihrer Kirche, der sie mit ihrer Arbeit dienen wollen und in deren Ordnung sie sich einfügen. Die zentral dirigierten Vereinigungen der Zoi waren für die Kirche Griechenlands ein Novum. Es muß darum der griechischen Hierarchie zugute gehalten werden, daß sie — auf die Wahrung überlieferter Tradition bedacht — zunächst sehr zurückhaltend und skeptisch dieser Entwicklung gegenüberstand. Die Zoi-Bewegung hatte darin ja auf vielfältige Weise protestantische Vorbilder aufgegriffen, so daß bei vielen konservativen Bischöfen, die für diese Art Erneuerung weder persönlich noch theologisch ein Verständnis hatten, sofort die Angst vor einem „Protestantischen Proselytismus" auftauchte. Die vielen heftigen Reaktionen der Hierarchen auf die neu entstehenden Zoi-Organe erklären sich außerdem auch aus der damaligen kirchlichen Situation, in der immer neue protestantische Sekten in den konfessionell relativ geschlossenen Raum des orthodoxen neugriechischen Staates eindrangen. Ihnen war man innerlich nicht gewachsen, und so konnten sie sich auf Kosten der orthodoxen Kirche recht schnell ausbreiten. Nicht also nur Veräußerlichung und Ungeistlichkeit waren der Grund für die zunächst so reservierte und ablehnende Haltung seitens der Hierarchie gegenüber der sich rasch ausbreitenden Zoi-Organisation, sondern auch Treue zur Tradition. Daß die ängstliche Wahrung der überlieferten kirchlichen Tradition dem Lauf des Evangeliums aber inzwischen hinderlich geworden war, das hatte man nicht erkannt. Dazu fehlt audi weithin geistliches Einfühlungsvermögen und theologische Bildung. Trotz aller Widerstände aber hat die Zoi-Bewegung den Ausbau der paragemeindlichen Organe vorantreiben können und damit eine doppelte Pioniertat vollbracht: sie hat evangelischen Reformgeist in die einzelnen orthodoxen Gemeinden getragen und hat mit der Einführung moderner kirchlicher Lebensformen begonnen, die kirchliche Arbeit strukturell zu erneuern. 4. Apostolat der Gläubigen. Gingen in der Alten Kirche die diakonischen und missionarischen Bewegungen vorwiegend von Bischöfen, Priestern und Mönchen aus, so hat sich diese Situation im neuzeitlichen Griechenland gewandelt. Die griechischen Klöster sind heute verlassen und verfallen, der größere Teil der Priesterschaft verweltlicht und uninteressiert, und die Bischöfe meist so sehr mit persönlichen Angelegenheiten beschäftigt, daß ihnen der Blick für die Aufgaben der christlichen Gemeinde verlorengegangen ist. Versuche einzelner Bischöfe und Priester, 80

dem Verfall und der Verweltlichung entgegenzuarbeiten und wieder neues Leben in die Gemeinden zu bringen, scheiterten. Wesentliche Aufgaben einer kirchlichen Führung Griechenlands nach der Befreiung von 1821 — Ausbildung des Klerus und Strukturerneuerung kirchlichen Lebens — sind von der Hierarchie unerledigt gelassen und trotz ständig größer werdender Dringlichkeit immer wieder hinausgeschoben worden. Schließlich nahmen sich die Gläubigen selber dieser Aufgaben an, und zwar diejenigen, die durch die Zoi-Predigt und durch eigenes Bibelstudium zu mündigen Christen geworden waren und in denen ein Verantwortungsbewußtsein für die Kirche erwacht war. Das evangelisatorische Apostolat der Kirche ist von ihnen in eigener Vollmacht wieder aufgenommen worden. Sogar gegen den erbitterten Widerstand einer verhärteten Kirchenführung haben sie mit Erfolg missionarischen Geist in die Gemeinden gebracht. „Jeder muß wissen, was er zu tun hat, was seine Arbeit ist. Welche Waffe hältst du in der Hand? Wo ist dein Posten? Daß das jeder einzelne genau weiß! Nicht einfach: ich gehöre einer großen allgemeinen Kreuzzugsbewegung an. Was ist deine Besonderheit? Was für einen Befehl hast du heute für den Kampf? Ein Programm für den Tag, für die Woche, für den Monat, für das Jahr! Und keine unsichtbare Mission, sondern eine konkrete, ins Detail gehende und den gesellschaftlichen Verhältnissen angepaßte!... Wie kann ich unter den Lastträgern arbeiten, du unter den Schuhmachern, du unter den Geschäftsleuten?"31 Urchristlicher Missionsgeist ist in der Zoi und durch sie in Griechenland wieder hervorgebrochen und hat Tausende von Menschen erfaßt: Lehrer und Priester, Angestellte und Arbeiter, Theologen und Wissenschaftler, Jugendliche und Alte, Männer und Frauen. Ohne große Schulung oft übernahmen sie die verschiedensten missionarischen Aufgaben und standen damit auf einmal aktiv und mitverantwortlich mitten in einer allgemeinen kirchlichen Erneuerungsbewegung. Von ihnen wurden die sendenden Worte in den Evangelien wieder beachtet, ernstgenommen und gepredigt und immer aufs Neue meditiert und aktualisiert. Im Neuen Testament hatte auch dieser Aufbruch seine Wurzel. Die Bibel hatte die orthodoxen Laien zu Sendboten werden lassen. Das war für die orthodoxe Kirche Griechenlands etwas völlig Neues. 5. Führungsstellung der Laien. Bedeutete die Aktivierung der Laien eine Wiederaufnahme alter Tradition, so war die Übertragung leitender Funktionen an sie eine in der Orthodoxen Kirche bisher nicht gekannte Aufwertung des Laienstandes. Daß sich diese Entwicklung außerhalb der offiziellen Kirche vollzog, scheint wie ein natürlicher Gegenschlag auf die Ausschaltung der Laien von jeglicher Einflußnahme auf kirchliche Angelegenheiten zu sein, die gerade in Griechenland besonders weit voran31

6

E . Mastrojannopoulos, Orientierungen, S. 39 (griedi).

Maczewsfci, Zoi-Bewegung

81

getrieben worden war. Hier war es noch mitten im 20. Jahrhundert zu einer vollkommenen Entdemokratisierung des kirchlichen Wahlrechtes gekommen (s. S.68), so daß z.B. eine Erneuerung der Kirche über die Wahl progressiver Kleriker unmöglich gemacht worden war. Es blieb den progressiven Kräften wohl nichts anderes übrig, als sich selber zu organisieren. Das ist dann in der Bildung der verschiedenen Zoi-Körperschaften zur Erneuerung des Gemeindelebens auf eine vielfältige Art und Weise geschehen. In diesem Prozeß war von Anfang an der Laie — besonders natürlich der Laientheologe — gleichberechtigter Partner des Klerikers. Nicht mehr der Rang der Weihe verlieh hier Autorität, sondern die Fähigkeit des einzelnen, und nicht mehr die Institution bestimmte, was getan werden sollte, sondern der missionarische Elan. Auf diese Weise sind nicht nur Laientheologen, sondern auch Nichttheologen zu führenden Positionen innerhalb der Werke der Zoi gekommen. Das große Beispiel bot die Zoi-Bruderschaft selber. In ihr waren von Anfang an Kleriker und Laien zu partnerschaftlichem Tun zusammengeschlossen. Dabei blieben die Laien in ihrem Laienstande und empfingen keinerlei kirchliche Weihe. Die Zugehörigkeit zur Bruderschaft Schloß lediglich eine persönliche Bejahung der Prinzipien der Bruderschaft ein. Das war möglich, da die Bruderschaft rechtlich gesehen außerhalb der kirchlichen Jurisdiktion stand und allein auf dem Boden des staatlichen Rechtes zur freien Vereinsgründung konstituiert worden war. So blieben also die Laien auch innerhalb der Bruderschaft Laien. Und dadurch nun, daß die gesamte Zoi-Bewegung unter der Leitung der Zoi-Bruderschaft stand, haben viele Laienbrüder in den Organisationen, Institutionen und Aktionen der Bewegung eigenständige Führungspositionen übertragen bekommen. Mit der Aufwärtsentwicklung der Bruderschaft trat das Laienelement immer stärker in den Vordergrund. Im Jahre 1959 waren von den 135 Zoi-Brüdern nur noch 35 Kleriker, die übrigen waren Laien. Nicht ganz ohne Grund wurde daher gegen die Bruderschaft der Vorwurf eines „Hippokratischen Patriarchats der Laienväter" (Kalybas) erhoben. Ähnliches ließe sich bei den einzelnen Vereinigungen aufzeigen. Zunächst von Klerikern und Laien gemeinsam initiiert und gegründet, wuchsen sie so schnell heran, daß bald auch Laien in Führungspositionen hineinrückten. Zwei Institute sind bereits völlig selbständig von dem Psychiater Dr. Aspiotis gegründet worden und werden allein von Nichttheologen geleitet. Die führende Position von Nichttheologen wird in der Rolle des Juristen Α. N. Tsirindanis besonders deutlich. Er ist weder Kleriker noch Theologe, nicht einmal Zoi-Bruder und hat doch die Aufbauphase der Zoi-Bewegung geprägt wie kein anderer. Auch ist er weiterhin der spiritus rector der Bewegung, obwohl er sich persönlich von der Zoi zurückgezogen hat und auch auf seiten der Zoi-Bewegung viele sich von ihm distanzieren. Seine Weltanschauung und seine Pflichtenlehre 82

bilden weiterhin die geistige Grundausrichtung der Zoi. Auch deswegen ist die bald überwiegend von Laien geführte Bewegung allen reaktionären Kräften der Kirche zum ständigen Stein des Anstoßes geworden, weil diese überragende Rolle der Laien nicht aus der Tradition zu belegen war. Selbst bei der neuen Konsolidierung der „Alten Garde" der Zoi nach dem Auseinanderbrechen der Bruderschaft 1959 übernahmen Laien wieder die Führung. Diesmal wurde die neue Bruderschaft, die Sotir-Bruderschaft, sogar allein von Laien gegründet, von zwei Theologen und einem Juristen: von Demetrios Panajotopoulos, Panajotis Trembelas und Johannes Koliopoulos. Niemals haben in der Zoi-Bewegung Laien Funktionen übernommen, die allein Klerikern zustehen, wie z.B. Beichte hören oder Gottesdienste halten. Aber durch die Predigt, die in der orthodoxen Kirche nicht an eine kirchliche Weihe gebunden ist, vermittels ihrer organisatorischen Fähigkeiten und ihrer geistigen Begabungen haben sie den Kurs und die innere Struktur der Zoi-Bewegung mitbestimmt und auf manchen Gebieten die Arbeit sogar völlig selbständig getragen. 6. Schriftenmission. Mission mit Hilfe des gedruckten Wortes ist in Griechenland zum ersten Male durch die Zoi-Bewegung in breitem Umfang aufgenommen und gleich mit größtem Erfolg durchgeführt worden. Ihre Schriftenmission ist über den Kreis der Zoi-Anhänger weit hinausgedrungen und hat das religiöse, ethische und nationale Denken breiter Schichten Griechenlands geprägt. Hier ist die Doppelaufgabe der Bruderschaft, Vervollkommnung der christlichen Persönlichkeit und nationalorthodoxe Volksmission, dank der Zusammenarbeit aller Zoi-Vereinigungen auf die bisher vielfältigste und weiträumigste Weise erfüllt worden. Den Beginn der Schriftenmission markiert 1911 die Herausgabe der Zeitschrift „Zoi". In ihrem programmatischen Leitartikel wird ihr pädagogischer und missionarischer Charakter proklamiert (s. S. 136 f). Sie will zur Wiederbelebung des religiösen Lebens beitragen und die grundlegenden Lehren des christlichen Glaubens vermitteln und interpretieren. Als volksmissionarisches Organ hat diese Zeitschrift besonders in der Anfangszeit der Bewegung eine hervorragende Rolle gespielt. Die vielen Freundeskreise, die wöchentlich im ganzen Lande zusammenkamen, haben meist nach dem Bibelstudium diese Zeitschrift gelesen und diskutiert. Keine andere Zeitschrift hat je solch einen ständigen Einfluß und eine ähnlich prägende Funktion auf den gesamten Kern der Zoi-Bewegung ausgeübt. Den zweiten Schritt schriftenmissionarischer Aktivität stellt die Herausgabe der Schriften der ersten beiden Leiter der Bruderschaft dar. Von diesen Schriften ist das Hauptwerk des Zoi-Gründers, Eusebios 6*

83

Matthopoulos, „Die Bestimmung des Menschen", 1915 in 1. Auflage erschienen, das bedeutendste. Das über 400 Seiten starke Werk ist eine vollständige Glaubenslehre und enthält „alles, was für einen Christen für seine Verwirklichung, Bildung und ethische Vervollkommnung nützlich und notwendig zu wissen ist" (S. 3). Sie ist zugleich eine Dogmatik, neutestamentliche Exegese, Apologetik, Ethik und Liturgik und gründet sich ausschließlich auf das Neue Testament, im besonderen auf die vier Evangelien. Sie ist die Kernschrift der Bruderschaft, das Hauptwerk der gesamten Zoi-Bewegung. Bis 1959 ist sie in 65 000 Exemplaren erschienen 32 . An zweiter Stelle steht die nur gut 100 Oktavseiten starke seelsorgerliehe Schrift „Die Buße" von Pater Eusebios' Nachfolger Serapheim Papakostas. Sie ist eine Glaubenslehre im kleinen und ebenfalls ganz und gar neutestamentlich bestimmt. Sie hat die allergrößte Verbreitung der Zoischriften gefunden: bis 1959 ist sie in 200 000 Exemplaren erschienen. Um diese beiden Bücher gruppieren sich weitere Schriften von Pater Eusebios und Pater Serapheim. Es sind biblische, ethische und liturgische Abhandlungen, alle erbaulichen Charakters. Die pietistische Prägung der Zoi-Frömmigkeit kommt in diesen Schriften der ersten Zeit besonders deutlich zum Ausdruck. Sie hat an der Verbreitung und Vertiefung der Erweckungsbewegung wesentlichen Anteil gehabt. Der dritte Schritt in der Schriftenmission war von fundamentaler Bedeutung. 1929 begann der Zoi-Verlag mit der Herausgabe biblischer Texte und übernahm damit die Funktion einer griechischen Bibelgesellschaft. Von der Heiligen Synode der Kirche Griechenlands und von dem ökumenischen Patriarchat zu Konstantinopel autorisierte neugriechische Texte der Septuaginta und des Neuen Testamentes wurden in Hunderttausenden von Exemplaren verbreitet. Die Septuaginta Schloß eine empfindliche Lücke der theologischen Literatur der griechischen Orthodoxie, und das Neue Testament hat bis 1959 eine Gesamtauflage von 6 5 0 0 0 0 Exemplaren erreicht. Insgesamt 32 verschiedene Ausgaben biblischer Schriften hat der Zoi-Verlag herausgebracht, darunter fand eine Taschenausgabe des Neuen Testamentes besonderen Anklang. Mit all dem hat die Zoi-Bruderschaft ihre ganz vom Neuen Testament her bestimmte Bewegung auf ein auch für reaktionäre Kreise unantastbares Fundament gestellt. Der vierte schriftenmissionarische Schritt bestand in der Herausgabe von Kommentaren zu biblischen Büchern. Gerade weil es der Zoi um die praktische Anwendung der Schrift ging, um ein Wirksamwerden des Wortes Gottes im Alltagsleben, waren Anleitungen zum rechten Verstehen nötig. Weil aber dem orthodoxen Kirchenvolk persönliches Bibelstudium 3 2 Vgl. Dokument C : „Aus dem Hauptwerk von Eusebius Matthopoulos", Dokumentarteil, S. 137—141.

84

bisher unbekannt war, begann der Zoi-Verlag zunächst mit der Herausgabe von Kurzkommentaren erbaulicher Art. 1954 kamen zwei Kurzkommentare von Trembelas heraus, in denen der biblische Text und die exegetische Paraphrase fortlaufend nebeneinander gedruckt sind. Innerhalb von 4 Jahren haben diese Kurzkommentare weiteste Verbreitung gefunden: der Psalmen-Kommentar ist in 50000 Exemplaren, der Kommentar zum gesamten Neuen Testament in 79 000 Exemplaren erschienen. Später hat dann der Zoi-Verlag ausführlichere und wissenschaftlich gehaltene Auslegungen herausgebracht. Beide Kommentararten bestimmen weiterhin das exegetische Veröffentlichungsprogramm des Zoi-Verlages. Mit diesen vier ersten Schritten literarischer Evangelisation war der Grund gelegt für die weitere Entfaltung der Schriftenmission. Der Erfolg der ersten Schritte trieb die weitere Entwicklung rasch voran. So wurde das Zeitschriftenwesen ausgebaut. In der „Aktines"-Zeitschrift meldeten sich seit 1937 die Intellektuellen zu Wort. Auf akademischer Ebene begannen sie die Auseinandersetzung mit den neuzeitlichen säkularen Geistesströmungen Westeuropas. Sie versuchen darin, die enge Verklammerung von moderner Wissenschaft und Atheismus aufzubrechen und Griechenland auf den Weg einer neuen christlichen Zivilisation zu weisen. 1946 wurde diese Monatsschrift für Wissenschaft und Philosophie, für Literatur, Kunst und Gesellschaft zum offiziellen Organ der Wissenschaftlervereinigung. Im Jahre 1945 brachte die Eusebia-Schwesternschaft die halbmonatlich erscheinende Kinderzeitschrift „Kinderleben" heraus. Diese Zeitschrift wurde zum Kristallisationskern der Kinderbewegung der Zoi. Hatte das Zoi-Wochenblatt 1959 eine Auflage von 165 000 Exemplaren, so lag die der Kinderzeitschrift nur um weniges darunter: bei 130000 Exemplaren. Der 1947 gegründete Lehrerverband brachte im selben Jahre die pädagogische Monatsschrift „Griechisch-christliche Erziehung" in einer Auflage von 9500 Exemplaren heraus und 1953 das „Zentrum für die Soziale Ausbildung der Griechin" die ebenfalls monatlich erscheinende Frauenzeitschrift „Die Welt der Griechin" in einer Auflage von 10000 Exemplaren. Von den Fachzeitschriften hat die allgemein gehaltene Aktines-Zeitschrift die größte Auflage erreicht: 15 000 Exemplare. (Zahlenstand aller Angaben = 1959.) Den größten Raum jedoch nehmen die Schriften ein, die die einzelnen Vereinigungen in eigener Verantwortung herausgebracht haben. Die ZoiBruderschaft übernahm die Herausgabe aller Schriften von allgemeiner Bedeutung, das sind die biblischen und exegetischen, die dogmatischen und ethischen, die historischen, apologetischen und die liturgischen Veröffentlichungen, während die einzelnen Vereinigungen jeweils auf ihrem Gebiete tätig wurden. So brachte die Elternvereinigung Schrifttum für die Familie und für die Sonntagsschule heraus, die Lehrervereinigung Schrifttum für die Jugend und für die Eltern, die Studentenvereinigung Schriften für die 85

akademische Jugend und die Arbeiterjugend wiederum Schriften für die Arbeitswelt. Manche Vereinigungen spezialisierten sich auf ein besonderes Gebiet: die Eusebia-Schwesternschaft auf Kinderschrifttum, die Wissenschaftlervereinigung auf die Auseinandersetzung zwischen Glaube und Wissenschaft, die Damaskus-Vereinigung auf christliche Literatur und das Aspiotis-Institut für medizinische Psychologie auf psychologische Fragen. Die Verbreitung des im Laufe der Jahre bedeutend angewachsenen Schrifttums geschah vornehmlich durch die Arbeit der einzelnen Vereinigungen, die alle diese Schriften und Bücher in ihrer Arbeit gebrauchten, empfahlen und weitergaben. Zum anderen hat die Zoi-Bewegung Lesebüchereien und Leihbibliotheken eingerichtet, in denen das gesamte Schrifttum zur Verfügung steht. Darüber hinaus entstanden in allen größeren Städten des Landes verbandseigene Buchhandlungen, die neben anderem religiösen Schrifttum auch das gesamte eigene Sortiment zum Verkauf bereithalten. Die außerordentlich niedrigen Preise, die dadurch Zustandekommen, daß der Zoi-Verlag und seine Zweigverlage nicht mit Profit arbeiten und ein großer Teil der Arbeit ehrenamtlich geleistet wird, haben ebenfalls dazu beigetragen, daß die Zoi-Publikationen größte Verbreitung fanden. Die jüngste, in den letzten Jahren begonnene Werbemethode, das christliche Buch in noch mehr Häuser und Familien zu bringen, sind Buchausstellungen, die in allen größeren Ortschaften des Landes durchgeführt werden. Nicht zu unterschätzen ist jedoch der persönliche Einsatz bei der Verbreitung von Zoi-Veröffentlichungen. In einer Neujahrsansprache hat Pater Elias seiner Hörerschaft vom Apostel-Paulus-Verein einmal folgenden Vorschlag gemacht: „Heute ist Feiertag und da machen wir Besuche. Anstatt nun ein Kästchen Schokolade mitzubringen, wie es unsere Gewohnheit ist, könnten wir doch Mission treiben mit einem Buch! Vielleicht meinen aber einige, das ist nicht ,chic', wenn du ein Buch schenkst. Dann magst du die Schokolade schenken, damit du auch weiterhin im Einklang stehst mit den gesellschaftlichen Gepflogenheiten. Wenn wir aber die Schokolade vorziehen und kein Buch schenken wollen, dann laßt uns bekennen: ich bin kein Glied einer missionarischen Vereinigung, ich ziehe die Schokolade vor. Ich will nicht ein Buch mitbringen, denn das Buch .schockiert' auf einem Festtag, in einem schönen Salon, wo alle Herren und Damen wohlgepflegt einhergehen. Aber laßt uns nicht vergessen: Mission geschieht nicht hauptsächlich dann, wenn ich hier auf die Kanzel steige, sie geschieht auch im Salon — selbstverständlich in entsprechender Weise —, sie geschieht bei unseren freundschaftlichen Begegnungen und in unserem Umgang, sie geschieht auch morgen früh in unserem Büro." 3 3 33

86

Aus: E.Mastrojannopoulos, Orientierungen, (griech).

Zusammen fassung Unbedingte Wahrung der dogmatischen und weitreichende Veränderungen der kirchlichen Tradition sind die Positionen, die die ZoiBewegung im Verhältnis zur Tradition einnimmt. Die offizielle Glaubenslehre hat sie unangetastet bewahrt, ja, aus Furcht vor einem Abfall in Irrlehre sich theologisch überhaupt nicht mit ihr auseinandergesetzt. Sie hat sie in Predigt, Unterricht und Mission lediglich ehrfürchtig übernehmend weitergereicht. Aber in die kirchliche Tradition hat die Zoi bis hin zu revolutionärer Um- und sogar Neugestaltung freimütig eingegriffen. Auf diesem Felde lag ihr Engagement, hier gab sie sich souverän und frei, hier hat sie f ü r orthodoxe Verhältnisse Unerhörtes vollbracht. Ihre Traditionsumwandlungen erwiesen sich sämtlich als Erneuerungsimpulse f ü r das kirchliche Leben, als glaubenweckend und gemeindebildend. Das veräußerlichte und weithin erstarrt gewesene Glaubensleben Griechenlands wurde dadurch zu neuer Lebendigkeit und zu noch nie dagewesener Vielfalt gebracht. Dogmatisch untadelig und kirchlich erneuernd schien die Zoi, zusammen mit den anderen Erneuerungsbewegungen, die Wende aus dem hoffnungslosen kirchlichen Verfall Neugriechenlands zu bringen: bestehende Traditionen wurden aus einem missionarischen, im neutestamentlichen Evangelium gegründeten Geist umgestaltet und neu interpretiert, verlorengegangene Traditionen aus der Alten Kirche und der Urchristenheit wieder aufgenommen und f ü r die Ostkirche neue Traditionen wie gemeinsames Bibelstudium und selbständiges religiöses Vereinswesen aus westlichen kirchlichen Traditionen übernommen. Ost und West, Alt und Neu verbanden sich zu einer neuartigen Gestaltung griechischen Gemeindelebens auf dem Boden der überlieferten dogmatischen Tradition. Darin liegt die historische Bedeutung der Zoi. In der Synthese von Alt und Neu sieht Tsirindanis die wesentliche Leistung von Eusebios Matthopoulos und das Charakteristikum der gesamten Zoi-Bewegung: „Es ( = das Zoi-System) war eine Erneuerung und kein Umsturz. Für seine Entstehung wurden, wie wir sagten, viele Neuheiten eingeführt. Aber diese Neuheiten erinnern in nichts an jene berüchtigten Neuerungen, von denen jede die Kirche aufrührt, ihr großen Schaden zufügt und keinerlei Nutzen bringt. Er ( = Pater Eusebios) stellt im Gegenteil einen ehrfurchtsvollen Bewahrer der Traditionen und kirchlichen Satzungen dar, ,einen Schriftgelehrten, der unterrichtet ist in dem Königreich der Himmel' und aus seinem Schatz nicht nur Neues, sondern audi Altes, und nicht nur Altes, sondern auch Neues hervorholt (Mt. 13,52). Treuer Bewahrer, aber gleichzeitig auch Neuschöpfer, diese Synthese ist das Charakteristikum der schöpferischen Unternehmung." 3 4 34

Α. N . Tsirindanis in: S. Papakostas, Eusebios Matthopoulos, S. 133 (griedi).

87

Doch hat die historische Leistung der Zoi auch eine Kehrseite, ist mit dem Gewinn der neuen Synthese auch ein Verlust verbunden, der erst nach und nach ins Bewußtsein gedrungen ist, und dann auch nur den Wachsamen. Diese Kehrseite besteht in einem Substanzverlust der Tradition, im Verhaftet-geblieben-Sein in alten und von der Zeit überholten Denkformen und in ungelöst gebliebenen Problemen. Trotz des enthusiastischen Neuaufbruchs, trotz der tiefgreifenden Umgestaltungen kirchlicher Tradition zu einem lebendigen Gemeindeleben, trotz der gewaltigen Leistungen und Erfolge ist nämlich das gesteckte Ziel nicht erreicht worden, das Ziel einer schöpferischen Neugestaltung des kirchlichen Lebens in Griechenland aus dem ursprünglichen Geist des Evangeliums und der Kirchenväter. Die Kirchenväter z.B. sind nur einseitig wieder aufgenommen worden, und das Evangelium wurde auf eine Moral verkürzt. „Mit Pater Eusebios Matthopoulos tun wir einen Schritt nach vorn, aber auch einen Schritt zurück" 35 , heißt es nun. "Worin dieser „Schritt zurück" besteht und welche Konsequenzen sich daraus für die jetzt notwendig gewordene Reform der Erneuerungsbewegung ergeben, das soll im folgenden zur Sprache kommen. 35

Apostolos Alexandridis, Eine Erscheinung des neugriechischen religiösen Lebens: Die christlichen Organisationen, in: Synoro N r . 39, Herbst 1966, S. 199 (griech).

88

III. Konsequenzen für die theologische Neubesinnung Einführung:

Kritik an der Zoi-Bewegung Bewegung ausgeschiedener

seitens jüngerer, aus der Theologen

In den fünfziger Jahren schon, noch mitten in der Aufbauphase der Zoi, als alle Mitarbeiter und Führungskräfte ununterbrochen im Einsatz standen, setzte die kritische Distanzierung seitens jüngerer Theologen ein. Die Fülle der Veranstaltungen, die Vielzahl organisatorischer Verpflichtungen, der ständige Ausbau in Struktur und Verwaltung, das stetige Anwachsen der Mitgliederzahlen und die Erweiterung des Besitzes an Häusern, Heimen und Schulen banden die Kräfte so stark an die Ausführung praktischer Aufgaben, daß der innere Ausbau vernachlässigt wurde, dann überhaupt unterblieb und ein Substanzschwund einsetzte. Hatte anfangs die geistliche Tiefe der ersten asketischen Führer der Bruderschaft der Zoi-Bewegung starke geistliche Kraft vermitteln können, so ließ nun die Überbeanspruchung durch die praktischen Verpflichtungen jene lebenswichtige Quelle versiegen. Gottesdienst und Gebet verloren selbst in der Bruderschaft an geistlicher Tiefe. Die Evangelisationsarbeit der Zoi verflachte zu veräußerlichter Betriebsamkeit. Die enge Zusammenarbeit von Serapheim Papakostas mit Tsirindanis, des Bruderschafts-Priors mit dem Zoi-Theoretiker, unterstützte diese Entwicklung zudem noch ideologisch. Denn die von Tsirindanis zu einer Gesellschaftslehre säkularisierte „christliche Weltanschauung" richtete auch das Denken auf das Diesseits aus und zwang damit die Zoi in eine Form von Weitläufigkeit hinein: „zeitgemäße Theologie w i r d soziologisch werden" 1 , „der Gottesdienst als Zivilisationsfaktor für den modernen Menschen, das ist der Sinn der Liturgie heute" 2 , und „Alle Werte des Christentums müssen sich konkret als Zivilisation manifestieren, wenn dieses Christentum echt sein w i l l " 3 . In der Jugendarbeit kam es zuerst zur offenen Krise. Der Assistent der Theologie Georgios Tsananas hat in seinem Vortrag über „Die Krise der Katechetischen Schule und der christlichen Jugendbewegungen" folgende vier Gründe dafür angegeben: „1. das Fehlen einer tieferen theologischen Grundlegung der katechetischen Arbeit — ,Adogmatismos', 2. das Fehlen der Kenntnis und der lebendigen Verwirklichung der orthodoxen kirchlichen Tradition, 3. die einseitige Auffassung über die Welt und das 1 2

Α . N. Tsirindanis, T o w a r d s a Christian C i v i l i z a t i o n , S. 1 0 1 (engl). 3 Ebenda S. 1 0 2 (engl). Ebenda S . 7 5 (engl).

89

Fehlen einer Anpassung an die Entwicklung des modernen Lebens — das Hemmen und das Fehlen einer Erneuerung und 4. der außerkirchliche Charakter der katechetischen Arbeit — die Diastase zur offiziellen Kirche." 4 Diese vier Punkte der Kritik treffen auf die gesamte ZoiBewegung zu, gegen die im Laufe der Zeit die gleichen Vorwürfe erhoben wurden. Trotz der immer wieder proklamierten Übereinstimmung mit der orthodoxen Tradition und des Eingehens auf den modernen Menschen fand faktisch eine Entfremdung von der Tradition statt und eine immer weitergehende Isolierung gegenüber der Welt. Diese Entfremdung zu überwinden und die Isolierung zu durchbrechen, haben die jungen Theologen mit ihren Reformvorschlägen zu beginnen versucht, sie aber innerhalb der Zoi nicht durchsetzen können. Daraufhin verließen die meisten von ihnen die Zoi-Bewegung. Dafür ein Beispiel. Zoi-Bruder und Theologe Christos Jannaras war Leiter der 1961 gegründeten Jugendinstitution „Griechisches Zentrum für Erziehung" (Hellenikon Kentron Agoges). Er redigierte auch die Zeitschrift „Skapani", die von diesem Zentrum herausgegeben wurde. Als er sich in dieser Zeitschrift jedoch einmal kritisch mit dem gegenwärtigen Zoi-Kurs auseinandersetzte und in einem Artikel auch gegen die Weltanschauung von Tsirindanis Stellung nahm, kam es zu Spannungen und schließlich zum Bruch. Jannaras trat aus der Bruderschaft aus und mit ihm verließ der größte Teil der Mitarbeiterschaft das „Griechische Zentrum für Erziehung". Die Zeitschrift „Skapani" stellte daraufhin ihr Erscheinen ein. Aus der Bewegung ausgeschieden, begannen sich die jungen Theologen neu zu formieren. Christos Jannaras gab mit seinem Redaktionsteam eine neue Zeitschrift unter dem Titel „Synoro" heraus. Sie setzte die Arbeit der „Skapani" fort, war jetzt aber ganz der kritischen Jugend gewidmet. Seit 1965 haben sich in dieser dreimonatlichen theologischkulturellen Zeitschrift junge progressive Theologen Griechenlands zu Wort gemeldet. Sie haben darin die gegenwärtige Situation der griechischen Orthodoxie und die geistige Situation ihres Landes kritisch durchleuchtet, die fortschrittlichen orthodoxen Stimmen aus dem Ausland zur Diskussion gestellt und eine sachlich fundierte Auseinandersetzung mit der Moderne begonnen. Mit der Revolution von 1967 stellte diese Zeitschrift allerdings ihr Erscheinen ein. Als Grund wird die Pressezensur des neuen Revolutionsregimes angegeben. Die Sammlung der jungen Theologen jedoch schreitet fort. Athen und Saloniki sind die Kristallisationszentren. Man trifft sich regelmäßig zu theologischen Aussprachen und führt einmal im Jahr eine theologische Tagung durch. 1965 fand die erste in Saloniki statt unter dem Thema 4 G. Tsananas, Die Krise der Katechetischen Schule und der christlichen Jugendbewegungen, Saloniki 1965, S. 1 (griech/hektograph).

90

„Die Jugend in der modernen W e l t " . 1966 setzte man die Arbeit in Saloniki unter dem Thema „Orthodoxie und W e l t " fort. 1967 wurde unter dem Thema „Glaube und Frömmigkeit" nach Kozani eingeladen und 1968 nach Kreta mit dem Thema „Was ist Kirche?" Sechzig bis siebzig jüngere Theologen kommen bei diesen Tagungen zusammen. Sie erstreben eine Erneuerung der griechischen Theologie und eine Vertiefung des geistlichen Lebens der Kirche. Dies wollen sie durch konsequente Rückkehr zu den kirchenväterlichen Traditionen erreichen. Sie stehen sowohl dem gegenwärtigen kirchlichen Leben kritisch gegenüber — darunter besonders den religiösen Organisationen — als auch der bisherigen theologischen Arbeit auf den Universitäten. Auf dem Boden einer „neopatristischen Theologie" finden sich hier theologisch und herkunftsmäßig sehr verschiedene Richtungen zusammen. Die aus der Zoi-Bewegung ausgeschiedenen Theologen bilden dabei nur einen Teil dieser Gruppe, allerdings zumeist den wortführenden. Als ihre theologischen Gewährsmänner nennen sie Georgios Florovsky und Nikolaos Nissiotis. Mit dem Band „Ehrlich mit der Orthodoxie!" 5 , einer Aufsatzsammlung des ehemaligen Zoi-Bruders Christos Jannaras, ist diese Gruppe 1968 in ihrem bisher radikalsten Vertreter an die Öffentlichkeit getreten. Zur Zeit planen die Theologen die Herausgabe einer neuen theologischen Zeitschrift, bleiben aber sonst noch bewußt unorganisiert. A) Lösung aus westlich-theologischer

Überfremdung

In der „Verwestlichung", der „Europäisierung" des orthodoxen Glaubens sieht die junge Theologengeneration den wesentlichen Grund der Verweltlichung von Theologie und religiöser Organisation in Griechenland. Indem die Orthodoxie die westliche Theologie „kopiert" habe, sei ihre eigene Bestimmung verraten worden. D e r auch zu den jungen kritischen Theologen gehörende, aber Zoi-Bruder gebliebene Demetrios Trakatellis führt in seinem programmatischen Artikel „Unsere Theologie gestern und morgen" als erstes Charakteristikum der „gestrigen" Theologie ihre Nachahmung westlicher „Themen, Methoden und Richtungen" an. „Diese Nachahmung, diese fremde Beeinflussung war einer der hauptsächlichen Faktoren für die Verwirrung, die das orthodoxe theologische Denken martert und weiterhin q u ä l t . " 6 Es gelte nun, dieser gewaltsamen Verfälschung orthodoxer Theologie ein Ende zu bereiten. Man richtet sich damit gegen das römisch-scholastische und gegen das protestantischliberale Denken, z . Z . vor allem gegen die liberale Theologie des 19. J a h r hunderts und gegen die extreme historisch-kritische Forschung des 5 Christos Jannaras, Ehrlich mit der Orthodoxie!, Neugriechische theologische Versuche, Athen 1968 (griech). ' In: Theologie, Wahrheit und Leben, Ein geistiges Symposion, S . 2 2 2 (griech).

91

20. Jahrhunderts, die beide bleibende Wahrheiten des christlichen Glaubens auflösen würden. Tatsächlich ist die Geschichte der neugriechischen Theologie auch eine Geschichte der Übertragung westeuropäischer theologischer Methoden auf orthodoxen Boden. Nahezu alle griechischen Universitätstheologen haben an westlichen Universitäten studiert, dort die moderne theologische Wissenschaft kennengelernt und sie übernommen. An dieser Entwicklung üben nun die jungen Theologen scharfe Kritik. „Die Strömung einer unbesonnenen Europäisierung und Verwestlichung führt Griechenland nicht voran, sondern zurück, sie ist im Grunde ein geistiger Rückschritt. Die Abtrennung von den Wurzeln wird zu einem geistigen Dahinwelken und zu einem Verfallsprozeß führen. Die Aufnahme einer rechten Auseinandersetzung mit dem Problem der Tradition ist für die junge Generation Griechenlands eine der dringendsten Aufgaben und eines der ersten Ziele einer vernünftigen christlichen Tätigkeit." 7 So formuliert es Jakob Mainas, einer der führenden Theologen der jüngeren Generation, der in der ZoiBewegung aufgewachsen ist, sich aber inzwischen auch von ihr gelöst hat. Und Christos Jannaras, der ehemalige Zoi-Bruder und nun äußerst scharfer Kritiker der griechischen kirchlichen Verhältnisse, drückt das gleiche viel radikaler aus: „Diese wurzellose Europäisierung hat uns von dem Lebenssaft unserer geistigen Tradition abgeschnitten und das Leben dieses Landes mit Skeletten gefüllt . . . Es ist Zeit, daß wir zu uns selber zurückkehren." 8 Gemeinsam ist den jungen Theologen aber nicht nur die Ablehnung der ihnen überkommenen theologischen Methode, sondern auch die positive Forderung nach Wiederaufnahme der Vätertheologie. Den Ruf nach Befreiung aus westlich-theologischer Überfremdung verbinden sie mit dem Ruf zur Rückkehr in die Vätertradition. Was schon auf dem 1. Orthodoxen Theologen-Kongreß 1936 in Athen verlangt wurde, eine „Säuberung unserer Theologie von den neuen Elementen" und ihre „vollständige Rückkehr zu ihren kirchenväterlichen Uberlieferungen" 9 , das wird nun 30 Jahre später von der jungen Theologengeneration erneut gefordert. Β) Wiederaufnahme

der

Vätertheologie

Jede Kritik der jungen Theologen mündet in die schon stereotyp gewordene Forderung nach Wiederaufnahme der Vätertheologie. „Die 7 Jakob Mainas, Die Möglichkeiten einer christlichen Anwesenheit im heutigen Griechenland, in: Synoro Nr. 39, S . 2 0 9 (griech); dt. s. im Dokumentarteil, S. 151 f. 8 Chr. Jannaras, Ehrlich mit der Orthodoxie!, S . 3 8 f (griech). 9 Hamilkar S. Alivisatos, in: Proces-Verbaux du Premier Congres de Theologie Orthodoxe, S. 77 u. 78.

92

orthodoxe Theologie wird allein dann ihre Unabhängigkeit gegenüber den westlichen Einflüssen wiedergewinnen können, wenn sie zu ihren Väterquellen und ihren Vätergrundlagen zurückkehrt." 10 Mit diesem Ausspruch Florovskys — wie überhaupt mit seinen Gedanken — solidarisieren sich die jungen Theologen Griechenlands weithin, wenn sie nach ihrem konkreten Verständnis der „Rückkehr zu den Vätern" befragt werden. Die von der Zoi-Bewegung herkommenden Theologen verweisen immer wieder auf den Aufsatz von Florovsky, der im Theologie-Symposion der Zoi Aufnahme gefunden hat und dem audi das obige Zitat entnommen ist. Florovsky kann daher in diesem Zusammenhang mit herangezogen werden, wo es darum geht, die Meinung der jungen Theologen darüber zu ermitteln, was sie im einzelnen unter der geforderten „Rückkehr zu den Vätern" verstehen. Diese ihre Meinung läßt sich mit folgenden neun Punkten umschreiben. 1. Hellenistische Kategorien. Es wird nun streng zwischen politischem Nationalismus und kulturellem Hellenismus unterschieden. Der Nationalismus, mit dem die Zoi-Bewegung unlöslich verschmolzen sei, habe die griechische Kirche in der Zeit nach der Türkenherrschaft von ihrer eigentlichen Aufgabe ferngehalten und damit ihre gegenwärtige Kraft- und Bedeutungslosigkeit mit verursacht, der Hellenismus dagegen sei die Grundsubstanz, in die hinein die Offenbarung geschehen sei und ohne die es christliche Wahrheit nicht mehr gäbe. Der Nationalismus wird verurteilt, der Hellenismus dagegen in überzeitlichen Rang erhoben. Dabei beruft man sich auf Florovsky: „Der Hellenismus hat in der Kirche einen ewigen Charakter erlangt, er hat sich in ihr Fleisch verwandelt, er ist zur ewigen Kategorie christlicher Existenz geworden." 11 Daraus folgt, daß sowohl das kirchliche Leben als auch die christliche Theologie vom Hellenismus geprägt werden müssen und daß nicht eine Enthellenisierung, sondern gerade die konsequente Hellenisierung des Lebens und Denkens zur Voraussetzung für ein Bleiben in der apostolischen Wahrheit wird. „Der christliche Gottesdienst ist in allem mit dem hellenistischen Wesen der ,Mysterienfrömmigkeit' verschmolzen. Und das ist bis zu einem solchen Grade geschehen, daß wir in die Gesetzmäßigkeit liturgischer Mystagogie nicht eindringen können, ohne uns vorher einer geheimen ,Hellenisierung' unterworfen zu haben. Nur Irrsinnige haben jemals beschlossen, die Liturgie und die anderen kirchlichen Feiern zu ,enthellenisieren', um ihnen einen mehr ,zeitgemäßen' Ausdruck zu verleihen." 12 Der Versuch einer Übertragung der hellenistischen Mysterien10 Georgios Florovsky, Der Weg der russischen Theologie, in: Theologie, Wahrheit und Leben, Ein geistiges Symposion, S. 42 (griech). 11 Ebenda S.32 (griech). 12 Ebenda S. 32 f (griech).

93

frömmigkeit in eine zeitgemäße Form wäre also schon im Ansatz Verrat an der absoluten und ausschließlichen Gültigkeit hellenistischer Kategorien. Christlicher Gottesdienst kann also nicht recht gefeiert werden, wenn ihm nicht eine „geheime Hellenisierung" vorangeht. Das gleiche gilt für Theologie und Predigt: „Alle Fehler, alle Irrtümer, alle Versuchungen einer überheblichen Enthellenisierung des Evangeliums — ein Phänomen, das im Laufe der Jahrhunderte oft genug erschienen ist — können die Bedeutung dieses grundlegenden Ereignisses nicht abschwächen, daß für die Verkündigung und für die Weitergabe der frohen Botschaft des Heiles in Christus und für die Entfaltung und Formulierung der christlichen Theologie geradewegs von Anfang an hellenstische Kategorien gebraucht worden sind." 13 Hellenistische Kategorien sollen wieder Theologie und Verkündigung bestimmen. Sie erhalten geradezu dogmatischen Rang. Dem Vorgehen westlich orientierter orthodoxer Theologie, die auch in Griechenland und innerhalb der Zoi-Bewegung zur Herrschaft gelangt war, wird der Kampf angesagt. 2. Katholizität und Ökumenizität. Für die ökumenische Bewegung hat die Zoi noch kein Verständnis aufgebracht. Ihr ging es allein um die Erneuerung der orthodoxen Kirche und um eine Wiedergeburt der griechischen Nation. Das führte sie in einen engen Provinzialismus und in einen starren Konfessionalismus hinein. Erst unter dem Druck der Verhältnisse, sich gegenüber den immer stärker ins Land eindringenden heterodoxen Konfessionen, Freikirchen und Sekten zu behaupten, hat sich die Zoi mit den anderen christlichen Gemeinschaften zu beschäftigen begonnen und dazu drei Schriften herausgegeben: eine über die katholische Kirche, eine über die Protestanten und eine über die mit Rom Unierten 14 . Alle drei Veröffentlichungen sind von dem Zoi-Bruder und Laientheologen Johannes Kolitsaras verfaßt, dessen Einstellung zur ökumenischen Frage charakteristisch für die gesamte Zoi ist. Das Ziel seiner Schriften soll „Aufklärung" sein. „Unser Skopus ist, nicht polemisch zu sein gegenüber den fremden Bekenntnissen, sondern aufklärend. Wir wollen dem orthodoxen griechischen Volk die hauptsächlichen Irrtümer und Häresien, die sich in unser Land eingepflanzt haben, deutlich und bewußt machen, damit seine Vorsicht geweckt werde und es sich vor ihnen hüte." 15 In Wirklichkeit jedoch enthalten seine Schriften beschämende Beispiele unsachlicher Verunglimpfungen und stellen eine historisch längst überholte pseudowissenschaftliche Apologie dar. „Wenn Ehrgeiz und Egoismus 13

G. Florovsky, Der Weg der russischen Theologie, S. 34 (griech). Johannes Kolitsaras, a) Die westliche ( = römische) Kirche, Ihre Unterschiede zur Orthodoxen Kirche, 2., erw. Auflage, Athen 1960, b) Die Protestanten, Athen 1960, c) Die Unierten, Athen 1959 (alle griech). 15 Joh. Kolitsaras, Die westliche Kirche, S. 5 (griech). 14

94

die Päpste in Irrtümer hinweggerissen haben," — so heißt es beispielsweise in der Einleitung zu der Protestantenschrift — „so haben dieselben Gebrechen, und vermutlich noch schlimmere, Luther und die anderen Reformatoren wie Calvin und Zwingli zu Häresien fortgerissen, zu Spaltungen und religiösen und gesellschaftlichen Unruhen, die viel schlimmer waren." 16 Als die „tieferen Gründe" für Luthers „Protest", „Aufruhr", „Haß", „Anomalität" und „Gottlosigkeit" wird nur ein einziger angegeben: sein geheimer Zug zum ehelichen Leben! 17 Und zum Verhältnis der Kirchen untereinander heißt es: „Auch heute muß die Kirche ständig wach sein, die Schafe ihrer Herde vor den großen Löwen zu bewahren, die rings um ihre Weide im Hinterhalt lauern, um sie in Stücke zu reißen." 18 Aus Anlaß der intensivierten Arbeit christlicher Sekten in Griechenland hatte die griechische Kirche das Jahr 1959 zum „Jahr des antihäretischen Kampfes" proklamiert. Das mag der Zoi den Anlaß dafür gegeben haben, sich mit diesen „Aufklärungs"-Schriften am Kampfe zu beteiligen. Diese konfessionelle und geographische Enge will die junge Theologengeneration mit der Rückwendung zur Vätertheologie überwinden und dadurch wieder zur alten Katholizität und ökumenizität zurückkehren. Beide Merkmale gehören für sie zum Wesen der Kirche und beide werden im Hellenismus begründet, die Katholizität sogar mit dem Hellenismus gleichgesetzt. „Eine einzige Weise gibt es nur, daß unsere Theologie katholisch wird: daß sie hellenistisch wird. Nur im Hellenismus kann jemand wahrhaftig katholisch sein." 19 Die ökumenizität ist folglich dann nichts anderes mehr als weltweite Durchsetzung dieser Katholizität: „ . . . die ökumenizität (ist) die natürliche und direkte Frucht der Katholizität." 20 Katholizität und ökumenizität benutzt die junge Theologengeneration zur Beschreibung der Absolutheit und Universalität der griechisch-orthodoxen Konfession. „Es ist nötig, ein Fenster zu öffnen, um zu einer weltweiten Sicht zu gelangen, daß der Hellenismus zu seiner ökumenischen Sendung und die Orthodoxie zu ihrer Katholizität wieder zurückfinden."21 Die geographische Enge ist dadurch zwar durchbrochen, aber der Konfessionalismus damit noch nicht überwunden. Er ist eher von einem kirchlichen zu einem dogmatischen vertieft worden. So hat die Verabsolutierung des Hellenismus und der hellenistischen Kategorien Katholizität und ökumenizität in neuer Weise konfessionalistisch eingeengt. 16 17 18 18 20 21

Joh. Kolitsaras, Die Protestanten, S. 5 (griech). Ders., Die Protestanten, S. 2 8 — 3 3 (griech). Ders., Die westliche Kirche, S . 4 (griech). G. Florovsky, Der Weg der russischen Theologie, S. 33 (griech). Chr. Jannaras, Ehrlich mit der Orthodoxie!, S . 4 4 (griech). Ebenda S.48 (griech).

95

3. Kirchliches Bewußtsein. Die äußerst reformbedürftigen Zustände in der griechischen Kirche, zu deren Behebung die Hierarchie audi im 20. Jahrhundert keinerlei Anstalten getroffen hatte, trieben folgerichtig zur Entstehung außerkirchlicher Laienorganisationen, die die Erneuerung wenigstens des geistlichen Lebens in Angriff nahmen. Aber da diese Organisationen von selten der offiziellen Kirche bis hin zu kirchenrechtlichen Gewaltmaßnahmen bekämpft wurden und sie sich auch seitens höchster kirchlicher Stellen immer wieder Verleumdungen ausgesetzt sahen, war es nicht verwunderlich, daß sich in diesen Gruppen ein „antikirchlicher Geist" ausbreitete und offene und radikale Kritik an den tatsächlich vorhandenen kirchlichen Mißständen und an den oft so aufregend ungeistlich sich verhaltenden Bischöfen um sich griff. Die im Laufe der Aufbauphase der Zoi zunehmenden Auseinandersetzungen und öffentlichen Streitigkeiten vertieften dann noch die Kluft und verhärteten die Fronten. Die Entstehung eines „unkirchlichen Bewußtseins" wurde zudem durch die innere Einstellung der Gläubigen ermöglicht und sogar in gewissem Sinne gefördert. Nach dem Glaubensverständnis der Zoi nämlich mußte kirchliches Leben Christusnachfolge und gute Werke aufweisen. Da beides aber in der offiziellen Kirche weithin nicht festzustellen war, verlor die Gleichsetzung von offizieller und wahrer Kirche ihre bisherige Selbstverständlichkeit. Verstärkend trat noch die starke Bindung der Gläubigen an Christus und an die Sakramente hinzu, so daß sich die herkömmliche Bindung eines unbedingten Gehorsams gegenüber dem Bischof lockerte. Das wiederum verschärfte die Reaktion seitens der betroffenen Bischöfe, die sich in ihrer Amtsmacht bedroht fühlten und alsbald alles als häretisch deklarierten, was an kirchlichem Leben in ihrer Diözese ohne ihre ausdrückliche Erlaubnis geschah. Die gespannte Lage und die heimliche Emanzipation von der Autorität der offiziellen Kirche seitens vieler Gruppen der Zoi-Bewegung führte allerdings nicht zu einer Kirchenspaltung. Dafür waren die Voraussetzungen auch gar nicht gegeben, denn in allen dogmatischen und in den meisten kirchenrechtlichen Fragen herrschte Einigkeit. Es bestand auch zwischen Heiliger Synode und Zoi-Bruderschaft letztlich immer noch ein aufrichtiges und brüderliches Verhältnis. Dennoch entwickelte sich zwischen der Zoi und einigen Bischöfen eine Situation, die als latentes Schisma beschrieben werden kann. „Die Organisation . . . ignorierte die Ortsgemeinde und den Bischof — ohne sich von ihm zu trennen —, während er wiederum für gewöhnlich sie ignorierte oder sie irgendwie als feindlich betrachtete, ohne es zu wagen, seine Feindschaft offen kund zu tun. Innerhalb einer Epoche war auf diese Weise geradezu eine parallele ,Kirche' ohne Bischöfe entstanden, in der man sich den örtlichen kanonischen 96

Bischöfen zwar unterordnete, sie aber außer der Namensnennung in der Liturgie für gewöhnlich ignorierte." 22 Dieses latente kirchliche Schisma wollen die jungen Theologen durch die Rückkehr zum alten kirchlichen Bewußtsein, wie es die Väter hatten, überwinden, durch die Rückkehr zu „einem tieferen Verständnis des Mysteriums der Kirche" 22 . War die Ekklesiologie in der Zoi-Bewegung durch die vorrangige Behandlung der Fragen nach der rechten Gestaltung des kirchlichen Lebens und des christusgemäßen Lebens des einzelnen Gläubigen zu kurz gekommen, so soll sie bei den jungen Theologen nun wieder fundamentale Bedeutung erhalten. 4. Mystische Tiefe. Die liturgische Reform und das sakramentale Leben hat die Zoi in den Dienst persönlicher Erbauung und religiöser Erziehung gestellt. Die Predigt sollte den Verstand und vor allem den Willen ansprechen, das Abendmahl den Gläubigen in seiner ethischen Persönlichkeit stärken und die Beichte immer wieder zu christlichen Taten befreien. Die bald einsetzende innere Verflachung aber, die einem Rationalismus und Moralismus die Tore öffnete, hat dem orthodoxen Gottesdienst und den Sakramenten aufs Ganze gesehen ihre mystische Tiefe genommen. Dabei hat die Verlagerung des Hauptgewichtes auf die Predigt und deren Entwicklung von einer Bekehrungspredigt zur Glaubenslehre und praktischer Lebensweisung eine entscheidende Rolle gespielt. Es ist deshalb der liturgischen Reform der Zoi auch nicht gelungen, den griechischen Gottesdienst in seiner Tiefe zu reformieren. „Da selbst das Abendmahl unter eine ethische Perspektive gestellt wurde und die unentbehrlichen theologischen Elemente fehlten, konnte es nicht Ausgangspunkt einer wirklichen liturgischen Erneuerung werden. Durch das Fehlen einer tieferen ekklesiologischen und eucharistisdien Verankerung wurde das zentrale Gewicht auf die Predigt verlagert, und dazu geschah dann noch die Respektlosigkeit, daß sie von ihrem richtigen Platz nach den Lesungen mitten in die Eucharistiefeier hineinverlegt wurde und damit ihren Ablauf unterbrach (leider haben alle Ortsgemeinden diese Verlegung unüberlegt nachgeahmt). Andererseits drangen westliche Elemente des Barock in die Liturgie ein, wie ζ. B. das Knien während der Anaphora, die die Heiligkeit des Sakramentes betonen sollten, aber die alte und sinnvolle Tradition der Opferung im aufrechten Stand zerstörten." 23 So allseits kritisch wird jetzt die liturgische Reform der Zoi von den jungen Theologen beurteilt und gegenüber der ethisierenden und rationalisierenden Verflachung des liturgischen Lebens audi von den eine Reform anstrebenden Zoi-Theologen die Rückkehr zur mystischen Tiefe, die Rückkehr zum Primat des Sakramentes gefordert. „Das Christentum 22 23

7

Ap. Alexandridis, Die christlichen Organisationen, S. 204 (griech). Ebenda S . 2 0 0 (griech).

Maczewski, Zoi-Bewegung

97

ist nicht ein theoretischer oder ethischer Weg, sondern ein sakramentaler Weg unmittelbarer Erfahrung, an dem der ganze Mensch teil hat. Die liturgische Bewegung folgt der goldenen Tradition der Väter und betont, daß die Lehre allein nicht genügt. Es ist auch das Sakrament nötig . . . Es ist nötig, daß wir den Hörer in das christliche Mysterium einführen und ihn das mystische Leben der gottesdienstfeiernden Kirche lehren." 24 In dieser Reaktion wird offenbar, wie eng orthodoxer Glaube und Mysterium zusammenhängen, wie sehr der Gottesdienst der Alten Kirche im Mysterium verankert ist, und daß die Zurückhaltung von Pater Eusebios in dogmatischen Fragen trotz seiner Betonung des Sakramentes dennoch zu einer gefährlichen Akzentverschiebung im liturgischen Leben geführt hatte. Alles war in den Dienst des Verstehens und der Tat gestellt und dabei das Geheimnis, das Mysterium, übergangen worden. Nun jedoch soll die mystische Tradition wieder zu ihrem Recht kommen. „Allein in der mystischen Realität der Kirche wird die ontologische Befreiung der Schöpfung und der Zivilisation vollbracht, ,νοη der Knechtschaft des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes' (Rom. 8,21)." 2 5 5. Asketischer Ursprung. Dadurch daß sich die mystische Theologie der Ostkirche im Rahmen der Askese, im Kloster, entfaltet hat, ist Has asketische Element mit dem mystischen eng verbunden. Die großen Theologen der Alten Kirche sind Mönche gewesen, und ihre Theologie ist weithin in der Zurückgezogenheit asketischen Lebens zur Ausreifung gekommen. Nicht zufällig wird daher der Verfall ostkirchlichen Mönchtums von einem Verfall ostkirchlicher Theologie begleitet. Deshalb wird von der jungen Theologengeneration der einseitig missionarischen Ausrichtung des monastischen Lebens durch die Zoi entschieden widersprochen und die Wiederaufnahme der alten außerweltlichen Askese als notwendig angesehen. In den betont diakonisch und evangelisatorisch ausgerichteten Bruder- und Schwesternschaften der Zoi sehen die jungen Theologen westlichen Einfluß am Werk, der die alte orthodoxe monastische Tradition überlagert. Es wird der Zoi sogar vorgeworfen, sie habe zum weiteren Verfall des griechischen Mönchtums dadurch beigetragen, daß sie die junge Generation nicht mehr zum Verständnis der herkömmlichen außerweltlichen Askese geführt habe, sondern als zeitgemäßes asketisches Leben allein die von ihr praktizierte innerweltliche Askese proklamiere. Wenn die Zoi audi die Entfremdung der Jugend vom traditionellen griechischen Mönchtum in keiner Weise beabsichtigt hatte, so hat sie dies doch durch ihr ausgesprochen weltzugewandtes Glaubensverständnis gefördert, dem das 24 25

98

E. Mastrojannopoulos, Orientierungen, S. 164 f (griech). Chr. Jannaras, Ehrlich mit der Orthodoxie!, S. 53 (griech).

herkömmliche monastische Leben in einem gewissen Gegensatz zum neutestamentlichen Liebesgebot stand. Und so ist sie in der Tat mitverantwortlich geworden für die weitere Schwächung des traditionellen griechischen Mönchtums. Der gänzlich ans Neue Testament gebundene Glaube der Zoi, der zudem stark ethisch ausgerichtet war, brauchte im Grunde keine Dogmen und keine Theologie, also auch nicht den Raum ihrer Ausreifung: das Kloster. Der Ruf der jungen Theologen zurück zum „echten orthodoxen Mönchtum" schließt dagegen den Ruf zurück zur Theologie und zu ihrem ursprünglichen Nährboden, der außerweltlichen Askese, ein. Die Theologie soll nun wieder dort ihre Wurzel, ihren Ursprung und ihre Quelle haben. Das werde dann zu einer der orthodoxen Tradition gemäßen Reform des kirchlichen Lebens, Glaubens und Denkens führen. In dem Zoi-Symposion über das Mönchtum, in dem Pater Elias — in seinem Einsatz für eine theologische Reform — das traditionelle Mönchtum wieder in das Blickfeld der Zoi rückt, klingt das bereits an: „Das Thema Mönchtum ist bedeutsam für die Kultur unseres Landes, für den Kurs unserer Kirche und für das Leben der Orthodoxen Katholischen Kirche." 26 Deutlicher wird es von Jannaras formuliert: „Dort, in der Nacktheit der Wüste, ohne den Zierat der Wissenschaft und die äußeren Güter der Zivilisation, wo der Hauch des Todes den Alltag durchzieht, allein dort kann die Neubesinnung zustande kommen." 27 6. Dogmatische Grundlegung. Die Absage an die dogmatische Theologie erwies sich als die entscheidende Weichenstellung für die Entwurzelung der Zoi aus alter orthodoxer Tradition, für ihre Anfälligkeit gegenüber neueren gesellschaftlichen und nationalen Utopien. Dort, wo die Verwurzelung des Glaubens in der alten mystischen Frömmigkeit nicht mehr gegeben war, wie z.B. in der heranwachsenden Generation, zeigte sich das am empfindlichsten. Hier hatte die Zoi zwar ganz nach ihren Vorstellungen arbeiten können und in ihrem Sonntagsschulsystem und ihren Jugend-Vereinigungen die volle Freiheit gehabt, der jungen Generation ihr Verständnis des Glaubens zu übertragen, ist damit aber nicht zu ihrem Ziel gekommen. Ihre Glaubens- und Lehrtradition wurde der Tiefe des Menschen und der Bedeutung der Welt für den Glauben nicht gerecht und auch nicht der Tiefe der biblischen und der altkirchlichen Tradition. Bis heute ist die empfindliche Verkürzung der Tradition den Zoi-Funktionären noch nicht bewußt geworden. In der Jugendarbeit brach die Krise zuerst und in besonderer Schärfe aus. „Das Dogma wurde für die Jugend als unnahbar und als gefährlich angesehen . . . Die Jugend lernte im Evangelium zu schwelgen, aber diese 2β 27

E. Mastrojannopoulos, Mönchtum und gegenwärtige Welt, S. 5 (griech). Chr. Jannaras. Ehrlich mit der Orthodoxie!, S. 31 (griech).

99

Schwelgerei hatte ausschließlich erbaulichen Charakter . . . Bis zur Überfütterung wurde ein Bibellesebewußtsein gezüchtet . . . Eine solche Darbietung jedoch ohne dogmatische Grundlagen, ohne gottmenschlichen Ausgangspunkt und Zielpunkt, ohne tiefere Theorie und Grundlegung über den persönlichen Gott und sein Erlösungswerk macht es dem Jugendlichen unmöglich, dahin zu kommen, daß er mit Petrus spricht: ,Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens' (Joh. 6,68), oder mit Paulus: ,Wer will uns scheiden von der Liebe Christi' (Rom. 8,35 f.). Der ,süße Nazarener' und derartige pseudochristliche und pietistische Schemata konnten keinen tieferen und unerschütterlichen religiösen Glauben und ein ihm entsprechendes religiöses Leben schaffen und keinen echten, bis zum Tode dauernden Eifer und Einsatz für Christus." 2 8 Dieses scharfe Urteil darf sicherlich nicht verallgemeinert werden. Die Jugendarbeit der Zoi hat wahrhaftig unzählige junge Menschen zu einem „tiefen und unerschütterlichen religiösen Glauben" geführt und dabei auch das orthodoxe Dogma weitergegeben. Aber es zeigt die Schwäche der Zoi-Erziehung in ihrer äußersten negativen Konsequenz, die Schwäche der Zoi-Katechese, die darin besteht, daß „ohne dogmatische Grundlagen" und „ohne tiefere Theorie und Grundlegung über den persönlichen Gott und sein Erlösungswerk" unterrichtet wird. Und als in der Zeit der großen Ausbreitung der Sonntagsschule die Ausbildung der Sonntagsschullehrer mit der Entwicklung nicht mehr Schritt halten konnte, da ist dann die Zoi-Katechese tatsächlich vielfach in erbauliche Bibellese und oberflächliche Morallehre abgesunken. Die dreibändige orthodoxe Dogmatik von Trembelas, die in den Jahren 1959 bis 1961 erschienen ist, war hinsichtlich der Schulung der Sonntagsschulkatecheten und der Jugenderzieher leider ein wenig zu spät gekommen. Die tiefere Ursache für das Absinken der Zoi-Katechese aber ist wohl in den Zoi-Trägern selber zu suchen. Denn sie haben schon die Voraussetzungen für eine sachgerechte Vermittlung orthodoxen Glaubens, die „Höhe der Gedanken und des Lebens", teilweise gar nicht mehr mitgebracht: „Welch ein großes und schwieriges Problem ist es, der Jugend das Dogma beizubringen, und was verlangt dies an Voraussetzungen und an einer Höhe der Gedanken und des Lebens. Wie leicht ist es andererseits, anstelle eines lebendigen Christentums, eines persönlichen trinitarischen Gottes, anstelle von Mysterien und christlichem Leben eine christliche Ideologie vorzutragen, eine unpersönliche Gottesidee, einige magisch verstandene oder unverstandene Dinge, wie leicht, mit Anstand um die Dinge herumzugehen oder eine Pflichtenlehre zu bringen mit hohen Prinzipien über die Pflicht und die Ideale." 2 8 Ganz entschieden wird darum von den jungen und kritischen Theologen die Rückkehr zur dog28

100

G. Tsananas, Die Krise der Katechetischen Schule, S.4 (griedi).

matischen Theologie und eine dogmatische Grundlegung der gesamten katechetischen Arbeit gefordert, denn „Das Dogma ist unser Leben und tränkt unsere Existenz . . ." 2 9 7. Prophetische Verantwortung. Der erste Teil des Buches „Ehrlich mit der Orthodoxie!" von Christos Jannaras trägt den Titel „Die Krise der Prophetie". Prophetie wird darin verstanden als die Fähigkeit, der gegenwärtigen Zeit jeweils das zu sagen, was not tut. Sie sei nicht Voraussage kommender Dinge, so heißt es, sondern Ansage der historischen Verpflichtung, nicht Zukunftsschau, sondern Gegenwartsinterpretation. „Das Wesen der Prophetie ist nicht die Ankündigung von Ereignissen, die einmal eintreffen werden, sondern das Verständnis des Weges der Geschichte und der konkreten historischen Pflicht, die damit in jedem Augenblick verbunden ist." 3 0 Nach ihr habe sich das Tun der Kirche zu richten. Mit ihr stehe und falle die Erfüllung des Apostolates der Kirche. Wo nun die Theologie die Gegenwart nicht mehr in solcher Weise bewältige, da sei die Krise der Prophetie eingetreten, und infolge davon gerate auch die Kirche in eine Krise. Das sei im modernen Griechenland bereits geschehen. Das Problem der Prophetie wird hier zum Existenzproblem der Kirche. „Die Krise der Prophetie ist das zentrale Thema der gegenwärtigen Stunde. Die griechische Orthodoxie steht der konkreten historischen Zeit gegenüber fremd da. Ihre große Unfähigkeit besteht darin, daß sie die Forderung der Geschichte für den gegenwärtigen Augenblick nicht auslegt." 80 Unter der Türkenherrschaft z.B. habe die Kirche ihre historische Verantwortung erkannt und diese 400 Jahre hindurch mit Erfolg wahrgenommen, nämlich das nationale Erbe und die orthodoxe Tradition zu bewahren. Nach der Befreiung jedoch sei sie ohne „historische Perspektive" geblieben. „Darum hat die griechische Orthodoxie nun schon 130 Jahre lang ihren historischen Schwebezustand zu verdecken versucht mit einer unbegründeten Verlängerung ihres nationalen Werkes . . . Und das Ergebnis dieses Schwebezustandes ist die Unfähigkeit der Kirche, den heutigen Griechen zu einer zeitgemäßen politischen Verwirklichung zu führen. Die Orthodoxie hat überhaupt keine Möglichkeit, mit dem modernen Menschen zu reden. Ihre eigene Sprache, das Wort der Theologie und der Offenbarung, hat sie verleugnet und sie durch einen nationalistischen Verbalismus und eine Ethik ersetzt." 31 Diesem Ausweichen in einen nationalen und moralischen Aktivismus, an dem die Zoi nicht unwesentlichen Anteil hat, soll nun ein Ende gesetzt werden. Die jungen Theologen drängen wieder auf eine prophetische 29 J0 31

E . Mastrojannopoulos, Orientierungen, S. 117 (griech). Chr. Jannaras, Ehrlich mit der Orthodoxie!, S. 17 (griedi). Ebenda S . 4 2 f (griedi).

101

Verantwortung der Theologie, die der Kirche ihre konkreten Aufgaben zuweist. Dadurch soll die Kluft zwischen Kirche und modernem Menschen und die zwischen Kirche und gegenwärtiger "Welt, die von der Zoi-Bewegung nicht überbrückt werden konnten, wieder geschlossen werden. 8. Eschatologischer Horizont. Am Rande erst, aber konsequent die prophetische Perspektive fortführend, taucht im Denken der jungen Theologen das Thema der Eschatologie auf. Und zwar christologisch unter dem Stichwort des „Wiederkommenden": „Die prophetische Pflicht der heutigen Christen besteht nicht allein in der Teilnahme an der Wegbereitung der neuen Welt, sondern auch darin, ihr die Botschaft von der Befreiung aus den Fesseln der Vergänglichkeit zu verkünden und sie mit der Hoffnung auf den Kommenden zu erfüllen." 32 Damit findet eine sachgerechte Korrektur des bei Jannaras zu einseitigen, wenn nicht gar falschen Verständnisses kirchlicher prophetischer Verantwortung statt. In der Zoi-Bewegung war die eschatologische Enderwartung auf den wiederkommenden Christus verlorengegangen. Zwar wurde das Dogma von der Wiederkunft Christi weiterhin tradiert, aber weder in der Frömmigkeit noch im theologischen Denken der Zoi lebendig erhalten. Die Ethisierung des Glaubens hatte alle Gedanken auf die zwischenmenschlichen Beziehungen ausgerichtet und die Ideologisierung der Theologie alle Zukunftshoffnungen an die Vision der neuen griechisch-christlichen Zivilisation geheftet. Damit war eine Eschatologie, die über den innerweltlichen Rahmen hinausging, unmöglich geworden: Nun soll die Rückkehr zur Vätertheologie auch diese Verkürzung aufheben und Theologie und Kirche wieder in einen endzeitlich-eschatologischen Horizont stellen. Allerdings ist diese eschatologische Weitsicht erst selten anzutreffen. Aber das ist wohl auch der Vätertradition gemäß. Stand doch in ihr die Tiefe der asketischen Mystik und die Höhe der dogmatischen Spekulation mehr im Dienst einer Entfaltung und Apologie der kirchlichen Glaubenslehre als im Dienst biblisch-eschatologischer Zukunftshoffnung. Die Kirchenväter hatten ihre Theologie mehr unter dem Gesichtspunkt einer präsentischen Eschatologie als unter dem einer endgeschichtlichen Eschatologie entwickelt. In der Erlösungslehre jedoch gewann die Eschatologie wesentliche Bedeutung und in dieser, als die „Befreiung aus den Fesseln der Vergänglichkeit", ist sie auch von den jungen Theologen wieder aufgenommen worden. 9. Doxologischer Charakter. Die Bemühungen der Zoi, Glauben und wissenschaftliche Forschung wieder zur Harmonie zu führen und diese Harmonie zur Grundlage der angestrebten Zivilisation zu machen, hat die Theologie sehr stark auf die Ebene positivistischer Wissenschaftlichkeit 32 J.Mainas, Die Möglichkeiten einer christlichen Anwesenheit, S . 2 1 0 (griech); dt. s. im Dokumentarteil, S. 152.

102

verlagert, sie deren Prinzipien und Methoden ausgeliefert und sie darum auch in ihrer Zielvorstellung nicht über den von der neuzeitlichen säkularen Wissenschaft gestellten Rahmen hinauskommen lassen. Mit dem missionarischen Elan der Anfangszeit und mit unermüdlichem apologetischen Eifer versuchte die Wissenschaftlervereinigung in ihren vielfältigen Aktionen zwar den gesamten Bereich der modernen Wissenschaft zu erobern, das Ergebnis war jedoch nicht die erwünschte Christifizierung der Gesellschaft, sondern die Verkürzung der Theologie auf eine verwissenschaftlichte Apologie. Was im Anfang der Zoi-Bewegung als befreiender Aufbruch aus Erstarrung und Verfälschung erlebt worden war, das führte schon innerhalb einer Generation zu neuer Verfälschung und neuer Erstarrung. Der Grundcharakter orthodoxer Theologie als einer ortho-doxia, einer rechten Preisung Gottes aufgrund des Inkarnationsmysteriums, ist dabei aus den Augen verloren worden. Die Rückkehr zur Vätertheologie soll nun auch hierin die Verfälschung der Theologie rückgängig machen. „Die systematische Theologie hat ihre Bestimmung vergessen, sie ist in gewissem Sinne in ein philosophisches oder ethisches System verwandelt worden und hat im allgemeinen die Größe der Väter verloren, die Einfachheit und zugleich die Tiefe des theologischen Denkens, das eben nicht zur Verteidigung irgendeines theoretischen Systems und seiner theologischen und wissenschaftlichen Grundlegung betrieben werden soll, sondern im Heiligen Geist empfangen wird, in der Erneuerung des Lebens und Denkens und zur Ehre Gottes." 3 3 In seinem Beitrag „Die Theologie als Wissenschaft und Doxologie" stellt Nikolaos N . Nissiotis, Professor für orthodoxe Theologie in Athen und Direktor des ökumenischen Institutes in Bossey/Genf, in dem ZoiSymposion „Theologie" ausführlich und eindrücklich die Verfälschung orthodoxer Theologie in eine moderne Wissenschaft dar und ruft sie zur Weise der Väter zurück, die die Theologie als Doxologie Gottes trieben. „Die wahre Theologie, im Sinne der Väter, fängt mit dem Ende der wissenschaftlichen Seite der Theologie an . . . Philosophie ist die Erforschung des vollkommen unbekannten Seins, Theologie aber ist das Wort der göttlichen Doxa, wie es im Fleisch und in der Geschichte offenbart worden ist und außerdem jeden Augenblick durch den Geist in der kirchlichen Gemeinschaft offenbart wird. Also können wir sagen, daß die Doxa Gottes die Basis und das Kriterium der nicht wissenschaftlichen, aber wahren Theologie ist." 3 4 Der doxologische Charakter orthodoxer Theologie gewinnt hier fundamentale Bedeutung. Die doxologisch bestimmte Theologie der Väter, wie sie die jungen Theologen wieder fordern und zu treiben beginnen, 3 3 Nikolaos Nissiotis, Die Theologie als Wissenschaft und Doxologie, in: Theologie, Wahrheit und Leben, S. 180 (griedi). 34 Ebenda S.184 u. 185.

103

steht der verwissenschaftlichten Theologie gegenüber, wie sie in der ZoiBewegung zur Herrschaft gelangt ist. Die theologische Neubesinnung soll diese überkommene Theologie aus ihrer philosophisch bestimmten Verwissenschaftlichung befreien und sie wieder zu der in der Inkarnation gegründeten Doxologie zurückführen. C) Bewältigung der modernen

Welt

In Erfüllung der „prophetischen Pflicht" sieht sich die junge Generation vor die Aufgabe gestellt, die Probleme der modernen Zeit aktiv aufzugreifen. „Angesichts der Probleme, die der rasche soziale Wandel erzeugt, hat die heutige junge orthodoxe Generation eine dreifache Pflicht zu erfüllen, die den einzigen Weg für die Grundlegung eines lebendigen Glaubenszeugnisses vor der Welt darstellt: a) den Dialog mit der Vergangenheit, . . . b) die Beteiligung am Kampf um die Lösung der Probleme des raschen sozialen Umbruchs . . . und c) die Ausrichtung auf den Kommenden." 3 5 Zwischen dem Traditionsproblem auf der einen Seite und dem Problem der Eschatologie auf der anderen steht das Problem der modernen Welt. Die junge orthodoxe Theologengeneration Griechenlands ist aufgebrochen, sich der Moderne zu stellen. Die Zoi-Bewegung war durch die Beschränkung auf eine zwischenmenschliche Frömmigkeit und die Fixierung auf eine „christliche Weltanschauung" immer unfähiger geworden, die Herausforderungen der neuen Zeit in Griechenland zu bewältigen. Durch Verneinung, Ablehnung und Bekämpfung des Neuen geriet sie bald in die Defensive und schließlich in die Isolation. Die Säkularisierung und der Prozeß des sozialen Umbruchs zogen dann auch über sie hinweg in Griechenland ein. Auch der gescheiterte Reformversuch erwies, daß die Zoi von innen heraus nicht mehr in der Lage ist, die Auseinandersetzung mit der Moderne aufzunehmen. Mit der Revolution von 1967 ist diese Unfähigkeit auf die neue Kirchenführung übergegangen. Zwar hat diese bereits einzelne Reformen durchführen können, ist aber insgesamt auf einem reaktionären Kurs verblieben. Steht doch hinter Erzbischof Hieronymos Kotsonis als sein persönlicher Berater und enger Freund Tsirindanis mit seiner bekannten Weltanschauung einer „griechisch-christlichen Zivilisation". Anfang 1968 z.B. fand eine erste Kontaktversammlung zwischen der neuen Athener Kirchenführung und den Lehrern Griechenlands statt. In dieser Versammlung lobte Erzbischof Hieronymos im Namen der orthodoxen Kirche und des griechischen Volkes das Werk der Lehrer, sicherte ihnen in ihrer nationalen Mission weiterhin die volle Unterstützung der Kirche 3 5 J. Mainas, Die Möglichkeiten einer christlichen Anwesenheit im heutigen Griechenland, S. 208 f (griech); dt. s. im Dokumentarteil, S. 151.

104

zu und ließ dann von Tsirindanis ein Grundsatzreferat über die Problematik gegenwärtiger Jugenderziehung halten. In diesem Vortrag ruft Tsirindanis — unter dem Eindruck, daß die Kirche Griechenlands dabei ist, die Jugend völlig zu verlieren — noch einmal mit aller seiner geistigen Kraft die Erzieher zur Rettung der Jugend auf. Hier entfaltet sich noch einmal in aller Breite und Öffentlichkeit und im Namen der orthodoxen Kirche griechisches Sendungsbewußtsein. Geschichte und Tradition gäben dem griechischen Volk unter den anderen Weltvölkern eine einzigartige und hervorgehobene Stellung, denn in ihm seien die „ewigen Werte" für die Gesamtheit aufbewahrt. Griechenland trage sie durch die Jahrhunderte, bis sich ihnen die ganze Menschheit zuwenden werde. Griechenland sei „die Arche der ewigen Werte inmitten der Sintflut allgemeinen geistigen Verfalls" 3 6 . Mit solchen Perspektiven hat sowohl die Zoi als nun auch die gegenwärtige griechische Kirchenführung die Realität aus den Augen verloren. Der „Monolog der Selbstverherrlichung" 37 macht sie unfähig zum Dialog mit der Realität. Im Gegensatz zu dieser nationalistisch und weltanschaulich bestimmten offiziellen Kirchenpolitik faßt die junge Theologengeneration eine nüchterne Auseinandersetzung mit der gegebenen Wirklichkeit ins Auge. Das führt sie aber zum Zusammenstoß mit dem kirchlichen Establishment und überhaupt mit der bestehenden Ordnung und dem ihr zugrundeliegenden Weltverständnis. „Die Anpassung der griechischen Gesellschaft an die neuen Gegebenheiten der technologischen Entwicklung nimmt unter den jüngeren Menschen die Form eines Zusammenstoßes mit der bestehenden geistigen Ordnung an, die der Situation nur mit einer sterilen Verneinung ohne jegliche ideologische Erneuerung begegnet." 38 Anstatt das Christentum zur tragenden Grundlage und zur führenden Macht in der gesellschaftspolitischen Entwicklung machen zu wollen, wird von den jungen Theologen jetzt nur noch von einer „christlichen Botschaft" 38 gesprochen, die es im sozialpolitischen Wandel auszurichten gelte. Ein Zug der Ernüchterung geht durch die junge Generation. Sie beginnt, sich von den Uberzeugungen ihrer Väter zu emanzipieren und den Realitäten aufgeschlossener gegenüberzustehen. Die jungen Theologen verstehen ihren Glauben nicht mehr als die Lösung aller Probleme und ihre Theologie nicht mehr als die einzig mögliche Basis kultureller Entfaltung, sondern fragen danach, welche Rolle die Kirche in der modernen Gesellschaft zu übernehmen habe. 3 8 Α. N . Tsirindanis, Zur geistigen Heranbildung unserer Jugend, hrsg. vom Erzbistum Athen, mit einem Vorwort von Erzbischof Hieronymos, Athen 1968, S. 15 (griech). 3 7 D . Tsakonas, Geist und Gesellschaft in Griechenland, S. 130. 3 8 J . Mainas, Die Möglichkeiten einer christlichen Anwesenheit im heutigen Griechenland, S.209 (griech); dt. s. im Dokumentarteil, S. 152.

105

Zusammenfassung „Die schöpferische Synthese der Vergangenheit mit der Gegenwart ist das brennende Problem der heutigen orthodoxen Generation, die zur Wiedergeburt berufen ist, um bei der Wiedergeburt der ganzen Welt zu helfen." 3 9 Zu einem zweiten Mal setzt die griechische Kirche — nun in den jungen Theologen — zu einer „schöpferischen Synthese der Vergangenheit mit der Gegenwart" an. Eben das hatte auch die Zoi-Bewegung gewollt, aber offensichtlich nicht erreicht. Denn anstatt den Geist der Kirchenväter und die ursprüngliche, apostolische Tradition in eine Synthese mit dem modernen Geist zu führen, lief die Entwicklung in eine immer tiefer werdende Kluft zwischen Vergangenheit und Gegenwart hinein. Die Zoi klammerte sich an ein konstruiertes monolithisches Bild der Vergangenheit und verlor darüber sowohl die Kontinuität mit dieser unerkannt gebliebenen Vergangenheit als auch den Kontakt mit der von der Säkularisation erfaßten Gegenwart. Zudem noch fixiert an ein verführerisches Traumbild eines neuen griechisch-christlichen Staatswesens war sie unfähig geworden sowohl zur Erkenntnis der Vergangenheit als auch zum Verstehen der Neuzeit. Die Zoi hatte nicht die geistige Kraft, Vergangenheit und Gegenwart zu durchschauen und sich selbst kritisch gegenüberzutreten. So blieb sie in einem gegenwartsfremden Aktivismus stecken, ohne die Aufgabe einer „schöpferischen Synthese" befriedigend lösen zu können. An diesem Punkt setzte die junge Theologengeneration ein, um mit demselben Vorhaben noch einmal zu beginnen, dem Versuch einer „schöpferischen Synthese" von Vergangenheit und Gegenwart. Sie sieht sich dabei in folgendem Dilemma: „entweder der Unterordnung unter fremde Methoden theologischen Denkens oder der Erstarrung innerhalb alter Denkstrukturen" 40 . Zoi-Führung und Universitätstheologie zeigen das gleiche Bild: in den grundlegenden, dogmatisch relevanten Fragen waren sie in alten Denkstrukturen stehengeblieben und in den sekundären Einzelfragen, praktischen und historischen Problemen unter den Einfluß westeuropäischer Methodik geraten. Aus dieser Erstarrung und Überfremdung will die junge Generation die Theologie nun befreien und in entschiedener Rückkehr zur Vätertheologie den gordischen Knoten der komplexen theologischen Problematik mit einem Schlage lösen. Mit der Wiederaufnahme der Vätertheologie, in der sie das Wesen orthodoxer Theologie als der allein wahren christlichen Theologie beschlossen sehen, meinen sie, die orthodoxe Theologie, die griechische Kirche und die ge3 9 J . M a i n a s , Die Abwesenheit des Parakleten, in: Synoro N r . 3 7 , Frühjahr 1966, S. 31 (griech). 4 0 Ebenda S . 3 1 (griech).

106

samte ökumenische Bewegung aus ihren gegenwärtigen Krisen herausführen zu können. Das ist das anspruchsvolle Programm der jungen Theologen, die sich um eine „neo-patristische Theologie" sammeln. Wird die junge Theologengeneration dieses Ziel erreichen? Gegenüber der Zoi hat sie jedenfalls einen bedeutsamen Vorteil: sie hat die Notwendigkeit und die wesentliche Funktion dogmatischer Theologie erkannt. Sie ist frei von jeglichem „Antidogmatismus", der der Zoi-Bewegung zum Verhängnis wurde. Von ihr, die in die moderne wissenschaftliche Methode eingeübt ist, wird man auch eine gründlichere und sachgerechtere Erforschung der immer noch verklärten Vergangenheit der eigenen Kirche erwarten können. Aber eine neue Gefahr scheint sich abzuzeichnen: die Tendenz zu einem antiwestlichen Komplex. Jeglicher westliche Einfluß wird von der jungen Theologengeneration als verderblich angesehen. Er verhindere die eigenständige Entfaltung und zerstöre das echte griechisch-orthodoxe Wesen. Dabei lebt man aber vom Anschluß an den Westen und möchte weder in der Technik noch in der Wirtschaft, weder in der Wissenschaft noch in der Theologie auf westliche Errungenschaften verzichten. Statt in eine sachgerechte und kritische Auseinandersetzung mit dem Westen einzutreten, gibt man sich weithin noch kurzschlüssiger pauschaler Verurteilung hin. Damit aber steht man aufs neue mitten in der Gefahr, die Verbindung zur Gegenwart zu verlieren, die bereits unwiderruflich von westlichem Geist durchdrungen ist. Es bleibt dann nur die Rückwendung zur Vergangenheit übrig, womit der Versuch einer „schöpferischen Synthese" wiederum scheitern würde. Die Tabuisierung des Dogmas ist aufgehoben, aber nun droht eine Absage an die westliche Theologie. Die einseitige, überschwengliche Glorifizierung der Kirchenväter und ihrer Zeit ist dafür bereits ein Symptom. Wieder droht der alte griechische Provinzialismus und der enge orthodoxe Konfessionalismus zur Herrschaft zu gelangen und auch die junge Generation in einem wirklichkeitsfremden Wunschbild gefangenzuhalten. Allein die Erkenntnis und die Überwindung dieser Gefahr geben die Möglichkeit für einen Durchbruch zur Gegenwart, der so sehnlichst erwünscht wird und der für die gegenwärtige griechische Kirche zu einer Existenzfrage geworden ist. Nicht, daß westliche Überfremdung keine Gefahr für die orthodoxe Theologie bedeuten könnte. Aber mit bloßem Fahrenlassen aller westlichen Theologie und Methodologie wird das Problem nicht gelöst. Die orthodoxe Theologie würde sich dadurch wieder isolieren und stagnieren. Heute kann eine Erneuerung orthodoxer Theologie schwerlich ohne die Auseinandersetzung mit westlicher Theologie in Angriff genommen werden. Zur Erneuerung führt nicht die Isolation, sondern der Dialog, nicht das Fahrenlassen, sondern die kritische Auseinandersetzung, nicht die Ablehnung, sondern die 107

Uberwindung und Weiterführung westlicher Theologie. Der Rückgang zur Tradition der Väter kann nur Ausgangspunkt sein für eine dialogische Begegnung und kritische Auseinandersetzung. Davon aber sind die jungen Theologen in Griechenland, die sich unter dem Programm der Rückkehr zur Vätertheologie sammeln, noch entfernt. Welche Grundsatzfragen bei solcher dialogischen Begegnung bedacht werden müssen und vor welchen Problemen und zugleich Verheißungen die griechische Theologie angesichts dieser Aufgabe steht, soll im folgenden angedeutet werden. Dabei wird zugleich auch der Rahmen für eine theologisch adäquate Beurteilung der Zoi-Bewegung gewonnen werden, die bis heute noch aussteht.

108

IV. Tradition und Geschichte als ekklesiologisches Problem Einführung: Die griechische Theologie an der Wende vom altkirchlichen zum neuzeitlichen Denken Eine Unruhe hat sich der jungen Theologen Griechenlands bemächtigt. Sie leiden an der Kraftlosigkeit und Geistlosigkeit ihrer Kirche, sie leiden an der Schwäche und an dem Versagen ihrer Theologie gegenüber den Problemen des modernen Menschen, sie leiden an der Unfähigkeit gegenwärtiger Orthodoxie, die Fragen der Zukunft zu bewältigen. Leidenschaftlich beginnen sie bereits, die „Erstarrung innerhalb alter Denkstrukturen" und die „Verwestlichung" neugriechischer Theologie zu kritisieren. „Der heutige orthodoxe Theologe findet sich hinsichtlich der Durchführung seiner Aufgabe vor dem Dilemma entweder der Unterordnung unter fremde Methoden theologischen Denkens oder der Erstarrung innerhalb alter Denkstrukturen, die dem heutigen Leben fremd und dem modernen Menschen, für dessen Heil er Verantwortung übernimmt, unverständlich sind und ihn abstoßen." 1 Programmatisch wird eine neue Theologie gefordert. „Laßt uns aufbrechen von dem ,Gestern' der griechischen orthodoxen Theologie. Denn allein so wird es möglich sein, daß wir uns über das Heute bewußt werden und über die Zukunft reden können." 2 Die Gegenwart zu erfassen und die Zukunft zu bestehen, wird den jungen Theologen zum brennenden Problem, das ihnen aber mit der bisherigen Theologie zu lösen unmöglich erscheint. Demgegenüber sehen die Sachwalter der offiziellen griechischen Theologie diese keineswegs unter fremdem Einfluß stehend. Im Gegenteil: „Wir kehren zur heiligen Tradition der Orthodoxen Kirche zurück und sagen, daß wir gerade dem starren Verharren bei der Orthodoxie den Schutz der autokephalen Kirche Griechenlands vor allen den verderblichen Einflüssen, die das Eindringen der westeuropäischen Kultur in das befreite Griechenland mit sich brachte, verdanken und besonders audi die Bewahrung der neugriechischen Theologie vor jedem schädlichen Einfluß der heterodoxen Theologien, und zwar sowohl des westlichen Liberalismus und Modernismus wie auch der westlichen Philosophie und Spekulation. In die griechische Theologie fanden sie keinen Eintritt, wie es J . M a i n a s , Die Abwesenheit des Parakleten, S . 3 1 (griedi). Demetrios Chr. Trakatellis, Unsere Theologie gestern und morgen, in: Theologie, Wahrheit und Leben, Athen 1962, S.220 (griedi). 1

2

109

leider — nach dem Zugeständnis russischer Theologen — in der russischen Theologie der Fall w a r . " 3 Diese gegensätzliche Beurteilung der neugriechischen Theologie offenbart eine Spannung zwischen den Generationen, die — wie heute überall in der Christenheit — an der Frage des Verhältnisses der Kirche zur Welt entsteht, an dem Problem der Kontinuität der Tradition in der Gegenwart. Während die ältere Generation in dem „starren Verharren" beim alten Denken die Treue zur Tradition erblickt und von dorther weithin zur Ablehnung der Neuzeit gezwungen wird, steht die jüngere Generation bereits mitten im Sog neuzeitlicher Wandlungen und erblickt die Treue zur Tradition gerade im Eingehen auf die Wandlungen der Zeit und in der Solidarisierung der Kirche mit den Problemen des modernen Menschen. „Teilnahme am Kampf und an der Anstrengung des Menschen und Teilnahme an seinem historischen Schicksal waren schon immer Kennzeichen der Tätigkeit der Orthodoxen Kirche." 4 Eine Umorientierung beginnt sich abzuzeichnen, ein neues Bewußtsein sich anzukündigen. Nicht mehr allein der Blick auf den Ursprung ist jetzt maßgebend, sondern ebenso auch der Blick auf die Gegenwart und die Zukunft. Nicht mehr nur die Herkunft prägt das Denken, sondern auch die Hinkunft. Geschichte erhält ekklesiologische Relevanz. Ihr gegenüber gilt es jetzt nicht mehr, sich abzuschließen, weil sie den Glauben bedroht, sondern sich ihr zu öffnen, um in ihr den Glauben zu bewähren. Aus einer defensiven und reaktionären Haltung gegenüber der Geschichte wird eine offensive und integrierende. In der jungen Generation äußert sich ein Engagement für die Welt, für die neue Zeit, ein Einsatz für die Zukunft, wie es orthodoxem theologischen Denken bisher fremd gewesen ist. Das altkirchliche Denken, das vorrangig auf Bewahrung der Tradition vor der Wandlungsmacht der Geschichte ausgerichtet war, weicht dem neuzeitlich theologischen Denken, das sich auf das immer neue Eingehen der Tradition in die Geschichte ausrichtet. In der Zoi-Bewegung kündigte sich dieser Umschwung bereits an. Ihre Traditionswandlungen zeugen von einer schon teilweisen Umorientierung theologischen Denkens. So rückt der Mensch stärker in den Mittelpunkt und eine Zukunft wird projektiert. Jedoch blieb die Zoi im Grunde noch konservativ. Ihre Modernität blieb peripher. Die Zoi-Bewegung stellt zwar ein neuzeitliches System dar, ist aber noch mit altem Geist erfüllt. Deswegen wurde sie in dem Augenblick kraftlos und versagte vor der Geschichte, als die Stunde der ernsthaften geistigen Auseinandersetzung geschlagen hatte. Ihre individualisierende Verkürzung des Glaubens und ihre provinzialistische Zukunftsutopie machten sie unfähig, die KonP . Bratsiotis, D i e geistigen Strömungen, S. 51. J a k o b M a i n a s , D i e Möglichkeiten einer christlichen Anwesenheit Griechenland, S . 2 0 9 (griech); dt. s. im D o k u m e n t a r t e i l , S. 152. 3

4

110

im

heutigen

frontation mit der Moderne zu bestehen. Doch die Leidenschaft für den Menschen war entbrannt, die Kraft orthodoxer Tradition in neuen Formen erfahren worden. Die Gärung in der Theologie hatte eingesetzt. Die jungen kritischen Theologen kommen zu einem großen Teil von der Zoi-Bewegung (nicht: Zoi-Bruderschaft!) her. An sie ist der Erneuerungselan der Zoi übergegangen. Sie versuchen jetzt, die geistige Auseinandersetzung von der unverkürzten Tradition aus zu führen und so der Neuzeit besser gerecht zu werden, als es der Zoi aufgrund ihrer Voraussetzungen möglich gewesen war. Doch kann auch bei ihnen noch nicht von einem Durchbruch zum zukunftsbestimmten neuzeitlichen Denken gesprochen werden. Erst nur ein Ahnen ist vorhanden, und ein noch nicht bewußtes Getriebenwerden von dieser Frage zeigt sich an. So enthält z.B. der Aufsatz über „Die Möglichkeiten einer christlichen Anwesenheit im heutigen Griechenland" von Jakob Mainas einen Schlußabschnitt mit der Überschrift „Die Ausrichtung auf den Kommenden" 5 . Von einer Ausrichtung auf den Kommenden jedoch ist darin nicht die Rede. Es wird im Gegenteil im Rückblick auf die Auferstehung Christi von der „prophetischen Pflicht" gesprochen, der im Kommen befindlichen Welt „die Botschaft von ihrer Erlösung aus den Fesseln der Vergänglichkeit zu sagen", und dann lediglich mit den Worten abgeschlossen: „ . . . und sie mit der Hoffnung auf den Kommenden zu erfüllen." Keine nähere Ausführung dieses Gedankens, der immerhin als so wichtig empfunden wurde, daß er über den gesamten Schlußabschnitt gesetzt wurde, kein Hinweis auf den Reichtum neutestamentlicher Zukunftsverheißungen, kein Wort über die so reiche christliche Lehrtradition von der Wiederkunft Christi. — Die griechische Theologie steht erst an der Wende zum neuzeitlichen Denken. A) Metaphysisches und geschichtliches

Traditionsverständnis

Noch steht die griechische Theologie im Banne des metaphysischen Traditionsverständnisses, das das gesamte dogmatische System der Ostkirche prägt. Nach ihm ist das Dogma eine übernatürliche, meta-physische Größe von ewiger Wahrheit und zeitloser Gültigkeit. Es ist die von Gott geoffenbarte Wahrheit selber. „Deshalb werden auch die die Lehre konstituierenden orthodoxen Dogmen als von Gott her geoffenbarte Wahrheiten bezeichnet — und darum haben sie auch göttliche, absolute, ewige und für alle Gläubigen verpflichtende Gültigkeit." 6 Inhaltlich bestimmt wird diese metaphysische Größe durch die Glaubenslehre der Alten Kirche. Als Dogmen werden nämlich nicht allein die Siehe im Dokumentarteil, S. 152. J. N . Karmins, Abriß der dogmatischen Lehre der Orthodoxen Katholischen Kirche, in: Die Orthodoxe Kirche in griechischer Sicht, 1. Teil, Stuttgart 1959, S. 16. 5

6

111

von den ökumenischen Synoden offiziell formulierten Glaubenslehren angesehen, wie das christologische und das trinitarische Dogma, sondern die orthodoxe Theologie lehrt, „daß auch alle anderen theoretischen Glaubenswahrheiten, welche von der heiligen Schrift und der heiligen Uberlieferung gelehrt und von alters her den Gläubigen seitens der Kirche zur Annahme vorgelegt wurden, stets als Dogmen unwiderlegbar in Kraft waren" 7 . Die gesamte altkirchliche Glaubenslehre hat danach dogmatischen Rang, metaphysischen Charakter, zeitlose Gültigkeit. Und da die Dogmen als Gottes Offenbarung verstanden werden, ist es konsequent, wenn sie mit der Christusoffenbarung identifiziert werden: „Die Dogmen sind nämlich die in Jesus Christus geoffenbarten göttlichen Wahrheiten." 8 Das, was es festzuhalten und zu tradieren gilt, die einmalige historischeschatologische Offenbarung Gottes in Jesus Christus, ist in der Ostkirche zu einem System „theoretischer Glaubenswahrheiten" entkonkretisiert und damit ihrer Geschichtlichkeit entzogen worden. Der Inhalt der geschichtlichen Offenbarung wurde zu einer Summe von dogmatischen Lehren. Fortan ging es der orthodoxen Kirche um die Bewahrung dieser Summe von Glaubenswahrheiten, um die Tradierung dieses Systems dogmatischer Tradition. Und die orthodoxe Kirche rühmt sich, darin untadelig gewesen zu sein: „Die dogmatische Lehre der Orthodoxen Katholischen Kirche ist mit der alten, einigen und ungeteilten Kirche identisch und blieb durch alle Jahrhunderte hindurch unversehrt und unverfälscht in der Orthodoxie erhalten." 9 Dieser in der orthodoxen Theologie zur Herrschaft gelangte metaphysische Traditions- und Wahrheitsbegriff gehört dem antiken Weltund Wirklichkeitsverständnis an, in dem die Alte Kirche lebte. Ihre Bindung an die apostolische Tradition als an ihren Ursprung hatte sie damals auf solche Weise zeitgemäß vollzogen und damit hinsichtlich der Bewahrung und Reinerhaltung des christlichen Glaubens eine Entscheidung von historischem Rang gefällt. Jedoch ist mit der „Verewigung" des orthodoxen Dogmen-Kanons faktisch auch das ihm zugrundeliegende Traditionsverständnis verabsolutiert worden. Das mußte sich in dem Augenblick als Verhängnis auswirken, in dem das antike Weltbild zu wanken anfing. Dieser Augenblick war mit dem Einbruch der Neuzeit gekommen. Hatte bis dahin das statische Weltbild der Antike zumindest in der Kirche uneingeschränkte Gültigkeit behalten, so begann mit den sich aus der Vormundschaft der Tradition emanzipierenden Wissenschaften eine stete Destruktion des antiken Weltbildes. Ein neues, dynamisches Weltbild entstand, ein neuer, exakter Wissenschaftsbegriff wurde entwickelt, ein 7 8

112

J. N . Karmiris, Abriß der dogmatischen Lehre, S. 17. 9 Ebenda S.20. Ebenda S. 15.

neues, säkulares Wirklichkeitsverständnis setzte sich durch, und an die Stelle des alten, metaphysisch bestimmten Denkens trat das neuzeitliche geschichtsbewußte Denken. Auch die dogmatische Tradition geriet — zunächst in der westlichen Theologie — durch das geschichtliche Denken in eine revolutionäre Umwertung hinein und unter die historische Perspektive. Sie konnte nun nicht mehr als unantastbare Wahrheit übergeschichtlichen Charakters angesehen werden, sondern wurde wieder in ihren ursprünglichen historischen Zusammenhang hineingestellt. Sie konnte nicht mehr als eine absolut gültige Lehre metaphysischen Charakters verstanden werden, sondern wurde durch die historische Forschung als eine historische Glaubensentscheidung enthüllt. Es zeigte sich sogar, daß die dogmatische Tradition überhaupt erst aus ihrem geschichtlichen Kontext heraus sachgemäß zu verstehen ist und daß jegliche Herauslösung aus diesem Zusammenhang eine Veränderung in ihrem Wesen mit sich bringt. „Auch das Dogma kann als inhaltliche Aussage nur dann richtig verstanden werden, wenn es zugleich als geschichtlicher Akt des Aussagens ernstgenommen wird." 1 0 Die Geschichtlichkeit der Dogmen also wurde erkannt, die Geschichtlichkeit aller dogmatischen Tradition durch das neuzeitliche historische Denken erwiesen. Die historische Forschung nahm sich der dogmatischen Tradition an und brachte ans Licht, daß die Identifizierung der orthodoxen Dogmen mit der göttlichen Offenbarung in Jesus Christus historisch nicht haltbar ist, ja, daß sie eine fatale Vereinseitigung und eine Vermischung verschiedener Ebenen darstellt und daher eine strenge Differenzierung zwischen der Offenbarung und ihrer Bezeugung notwendig ist. Es zeigte sich ferner, daß durch die historische Kritik ein neuer Zugang zu den Quellen geschaffen worden war und daß eine neue und schöpferische Begegnung mit ihnen einsetzte. Nun wurde der geschichtlichen Konkretheit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus wieder die Ehre gegeben, und durch das einseitig den himmlischen Christus widerspiegelnde Christusbild hindurch leuchtete wieder der irdische Jesus von Nazareth auf. Die Zoi-Bewegung steht an der Schwelle dieses Überganges vom altkirchlichen zum neuzeitlichen Traditionsverständnis. Einerseits bewahrt sie — darin ist sie konservativ wie die offizielle griechische Theologie — das alte Weltbild und das aus ihr hervorgehende metaphysische Traditionsverständnis. Andererseits aber wird in ihrem Tun schon eine Emanzipation von der absoluten Gültigkeit der überkommenen dogmatischen Tradition sichtbar. Denn wenn sie z.B. an dem orthodoxen Verständnis der Heiligen Schrift vorbeigehend unmittelbar zum Neuen 1 0 Edmund Schlink, Hermeneutik — Denkformen — Verstehen, in: Neue Grenzen, ökumenisches Christentum morgen, hrsg. von Klaus von Bismarck und Walter Dirks, Band 1, Stuttgart 1966, S. 17.

8

Maczcwski, Zoi-Bewcgung

113

Testament zurückkehrt und es außerdem noch von der Erlösungslehre her christozentrisch zur Wirkung kommen läßt, dann ist bereits eine Lösung aus dem festen Gehäuse orthodoxer Tradition vollzogen. Nicht ganz ohne Grund kann und wird die Zoi daher auch von der Basis konservativer Orthodoxie aus als eine „protestantisierende" Bewegung kritisiert und verurteilt. Nach traditioneller orthodoxer dogmatischer Lehre nämlich ist die Heilige Schrift nur von der Tradition her zu verstehen. Die nicht durch die Tradition vermittelte Hinwendung zum Neuen Testament, wie sie die Zoi vornimmt, kommt einer theologischen Revolution gleich. Daß sie auf dem Gebiet des praktischen kirchlichen Lebens so weit schon voranschreiten konnte, kann nur verstanden werden als Folge einer kraftlos gewordenen Interpretation des Evangeliums durch Kirche und bisherige Theologie. Sogar bis in das Zentrum dogmatischer Lehre hinein ist innerhalb der Zoi der Prozeß der Emanzipation von der orthodoxen Tradition vorangeschritten. Vergleicht man z.B. das Christusverständnis der Zoi der Anfangszeit mit dem der traditionellen orthodoxen dogmatischen Lehre, ließe sich fast von einem Bruch sprechen. Er kam nur nicht zum Vorschein, da die Zoi-Bewegung tief im traditionellen orthodoxen Glaubensleben verwurzelt geblieben ist und dogmatisch-theologische Fragen aus ihren Erneuerungsbemühungen bewußt ausgeklammert hat. Schon im Hauptwerk von Pater Eusebios war die Wendung im Christusverständnis vollzogen. Dort erscheint Christus nicht mehr als die geheimnisvolle Einheit aus menschlicher und göttlicher Natur, nicht mehr als die eine Person der göttlichen Trinität, nicht mehr in seiner himmlischen Glorie und in seiner kosmischen Sendung, sondern vorwiegend als der menschliche Idealtypus und als das moralische Vorbild, das bis zur Gleichgestaltung nachzuahmen die Bestimmung des Menschen sei. Diese überstarke Betonung der menschlichen Persönlichkeit Jesu nimmt sich wie ein Gegenschlag aus gegen die Uberbetonung der göttlichen Natur Christi in der offiziellen Tradition. Deshalb entzündete sich — nicht zu Unrecht — gerade an dieser Stelle der Vorwurf der Häresie. Mit der Dogmatik von Trembelas jedoch (1959— 1961 herausgegeben) ist in der Zoi-Bewegung die traditionelle orthodoxe Christologie wieder stärker in das Bewußtsein der Gläubigen gerückt worden, so daß sich die faktische Kluft im Christusverständnis inzwischen wieder geschlossen hat. Desgleichen hat sich die offizielle Kirche aus ihrer Vereinseitigung gelöst und „treibt" jetzt ebenfalls Christus auch nach seiner menschlichen Natur. Die innere Lösung von der Autorität des zuständigen Bischofs seitens weiter Kreise der Zoi — die nicht aus Gründen eines anderen Glaubens, sondern gerade um eben desselben orthodoxen Glaubens willen geschah — weist desgleichen auf kritisches Denken und eine mündige Haltung hin, die innerhalb des traditionellen orthodoxen Glaubenssystems undenkbar 114

ist. Nicht durch Reflexion, aber mit ihrer Praxis hat die Zoi-Bewegung die Wende der griechischen Kirche zur Neuzeit vorangetrieben. Jetzt steht die griechische Theologie vor der Aufgabe, die schon begonnene Wendung auch auf den Gebieten der dogmatischen Theologie und der theologischen Methodologie zu vollziehen.

B) Das Problem der „schöpferischen Synthese" von Vergangenheit und Gegenwart Allgemeiner traditions-theologischer Konsensus besteht in Griechenland darüber, daß es der orthodoxen Kirche nicht um ein blindes Verharren in einer einmal entstandenen Tradition gehen kann, sondern um die immer wieder neue Anpassung an die Gegebenheiten, um ein lebendiges Eingehen in die Zeit, um eine „schöpferische Synthese" von Vergangenheit und Gegenwart. Das wird von der konservativen Seite hervorgehoben, ist Losung der Erneuerungsbewegungen und Ziel auch der progressiven jungen Theologen. „Die Treue zur heiligen Tradition bedeutet in dieser Kirche nicht einfach ein Festkleben an älteren Perioden der Kirche und an einer äußeren Autorität, sondern stellt vielmehr ein lebendiges Band mit der Fülle der kirchlichen Erfahrungen der Vergangenheit dar." 1 1 So formuliert es Bratsiotis als Repräsentant der Konservativen. Uber die Zoi-Bewegung hatte Tsirindanis zusammenfassend geurteilt: „Treuer Bewahrer, aber gleichzeitig auch Neuschöpfer, diese Synthese ist das Charakteristikum der schöpferischen Unternehmung." 1 2 Und von den jungen Theologen ist zu hören: „Die schöpferische Synthese der Vergangenheit mit der Gegenwart ist das brennende Problem der heutigen orthodoxen Generation." 1 3 In gemeinsamer Abwehr der in den westlichen Kirchen vorherrschend gewordenen Auffassung über die orthodoxe Kirche als einer erstarrten Institution wird das dynamische und schöpferische Element der orthodoxen Tradition hervorgekehrt und die ununterbrochene schöpferische Tätigkeit orthodoxer Theologie immer wieder zu beweisen versucht. In der Tat zeigt die bewegte orthodoxe Dogmen- und Theologiegeschichte eine ständige geistige Auseinandersetzung und eine andauernde theologische Aktivität im Gegenüber zu den geschichtlichen Wandlungen und den immer neuen Bedrohungen des christlichen Glaubens. Nur erschöpft sich die „schöpferische Synthese" der Ostkirche meist in der Anpassung der Tradition an die neuen Gegebenheiten und bleibt im Grunde auf eine Repristination der Tradition beschränkt. Nach der großen Zeit der 11 12 13

8*

P. Bratsiotis, Die geistigen Strömungen, S. 50. S. Papakostas, Eusebios Matthopoulos, S. 133 (griedi). J. Mainas, Die Abwesenheit des Parakleten, S. 31 (griedi). 115

Kirchenväter ist es — außer wohl in der neueren russischen Theologie 14 — zu keiner neuen „schöpferischen Synthese" mehr gekommen. Die griechische Theologie jedenfalls verharrt im altkirchlichen Denksystem. Für sie hat mit dem Ende der altkirchlichen ökumenischen Synoden die dogmatische Traditionsbildung ihren Abschluß gefunden. So hat sie sich seither auf bloßes Re-agieren beschränkt. Sie reagierte abwehrend gegenüber den dogmatischen Weiterentwicklungen im Katholizismus und Protestantismus und war allein darauf bedacht, ihr altkirchliches Traditionsgut zu wahren und zu sichern. Dazu war sie von ihrem Traditionsverständnis her geradezu gezwungen. Es hält sich daher in der heterodoxen Welt trotz aller gegenteiligen Beteuerungen weiterhin die Vorstellung lebendig, orthodoxe Theologie sei ihrem Wesen nach unproduktiv und archaisierend. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Orthodoxie keine schöpferischen Kräfte hätte, sondern daß sie noch fest in geistesgeschichtlich bereits überholten Denkstrukturen lebt und den Schritt in die Neuzeit theologisch noch nicht vollzogen hat. Charakteristisch dafür ist ζ. B. schon die Vorstellung von einer „Synthese aus Vergangenheit und Gegenwart". In ihr wirkt sich die allgemeine Eschatologisierung der altkirchlichen Tradition aus. Die dogmatische Tradition der Alten Kirche wird insgesamt als die Offenbarung Gottes angesehen, als die unantastbare ewige Wahrheit, und nun gilt es, diese eine „Vergangenheit", die altkirchliche Glaubenslehre nämlich, mit der Gegenwart zu einer Synthese zu führen. Das aber schafft gerade die orthodoxe Verlegenheit gegenüber der Moderne. Denn weil in der Neuzeit die Voraussetzungen der orthodoxen Glaubenslehre nicht mehr unbestrittene Gültigkeit haben, greift jede bloße Anpassung orthodoxer Tradition an die Gegenwart dort ins Leere, wo sich neuzeitliches Denken bereits durchgesetzt hat. Vor diesem Dilemma steht die Orthodoxie sowohl in Griechenland als auch in der ökumenischen Bewegung, deren geschichtliches Traditionsverständnis sie bislang ablehnen mußte. Läßt sich die orthodoxe Theologie auf die historische Kritik und die neuen Perspektiven jedoch ein und setzt sie sich bis hin zur Dogmatik und Methodologie neuzeitlicher Erneuerung aus, dann wird sie nicht mehr das Ergebnis altkirchlicher Traditionsentwicklung mit der ursprünglichen, apostolischen Tradition unkritisch gleichsetzen können, sondern zwischen der einen, eschatologischen Tradition Jesus Christus einerseits und den sich verschieden daraus entfaltenden dogmatischen Traditionen andererseits unterscheiden lernen. Dann wird sie nicht mehr eine bestimmte „Vergangenheit", sondern die eschatologische Offenbarung in Jesus Christus selber in eine schöpferische Synthese mit der Gegenwart zu führen suchen. Das wird sie dann aus ihren gegenwärtigen Schwierig14

116

R. Slenczka, Ostkirche und Ökumene, Göttingen 1962.

keiten befreien, die im Grunde Schwierigkeiten der Denkstruktur und der theologischen Methode und nicht in der Sache begründete Schwierigkeiten sind. Vermittels historisch-kritischer Durchleuchtung ihres herkömmlichen Offenbarungsverständnisses wird es der orthodoxen Theologie möglich werden, ihre eigene dogmatische Tradition als eine historische zu begreifen, die im Dienst der Christus-Tradition steht und dieser gegenüber relativen Charakter besitzt, so daß sie niemals an deren Stelle treten kann. Solch ein Aufbruch im systematischen Denken könnte der orthodoxen Theologie eine unermeßliche Freiheit geben, mit den ihr gegebenen Gaben und „kirchlichen Erfahrungen" die Christus-Tradition „durch die Jahrhunderte" zu tragen. — Nicht, daß ihre dogmatische Tradition überholt oder irrelevant würde oder gar abzulegen wäre, aber ihr würde eine neue Funktion zugewiesen. Statt einer die Kirche und auch das neutestamentliche Evangelium beherrschenden Rolle würde ihr eine das Evangelium befreiende und der Kirche Christi dienende Rolle zukommen. Die für die orthodoxe Theologie so zentrale Frage nach der ungebrochenen Kontinuität der apostolischen Tradition z.B. wird dann nicht mehr mit der verabsolutierten Glaubenslehre der Alten Kirche unkritisch beantwortet werden können, sondern die Theologie wird dann versuchen müssen, zur wirklichen, historisch erhebbaren apostolischen Tradition vorzudringen. Damit würde sich die ostkirchliche Theologie mit den Theologien der anderen Kirchen in ein gemeinsames Fragen hineinstellen und in ein partnerschaftliches Forschen eintreten. Die Zoi-Bewegung steht in dieser Frage nach der Kontinuität der Tradition, die als das Problem der „schöpferischen Synthese" von Vergangenheit und Gegenwart artikuliert wird, in einer deutlichen Distanz zu der bisherigen, als verbindlich ausgegebenen Auf fassung. Allerdings wiederum nicht bewußt und theologisch nicht durchdacht, aber im Vollzug ihres Erneuerungswerkes. Sie hat nämlich nicht mehr die altkirchliche Glaubenslehre, sondern das biblische Zeugnis von Jesus Christus mit der Gegenwart verbunden, sie hat nicht mehr eine historische Tradition, sondern die ursprüngliche, eschatologische Tradition in die gegenwärtige Situation hinein verkündigt. Damit hat sie eine neue Synthese geschaffen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, eine Synthese, die die bisherige Zuordnung von Vergangenheit und Gegenwart in einer Synthese von Neuem Testament und neugriechischer Wirklichkeit hinter sich gelassen hat. Im unmittelbaren Rückgriff auf die neutestamentliche Tradition ist es zu einer neuen Synthese gekommen. Diese neue Synthese der Zoi war in vielerlei Hinsicht „schöpferisch". Das neue Glaubensverständnis, das durch die Zoi erneuerte Gemeindeleben und das wiedergewonnene missionarische Apostolat zeugen davon. In ihnen hat sich ein latentes neues Traditionsverständnis glaubenweckend 117

und gemeindebildend konkretisiert und der griechischen Kirche bereits reiche Frucht getragen. Als dann aber die Zoi in ihrer Konsolidierungsphase den Kontakt zur Gegenwart zu verlieren begann, ließ sofort auch ihre schöpferische und erneuernde — aus dieser Synthese entspringende — Kraft nach. Die griechische Theologie steht jetzt vor der Aufgabe, diese Gefahr des Gegenwartsverlustes zu vermeiden und die charismatischvortheologische Synthese von Christusbotschaft und Gegenwart seitens der Zoi zu einer theologisch verantwortbaren zu vertiefen. C) Aspekte einer neuzeitlichen Hermeneutik

dogmatischer

Tradition

Mit der entschlossenen Rückkehr zur Heiligen Schrift, ihrer Verwendung als Fundament des Glaubens und als Richtschnur des Handelns hat die Zoi das traditionelle orthodoxe Schriftverständnis durchbrochen und das bisherige Verhältnis von Schrift und Tradition umgekehrt. Nach traditioneller orthodoxer Lehre ist die Schrift der Tradition eingeordnet. Sie enthält nur teilweise, undeutlich und unvollkommen die ewigen Wahrheiten und bedarf der Ergänzung durch die Tradition. Sie steht in keiner Weise selbständig oder gar kritisch der Tradition gegenüber, sondern wird von ihr vollständig überlagert. „Die Apostel überlieferten uns später durch die Bücher des Neuen Testaments wirklich nur einen kleinen Teil der an sie ergangenen übernatürlichen Offenbarung schriftlich, während sie das Ganze derselben schon von Anfang an der Kirche mündlich überliefert hatten. Das ist die heilige Überlieferung (Tradition). Aus diesem Grunde ist die heilige Uberlieferung älter und reicher als die heilige Schrift . . . Sie (die Schrift, Vf.) hat folglich zu ihrer Interpretation und Ergänzung das Licht der heiligen Überlieferung und ganz besonders der von den Aposteln bis zur Siebenten ökumenischen Synode reichenden echten dogmatischen Tradition notwendig." 1 5 Weil die „übernatürliche Offenbarung" erst in der „echten dogmatischen Tradition" ganz und deutlich ans Licht gekommen ist, hat die Schrift die Erleuchtung durch die Tradition nötig. Außerdem entsprach die Umsetzung der Offenbarung in eine metaphysische Wahrheit dem Weltbild des im antiken Denken beheimateten Orthodoxen und ermöglichte ihm auf diese Weise die Offenbarung leichter und überhaupt „verstandesmäßig" zu erfassen, was mit dem ganz und gar nicht philosophisch geprägten biblischen Denken nicht möglich gewesen wäre. J a , das antike Offenbarungsverständnis verschließt sich geradezu der Geschichtlichkeit der Offenbarung und macht blind für die Konkretheit der Inkarnation. Das für das natürliche Denken Absurde der christlichen Offenbarung nämlich, die Inkarnation Gottes im Fleisch, kann von ihm nur gebrochen, uneigentlich und mehr widersprüchlich als vernunftgemäß 15

118

J . N . Karmiris, Abriß der dogmatischen Lehre, S. 21.

formuliert und weitergereicht werden. Darum hat sich die Erhebung der „echten dogmatischen Tradition" in den Rang geoffenbarter, göttlicher Wahrheit, die unfehlbar das sagt, was in der Schrift nur undeutlich und unvollkommen enthalten ist, in der Ostkirche wie ein Felsblock über die Schrift gelegt und einen unmittelbaren Zugang zu ihr unmöglich gemacht. Erst die Emanzipation aus der Bevormundung durch die Tradition kann hier wieder Zugang zur Schrift schaffen. In den Erneuerungsbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts hat sich diese Emanzipation schon angekündigt, und in der Zoi-Bewegung ist sie einen weiteren großen Schritt vorangetrieben worden. Die Tradition rückte wieder an ihren ursprünglichen Platz und übernahm erneut die Rolle einer Interpretation der Schrift und einer Sicherung vor Verfälschung. Das ist das Revolutionäre, die bisherige Ordnung Umstürzende. Die Tradition wird wieder von der Schrift her verstanden. Und damit wird zugleich auch der schon vom Ansatz her auswählende und die Fülle des Evangeliums verkürzende Charakter dogmatischer Tradition offenbar. So hat die Zoi mit dem neutestamentlichen Evangelium nicht nur die ihr überkommene Glaubenslehre wieder mit Leben erfüllt, sondern sie ist mit dem Evangelium zugleich über die dogmatische Tradition der Ostkirche hinausgegangen. Was hier geschah, besteht vor historischer Kritik. Denn diese enthüllt das orthodoxe Traditionsverständnis als eine unerlaubte Erweiterung ursprünglicher Offenbarung auf das Offenbarungsverständnis der nachfolgenden Periode (Identifizierung der Offenbarung Gottes in Jesus Christus mit den altkirchlichen Dogmen) und zugleich als eine Verfälschung der eschatologischen Tat Gottes von ihrer historischen Konkretheit in eine abgeschlossene transzendente Gegebenheit (Interpretation des Offenbarungsereignisses als ein ewig gültiger Kanon theoretischer Glaubenswahrheiten). „Der frühkatholische ( = altkirchliche, Vf.) Traditionsbegriff beruht auf einem doppelten Irrtum: einmal auf einem historischen Irrtum; denn das, was als apostolische Tradition ausgegeben wurde, war nicht einfach nur urchristlich. Und ferner auf einem grundsätzlichen Irrtum; denn die Kirche konnte nicht geschichtlich existieren im bloßen Verharren bei einer Tradition, die als abgeschlossene lex verstanden wurde." 1 6 Bevor eine sachgerechte dogmatische Hermeneutik entwickelt werden kann, wird deshalb die orthodoxe Theologie wohl durch eine Destruktion irreführender Denktraditionen hindurchgehen müssen. Die theologische Entwicklung außerhalb der Orthodoxie und die Glaubensrevolution von innen her durch die verschiedenen Erneuerungsbewegungen und vor allem durch die Zoi-Bewegung drängen sie dazu. Hat das aber begonnen, dann wird die Schrift wieder zu einer eigenständigen Größe gegenüber der Tradition werden und bei der Dogmeninterpretation 111 Gerhard Ebeling, Die Geschichtlichkeit der Kirche und ihrer Verkündigung als theologisches Problem, Tübingen 1954, S. 44.

119

wieder eine fundamentale hermeneutische Rolle übernehmen. Ein hermeneutischer Zirkel wird zwischen Schrift und Tradition entstehen, zwischen urchristlichem Bekenntnis und dogmatischer Lehre. Mit der Umkehrung des Verhältnisses von Schrift und Tradition durch die konsequente Anwendung der historischen Methode ist auch eine Neubestimmung des Kriteriums für die Auslegung dogmatischer Tradition angelegt. Waren nämlich die orthodoxen Dogmen bisher als „Kristallisation und Ausdruck des gemeinsamen Glaubens und des katholischen Bewußtseins der Gesamtheit (Pieromas) oder des Leibes der Kirche aller Jahrhunderte" 1 7 verstanden worden, als zwar in zeitgebundener Formulierung, aber doch von zeitloser Gültigkeit und ewigem Wesen, so. erschließen sie sich unter der historischen Perspektive als auch dem Inhalte nach zeitbedingte Aussagen. Sie werden als historisch bedingte Entscheidungen in einem fortlaufenden Auslegungsprozeß der eschatologischen Offenbarung Gottes in Jesus Christus offenbar. Nicht am Glaubensbewußtsein des kirchlichen Pieromas, sondern an der historisch-eschatologischen Offenbarung in Jesus Christus wird nun die dogmatische Tradition gemessen werden müssen. Im Rückbezug auf die von den Aposteln bezeugte Christusoffenbarung und nicht in der Übereinstimmung mit dem postulierten „gemeinsamen Glauben aller Jahrhunderte" werden die Dogmen und die gesamte dogmatische Tradition jetzt verstanden werden müssen. Die Christusoffenbarung nach dem apostolischen Zeugnis wird zu dem neuen dogmatischen Kriterium werden. Die Zoi-Bewegung hat den Durchbruch zu dem neuen Kriterium — apostolische Botschaft anstelle von katholischem Glauben — im Grunde schon vollzogen, und zwar dadurch, daß sie ihr ganzes Denken auf Christus ausgerichtet und ihr ganzes Reden an der neutestamentlichen Christus-Botschaft orientiert hat. Der ausgesprochene Christozentrismus der Zoi, der in seiner paulinischen Ausprägung der dogmatischen ChristusLehre der herkömmlichen orthodoxen Tradition sogar eigenständig gegenübersteht, ist ein beredtes Zeugnis dafür. Christus und nur ihn allein will die Zoi treiben und trägt dem Volk in der Übermittlung dogmatischer Tradition die paulinische Rechtfertigungslehre vor. Auch die griechische Theologie wird nun nicht mehr auf die neutestamentliche Erlösungsbotschaft als Kriterium im Verstehens- und Auslegungsprozeß dogmatischer Tradition verzichten können. Ebenfalls hat das Ziel des Verstehens neue Gestalt angenommen. Ist nämlich der Inhalt des Dogmas nicht mehr eine „theoretische Glaubenswahrheit", die es mit dem Verstände zu akzeptieren gilt, sondern das Geheimnis der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth, das in die Nachfolge ruft, dann ist der Verstehensprozeß noch nicht im Erkennen 17

120

J . N . Karmiris, Abriß der dogmatischen Lehre, S. 16.

oder Akzeptieren der vorgelegten Wahrheiten zum Ziel gekommen, sondern erst mit dem Eintritt in die Nachfolge Christi, erst in der Kommunikation mit Christus selbst. Die Aktualisierung des Dogmas in personaler und geschichtlicher Dimension wird darum in der dogmatischen Hermeneutik einen konstitutiven Platz einnehmen müssen. Die Wahrheit Christi zielt auf das Leben in Christus. Der personalen Struktur der christlichen Wahrheit entspricht ein existentielles Verstehen. Die Zoi-Bewegung als Erweckungsbewegung hat das bereits praktiziert. Sie hat die dogmatische Tradition in den Dienst der Evangelisation gestellt, in den Dienst der Umwandlung des menschlichen Lebens zu einem Leben in Christus. Auch wo sie die dogmatische Tradition weithin nur formelhaft weitergab und zu den eigentlichen Inhalten der Dogmen gar nicht vorstieß, hat sie aufs Ganze gesehen doch mit ihnen das biblische Zeugnis von Christus zu Gehör und zur Annahme gebracht. Sie hat nicht allein den Verstand, sondern auch Leib und Seele zum neuen Leben erweckt. Die notwendige Aktualisierung in geschichtlicher Dimension wird jetzt auch in die neuen historischen Horizonte hinein vollzogen werden müssen. Daher genügt es nicht mehr, innerhalb des Horizontes individuellen Lebens zu verbleiben, auf den sich die Zoi-Bewegung zumeist beschränkt hatte, noch genügt es, innerhalb des Horizontes der eigenen Nation oder des ebenso provinzialistischen der eigenen Konfession zu verharren. In der Neuzeit haben sich internationale und ökumenische Horizonte aufgetan, in die hinein die Aktualisierung dogmatischer Tradition geschehen muß. Auf diesen neuen Ebenen wird die orthodoxe Theologie die „schöpferische Synthese" in Angriff zu nehmen haben. Auf ökumenischer Ebene hat bereits die Ausbildung einer hermeneutischen Methode dogmatischer Tradition begonnen. So hat eine patristische Arbeitsgemeinschaft der Kommission für Glauben und Kirchen Verfassung des ökumenischen Rates der Kirchen, die zur Hälfte aus orthodoxen Teilnehmern bestand, von 1962 bis 1966 über die dogmatische Väterschrift „De Spiritu Sancto" des Basilios von Caesarea gearbeitet und sich auch mit methodischen Fragen befaßt. Dabei kam sie zu dem Konsensus, „daß die Voraussetzung eines sachgerechten Verständnisses die historischkritische Analyse des Textes sei. Die Betrachtung sollte aber darauf nicht beschränkt bleiben. Der Text sollte auch theologisch ausgewertet werden. Es ist klar", — so heißt es weiter — „daß die eigentlichen Schwierigkeiten sich erst bei diesem Schritt einstellen. Denn wenn in der Methode der historisch-kritischen Analyse auch weitgehende Übereinstimmung herrscht, so werden beim Versuch theologischer Interpretation sowohl Gemeinsamkeiten wie auch Verschiedenheiten erkennbar." 1 8 1 8 Bristol 1967, Studienergebnisse der K o m m i s s i o n f ü r G l a u b e n u n d Kirchenverfassung, S t u t t g a r t 1967, S. 59.

121

Hier ist eine klare Zweistufigkeit der Auslegung ins Auge gefaßt: zuerst historisch-kritische Analyse und dann theologische Interpretation. Diese Zweistufigkeit hat allerdings ihre Problematik. Die schon weiter vorangeschrittene Entwicklung biblischer Hermeneutik, die als Interpretationslehre historischer Texte eine der dogmatischen Hermeneutik parallele Struktur hat und von der wohl auch die patristische Arbeitsgemeinschaft das Modell der Zweistufigkeit übernommen haben wird, zeigt nämlich, daß die Aufgliederung des Verstehensprozesses in zwei voneinander getrennte Schritte zu einem „Dualismus" führen kann, in dem unterschiedliche Wirklichkeitsverständnisse aufeinanderstoßen, die dann ein sachgerechtes und einheitliches Verstehen nicht mehr möglich sein lassen19. Eine neuzeitliche Hermeneutik dogmatischer Tradition wird sich dieser Gefahr eines Dualismus bewußt werden müssen, um nicht in dieselbe Situation hineinzugeraten wie ein Teil moderner Schriftexegese, nämlich in die Situation einer Bewußtseinsspaltung zwischen säkularem und gläubigem Denken. „Die notwendige Ganzheit des hermeneutischen Prozesses kann darum nur so verwirklicht werden, daß die historische Methode weder die Rolle einer handwerklich-technischen, für das Gesamtverständnis neutralen Vorarbeit spielt, noch auch daß sie ein Eigenleben führt, durch daß sie der Eigengesetzlichkeit des positivistischen Seinsverständnisses und seiner Ontologie ausgeliefert wird. Zur Ganzheit kommt es dadurch, daß die phänomenologische Bestandsaufnahme ( = historisch-kritische Analyse, Vf.) und die verstehende Begegnung ( = theologische Interpretation, Vf.) mit der Überlieferung nicht zweistufig, in einem Vorher und Nachher, sondern in dem bewegten Miteinander des hermeneutischen Zirkels verläuft." 20

D) Vom geschichtlichen Traditionsverständnis Kirchenverständnis

zum

ökumenischen

Ist der Schritt vom metaphysischen zum geschichtlichen Traditionsverständnis getan und offenbart sich unter der historischen Perspektive das Traditionsgeschehen der Kirchen als Auslegungsgeschehen des Evangeliums, dann folgen daraus revolutionäre Konsequenzen für das traditionelle Kirchenverständnis. Denn nun wird die Wahrheit einer Kirche nicht mehr an der Übereinstimmung mit einem ihr fremden Traditionskanon gemessen werden können, sondern nur noch im Rückbezug auf den gemeinsamen apostolischen Ursprung. Zur sachgemäßen Beurteilung 10

Kurt Fror, Biblisdie Hermeneutik, Zur Schriftauslegung in Predigt und Unterricht, München 1967, S . 5 7 f f . 20 Ebenda S. 62. 122

einer anderen Kirche genügt nun nicht mehr der Vergleich der offiziellen dogmatischen Lehren, sondern es bedarf des Bemühens, ihre Traditionen als Kristallisationen von geschichtlichen Glaubensentscheidungen und von Interpretationen der neutestamentlichen Christus-Botschaft zu begreifen. Nicht mehr im abstrahierenden — vom historischen Kontext losgelösten — Gegenüberstellen der Kirchenstruktur und der Glaubenslehre, sondern im Blick auf die Entstehung und die Geschichte der Kirche wird sich ihre Wahrheit, ihre Rechtmäßigkeit und ihre Übereinstimmung mit dem apostolischen Ursprung erweisen. „Das Wesen jeder Konfession erschließt sich nur in der Art, wie sie geworden ist, also auf dem Weg über ihre Geschichte." 21 Und wie das geschichtliche Verstehen der Heiligen Schrift eine grundsätzliche Vielgestaltigkeit der Christus-Interpretation an den Tag gebracht hat, so wird auch das geschichtliche Verstehen der Traditionen der Kirchen eine grundsätzliche und von Anfang an bestehende Vielgestaltigkeit der christlichen Kirche ans Licht bringen. Damit wird dann das die Wirklichkeit der Kirche einengende konfessionalistische Kirchenverständnis überwunden werden. Und dabei wird die konfessionelle Tradition nicht nur in ihrer Relativität erkannt, sondern auch in ihrer häretischen Tendenz durchschaut werden, durch Überbetonung von Teilwahrheiten das Ganze zu verfälschen. Die Grenzen der Kirche werden dann nicht mehr mit den Grenzen der eigenen Konfession zusammenfallen können und eine eindeutige, überall und für alle Zeiten gültige Definition der Kirche in dogmatischen oder kanonischen Kategorien nicht mehr möglich, noch erstrebenswert sein. Damit wird auch das institutionalistische Verständnis von der Einheit der Kirche und die daraus folgende Vorstellung von dem Weg zur Einheit als Übernahme der eigenen Glaubenslehre durch die anderen Kirchen hinfällig und der Weg zum ökumenischen Kirchenverständnis frei. Die gegenwärtige griechische Theologie allerdings ist noch fest im konfessionalistischen Kirchenverständnis befangen. Vereinzelt erst wird nur der entwicklungs- und erneuerungshemmende Konfessionalismus durchbrochen. Zum Beispiel von dem griechischen Theologen Nikolaos Nissiotis, der auf der Dritten Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen 1961 in Neu-Delhi seine orthodoxen Brüder mit folgenden Worten zu einem ökumenischen Kirchen Verständnis und zu einem „dynamischen Verständnis der Orthodoxie" aufrief: „Es ist unmöglich, einem kirchlichen Geschehen seinen Ort extra ecclesiam anzuweisen. Weder das römische Schisma noch die Reformation, die aus ihm folgte, sollten in dieser Weise dargestellt werden. Das orthodoxe Zeugnis . . . kann . . . alle 21

G. Ebeling, Die Geschichtlichkeit der Kirche, S. 87. 123

Abspaltungen an ihren rechten Platz innerhalb der Einen ungeteilten Kirche rücken und den Ruhm Gottes mit ihnen teilen. Praktisch bedeutet das, daß die orthodoxe Kirche ihre konfessionell-apologetische Verteidigungsstellung aufgeben muß." 2 2 Diese grundsätzliche Weitung des Kirchenverständnisses, die durch das geschichtliche Denken ermöglicht worden ist, wird nicht nur inter-konfessionell auf ökumenischer Ebene, sondern auch inner-konfessionell innerhalb der Kirchen selbst wirksam werden müssen. Dann wird auch endlich die Zoi-Bewegung nicht mehr einer kurzschlüssigen Abfalltheorie zum Opfer fallen, weil sie Traditionen verändert und neue kirchliche Lebensformen eingeführt hat, sondern sie wird umgekehrt in ihrer der offiziellen Kirche gegenüber größeren Traditionstreue erkannt werden können. Hat doch gerade sie erstarrte und verlorengegangene Traditionen im Eingehen auf die neue geschichtliche Situation zu neuer Vergegenwärtigung gebracht und damit neue Kontinuität alter Traditionen geschaffen. Sie wird dann auch nicht mehr als eine Gefahr für die orthodoxe Kirche angesehen werden müssen, als eine protestantische Unterwanderung, als neue Häresie, die die echte Orthodoxie zerstöre, sondern sie wird als ein entschlossener Versuch angenommen werden können, die griechische Kirche durch eine innere Erneuerung zeitgemäß zu gestalten. Sie wird als eine Bewegung verstanden werden können, die zusammen mit den anderen Erneuerungsbewegungen stellvertretend für die Kirche Griechenlands das Eingehen auf die Neuzeit begonnen und die damit notwendig verbundene Traditionserneuerung zukunftsweisend in Angriff genommen hat. Unter dieser geschichtlichen Perspektive wird eine sachgerechte Beurteilung der Zoi möglich und sie als das gewertet werden können, was sie wirklich ist: erstes Stadium und Ferment einer umfassenden Erneuerung der griechischen Kirche auf dem Boden urchristlicher und altkirchlicher Tradition. Die Zoi wird als ein Teil der griechischen Kirche akzeptiert werden können, als eine Funktion von ihr, und nicht mehr „extra ecclesiam" gestellt werden, wie es bis zur Stunde noch geschieht. Auch alles Reden von der Gefahr einer Kirchenspaltung in Griechenland in eine zoi-bestimmte und eine zoi-feindliche Kirche würde sich dann erübrigen. Die Zoi würde als eine Herausforderung zur Erneuerung angenommen werden, und das würde beiden Seiten zugute kommen: die offizielle Kirche würde aus ihrer anachronistischen Reaktion befreit werden, und die Zoi würde von ihrer individualistischen Verkürzung und rationalen Verflachung wieder zur Ganzheit und zur Tiefe orthodoxen Glaubens zurückkehren können. 2 2 Nikolaos A. Nissiotis, Zeugnis und Dienst der orthodoxen Christenheit für die Eine, ungeteilte Kirche, in: Neu-Delhi 1961, Stuttgart 1962, S . 5 4 9 .

124

Ε) Konfessionelle Traditionserneuerung Annäherungsprozeß

als ökumenischer

Wo konfessionelle Erneuerung zu apostolischer Tradition zurückführt, wird zugleich konfessionalistische Enge überwunden und ökumenische Einheit vorbereitet. Kraft höherer Lenkung wird lokales Engagement zugleich zu einer Förderung universaler Gemeinschaft, wird konfessionalistische Eigenliebe zugleich zu einem Bauelement ökumenischer Einheit. Über noch bestehende Grenzen hinweg und noch vor theologischer Bewußtwerdung ereignet sich bereits ein Annäherungsprozeß von fundamentaler Bedeutung — auch durch die so stark konfessionell und national bestimmte Zoi-Bewegung. So wie die Zoi-Bewegung zu keiner Zeit die Äußere Mission als ihre Aufgabe angesehen hat, faktisch aber zu ihrem Neuaufbruch in Griechenland wesentlich beigetragen hat, so hat sie auch zu keiner Zeit die ökumenische Bewegung als eine für sie verpflichtende Aufgabe angesehen, faktisch aber doch wesentliche Voraussetzungen für einen ökumenischen Aufbruch in der Kirche Griechenlands geschaffen. Gerade mit ihrer konfessionellen Traditionserneuerung hat sie die Kirche Griechenlands von innen her in einen Prozeß hineingeführt, der eine Annäherung an die Ökumene bedeutet. Ihre Aktivität auf den verschiedenen Ebenen der kirchlichen Praxis hat in Griechenland zugleich ökumenische Heilsgeschichte in Gang gebracht. Insofern steht die Arbeit der Zoi in vorderster Front ökumenisch-ekklesiologischer Entwicklung, in der es — auch in der ostkirchlichen Theologie — nun nicht mehr so sehr um eine die Einheit nicht voranbringende „horizontale" Vergleichung der konfessionellen Ekklesiologien geht, sondern um die gemeinsame „vertikale" Ausrichtung auf den auferstandenen und wiederkommenden Herrn 23 . So ist durch die Wiedereinführung der regelmäßigen Sonntagspredigt die lebendige Verkündigung des Evangeliums wieder zu einem konkonstitutiven Strukturelement des Gemeindelebens geworden; ein Element, das zum Grundbestand apostolischer Tradition gehört und allen christlichen Kirchen gemeinsam ist. Hatte sich aus geschichtlich verständlichen Gründen die Entwicklung der Ostkirche einseitig im liturgischen und sakramentalen Bereich vollzogen, so daß das mystische Element das kerygmatische weithin verdrängt und erstickt hatte, so wurde durch die Zoi-Bewegung — immer im Zusammenhang mit den anderen, vorangegangenen und gleichzeitigen, Erneuerungsbewegungen — dieser Vereinseitigung und Verkürzung kirchlichen Lebens ein Ende gesetzt. Damit trat die griechische Kirche wieder in den Kreis der anderen christlichen Kirchen ein, die in der Treue zum Ursprung die aktuelle Wortverkündigung als ein Wesenselement der Kirche bewahren. 23

Reinhard Slenczka, Ostkirche und Ökumene, Göttingen 1962, S. 303.

125

Was die Predigt für das Gemeindeleben bedeutete, das bedeutete der Christozentrismus für die Theologie: Wiederaufnahme eines verlorengegangenen bzw. verfälschten zentralen christlichen Elementes. Jesus Christus wurde in der griechischen Theologie wieder Ausgangspunkt, Mittelpunkt und Zielpunkt aller theologischen Überlegungen. Die Christologie bildete wieder das Zentrum theologischen Denkens. Damit trat die griechische Theologie wieder in den Kreis der anderen kirchlichen Theologien ein, die sich ebenfalls um eine Erneuerung und Vertiefung des überkommenen Christusbildes bemühen. In der Ostkirche war im Laufe der Zeit die apostolische Christustradition so weit von der allgemeinen dogmatischen Lehre überlagert worden, und vor die Autorität Christi war so stark der Autoritätsanspruch der Bischöfe und der Hierarchie getreten, daß Jesus Christus als der Erlöser und der kommende Richter nicht mehr gebührend zur Geltung kam und als ein persönlicher Tröster und Heiland unbekannt wurde. Gegenüber der Verschmelzung des Christusbildes mit einem überdies noch monophysitisch akzentuierten komplexen dogmatischen Lehrsystem durch die Theologie und gegenüber einer der Freiheit des Geistes widersprechenden Kanalisierung der Wirksamkeit Christi durch die kirchliche Institution hat die Zoi-Bewegung den Gläubigen wieder das biblische Christus-Zeugnis vorgetragen und ihnen wieder den Jesus von Nazareth der apostolischen Überlieferung nahegebracht. Theologie wurde wieder zu einem Bedenken und Verkündigen des biblisdien Christus, — wie in den anderen in der Erneuerung stehenden Kirchen der Ökumene. Was durch den Christozentrismus im theologischen Denken bewirkt wurde, war die Folge einer Neubestimmung des Fundamentes christlicher Existenz. Die Bibel, das Grunddokument aller christlichen Konfessionen, wurde wieder zur Basis des Glaubens. Wie die Predigt durch die Liturgie verdrängt und das biblische Christus-Zeugnis von dogmatischer Lehre überlagert worden war, so war auch die Bibel von der Tradition eingeschlossen worden. Biblisches Gedankengut war zwar überall vorhanden, konnte aber nicht mehr selbständig zur Wirkung kommen. Durch die Verbreitung der Bibel im Kirchenvolk jedoch, durch Bibelkreise, Predigten, Evangelisationen, Katechesen und Schriftenmission hat die Zoi die orthodoxen Christen Griechenlands wieder an die Bibel und besonders an das Neue Testament herangeführt. Diese in der griechischen Kirche sich jetzt allgemein durchsetzende Neuerung ist vielleicht die bedeutendste Tat der Zoi überhaupt. Die Zoi hat damit die Kirche Griechenlands an die weltweite Bibelbewegung angeschlossen und zu dem kostbarsten gemeinsamen Schatz aller Christen zurückgeführt. Alle diese Wandlungen haben die herkömmliche griechische Glaubensstruktur verändert. Mußte der christliche Glaube in der griechischen Kirche während der 400jährigen Türkenherrschaft notwendigerweise auf 126

jegliche freie geistige Entfaltung verzichten und war er nach der Befreiung auf Liturgie und Sakrament, Sitte und Gefühl beschränkt geblieben und bald einer säkularen Destruktion ausgeliefert worden, so hat die ZoiBewegung ihn vor einem weiteren Absinken in einen kultischen Formalismus bewahrt. Sie hat durch die christozentrische Neuorientierung den orthodoxen Glauben wieder zu einer bewußten Geisteshaltung und einer praktischen Lebensgestaltung vertieft und ihm eine klare, einsehbare und geradezu erlernbare Gestalt gegeben. Man könnte fast von einem rationalistisch-pragmatischen Gegenschlag sprechen, der den Glauben wieder verstehbar gemacht (Lehrpredigten, Sonntagsschule, Bibelkreise) und ihn zu tätigem Einsatz befreit hatte (Evangelisation, christliche Lebensführung, Diakonie). Damit trat die griechische Kirche wieder in den Kreis aller derjenigen Kirchen, die sich um ein neues Verstehen des christlichen Glaubens bemühen und sich dafür einsetzen, wie er zeitgemäß gelehrt und verwirklicht werden kann. Audi was durch die Zoi im monastischen Leben an Revolutionärem geschah, bedeutete konfessionelle Erneuerung und zugleich ökumenische Annäherung. Die missionarische Ausrichtung asketischen Lebens greift auf alte orthodoxe Tradition zurück und durchbricht damit zugleich die Selbstisolierung gegenüber den anderen christlichen Kirchen. Das Mönchtum der Ostkirche hatte sich nämlich einseitig zu einer außerweltlichen Askese entwickelt. Mönch werden hieß: aus der Gesellschaft ausscheiden und in ein der Welt abgekehrtes Leben eintreten. Allein in der Ostkirche hat ein „Heiliger Berg" entstehen können, und er ist in Griechenland bis heute Inbegriff orthodoxer Geistigkeit. Darum mußte es als eine Zerstörung zentraler orthodoxer Tradition empfunden werden, als die ZoiBruderschaft das missionarisch-diakonische Element nicht nur wieder in das asketische Leben einführte, sondern es darüber hinaus sogar zur beherrschenden Kategorie ihres monastischen Lebens erhob. Gerade damit jedoch hat sie das Zentrum orthodoxen Lebens aus der gefährlichen Verkürzung auf eine lediglich jenseitig gerichtete Haltung befreit und orthodoxer Frömmigkeit wieder das lebenswichtige missionarische Element zurückgegeben. Sie hat damit neugriechischen Glauben wieder zum ursprünglichen christlichen Glauben zurückgeführt, in dem Weltabkehr und Weltdienst noch ungetrennt miteinander verbunden sind, und damit zugleich das Verständnis von christlicher Existenz den Auffassungen in den anderen Kirchen angenähert. Die Wiederaufnahme des missionarischen Elementes lief auf eine Aktivierung der Laien hinaus. Die Zoi-Bewegung hat damit überraschende Erfolge erzielt. Und auch mit dieser Aufnahme urchristlicher Tradition hat sie die Kirche Griechenlands wieder in den Kreis der anderen Kirchen hineingestellt, in denen es ebenfalls zu allgemeinen Laienbewegungen gekommen war. In der Alten Kirche und im Mittelalter war in der Ost127

kirche der Laie aus dogmatischen Gründen zunächst vom Klerus unterschieden und dann auch kirchenrechtlich immer stärker in eine abhängige und passive Rolle gedrängt worden. Diese Tendenz hatte im neueren Griechenland bis zur vollständigen Ausschaltung der Laien aus allen kirchlichen Angelegenheiten geführt. Aus dieser Degradierung zu einer hierarchisch beherrschten und sakramental versorgten Masse ohne Stimme und Einflußmöglichkeit hat die Zoi-Bewegung die griechischen Christen befreit. Sie hat ihnen wieder zur Mündigkeit verholfen und ihnen noch nie dagewesene Möglichkeiten gegeben, aktiv im kirchlichen Leben mitzuarbeiten und in eigener Verantwortung gemeindliches Leben zu gestalten. Dem Klerus aber wurden seine Herrschaftsfunktionen abgesprochen und ihm wieder die ursprüngliche Dienstfunktion zugewiesen. Zur weltweiten Laienbewegung in den christlichen Kirchen tritt nun auch die griechische Kirche mit ihrer Laienbewegung der Zoi. Und unter den noch bestehenden autoritären Leitungsstrukturen entwickeln sich bereits demokratische kirchliche Lebensformen. Traditionserneuerung als ökumenischer Annäherungsprozeß bedeutet nicht Auflösung der Konfession zugunsten eines Mittelwert-Christentums, Traditionserneuerung bedeutet auch nicht Verwandlung der historischen Konfessionen in ein neues Kirchentum. Wohl aber bedeutet sie die Preisgabe von Verfälschungen und Vereinseitigungen, die Überwindung von Verengungen und Verabsolutierungen. Traditionserneuerung als ökumenischer Annäherungsprozeß bedeutet nicht Revolution, sondern Regeneration, nicht Abkehr vom Bisherigen, sondern Umkehr zum U r sprung, bedeutet nicht Abbruch, sondern Aufbruch, — Aufbruch unter dem Gebot und der Verheißung des Auferstandenen und Wiederkommenden. Traditionserneuerung bedeutet eine Konfessionsmodulation von einer dem Worte Gottes widersprechenden Dissonanz zwischenkirchlicher Wirklichkeit zu einer gottgewollten Einheit weltweiter Christenheit. Ist der Weg direkter Verständigung und unmittelbarer Annäherung oft noch versperrt, so eröffnet sich doch mit der konfessionellen Traditionserneuerung ein weites Feld schöpferischer Möglichkeiten, ökumenische Einheit aktiv vorzubereiten. Hier hat die Zoi-Bewegung bereits eine vielfältige Vorbereitungsarbeit innerhalb der griechischen Kirche geleistet, — ohne bisher in ihrer verborgenen ökumenischen Wirksamkeit erkannt worden zu sein. Zusammenfassung „Eine jede Kirche ist in Gefahr, sich selbst als die Mitte zu verstehen, um die die anderen Kirchen als Planeten kreisen. . . . Wir dürfen nicht dabei stehenbleiben, die anderen Kirchen an uns zu messen, sondern müssen den Ausgangspunkt bei Christus nehmen, von dem wir zusammen 128

mit allen Kirchen gemessen werden. Er ist die Sonne, um die wir zusammen mit anderen Kirchen als Planeten kreisen und das Licht empfangen. Eine Art von kopernikanischer Wende im ekklesiologischen Denken ist notwendig." 2 4 Es hat historische und politische, theologische und psychologische Gründe, warum die orthodoxe Kirche in Griechenland sich immer noch mit größtem Selbstbewußtsein als die Sonnenmitte versteht, „um die die anderen Kirchen als Planeten kreisen", und warum die griechische Theologie in besonderem Maße noch im alten Denken verhaftet ist. Bis zur Stunde herrscht noch ein antiökumenischer Geist, wieder militanter sogar, wie jüngst aus den Vorschlägen der Heiligen Synode zur neuen griechischen Verfassung zu ersehen ist 23 . Der Generaldirektor der Kultusabteilung des Griechischen Ministeriums für Nationale Erziehung, der Athener Theologieprofessor für Neues Testament Markos Siotis, hatte im Zusammenhang damit sogar vorgeschlagen, daß in Griechenland keiner anderen Religionsgemeinschaft als allein der griechisch-orthodoxen Kirche öffentliche Kulthandlungen gestattet sein sollten. Und immer noch bleibt progressiven griechischen Theologen oft nichts anderes übrig, als in nichtkirchliche Berufe abzuwandern oder ins Ausland zu gehen. Ein großer Teil der jüngeren kritischen Theologen, die von der Kirche und von der Theologie Griechenlands gerade jetzt so nötig gebraucht werden, leben zur Zeit außer Landes. Die Erneuerung von Theologie und Kirche, die innere Wendung vom Mittelalter zur Neuzeit, die für Griechenland eine Wende vom antiken zum neuzeitlichen Denken bedeutet, wird von einflußreichen kirchlichen Kreisen immer noch aufgehalten. Der gesamte theologische Nachwuchs wird weiterhin streng im alten Geist erzogen. Auf diesem bedrängenden Hintergrund gewinnt die Leistung der ZoiBewegung noch an Bedeutung. Hat sie doch — ohne sich dessen theologisch bewußt zu werden — die Wendung in mancher Hinsicht bereits vollzogen. Sie hat entschlossen „den Ausgangspunkt bei Christus" genommen und — wenn auch selbst noch in alten Denkstrukturen verhaftet — Bibel und neutestamentliches Christuszeugnis wieder in die griechische Kirche eingeführt. Obgleich sie eine rein kirchliche Erneuerungsbewegung sein will und der systematischen Theologie bewußt eine Absage erteilt hat, hat sie doch höchste theologische Relevanz gewonnen. Denn durch ihre Existenz und durch ihre Wirksamkeit hat sie die griechische Theologie und die griechische Kirche in neuer Weise vor die Fragen der Schrift und vor die Problematik der Tradition gestellt. Mit ihrer umfangreichen Tätigkeit hat sie die Fragen nach der rechten Kontinuität des christlichen Glaubens 24 25

9

Edmund Sdilink, N a d i dem Konzil, München u. Hamburg 1966, S. 240. Herder Korrespondenz, 22. Jg., N o v . 1968, S. 511—513.

Maczewski, Zoi-Bewegung

129

und die Probleme der Erneuerung des kirchlichen Lebens neu aufgeworfen. Tradition und Geschichte wurden durch sie zu ekklesiologischen Problemen. Unter systematisch-theologischer Betrachtung wurde erkennbar, daß sich die Zoi bereits vom altkirchlichen, metaphysisch bestimmten Traditionsverständnis zu lösen und von der Schrift her biblisch zu denken begonnen hat. Es kam in ihr zur Preisgabe des überlieferten Verständnisses und Verhältnisses von Schrift und Tradition, was revolutionäre Konsequenzen bis in zentrale dogmatische Bereiche nach sich zog. Die dogmatische Lehre von der Kirche z.B., die auf den institutionalistischen Ansatz verkürzt worden war, wurde dadurch wieder auf den Reichtum biblischer und kirchenväterlicher Dimensionen verwiesen. Und wie die Zoi-Bewegung trotz Beschränkung auf die kirchliche Erneuerung dennoch die Theologie zu neuen Fragen trieb, wirkte sich auch ihre konfessionsbestimmte Erneuerung als vielfältige ökumenische Annäherung aus. Ihre einzelnen Traditionserneuerungen enthalten gleichsam vorökumenische Impulse, die die griechische Christenheit im Denken und kirchlichen Leben auf eine Bruderschaft mit der Weltchristenheit zuführen. Allerdings hat der Erneuerungsprozeß erst nur auf der Ebene kirchlicher Praxis freie Entfaltungsmöglichkeit und findet an der dogmatischen Tradition seine Grenze. Aber der weiter um sich greifende Geist urchristlicher Freiheit und die fortschreitende latente ökumenische Offenheit werden bald auch eine kritische Dogmenwissenschaft ermöglichen. Dann werden über eine erneuerte Dogmeninterpretation die dynamisierte dogmatische Tradition und die erneuerte kirchliche Praxis gemeinsam in den ökumenischen Annäherungsprozeß Griechenlands eingebracht werden können. Diese Phase einer dogmatischen Erneuerung, die Nach-Zoi-Phase, kündigt sich in der jungen Theologengeneration bereits an.

Schluß „Neben Zeiten, die in der unbedingten Wahrung der Tradition ihr Heil sahen, wie im Mittelalter, stehen solche Zeiten, die in der Befreiung von der Übermacht der Tradition ihr Heil suchten, wie etwa das 18. Jahrhundert, und daneben schließlich Zeiten wie die unsere, die der Verlust von Tradition überhaupt als ein unheilvolles Schicksal überfällt, als ein Verlorengehen von Halt und Geborgenheit, als ein Entgleiten des Beständigen, als eine atembeklemmende Entleerung und Vernichtung des geistigen Lebensraumes." 26 Einer Traditionswissenschaft und Traditionskritik kann es nicht darum gehen, diejenige Funktion christlicher Tradition aufzugeben, die die Kon26 G. Ebeling, Die Geschichtlichkeit der Kirche und ihrer Verkündigung als theologisches Problem, S. 36.

130

tinuität mit dem Ursprung schafft und die durch die Zeiten hindurch. „Halt und Geborgenheit" gibt. Aber aus der Erkenntnis und Erfahrung, daß christliche Tradition die „unausrottbare Tendenz" hat, „zur GesetzesTradition zu werden und die Uberlieferung des Evangeliums schuldig zu bleiben" 27 , entsteht die Notwendigkeit einer ständigen Prüfung der faktischen Funktion bestehender Tradition. Die neuzeitliche Traditionswissenschaft kann dabei zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel werden, sofern es ihr um die Reinerhaltung und um die Bewahrung echter Tradition geht. Da der Inhalt christlicher Tradition aber in einer Lehre oder einer Institution letztlich nicht fixiert werden kann, weil er das alles Denken und Verstehen übersteigende eschatologische Heilsereignis Gottes in Jesus Christus selber ist, wird jede christliche Tradition immer hinter der Fülle der Offenbarung zurückbleiben müssen und menschliches Stückwerk für eine vergehende Zeit darstellen. Stückwerk, das immer wieder neu auf den lebendigen Herrn ausgerichtet werden muß, der aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugleich auf uns zukommt. Das ist eine Aufgabe von prophetischem Rang, die nicht mehr von der Wissenschaft allein gelöst werden kann, sondern nur im Zusammenwirken von Wissenschaft, Glaube und Kirche. In der Erkenntnis der Notwendigkeit einer neuen Mobilisierung überlieferter Tradition auf den gekommenen, den gegenwärtigen und den wiederkommenden Herrn finden sich heute die von der Geschichte verschieden geprägten Kirchen zu einer ökumenischen Gemeinschaft zusammen. Dabei fällt eine eigengeartete Parallelität zwischen orthodoxer und evangelischer Theologie in die Augen. Die neuere ostkirchliche Theologie steht nämlich dem Begriff der Erneuerung in ganz ähnlicher Weise gegenüber wie die neuere evangelische Theologie dem Begriff der Tradition. In der reformatorischen Theologie war der Begriff der Tradition weithin zu einer negativen Größe geworden — aus der Erfahrung innerhalb der römischen Kirche, daß eine Vergesetzlichung dogmatischer Tradition und eine haltlose Traditionswucherung das Evangelium und den echten christlichen Glauben ersticken konnte. Fixiert durch Mißbrauch und Fehlentwicklung, hatte die protestantische Theologie aufs Ganze gesehen die konstitutive Bedeutung der Tradition nicht mehr erkannt und die evangelische Christenheit in einen glaubenzerstörenden Traditionsverlust hineingeführt. Nun aber löst sich diese Fixierung, eine ernsthafte Beschäftigung mit der Tradition beginnt, und der Begriff füllt sich wieder mit positiver Bedeutung. Die neuere evangelische Theologie ist wieder traditionsbewußt. Ähnlich hat sich das Verhältnis der ostkirchlichen Theologie zu dem Begriff der Erneuerung entwickelt. Aus der Notwendigkeit heraus, Glau2 7 G.Ebeling, Artikel „Tradition", V I I : Dogmatisdi, in: R G G 3. Aufl., VI. Band, Spalte 982.

9*

131

bensverfälschungen und die verschiedensten Irrlehren, die die Alte Kirche zu zersetzen begannen, abzuwehren, hatte sie Neuerungen jeglicher Art verurteilt und als Abfall von der Wahrheit deklariert. Unter dieses Urteil fielen dann bald auch die Erneuerungsbewegungen. Ihrerseits fixiert von kirchenzerstörenden Folgen von Neuerungen, erkannte die ostkirchliche Theologie nicht die notwendige Aufgabe der Traditions-Reinigung und Traditions-Erneuerung. Dadurch hat sie die orthodoxe Christenheit in ihre geistige Erstarrung hineingeführt. Aber auch hier setzt bereits die Befreiung ein. Der Begriff der Erneuerung löst sich aus seiner ungerechtfertigten Verbindung mit dem Neuerungs-Begriff und gewinnt im ostkirchlichen Denken wieder an positiver Bedeutung. Seit 1961 wird auf den Pan-Orthodoxen Konferenzen „die innere Erneuerung der Ostkirche" und „die Vorbereitung des theologischen Dialogs zwischen den Orthodoxen Kirchen und den anderen christlichen Kirchen" 28 sogar als eine der wichtigsten gegenwärtigen Aufgaben orthodoxer Theologie angesehen. Durch die Rehabilitierung der Tradition in der evangelischen Theologie wird die Krise des Traditionsverlustes innerhalb der evangelischen Kirche und durch die Rehabilitierung der Erneuerung in der orthodoxen Theologie die Krise der Traditionsvergesetzlichung innerhalb der orthodoxen Kirche überwunden. Beide kirchlichen Fehlentwicklungen haben zu einer Verweltlichung des Glaubens geführt, und beide kirchlichen Theologien werden nun so füreinander erschlossen, daß das Proprium der einen Kirche der anderen gerade zu ihrer Heilung dient. In diesem Zusammenhang hat die Zoi-Bewegung in der griechischen Kirche eine theologiegeschichtlich höchst bedeutsame Rolle gespielt. Diese potentielle gegenseitige Hilfestellung von Orthodoxie und Protestantismus ist mit ein Grund dafür, daß sich die ökumenische Begegnung orthodoxer und evangelischer Theologie zu immer größer werdender gegenseitiger Bereicherung entwickelt. Auf der Vierten Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen im Juli 1968 in Uppsala ist das erneut und eindrucksvoll bestätigt worden. Das orthodoxe Proprium der Kontinuität der Tradition und das evangelische Proprium der Erneuerung aus der Schrift sind dort — in dynamisierender Ausrichtung auf den Heiligen Geist — in einer gemeinsamen Erklärung als korrespondierende Verhaltensweisen der Einen Kirche formuliert und bekannt worden: „Die Kirche sieht sich vor der doppelten Forderung, nämlich der Kontinuität in dem einen Heiligen Geist und der Erneuerung als Antwort auf den Ruf des Geistes inmitten der Wandlungen der menschlichen Geschichte." 29 Evangelische Kommentare, l . J g . , Nr. 8, August 1968, S . 4 5 1 . Aus dem Sektionsberidit der Sektion I „Der Heilige Geist und die Katholizität der Kirche", Abschnitt 15, der Vierten Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirdien 1968 in Uppsala, in: Bericht aus Uppsala 1968, Genf 1968, S . 1 3 . 28 29

132

Dokumentation Dokument

A

Aus der Satzung der Zoi-Bruderschaft (gegr. 1907), die erstmalig 1929 rechtskräftig wurde und 1933 und 1950 modifiziert worden ist. Es wird die jetzt gültige Fassung von 1950 zitiert. Sie ist 1951 im Zoi-Verlag erschienen. Artikel 1: Die Bezeichnung Im Glauben und im Bekenntnis zum Namen des Gottmenschen und Retters Christus wird eine Körperschaft unter der Bezeichnung „Theologenbruderschaft Z o i " mit dem Sitz in Athen gegründet.

Artikel 2: Das Ziel Das Ziel der Bruderschaft ist einerseits die gegenseitige H i l f e der Mitglieder zu ihrer sittlichen Vervollkommnung in der christusgemäßen Tugend und zu einer besseren Verwirklichung ihres Tuns und andererseits der Dienst am Werke der Ausbreitung der christlichen Grundsätze und Wahrheiten unter dem Volk mit Selbstverleugnung und Selbstaufopferung in der Orthodoxen Kirche im allgemeinen und im besonderen in der griechischen Gesellschaft.

Artikel 3: Die Mittel Die Mittel, durch die die Bruderschaft die Verwirklichung dieses Zieles verfolgen und realisieren will, sind folgende: 1. Organisierung von Predigten und Vorträgen, von Laien oder Wissenschaftlern gehalten, als auch Organisierung von bildenden Veranstaltungen im allgemeinen — zur Verteidigung und zur Weitergabe der christlichen Wahrheit und zur Pflege christlichen Lebens im Volk. 2. Gründung einer Ausbildungsschule für Prediger und Einrichtung von Diskussionen und Unterrichtsstunden ethisch-religiösen Charakters. 3. Gründung von christlich geprägten Schulen für Kinder und Jugendliche. 4. Gewährung von Studienmitteln Studenten, besonders bei Theologen.

und

Berufsausbildungshilfen

bei

strebsamen

5. Selbständiges — oder auch in Zusammenarbeit mit anderen, ein ähnliches Ziel verfolgenden Körperschaften — In-Angriff-Nehmen und Förderung der Werke christlicher Liebe in der Gesellschaft durch bewußte Mitmenschlichkeit, soziale Verantwortung und überhaupt durch Betreuung derer, die H i l f e nötig haben. 6. Einrichtung von Leseräumen für das Volk, in denen unentgeltlich allen die Möglichkeit geboten wird, Bücher ethisch bildenden Charakters zu lesen. 7. Ausgabe und Verbreitung von Schriften, Büchern und Veröffentlichungen ethisch bildenden Charakters aller Art, vor allem aber Verbreitung der Heiligen Schrift im U r t e x t und mit geeigneter Erklärung. Unter diesen Veröffentlichungen hat das wöchent-

133

liehe Organ der Bruderschaft „Zoi" einen hervorgehobenen Platz. Diese Zeitschrift wird unentgeltlich und in der Weise, wie es jeweils der Verwaltungsrat bestimmt: a) an die Mitglieder der Körperschaft und an diejenigen, die zu ihrem Werke beitragen, und b) an unbemittelte Christen verteilt. Ebenso kann auf Beschluß des Verwaltungsrates auch die kostenlose Verteilung anderer Veröffentlichungen vorgenommen werden. und 8. Jedes andere Mittel, das zur Erreichung des Zieles der Bruderschaft beiträgt. Artikel 4: Die

Mitglieder

1. Mitglieder der Bruderschaft können werden: Absolventen der Orthodoxen Theologie, die einen festen Glauben, einen christlichen Eifer und ein tugendhaftes Leben aufweisen, die die Ziele der Bruderschaft bejahen und bereit sind, sich in ganzer Selbstlosigkeit ihrem Werke zu widmen. 2. In Ausnahmefällen können auch Nichttheologen Mitglieder der Bruderschaft werden, allerdings müssen sie — nach der Entscheidung des Rates — in der Lage sein, zum Werk der Körperschaft etwas beizutragen, und selbstverständlich auch alle anderen oben genannten Eigenschaften besitzen. Die Zahl der Mitglieder dieser Kategorie darf nicht die Hälfte der Zahl der akademischen theologischen Mitglieder übersteigen. 3. Die Mitglieder werden unterschieden in Probemitglieder, ordentliche und korrespondierende Mitglieder. 4. Die Probemitglieder werden aufgrund ihres schriftlichen Antrages und des Vorschlages mindestens eines Gliedes des Verwaltungsrates mit absoluter Mehrheit vom Verwaltungsrat ausgewählt. 5. Die ordentlichen Mitglieder werden aus dem Kreis der Probemitglieder aufgrund ihres schriftlichen Antrages und des Vorschlages mindestens zweier Glieder des Verwaltungsrates mit absoluter Mehrheit vom Verwaltungsrat ausgewählt. 6. Ordentliche Mitglieder, die sich — wenn auch nur vorübergehend — außerhalb Athens aufhalten, gelten für die Zeit ihrer Abwesenheit von Athen in rechtlicher Hinsicht als korrespondierende Mitglieder. 7. Korrespondierende Mitglieder, die — wenn auch nur vorübergehend — nach Athen kommen, fallen für die gesamte Zeit ihres Aufenthaltes in Athen in rechtlicher Hinsicht wieder unter die Kategorie der ordentlichen Mitglieder. 8. Zu Ehrenmitgliedern werden ehrenhalber Wissenschaftler vom Verwaltungsrat ernannt, die in der Kirche oder in der Wissenschaft oder allgemein in der Gesellschaft einen hervorragenden Platz einnehmen und dem Werk der Bruderschaft wichtige Dienste leisten. Die Ehrenmitglieder können an den Zusammenkünften nicht teilnehmen. Artikel 5: Die Pflichten der

Mitglieder

1. Die ordentlidien, korrespondierenden und die Probemitglieder verpflichten sich, a) mitzuarbeiten und beizutragen zum Erfolg und zum Fortgang des Werkes der Bruderschaft, willig die ihnen vom Verwaltungsrat oder von seinem Vorsitzenden übertragenen Dienste auszuführen und selbst Vorbild zu sein im Leben, in der Tugend und im christlichen Umgang, und b) der Kasse der Körperschaft einen jährlichen Beitrag zu entrichten, der jeweils vom Verwaltungsrat bestimmt wird. 2. Alle Mitglieder der Kategorie des Paragraphen 3 des 4. Artikels, die ihrer Dienste gegenüber der Körperschaft untreu werden oder Anlaß zu einem schweren Anstoß geben oder auf welche Weise auch immer eine mit den Prinzipien der Bruderschaft unvereinbare und unverträgliche Lebensführung zeigen oder im Verzug sind mit ihrem Jahresbeitrag, können von der Körperschaft ausgeschlossen werden durch Beschluß des Verwaltungsrates, der souverän entscheidet.

134

3. Steht der Ausschluß eines Gliedes des Verwaltungsrates zur Debatte, so geschieht er auf Beschluß der Allgemeinen Mitgliederversammlung, die auf Vorschlag der Mehrheit des Verwaltungsrates einberufen wird. Artikel

6: Der

Verwaltungsrat

1. Die Körperschaft w i r d v o m Verwaltungsrat verwaltet. 2. Der Verwaltungsrat regelt und leitet die A u s f ü h r u n g der Arbeit der Körperschaft im allgemeinen und bestimmt den einzelnen Beitrag eines jeden Mitgliedes, welcher Kategorie auch immer, den es zur E r f ü l l u n g dieser Arbeit zu leisten hat. Er verwaltet das Vermögen der Körperschaft. Im allgemeinen h a t er die Kompetenz über jedes Thema, das von der vorliegenden Satzung nicht geregelt ist und das nicht ausgesprochenermaßen in die Zuständigkeit der Allgemeinen Mitgliederversammlung fällt. 3. Die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrates w i r d jeweils von der Allgemeinen Mitgliederversammlung bestimmt. Sie darf allerdings nicht geringer als 4 und nicht größer als 7 sein. 4. Die Glieder des Rates werden auf 5 J a h r e gewählt. Wiederwahl ist möglich. Wenn ein Glied des Rates sein A m t zur Verfügung stellt oder ausscheidet, bevor die Wahlperiode abgelaufen ist, w i r d bis zum Zusammentritt der ordentlichen Allgemeinen Versammlung keine Nachwahl gehalten, wenn die übrigbleibenden Glieder mindestens 4 betragen. Andernfalls bestimmt der Verwaltungsrat, um die 4-Zahl der Glieder zu erreichen, von den bei den letzten Wahlen Nichtgewählten der Reihe nach provisorische Glieder des Rates, deren M a n d a t mit dem Zusammentritt der ordentlichen Allgemeinen Versammlung der Körperschaft erlischt. F ü r die Glieder des Verwaltungsrates gilt nicht die Bestimmung des P a r a g r a p h e n 6 des 4. Artikels der vorliegenden Satzung. 5. D e r R a t versammelt sich auf Einberufung des Vorsitzenden und ist beschlußfähig, wenn die Mehrheit anwesend ist. Die Beschlüsse werden von den Anwesenden mit einfacher Mehrheit gefaßt, außer in denjenigen Fällen, in denen die vorliegende Satzung absolute Mehrheit vorschreibt. Artikel

7: (Noch Verwaltungsrat)

1. Der R a t w ä h l t aus seinen Gliedern den Vorsitzenden, den Sekretär und den Schatzmeister f ü r eine Dienstzeit von 5 Jahren. D e r R a t kann f ü r einen bestimmten Fall oder f ü r einen Zeitabschnitt Glieder aus seinem Kreis, die andere sind als die oben Gewählten und die die Pflichten eines Sekretärs oder Schatzmeisters übernehmen wollen, mit dazubestimmen. 2. Der R a t kann Mitgliedern der Körperschaft, welcher Kategorie auch immer, besondere Missionen übertragen und er k a n n eigene Ausschüsse einsetzen. D e r Inhalt und die D a u e r solcher Missionen wird in jedem einzelnen Falle vom R a t festgesetzt. Artikel

8: Der

Vorsitzende

1. Der Vorsitzende leitet die allgemeine Arbeit des Rates und der Versammlung und repräsentiert die Körperschaft in allen ihren allgemeinen Beziehungen gegenüber den Gerichten und den übrigen öffentlidien und nationalen Behörden, wie auch gegenüber jeglicher juristischen oder natürlichen Person. 2. D e r R a t kann nach seinem eigenen Urteil in besonderen Fällen die oben beschriebene Vertretung der Körperschaft einem anderen Gliede der Körperschaft übertragen. 3. Im Falle der Abwesenheit oder Verhinderung des Vorsitzenden übernimmt beim Zusammentritt des Verwaltungsrates der Sekretär dessen Funktion, im Falle audi seiner Abwesenheit oder Verhinderung der Älteste der Ratsmitglieder, ausgenommen der Schatzmeister.

135

4. D i e vom R a t herausgegebenen Schriftstücke tragen die Unterschrift des Vorsitzenden und des Sekretärs oder, im Falle des Paragraphen 2 dieses Artikels, allein die Unterschrift des Beauftragten.

Artikel 10: Die Allgemeine

Versammlung

1. Die Allgemeine Versammlung der ordentlichen Mitglieder der Körperschaft wird auf Beschluß des Verwaltungsrates vom Vorsitzenden einberufen und findet obligatorisch im August eines jeden Jahres statt (Ordentliche Allgemeine Versammlung). Eine außerordentliche Versammlung findet statt, wenn sidi nach dem Urteil des Verwaltungsrates die Notwendigkeit dazu ergeben hat oder wenn ein Rechtsgrund vorliegt. Für den Beschluß zur Einberufung wird eine Tagesordnung festgesetzt. 2. Die Einberufung geschieht durch Einzeleinladungen, die an den letzten bekannten Wohnsitz des jeweiligen ordentlichen Mitgliedes geschickt werden. In der Einladung wird die Tagesordnung der Versammlung mitgeteilt. 3. Die Versammlung ist beschlußfähig, wenn mindestens ein Viertel der Gesamtzahl der ordentlichen Mitglieder anwesend ist. Wenn bei der ersten Zusammenkunft keine Beschlußfähigkeit zustande kommt, tritt innerhalb von 8 Tagen eine neue Versammlung zusammen, bei der die Beschlußfähigkeit als gegeben angesehen wird, wie viele Mitglieder auch immer anwesend sein mögen. 4. Beschlüsse werden nur über die in der Tagesordnung erwähnten Themen gefaßt und kommen durch einfachen Mehrheitsbeschluß der anwesenden Glieder zustande. In personalen Angelegenheiten wird geheime Abstimmung geübt, bei der Wahl zu Ämtern eine Stimmzettelwahl.

Artikel 12: Das Einkommen der

Körperschaft

Das Einkommen der Körperschaft setzt sich zusammen: a) aus den ordentlichen und außerordentlichen Beiträgen der Mitglieder und aus den Beiträgen Dritter, welcher Art auch immer; b) aus dem Ertrag des beweglichen oder unbeweglichen Vermögens der Körperschaft; und c) aus den zufälligen Schenkungen an die Körperschaft, aufgrund von Erbschaften oder Vermächtnissen, wie es das Gesetz bestimmt.

Dokument Β Leitartikel der 1. Ausgabe der Zoi-Zeitschrift vom 7. Juli 1911 unter dem Titel: „Unser Programm". Wir kommen nicht, um in den Spalten unserer Zeitschrift auf die Notwendigkeit der religiösen Bildung und des christlichen Lebens unseres Volkes hinzuweisen. Wir kommen nicht, um auf die Gefahr der gesellschaftlichen Zersetzung und des nationalen Verfalls hinzuweisen. In diesem Falle würden wir fortfahren, eine unverzeihliche Gleichgültigkeit gegenüber der von den Vätern ererbten Religion unseres Christus an den T a g zu legen. G o t t sei D a n k , haben die andauernden nationalen Tragödien, besonders diejenigen der letzten Jahre, und die vielerlei anderen gemeinsamen Mißgeschidce zusammen mit dem Verfall der Sitten den meisten diese N o t und diese Gefahr hinreichend deutlich ins Bewußtsein gehoben. U n d umsonst würden wir uns abmühen, wenn auch wir darüber reden wollten. Mit der H i l f e der göttlichen Gnade kommen wir lieber, um an der Wiederanfachung des religiösen Gefühls und an der Rückführung zum ursprünglichen christlichen Leben mitzuwirken. Unerschütterlich überzeugt von der Kraft des Christentums, vor Augen

136

die lebendige Geschichte der Ereignisse, die offen bezeugt, daß dort, wo das Christentum eingedrungen ist und die Herzen erobert hat, die Gerechtigkeit sich entfaltete, die Wahrheit erblühte, die Sitten geläutert wurden, die Gemeinschaften gediehen und die Völker berühmt wurden, — dieses also vor Augen kommen wir, um mit unseren schwachen Kräften dafür zu arbeiten, daß das Christentum, die Religion unseres gekreuzigten Herrn, die Seelen unserer christlichen Brüder erwärme. Von diesem Standpunkt aus wollen wir in den Spalten unserer Zeitschrift versuchen, nach dem Maß unserer Kräfte die Kenntnis der heilsnotwendigen Grundsätze des Christentums zu vermitteln, um mit dem feurigen Geist der Worte des Sohnes Gottes den Unwissenden die Erhabenheit der sittlichen Lehre des Evangeliums bekannt zu machen und auf diese Weise eine Wiederbelebung des religiösen Lebens zu betreiben. Wir wollen, soweit es an uns liegt, dazu beitragen, daß von allen aufgenommen und verstanden wird, daß Christus die Kraft ist und das Leben der Familien und Gemeinschaften und daß eine Familie oder Gemeinschaft ohne Christus ein Schiff ohne Steuer ist auf tobender See. Wir wünschen schließlich, daß, soweit es möglich ist, alle Berufe und alle Stände Christus erkennen und ihn lieben und seinem Willen gehorsam werden. Diesem Ziele wollen wir die Kolumnen der „Zoi" weihen. In der Heiligen Schrift und in der Kirchengeschichte zeigt sich jedoch die klare Wahrheit, daß Erleuchtung, Erneuerung und Formung der Menschen nadi Gott unmöglich zu erreichen sind ohne Predigt des göttlichen Wortes. Durch die Predigt vermittelte Christus der Menge, die an seinen Lippen hing, das Leben. Durch die Predigt haben die Apostel die Kirche Christi gegründet und regiert. Durch die Predigt haben unsere unsterblichen Kirchenväter die Christen beseelt und das Gefühl der Liebe und des Gehorsams zu Christus angefacht. Darum werden auch wir — in Athen und in den Gemeinden draußen auf dem Lande — mit der Billigung und unter dem Segen des hochwürdigen Metropoliten von Athen und der ehrwürdigen Hierarchen des Staates nicht versäumen, soweit es uns nur möglich sein wird, das Wort Gottes zu verkündigen. So ist unser Programm, so auch unser Ziel. Schwierig ist das Werk und wahrhaftig allenthalben über unser Vermögen. Doch im Vertrauen auf die allmächtige Gnade Gottes und mit dem unerschütterlichen Glauben, daß durch die Kraft Christi, die in den Schwachen mächtig ist, wunderbare und große Werke vollbracht werden, schreiten wir in diesem Glauben an unser Werk in der Hoffnung, daß wir die Unterstützung aller derer finden werden, die das Wiedererstehen unseres Volkes und den Ruhm unserer Kirche aufrichtig ersehnen.

Dokument

C

Aus dem Hauptwerk des Gründers der Zoi-Bewegung, Archimandrit Eusebios Matthopoulos: „Die Bestimmung des Mensdien", §§ 4—9, S. 12—18: § 4. Unterscheidung der Bestimmung des Menschen . Die Bestimmung des Menschen wird unterschieden in eine Grund-Bestimmung, die der Mensch in seinem irdischen Leben hat, und in eine Ziel-Bestimmung, die er in dem Leben der zukünftigen Welt hat. J 5. Was ist die Bestimmung des Menschen auf Erden? Was ist die Bestimmung des Menschen auf Erden? Oder mit anderen Worten, was für einen Grund und was für ein Ziel hat die Existenz, das Leben und das Sein des 137

Menschen in dieser Welt? Wir beantworten diese Frage, indem wir sagen, daß der Grund für die Existenz des Menschen in dieser Welt, das Ziel seines Lebens und überhaupt die Bestimmung des Menschen auf Erden die ist: Christus gleichgestaltet zu werden. Dazu ist Christus, der Sohn Gottes, in diese Zeit hinein inkarniert worden und der wahre und in allem vollkommene Mensch geworden, das Abbild und Ebenbild Gottes. Dazu hat auch Gott, der Vater, vom Himmel her Christus bezeugt und ihn als seinen geliebten Sohn verkündet, ihn zugleich auch zum Lehrer der Menschheit bestimmt und eingesetzt, indem er sagte, daß wir seinen Worten gehorchen sollten, um ihm gleichgestaltet zu werden. Dieses alles hat der himmlische Vater bezeugt und verkündet, als Christus im Jordanfluß getauft wurde und als er auf dem Berge verklärt worden war. Da sprach er vom Himmel: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören!" (Mt.3,17 und 17,5). D . h . dieser ist mein geliebter Sohn, durch welchen ich die Menschheit zu retten beschlossen habe. Auf ihn sollt ihr hören, seinen Worten vollkommenen Gehorsam leisten. Aber auch schon bevor Christus Mensch wurde, hat Gott die Menschen gelehrt und auf den Glauben und Gehorsam zu Christus durch seine heiligen Propheten vorbereitet, die vom Heiligen Geist erfüllt über Christus redeten und ihn verkündigten. Es hat also Gott Vater selber direkt vom Himmel herab Christus verkündigt und ihn zum Lehrer der Menschheit eingesetzt; er hat auch durch seine heiligen Propheten von ihm geredet, damit wir Menschen alle an ihn als den Retter der Menschheit glauben, damit wir vollkommenes Vertrauen in seine Worte fassen und in allem seinen Geboten gehorchen. § 6. Summarische

Kunde über

Christus.

Wir sagten, daß die Bestimmung des Menschen darin besteht, Christus ähnlich zu werden. Aber wer ist Christus, dem ähnlich zu werden unsere Bestimmung ist? Über Christus, der der einzige und ewige Erlöser und Retter der Menschen, der das Fundament und die Grundlage des Christentums ist, muß der Christ eine so vollkommene und gute Kenntnis wie nur möglich haben. Da jedoch im folgenden noch oftmals von Christus die Rede sein wird, insoweit unsere Rettung von ihm kommt und von ihm abhängig ist, darum werden wir hier nur summarisch und in Kürze von ihm reden. Christus ist vollkommener Gott. Christus ist der Sohn und das Wort Gottes, geboren aus Gott dem Vater vor aller Zeit, vor aller Schöpfung. Er ist wahrhaftiger Gott, gleichen Wesens mit dem Vater, und bildet Gott und seinen Vater wahrheitsgetreu und unverfälscht ab. D.h. wie auch immer der Vater ist, so ist auch der Sohn; vollkommener Gott ist der Vater, vollkommener Gott ist auch der Sohn. Ausnahmslos alle Geschöpfe sind nach dem Willen des himmlischen Vaters durch ihn geschaffen, sowohl was im Himmel ist, als auch was auf Erden ist; sowohl was mit den Augen gesehen werden kann, als auch das, was mit ihnen nicht gesehen werden kann. Durch ihn sind alle allgemeinen Kräfte geschaffen, alle Ordnungen der heiligen Engel und Geister, alle Throne, Herrschaften und Gewalten, wie auch alles, was auf Erden ist. Alles ist durch ihn und zu seiner Ehre geschaffen; und alles wird durch ihn zusammengehalten und geleitet und zu seiner Bestimmung geführt. Er ist folglich der absolute Herr, Machthaber und Gewaltige des Alls. Diese obigen Wahrheiten offenbart und lehrt uns kein anderer als der Heilige Geist. Und zwar sagt er durch den Evangelisten Johannes über die Gottheit Christi folgendes: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alles ist durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist" (Joh. 1,1—3). Durch den Apostel Paulus aber spricht er dies: „Welcher (der Sohn und Logos Gottes) ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, 138

der Erstgeborene aller Schöpfung; denn durch ihn ist alles geschaffen, was im Himmel und was auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, seien es Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; alles ist durch ihn und zu ihm geschaffen; und er ist vor allem gewesen, und es besteht alles in ihm" (Kol. 1,15—17). Und an einer anderen Stelle spricht er durch denselben Apostel: „Welcher (der Sohn und Logos Gottes) der Abglanz ist der Herrlichkeit und das Ebenbild des Wesens (Gottes) und welcher alle Dinge durch sein kräftiges Wort trägt" (Hebr. 1,3). Christus ist auch vollkommener Mensch. Solcherart ist Christus: wahrhaftiger Gott, aber in der Zeit auch vollkommener Mensch geworden. Folglich ist er zugleich Gott und Mensch, d. h. ein Gottmensch. Und in ihm als dem Menschen gefiel es dem Vater, den ganzen Heiligen Geist wohnen zu lassen. Christus aber ist Mensch geworden, damit er nach dem Willen des himmlischen Vaters durch sein Opfer am Kreuz den Menschen von der Sünde und dem ewigen Tode befreie und alles wieder mit Gott versöhne und befriede, sowohl die irdischen wie auch die himmlischen Dinge. Und damit er sein Werk weiter fortführe, d. h. das Werk der Rettung der Menschen, stiftete und gründete er die Kirche. Es ist nämlich die Kirche der ethische Leib Christi, dessen Herrscher und Haupt Christus selber ist. Er ist als erster aus dem Grabe auferstanden und lebt und herrscht in Ewigkeit, er ist der Erstgeborene geworden und der Erstling der Auferstehung von den Toten, damit auf diese Weise Christus als Mensch in allem den Vorrang habe. Auch dieser Dinge aller versichert uns wiederum der Heilige Geist. So spricht er einerseits durch den Evangelisten Johannes „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns (und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater); voller Gnade und Wahrheit" (Joh. 1,14). Und andererseits spricht er durch den Apostel Paulus: „Und er (Christus) ist das Haupt des Leibes der Kirche, er ist der Anfang und der Erstgeborene von den Toten, damit er unter allen den Vorrang habe; denn es gefiel ihm wohl, daß in ihm alle Fülle wohnen sollte und durch ihn das All, sei es, was auf Erden ist, sei es, was im Himmel ist, mit ihm versöhnt würde, indem er durch sein Kreuzesblut Frieden machte" (Kol. 1,18 u. 19). Die drei Ämter Christi. Haupt der Kirche ist Christus. Als Mensch hat er drei Ämter: er ist Prophet, Hoherpriester und König. Prophet ist er, d.h. der absolute und einzige Lehrer, insofern er selbst die Wahrheit und den Willen des himmlischen Vaters der Welt geoffenbart und kundgetan hat. Darum hat er selber zu Pilatus gesagt: „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit zeugen soll" (Joh. 18,37). Durch seine Lehre, die er durch die mächtigen Wunder, die er tat, besiegelte und bekräftigte, und durch die Heiligkeit seines Lebens und durch sein ganzes Leben wie auch durch die Verklärung auf dem Berge Tabor, wo „sein Angesicht wie die Sonne leuchtete, seine Kleider aber weiß wurden, wie das Licht" (Mt. 17,2), offenbarte er uns Gott, soweit es für einen Menschen in dieser Welt möglich ist, den vollkommenen und unendlichen Gott zu erkennen. Hoherpriester ist Christus, insofern er die Sünden der Welt auf sich nahm und sich selbst als Opfer vor Gott darbrachte, indem er sein Blut vergoß und am Kreuze starb, um der Forderung der göttlichen Gerechtigkeit Genugtuung zu leisten und die Sünden der Menschen wegzunehmen. Von diesem Opfer Christi, seiner Hohenpriesterschaft und Mittlerschaft, aus der das Heil quillt, redet die ganze Heilige Schrift und insbesondere der Hebräerbrief. König schließlich ist Christus, insofern er nicht nur der oberste Führer der Kirche ist, sondern der absolute Herr und Machthaber alles dessen, was im Himmel und auf Erden ist, so wie er auch selber sagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden" (Mt. 28,18). Indem Christus das sagt, meint er, daß ihm als dem Menschen von Gott, dem Vater, alle Herrschaft gegeben ist; denn als Gott hatte und hat Christus schon die Herrschaft über das All, sofern durch ihn, wie geschrieben steht, alles ge139

schaffen ist und zusammengehalten und geleitet wird. Als dieser Herr und Machthaber und ewiger König, als den ihn der Verkündigungsengel der Jungfrau Maria verkündete: „und seine Herrschaft wird kein Ende haben" (Lk. 1,33), wird er wiederkommen in all seiner göttlichen Kraft und Herrlichkeit mit allen heiligen Engeln, damit er die Welt richte und einem jeden vergelte nach seinen Werken. Dieses versichert er selbst, indem er spricht: „Wenn des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle heiligen Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, und es werden vor ihm versammelt werden alle Völker, und er wird sie voneinander sdieiden, wie ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet, und er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Böcke aber zu seiner Linken. Dann wird der König denen zu seiner Rechten sagen: Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an" usw. usw. (Mt. 25,31—46). Das summarisch über Christus, dem gleichgestaltet zu werden unsere Bestimmung ist. § 7. Kann der Mensch Christus gleichgestaltet werden? Vielleicht sagt einer, der die Größe Christi vor Augen hat: ist es denn überhaupt möglich, daß der Mensch Christus gleichgestaltet werde? Ist es möglich, die Untadeligkeit, die Heiligkeit, die Tugend und die Größe Christi zu erreichen? Und wenn dies nicht möglich ist, wie kann dann die Bestimmung des Menschen auf Erden darin bestehen, Christus gleich zu werden? Wir antworten auf diese Frage, indem wir sagen, daß es sich nicht darum handelt, daß der Mensch der Gottheit Christi gleich werde, noch seiner Herrlichkeit, die Christus nach seiner Auferstehung von den Toten und seiner Himmelfahrt auch seiner menschlichen Natur nach empfangen hat. Sondern es handelt sich darum, daß der Mensch Christus ähnlich werde darin, wie er als Mensch lebte und wie er sich in dieser Welt verhielt. § 8. Worin der Mensch Christus nicht gleich werden kann. Nach diesen Ausführungen geben wir an, worin Christus dennoch überragt und worin es der Natur nach für den Menschen unmöglich ist, auf seine Höhe zu gelangen und ihm gleich zu werden. Siehe: 1. Christus ist aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria geboren. Aus diesem Grunde ist er völlig frei von der Erbsünde. 2. Christus hat eine genaue, vollständige und vollkommene Kenntnis des göttlichen Willens und eine vollständige und vollkommene Kenntnis des Teufels und aller seiner Methoden, Listen, Machenschaften und menschentötenden Pläne. 3. Christus hat sich sein ganzes Leben lang als völlig sündlos erwiesen und in allem untadelig und heilig, er hat die Verbote in allem gehalten, ohne daß audi nur im geringsten das Gift der Sünde ihm nahegekommen wäre. 4. Christus hat das Gesetz und jedes Gebot aktiv erfüllt und hat bis auf das i-Tüpfelchen den ganzen Willen des himmlischen Vaters ausgeführt. 5. Christus hat sich aus unendlicher und absoluter Höhe und Größe erniedrigt und sich freiwillig bis zum letzten und äußersten Zeichen der Niedrigkeit herabgelassen. 6. Christus hat die Heiligkeit von Natur aus und in absoluter Weise, und er hat sie aus sich selber. 7. Christus verehrte seinen Gott und Vater und war ihm wohlgefällig geworden nicht nur durdi höchste Vollkommenheit, sondern audi allein durch sich selbst, ohne irgendeinen Mittler. 8. Christus, der nicht nur Mensch, sondern auch Gott ist, tat und vollbrachte übermenschliche Werke und bewirkte durch sein Selbstopfer für die ganze verständige Sdiöpfung erneuernde und rettende Tatbestände, höchste und ewige, die niemals ver-

140

gehen, Werke und Wirkungen, die seiner unendlichen Höhe entsprechen und ihrer würdig sind. Alle diese aufgezählten Eigenschaften hat allein Christus in Vollkommenheit aufzuweisen. Und in keiner von diesen, aber audi nicht in einer nur, kann irgendein anderer Mensch Christus gleich oder ihm ganz ähnlich werden. 5 9. Worin der Mensch die Bestimmung auf Erden hat, Christus gleich zu werden, und wie er ihm gleichgestaltet wird. Nach dieser Kenntnisnahme der göttlichen Vorzüge, die in Vollkommenheit allein Christus eigen sind, wollen wir aussprechen, worin der Mensch auf Erden die Bestimmung hat, Christus gleich zu werden. Wir sagen also, daß er die Bestimmung hat, in folgendem gleich zu werden: sich geistig und ethisch Christus anzunähern, d.h. er hat die Bestimmung, sich so weit wie nur möglich innerlich und äußerlich nach Christus zu formen und zu bilden, damit er dessen sittlichen Charakter erlange. Aber auf welche Weise kann der Mensch diesen sittlichen Charakter Christi erlangen? Wie mag er ihm gleichgestaltet werden? Er wird ihm gleichgestaltet, wenn er auf Christus als das vollkommene Vorbild der Tugend schaut und dieses sein Vorbild, so weit es ihm nur möglich ist, nachahmt und wenn er in Obereinstimmung mit seinen Worten und seinen Geboten lebt und sich danach verhält. Denn dann wird er, so weit es möglich ist, das Denken, Fühlen und Wollen Christi erlangen und wirken und arbeiten, wie es Christus gemäß ist, dann wird er audi in seinem sittlichen Charakter ihm ähnlich werden, so weit es möglich ist. Daß aber der Mensch diese Bestimmung auf Erden hat, so weit wie nur möglich nach Christus gestaltet und ihm gleich zu werden, das wird durch ungezählte Zeugnisse der Heiligen Schrift bewiesen; und zur größeren Gewißheit führen wir einige von ihnen an. Denn je gewisser einer über diese Wahrheit ist, um so mehr ergreift er sie und wird ihr gleichgestaltet.

Dokument D Manifest der griechischen Wissenschaftler an das griechische Volk von Weihnachten 1946, — übersetzt nach der griechischen Fassung, die in der „Erklärung der Christlichen Wissenschaftlervereinigung", Athen 1946, S . 2 0 2 — 2 0 4 , veröffentlicht worden ist. Eine englische Fassung findet sich in A. Tsirindanis, Towards a Christian Civilization, Athen 1950, S. 6 f. Wir Unterzeichner, Wissenschaftler und Schriftsteller in Griechenland, halten es für unsere Pflicht, unsere Oberzeugung, welche Richtung das griechische Volk in den großen und grundsätzlichen Problemen des Lebens einschlagen sollte, audi öffentlich kundzutun, damit es die Schwierigkeiten der gegenwärtigen Zeit überwinden kann und die geistige wie auch materielle Wiedergeburt der Nation erreiche. Aufgrund der objektiven und unparteilichen Forsdiung der Wissenschaft, deren Pflege ein jeder von uns seine Kräfte geweiht hat, und durch den Kontakt mit Literatur, Kunst und Kultur und der fortlaufenden Betrachtung der menschlichen Erfahrung — besonders der der letzten Jahre — sind wir zu folgender Überzeugung gelangt: 1. Die Zukunft sowohl der Menschheit als auch besonders die unseres Landes hängt zuallererst von der richtigen und festen geistigen Grundlegung des Lebens des modernen Menschen ab, durch welche allein das Bestehen einer wahrhaftigen Kultur ermöglicht wird. 2. Eine solche Grundlegung ist nicht möglich, wenn der moderne Mensch den Schatz der Werte nicht gebraucht, den ihm das Christentum, der christliche Glaube und die 141

christliche Ethik darreichen. Entfernung von diesen Werten heißt Entfernung von jeder begründeten Hoffnung, daß die Menschheit eine der Gegenwart gegenüber bessere Zukunft wird aufbauen können. 3. Darüber hinaus widerspricht solche Entfernung den Ergebnissen der wirklich unvoreingenommenen kritischen Erforschung der großen und für den Menschen fundamentalen Probleme und besonders den Ergebnissen, zu denen die moderne wissenschaftliche Forschung gelangt, die auf einer wahrhaft wissenschaftlichen Ebene durchgeführt wird, mit streng wissenschaftlicher Methode und in edit wissenschaftlichem Geist. So wie in den exakten Wissenschaften, der Physik und der Biologie, so hat auch in den übrigen Wissenschaften der Fortschritt der modernen Forschung gezeigt, daß die Bemühung, die Wissenschaft als eine Unternehmung erscheinen zu lassen, die den christlichen Glauben Lügen straft, ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage ist. Keiner hat das Recht, auf einer Ebene die Wissenschaft mit einzumengen, auf der die großen metaphysischen Fragen liegen, und den Namen und die Autorität der Wissenschaft zur Unterstützung einer Polemik gegen den christlichen Glauben zu gebrauchen. Außerdem wird die angeblich im Namen der Kunst, im Namen des allgemeinen künstlerischen Schaffens betriebene Entfremdung vom christlichen Vorbild nicht nur von keinerlei Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit eines echten künstlerischen Schaffens gefordert, sondern bedeutet im Gegenteil einen schweren Schlag für die Kunst und nimmt ihr ihren führenden Rang, der ihr innerhalb einer echten Kultur eigentlich zukommt. 4. Die Reihe der Tragödien und Enttäuschungen, die die Neuzeit charakterisieren, hat offenbar werden lassen, daß die Erfüllung der dringenden Notwendigkeit einer völligen Wiederherstellung der Gesellschaft und Wirtschaft, die Notwendigkeit einer Vorherrschaft des Rechtes, der Ethik und der Prinzipien einer sozialen Gerechtigkeit, nur dann ermöglicht werden kann, wenn das Leben der einzelnen und das Leben der Gemeinschaft von dem Glauben genährt wird, auf dem das Christentum aufgebaut ist, wenn das ethische Gebot, das auf diesen Glauben gegründet ist, mitten in der Seele des modernen Menschen die nötige gebieterische Kraft empfängt. Ohne diese Kraft werden auch die edelsten Wünsche und die theoretisch noch so richtigen Pläne zu Traumbildern und führen zu harten Enttäuschungen. 5. Schließlich führt die Erziehung des Einzelnen, besonders aber die Aufzucht und Bildung der Jugend, wenn sie nicht völlig auf Ehrfurcht gegenüber den christlichen Werten gegründet ist, mit Notwendigkeit ins Unglück, in eine geistige Unterernährung der neuen Generation und zu einer sittlichen Verkümmerung. Im Gegenteil dazu wird das christliche Bildungsideal Grund und Hoffnung zum Gelingen für jede wahrhaft vorwärtsweisende Bemühung geben, die sich um eine glückliche Lösung des Erziehungsproblems des modernen Menschen bemüht. Diese unsere Schlußfolgerungen konvergieren mit der Wende, die in der neueren Wissenschaft und allgemein im Denken beobachtet wird und die sich ständig auf eine höchst feierliche Art durch den Mund berühmtester moderner Wissenschaftler und Geisteswissenschaftler aus der ganzen Welt manifestiert. Unabhängig davon, was zu anderer Zeit geschah, weiß heute die Wissenschaft wie auch die lebendige neuere Kunst sehr wohl, den christlichen Glauben und seinen unübertroffenen schöpferischen Wert zu schätzen. Das griechische Volk sollte diese Entwicklung im Auge haben, damit es sich nicht weiter auf überholte Auffassungen über das Verhältnis von Wissenschaft und christlichem Glauben und christlicher Ethik gründe und damit es erkenne, daß die Rückkehr zum christlichen Glauben, mit dem das Wesen unserer Nation und zwanzig Jahrhunderte Geschichte verwoben sind, nicht nur völlig übereinstimmt mit den Schlußfolgerungen des Fortschritts der neueren Wissenschaft, sondern auch die einzige Gewähr für die Lösung der gewaltigen Probleme darstellt, die die heutige Zeit uns vorlegt. Das ist das dringendste Gebot für unser Leben und für unsere Zukunft.

142

Dokument

Ε

Aus dem Hauptwerk des Ideologen der Zoi-Bewegung, Professor des Rechts an der Athener Universität Alexander N . Tsirindanis, „Auf zu einer christlichen Zivilisation" (Towards a Christian Civilization), 1. Auflage, Athen 1950, §§ 48, 49 und 61, S.81—84 und 102: § 48. Some main lines. Let us now summarize w h a t has been said in regard to the theological aspect of the work of Christian Civilization, underlining a few main points of the view which is herewith expressed. This will help to avert confusion with other views and inclination. 1. As has been stated in regard to contemporized Christianity, the work of Christian Civilization condemns every effort to deviate f r o m Christian doctrine. H e r e we refer to w h a t we have said about contemporized Christianity (§§ 37—40). We have further to observe only t h a t we w h o are carrying out this research, being members of the Eastern O r t h o d o x Church, speak on the basis of the official doctrine of t h a t Church. But we understand, of course, t h a t our brethren, w h o belong to other denominations, will be f a i t h f u l to their Church or, more generally, to their denomination. Let us point out here w h a t we said in the last p a r a g r a p h . We all have to meet in the effort for a Christian Civilization. This, no doubt, will be the preparation for the miracle which God will one day perform, i. e. the unity of all w h o believe in Christ. 2. O n the other hand, w h a t we need is not a conservative movement, in the sense that we consider everything in Christianity or the Church to be all right. The doctrine is certainly right. But the application is anything but right, as we saw in §§ 17—24. By application we mean the study of the problems relative to the application of Christianity. A n d if by the term "conservative" we mean people accepting that there is nothing that needs a cure, then of course such conservatism is quite foreign to the views expressed here. Let this also be pointed out. The O r t h o d o x Church has never been "conservative" in the above sense. For us O r t h o d o x , as perhaps for all other Christians, there is no identity of the O r t h o d o x faith w i t h sinlessness in application. And never was the term " O r t h o d o x " used in the sense of "sinless". The verse "we have sinned, we have transgressed, we have done w r o n g " , together with the endeavour to come back to the line of application, has always been one of the main and most brilliant characteristic features of the O r t h o d o x Church. O n the other hand the strictly orthodox basis in regard to dogma could perhaps be thought, especially by a non-Christian, as pure fanaticism. We are not a f r a i d of such an epithet. If by fanaticism we mean an opposition to the " a = a, but just to please you I accept that a = b " sort of mentality, if to reject such kind of mentality is fanaticism, then we are fanatics. But if by fanaticism we mean the "a = a, and if you think that a = b you are my enemy" sort of mentality, then we are anything but fanatic, on the contrary, we condemn fanaticism as altogether anti-Christian. Theology, therefore, should be a body of doctrine teaching love and understanding, but not one of concession; not one of making truth fit the wishes of those who disagree, but one of showing love even to those w h o do not k n o w the t r u t h yet. Love towards our erring brother may well increase in the same w a y as it does t o w a r d s our sick brother. But this is one thing, and instability in faith is quite another. Understanding relates to love, orthodoxy relates to dogma. 3. The work of Christian civilization, although it is the object of the endeavours of all Christians, is not a work exclusively of laymen without any participation of the clergy. Both "clericalism" and "anticlericalism" are expressions of the same thing, name143

ly, the split in the body of the Church. What is needed, above all, is the restoration of unity. The work of Christian civilization is, therefore, also for the clergy and the administration of the Church. It is, at the same time, the work for laymen and for every Christian. It is evident that, in the present enquire, the more special work which the hierarchy of the Church have to do can concern us only from one point of view; namely the fervent wish that these subjects may become the object of research by the Church's administrative authorities, so that the Church as an organized whole may also become a factor of civilization. § 49. The course and the helm. The conclusion of the present enquiry could perhaps be made clearer by means of an illustration, namely, that of the quartermaster standing abaft the wheel and the steering compass on the bridge of an ocean-going vessel. N o w this quartermaster, having received his orders from the officer on the bridge and turned the ship's head on on the course, may do three things: One is to quiet himself with the thought that, once he has turned the ship's head on to the course, he is not supposed to do any more about it, and that he might as well turn his attention to other things. What will happen in this case is that the ship will be carried away in one direction or other by the waves and the currents. The longer the voyage, the greater will the deviations be. At last the ship will reach a point — if she ever does reach any point — quite different from that of the destination. She may quite probably turn right back. The second possibility is that the quartermaster may change the course of the ship by turning the wheel at his own preference, or according to the direction of the wind and the tides, or at the passengers' pleasure. We need not say what may happen in this case. But there is a third possibility: the one that is usually applied in practice. The quartermaster, as soon as he receives his orders from the officer turns the ship's head on to the course set by the captain. But he does not remain inactive, not does he abandon the wheel. Being aware that the waves and the currents tend to deviate the ship from her course, he keeps on holding the wheel and he turns it continually sometimes to the right and sometimes to the left. A novice might think that the quartermaster by turning the wheel, continually changes the course of the ship. But) it is the exact opposite that happens. By these movements the quartermaster maintains a steady direction and brings the ship's head, which is swung by the waves, back to the course that the captain has set. Since the first Christian age the Church has often been compared to a ship, and this similarity is clearly shown by the picture we have just drawn. Considering the course of Christianity through the ages, we observe the three possibilities of the ocean-going vessel in our analogy: The first possibility is that once the course is laid, everything will go well. Thus, not wishing even to cast a glance upon all evil, absurd and sinful things contained in the body of Christianity, we would deal with anything else but the cure of evil. This is the conservative attitude, in the bad sense we referred to above (§ 48 sub. 2). The second method is that observing absurd and sinful things we should change direction according to our own inspiration, to the trend of the age, or to the wishes of the one or the other party. This is the theology of concessions, adaptions, ' rationalism", and the like. The third method is to keep the given course truly and firmly, but also to bear in mind that the Church, too, has its human element which is subject to human influence through the ages; to consider therefore as self-evident the fact that we must constantly bring Christianity, as life and reality, bade to the eternal directive line which its Leader has laid down. This is not a reformation, not a change, but a rearrangement, a securing of stability in the course of Christianity through eternity.

144

This rearrangement is what our society needs to-day. With a Christianity soundly in line with our own days, with a Church able to understand and fulfil the demand of our times, and, above all, with the guidance of the theologian and the teacher of to-day as integrated personalities worthy of the times, applied Christianity as a living social manifestation will give what the modern, bankrupt and miserable man wants: The Gospel, not only as a message, but as a living, contemporary reality, in the midst of these very times and this very society. § 61. Christian Civilization. We now come to the conclusion of the thoughts presented so far. What the world urgently needs is that the whole of life should be governed by Christian principles derived from Christian faith. This applies not only to the life of individuals, but also to the life of the social whole. This applies, further, to all sides of life. In the most general sense, this applies to civilization as a whole, or as we said above in § 53, to all values of civilization, taken as an organic whole. The task of our age is to build up a Christian civilization. We call this a Christian task, because it will be guided by a Christian conception of the world, and it derives its power from the Christian faith. We call it civilization in order to show two facts. First, its general application in all aspects of life, as we have already said; second, its manner of application, which is not violence and political power, but renewal of life. This demand of Christian civilization is imperative in both senses. In the sense of a Christian postulate, and in the sense of an urgent need of the man who suffers, in the midst of a bankrupt civilization which was not build on Christian ground. If, as real Christians, we start from genuine Christianity, we shall come to the conclusion that this work of civilization is the inevitable fruit of genuine Christianity, of whidi we have spoken in previous chapters. On the other side, if we start from the ruins which are now filling Europe, or from the shipwrecked modern man, we shall also acknowledge the need of civilization and come to the conclusion that Christian civilization is needed. All values of modern civilization must be based on Christianity, if that civilization is to be a genuine one. All the values of Christianity must be manifested actually in civilization, if that Christianity is to be genuine. If this is not done, we have, on the one hand a fruitless Christianity, on the other, a chimerical civilization. This is the conclusion reached both by the Christian and by the shipwrecked man of modern life.

Dokument F Aus dem Zoi-Symposion „Theologia" die Einleitung des für eine innere Reform eintretenden dritten Priors der Zoi-Bruderschaft, Archimandrit Elias Mastrojannopoulos: „Einige Kennzeichen orthodoxer Theologie", Theologia, Wahrheit und Leben, Ein geistiges Symposion, Athen 1962, S.5—14: Unter dem Druck der säkularen Strömungen des neuzeitlichen Materialismus und der Technokratie ist unsere Epoche zur Wiederentdeckung bestimmter vergessener Werte geführt worden. Einer dieser Werte, welcher sich heute unablässig und insbesondere in seiner ursprünglichen Schönheit zeigt, ist die Theologie. Einige ihrer Merkmale, die zu anderer Zeit vergessen waren, die aber heute für grundlegend gehalten werden und denen sich die Theologen mit Verlangen zuwenden, sind die folgenden: 1. Orthodox. Es genügt nicht, wenn unsere Theologie orthodox im negativen Sinne ist, d. h. wenn sie nicht in Häresie abfällt oder in Irrtum. Zuallererst muß sie orthodox im positiven Sinne sein. Es genügt nicht, wenn wir nur darauf achten, nicht von der 10

Maczewski, Zoi-Bewegung

145

orthodoxen Linie abzuweichen. Vielmehr muß ihr ganzer Gehalt erfüllt sein von den orthodoxen Quellen der Wahrheit und des Lebens. Atem und Pulsschlag der Theologie müssen orthodox sein, sie muß ganz und gar vom orthodoxen Geist durchtränkt sein, damit sie aus dem fruchtbaren Strom orthodoxer Tradition schöpfen kann. Sie muß biblische Theologie und Vätertheologie sein, nicht formal nur, sondern wesenhaft. Sie darf nicht einfach nur die Schrift und die Väter zitieren, sondern sie muß unablässig von deren Reichtümern gespeist werden, um sie schöpferisch zu assimilieren. Das Wort Christi muß reichlich in ihr wohnen (Kol. 3,16), und die erleuchteten Väter müssen ihre lebendigen Führer sein. Eine solche wesenhaft traditionsgemäße Theologie ist eine fortdauernde Auslegung und Entfaltung des Wortes Gottes, der durch die Propheten und Apostel, durch die Väter und die Synoden geredet hat. 2. Lebendig. Unsere Theologie darf ebenfalls nicht trocken sein, intellektualistisch und scholastisch, sondern sie muß lebendig sein und wesentlich, geschrieben „nicht auf steinernen Tafeln, sondern auf fleischernen Tafeln des Herzens" (2.Kor. 3,3). Sie muß Abglanz des Lebens sein, Erzeugnis der Seele, Ausdruck des glaubenden Menschen. Sie muß „Wissenschaft der Seele" sein, wie sie die Väter ausgebildet haben, und klingen „wie eine wohltönende Melodie". Sie darf sich nicht verlieren in unbedeutende Einzelheiten, in „törichte Diskussionen und Genealogien" (Tit. 3,9), sondern sie muß sich hauptsächlich mit aktuellen Themen befassen. Sie soll sich nicht „sorgen und mühen um vielerlei" (Lk. 10,41), sondern um das Wesentliche. Sie muß auf den modernen Menschen hören und ihm etwas zu sagen haben. Sie muß ihn verstehen und ihm helfen. Die wahre Theologie ist anthropologisch und seelsorgerlich, sie ist Theoanthropologie, wie sie ein berühmter Theologe charakterisiert hat. Darüber hinaus genügt es nicht, wenn die Themen nur aktuell sind, mit denen sie sich beschäftigt. Auch die Art und Weise muß lebendig sein, mit der sie diese Themen behandelt: nicht trocken und kühl, sondern „lebendig und kräftig" (Hebr. 4,12). Daß unsere Theologie orthodox und traditionsgebunden ist, heißt nicht, daß sie statisch und bloß rekapitulierend ist. Ihr Lauf bleibt nicht stehen. Ihr Wort „ist nicht gebunden" (2.Tim. 2,9), denn es ist der Ausdruck des lebenschaffenden Geistes. 3. Christustreibend. Die drei Großen, die von der orthodoxen Tradition den Titel eines „Theologen" erhalten haben, haben Theologie und Leben in Christus nicht voneinander getrennt. Über Johannes, den ersten Theologen, singt die Kirche in ihrem Doxastikon: „Voll der Liebe ist er, voll auch der Theologie geworden." Und im Exaposteilarion: „Du bist ein Sohn des Donners geworden und hast in Gottesgelehrtheit den Menschen das ,1m Anfang war das Wort' gesagt, ο Apostel Johannes; du hast gläubig auf der Brust deines Herrn geruht und von dort die Quellen der Theologie empfangen und damit die ganze Schöpfung getränkt." Und Gregor, der Theologe, fragt in seiner Rede über das Dogma: „Will jemand Theologe werden und jemals auch der Gottheit würdig sein? Dann soll er die Gebote halten und sich durch die Befehle leiten lassen; die Praxis nämlich übertrifft die Theorie." Und für Symeon, den neuen Theologen, ist die wahre Theologie „Wissen Gottes", also eine Begegnung der Seele mit dem Ersehnten. Diesen leuchtenden Lehrern ist die orthodoxe theologische Tradition immer gefolgt. Nach Dionysios, dem Areopagiten, ist das Ziel der Theologie nicht nur „das Erschauen und die Wissenschaft der heiligen Wahrheit", sondern auch „die von Gott erfüllte Teilnahme an einer einzigartigen Vollendung". Das ist das Geheimnis und der „Reichtum" der orthodoxen Theologie. Der wirklich orthodoxe Theologe ist auch „GottTräger". Sein Ziel ist nicht einfach: Gott zu erkennen, sondern zuallererst dies, daß „Christus in ihm Gestalt annimmt" (Gal. 4,19). Allein „die reinen Herzens sind, werden Gott schauen" (Mt. 5,8). Wenn die Seele gereinigt wird, dann wird sie ganz Auge, — nach Makrakis, dem Ägypter. Theologe ist, wer schaut; er sieht, so wie der Prophet des Neuen Testamentes, der „Schauender der göttlichen Herrlichkeit" war (2.Petr. 1,16). 146

Er verkündet, „was er gehört hat, was er mit seinen Augen gesehen hat, was er geschaut hat und was seine Hände betastet haben, von dem Wort des Lebens" (l.Joh. 1,1). Sein Gott „öffnet ihm den Verstand, die Schriften zu verstehen" (Lk. 24,25). „Der Herr hat ihm eine gelehrte Zunge gegeben, daß er das Wort recht zu sagen weiß" (Jes. 50,4). Sich an Gott wendend, wie ein Prophet, spricht der Theologe: „Herr, madi es mir kund, und ich bin kundig" (Jer. 11,18). Auf diese Weise erlangt er den „Sinn Christi" (l.Kor. 2,16), „den Verstand, daß er den Wahrhaftigen erkenne" (l.Joh. 5,20). Durch diese innere Erleuchtung gewinnt er neue Augen, so daß er sehen kann, was das gewöhnliche „Auge nicht gesehen hat . . . , was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben" (l.Kor. 2,9). Laßt uns nicht vergessen, daß „der natürliche Mensdi nicht das vernimmt, was vom Geist Gottes kommt" (l.Kor. 2,14). Nur dem, der „den alten Menschen ausgezogen . . . und den neuen angezogen hat" (Kol. 3,9.10), wird der Unbeschreibbare offenbart. Nur der, der mit Christus der Welt der Sünde stirbt, mit ihm gekreuzigt und mit ihm begraben wird, schaut den Auferstandenen. Nur der, der nach dem wahren Leben dürstet, findet auch die lebendige Wahrheit. Allein „ihre eigenen Freunde weiht die Weisheit ein". Nur, wenn durdi den Glauben und durch die Liebe „Christus in unseren Herzen wohnt", ist es möglich, „mit allen Heiligen zu begreifen, was da sei die Breite und Länge und Tiefe und Höhe, und audi die alle Erkenntnis übersteigende Liebe Christi zu erkennen, damit wir erfüllt werden mit aller Gottesfülle" (Eph. 3,17—19). 4. Betend. Wenn der Herr sprach: „Ohne midi könnt ihr nidits tun" (Joh.15,5), so gilt das vor allem für den Theologen. „Wenn du Theologe bist, bete wahrhaft; und wenn du wahrhaft betest, bist du Theologe" (Heiliger Neilos). Allein in der warmen Atmosphäre des Gebetes und der andauernden Gemeinschaft mit Gott kann eine wahrhaftige, lebendige und orthodoxe Theologie gedeihen. Und nidit nur das Einzelgebet, sondern vor allem der gemeinschaftliche Gottesdienst, die Teilnahme an dem liturgischen Gebet der Kirdie ist dasjenige, was unsere Theologie nährt und mit Geist erfüllt. Die großen Theologen der Orthodoxie waren nicht allein lebendige „Glieder Christi", sondern für gewöhnlich audi Priester und Möndie, nahmen täglich am Gottesdienst teil und nährten sich vom Brot des mystischen Tisches. Der Lehrstuhl muß sich dem Opferaltar nähern, betont audi heute der weise Theologe Pater Georgios Florovsky. Und seinen Schülern fügt er hinzu, daß er die Notwendigkeit verspürt, erst die Messe zu lesen, bevor er lehrt. Wir müssen in der Tat für eine Verbrüderung von Theologie und Gebet kämpfen, für eine Verbindung von Theorie und Gottesdienst. Dann nur „werden Ströme lebendigen Wassers aus unserem Leibe fließen" (Joh. 7,38). 5. Heilig. Aber die Theologie muß ebenfalls heilig sein. Alle ihre großen Diener, die Kirchenväter, waren fromm und heilig. Mit ihrem Leben stellten sie die Fülle ihrer Lehre dar und in ihrer Lehre die Fülle ihres Lebens. In ihnen hat sich die hohepriesterlidie Sehnsucht des Herrn erfüllt: „heilige sie in deiner Wahrheit" (Joh. 17,17). Deshalb sind sie die Theologen schledithin.Jeder Gläubige findet in dem Leben dieser Menschen eine klare Darstellung ihrer Lehre, ein lebendiges theologisches Memorandum. Und heute müssen die Theologen mehr als in jeder anderen Epodie heilig werden, wenn sie der Theologie ihren ursprünglichen Glanz und ihre wundertätige Kraft wiedergeben wollen. Und „heilig" heißt nicht unbedingt jener, der schon auf dem Gipfel angelangt ist, sondern der sich nach der Heiligkeit ausstreckt, der darum wirklich kämpft, der Asket im weiten Sinne. Ohne diesen unentbehrlichen Akzent der Heiligkeit ist die Theologie blutleer und seelenlos, kraftlos und energielos. 6. Kirchlich. Dieses Wort darf nidit in einem äußerlichen oder bloß reditlidien Sinne verstanden werden, sondern wie auch der Begriff „orthodox" (s. § 1) auf eine wesenhafte Art und Weise. Die wahre Theologie ist Mund und Werkzeug der Kirdie, Diener und Diakon des mystischen Leibes Christi, in den hinein sidi die Inkarnation Christi fortsetzt. Die Theologie hat das Dogma und den Gottesdienst der Kirche auszulegen, 10*

147

die Verwaltung, das kanonische Recht und das asketische Leben zu inspirieren. Die Kirche gibt der Theologie eine Gewähr für die Wahrheit ihrer Lehre und hält sie in jenem Rahmen, ohne den sie in falsche Meinungen und in Irrtümer abgleitet. Auf der anderen Seite ist die orthodoxe Theologie nicht autonom oder objektiv, wie protestantische theologische Erzeugnisse, sondern steht der Mutter Kirche zu Diensten. Sie dient Gott und dient dem Menschen mitten in dem geheimnisvollen „Wirtshaus". Sie ist „ein dienstbarer Geist, zum Dienst entsandt" (Hebr. 1,14). Außerhalb des geheiligten Raumes und der lebenschaffenden Atmosphäre der Mutter Kirche kann das nicht verstanden werden. Nur wer „in dem Hause Gottes eingepflanzt ist", kann „viel Frucht bringen" (Joh.15,5). 7. Kämpfend. Da die Theologie in der Kirche wirkt und dem Menschen dient, ist sie folglich auch kämpferisch. Alle ihre großen Vertreter haben Kämpfe durchgeführt. Mit der Schleuder des Heiligen Geistes „haben sie die wilden und tollwütigen Wölfe verjagt". Auf ähnliche Art und Weise hat sie in jeder Epoche für die Wahrheit, für die Tradition und für die Kirche zu kämpfen. Die wahre Theologie bleibt nicht eingeschlossen in ihrem Studierzimmer, sie ist nicht einfach eine „Theologie der Professoren", sondern sie steigt auch in die Arena hinab und hat Anteil am Heroismus und am Martyrium, wenn es nötig ist. Und dieses, weil sie immerdar ihre hohe Sendung wie auch ihre große Verantwortung im Bewußtsein trägt. Sie fühlt, daß sie das heilige Werk der Erleuchtung vollbringt. Demnach müssen die orthodoxen Theologen unabdingbar Apostel und Propheten sein, Bekenner und Zeugen, „damit sie für die Wahrheit zeugen" (Joh. 18,37). So wie die Theologen der Vergangenheit, so müssen auch die heutigen Christusverkündiger sein. 8. Geisttragend. So wie die heiligen Väter, „die alle Verstandeserleuchtung empfangen haben . . . die im Heiligen Geist sich versammelten . . . und die Grundlinien des Glaubens in Gotteserleuchtung niederlegten", so ist dies auch für jeden wirklichen Theologen heute nicht anders möglich, als daß er auf eine ähnliche Weise vom Heiligen Geist erfüllt wird. „Der Geist aber erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit" (1.Kor. 2,10). Es ist erschreckend, daß so viele Theologen den Ausspruch und die feste Bekräftigung des Herrn, der nicht lügt, vergessen: „der P a r a k l e t . . . , der Geist der Wahrheit, der wird euch in alle Wahrheit leiten" (Joh. 16,13). Der allheilige Geist ist jener, der den Sinn erleuchtet und das Herz entzündet. Es genügt nicht einfach ideologische und verstandesmäßige Entfaltung. Diese ist unzureichend und oft gefährlich. Wenn der Geist Gottes nicht in unseren Herzen wohnt, können wir keine Theologie treiben. Der Theologe muß Gefäß des Geistes und Werkzeug des Geistes sein, Geistträger und vom Geist bewegt, „voll des Heiligen Geistes" (Apg. 6,3). Allein aus den unversiegbaren Tiefen des Geistes wird „der Schatz der Weisheit" gehoben. „Im Heiligen Geist ist der Reichtum der Gotteserkenntnis, der Theorie und der Weisheit; alle Väterdogmen deckt der Logos in ihm auf", das wiederholt unsere Kirche an jedem Sonntag auf verschiedene Weisen und in allen Tonarten. Nach dem allen ist die orthodoxe Theologie die Erforschung der wesentlichen Wahrheit, der Wahrheit, die zugleich der Weg und das Leben ist (Joh. 14,6). Erforschung nicht allein mit dem Verstand, sondern „mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele". Eine fromme und flehende, eine demütige und keusche Erforschung. Mit der Furcht Gottes und dem rettenden Glauben, mit Liebe und Sehnsucht, mit Demut, Reue und Ergriffenheit, mit der Reinheit der Seele und in steter Läuterung, „in gereinigten Sinnen . . . und Gefühlen", inmitten einer Atmosphäre der Andacht, der Beichte und Askese, mitten im Feuer von Pfingsten. Eine solche Theologie ist Kniefall vor dem göttlichen Mysterium, ist Schmecken Gottes und seelische Erfahrung, ist heiliger Dienst am Evangelium Gottes (Rom. 15,16) 148

und exemplarischer Gottesdienst, ist Einwohnung in und Leben und Gemeinschaft mit Gott, zugleich aber audi „Verkündigung Seiner Wunder". Allein eine solche wahrhaft orthodoxe Theologie kann uns bewahren vor den schlüpfrigen Pfaden „der fälschlich so genannten Erkenntnis" (1.Tim. 6,20), vor „der Philosophie und dem leeren Betrug" (Kol. 2,8), die als eine große Bedrohung in jeder Epoche nicht zu existieren aufhören. Wir glauben, daß die Pflege einer solchen Theologie der ewige Gott wie auch der heutige Mensch von den Theologen unserer Zeit erwartet. Und das ist die Botschaft des vorliegenden geistigen „Symposions".

Dokument G Aus der Zeitschrift „Synoro", einem Organ der aus der Zoi-Bewegung ausgeschiedenen jungen Mitarbeiter, von dem Theologen Jakob Mainas der Artikel: „Die Möglichkeiten einer christlichen Anwesenheit im heutigen Griechenland", Synoro N r . 39, Herbst 1966, S. 2 0 5 — 2 1 1 , zuerst in englischer Sprache erschienen in: Student World L I X , 1966, N r . 3, S. 3 2 0 — 3 2 4 . 1. Die Krise der Prophetie. Diese Formulierung, „die Krise der Prophetie", drückt besser als andere den Zustand des christlichen Zeugnisses im gegenwärtigen Griechenland aus. Sie charakterisiert die Unfähigkeit der griechischen Orthodoxie, sich der Zeit anzupassen und das Volk zu einer neuen historischen Perspektive zu führen (Christos Jannaras, Die Krise der Prophetie, Athen 1964, und K. Tsiropoulos, Griechenland als Problem, Athen 1965). Griechenland — und nicht nur die christliche Anwesenheit in diesem Lande — durchschreitet in diesen Jahren allgemein eine Krise, die in allen Formen des öffentlichen Lebens spürbar ist und die sich, je mehr die Zeit fortschreitet, weiter ausdehnt, anstatt abzuflauen. Es ist für uns heute unmöglich, außerhalb dieses Krisenklimas über das christliche Zeugnis (martyria) oder über die christliche Anwesenheit (parousia) in Griechenland zu reden. Wenn wir allerdings diese gegenwärtige geistige Situation in Griechenland als eine „Krise der Prophetie" charakterisieren, meinen wir damit nicht nur das Fehlen geistig begabter Führer, sondern hauptsächlich die Verwirrung und die Stagnation, die auch die Kreise der geistigen Führung, der christlichen wie der nichtchristlichen, ergriffen hat in Hinblick auf die Orientierung, die das Volk in der neuen gesellschaftlichen und kulturellen Situation bekommen sollte. Die neuen historischen Kräfte, die gewöhnlich als „rascher sozialer Umbruch" charakterisiert werden, dringen nun mit Macht auch in das griechische Land ein und überraschen die Massen des Volkes ebenso wie die Schichten der Intelligenz. Dieser jähe Einbruch der Geschichte ruft die Notwendigkeit der Existenz von einsichtigen Geistern und führungskräftigen Gewissen hervor, die in der Lage sind, in Klarheit und Vollmacht den Sinn dieser Epoche und die historische Pflicht unserer Generation aufzuzeigen. An diesem Punkt wird heute wie jedes christliche Volk so audi das orthodoxe Volk Griechenlands geprüft. Die neuen historischen Kräfte stellen sich als Herausforderung dar, als Hindernis auf seinem historischen Weg. Um dieses Hindernis zu überwinden, muß es den ganzen Reichtum des orthodoxen Geistes einsetzen, seine seelische Kraft und die Sensibilität seines nationalen Bewußtseins. Die kommenden Jahrzehnte werden zeigen, ob das orthodoxe Volk Griechenlands, das in sehr schwierigen Zeiten überraschende Fähigkeiten historischer Widerstandsfähigkeit gezeigt hat, in der Lage ist, mit demselben Erfolg audi den geschichtlichen Kräften, die in unserer Epoche wirksam sind,

149

zu begegnen, ohne seine Besonderheit als Volk einzubüßen und ohne das Bewußtsein seines besonderen historischen Apostolates mitten in einer Welt zu verlieren, die alle diese Elemente unerbittlich assimiliert und unaufhaltsam zu einem neuen Kulturbewußtsein drängt. 2. Die verlorene Vision. Die christliche Anwesenheit in Griechenland hat eine Entwicklung durchgemacht, die in anderen christlichen Ländern nicht unbekannt geblieben ist. Dieses Land hat sich aus den Ruinen und den Flammen des Krieges wieder erhoben und sich von einer visionären Parole beherrschen lassen: der Erwartung eines Neuen Griechenlands, eines Landes, in dem die christliche Anwesenheit im besonderen Maße spürbar sein und in der Gestaltung des öffentlichen Lebens eine entscheidende Rolle spielen sollte. Im weiteren Verlauf aber haben die drei Jahre des Kampfes gegen die kommunistische Machtergreifung, die eine Intensität der Bemühungen und einen ideologischen Zusammenschluß erforderten, dazu beigetragen, daß diese Vision als unrealistisch erschien, d. h. als eine Widerspiegelung der Sehnsüchte eines begrenzten Teiles der griechischen Gesellschaft, nämlich der aktiven Mitglieder der verschiedenen christlichen Bewegungen. In den ersten Nachkriegsjahren war das christliche Leben in Griechenland untrennbar mit der Existenz und der Tätigkeit dieser Bewegungen verbunden. Ein großer Teil der griechischen Jugend ist von diesen geistigen Bewegungen beeinflußt worden, die allerdings mehr eine enthusiastische Erscheinung waren und weniger eine gewissenhafte und reifliche Unternehmung, den christlichen Glauben angesichts der konkreten Probleme des Landes in ein unverkürztes Zeugnis zu übersetzen und zur Anwesenheit zu bringen. Desgleichen blieb diese geistige Bemühung in einem gefährlichen Maße dem inneren Leben der orthodoxen Kirche und ihrer Hierarchie fremd mit dem Ergebnis, daß sie der Gleichgültigkeit weiter Schichten des Volkes begegnete und auf den Widerstand der Kirchenleitung stieß, die mit Mißtrauen auf diese ganze Bewegung blickte, weil sie ihre Autorität untergrub. Im inneren Leben dieser christlichen Bewegungen wurde der Glaube mehr als eine Unternehmung zur Schaffung eines gesellschaftlichen Christentums gelebt, blieb hauptsächlich auf das Gebiet ethischer Bemühungen beschränkt und in der Pflege menschlicher Ideale stecken und wurde nicht zu jenem erschütternden Ereignis, dem „unaussprechlichen Mysterium", das die Begegnung des sündigen Menschen mit dem lebendigen Gott der Liebe und der Geschichte darstellt. Die Traumvision des Heiles, die diese Bewegungen anboten, war die Erlösung vom sozialen Unglück, war die Besserung der Gesellschaft, war „ein Morgen besser als das Gestern", und nicht die Antwort auf die bleibenden großen Fragen der menschlidien Existenz und der menschlichen Geschichte; eine Antwort, die das Wesen und der vornehmliche Sinn des Glaubens ist. So also blieb der Mensch mitten in diesen Bemühungen unerlöst hinsichtlich des inneren Kerns seiner Existenz „als eine dürstende Wurzel in der Erde". Der Zusammenbruch dieser Idole, dieser Ersatzformen des Glaubens kam schneller als erwartet; auf jeden Fall stellen diese Trümmer einen der Faktoren der Krise der christlichen Anwesenheit in Griechenland dar. 3. Das geistliche Verstummen des kirchlichen Bewußtseins. Neben diesem Faktor stellt sich noch ein anderer, viel wichtigerer ein. Wenn es auch unglaublich erscheint, so ist es dennoch durch und durch wahr, daß für eine lebendige christliche Anwesenheit heute in Griechenland darum Schwierigkeiten bestehen, weil ein lebendiges kirchliches Bewußtsein fehlt. Die Abwesenheit der Kirche bei den großen Geschehnissen und Problemen unserer Epoche und ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid und dem Kampf des heutigen Menschen haben sie nicht nur ihrem eigenen Bereich entfremdet und sie von ihrem führenden Platz herabgeführt, sondern sie auch in eine Reihe von Konflikten hineingeführt, die ihre Amtsausführung und ihr Verwaltungssystem in ein problematisches Licht gesetzt haben. Unter diesen Bedingungen kann allerdings keinerlei ernsthafte Initiative einer christlichen Aktivität entfaltet werden. 150

Die Ursachen f ü r diesen Zustand können mit Sicherheit in der Tatsache gesehen werden, d a ß seit der G r ü n d u n g des neugriechischen Staates im 19. J a h r h u n d e r t der kirchliche Organismus zu einem Anhängsel der Staatsmaschinerie geworden ist, u n d z w a r bis zu einem solchen G r a d , d a ß nicht nur die Hierarchie keinerlei allgemeine Initiative ergreifen konnte, sondern auch alle Anstrengungen f ü r eine Erneuerung u n d einen Wandel der kirchlichen Organisation im G r u n d e scheiterten. Auf diese Weise erklärt sich wohl auch die Tatsache, d a ß sich die verschiedenen christlichen Organisationen a u f g r u n d privater Initiative so stark entfalten konnten. Sie sind gleichsam eine konkrete Bezeugung f ü r das geistige Versagen der offiziellen Kirche. In unseren Tagen ist die Krise auf einem höchst gefährlichen P u n k t angelangt, ohne d a ß eine greifbare H o f f n u n g auf einen gründlichen Wandel zu erblickcn wäre. Innerweltliche Maßstäbe u n d Kriterien sind an die Stelle von Heiligkeit und Geistlichkeit getreten, die bisher im R ä u m e der O r t h o d o x i e immer die wahren Kriterien des kirchlichen Lebens darstellten. U n d das neugriechische orthodoxe Volk v e r h a r r t hilflos mitten zwischen religiöser Gleichgültigkeit u n d fremden Ideologien einerseits und einer zügellosen und intoleranten Monopolisierung der O r t h o d o x i e andererseits. 4. Zukunftsperspektiven. So wie das prophetische Wort, wenn es die Stimme eines anderen „von außen", von jenseits der Geschichte war, ganz untrennbar mit dem historischen Leben des Volkes, an das es gerichtet war, verwoben ist, so kann auch ein w a h r haftiges christliches Zeugnis heute vor der Welt nicht anders gegeben werden als allein in der Verbindung mit den geschichtlichen Ereignissen unserer Zeit. D a s W o r t Gottes ist nicht in einen leeren R a u m hineingerufen, sondern dringt ins Zentrum der Persönlichkeit des Menschen u n d seines geschichtlichen Seins. Dieses Sein will verwandelt werden in eine „neue Schöpfung". Diese p a r a d o x e Verwobenheit des historischen und des eschatologischen Elementes bildet den Sinn der christlichen Anwesenheit in der Welt. In einem orthodoxen L a n d wie Griechenland stellt sich dieses anders d a r als in den Ländern der westlichen Christenheit, wo die Revolution eines autonomen Humanismus in der Neuzeit schließlich zu dem heute höchst akuten Problem der Säkularisation geführt hat. In Griechenland hielt die bestehende O r d n u n g an und bis zu einem bestimmten M a ß besteht sie auch weiterhin, die Koexistenz nämlich und die Verwobenheit des nationalen und gesellschaftlichen Lebens mit dem kirchlichen Leben. Kirche und Gesellschaft, mehr noch: Kirche und Staat sind nicht zu zwei sich gegenseitig fremden Realitäten geworden, sondern wurden v o m Griechen als eine untrennbare Einheit erlebt. Diese Einheit r ä u m t nun aber ihren Platz Schritt f ü r Schritt einer Uneinigkeit ein. Die Orientierung des neueren Griechenland nach westlichen politischen Vorbildern, die im 19. J a h r h u n d e r t begann und in unseren Nachkriegsjahren mit höchster Geschwindigkeit fortschreitet, treibt den orthodoxen Neugriechen höchst kritische Fragen ins Bewußtsein, von deren Beantwortung Gestalt, Tiefe u n d Bedeutung der christlichen Anwesenheit in unserem L a n d f ü r die unmittelbare Zukunft abhängen. Angesichts der Probleme, die der rasche soziale Wandel mit sich bringt, h a t die gegenwärtige Generation der orthodoxen Jugend eine dreifache Pflicht zu erfüllen, die den einzigen Weg f ü r die Grundlegung eines lebendigen Glaubenszeugnisses vor der Welt darstellt: a) Der Dialog mit der Vergangenheit. Die Revolution im gesellschaftlichen Leben, die heute in Griechenland zugleich mit einer lebhaften Angleichung des Landes an die Länder des westlichen Europa beobachtet werden kann, darf die junge Generation nicht zu einer E n t f r e m d u n g von der hellenischen und der orthodoxen Tradition führen. Der Zug einer unbesonnenen Europäisierung und Verwestlichung f ü h r t Griechenland nicht voran, sondern zurück; er ist im G r u n d e ein geistiger Rückschritt. Die Abtrennung von den Wurzeln wird zu einem geistigen Verwelken und Verfall führen. Die Bemühung, d a ß die junge Generation Griechenlands sich dem Problem der Tradition w a h r h a f t i g

151

stellt, ist eine der dringendsten Pflichten und eines der ersten Ziele einer vernünftigen christlichen Tätigkeit. b) Die Teilnahme im Kampf um die Lösung der Probleme des raschen sozialen Wandels. Griechenland durchläuft jetzt eine außergewöhnlich empfindliche und kritische Phase ökonomischer und gesellschaftlicher Entwicklung. Von einem Agrarland wandelt es sich schrittweise in ein Industrieland. Das bedrängende Problem der Arbeitslosigkeit hat in unseren Tagen eine unerwartete Lösung in der Entsendung von Arbeitern in industriell entwickelte Länder gefunden, hauptsächlich in die Länder Westeuropas. Die Zurückkommenden werden zu Trägern von Ideen und Gewohnheiten einer fremden Umgebung. Dasselbe geschieht mit den Tausenden von Studierenden, die nach ihrem Auslandsstudium nach Griechenland zurückkehren. Das Eindringen so vieler fremder Elemente, ohne die Voraussetzung ihrer Beurteilung durch feststehende Kriterien, bringt nichts anderes als Konflikte im geistigen Leben des Volkes mit sich, die nidit immer zuträglich und angenehm sind. Noch enthalten die sozialen Spannungen in Griechenland eine gefährliche Schärfe, und die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit wird, wie es natürlich ist, mit ständig radikaleren Mitteln gestellt. Die Anpassung der griechischen Gesellschaft an die neuen Gegebenheiten der technologischen Entwicklung nimmt unter den jüngeren Menschen die Gestalt eines Zusammenpralls mit der bestehenden geistigen Ordnung an, die der Situation nur mit einer sterilen Negativität ohne jegliche ideologische Erneuerung begegnet. Dieses alles, wie auch viele andere damit zusammenhängende Probleme, zeigt die Richtung an, in welche die christliche Aktivität sich bewegen sollte, wenn es sich darum handelt, dem Lande zu helfen, aus der gegenwärtigen Krise des Übergangs herauszukommen und der neuen Generation die Botschaft des Glaubens auf eine erfolgreiche Weise mitzuteilen. Teilnahme am Kampf und an der Anstrengung des Menschen und Teilnahme an seinem historischen Schicksal waren schon immer Kennzeichen der Tätigkeit der Orthodoxen Kirche. Es besteht alle Hoffnung, daß man gewiß sein kann, daß sie ihre Tradition in diesem Punkte schließlich doch nicht verraten wird. c) Die Ausrichtung auf den Kommenden. Wie groß auch immer die Anteilnahme an den Problemen der heutigen Generation sein mag, der letzte Sinn für eine christliche Anwesenheit ist sie nicht. Christliche Anwesenheit bedeutet Repräsentation der Anwesenheit Christi in der Welt, infolgedessen das Eingeständnis der Unzulänglichkeit dieser Welt, — wie vollkommen und entwickelt sie sich auch immer darstellen mag, und dazu noch die fröhliche Gewißheit, daß ihre Unvollkommenheit mit der Auferstehung Christi endgültig besiegt worden ist. Unsere Zeit befindet sich auf der Schwelle zu einer neuen historischen Epoche. Erfüllt mit fiebernder Erwartung bereitet sie die neue Welt vor, die schon im Kommen ist. Die prophetische Pflicht der heutigen Christen besteht nicht nur darin, an dieser Vorbereitung teilzuhaben, sondern der neuen Welt die Botschaft von ihrer Erlösung aus den Fesseln der Vergänglichkeit zu sagen und sie mit Hoffnung auf den Kommenden zu erfüllen.

Dokument

Η

Gegenwärtig bestehende Zoi- und Sotir-Organe. Stand: April 1968. Die jeweilige Mitgliederzahl und die Auflagenhöhe der Mitteilungsorgane konnte nur ungefähr ermittelt werden, da genaue Zahlen auch den verantwortlichen Leitern nicht bekannt sind. Die Vergleichszahlen von 1959 geben den Stand vor der Spaltung an. 152

Zoi-Organe 1. Theologenbruderschaft „Zoi" (Adelphotes Theologon ,he Zoe'), 1907 von Eusebios Matthopoulos gegründet. Bruderschaftshaus in Athen 708, Hippokratesstr. 189; Retraiteund Tagungszentrum in Athen-Hagia-Paraskevi. Mitglieder: zwischen 40 und 50 (1959: 135). Prior: seit 1960 Archimandrit Polykarp Andronis, Nachfolger von Archimandrit Elias Mastrojannopoulos, unter dessen Priorat es 1959 zur Spaltung gekommen war. Mitteilungsorgan: seit 1911 die Zeitschrift „Zoi", ein Wochenblatt, Auflage rd. 100000 (1959: 165 000). 2. Apostel-Paulus-Verein für Innere Mission (Syllogos Esoterikes Hierapostoles ,Apostolos Paulos*), 1926 von der Zoi-Bruderschaft gegründet. Mitglieder: rd. 200. Ihm gehört zusammen mit der Bruderschaft der Neubau in der Karytsistr 14 in Athen, in dem die Bürozentralen der meisten Zoi-Körperschaften eine neue Heimstätte finden werden. Eine Buchhandlung ist bereits dort eröffnet worden. Zur Zeit befindet sich das Verwaltungs- und Veranstaltungszentrum noch in den gemieteten Räumen in der Akademiasstr. 45. Dem Apostel-Paulus-Verein gehören auch Studentenheime und technische Abendschulen. 3. Christliche Studentenvereinigung (Christianike Phoitetike Enosis, ChPhE), 1945 gegründet. Mitglieder: gut 1000 (1959: 2500). Mitteilungsorgan: „Christliche Pulsschläge" (Christianikoi Palmoi), dreimonatliche Zeitschrift seit 1965, Auflage: rd. 1000. 4. Christliche Vereinigung der Arbeitenden Jugend (Christianike Enosis Ergazomenes Neolaias, ChEEN), 1946 gegründet. Mitglieder: rd. 700 (1959: 2500). Mitteilungsorgan: „Arbeitslicht" (Ergatikon Phos), Monatsschrift seit 1957. 5. Christliche Wissenschaftlervereinigung (Christianike Enosis Epistemonon, ChEE), 1946 gegründet. Mitglieder: zwischen 400 u. 500 (1959: 1450). Mitteilungsorgan: „Strahlen" (Aktines), monatliche Kulturzeitschrift, die seit 1937 von der AktinesVereinigung herausgegeben wird. Auflage: 4000 (1959: 15 000). Seit 1959 erscheinen monatlich die „Auskünfte" (Plerophoriai), hektographiert. 6. Christliche Lehrervereinigung (Christianike Enosis Ekpaideutikon Leitourgon, CHEEL), 1947gegründet. Mitglieder: 1300(1959:1500). Mitteilungsorgan: „Griechischchristliche Erziehung" (Hellenochristianike Agoge), pädagogische Monatszeitschrift seit 1947, Auflage: 7000 (1959: 9500). 7. Christliche Elternvereinigung (Christianike Enosis Goneon), 1968 gegründete Nachfolgeorganisation der 1935 gegründeten „Panhellenischen Elternvereinigung für christliche Erziehung", die im Zuge der Spaltung der Zoi-Bewegung zur Sotir-Bruderschaft übergegangen war. Die „Christliche Elternvereinigung" widmet sich der Kinderund Jugenderziehung im weitesten Sinne und fördert in besonderem Maße die Sonntagsschularbeit. 8. Schwesternschaft „Eusebia" (Adelphotes ,he Eusebeia'), 1938 als die der Zoi-Bruderschaft entsprechende Schwesternschaft gegründet. Mutterhaus in Athen-Ambelokipos, Evroustraße 27; Sommerhaus in Athen-Hagia-Paraskevi. Mitglieder: 20 (1959: 24). Die Schwesternschaft hat die gesamte Frauenarbeit innerhalb der Zoi-Bewegung in ihrer Hand, d.h. sie nimmt sich der weiblichen Gruppen in allen Zoi-Arbeitszweigen und Zoi-Vereinigungen an und ist besonders in der Kinder- und Jugendarbeit tätig. Seit 1945 gibt sie dafür die 14tägliche Kinderzeitschrift „Kinderleben" (Zoe tou Paidiou) heraus, die mit einer Auflage von 150000 (1965: 130 000) die absolut höchste Auflagenziffer der gegenwärtigen griechischen Zeitschriften erreicht. 9. Christliche Vereinigung „Eunike" (Christianike Enosis ,he Hagia Eunike'), 1949 gegründet. Auch sie ist eine Schwesternschaft, der Zusammenschluß von Kranken153

schwestern und Krankenbesucherinnen, die in verschiedenen Krankenhäusern Athens ihren Dienst tun. Mitglieder: 300 (1959: 500). 10. Zentrum für soziale Ausbildung der Griechin (Kentron koinonikes Morphoseos tes Hellenidos), 1950 gegründet. Seine Arbeit in Seminaren für Studentinnen und Schülerinnen hat es 1952 eingestellt. Jetzt gibt es noch die monatliche Frauenzeitschrift „Die Welt der Griechin" (Ho Kosmos tes Hellenidos) heraus. Auflage: 3000 (1959: 10000). 11. Institut für Medizinische Psychologie und Seelische Gesundheit (Instituton Iatrikes Psychologias kai Psychikes Hygieines), 1951 gegründet. Dieses Institut führt Seminare durch und gibt die Studienreihe „Psychologie und Leben" (Psychologia kai Zoe) heraus, in der bereits 56 Titel erschienen sind. 12. Griechisches Zentrum für gründet. Seine Monatszeitschrift scheinen 1963 ein, da ein großer unterhält das Zentrum nur noch garten.

Erziehung (Hellenikon Kentron Agoges), 1961 gefür die Jugend „Spaten" (Skapane) stellte ihr ErTeil ihrer Mitarbeiter aus der Arbeit ausschied. Jetzt eine Volksschule, eine Oberschule und einen Kinder-

13. Christliche "Vereinigung „Aktines' (Christianike Enosis .Aktines'), 1937 gegründet. Mitglieder: 20—30 (1947: 74). Sie gibt religiöse und wissenschaftliche Schriften und einige Verbandszeitschriften heraus. So die kulturelle Monatszeitschrift „Aktines" als das offizielle Organ dieser und der Wissenschaftler-Vereinigung, dazu das Organ des Zentrums für soziale Ausbildung der Griechin „Die Welt der Griechin" und die Studienreihe „Psychologie und Leben" des Institutes für Medizinische Psychologie und Seelische Gesundheit. 14. Damaskus-Verlag (Ekdoseis he Damaskos), 1949 von Mitgliedern der Christlichen Wissenschaftlervereinigung gegründet. Dieser Verlag nimmt sich der Herausgabe wissenschaftlicher und literarischer Schriften christlicher Prägung an und bringt eine ganze Reihe von Übersetzungen aus dem westlichen und heterodoxen Europa. 1960 hatte dieser Verlag schon 90 Titel auf den Markt gebracht. 15. 7 Zoi-Buchhandlungen (Bibliopoleia ,Zoes') hat die Zoi-Bruderschaft eingerichtet. In ihnen wird das gesamte eigene wie auch anderes Schrifttum religiöser und erbaulicher Art, liturgische Bücher, kirchliche Devotionalien und jüngst audi christliche Schallplatten dem Käufer angeboten. Sie befinden sich: a) in Athen, Karytsistr. 14, b) inPiräus, Kolokotronisstr.. 57, c) in Thessaloniki, Hagia Sophia 39 u. Vasilissis Sophias 24, d) in Patras, Maizonos 107 a, e) in Volos, K. Kartalis 85), f) auf Kreta in Heraklion, Amaltheiasstr. 9, und g) auf Cypern in Levkosia, Trikoupistr. 100. 16. Missionarische Vereinigung der Zusammenarbeitenden Christlichen Körperschaf ten „Apostel Paulus" (Hierapostolike Enosis Synergazomenon Christianikon Somateion ,Apostolos Paulos'), Dachverband der Zoi-Bewegung, in dem alle Zoi-Vereinigungen zusammengeschlossen sind. Hier wird die gesamte Arbeit geplant und koordiniert. In den 50er Jahren hatte der jetzige Erzbischof Hieronymos Kotsonis einige Jahre lang den Vorsitz des Dachverbandes inne, den heute der Psychiater Dr. Aristos Aspiotis führt. 17. Die Fürsorge (He Pronoia). Sie ist 1940 von der „Missionarischen Vereinigung der Zusammenarbeitenden Christlichen Körperschaften ,Apostel Paulus'" gegründet worden und stellt die zahlenmäßig größte Vereinigung dar: in Athen arbeiten 3000, in ganz Griechenland rd. 5000 Personen in ihr mit. Die „Pronoia" verbindet mit ihrer diakonischen Tätigkeit eine erste orthodoxe, sich über das ganze Land erstreckende 154

Besuchsdienstarbeit. Seit 1962 wird zweimonatlich das Nachrichtenblatt „Die Sammlung" (Logia, = die Geldsammlung des Paulus f ü r die Gemeinde in Jerusalem) herausgegeben. Sotir-Organe 1. Theologenbruderschaft „Sotir° (Adelphotes Theologon ,ho Soter'), 1960 von den drei Zoi-Brüdern: Demetrios Panajotopoulos, Panajotis Trembelas u n d Johannes Koliopoulos gegründet. Bruderschaftshaus in Athen 706, Isavron-Str. 44. Mitglieder: 70. P r i o r : seit der G r ü n d u n g 1960 Archimandrit Georgios Dimopoulos. Mitteilungsorgan: die Zeitschrift „Sotir", ein Wochenblatt erbaulichen C h a r a k t e r s wie die Zoi-Zeitschrift. Auflage: 75 000 (1960: 52000). Außerdem gibt die Bruderschaft alle 2 0 T a g e die Jugendzeitschrift der Sotir-Bewegung „Auf dem Wege zum Sieg" (Pros ten Niken) heraus. Auflage: 95 000. 2. Megas-Vasilios-Verein für Innere Mission (Syllogos O r t h o d o x o u Hierapostolikes Draseos ,ho Megas Basileios'). Mitglieder: 40. E r entspricht dem „Apostel-PaulusVerein" der Zoi-Bruderschaft. Zusammen mit der Sotir-Bruderschaft besitzt er ein neues Vereinshaus im Zentrum Athens, in der Mavromichali-Str. 32/34, in dem die meisten Sotir-Vereinigungen ihre Büroräume und die Athener Abteilungen der Vereine ihre Versammlungsräume haben. Mitten in diesem Gebäude befindet sich ein großer Kirchsaal, in dem Sonntag f ü r Sonntag jeweils f ü r eine bestimmte G r u p p e der SotirBewegung orthodoxer Gottesdienst gehalten wird. Dieser Verein gliedert sich in 7 Abteilungen, die z . T . einzelnen Zoi-Vereinigungen entsprechen: 1) die Abteilung der Lehrer und Wissenschaftler, 2) die Abteilung der Studenten (Christianike Phoititike Drasis), die ein zweimonatliches Mitteilungsblatt „Unsere Bewegung" ( H e Drasis mas) in einer Auflage von 7000 Exemplaren herausgibt, 3) die Abteilung der Arbeiterjugend (Christianike Omilos Ergazomenon N e o laias), 4) die Abteilung der Jugendgruppen aus der Sonntagssdiule, 5) die Abteilung der Sonntagssdiule, 6) die Abteilung der Bibelkreise und 7) die Abteilung der Fürsorge. In Zielsetzung und Arbeitsweisen unterscheiden sich die Abteilungen — wie überhaupt alle Sotir-Organe — von denen der Zoi-Bewegung k a u m . Sotir f ü h r t jedoch alles in streng konservativem Geiste durdi. 3. Panhellenische Elternvereinigung für Christliche Erziehung (Panhellenios Enosis Goneon ,he Christianike Agoge', G E C h A ) . Sie ist 1935 von der Zoi-Bruderschaft gegründet worden und bei der Spaltung 1959 zur Sotir-Bruderschaft übergegangen. Uberall in Griechenland v e r f ü g t sie über eigene Häuser. Mitglieder: über 1000. 4. Verein für Griechische Bildung (Syllogos Hellenike Paideia). Auch er entstammt der Zoi-Bewegung, von der er 1957 ins Leben gerufen wurde. E r hat 2 Gymnasien, 2 Volksschulen, ein Abendtechnikum und einen Kindergarten. Mitglieder: 60. i. Christliche Vereinigung „Elpis" (Christianike Enosis ,Elpis'). Sie ist die dritte Körperschaft, die als ganze bei der Spaltung zur Sotir-Bruderschaft übergegangen ist. In ihr sind etwa 100 Volksschul- und Gymnasiallehrerinnen zu einer Schwesternschaft zusammengeschlossen (1965: 200). 6. Verein „Tabitha" (Syllogos ,Tabetha'). Dieser Verein ist die Entsprechung zur Eunike-Vereinigung der Zoi. Die dort ausgetretenen 200 Krankenschwestern und Krankenbesucherinnen haben sich in diesem Verein zu einer neuen monastischen Schwesternschaft zusammengeschlossen. 7. Schwesternschaft „Ambelos" (Adelphotes ,he Ampelos'). Sie entspricht der EusebiaSchwesternschaft der Zoi. 9 Eusebia-Schwestern sind damals anläßlich der Spaltung ausgetreten und haben 1961 diese neue Schwesternschaft gegründet. H e u t e zählt sie

155

bereits 20 Schwestern. Sie sind fast alle akademisdi gebildet, einige von ihnen sind Theologinnen. Sie leiten die gesamte Mädchen- und Frauenarbeit der Sotir-Bewegung. 8. Schwesternschaft „Oikodomi" (Adelphotis ,he Oikodome'). Sie ist eine Parallele zur Elpis-Vereinigung. 50 Lehrerinnen haben sich 1964 zu dieser neuen Schwesternschaft zusammengeschlossen. 9. Megas Vasilios Berufsschulen (Technikai Scholai ,ho Megas Basilaios'). Dieser Verein richtet Abendschulen für technische Berufe ein, z.T.. für Mechaniker und Elektriker. Mitglieder: 45. 10. 5 Sotir-Buchhandlungen (Bibliopoleia ,ho Sotir) hat die junge, konservative Sotir-Bewegung bereits eröffnet: a) in Athen, Phidiou-Str. 3g, b) in Piräus, PhilonosStraße 34a, c) in Thessaloniki, Hagia-Sophia-Platz 3, d) in Patras, Miaouli-Str. 55, und e) auf Cypern in Levkosia, Mouson-Str. 6.

156

Literaturverzeichnis Im folgenden sind diejenigen Titel aufgeführt, die bei der Ausarbeitung des Textes Verwendung gefunden haben. Das vielfältige, zusätzlich durchgesehene Material — Monographien, Zeitschriften, Protokolle, Berichte, Vorträge — ist nicht verzeichnet worden. Die unbelegten Daten im historischen und analytischen Teil entstammen entweder Berichten oder sind unmittelbar in Gesprächen mit Zoi-Brüdern und Zoi-Anhängern, Zoi-Kritikern und Vertretern der Athener Theologischen Fakultät und der offiziellen griechischen Kirche erhoben worden. Manche Angaben sind dabei nur Schätzungen (Mitgliederzahlen!) und entbehren statistischer Überprüfbarkeit. Alexandridis, Apostolos, Eine Erscheinung des neugriechischen religiösen Lebens: Die christlichen Organisationen, in: Synoro Nr. 39, Herbst 1966, S. 193—204 (griech) Alexandros, Dimitrios, Eine verlegerische Unternehmung in unserem Vaterland, in: Aktines, 15. Jg., Nr. 125, März 1952, S. 119—122 (griedi) Alivisatos, Hamilcar S. (Hrsg.), Proces-Verbaux du Premier Congres de Theologie Orthodoxe a Athenes, 29. Nov.—6. Dez. 1936, Athenes 1939 (griedi/frz/dt) Androutsos, Christos, Dogmatik der Orthodoxen Katholischen Kirche, 2. Aufl., Athen 1956 (griech) Apostoliki Diakonia (Hrsg.), Die kirchliche Arbeit in der Ortsgemeinde, Die grundlegenden Ausführungbestimmungen, Athen 1960 (griech) Bericht über den gesamten Aufbau der von der Theologenbrudersdiaft „Zoi" gegründeten Kirchlichen Katechetischen Schulen, o. Verf., Athen 1948 (griech) Bericht aus Uppsala 1968, Offizieller Bericht über die Vierte Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen, Uppsala 4.—20. Juli 1968, hrsg. von Norman Goodall, dt. Ausgabe besorgt von Walter Müller-Römheld, Genf 1968 Bibelkreis, Der, Fortbildungsseminar für Bibelkreisleiter, 20. März—18. April 1962, hrsg. vom Organisationskomitee (der Zoi), Athen 1966 (griedi) Bougatsos, N., Eusebios Matthopoulos, Station und neuer Anfang der Kirche Griechenlands, in: Archimandrit Eusebios Matthopoulos, Erinnerungsschrift zum 25. Todestag, Wiederabdruck der Nr. 176—177 der „Enoria" vom 16. Juli 1954, Athen 1954 (griech) Bratiotis, Panagiotis, Die geistigen Strömungen und die religiösen Bewegungen in der orthodoxen Kirche Griechenlands, in: Die Orthodoxe Kirche in griechischer Sicht = Die Kirchen der Welt, Band 1, 2. Teil, Stuttgart 1960, S.49—69 —, Die Theologen-Bruderschaft „Zoe", in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte XII/1960, Heft 4, S. 371—384 Bristol 1967, Studienergebnisse der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, Beiheft zur ökumenischen Rundschau Nr. 7/8, Stuttgart 1967 Constantelos, Demetrios ]., The Zoe-Movement in Greece, in: St. Vladimir's Seminary Quarterly, Volume 3, No. 2, Sonderdruck in Englisch ohne Jahres- u. ohne Ortsangabe Ebeling, Gerhard, Die Geschichtlichkeit der Kirche und ihrer Verkündigung als theologisches Problem, Sammlung gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Religionsgeschichte 207/208, Tübingen 1954 —, Wort und Glaube, 3. Aufl., Tübingen 1967 —, Artikel „Hermeneutik", in: RGG, 3. Aufl., I I I . Band, Stuttgart 1959, Spalte 242—262 157

— Artikel „Tradition", VII: Dogmatisch, in: RGG, 3.Aufl., VI.Band, Tübingen 1962, Spalte 976—984 „EpbesosProtokolle der Theologenkongresse der Zoi-Bruderschaft von 1960—1964, griech/hektographiert: a) Referate und Diskussionen, 1. Theologenkongreß „Ephesos", Athen-Thessaloniki 1960, Athen 1961 b) Referate und Diskussionen, 2. Theologenkongreß „Ephesos", Athen-Thessaloniki 1961, Athen 1962 c) Referate und Diskussionen, 3. Theologenkongreß „Ephesos", Athen-Thessaloniki 1962, Athen 1963 d)Die Göttliche Liturgie, 4. Theologenkongreß „Ephesos", Athen-Tessaloniki 1963, Athen 1964 e) Die Heilige Schrift — Das Wort Gottes, 5. Theologenkongreß „Ephesos", AthenThessaloniki 1964, Athen 1965 Florovsky, Georgios, Der Weg der russischen Theologie, in: Theologie, Wahrheit und Leben, Ein geistiges Symposion, Athen 1962, S. 15—59 (griech) Fror, Kurt, Biblische Hermeneutik, Zur Schriftauslegung in Predigt und Unterricht, 3. Aufl., München 1967 Gaitanid.es, Johannes, Griechenland ohne Säulen, München 1955 Gesetz Nr.976 über die Apostoliki Diakonia der Kirche Griechenlands, in: Amtsblatt des Königs von Griechenland vom 21. Februar 1946, Band 1, S. 299—304, Blatt Nr. 58 (griech) Gregoriades, Eteokles ]., Zehn Jahre ,Abteilung Fürsorge' der Christlichen Wissenschaftlervereinigung, Dezember 1957 bis Dezember 1967, in: Aktines, 31.Jg., Nr. 291, Mai 1968, S. 208—214 (griech) Jannaras, Christos, Ehrlich mit der Orthodoxie!, Neugriechische theologische Versuche, Athen 1968 (griech) Jannoulatos, Anastasios, Der Sinn unserer Krise, Ein Vortrag, gehalten im Juli 1960 in Trikala/Korinth, griech.-maschinenschriftlicher Text —, Auf den Weg der Väter!, in: Aktines, 24. Jg., 1961, Teil A: in Nr.218, Febr. 1961, S.41—47, und Teil B: in Nr. 219, März 1961, S.85—90 (griech) Kalybas, Christophoros Ath., Licht oder Feuer?, Athen 1956 (griech) —, Ohne Maske!, Athen 1957 (griech) Karmiris, Johannes, Die Dogmen- und Bekenntnisschriften der Orthodoxen Katholischen Kirche, 2. erw. u. verbess. Aufl., Band 1, Athen 1960 (griech) —, Abriß der dogmatischen Lehre der Orthodoxen Katholischen Kirche, in: Die Orthodoxe Kirche in griechischer Sicht = Die Kirchen der Welt, Band 1, l.Teil, Stuttgart 1959, S. 15—120 Kolitsaras, Johannes Th., Die Unierten, Athen 1959 (griech) —, Die westliche ( = römische) Kirche, Ihre Unterschiede zur Orthodoxen Kirche, 2. erw. Aufl., Athen 1960 (griech) —, Die Protestanten, Athen 1960 (griech) Konstantinidis, Chrysostomos, The Significance of the Eastern and Western Traditions within Christendom, in: The Ecumenical Review X I I , Nr.2, Jan. 1960, S. 143—153 (engl) Konstantinidis, Johannes Chr., Die Kirche Athens in den 25 Jahren von 1923—1957, Athen 1961 (griech) Kotsonis, Hieronymos, Das Charakteristikum der Großen, in: Archimandrit Eusebios Matthopoulos, Erinnerungsschrift zum 25. Todestag, Athen 1954, S. 15 (griech) —, Die Stellung der Laien innerhalb des kirchlichen Organismus, in: Die Orthodoxe Kirche in griechischer Sicht = Die Kirchen der Welt, Band 1, 2. Teil, Stuttgart 1960, S. 92—116 158

—, Inthronisierungsrede vom 17. Mai 1967, in: Informationen aus der Orthodoxen Kirche, hrsg. vom Kirchlichen Außenamt der E K D , Frankfurt am Main, X V I I I , 1967/1, S. 2—8 Mainas, Jakob, Die Abwesenheit des Parakleten, in: Synoro Nr. 37, Frühjahr 1966, S.29—31 (griech) —, Die Möglichkeiten einer christlichen Anwesenheit im heutigen Griechenland, in: Synoro Nr. 39, Herbst 1966, S. 205—211 (griedi) — deutsche Übersetzung s. Dokumentarteil S. 149—152 Mastrojannopoulos, Elias D., Orientierungen, Athen 1962 (griedi) —, Die Königsherrschaft Gottes, Athen 1965 (griedi) —, Die Kirchenväter und der Mensch, Athen 1966 (griedi) —, Dreißig Jahre Christliche Wissenschaftlervereinigung, in: Aktines, 31. Jg., Nr.289, März 1968, S. 111—117 (griedi) —,(Hrsg.), Theologie, Wahrheit und Leben, Ein geistiges Symposion, Athen 1962 (griech). Die Einleitung davon ist vom Herausgeber verfaßt, dt. Übersetzung s. Dokumentarteil S. 145—149: ,Einige Kennzeichen orthodoxer Theologie'. —, (Hrsg.), Mönchtum und gegenwärtige Welt, Ein geistiges Symposion zur 1000-JahrFeier des Heiligen Berges, Athen 1963 (griech) —, (Hrsg.) und Mitverfasser, Unsere Liturgie, Drei Beiträge von Elias Mastrojannopoulos, Alexander Sdimemann und Olivier Clement, 2. Aufl., Athen 1967 (griedi) Matthopoulos, Eusebios, Die Bestimmung des Menschen, oder: Was das Ziel der Existenz und des Lebens des Menschen ist und auf weldie Weise es erreicht wird, 11. Aufl., Athen 1960 (griedi) Melites, P., (Pseudonym), s. Tsirindanis, Alexander Moustakis, Basilios, Serapheim Papakostas, Eine Erinnerungsschrift zu seinen Ehren, Athen 1959 (griech) Nissiotis, Nikolaos Α., Die Theologie als Wissenschaft und Doxologie, in: Theologie, Wahrheit und Leben, Ein geistiges Symposion, Athen 1962, S. 177—214 (griech) —, Zeugnis und Dienst der orthodoxen Christenheit für die Eine ungeteilte Kirche, in: Neu-Delhi 1961, Dokumentarbericht über die dritte Vollversammlung des ö k u menischen Rates der Kirchen, Hrsg. Willem A. Visser't Hooft, Stuttgart 1962, S. 543—553 —, Die Orthodoxie in der ökumenischen Bewegung, in: Evangelische Kommentare, 1. Jg., Heft 4, April 1968, S. 190—196 Papakostas, Serapheim G., Eusebios Matthopoulos, Eine Biographie, 2. Aufl., Athen 1948 (griech) — englische Übersetzung von A. Massaouti: Eusebius Matthopoulos, Founder of Zoe, A Biography by Seraphim Papakosta, London 1939 — Die Buße, 13. Aufl., Athen 1960 (griech) —, Die Ehelosigkeit um Christi willen und die monastisdien Bruderschaften nach den Kirchenvätern, 2. Aufl., Athen 1961 (griech) Phytrakis, Andreas Johannes, Die Apostoliki Diakonia der Kirche Griechenlands in den Jahren 1958 und 1959, Ein Tätigkeitsbericht, Athen 1960 (griech) —, Die Arbeit der Apostoliki Diakonia der Kirche Griechenlands im Jahre 1960, Athen 1961 (griech) —, Vorhaben und Ergebnisse der Apostoliki Diakonia der Kirdie Griechenlands im Jahre 1961, Athen 1962 (griedi) Psilopoulos, Emmanuel, La Confrerie des Theologiens ,Zoi', Un mouvement spirituel dans l'figlise grecque contemporaine, Th£se, Strasbourg 1965 (frz/hektograph.) Satzungen der einzelnen Zoi- und Sotir-Vereinigungen, vgl. Dokumentarteil S. 133— 136, meist als Sonderdruck im Selbstverlag erschienen (griech) Savramis, Demosthenes, Die griechisch-orthodoxe Kirdie und die soziale Frage, in: Ostkirchliche Studien 7/1958, S.66—84 159

—.Drei Jahre Innere Mission der Kirche Griechenlands, 1958—1960, in: Kyrios 11/1962, Heft 1, S.26—35 —, Christlicher Glaube und soziale Wirklichkeit in Griechenland, in: Christlicher Glaube und Ideologie, hrsg. von Klaus von Bismarck und Walter Dirks, Stuttgart 1964, S. 126—132 Schlink, Edmund, Der kommende Christus und die kirchlichen Traditionen, Beiträge zum Gespräch zwischen den getrennten Kirchen, Göttingen 1961 —.Hermeneutik — Denkformen — Verstehen, in: Neue Grenzen, ökumenisches Christentum morgen, hrsg. von Klaus von Bismarck und Walter Dirks, Band 1, Stuttgart 1966, S. 14—22 —.Nach dem Konzil, Siebenstern-Taschenbuch Nr.75, München und Hamburg 1966 Schrift und Tradition, Untersuchung einer theologischen Kommission, ökumenischer Rat der Kirchen — Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, hrsg. von Kirsten E. Skydsgaard und Lukas Vischer, Zürich 1963 Sitzungsberichte des Ersten Synhedriums für griechisch-christliche Zivilisation, Athen 13.—16. Mai 1956, Athen 1956 (griech) Sitzungsberichte der 13.Synode der Hierarchie der Kirche Griechenlands, 1.—29. November 1958, hrsg. von der Heiligen Synode der Kirche Griechenlands, Athen 1959 (griech) Slenczka, Reinhard, Ostkirche und Ökumene, Die Einheit der Kirche als dogmatisches Problem in der neueren ostkirchlichen Theologie, in: Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie, Band 9, Göttingen 1962 Theodores, Evangelos D., The Church of Greece, Published by the Greek Arrangements Committee for the 1959 Meeting of the Central Committee of the World Council of Churches, on the Occasion of the Conferences in Rhodes and Athens, Athens 1959 (engl) Tradition und Traditionen, Berichte der Theologischen Kommission über Tradition und Traditionen an die Vierte Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Montreal, Kanada, 1963, Arbeitsheft II, Zürich 1963, In der Reihe der „Faith and Order Papers", Nr. 39 Trakatellis, Demetrios Chr., Unsere Theologie gestern und morgen, in: Theologie, Wahrheit und Leben, Ein geistiges Symposion, Athen 1962, S.215—236 (griech) Trembelas, Panajotis N., Homiletik, Die Geschichte und Theorie der Predigt, 2. Aufl., Athen 1950 (griech) —, Prüfung bedauernswerter Einbildungen, Athen 1957 (griech) —, Die Laien in der Kirche, Das königliche Priestertum, Athen 1957 (griech) —, Das Neue Testament, Mit einer kurzen Auslegung, 2 Bande, 6. Aufl., Athen 1964 (griech) —, Ders., Dogmatik der Orthodoxen Katholischen Kirche, 2 Bände, Athen 1959, 3. Band, Athen 1961 (griech) Tsakonas, Demetrios, Die geistigen und die religiösen Strömungen im heutigen Griechenland, in: Una Sancta, 18. Jg., Heft 1, Januar 1963, S.36—49 —, Geist und Gesellschaft in Griechenland, Bonn 1965 Tsananas, Georgios, Die Krise der Katechetischen Schule und der Christlichen Jugendbewegungen, Saloniki 1965, (griech/hektograph.), Ein Vortrag Tsirindanis, Alexander N., Towards a Christian Civilization, Athens 1950 (engl), vgl. Dokumentarteil S. 143—145 —, Auf daß der Weg sich öffne!, unter dem Pseudonym P.Melites, Athen 1957 (griech) — , V o r der kritischen Wende, Eine Botschaft, in: „Syzitisis", Athen 1967 (griech) —, Zur geistigen Heranbildung unserer Jugend, Ein Vortrag, Athen 1968 (griech) —, Erklärung der Christlichen Wissenschaftlervereinigung, o.Verf., Athen 1946 (griech) Zehn Jahre Freude und Arbeit, 1946—1956, hrsg. von der Christlichen Vereinigung der Arbeitenden Jugend, Athen 1957 (griech) 160