Einführung in die Strukturdynamik: Modelle und Anwendungen [3. Aufl.] 9783658318444, 9783658318451

Das Lehrbuch gibt eine Einführung in die Strukturdynamik und umfasst die Grundlagen der Modellbildung sowie die grundleg

608 81 7MB

German Pages X, 419 [422] Year 2020

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Einführung in die Strukturdynamik: Modelle und Anwendungen [3. Aufl.]
 9783658318444, 9783658318451

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-X
Front Matter ....Pages 1-1
Einführung (Dieter Dinkler)....Pages 3-6
Schwingungen (Dieter Dinkler)....Pages 7-17
Modellbildung für Starrkörpersysteme (Dieter Dinkler)....Pages 18-23
Aufstellen von Bewegungsgleichungen (Dieter Dinkler)....Pages 24-48
Gesamtlösung linearer Bewegungsgleichungen (Dieter Dinkler)....Pages 49-54
Freie Schwingungen (Dieter Dinkler)....Pages 55-56
Erzwungene Schwingungen – periodisch (Dieter Dinkler)....Pages 57-66
Erzwungene Schwingungen – unperiodisch (Dieter Dinkler)....Pages 67-78
Front Matter ....Pages 79-79
Matrizenschreibweise (Dieter Dinkler)....Pages 81-85
Systematisches Aufstellen der Systemmatrizen (Dieter Dinkler)....Pages 86-95
Bewegungsgleichungen für Stabtragwerke (Dieter Dinkler)....Pages 96-119
Freie Schwingungen ungedämpfter Systeme (Dieter Dinkler)....Pages 120-133
Entkopplung der Bewegungsgleichungen (Dieter Dinkler)....Pages 134-135
Erzwungene Schwingungen – ungedämpft (Dieter Dinkler)....Pages 136-145
Front Matter ....Pages 147-147
Schwingungen in komplexer Darstellung (Dieter Dinkler)....Pages 149-155
Modellierung kontinuierlicher Dämpfer (Dieter Dinkler)....Pages 156-164
Freie gedämpfte Schwingungen (Dieter Dinkler)....Pages 165-177
Erzwungene Schwingungen in komplexer Schreibweise (Dieter Dinkler)....Pages 178-184
Erzwungene Schwingungen von Systemen (Dieter Dinkler)....Pages 185-194
Modal–Analyse bei Rayleigh–Dämpfung (Dieter Dinkler)....Pages 195-198
Modal–Analyse bei viskoser Dämpfung (Dieter Dinkler)....Pages 199-202
Reduktion der Zahl der Freiheitsgrade (Dieter Dinkler)....Pages 203-211
Modal–Synthese (Dieter Dinkler)....Pages 212-216
Front Matter ....Pages 217-217
Erdbebenanalyse von Tragwerken (Dieter Dinkler)....Pages 219-247
Analyse von Seilnetzen und Membranen (Dieter Dinkler)....Pages 248-263
Einführung in die Aeroelastizität (Dieter Dinkler)....Pages 264-311
Eisenbahnbrücke bei schneller Zugüberfahrt (Dieter Dinkler)....Pages 312-325
Menschen–induzierte Schwingungen von Brücken (Dieter Dinkler)....Pages 326-344
Rotierende Systeme (Dieter Dinkler)....Pages 345-370
Front Matter ....Pages 371-371
Numerische Integration der Bewegungsgleichung (Dieter Dinkler)....Pages 373-400
Berechnung der Eigenwerte und Eigenvektoren (Dieter Dinkler)....Pages 401-408
Back Matter ....Pages 409-419

Citation preview

Dieter Dinkler

Einführung in die Strukturdynamik Modelle und Anwendungen 3. Auflage

Einführung in die Strukturdynamik

Dieter Dinkler

Einführung in die Strukturdynamik Modelle und Anwendungen 3. überarbeitete und aktualisierte Auflage

Dieter Dinkler Technische Universität Braunschweig Braunschweig, Deutschland

ISBN 978-3-658-31844-4 ISBN 978-3-658-31845-1  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2016, 2017, 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Dipl.-Ing. Ralf Harms Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

V

Vorwort zur 3. Auflage ¨ Mit der redaktionellen Uberarbeitung ist eine Erg¨anzung des Lehrbuches um ¨ weitere Beispiele, eine Ubersicht auf die M¨ oglichkeiten zur Schwingungstilgung sowie eine Einf¨ uhrung in das Ph¨ anomenologie der Menschen–induzierten Schwingungen von Br¨ ucken erfolgt. Besonderer Dank gilt Herrn Dr.-Ing. Christian Flack f¨ ur die numerische L¨osung der Beispiele. Großer Dank auch dem Verlag Springer Vieweg, der diese Ausgabe erm¨ oglicht hat. Braunschweig, 1. September 2020

Dieter Dinkler

Vorwort zur 2. Auflage ¨ Mit der zweiten Auflage des Lehrbuches ist eine redaktionelle Uberarbeitung erfolgt, um die teilweise abstrakten Zusammenh¨ange weiter zu veranschaulichen. So sind die bisher beschriebenen Anwendungen um eine Einf¨ uhrung in die Modellierung von Windkraftanlagen und um eine Darstellung der Regen– Wind induzierten Schwingungen von Seilabspannungen erg¨anzt. Besonderer Dank gilt Herrn Dr.-Ing. Marco Schauer f¨ ur die zus¨atzlichen Bei¨ spiele und die Uberarbeitung der zahlreichen Abbildungen. Großer Dank auch dem Verlag Springer Vieweg, der diese erweiterte Auflage erm¨oglicht hat. Braunschweig, 1. September 2017

Dieter Dinkler

Vorwort zur 1. Auflage Das vorliegende Lehrbuch ist aus den Lehrveranstaltungen f¨ ur das Fachgebiet Dynamik im Diplom–Studiengang Luft- und Raumfahrttechnik der Universit¨ at Stuttgart und f¨ ur das Fachgebiet Einf¨ uhrung in die Strukturdynamik im Master–Studiengang Bauingenieurwesen an der Technischen Universit¨at Braunschweig entstanden. Es zielt auf die Darstellung und Vermittlung der Grundlagen der Strukturdynamik f¨ ur Studierende des Ingenieurwesens und nahestehender Studieng¨ange. Vorausgesetzt werden die Grundlagen der Technischen Mechanik, sodass erste Erfahrungen in der Modellierung und im Aufstellen von Bewegungsgleichungen f¨ ur schwingungsf¨ ahige Systeme vorliegen. Im Schwerpunkt des Lehrbuchs stehen die Beschreibungsm¨oglichkeiten und L¨ osungswege f¨ ur die Untersuchung des Schwingungsverhaltens von Starrk¨orpersystemen und Stabtragwerken. Die grundlegenden Abschnitte werden erg¨anzt um Modelle f¨ ur verschiedene baupraktische Anwendungen aus dem Bereich der

VI Aeroelastizit¨ at, der Seilnetze, der Eisenbahnbr¨ ucken und der Rotordynamik. Den Abschluss bildet eine Einf¨ uhrung in die numerische Integration von Bewegungsgleichungen. Das Lehrbuch w¨ are in dieser Form ohne die Unterst¨ utzung meiner Mitarbeiter nicht m¨ oglich gewesen. Besonders bedanken m¨ ochte ich mich bei Herrn Dr.Ing. Michael L¨ ohr und Herrn Dr.-Ing. Sven Reinst¨adler f¨ ur die numerischen Untersuchungen und bei Frau Aileen Westphal BSc. und Herrn Sebastian Kroos BSc. f¨ ur die vielen zeichnerischen Darstellungen. Braunschweig, 1. September 2016

Dieter Dinkler

Inhaltsverzeichnis

VII

Inhaltsverzeichnis

EINFREIHEITSGRADSYSTEME 1

Einf¨ uhrung

3

2

Schwingungen 7 2.1 Darstellung von Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 ¨ 2.2 Ubersicht auf die Schwingungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.3 Periodische Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.4 Nichtperiodische Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3

Modellbildung f¨ ur Starrk¨ orpersysteme 18 3.1 Rheologische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3.2 Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

4

Aufstellen von Bewegungsgleichungen ¨ 4.1 Ubersicht auf die verschiedenen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Synthetisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Analytisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . .

24 25 28 35

5

Gesamtl¨ osung linearer Bewegungsgleichungen 5.1 Linearisieren von Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Dimensionslose Schreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Superposition verschiedener Teill¨ osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Gesamtl¨ osung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Unterscheidung der Schwingungen nach ihrer Entstehung . . . . . . . . .

49 49 50 51 52 53

6

Freie Schwingungen

55

7

Erzwungene Schwingungen – periodisch 7.1 Konstante Last . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Periodische Last . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 L¨ osung im Frequenzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Station¨are L¨ osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57 57 58 62 65

8

Erzwungene Schwingungen – unperiodisch 8.1 Stoßanregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Anregung mit der Resonanzfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Anwendungsbeispiele f¨ ur das Duhamel–Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 68 70 71

MEHRFREIHEITSGRADSYSTEME 9 Matrizenschreibweise 81 9.1 Das D’Alembert’sche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 9.2 D’Alembert’sches Prinzip in der Lagrange’schen Fassung . . . . . . . . . . 84

VIII

Inhaltsverzeichnis

10 Systematisches Aufstellen der Systemmatrizen 10.1 Krafteinflusszahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Verallgemeinerung der Krafteinflusszahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Verformungseinflusszahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Verallgemeinerung der Verformungseinflusszahlen . . . . . . . . . . . . . . . . .

86 86 90 91 95

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke 96 11.1 Dehnst¨abe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 11.2 Biegest¨abe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 11.3 Torsionsst¨abe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 12 Freie 12.1 12.2 12.3

Schwingungen unged¨ampfter Systeme 120 L¨ osungsweg f¨ ur die Berechnung der freien Schwingungen . . . . . . . . . . 120 Anpassen der L¨ osung an die Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Konvergenz der N¨aherungsl¨ osung bei Stabtragwerken . . . . . . . . . . . . . 130

13 Entkopplung der Bewegungsgleichungen

134

14 Erzwungene Schwingungen – unged¨ampft 136 14.1 Statische Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 14.2 Periodische Anregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 14.3 Unperiodische Anregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 14.4 Anpassen der Gesamtl¨ osung an die Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . 144 ¨ GEDAMPFTE SYSTEME 15 Schwingungen in komplexer Darstellung 149 15.1 Harmonische Analyse periodischer Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 15.2 Fourier–Integral von unperiodischen Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . 151 16 Modellierung kontinuierlicher D¨ampfer 156 16.1 Rheologie der D¨ampfungseigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 16.2 Rayleigh–D¨ampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 16.3 Strukturd¨ampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 16.4 Modal–D¨ampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 16.5 D¨ampfung nach Caughey/O’Kelly . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 17 Freie 17.1 17.2 17.3 17.4

ged¨ampfte Schwingungen 165 Die Eigenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Die Eigenvektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Die vollst¨andige L¨ osung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

18 Erzwungene Schwingungen in komplexer Schreibweise 178 18.1 Periodische Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 18.2 Unperiodische Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 19 Erzwungene Schwingungen von Systemen

185

Inhaltsverzeichnis

IX

19.1 Zeitkonstante Anregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 19.2 Periodische Anregung in reeller Schreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 19.3 Periodische Anregung in komplexer Schreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 20 Modal–Analyse bei Rayleigh–D¨ampfung 195 20.1 Freie Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 20.2 Periodische Anregung in reeller Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 20.3 Periodische Anregung in komplexer Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 21 Modal–Analyse bei viskoser D¨ampfung 199 21.1 Freie Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 21.2 Periodische Anregung in komplexer Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 22 Reduktion der Zahl der Freiheitsgrade 203 22.1 Reduktion des Modal–Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 22.2 Restmode–Korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 22.3 Elimination von Freiheitsgraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 23 Modal–Synthese 212 23.1 Die Teilstruktur beim Weggr¨ oßenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 23.2 Das Gesamtsystem beim Weggr¨ oßenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 ANWENDUNGEN 24 Erdbebenanalyse von Tragwerken 219 24.1 Erdbebenwellen und Darstellung von Erdbeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 24.2 Berechnungsverfahren f¨ ur Tragwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 24.3 Das Antwortspektrenverfahren bei Mehrmassenschwinger . . . . . . . . . . 234 24.4 Sicherheitskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 25 Analyse von Seilnetzen und Membranen 248 25.1 Einzelseile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 25.2 Schwingungen von Seilnetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 25.3 Schwingungen von Membranen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at 264 26.1 Modellgleichungen und Kennwerte f¨ ur das Str¨omungsfeld . . . . . . . . . 265 26.2 Druckverteilung an Bauwerken aus Umstr¨omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 26.3 Druck¨anderung aus Bewegung des Tragwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 26.4 Bewegungsgleichungen des Tragwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 26.5 Statische aeroelastische Ph¨anomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 26.6 Dynamische aeroelastische Ph¨anomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 26.7 Erzwungene Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 26.8 Zylindrische Bauteile im Str¨ omungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 26.9 Aufstellen und L¨ osung der Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 293 26.10 Regen–Wind induzierte Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

X

Inhaltsverzeichnis

27 Eisenbahnbr¨ ucke bei schneller Zug¨ uberfahrt 312 27.1 Modell f¨ ur auf einem Balken gelagerte bewegte Massen . . . . . . . . . . . 312 27.2 Modell f¨ ur bewegte Massen auf Feder–D¨ampfer–System . . . . . . . . . . . 314 27.3 Modelle f¨ ur das Schwingungsverhalten der Br¨ ucke . . . . . . . . . . . . . . . . 315 27.4 L¨ osungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 27.5 Schwingungsverhalten einer Zweifeld–Eisenbahnbr¨ ucke . . . . . . . . . . . . 319 27.6 Resonanznachweis nach DS 804 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 28 Menschen–induzierte Schwingungen von Br¨ ucken 326 28.1 Schrittfrequenz und Personenlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 28.2 Vereinfachendes Last–Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 28.3 Vereinfachendes Modell f¨ ur die Lateralbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 29 Rotierende Systeme 345 29.1 Ortsvektor zum nichtverformten Rotorblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 29.2 Ortsvektor zum verformten Rotorblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 29.3 Beschleunigungen im Inertialsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 29.4 Virtuelle Arbeit der Massentr¨agheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 29.5 Rotorblatt mit starrer Festhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 29.6 Virtuelle Arbeiten aus Eigengewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 29.7 Virtuelle Arbeiten aus Elastizit¨at des Rotorblattes . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 29.8 Virtuelle Gesamtarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 29.9 Windkraftanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 NUMERISCHE VERFAHREN 30 Numerische Integration der Bewegungsgleichung 373 30.1 Analytische L¨ osung der Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 ¨ 30.2 N¨aherung der Ubertragungsmatrix f¨ ur ein Zeitintervall . . . . . . . . . . . . 376 ¨ 30.3 Qualit¨at der Ubertragungsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 ¨ 30.4 Genauigkeit der Approximation der Ubertragungsmatrix . . . . . . . . . . . 382 30.5 Anwendung der Sehnentrapezregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 30.6 Das Newmark–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 30.7 Generalized α–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 30.8 Hinweise zur Anwendung von Zeitintegrationsverfahren . . . . . . . . . . . 398 31 Berechnung der Eigenwerte und Eigenvektoren 401 31.1 Der Rayleigh–Quotient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 31.2 Berechnung des niedrigsten Eigenwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 31.3 Berechnung h¨ oherer Eigenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 31.4 Simultane Berechnung mehrerer Eigenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 31.5 Aufl¨ osung benachbarter Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 LITERATUR STICHWORTVERZEICHNIS

409 415

EINFREIHEITSGRADSYSTEME

1 Einf¨ uhrung

Die Dynamik ist die Lehre von den Kr¨ aften. In der Statik sind die Kr¨afte im Gleichgewicht. Kraft- und Verformungszustand sind zeitlich konstant. In der Kinetik sind die Kr¨ afte nicht im Gleichgewicht. Dies bewirkt, dass sich Kraftund Verformungszustand in der Zeit ver¨ andern, wenn die nicht im Gleichgewicht stehenden Kr¨afte antreibende Wirkung haben. In der Kinetik sind die in der Statik interessierenden Gleichgewichtslagen nur Sonderf¨alle. Wichtig sind hier die Zeitverl¨ aufe der Kr¨ afte und Verformungen, d. h. die Bewegungen der Systeme. Die Kinematik ist die Lehre von den Bewegungen. Sie gibt die geometrischen Rahmenbedingungen der Bewegungen vor. Hierzu geh¨oren Randbedingungen f¨ ur die Verformungen sowie die Gleichungen der Verformungsgeometrie. Kr¨ afte und Verformungen entwickeln sich nicht unabh¨angig voneinander, sondern sind Werkstoffabh¨ angig miteinander verkn¨ upft. Die Werkstoffgleichungen sind daher essenziell f¨ ur die vollst¨ andige Modellierung dynamischer Systeme, ¨ siehe nachfolgende Ubersicht. Modellgleichungen

Dynamik

Kinematik

Statik

Werkstoffe

Kinetik

Bild 1-1 Modellgleichungen Verallgemeinert man die Begriffe Gleichgewicht und Bewegung, so kann man diese Betrachtung auch auf andere Aufgabenstellungen u ¨bertragen, und ganz ¨ allgemein von der zeitlichen Anderung der Beschreibungsvariablen x(t) sprechen. Dies k¨ onnen Variablen aus der Mechanik wie Verschiebungen, Energien, Belastungen oder Variablen aus der Elektrotechnik wie Stromst¨arken, Feldst¨ arken sein, aber auch Variablen aus anderen Bereichen wie Hochwasserst¨ ande, Aktienkurse, Preise, Stromverbrauch oder andere Variablen. Die Strukturdynamik ist ein Teilgebiet der unter dem Begriff Dynamik zusammengefassten Ph¨ anomenologie und deren Untersuchungsmethoden. Sie befasst © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_1

4

1 Einf¨ uhrung

sich mit der Analyse des Schwingungsverhaltens von Strukturen im allgemeinen und Tragwerken im speziellen. Im Bauwesen sind dies Tragwerke unter den hier vorkommenden zeitver¨ anderlichen Einwirkungen aus Wind, Erdbeben, Verkehr und anderen Ursachen. So ist das Schwingungsverhalten bei Eisenbahnbr¨ ucken, Maschinenfundamenten, turmartigen Geb¨auden, abgespannten Masten, Offshore-Konstruktionen oder Wehren wesentlich f¨ ur die Bemessung. Wenn Trag- bzw. Bauwerke mit dem umgebenden Medium zusammenwirken, m¨ ussen sie gemeinsam mit ihrer Umgebung betrachtet werden. Bei der Kopplung entstehen neue Ph¨ anomene, wenn sich die Prozessvariablen aller beteiligten Gebiete gegenseitig beeinflussen. Heute oft untersuchte Systeme, die eine entsprechende Ph¨ anomenologie aufweisen, sind • Boden–Bauwerk–Interaktion, • Wind–Tragwerk–Interaktion (Aeroelastizit¨ at), • Fl¨ ussigkeit–Tragwerk–Interaktion (Hydroelastizit¨at). Diese zun¨ achst wie selbstverst¨ andlich erscheinenden Wirkungen zwischen mehreren Gebieten (Tragwerk–Luft–Wasser–Boden) sind ungeheuer vielseitig und k¨ onnen v¨ ollig neue Ph¨ anomene im Verformungs– und Bewegungsverhalten von Tragwerken hervorrufen, wenn der Energieaustausch zwischen den Gebieten zu Instabilit¨ aten f¨ uhrt. Beispiele hierf¨ ur sind der Einsturz der Tacoma-Br¨ ucke und der K¨ uhlt¨ urme in Ferrybridge, das Flattern von Tragfl¨ ugeln oder die Bodenerosion in Gew¨ assern, die die Standsicherheit von Offshore-Konstruktionen oder Br¨ uckenpylonen gef¨ ahrden kann. Die wirkliche Entwicklung der Beschreibungsvariablen kann man nur am wirklichen System messen. F¨ ur den Entwurf, die Konstruktion und die Bemessung des Systems m¨ ussen die Beschreibungsvariablen jedoch vorweg abgesch¨atzt werden. Dies erfolgt mit Hilfe von experimentellen oder mathematischen Ersatzmodellen. Im Experiment k¨ onnen wirklichkeitsnahe Modelle erzeugt und untersucht werden, was allerdings oft sehr aufw¨ andig ist. So sind Windkanalversuche f¨ ur Br¨ ucken und Flugzeuge zwar Stand der Technik, jedoch nur f¨ ur Einzelf¨alle sinnvoll, wenn der große Aufwand bei Parameterstudien nicht m¨oglich ist. Wenn nur die wesentlichen Eigenschaften eines Systems untersucht werden sollen, kann man vereinfachende Modelle mit wenigen Beschreibungsvariablen entwickeln, die den Einfluss der außerhalb der jeweiligen Struktur liegenden Gebiete auf den Druck oder die Verschiebung an der Oberfl¨ache der Struktur reduzieren und damit eine analytische L¨ osung der Bewegungsgleichungen zulassen. Eine hinreichend genaue Untersuchung komplexer Ph¨anomene ist jedoch nur mit numerischen Verfahren m¨ oglich, erst recht, wenn Nichtlinearit¨aten zu ber¨ ucksichtigen sind.

5 Die Untersuchung des Systemverhaltens mit mathematischen Modellen beinhaltet im wesentlichen die folgenden L¨ osungsschritte: 1. Die Modellierung des wirklichen Systems erfolgt mit rheologischen Modellen f¨ ur starre K¨ orper, die aus untereinander mit Federn und D¨ampfern verbundenen Punktmassen und Einwirkungen bestehen, wenn keine großen Anforderungen an die Genauigkeit der Abbildung gestellt werden oder wenn das wirkliche System bereits entsprechende Eigenschaften aufweist. Genauere Ans¨atze bilden die Bauteile des wirklichen Systems mit kontinuierlichen Modellen ab, die z.B. Stab– oder Fl¨ achentragwerke sein k¨ onnen. 2. Das Aufstellen und L¨ osen der mathematischen Gleichungen f¨ ur die Beschreibungsvariablen des Ersatzsystems kann mit verschiedenen Verfahren erfolgen. Ein erster Schritt ist die Formulierung der Modellgleichungen des Systems bzw. seiner Komponenten. Dies sind • die kinematischen Bedingungen (K) f¨ ur die geometrischen Zw¨ange, die den Bewegungsablauf steuern, • die Kr¨ aftebilanz (G), die das Zusammenwirken der Kr¨afte und der Massentr¨ agheiten im System festlegen, • und die Kennlinien (W) f¨ ur Feder und D¨ ampfer bzw. die Werkstoffgleichungen f¨ ur Kontinua. Die Grundgleichungen sind u ¨ber die Beschreibungsvariablen miteinander verkn¨ upft und k¨ onnen in einem zweiten Schritt bei Elimination eines Teils der Beschreibungsvariablen auf eine einzige Gleichung reduziert werden, die im weiteren als Bewegungsdifferentialgleichung oder kurz als Bewegungsgleichung bezeichnet wird. 3. Ein dritter Arbeitsschritt befasst sich mit der L¨osung der Bewegungsgleichung und der Berechnung des Zeitverlaufs der Beschreibungsvariablen. Bei Kontinua ist die Bewegungsgleichung in der Regel eine partielle Differentialgleichung in Raum und Zeit, die nicht direkt gel¨ost werden kann. Mit einem Separationsansatz kann man jedoch die Raum- und Zeitkoordinaten trennen, was auf eine gew¨ ohnliche Differentialgleichung mit Zeitableitungen f¨ uhrt. Die L¨ osung der Bewegungsgleichung ist dann in reeller und komplexer Schreibweise m¨ oglich. 4. Abschließend erfolgt die Darstellung, die Interpretation und die Kontrolle der Ergebnisse und der Zeitverl¨ aufe der Beschreibungsvariablen. In einer Nachlaufrechnung werden in der Regel weitere Informationen u ¨ber das schwingende

6

1 Einf¨ uhrung

System berechnet, wenn z. B. die Kr¨ afte oder Spannungen f¨ ur einen Festigkeitsnachweis ben¨ otigt werden. Inhalt des Lehrbuchs ist eine Einf¨ uhrung in die Strukturdynamik. Dies umfasst die Grundlagen der Modellbildung sowie das Aufstellen und die L¨osung der lineren Bewegungsgleichungen f¨ ur Starrk¨ orpersysteme und elastische Kontinua in reller und komplexer Schreibweise. Erg¨ anzt werden die Grundlagen um eine Einf¨ uhrung in die Erdbebenanalyse von Bauwerken, das Schwingen von Eisenbahnbr¨ ucken bei bewegten Massen, die Aeroelastizit¨at von Tragwerken sowie die Rotordynamik. Den Abschluss bildet eine Einf¨ uhrung in die numerische L¨osung linearer und nichtlinearer Bewegungsgleichungen. Die Darstellung folgt im Wesentlichen der in der DIN 1311 [59] verwendeten Schreibweise sowie den einschl¨ agigen europ¨ aischen Richtlinien.

2 Schwingungen

Die Beschreibung und die Charakterisierung des Zeitverlaufs einer Bewegung erfolgt im Rahmen der Schwingungslehre. Die f¨ ur die Beschreibung von Schwingungen wichtigen Begriffe und Symbole sind umfassend in DIN 1311 [59] angegeben. Nachfolgend sind die wesentlichen Grundlagen der Schwingungslehre dargestellt, die f¨ ur die Strukturdynamik von Bedeutung sind.

2.1 Darstellung von Bewegungen V¨ ollig unabh¨ angig von der physikalischen Bedeutung einer Bewegung w¨ahlt man als Beschreibungsvariable der Bewegung die Koordinate x(t). F¨ ur die Beschreibung der Bewegung sind auch die Geschwindigkeit v= v=

dx dt ∂x ∂t

= x˙

als substantielle oder totale Zeitableitung sowie

= x,t

als partielle Zeitableitung

und die Beschleunigung von Bedeutung, die als zweite Zeitableitung der Bewegung mit a=x ¨

bzw.

a = x,tt

definiert ist. Weg–Zeit–Verlauf Die Darstellung einer Bewegung kann anschaulich mit Weg–Zeit–Diagrammen entsprechend Bild 2-1 erfolgen. x 1

2 3

t

Bild 2-1 Darstellung von Bewegungen in Weg–Zeit–Diagrammen © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_2

8

2 Schwingungen

Von der ¨ außeren Form des Zeitverlaufs unterscheidet man • monoton gegen einen Fixpunkt strebende Kriechbewegungen (1), • nicht monotone unregelm¨ aßige Bewegungen (2) und • regelm¨ aßige Bewegungen (3), die im weiteren als Schwingungen bezeichnet sind. Schwingungen weisen Merkmale auf, die sich in gewissen Zeitabst¨ anden wiederholen. Die Darstellung der Bewegung als Zeitverlauf ist anschaulich, wenn die Bewegung direkt mit dem physikalischen Ph¨ anomen verkn¨ upft werden kann. Allerdings hat die Darstellung auch Grenzen, wenn lange Zeitspannen zu beschreiben sind, oder wenn verschiedene Bewegungen miteinander verglichen werden sollen. Besser geeignet sind dann Phasenebenen oder Frequenzspektren, die sp¨ater erkl¨ art werden. Phasenebene Die Darstellung der Bewegung kann auch in der Phasenebene der Amplitude x(t) und der Geschwindigkeit x(t) ˙ erfolgen. Die Bahn der Bewegung wird als Trajektorie bezeichnet, wobei die Zeit als Bogenkoordinate betrachtet werden kann. Die Vorteile dieser Darstellung sind: • Auslenkung und Geschwindigkeit sind direkt ablesbar. • Das Zentrum der Trajektorie ist die statische Gleichgewichtslage, die mit x(t) ˙ = 0 und x(t) = konstant charakterisiert ist. • Aus der Form der Trajektorie kann man auf die Art der Bewegung schließen. Geschlossene Trajektorien deuten an, dass sich die Bewegung in der Zeit wiederholt, also periodisch ist. Sie wird dann auch als Orbit bezeichnet. Kriechbewegungen sind monoton gegen einen Fixpunkt strebende Trajektorien mit x(t) ˙ = 0 und x(t) = konstant f¨ ur t → ∞ . Angefachte Bewegungen entfernen sich von einem Fixpunkt. x

x

Bild 2-2 Darstellung einer Bewegung in der Phasenebene

¨ 2.2 Ubersicht auf die Schwingungsarten

9

¨ 2.2 Ubersicht auf die Schwingungsarten In DIN 1311 [59] ist eine Einteilung der Schwingungen entsprechend dem jeweiligen Zeitverlauf gegeben. Die Klassifizierung unterschiedlicher Schwingungen nach ihrem Zeitverlauf ist in Bild 2-3 in gek¨ urzter Form wiedergegeben. Grunds¨ atzlich unterscheidet man deterministische und stochastische Schwingungen, wobei die stochastischen Schwingungen hier nicht weiter betrachtet werden. Die f¨ ur Anwendungen im Ingenieurwesen wichtigen Schwingungen sind periodisch oder nichtperiodisch. Schwingungen ✟ ❍❍ ✟✟ ❍ deterministisch stochastisch ✟ ❍ ❍❍ ✟✟ periodisch nichtperiodisch ❵❵ ❵❵❵ ❵❵❵ ❵❵❵ ✟ ❍ ❍ ❵❵❵ ❵❵❵ ✟ ❍ ❍ ❵ ✟ ❍ ❍ ❵ ❵ allgemein allgemein transient harmonisch moduliert periodisch nichtperiodisch ❵ ✥ ❵❵❵ ✥✥✥ ❵❵❵ ✥✥✥ ❵ ✥ winkelamplitudenSchwebung moduliert moduliert Bild 2-3 Bezeichnung der Schwingungen entsprechend ihrem Zeitverlauf [59] Man unterscheidet außerdem station¨are Bewegungen, die sich in der Zeit regelm¨ aßig wiederholen und instation¨are Bewegungen, die einmalig auftreten. Station¨ are Bewegungen sind das regelm¨ aßige Drehen der Rotoren einer Windkraftanlage, das Schwingen einer Offshore-Anlage im Wellengang, die Drehbewegung einer Turbine oder der Betriebszustand eines Motors. Instation¨are Bewegungen treten als Schwingung eines Bauteils infolge einer Windb¨oe auf, beim Anlassen eines Motors, beim Beschleunigen eines Fahrzeugs und anderes mehr. Im weiteren werden die im Ingenieurwesen wesentlichen Schwingungen charakterisiert und die Grundformen in Formeln angegeben.

10

2 Schwingungen

2.3 Periodische Schwingungen Die wichtigste Bewegungsform der Strukturdynamik ist die periodische Schwingung, da viele Prozesse mit regelm¨ aßig wiederkehrenden Schwingungseigenschaften ablaufen und die Tragwerke hierdurch stark beansprucht werden k¨onnen. Eine Schwingung heißt periodisch mit der Periodendauer T, wenn sie sich nach Ablauf des Zeitintervalls T wiederholt. Entsprechendes gilt damit auch f¨ ur x,¨ ˙ x, . . . x(t + T ) = x(t) f¨ ur alle t und T > 0. x

2

xm 1 t

4

3

T

Bild 2-4 Periodische Schwingungen [59] Periodische Schwingungen besitzen ausgezeichnete Werte der Variablen x. Dies ist der Gleichwert 1, der Gipfelwert 2, der Talwert 3 und die Schwingungsbreite 4. Die Charakterisierung periodischer Schwingungen in der Strukturdynamik erfolgt mit tZ 0 +T 1 x(t)dt T t v 0 u tZ0 +T u u1 x2 (t)dt . =t T

dem Mittelwert bzw. Gleichwert

xm =

und dem Effektivwert

xeff

t0

2.3.1 Harmonische Schwingungen Sinus– und cosinus–Schwingungen werden als harmonische Schwingungen bezeichnet. Die Grundform der harmonischen Schwingung in reeller Darstellung ist t + t0 x(t) = x ˆ · cos(2π ), T

2.3 Periodische Schwingungen

11

wobei x ˆ die Amplitude, t die Zeit und T die Periodendauer sind. Die Verschiebung t0 des Ursprungs ist hier ohne Vorzeichen einzusetzen. x

x^

t t0 T

Bild 2-5 Harmonische Schwingung Eine andere Darstellung ist mit der Kreisfrequenz ω=

2π T

[ rad s ]

und dem Nullphasenwinkel ϕ0 = ωt0 u ¨blich x(t) = xˆ · cos(ωt + ϕ0 ) .

(2.1)

Das Produkt aus Kreisfrequenz und Zeit ωt [rad] ist also ein Winkelmaß. Zu beachten ist, dass man die Kreisfrequenz von der Frequenz bzw. Periodenfrequenz f=

1 1 1 [ ]= [Hz] T s T



ω = 2π · f

unterscheidet, die in Hertz angegeben wird. Umformungen von cosinus nach sinus erfolgen mit einer Koordinatentransformation um π2 . Mit den Additionstheoremen [7] sind weitere Darstellungen m¨ oglich. So kann man die Schwingung mit Phasenverschiebung ϕ0 mit cos(ωt + ϕ0 ) = cos ωt · cos ϕ0 − sin ωt · sin ϕ0 in eine sin– und eine cos–Schwingung umformen x(t) = x ˆc · cos ωt + xˆs · sin ωt ,

(2.2)

wobei die Koeffizienten mit x ˆc = x ˆ · cos ϕ0

und

xˆs = −ˆ x · sin ϕ0

sowie

ϕ0 = − arctan

x ˆs x ˆc

12

2 Schwingungen

gegeben sind. Verwendet man die komplexe Schreibweise mit i = 1 +iωt (e + e−iωt ) 2 = cos ωt + i sin ωt

cos ωt = bzw. e+iωt

√ −1 sowie

1 sin ωt = −i (e+iωt − e−iωt ) 2 e−iωt = cos ωt − i sin ωt ,

und und

so gilt ebenso x(t) = x ˆ+ eiωt + xˆ− e−iωt

(2.3)

mit den konjugiert–komplexwertigen Amlituden x ˆ+ = xˆR + i x ˆI

und

x ˆ− = xˆR − i x ˆI .

2.3.2 Harmonische Synthese ¨ Eine Uberlagerung mehrerer harmonischer Schwingungen mit ganzzahligem Frequenzverh¨ altnis bezeichnet man als Harmonische Synthese. Weil alle Teilschwingungen eine gemeinsame Periode besitzen, treffen sich im einfachsten Fall alle Teilschwingungen im Nulldurchgang der Gesamtschwingung. In Bild ¨ 2-6 ist die Uberlagerung dreier cos–Schwingungen mit n = 1, 3, 5 und ϕ0n = 0 gezeigt. x

t

x1 cos t x1 cos t + x3 cos 3t x1 cos t + x3 cos 3t + x5 cos 5t

¨ Bild 2-6 Uberlagerung von harmonischen Schwingungen Im allgemeinen Fall besitzt jede Teilschwingung eine eigene Phasenverschiebung und eine eigene Amplitude. Damit gilt x(t) =

N X

n=1

x ˆn · cos(ωn t + ϕ0n ) .

(2.4)

¨ Bei der Uberlagerung ist es vorteilhaft, wenn man alle Teilschwingungen mit einer gemeinsamen Grundfrequenz ω beschreiben kann ωn = n · ω .

2.3 Periodische Schwingungen

13

Hierbei wird mit den ganzen Zahlen n = +1, + 2, + 3, . . . das Verh¨altnis der Frequenzen von Grund– und Teilschwingung festgelegt, wobei n = 1 die Grundschwingung mit der Grundfrequenz ω und die n > 1 die Oberschwingungen mit ωn angeben. Die Oberschwingungen werden auch als h¨ohere Harmonische bezeichnet. Die allgemeine Form einer Teilschwingung ist daher mit xn (t) = xˆn · cos(n · ωt + ϕ0n ) gegeben. Die gemeinsame Grundfrequenz ω f¨ ur alle Teilschwingungen ist mit dem Periodenverh¨ altnis der Teilschwingungen festgelegt, wenn die Periode der Grundfrequenz T ist und alle Teilschwingungen eine kleinere Periode T /n besitzen.

2.3.3 Harmonische Analyse Die Beschreibung einer gegebenen beliebig periodischen Schwingung x(t) mit Hilfe von harmonischen Teilschwingungen bezeichnet man als harmonische Analyse oder auch Fourier–Analyse. Mit Hilfe der Fourier–Analyse ist eine analytische Darstellung von x(t) mit einer Reihe aus sinus– und cosinus–Funktionen m¨ oglich, wenn x(t) stetig oder st¨ uckweise stetig ist. Zun¨achst kann man x(t) =

∞ ∞ X x0 X + x ˆcn · cos nωt + x ˆsn · sin nωt 2 n=1 n=1

(2.5)

mit noch unbekannten Amplituden x0 , x ˆcn , x ˆsn oder in der Grundform entsprechend Gleichung (2.4) mit x0 , x ˆn , ϕ0n ansetzen. Mit steigender Zahl der Reihenglieder kann man die Ursprungsfunktion x(t) beliebig genau ann¨ahern. Exemplarisch sind die ersten f¨ unf sin–Reihenglieder in Bild 2-7 dargestellt.

Bild 2-7 Harmonische Teilschwingungen sin nωt f¨ ur n = 1 ... 5, t0 ≤ t ≤ t0 + T

14

2 Schwingungen

Multipliziert man x(t) nacheinander mit 1, cos mωt und sin mωt und integriert das jeweilige Produkt u ¨ber die Periode T , so folgen bei Beachtung der Orthogonalit¨ at von cos– und sin–Funktionen die Fourier–Koeffizienten f¨ ur m = n Mittelwert:

x0

Symmetrie:

xˆcn

Antisymmetrie:

2 = · T

tZ 0 +T

2 = · T

tZ 0 +T

2 · T

tZ 0 +T

xˆsn =

x(t) dt ,

t0

t0

t0

x(t) · cos(nωt) dt , x(t) · sin(nωt) dt .

x0 /2 ist der Mittelwert, x ˆcn beschreibt die symmetrischen Anteile und x ˆsn die antisymmetrischen Anteile der periodischen Schwingung. Vereinfachungen sind f¨ ur spezielle x(t) m¨ oglich [7], wenn die Schwingung Symmetrien oder Antisymmetrien bez¨ uglich der x(t)–Achse aufweist. F¨ ur den Fall der Rechteckfunktion nach Bild 2-8 gilt x(t) =

∞ X

(−1)

n=1

n−1 2

·

4ˆ x · cos(nωt) nπ

n = 1, 3, 5, . . .

Aufgrund der Symmetrie sind die cos–Reihenglieder ungleich null. Der Mittelwert x0 verschwindet, da die Sprungfunktion gleich große positive wie negative Ausschl¨ age hat. Die sin nωt–Reihenglieder verschwinden, da die Sprungfunktion symmetrisch bez¨ uglich des Ursprungs ist. Bei einer Phasenverschiebung w¨ aren auch die sin–Reihenglieder ungleich null. x

x

t

t

Bild 2-8 Fourier–Approximation einer periodischen Sprungfunktion Weil die Sprungstellen mit stetigen Funktionen angen¨ahert werden, zeigt die ¨ Fourier–Reihe an den Sprungstellen ein charakteristisches Uberschwingen, das nur bei Ber¨ ucksichtigung vieler Reihenglieder verringert werden kann.

2.4 Nichtperiodische Schwingungen

15

Die Fourier–Reihe ist eine unendliche Reihe, deren Konvergenz gegen die Originalfunktion gesichert sein muss. Dies ist der Fall f¨ ur st¨ uckweise glatte Funktionen. Bei Spr¨ ungen in der Ursprungsfunktion m¨ ussen in der Regel viele Reihenglieder mitgenommen werden. Vorteilhaft ist jedoch die Verwendung der stetigen sin– und cos– Funktionen, mit denen die sonst erforderlichen Fallunterscheidungen vermieden werden k¨ onnen. 4 ^x π

x

n 1

2

3

4

5

6

7

8

9

Bild 2-9 Amplitudenspektrum Eine sehr u ¨bersichtliche Darstellung der Fourier–Reihe ist mit dem Spektrum der Fourier–Koeffizienten, also den Amplituden der Teilschwingungen m¨oglich, siehe Bild 2-9. Bei einer guten Konvergenz der Reihe nehmen die Amplituden der Reihenglieder rasch ab. Dies bedeutet, dass die entsprechenden h¨oheren Teilschwingungen in der Ursprungsfunktion nur gering enthalten sind. Mit Hilfe der Fourier–Analyse kann man in der Tragwerksanalyse periodische Lasten und Bewegungen mit trigonometrischen Grundfunktionen beschreiben, sodass eine vereinfachende Tragwerksanalyse m¨ oglich ist.

2.4 Nichtperiodische Schwingungen ¨ Eine Ubersicht auf die verschiedenen Schwingungsarten und ihre Bezeichnungen ist in DIN 1311 [59] gegeben, siehe Bild 2-3. Eine Schwingung ist nichtperiodisch, wenn die Periode T gegen ∞ strebt. Hierunter fallen praktisch alle unregelm¨ aßigen Bewegungen. ¨ Allgemein nichtperiodische Schwingungen sind Schwingungen, die aus der Uberlagerung von harmonischen Teilschwingungen mit unterschiedlichen, in keinem ganzzahligen Verh¨ altnis zueinander stehenden Frequenzen entstehen. Hierbei gibt es keine gemeinsame Periode. Der Sonderfall einer quasiperiodischen Schwingung liegt vor, wenn die Frequenzen der Teilschwingungen aus einer endlichen Zahl von Basisfrequenzen mit nicht ganzzahligem Verh¨ altnis zueinander berechnet werden k¨onnen. Modulierte Schwingungen sind Schwingungen, die keine Periode, aber andere Merkmale einer periodischen Schwingung haben k¨onnen. Amplitudenmodulier-

16

2 Schwingungen

te Schwingungen besitzen eine in der Zeit ver¨ anderliche Amplitude x ˆ(t). Ist die Frequenz ω(t) in der Zeit ver¨ anderlich, liegt eine frequenzmodulierte Schwingung vor. Eine modulierte Schwingung mit langsam ver¨anderlicher Modulationsamplitude x ˆ(t) und schwach ver¨ anderlicher Modulationsfrequenz ω(t) bezeichnet man als Schwebung.

2.4.1 Exponentiell wachsende und fallende Schwingungen Die f¨ ur Anwendungen aus der Strukturdynamik wichtigsten Sonderf¨alle von amplitudenmodulierten Schwingungen sind exponentiell wachsende und fallende Schwingungen x(t) = (ˆ x · e−δt ) · cos(ωt + ϕ0 ) . (2.6) Die Nullstellen sind mit der cos–Funktion festgelegt, die Amplituden mit der Exponentialfunktion. δ [1/s] wird als Abklingkoeffizient (δ > 0) bzw. Anfache

-dt

t cos wt

t

Bild 2-10 Zeitverlauf der Amplitude und der Schwingung koeffizient (δ < 0) bezeichnet, ω ist die Kreisfrequenz. Fasst man beide Parameter zusammen, so kann man ω02 = ω 2 + δ 2 als Kreisfrequenz einer fiktiven unged¨ ampften Schwingung interpretieren. x

x δt x^ e-

an

δt x^ e+

a n +1

t

t - x^ e

-δt

- x^ e

+δt

δ>0

Bild 2-11 Abklingende und angefachte Schwingungen

δ 0 : schwache D¨ ω 2 = ω02 − δ 2 = 0 : aperiodischer Grenzfall oder kritische D¨ampfung,  < 0 : starke D¨ ampfung (Bewegungen in z¨ahen Fl¨ ussigkeiten).

Wenn ω 2 < 0, dann ist ω imagin¨ ar, sodass die Bewegung entsprechend Gleichung (2.3) einen eωt Verlauf besitzt. ω02 −δ 2 = 0 bezeichnet man als kritische D¨ampfung. F¨ ur eine kritische oder u ¨berkritische D¨ampfung mit ω02 − δ 2 ≤ 0 besitzt die Bewegung maximal einen Nulldurchgang und maximal einen Extremwert, siehe nebenstehendes Bild.

x

.

x0

.

x0 > 0

x 0= 0

t

.

x0 < 0

Bild 2-12 Kriechbewegungen

Dimensionslose Darstellungen der D¨ ampfung und damit der Schwingungseigenschaften sind mit dem Lehr’schen D¨ ampfungsmaß ϑ ϑ=

δ < = 1. ω0 >

m¨ oglich. ϑ wird auch als D¨ ampfungsgrad bezeichnet. Realistische Werte sind f¨ ur den Werkstoff Stahl ϑ = 0,02 – dies entspricht 2% kritische D¨ampfung – und ϑ = 0,05 f¨ ur Niete und Schraubenverbindungen. Ebenfalls dimensionslos ist das logarithmische Dekrement Λ = ln(

xˆe−δt cos ωt an ) = ln( −δ(t+T ) )=δ·T =δ· an+1 x ˆe cos ω(t + T )

2π ω

=

δ . f

Mit Λ kann der Abklingkoeffizient δ aus gegebenen Meßwerten berechnet werden, wenn an und an+1 aufeinander folgende Maximalausschl¨age sind und die Periode T bekannt ist, siehe Bild 2-11. Wenn die D¨ ampfung schwach ist, gilt ω ≈ ω0 , sodass sich das logarithmische D¨ ampfungsmaß und das Lehr’sche D¨ ampfungsmaß n¨aherungsweise um den Faktor 2π unterscheiden. In der Literatur sind auch andere Bezeichnungen f¨ ur δ, ϑ und Λ gew¨ ahlt, sodass Verwechselungen der Kenngr¨oßen m¨oglich sind.

3 Modellbildung f¨ ur Starrk¨ orpersysteme

Beim Entwurf und bei der Bemessung von realen physikalischen Systemen m¨ ussen die Einwirkungen und die Systemeigenschaften vorweg festgelegt und in ihrer Wirkung auf das Schwingungsverhalten des Systems untersucht werden. Die Ermittlung des Schwingungsverhaltens kann dabei experimentell oder rechnerisch erfolgen. In beiden F¨ allen sind Ersatzmodelle f¨ ur die Wirklichkeit zu entwickeln. F¨ ur das Experiment kann unter Umst¨anden ein Prototyp oder ein 1 : 1 Modell hergestellt und in Betrieb genommen werden, um die Schwingungseigenschaften studieren zu k¨ onnen. Wirtschaftlicher sind mathematisch– mechanische Ersatzmodelle, mit denen in beliebiger Abstraktion Parameterstudien durchgef¨ uhrt und analysiert werden k¨ onnen. Ersatzmodelle beschreiben nur die wesentlichen physikalischen Eigenschaften der wirklichen Systeme. Hierbei unterscheidet man zwischen Starrk¨orpersystemen und kontinuierlichen Systemen. Starrk¨ orpersysteme bestehen aus Punktmassen und zwischen den Massen angeordneten Federn und D¨ ampfern, die keine Massebelegung aufweisen. Kontinuierliche Systeme weisen eine kontinuierliche Belegung mit Masse, Elastizit¨at und D¨ ampfung auf. Dies ist f¨ ur Dehnst¨ abe, Balken, Platten, Schalen und andere Kontinua der Fall. Nachfolgend ist die Modellbildung f¨ ur Starrk¨orpersysteme dargestellt, die hier ausschließlich aus Punktmassen bestehen.

3.1 Rheologische Modelle Bei der Modellbildung f¨ ur Starrk¨ orpersysteme werden die tats¨achlichen Systemeigenschaften idealisiert und mithilfe von rheologischen Modellen vereinfachend beschrieben, sodass die wesentlichen Ph¨anomene abgebildet werden k¨ onnen. Dabei kann das Modell den Erfordernissen der Genauigkeit angepasst und sukzessive verfeinert werden. Starrk¨ orpersysteme bestehen aus verschiedenen Komponenten f¨ ur die Masseverteilung und die Werkstoffeigenschaften, die nachfolgend kurz definiert sind. Massen Reale Bauteile weisen eine r¨ aumlich verteilte Massebelegung auf, wobei die Dichte ρ [kg/m3 ] r¨ aumlich ver¨ anderlich sein kann. Wenn die detaillierte Ber¨ ucksichtigung der Massebelegung nicht erforderlich ist, kann die Wirkung der verteilten Massen auch durch die Wirkung der im Schwerpunkt zusammengefassten Gesamtmasse beschrieben werden, die sich verschieben und verdrehen © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_3

3.1 Rheologische Modelle

19

kann. Die translatorische Masse und die Lage des Schwerpunktes im 3D–Raum folgen nach Integration u ¨ber das Volumen zu: Z translatorische Masse m = ρ dV , Z 1 ρ · xi dV . Lage des Schwerpunktes xi,s = m Hierbei gibt xi den Abstand des Masseteilchens vom Koordinatenursprung in Richtung der Koordinate xi an. Entsprechend gilt f¨ ur eine geometrisch beliebig geformte Masse das Rotationsmassentr¨ agheitsmoment Z Θij = ρ (rk rk δij − ri rj ) dV , wenn ri den Abstand des Masseteilchens vom Schwerpunkt in Richtung der Koordinatenachse xi angibt. Hierbei wird u ¨ber gleiche Indizes summiert. dV x3

r S

xS x2 x1

Bild 3-1 Reduktion kontinuierlicher Massebelegung auf den Schwerpunkt F¨ ur ebene Systeme werden nachfolgende Vereinbarungen getroffen. Alle Massen eines Systems werden in die Schwerpunkte der Bauteile verschoben, sodass man sie als Punktmassen betrachten kann, die sich den physikalischen Rahmenbedingungen entsprechend bewegen. Den Bewegungsm¨oglichkeiten entsprechend unterscheidet man • Translations– oder Verschiebungsmassen m [kg] und

• Rotations– oder Drehmassen Θ [kgm2 ].

¨ Uber den geometrischen Zusammenhang zwischen den verteilten Massen und den Schwerpunkten kann man aus der Bewegung der Punktmassen auf die Bewegung der verteilten Massen schließen.

20

3 Modellbildung f¨ ur Starrk¨orpersysteme

Federn Mithilfe von Federn wird die elastische Lagerung einer Masse bzw. die elastische Verbindung mehrerer Punktmassen beschrieben. Federn sind grunds¨atzlich masselos und mit linearer Kennlinie angesetzt. • Zug–Druck–Federn reagieren auf L¨ angen¨ anderungen. Fk = kx · (x0 + ∆x) Fk [N ] : kx [N/m] : x0 [m] : ∆x [m] :

innere Reaktionskraft der Feder Federsteifigkeit (hier konstant) Vorl¨ angung der Feder (Vorspannung) L¨ angung der Feder Fk

Fk

Fk

kx

1

x0 + ∆ x

∆x

-x0

• Drehfedern reagieren auf Winkel¨ anderungen. Mk = kϑ · ∆ϑ Mk [N m] kϑ [N m] ∆ϑ [rad]

: : :

inneres Reaktionsmoment der Drehfeder Drehfedersteifigkeit Winkel¨ anderung der Drehfeder

D¨ ampfer Hier wird lineare, viskose D¨ ampfung – wie z. B. in Stoßd¨ampfern – angesetzt. D¨ ampfer sind grunds¨ atzlich masselos und werden analog zu Federn als Lagerung oder zwischen den Punktmassen angeordnet. • Translationsd¨ ampfer reagieren auf L¨ angen¨ anderungen pro Zeiteinheit. Fd = dx · x˙ Fd [N ] dx [N s/m] x˙ [m/s]

: : :

innere Reaktionskraft des D¨ampfers D¨ ampfungskoeffizient L¨ angungsgeschwindigkeit

x

Fd Fd

Fd

Öl

dx =x dt

dx 1

x

3.1 Rheologische Modelle

21

• Rotationsd¨ ampfer reagieren auf Winkel¨ anderungen pro Zeiteinheit. Md = dϑ · ϑ˙ Md [N m] dϑ [N s] ϑ˙ [rad/s]

: : :

inneres Reaktionsmoment des D¨ampfers Drehd¨ ampfungskoeffizient Winkel¨ anderungsgeschwindigkeit

Reibelemente Reibung tritt bei in Kontakt stehenden Fl¨ achen auf, wenn die Fl¨achen rauh sind, zusammengepresst werden und aneinander entlang gleiten k¨onnen. Mit Reibelementen kann man die Haft– oder Gleitreibung zwischen Rad und Untergrund beschreiben. Haftreibung ist beim Anfahren zwischen Rad und Untergrund, Gleitreibung beim Durchdrehen von R¨ adern vorhanden. Rollreibung tritt bei nicht idealer Geometrie oder elastischen Verformungen von R¨adern auf.

unebener Boden

elastisches Rad

• Die Reibkraft h¨ angt im Allgemeinen vom Anpressdruck ab: Fµ = µ(x) ˙ · FV Fµ [N ] FV [N ] µ [1] Fµ

: : :

Reibwiderstand Anpressdruck Reibbeiwert Fµ

Fv

Fµ µ0 haften µ gleiten x

Bei der Beschreibung des Materialverhaltens sind ¨ahnliche Modelle f¨ ur das Fließen von Metallen z. B. von Stahl u ¨blich. Wenn Reibelemente Sprungstellen aufweisen oder mit nichtlinearen Kennlinien beschrieben werden, ist eine analytische Beschreibung der Bewegung nicht m¨ oglich, sodass Fallunterscheidungen oder numerische Verfahren erforderlich sind.

22

3 Modellbildung f¨ ur Starrk¨orpersysteme

3.2 Einwirkungen Die in der Realit¨ at vorhandenen Einwirkungen auf dynamische Systeme k¨onnen in der Regel nur mit großen Unsch¨ arfen bez¨ uglich der r¨aumlichen und zeitlichen Verteilung sowie der Amplituden beschrieben werden. Daher ist es erforderlich vereinfachende Annahmen zu treffen, damit eine Analyse und die Bemessung des jeweiligen Systems erfolgen kann. Kr¨ afte und Momente p(t) = pˆ · f (t) oder eingepr¨agte Beschleunigungen x¨e (t) wirken auf die Massen mechanischer Systeme. Eingepr¨agte Verschiebungen und Verdrehungen xe (t) = x ˆ · f (t) sowie Geschwindigkeiten x˙ e (t) k¨onnen als Randbedingungen auf die anderen Komponenten wirken. Die Einwirkungen auf Starrk¨ orpersystme sind in der Zeit ver¨ anderlich und k¨onnen entsprechend Bild 3-2 charakterisiert werden. f(t)

f(t)

A

C

t

t

f(t)

f(t) B

D

t

t

Bild 3-2 Zeitverlauf der Einwirkungen Die Grundanregungstypen nach Bild 3-2 repr¨ asentieren eine große Zahl von Einwirkungen, die im Ingenieurwesen auftreten k¨onnen und der Aufgabenstellung entsprechend ber¨ ucksichtigt werden m¨ ussen. ¨ • Ubergangsfunktionen A nach Bild 3-2 beschreiben stetige Belastungs¨anderungen. Dies kann die Steigerung der Anstr¨omgeschwindigkeit des Windes auf Bauwerke sein, das F¨ ullen eines Beh¨alters, das Absetzen eines Gewichtes oder die Fahrt eines Lkw’s auf eine Br¨ ucke. ¨ • Sprungfunktionen B beschreiben pl¨ otzliche Anderungen der Einwirkungen wie das Fallenlassen eines Gewichtes oder ¨ahnliche Ereignisse. • Stoßfunktionen D sind f¨ ur Impulsbelastungen aus Windb¨oen sowie St¨oßen z. B. von Fahrzeugen auf Br¨ uckenpfeiler verwendbar.

3.2 Einwirkungen

23

• Periodische Funktionen C charakterisieren Anregungen bei rotierenden Systemen im Betriebszustand. Dies ist bei Motoren, Turbinen, Rotoren, beim Turmvorstau von Windenergieanlagen, bei Wellenschlag auf OffshoreBauwerke und anderen Systemen der Fall. Periodische Anregungen k¨ onnen auch bei Br¨ ucken auftreten, wenn sich eine Gruppe Fußg¨ anger im Gleichschritt bewegt. Mit Hilfe der Grundanregungstypen nach Bild 3-2 k¨onnen beliebige periodische und unperiodische Verlaufsfunktionen f¨ ur Einwirkungen entwickelt werden, wenn die entsprechenden Grundfunktionen mehrmals hintereinander angesetzt werden. t

+ t

t

= t

Bild 3-3 Kombination verschiedener Grundanregungen Eine Besonderheit stellen stochastisch oder unregelm¨aßig verteilte Einwirkungen z. B. aus Erdbeben, Wind oder Wellenschlag dar, f¨ ur die in der Regel eine Darstellung mit Hilfe eines Amplitudenspektrums gew¨ahlt wird. Hierf¨ ur sind jedoch auch besondere L¨ osungsverfahren f¨ ur die Bewegungsgleichung erforderlich, die an dieser Stelle noch nicht erkl¨ art werden, siehe Abschnitt 15.

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

Die mathematische Beschreibung der Schwingungseigenschaften von physikalischen Systemen erfolgt mit den am Ersatzmodell hergeleiteten Bewegungsgleichungen f¨ ur die Beschreibungsvariablen des Systems. Das Aufstellen der Bewegungsgleichungen erfolgt hier zun¨ achst f¨ ur Starrk¨orpersysteme mit wenigen Freiheitsgraden und Komponenten mit konstanten in der Zeit unver¨anderlichen Eigenschaften. In Abschnitt 11 werden die wesentlichen Vorgehensweisen zum Aufstellen der Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke eingesetzt. Das Aufstellen der Bewegungsgleichungen erfordert ein systematisches Vorgehen, damit alle Bedingungen konsequent ber¨ ucksichtigt werden k¨onnen. In einem ersten Schritt sind die Grundgleichungen f¨ ur alle beteiligten Komponenten aufzustellen, vergleiche Bild 1-1. Dies sind • die kinematischen Bedingungen, • die Gleichungen der Dynamik und • die Werkstoffgleichungen. Alle Grundgleichungen sind zun¨ achst unabh¨ angig voneinander. Die Kinematik erfasst die Beschreibungsvariablen und alle geometrischen Zusammenh¨ ange des Systems. Die Beschreibungsvariablen x(t) der Bewegung sind in der Regel die Verschiebungen und Verdrehungen der Massen und werden ganz allgemein als Koordinaten bezeichnet. Zwischen den Koordinaten k¨onnen Abh¨ angigkeiten bestehen, die als geometrische Bedingungen ber¨ ucksichtigt werden m¨ ussen, sodass die Bewegung mit einer geringst m¨oglichen Zahl von Koordinaten beschrieben werden kann. Außerdem sind in der Regel geometrische Randbedingungen m¨ oglich, die die Bewegung einschr¨anken. Die Dynamik beschreibt das Zusammenwirken der im System vorhandenen Kr¨ afte, Momente und Massentr¨ agheiten. Die Grundgleichungen der Dynamik k¨ onnen auf der Ebene der Kr¨ afte bzw. Momente oder gleichwertig auf der Ebene der Arbeiten formuliert werden. Dies f¨ uhrt auf unterschiedliche L¨osungswege, die nachfolgend erl¨ autert werden. Die Werkstoffgleichungen beschreiben die Rheologie der Federn und D¨ampfer. Sie verkn¨ upfen die Koordinaten mit den Feder– bzw. D¨ampferkr¨aften, siehe Abschnitt 3. Die Werkstoffgleichungen sind daher das Bindeglied zwischen den Grundgleichungen der Kinematik und der Dynamik. In einem zweiten Schritt fasst man alle Grundgleichungen zur Bewegungsgleichung zusammen, indem man die Werkstoffgleichungen und die Kinematik in © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_4

¨ 4.1 Ubersicht auf die verschiedenen Verfahren

25

den Gleichungen der Dynamik ber¨ ucksichtigt. Hierbei werden bis auf die unabh¨ angigen Koordinaten alle weiteren Beschreibungsvariablen eliminiert, sodass in der Bewegungsgleichung nur die unabh¨ angigen Koordinaten erscheinen.

¨ 4.1 Ubersicht auf die verschiedenen Verfahren Das Aufstellen der Bewegungsgleichungen ist unmittelbar mit der gew¨ahlten Darstellung der Grundgleichungen f¨ ur die Dynamik verkn¨ upft. Hierf¨ ur sind verschiedene Vorgehensweisen m¨ oglich. Man unterscheidet im Wesentlichen das synthetische Vorgehen von dem analytischen Vorgehen, siehe Bild 4-1. Einen vertiefenden Einblick in die verschiedenen Verfahren gibt u. a. Bud´ o. Das synthetische Vorgehen erfolgt auf der Ebene der Kr¨afte und Momente, wobei mit Hilfe des Schnittprinzips zun¨ achst jede Einzelkomponente des Systems getrennt betrachtet wird. Erst in einem zweiten Schritt erfolgt die Synthese ¨ zum Gesamtsystem. Die Newton’schen Axiome behandeln die Anderung der Bewegungsgr¨oße m · v infolge der auf die Masse einwirkenden Kr¨afte Fj . Euler definiert den Impuls I = m · v und den Drall D = Θ · vϕ als Bewegungsgr¨ oßen und interpretiert die Bewegungsgleichungen als Erhaltungsgleichungen f¨ ur Impuls und Drall. D’Alembert erkennt, dass bei einem System mit kinematischen Zwangsbedingungen – dies sind Lagerbedingungen oder starre Traversen – ein Teil der Kr¨ afte keinen Einfluss auf die Bewegung hat und bezeichnet diese Kr¨ afte als verlorene Kr¨afte. Sein Prinzip sagt aus, dass die Reaktionskr¨afte und die verlorenen Kr¨ afte im statischen Gleichgewicht sind, und nur die wirksamen Kr¨ afte die Bewegung beeinflussen. Das Prinzip interpretiert die Bewegungsgleichung daher als Gleichgewicht der Kraftwirkungen eines dynamischen Systems. Beim analytischen Vorgehen wird die Ph¨ anomenologie eines Systems mit Hilfe einer skalaren, invarianten physikalischen Gr¨ oße beschrieben. Eine Aufteilung des Systems in einzelne Komponenten ist nicht erforderlich. Als skalare Gr¨oße kann die Arbeit, die Leistung, die Wirkung, die gespeicherte Energie oder eine andere invariante physikalische Gr¨ oße gew¨ ahlt werden. Die Bedingung an die gew¨ ahlte Gr¨ oße liefert in einem zweiten Schritt die Bewegungsgleichung. Wenn es sich um Arbeitss¨ atze und Extremalprinzipe handelt, muss man zwischen den Begriffen virtuelle Verschiebungen, Geschwindigkeiten und Variation der Verschiebungen, Geschwindigkeiten, Beschleunigungen unterscheiden. Virtuelle Verschiebungen und Geschwindigkeiten m¨ ussen ausschließlich die Grundgleichungen der Kinematik erf¨ ullen. Dagegen setzt die Variation voraus, dass die variierte Gr¨ oße eine Nachbarbewegung der wirklichen Bewegung ist und damit alle Grundgleichungen erf¨ ullen muss.

Hamilton’sches Prinzip (Variation der Wirkung) Gauss’sches Prinzip des kleinsten Zwanges (variierte Beschleunigung)

Energieerhaltung

Lagrange’sche Gleichungen (virtuelle Verschiebung) D’Alembert’sches Prinzip Lagrange’sche Fassung (virtuelle Verschiebung) Jourdain’sches Prinzip (virtuelle Geschwindigkeit)

analytisches Aufstellen ✥ ❵❵❵ ✥✥✥ ❵❵❵ ✥✥✥ ❵ Arbeitsprinzipe Extremalprinzipe

Bild 4-1 Verfahren zum Aufstellen von Bewegungsgleichungen

D’Alembert’sches Prinzip

Euler’sche Axiome

Newton’sche Axiome

synthetisches Aufstellen

Aufstellen von Bewegungsgleichungen ❵❵❵ ✥✥✥ ❵❵❵ ✥✥✥ ❵❵❵ ✥ ✥ ❵ ✥✥ ✥

26 4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

¨ 4.1 Ubersicht auf die verschiedenen Verfahren

27

Extremalprinzipe fordern im allgemeinen Fall station¨are Werte f¨ ur die im System gespeicherte Energie oder andere Gr¨ oßen. Hierbei unterscheidet man die Lagrange’sche Funktion L = T − Π, dies ist die Differenz von kinetischer Energie und potentieller Energie des Systems, von der Hamilton’schen Funktion H = T + Π. Die Extremalforderung f¨ uhrt in der Regel auf eine Variationsaufgabe, wenn f¨ ur die beteiligten Kr¨ afte Potentiale vorausgesetzt werden k¨onnen. Ist dies wie bei D¨ ampferkr¨ aften nicht der Fall, k¨ onnen die entsprechenden Prinzipe in der Ausgangsform nicht angesetzt werden. Das Hamilton’sche Prinzip der kleinsten Wirkung integriert die Lagrange’sche Funktion L = T −Π u uglich ¨ber ein Zeitintervall und minimiert das Integral bez¨ der Koordinaten x. Der Energieerhaltungssatz setzt voraus, dass sich die Energie H = T + Π eines Systems in der Zeit nicht ¨ andert, was auf die Bedingung H˙ = 0 f¨ uhrt. Auch hier k¨ onnen die D¨ ampferkr¨ afte ohne Erweiterung des Erhaltungssatzes nicht ber¨ ucksichtigt werden. Eine Ausnahme bildet das von Gauß vorgeschlagene Prinzip des kleinsten Zwanges, das in [8] ausf¨ uhrlich dargestellt ist.. Als Zwang definiert Gauß das Quadrat der Abweichung des tats¨ achlichen Bewegungszustandes von einem sich unter gleichen eingepr¨ agten Kr¨ aften einstellenden fiktiven Bewegungszustand einer freien, ungezw¨ angten Bewegung. Das Prinzip ber¨ ucksichtigt auch die D¨ ampferkr¨ afte implizit, minimiert den Zwang und verwendet dabei die Variation der Beschleunigungen. Wenn der Arbeitsbegriff gew¨ ahlt wird, so werden die virtuellen Arbeiten oder die virtuelle Leistung, die das System auf entsprechenden virtuellen Verschiebungen δx bzw. virtuellen Geschwindigkeiten δ x˙ leistet, zu null gesetzt. Das D’Alembert’sche Prinzip in der Lagrange’schen Fassung entspricht dem Prinzip der virtuellen Verschiebungen. Die Lagrange’schen Gleichungen 2. Art verwenden die Variation der Lagrange’schen Funktion erg¨anzt um die virtuelle Arbeit der D¨ ampferkr¨ afte auf den virtuellen Koordinaten. Das Jourdain’sche Prinzip der virtuellen Leistung verwendet virtuelle Geschwindigkeiten. Auch wenn alle L¨ osungswege zur gleichen Bewegungsgleichung f¨ uhren, sind sie in der konkreten Anwendung unterschiedlich effizient. Nachfolgende Abschnitte geben einen Einblick in die unterschiedlichen Vorgehensweisen.

28

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

4.2 Synthetisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen Grundlage des synthetischen Aufstellens der Bewegungsgleichungen ist das Schnittprinzip. Hiermit werden in einem ersten Schritt nach der Modellbildung die einzelnen Komponenten des Systems freigeschnitten und die Bewegungsm¨ oglichkeiten (Kinematik), die Kr¨ aftebilanz (Dynamik) und die Kennlinien f¨ ur jede Komponente (Werkstoff) angeschrieben. In einem zweiten Schritt werden die Gleichungen f¨ ur die Komponenten miteinander verkn¨ upft und ineinander eingesetzt, sodass wieder das urspr¨ ungliche System vorliegt. Vorteilhaft ist, dass die Kennlinien der Komponenten leicht eingearbeitet werden k¨ onnen, da die Koordinaten mit den freigeschnittenen Kr¨aften verkn¨ upft sind. Von Nachteil ist, dass anfangs viele Gleichungen und Beschreibungsvariable vorliegen und die Elimination der nicht ben¨ otigten Beschreibungsvariablen nachtr¨ aglich erfolgt. Wesentlich ist, dass f¨ ur die Herleitung der Bewegungsgleichungen nur der Kraftbzw. Momentenbegriff sowie die kinematischen Bedingungen ben¨otigt werden. Hierbei gilt: • Eingepr¨ agte Kr¨ afte F e sind Kr¨ afte, die in den Federn infolge von L¨angenanderungen und in den D¨ ampfern infolge von L¨angungsgeschwindigkeiten ¨ eingepr¨ agt werden. Außerdem z¨ ahlen die von außen auf das System wirkenden Lasten dazu. Fe :

Fk , Fd , p(t)

• Reaktionskr¨ afte F r sind Lagerkr¨ afte sowie Schnittkr¨afte an freigeschnittenen starren Tragwerksteilen, die im Weiteren als Traversen bezeichnet sind. Fr ¨ • Außere Kr¨ afte F a sind alle an einer freigeschnittenen Masse angreifenden Kr¨ afte. Dies k¨ onnen eingepr¨ agte Kr¨ afte und Reaktionskr¨afte sein. Fa :

F e, F r

Analog hierzu sind die entsprechenden Momente definiert. Kr¨afte und Momente sind grunds¨ atzlich positiv in Richtung der jeweiligen konjugierten Koordinate angesetzt. Im Wesentlichen sind zwei grunds¨ atzlich verschiedene Ans¨atze zum synthetischen Aufstellen der Bewegungsgleichungen vorhanden. Dies sind die Newton’schen und Euler’schen Axiome nach Abschnitt 4.2.1 sowie das in Abschnitt 4.2.2 beschriebene D’Alembert’sche Prinzip.

4.2 Synthetisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen

29

4.2.1 Die Newton’schen und Euler’schen Axiome Die Newton’schen Axiome – manchmal auch als Grundgesetze bezeichnet – sind Grundlage f¨ ur das synthetische Aufstellen der Bewegungsgleichungen. Frei“ ” u ¨bersetzt gilt: Das 1. Axiom beschreibt die gleichf¨ ormige Bewegung: Ein K¨ orper verharrt in Ruhe oder gleichf¨ ormiger Bewegung, wenn keine außeren Kr¨ afte auf ihn einwirken. ¨ ¨ Das 2. Axiom beschreibt die Anderung der Bewegung: Wirken auf eine sich in Ruhe oder einem Zustand gleichf¨ormiger Bewegung befindliche Masse ¨ außere Kr¨ afte, so wird die Bewegungsgr¨oße der Masse um die Gr¨ oße der einwirkenden Kr¨afte und in deren Richtung ver¨ andert. Das 3. Axiom beschreibt die Wirkung von Kr¨ aften zwischen festen K¨orpern: Wirkt ein erster K¨ orper auf einen zweiten, so u ¨bt der zweite K¨orper die gleiche Wirkung auf den ersten K¨ orper aus. Dies wird als Gegenwirkungsprinzip bezeichnet und in der Regel f¨ ur die Kraftwirkungen zwischen zwei sich ber¨ uhrenden festen K¨ orpern verwendet – actio = reactio. F¨ ur das Aufstellen der Bewegungsgleichungen ist das 2. Axiom wichtig. 2. Newton’sches Axiom ¨ Newton setzt in seinem zweiten Axiom die Anderung der Bewegungsgr¨oße mv einer Masse und die auf die Masse einwirkenden ¨außeren Kr¨aften F a gleich. X Fia (t) , (4.1) (mv). = i

mv v = x˙ Fia

[kgm/s] : [m/s] : [N ] :

Bewegungsgr¨ oße, Geschwindigkeit, außere in Richtung x auf die Masse einwirkende Kr¨afte. ¨

Das zweite Axiom beschreibt den Bewegungszustand eines Systems zum Zeitpunkt t. Die Zustands¨ anderung des Systems und damit die Zeitableitungen der Kr¨ afte bzw. Momente werden nicht betrachtet. Wesentlich ist, dass nicht ¨ die Bewegungsgr¨ oße, sondern die Anderung der Bewegungsgr¨oße der Masse betrachtet wird. Das von Euler erstmals mathematisch formulierte Axiom gilt f¨ ur zeitlich konstante Massen in abgeschlossenen Inertialsystemen, wobei als Inertialsystem ein System bezeichnet wird, das keine Beschleunigung erf¨ahrt.

30

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

Impuls- und Drehimpulserhaltung Auf Euler gehen der Impulssatz und der Drehimpulssatz zur¨ uck. F¨ ur translatorische Bewegungen kann das Newtonsche Axiom als Impulserhaltungssatz gedeutet werden. Hierf¨ ur gilt X Fia (t) . (4.2) I˙ = i

I = mv

[kgm/s] :

Impuls,

Analog zum Impulssatz kann man einen Drehimpulssatz f¨ ur Drehbewegungen aufstellen, wenn die Bewegungsgr¨ oße f¨ ur Drehmassen mit Θ vD angesetzt wird. X Mia (t) , (4.3) L˙ = i

Mia

L = Θ vD vD = ϑ˙

[N m] : [kgm2 /s] : [rad/s] :

außere auf die Drehmassse einwirkende Momente, ¨ Drehimpuls oder Drall, Drehgeschwindigkeit.

Der Drehimpulssatz ist unabh¨ angig vom Impulssatz und kann daher nicht aus diesem abgeleitet werden. Die Verallgemeinerung der Axiome auf die unabh¨angigen Bewegungsm¨oglichkeiten jeder einzelnen Masse im Raum liefert drei Gleichungen f¨ ur translatorische Bewegungen und drei Gleichungen f¨ ur Drehbewegungen. Beispiel nach Newton Gesucht ist die Bewegungsgleichung f¨ ur die Bewegung eines starren Geb¨audes unter Erdbebeneinwirkung. Das Geb¨ aude ist mit der Masse m beschrieben, die Lagerung mit k und d. Das Erdbeben ist als Fußpunktverschiebung u(t) angesetzt.

d

Zun¨ achst werden mit 1. bis 3. die Grundgleichungen f¨ ur alle Komponenten des freigeschnittenen Systems angeschrieben. In 4. Schritt werden alle Grundgleichungen zur Bewegungsgleichung f¨ ur die Berechnung der Bewegung x(t) zusammengefasst. Die Bewegungsgleichung entspricht dem 2. Newton’schen Axiom.

4.2 Synthetisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen

31

1. Kinematik Die Koordinaten und die Zusammenh¨ ange zwischen den Koordinaten kann man direkt aus der Systemskizze ablesen. Koordinaten : Zwangsbedingung : 2. Kr¨ aftebilanz

x(t), u(t) ∆x = x(t) − u(t) ∆x˙ = x(t) ˙ − u(t) ˙

Die Kr¨ afte- und Impulsbilanz folgt mit dem Schnittprinzip.

d

Nach dem Freischneiden aller Komponenten, kann man an den Komponenten ohne Masse die Gleichgewichtsbedingungen wie in der Statik ansetzen.  Gleichgewicht : F1 = Fk + Fd F1 = F2 . F2 = Fk + Fd Das Newton’sche Axiom wird dort angesetzt, wo eine Masse vorhanden ist. 2. Newton’sches Axiom :

m¨ x = p(t) − F2 .

3. Werkstoffgleichungen Die Werkstoffgleichungen verkn¨ upfen die Kr¨ afte und die Koordinaten. Fk = k · ∆x , Fd = d · ∆x˙ . 4. Bewegungsgleichung Insgesamt gibt es sechs Gleichungen und sechs Unbekannte. Setzt man sukzessive die Werkstoffgleichungen und die kinematischen Bedingungen in das Newton’sche Axiom ein, bleibt eine Gleichung mit einer Unbekannten. Die Gleichung wird als Bewegungsdifferentialgleichung oder Bewegungsgleichung bezeichnet. Die Unbekannte ist die Koordinate x(t). ) 1 + 3 + 2 = 6 Gleichungen → Bewegungsgleichung 6 Unbekannte F1 , F2 , Fk , Fd , x, ∆x

32

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

Die Bewegungsgleichung f¨ ur die Verschiebung x folgt im vorliegenden Beispiel zu m¨ x = p(t) − {k · (x − u) + d · (x˙ − u)} ˙ und umgeschrieben m¨ x + dx˙ + kx = p(t) + du˙ + ku .

4.2.2 Das Prinzip von D’Alembert Ein Nachteil des Vorgehens nach Abschnitt 4.2.1 ist die große Zahl der Unbekannten und Gleichungen. Wenn nicht alle Gleichungen ben¨otigt werden und nicht alle Kr¨ afte eine Ver¨ anderung der Bewegungsgr¨oße bewirken, kann man einen anderen Ansatz verfolgen, der auf D’Alembert zur¨ uckgeht. Das Prinzip von D’Alembert sagt aus, dass die Gesamtheit der verlorenen r Kr¨ afte und Reaktionskr¨ afte im System F =G F x im Gleichgewicht ist. Die verlorenen Kr¨afte sind die Kr¨ afte, die die Bewegung nicht beeinflussen, also senkrecht r F zur Bewegungsrichtung wirken, siehe G und F r im Bild rechts. Verlorene Kr¨ afte sind auch dort vorhanden, wo nicht die vollen Massenbeschleunigungen wirksam sind, sondern nur ein um die Zw¨angungen verminderter Anteil. Reaktionskr¨ afte sind Lagerkr¨ afte und Kr¨ afte in starren Tragwerksteilen, f¨ ur die keine eigenen Massen angesetzt werden. F¨ ur das im Bild dargestellte Pendel ist die Reaktionskraft F r mit den radial nach außen gerichteten verlorenen Kr¨aften aus Gewicht m · g · cos ϑ und Tr¨ agheit im Gleichgewicht. ev

r

F

ev

F = m . g . sin ϑ ew

F = m.g e

F

.. Tragheitskraft

Mit dem Prinzip von D’Alembert kann das Newton’sche Axiom als Gleichgewichtsbedingung gedeutet werden. Zun¨ achst werden die eingepr¨agten Kr¨afte in

4.2 Synthetisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen verlorene und wirksame Kr¨ afte aufgeteilt. X X X X Fiew Fiev + Fir + Fia = i

i

i

Fia Fir Fiev Fiew

: : : :

33

(4.4)

i

außere Kr¨ afte ¨ Reaktionskr¨ afte eingepr¨ agte verlorene Kr¨afte eingepr¨ agte wirksame Kr¨afte

Das D’Alembert’sche Prinzip fordert X X Fiev = 0 , Fir + i

i

sodass aus Gl.(4.4) f¨ ur die in Richtung der Bewegung wirkenden Kr¨afte X X Fiew ) = 0 Fia − −( i

i

folgt. Mit dem Newton’schen Axiom f¨ ur die ¨ außeren Kr¨afte folgt die Anwendungsgleichung des Prinzips X Fiew = 0 . (4.5) −(mx) ˙ .+ i

(mx) ˙ · wird hierbei als Massentr¨agheitskraft oder abgek¨ urzt als Tr¨agheitskraft gedeutet, die mit den eingepr¨ agten wirksamen Kr¨aften im Gleichgewicht steht. Formal setzt man die Massentr¨ agheiten entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung an und setzt die an der freigeschnittenen Masse angreifenden Kr¨afte wie in der Statik ins Gleichgewicht mit der Massentr¨ agheitskraft. Der Schnitt wird hierbei nicht mehr um alle Komponenten gef¨ uhrt, sondern so, dass nur die wirksamen eingepr¨ agten Kr¨ afte angesetzt werden m¨ ussen. F¨ ur den allgemeinen r¨ aumlichen Fall folgen hieraus je drei Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur translatorische Bewegungen und drei Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur Drehbewegungen, bei denen die eingepr¨agten Momente mit den Drehtr¨ agheiten im Gleichgewicht stehen. Mit X X Miev = 0 Mir − − i

i

bleibt hierbei

X i

˙ · = 0. Miew − (Θϑ)

(4.6)

34

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

Die Anwendungsgleichung des D’Alembert’schen Prinzips unterscheidet sich von den Newton–Eulerschen Axiomen nur wenig, da lediglich die negativen Massentr¨ agheiten auf der anderen Seite der Bewegungsgleichung angesetzt werden. Die Grundidee ist jedoch v¨ ollig unterschiedlich, da Newton die zeitli¨ che Anderung der Bewegungsgr¨ oße betrachtet und D’Alembert das statische Gleichgewicht von Reaktionskr¨ aften und verlorenen Kr¨aften. Beispiel mit D’Alembert’schen Tr¨ agheitskr¨ aften Gesucht sind die Bewegungsgleichungen f¨ ur eine Antenne am Ende eines starren Stabes, dessen Lager verschoben wird. Die Modellierung einer Bohrinsel oder eines Fernsehturmes f¨ uhrt auf ein ¨ ahnliches System, wenn eine Fußpunkterregung z.B. aus Erdbeben vorliegt. Links im Bild ist das System skizziert, rechts das Schnittbild durch das Lager, sodass die inneren Reaktionen M, Q, N im Stab nicht erscheinen. ℓ ist die L¨ ange des Stabes und kϑ eine elastische Einspannung. my

m y(t)

ϑ

mx G

G ϑ

u(t)

kϑ x(t)

Fx

Mk Fy

Auch beim D’Alembert’schen Prinzip werden mit 1. bis 3. zun¨achst die Grundgleichungen formuliert, wobei anstelle des Newton’schen Axioms das D’Alembert’sche Prinzip angesetzt wird, das den Gleichgewichtsbedingung entspricht. Im 4. Schritt folgt die Bewegungsgleichung nach Einsetzen der Kinematik und der Werkstoffgleichungen in das D’Alembert’sche Prinzip. 1. Kinematik Koordinaten Zwangsbedingungen

: :

x, y, u(t), ϑ x = u(t) + l sin ϑ x˙ = u(t) ˙ + lϑ˙ cos ϑ x ¨=u ¨(t) + lϑ¨ cos ϑ − lϑ˙ 2 sin ϑ y = l cos ϑ y˙ = −lϑ˙ sin ϑ y¨ = −lϑ¨ sin ϑ − lϑ˙ 2 cos ϑ

4.3 Analytisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen

35

2. Dynamik, D’Alembert’sches Prinzip Das Eigengewicht, die Massentr¨ agheiten sowie die anderen angreifenden Kr¨afte sind im Bild angegeben. Hierbei wird der Schnitt am Lager gef¨ uhrt. P Fx = 0 : −m¨ x + Fx,Lager = 0 P Fy = 0 : −m¨ y − G + Fy,Lager = 0 P Mϑ = 0 : m¨ xl cos ϑ − m¨ y l sin ϑ − Gl sin ϑ + Mk = 0

Die erste Zeile beschreibt das Gleichgewicht der Kr¨afte in x–Richtung. Diese Gleichung kann man f¨ ur die Berechnung der Lagerkraft Fx verwenden. Die zweite Zeile beschreibt das Gleichgewicht der Kr¨afte in y–Richtung. Diese Gleichung kann man f¨ ur die Berechnung der Lagerkraft Fy verwenden. Die dritte Zeile beschreibt das D’Alembert’sche Prinzip f¨ ur die Drehbewegung. Hiermit werden die um das Lager wirkenden Momente sowie die Drehmassentr¨ agheiten erfasst. 3. Werkstoffgleichung Die Federkennlinie ist linear

Mk = kϑ · ϑ.

4. Bewegungsgleichung Bilanz und Elimination der abh¨ angigen Koordinaten und Kr¨afte Insgesamt sind 6 Gleichungen und 6 Unbekannte vorhanden. F¨ ur die Beschreibung der Bewegung werden die Gleichungen f¨ ur die Berechnung der Lagerkr¨afte sowie die Lagerkr¨ afte selbst nicht ben¨ otigt, da sie als verlorene Kr¨afte die Bewegung nicht beeinflussen. Damit bleiben ) 2 + 1 + 1 = 4 Gleichungen → Bewegungsgleichung 4 Unbekannte x, y, ϑ, Mk Nach Elimination des Federmomentes Mk sowie der Verschiebungen x, y folgt die Bewegungsgleichung f¨ ur die unabh¨ angige Koordinate ϑ 2¨ ml ϑ − Gl sin ϑ + kϑ ϑ = −ml¨ u cos ϑ. Das negative Vorzeichen vor dem Gewichtsterm weist darauf hin, dass die Druckkraft die Steifigkeit des Systems verringert und damit destabilisierend wirkt, vergleiche hierzu die Theorie II. Ordnung bei Knickst¨aben.

4.3 Analytisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen Bei der analytischen Herleitung der Bewegungsgleichungen wird das Gesamtsystem nicht in seine Einzelkomponenten zerlegt, sondern es werden Forderungen

36

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

an die im Gesamtsystem gespeicherte Energie bzw. an die geleistete Arbeit gestellt. Dies f¨ uhrt dazu, dass in einem ersten Schritt eine Integration u ¨ber das Gesamtsystem erfolgt und in einem zweiten Schritt die Bewegungsgleichungen aufgestellt werden. Die Herleitung der hier gew¨ahlten Verfahren erfolgt mit Hilfe folgender physikalischer Gr¨ oßen Leistung Arbeit Wirkung Energie

P R A = P dt , R A dt und = – Arbeit .

Die Beschreibung dieser physikalischen Gr¨ oßen erfolgt mit generalisierten Koordinaten qj (t), j = 1, . . . , n, wobei n die Zahl der unabh¨angigen Freiheitsgrade des Systems angibt. Die qj (t) sind Verschiebungen, Verdrehungen oder andere Beschreibungvariable und voneinander unabh¨angig. Sie beschreiben die Bewegung eindeutig und sind Minimalkoordinaten im Sinne einer geringst m¨oglichen Zahl von Freiheitsgraden – also im Beispiel oben ϑ und nicht x, y, ϑ. Den generalisierten Koordinaten sind die generalisierten Kr¨afte Qj zugeordnet. Die Qj sind Kr¨ afte, Momente oder andere den generalisierten Koordinaten konjugierte Beschreibungsvariable. Sie leisten auf den generalisierten Koordinaten qj Arbeit.

4.3.1 Arbeit und Energie In der Statik gilt vereinfachend A=

Z

Qj dqj .

Bei konstanter Kraft wird Verschiebungsarbeit geleistet. Kr¨afte, die direkt von den Koordinaten abh¨ angen, leisten Eigenarbeit. Q

Q

q

q

Verschiebungsarbeit

Eigenarbeit

Wenn die Kr¨ afte linear von den Koordinaten abh¨angen, folgt A=

1 Qj qj . 2

4.3 Analytisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen

37

In der Kinetik sind die Koordinaten zeitver¨ anderlich. In diesem Fall muss man die differentiellen Koordinaten dq mit den Geschwindigkeiten beschreiben dq = q˙ dt . Die Arbeit wird jetzt mit dem Zeitintegral Z A = Qj q˙j dt t

berechnet, wobei im Integranden die Leistung erscheint. Damit sind die Arq

dq = qdt q

dt t

beiten, die in den Komponenten dynamischer Systeme geleistet werden, wie folgt gegeben. Sie werden dabei anschaulicher mit F als Kraft und mit x als Weggr¨ oße formuliert. Federarbeiten Wenn die Federarbeiten nur von den Zust¨ anden zu den Zeiten t0 und t1 abh¨angig, also wegunabh¨ angig sind, liegt ein Potential vor. Z Z 1 Ak = − Fk · x˙ dt = − kx · x˙ dt = − kx2 |tt10 . 2 t

t

.

Fk

x

D¨ ampferarbeiten Die D¨ ampferarbeiten lassen sich nicht direkt integrieren, sie sind wegabh¨angig und nicht durch Anfangs– und Endzustand beschreibbar. Sie besitzen daher keine Potentialeigenschaften. Z Z Ad = − Fd · x˙ dt = − dx˙ · x˙ dt . t

t

Fd

.

x

38

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

Arbeit der Massenbeschleunigungen Die Arbeiten der Massenbeschleunigungen haben Potentialeigenschaften. Z 1 Am = − m¨ x · x˙ dt = − mx˙ 2 |tt10 . 2

.. mx

t

.

x

..

Θϑ

.

ϑ

Arbeit der Einwirkungen Die Arbeit der einwirkenden Kr¨ afte kann im allgemeinen Fall nicht direkt integriert werden. Z . p x Ap = + p(t) · x˙ dt . t

Wenn p(t) zeitkonstant ist, gilt Ap = + p · x|tt10 . Ob die Arbeiten der Einwirkungen Potentialeigenschaften haben oder nicht, richtet sich damit nach der Art der Einwirkung, die weg– bzw. zeitver¨anderlich sein kann oder auch nicht. Unter der Voraussetzung, dass die geleisteten Arbeiten Potentialeigenschaften besitzen, kann die Arbeit gespeichert und wiedergewonnen werden. Gespeicherte Arbeit wird als Energie definiert. Man unterscheidet die potentielle Energie und die kinetische Energie

Π = −AFeder − AEinwirkung T = −AMasse .

Die Arbeiten, die keine Potentialeigenschaften besitzen, k¨onnen nicht gespeichert werden. Sie sind damit f¨ ur das System verloren.

4.3.2 Der Arbeitssatz Der Arbeitssatz sagt aus, dass die Summe aller bis zur Zeit t1 am System geleisteten Arbeiten verschwindet Am + Ad + Ak + Ap = 0 . | {z } Statik

Dies bedeutet, dass die von außen infolge Einwirkung in das System eingepr¨agte Arbeit in wiedergewinnbare Arbeiten – dies sind die im Bauteil gespeicherten

4.3 Analytisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen

39

Energien – und Verlustarbeiten umgesetzt wird. Da die Verlustarbeiten nicht wiedergewinnbar sind, liefert der Arbeitssatz in dieser Form keine Aussage u ¨ber die Schwingungsf¨ ahigkeit des Systems f¨ ur die Zeit t > t1 . ¨ Betrachtet man die zeitlichen Anderungen der Arbeiten, dies sind die Leistungen, so wird der Momentanzustand des Systems beschrieben. Hierf¨ ur gilt A˙ m + A˙ d + A˙ k + A˙ p = 0 ,

(4.7)

da auch die Bilanz f¨ ur die Leistungen erf¨ ullt sein muss. Formuliert man die Leistungen mit den oben verwendeten generalisierten Koordinaten und Kr¨aften, so folgt hieraus die Bewegungsgleichung  − m¨ x + dx˙ + kx − p(t) x˙ = 0 .

Der Arbeitssatz ist in dieser Form nicht allgemein einsetzbar, weil die geleisteten Arbeiten bei Mehrmassenschwingern nicht immer eindeutig den Bewegungsgleichungen zugeordnet werden k¨ onnen. Die Herleitung der Bewegungsgleichungen mit dem Arbeitssatz in dieser Form ist daher nicht m¨oglich.

4.3.3 Virtuelle Arbeiten Der Arbeitsbegriff ist Grundlage f¨ ur die Herleitung verschiedener Verfahren zum Aufstellen der Bewegungsgleichungen. Hier wird der Arbeitssatz zun¨achst eingesetzt, um zu einer schwachen, d. h. integralen Form der Bewegungsgleichung und der kinematischen Bedingungen zu gelangen. Die Vorgehensweise wird an einem Ein–Masse–Schwinger gezeigt. Mit den Einwirkungen p(t) folgt die Verschiebung x(t). Die dabei geleisteten Eigenarbeiten sind Z A = − { m¨ x + Fd + Fk − p(t) } x˙ dt = 0 . t

Außerdem sind die Anfangsbedingungen x(0) = x0

und

x(0) ˙ = v0

zu beachten, die ebenfalls in der Arbeitsgleichung ber¨ ucksichtigt werden k¨onnen. Nachfolgend sollen diese Bedingungen streng, d.h. exakt erf¨ ullt sein, sodass die angegebene Form der Arbeitsgleichung Grundlage f¨ ur die weitere Herleitung ist. Die Gesamtarbeit verschwindet in der Summe, da w¨ahrend der Bewegung keine Arbeit gewonnen werden kann.

40

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

Betrachtet man die Verschiebungsarbeiten der Kr¨ afte und Massentr¨agheiten auf fremderzeugten Geschwindigkeiten δ x, ˙ die nicht wirklich, sondern nur gedacht sind, so gilt der Arbeitssatz im Sinne von Verschiebungsarbeiten in folgender Form Z  m¨ x + Fd + Fk − p(t) δ x˙ dt = 0 . (4.8) δA = −

Wichtig ist, dass die gedachten Geschwindigkeiten hier noch als St¨orungen der wirklichen Bewegung aufgefasst werden m¨ ussen, da die wirklichen Kr¨afte nur auf Wegen Arbeit leisten k¨ onnen, die den wirklichen Wegen infinitesimal dicht benachbart sind. Sie haben damit die Bedeutung einer Nachbarbewegung der wirklichen Bewegung, und erf¨ ullen ebenfalls die Bewegungsgleichung und die Kinematik. Wenn dies nicht der Fall w¨ are, k¨ onnte die Arbeitsgleichung mit entsprechendem Verlauf von δ x˙ erf¨ ullt werden, ohne dass die Bewegungsgleichung der wirklichen Bewegung erf¨ ullt ist. Der Arbeitssatz sieht in der bisher verwendeten Form die Integration u ¨ber die Zeitachse vor, was bei der numerischen Bearbeitung konkreter Aufgabenstellungen zu erheblichem Aufwand f¨ uhren kann. Von Nachteil ist auch, dass die gedachte Bewegung die Bewegungsgleichung und die Kinematik von vornherein erf¨ ullen muss. Daher kann man den Arbeitssatz in dieser Form nicht direkt f¨ ur die Herleitung der Bewegungsgleichung verwenden.

4.3.4 Das Prinzip der virtuellen Verr¨ uckungen Das Prinzip der virtuellen Verr¨ uckungen PvV wird in der Regel als Axiom angesetzt. Es folgt aber auch nach Lockerung der Voraussetzungen aus Gleichung (4.8). Betrachtet man ein infinitesimal kleines Zeitintervall ∆t → 0, so ist der Integrand konstant. Es gilt dann mit infinitesimalem δx Z Z δ x˙ dt = konst · δx. konst · δ x˙ dt = konst · ∆t→0

∆t→0

Wegen der Annahme eines infinitesimalen Zeitintervalls brauchen die gedachten Verschiebungen δx keine Nachbarbewegung der wirklichen Bewegung sein. Sie werden jetzt als virtuelle Verschiebungen bezeichnet. Daher brauchen die virtuellen Verschiebungen nur die kinematischen Bedingungen erf¨ ullen, sind sonst aber frei w¨ ahlbar. Der Arbeitssatz entspricht so der Momentanaufnahme des Bewegungszustandes δA = − {m¨ x + Fd + Fk − p(t)} δx = 0

(4.9)

und wird als Prinzip der virtuellen Arbeiten (PvA), als Prinzip der virtuellen Verr¨ uckungen (PvV) oder als Prinzip der virtuellen Verschiebungen bezeichnet.

4.3 Analytisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen

41

Die Bewegungsgleichung wird jetzt nicht in einer schwachen Form aufgestellt, sondern streng f¨ ur jeden Zeitpunkt t. Mit den Bezeichnungen nach Abschnitt 4.2 folgt X X Qew (4.10) I˙j δqj + δA = − j δqj = 0 . j

j

Qew j

: generalisierte eingepr¨ agte Kr¨ afte, wirksame Kr¨afte δqj : virtuelle generalisierte Koordinaten, I˙j : Massenbeschleunigungen, Impuls¨anderungen. Die generalisierten Kr¨ afte Qew j und die virtuellen Koordinaten δqj sind zueinander konjugiert. Der Vergleich von Gleichung (4.10) mit Abschnitt 4.2.2 zeigt, dass das PvV der Gleichgewichtsaussage des D’Alembert’schen Prinzips entspricht, da nur die Arbeit leistenden wirksamen Kr¨ afte ber¨ ucksichtigt werden und die Reaktionskr¨ afte keine Arbeit leisten. Es wird daher auch als D’Alembert’sches Prinzip in der Lagrange’schen Fassung und als Lagrange’sches Prinzip bezeichnet. In der Form (4.10) tritt der Arbeitsbegriff etwas in den Hintergrund, da es so aussieht, als wenn lediglich die Kr¨ afte im D’Alembert’schen Prinzip mit virtuellen Verr¨ uckungen multipliziert werden, Gleichung (4.10) also weiterhin aus dem Gleichgewicht der Kr¨ afte gewonnen wird. Es ist daher wichtig, dass bei der Herleitung die Arbeiten in den Komponenten betrachtet werden und nicht die Arbeit der Kr¨ afte, die an den Massen angreifen. Dies erleichert besonders die Anwendung des PvV auf konkrete Systeme, wenn die virtuellen Arbeiten aller im System vorhandenen eingepr¨ agten Kr¨ afte auf einer beliebig vorgegebenen kinematisch vertr¨ aglichen virtuellen Verr¨ uckung ber¨ ucksichtigt werden m¨ ussen. Beispiel f¨ ur die Anwendung des PvV F¨ ur das im Bild dargestellte um ϑ0 vorgespannte Schwungrad soll die Bewegungsgleichung aufgestellt werden. Die Translationsmasse m und die Rotationsmasse θ sind im Schwerpunkt angesetzt. Der Weg, auf dem das Rad abrollt, ist die Koordinate x. Nullpunkt der Drehbewegung ϑ ist die vorgespannte Lage. ϑ ϑ

Θ, m Fµ

x

K ϑ ( ϑ - ϑ0 ) Kϑ

mx R R



2 Fµ

x

42

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

1. Kinematik Im vorliegenden Fall wird Haftreibung angesetzt, sodass die R¨ader nicht durchrutschen k¨ onnen, und ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Drehbewegung der R¨ ader und der Translation besteht. Koordinaten : Zwangsbedingungen :

x, ϑ x= R·ϑ



δx = R · δϑ

2. Virtuelle Arbeiten Im Arbeitssatz werden alle auf den kinematisch vertr¨aglichen virtuellen Verr¨ uckungen geleisteten Arbeiten aufsummiert. Im vorliegenden Beispiel leisten die Haftreibungskr¨ afte Fµ keine Arbeit, da die konjugierten virtuellen Verschiebungen verschwinden. Falls die R¨ ader durchrutschen, ist dies nicht mehr der Fall. δA = −θ ϑ¨ δϑ − (Mϑ − Mϑ0 ) δϑ − m¨ x δx = 0 3. Werkstoff Die Drehfeder ist mit dem Antriebsmoment verkn¨ upft: Mϑ = kϑ ϑ . 4. Bewegungsgleichung Mit dem Einsetzen der Werkstoffgleichung in die Arbeitsgleichung folgt δA = −θ ϑ¨ δϑ − kϑ (ϑ − ϑ0 ) δϑ − m¨ x δx = 0 . Nach Einbau der kinematischen Bedingungen f¨ ur x und δx folgt die Bewegungsgleichung f¨ ur die Drehung ϑ  δϑ (θ + m · R2 ) ϑ¨ + kϑ ϑ − kϑ ϑ0 = 0 , (θ + m · R2 ) ϑ¨ + kϑ ϑ = kϑ ϑ0 .

Die Rotationsmasse (θ + m · R2 ) bezieht sich auf den Momentanpol, der im Ber¨ uhrungspunkt von Rad und Unterlage liegt. Der Antrieb f¨ ur die Bewegung ist das Vorspannmoment kϑ ϑ0 , das auf der rechten Seite der Bewegungsgleichung erscheint. Der besondere Vorteil des PvV ist die schnelle und u ¨bersichtliche Formulierung der virtuellen Arbeiten. Es sind lediglich alle am System angreifenden eingepr¨ agten Kr¨ afte und die Massentr¨ agheiten zu beachten und die jeweils konjugierte kinematisch vertr¨ agliche virtuelle Verr¨ uckung anzugeben. Die Bewegungsgleichungen f¨ ur die unabh¨ angigen Variablen erh¨alt man, wenn alle kinematischen Zw¨ ange ber¨ ucksichtigt sind.

4.3 Analytisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen

43

4.3.5 Das Prinzip der kleinsten Wirkung Die meisten der in der Natur ablaufenden Prozesse gehorchen Extremalprinzipien. In der Statik ist das Prinzip vom Minimum der Potentiellen Energie bekannt, wobei die Potentielle Energie in hier verwendeten Symbolen als Π = k q 2 /2−q p darstellbar ist. Die Extremalforderung f¨ uhrt auf die Bedingung δΠ =

∂Π δq = 0 , ∂q

wobei δq eine Variation also eine Nachbarlage von q beschreibt und nicht mit den virtuellen Verr¨ uckungen verwechselt werden darf, die unabh¨angig von q angesetzt werden k¨ onnen. Das vergleichbare Prinzip der Kinetik ist das Prinzip q

Bewegung q Nachbarbewegung t0

t1

t

vom station¨aren Wert der Wirkung, welches das Zeitintegral u ¨ber die Lagrange’sche Funktion L = T − Π betrachtet −

Zt1

t0

Zt1 L dt = ( Π − T ) dt → station¨ar . t0

Die Forderung an einen station¨ aren Wert liefert Z Z − δ L dt = − δL dt = 0 , wenn Variation und Zeitintegration unabh¨ angig sind. Die Lagrange’sche Funktion L ist von den Koordinaten q und den Geschwindigkeiten q˙ abh¨angig, so dass Z Z ∂L ∂L δq + δ q˙ } dt − δL dt = − { ∂q ∂ q˙ gilt und nach teilweiser Integration Z ∂L d ∂L ∂L − { − ( ) } δq dt − δq|t = 0 ∂q dt ∂ q˙ ∂ q˙

44

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

folgt. Diese Form wird auch als Hamilton’sches Prinzip bezeichnet und ist auf holonome – dies sind ganzheitliche Systeme mit Potential – anwendbar. Unter der Annahme, dass die variierten Koordinaten δq an den R¨andern des Zeitintervalls identisch Null sind, verschwindet der Randterm. Es folgt Z Z d ∂L ∂L − ( ) } δq dt = 0 . (4.11) − δL dt = − { ∂q dt ∂ q˙ Die Erweiterung des Prinzips um die virtuelle Wirkung von nichtkonservativen Kr¨ aften Q – D¨ ampfer oder nichtkonservative Einwirkungen – ist nur in der variierten Form Zt1 d ∂L ∂L − ( ) + Q } δq dt = 0 (4.12) − { ∂q dt ∂ q˙ t0

m¨ oglich, wenn der Integrand als virtuelle Arbeit gedeutet wird. Die δq sind hier kinematisch zul¨ assige virtuelle Verr¨ uckungen, keine Variationen bzw. Nachbarbewegungen der wirklichen Bewegung. Bei der Anwendung des Prinzips ist darauf zu achten, dass die generalisierten Kr¨ afte Q richtungstreu mit Vorzeichen einzusetzen sind. Das Prinzip f¨ uhrt auf eine schwache Form der Bewegungsgleichungen, die aus ¨ dem Integranden ableitbar sind. Ahnlich wie bei der Anwendung des Prinzips der virtuellen Arbeiten in der Fassung Gleichung (4.8) f¨ uhrt auch hier die Integration der Arbeiten u ¨ber das Zeitintervall auf einen erheblichen numerischen Aufwand, so dass diese Form in den Anwendungen kaum eingesetzt wird.

4.3.6 Die Lagrange’schen Gleichungen 2. Art Das Prinzip der kleinsten Wirkung Z d ∂L ∂L − { − ( ) + Q } δq dt = 0 ∂q dt ∂ q˙

(4.13)

entspricht der schwachen Form der virtuellen Arbeiten nach Gleichung (4.9), auch wenn die Herleitung des Prinzips v¨ ollig unabh¨angig ist. Die strenge Form, das heißt die Erf¨ ullung des Integranden zu jedem Zeitpunkt, bezeichnet man als Lagrange’sche Gleichungen 2. Art. Dies f¨ uhrt auf {

∂L d ∂L ( )− − Q} δq = 0 dt ∂ q˙ ∂q

mit beliebigen, kinematisch vertr¨ aglichen virtuellen Koordinaten δq. Die strenge Formulierung folgt zu d ∂L ∂L ( )− − Qq = 0 , dt ∂ q˙ ∂q

4.3 Analytisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen

45

wenn Qq den Anteil von Q in Richtung von δq kennzeichnet. Die generalisierten Koordinaten q m¨ ussen die Anfangsbedingungen zur Zeit t0 q(t0 ) − q0 = 0

q(t ˙ 0 ) − q˙0 = 0 erf¨ ullen. Die Ausf¨ uhrung der Ableitungsvorschriften f¨ ur L liefert direkt die Bewegungsgleichung, wenn die Lagrange’sche Funktion L und die generalisierte Kraft Q in Richtung von δq bzw. q bekannt sind. Beispiel f¨ ur die Anwendung der Lagrange’schen Gleichungen 2. Art F¨ ur das im Bild dargestellte Modell eines Automobils sind die Bewegungsgleichungen f¨ ur die unabh¨ angigen vertikalen Verschiebungen aufzustellen. Das Automobil f¨ ahrt mit der Geschwindigkeit v(t) auf einer unebenen Fahrbahn und wird durch eine Unwucht im Motorbereich mit p(t) angeregt. Auf ein vergleichbares System f¨ uhrt auch die Modellierung eines Maschinenfundaments oder die Modellierung eines R¨ utteltisches, wenn die Fahrgeschwindigkeit v(t) = 0 gesetzt ist. Vereinfachend werden hier die Beschleunigungen f¨ ur kleine Fahrgeschwindigkeiten angesetzt, vergleiche hierzu Abschnitt 27. p(t) m1

m3

m2 v (t)

x1

x

x3

x2 u2

u1 y 2 3

1. Kinematik Koordinaten

:

Zwangsbedingungen :

1 3

x1 , x2 , x3 , u1 , u2 jeweils von der entspannten Lage aus gemessen ∆x1 = x1 − u1 ∆x2 = x2 − u2 x3 = 13 (x1 + 2x2 )

46

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

2. Lagrange’sche Funktion, generalisierte Kr¨ afte Die Lagrange’sche Funktion L enth¨ alt die kinetische und die potentielle Energie   T = 12 m1 x˙ 21 + 21 m2 x˙ 22 + 21 m3 [ 13 (x˙ 1 + 2x˙ 2 )]2 L=T −Π  Π = 1 k (x − u )2 + 1 k (x − u )2 1 2 2 1 1 2 2 2

Die Kr¨ afte, die kein Potential besitzen, sind

Qd1 = −d1 (x˙ 1 − u˙ 1 ) , Qd2 = −d2 (x˙ 2 − u˙ 2 ) + p(t) . Das negative Vorzeichen bedeutet, dass die Kr¨ afte gegen die Bewegung wirken. Die Indizes 1, 2 der Kr¨ afte kennzeichnen die Massen, auf die sie einwirken. 3. Bewegungsgleichungen Die Anwendung der Lagrange’schen Gleichungen 2. Art d  ∂L  ∂L − − Qdj = 0 dt ∂ q˙j ∂qj auf die vorliegende Aufgabe liefert mit xj statt qj die beiden Bewegungsgleichungen 1 2 m3 ) x ¨ 1 + m3 x ¨2 + d1 x˙ 1 + k1 x1 = d1 u˙ 1 + k1 u1 9 9

j=1:

(m1 +

j=2:

4 2 m3 x ¨1 + (m2 + m3 ) x ¨2 + d2 x˙ 2 + k2 x2 = p(t) + d2 u˙ 2 + k2 u2 . 9 9

Die als Einwirkung angesetzte Unebenheit u(y) des Bodens ist mit der Position y(t) des Fahrzeugs ver¨ anderlich, die wiederum mit der Zeit und der Geschwindigkeit verkn¨ upft ist: y1 = v · t , y2 = v · t + ℓ . Mit der Unebenheit u(t) und der Geschwindigkeit u(y) ˙ u˙ =

∂u ∂y = u,y · v ∂y ∂t

sind die entsprechenden Einwirkungen auf das Fahrzeug gegeben.

4.3 Analytisches Aufstellen der Bewegungsgleichungen

47

4.3.7 Die Lagrange’schen Gleichungen 1. Art Gegeben ist die Lagrange’sche Funktion f¨ ur das im Bild links dargestellte nichtgelagerte System mit zwei Freiheitsgraden. 1 k (x2 − x1 )2 − P (t) x2 , 2 1 1 T = m1 x˙ 21 + m2 x˙ 22 , 2 2 L = T − Π.

Π=

Mit den Lagrange’schen Gleichungen 2. Art k¨ onnen jetzt die Bewegungsgleichungen nach Abschnitt 4.3.6 aufgestellt werden, wenn das System vollst¨andig beschrieben ist. k

m1

k

m1

m2

m2 P(t)

P(t) x1

x2

x1

x2

Bild 4-2 System mit zwei Freiheitsgraden Wenn f¨ ur das im Bild rechts dargestellte System die Bewegung der Masse m1 durch ein festes Lager behindert ist, kann man die Lagerkraft als Zwangskraft in die Bewegungsgleichungen des im linken Bild dargestellten Systems einsetzen und die Bedingung x1 = 0 als Nebenbedingung der Bewegungsgleichungen ansetzen. Hierbei wird die feste Bindung des Systems gel¨ost und die zugeh¨ orige unbekannte Zwangskraft analog zu nichtkonservativen Kr¨aften in der Bewegungsgleichung ber¨ ucksichtigt. Die Gr¨ oße der Zwangskraft ist mit der Nebenbedingung festgelegt. Die um die Zwangskraft bzw. Schnittgr¨oße und die zugeh¨ orige Nebenbedingung erweiterten Bewegungsgleichungen bezeichnet man als Lagrange’sche Gleichungen 1. Art. ¨ Ubersichtlicher und physikalisch grundlegender ist nachfolgend beschriebener Weg, da er bereits vor den Bewegungsgleichungen ansetzt. Wenn die Freiheitsgrade des Systems weitere Bedingungen erf¨ ullen sollen, kann man die zus¨ atzlichen Bedingungen als Nebenbedingungen in die Lagrange’sche Funktion additiv integrieren, was mit der Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren erfolgt. Lerweitert = L + λ · (N ebenbedingung) . Die Nebenbedingung darf keine Information des urspr¨ unglichen Systems enthalten, sondern muss eine unabh¨ angige Bedingung f¨ ur die Freiheitsgrade sein.

48

4 Aufstellen von Bewegungsgleichungen

Außerdem darf die Nebenbedingung den Wert der Lagrange’schen Funktion nicht ver¨ andern, da diese die Energiebilanz beschreibt. Dies ist der Fall, wenn λ und die Nebenbedingung senkrecht aufeinander stehen. Wesentlich ist, dass jede Nebenbedingung eines Systems die Zahl der Freiheitsgrade des Systems um eins reduziert. Die Lagrange’schen Multiplikatoren λ sind zus¨ atzliche Freiheitsgrade des Systems und werden wie die generalisierten Koordinaten behandelt. Die physikalische Bedeutung der Lagrange’schen Multiplikatoren richtet sich nach der Bedeutung der Nebenbedingung. Weil L, T, Π Energiemaße sind, muss auch das Produkt λ · (N ebenbedingung) ein Energiemaß sein. Dies bedeutet, dass λ eine generalisierte Kraft ist, wenn die Nebenbedingung die Kinematik erg¨anzt. Wenn die Nebenbedingung das Gleichgewicht erg¨anzt, ist λ eine generalisierte Weggr¨ oße. Und wenn die Nebenbedingung die Werkstoffgleichung erg¨anzt, ist λ die zur Bedingung energetisch konjugierte Zustandsgr¨oße. Beispiel einer kinematischen Bedingung F¨ ur das oben gezeigte System ist die Lagrange’sche Funktion mit L=

1 1 1 m1 x˙ 21 + m2 x˙ 22 − k (x2 − x1 )2 + P (t) x2 2 2 2

gegeben. Wenn die Verschiebung x1 = 0 als Nebenbedingung ber¨ ucksichtigt werden soll, folgt die Lagrange’sche Funktion zu Lerweitert =

1 1 1 m1 x˙ 21 + m2 x˙ 22 − k (x2 − x1 )2 + P (t) x2 + λ x1 . 2 2 2

Die physikalische Bedeutung von λ entspricht der Lagerkraft, wenn x1 = 0. Das Vorzeichen des Terms λ x1 gibt die Richtung des Lagrange Multiplikators an. Hiermit folgen die Bewegungsgleichungen sowie die Nebenbedingung d ∂L ∂L − =0 dt ∂ x˙ 1 ∂x1 d ∂L ∂L − =0 dt ∂ x˙ 2 ∂x2 d ∂L ∂L =0 − dt ∂ λ˙ ∂λ



m1 · x ¨1 + k · (x1 − x2 ) − λ = 0 ,



m2 · x ¨2 + k · (x2 − x1 ) − P (t) = 0 ,



− x1 = 0 .

Die erste Gleichung ist die Bewegungsgleichung f¨ ur x1 . Aufgrund der Nebenbedingung sind x1 = 0 und damit auch x ¨1 = 0, sodass dies das Gleichgewicht von Lagerkraft und Federkraft beschreibt. Die zweite Gleichung ist die Bewegungsgleichung f¨ ur x2 . Und die dritte Gleichung ist die Nebenbedingung.

5 Gesamtl¨ osung linearer Bewegungsgleichungen

In den folgenden Abschnitten wird gezeigt, wie man die Bewegungsgleichung f¨ ur unterschiedliche Einwirkungen analytisch l¨ osen kann. Im allgemeinen Fall gilt m¨ x + Fi (x, ˙ x˙ 2 , . . . , x, x2 , . . . , xx, ˙ . . .) = p(t) , wobei Feder– und D¨ ampferkr¨ afte beliebig nichtlinear sein k¨onnen. F¨ ur diese im allgemeinen Fall nichtlineare Gleichung gibt es keine analytische, strenge L¨ osung, sondern bestenfalls numerische N¨ aherungsl¨osungen. F¨ ur viele technische Prozesse kann man jedoch vereinfachende Annahmen treffen und die Bewegungsgleichung linearisieren, sodass eine analytische L¨osung m¨oglich ist.

5.1 Linearisieren von Bewegungsgleichungen In der Realit¨ at sind Feder- und D¨ ampferkennlinien nichtlinear, sodass die dazu geh¨ orenden Kr¨ afte von (sin x, x2 , x3 , . . .) abh¨ angen k¨onnen. Die Bewegungsgleichung f¨ ur ein unged¨ ampftes System ist dann exemplarisch mit G ≡ m¨ x + k0 x + k1 x2 + k2 x3 − p(t) = 0 . gegeben, wobei hier die Federkennlinie kubisch von der Bewegung x(t) abh¨angt. Setzt man voraus, dass die Belastung einen konstanten Anteil und als St¨orung einen ver¨ anderlichen Anteil mit kleiner Amplitude besitzt, p(t) = p0 + ǫ · ps (t) so folgt f¨ ur die Bewegung entsprechend x(t) = x0 + ǫ · xs (t) , wenn ǫ sehr klein ist. Der Index s kennzeichnet eine St¨orgr¨oße, sodass ps , xs eine Bewegung mit kleinen Amplituden um die Ausgangslage p0 , x0 beschreibt. In die Bewegungsgleichung eingesetzt, folgt G ≡ m(¨ x0 + ǫ¨ xs ) + k0 (x0 + ǫxs )+ k1 (x0 + ǫxs )2 + k2 (x0 + ǫxs )3 − (p0 + ǫps ) = 0. Linearisieren bedeutet, die Differentiation der Gleichung nach ǫ durchzuf¨ uhren und danach ǫ = 0 zu setzen   G (x0 + εxs ) − G (x0 ) ∂G lim = 0. = ε→0 ∂ǫ ǫ=0 ε © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_5

50

5 Gesamtl¨ osung linearer Bewegungsgleichungen

Wendet man die Vorschrift auf die Bewegungsgleichung an, so folgt die linearisierte Bewegungsgleichung   ∂G = m¨ xs + (k0 + 2k1 x0 + 3k2 x20 )xs − ps = 0 . GL ≡ ∂ǫ ǫ=0 An Stelle der nichtlinearen Federkennlinie erscheint jetzt die Tangentenneigung k(x0 ) = (k0 + 2k1 x0 + 3k2 x20 ) an der Stelle x0 als Federsteifigkeit, siehe nachfolgendes Bild. Die linearisierte Bewegungsgleichung GL beschreibt das BewegungsverhalFk k(x 0 ) ten des Schwingers in der Umgebung des Arbeitspunktes p0 , x0 . Die Linearisierungsvorschrift gilt auch dann, xs wenn p0 und damit x0 beliebig zeitver¨ anderlich sind, was allerdings auf eine Bewegungsgleichung mit ver¨ anderlix chen Koeffizienten f¨ uhrt, die dann eix0 ne parametererregte Schwingung beschreibt. Die Linearisierungsvorschrift sollte f¨ ur komplexe Terme explizit durchgef¨ uhrt werden, da die linearisierte Form sonst schwierig zu entwickeln ist. So folgt f¨ ur sin2 ϕ   ∂ 2 sin (ϕ0 + εϕ) = [ 2ϕ sin(ϕ0 + εϕ) cos(ϕ0 + εϕ) ]ǫ=0 ∂ǫ ǫ=0 = 2ϕ sin ϕ0 cos ϕ0 .

5.2 Dimensionslose Schreibweise An Stelle der im Einzelfall gew¨ ahlten physikalischen Beschreibungsvariablen kann man die jeweilige Bewegungsgleichung mit einer Dimensionsanalyse so umformen, dass ihre L¨ osung von wenigen dimensionslosen Kennzahlen abh¨angt und die L¨ osung damit f¨ ur beliebige Anwendungen zug¨anglich ist. Die linearisierte Bewegungsgleichung m¨ x + dx˙ + kx = pˆ · cos ωt ist gegeben. Ein erster Schritt liefert nach Division durch die Masse m x¨ + 2δ x˙ + ω02 x =

pˆ · cos ωt , m

5.3 Superposition verschiedener Teill¨ osungen

51

wenn f¨ ur den D¨ ampfungskoeffizienten 2δ = d/m [1/s] und f¨ ur die Eigenkreisfrequenz ω02 = k/m [1/s2 ] gesetzt wird. Diese Form der Bewegungsgleichung ist zwar noch dimensionsbehaftet [m/s2 ], wird aber im weiteren wegen des Anwendungsbezugs verwendet. W¨ ahlt man außerdem die auf die statische Auslenkung normierte dimensionslose Koordinate ξ mit x = ξ · pˆ/k sowie die dimensionslose Zeit τ mit t = τ /ω0 so folgt die dimensionslose Bewegungsgleichung ξ ′′ + 2ϑ ξ ′ + ξ = cos(

ω τ) , ω0

wenn ( )′ = d/dτ die Ableitung nach der dimensionslosen Zeit ist. ϑ ist das bereits in Abschnitt 2.4.1 definierte Lehr’sche D¨ampfungsmaß ϑ = δ/ω0 , das f¨ ur die vergleichende Bewertung von ged¨ ampften Schwingungen wichtig ist. Die dimensionslose Bewegungsgleichung gilt allgemein f¨ ur beliebige schwingende Systeme der Festk¨ orpermechanik, der Elektrotechnik und anderer Fachgebiete.

5.3 Superposition verschiedener Teill¨ osungen Gegeben ist die linearisierte Bewegungsgleichung, die bei verschwindender rechter Seite eine homogene Differentialgleichung ist und im anderen Fall eine inhomogene Differentialgleichung. Setzt man zwei verschiedene rechte Seiten an, so erh¨ alt man als Systemantwort die Verschiebungen x1 (t) bzw. x2 (t) m¨ x1 + dx˙ 1 + kx1 = p1 (t) , m¨ x2 + dx˙ 2 + kx2 = p2 (t) . Die Addition beider Gleichungen liefert m(¨ x1 + x¨2 ) + d(x˙ 1 + x˙ 2 ) + k(x1 + x2 ) = p1 (t) + p2 (t) , was als Bewegungsgleichung f¨ ur die neue Variable x(t) gedeutet werden kann. Die Bewegungsgleichung f¨ ur x(t) hat jetzt zwei rechte Seiten. m¨ x + dx˙ + kx = p1 (t) + p2 (t) . Hiermit folgt umgekehrt, dass die L¨ osung x(t) einer Bewegungsgleichung f¨ ur verschiedene rechte Seiten getrennt ermittelt werden kann, und in einem zweiten Schritt u ¨berlagert bzw. superponiert werden darf, allerdings nur wenn die Bewegungsgleichung linear ist. Offensichtlich ist dies f¨ ur eine nichtlineare Bewegungsgleichung nicht m¨ oglich.

52

5 Gesamtl¨ osung linearer Bewegungsgleichungen

5.4 Gesamtl¨ osung Gegeben ist die lineare Bewegungsgleichung G[x] = m¨ x + dx˙ + kx = p(t) . Die Gleichung beschreibt im Sinne D’Alemberts das Gleichgewicht der in einem schwingenden System vorhandenen Kr¨ afte. Die Gesamtschwingung x(t) enth¨alt zwei Anteile. • Befindet sich das betrachtete System zur Zeit t = t0 in einem von der statischen Gleichgewichtslage verschiedenen Bewegungszustand mit x0 − xstat 6= 0 und/oder x˙ 0 6= 0, so bewegt sich das System f¨ ur t > t0 auch, wenn keine ¨ außere Einwirkung vorhanden ist und p(t) = 0. x(t)

p=0

x0 , x0

Diese Teilschwingung infolge des Anfangszustandes folgt aus der homogenen Bewegungsgleichung G[xh ] = 0 . xh bewirkt innere Reaktionskr¨afte und Massentr¨agheiten des Systems, die f¨ ur sich im Gleichgewicht stehen. Dieser L¨ osungsanteil kann keine ¨außere Last tragen, da die Summe der Kr¨ afte verschwindet. • Infolge der Last p(t) muss eine zweite Teilschwingung xp vorhanden sein, die als Partikularl¨osung bezeichnet wird. Die Partikularl¨osung bewirkt innere Reaktionskr¨ afte, die mit der Last im Gleichgewicht stehen G[xp ] = p(t) . Diese Teilschwingung sorgt anschaulich daf¨ ur, dass die Last zu jedem Zeitpunkt von dem System getragen werden kann. Da die L¨osung der homogenen Bewegungsgleichung keinen Beitrag zum Gleichgewicht liefert, kann die Partikularl¨ osung um einen beliebigen Anteil von xh modifiziert werden, ohne dass dies die Gesamtl¨ osung beeinflußt. Es gibt also beliebig viele Partikularl¨ osungen, aber nur einen speziellen Anteil, der die Last tr¨ agt“. ”

5.5 Unterscheidung der Schwingungen nach ihrer Entstehung

53

Die Gesamtl¨ osung ist daher x(t) = xh (t) + xp (t) . Wegen der Superponierbarkeit kann man beide L¨osungsanteile getrennt ermitteln und dann addieren. Die Gesamtl¨ osung enth¨alt im homogenen L¨osungsanteil zwei freie Parameter, die als Integrationskonstanten bezeichnet werden. Hiermit muss die Gesamtl¨ osung an die Anfangsbedingungen f¨ ur x(0) und x(0) ˙ angepasst werden.

5.5 Unterscheidung der Schwingungen nach ihrer Entstehung Die Unterscheidung der Schwingungen nach ihrem Entstehungsmechanismus ¨ ist entsprechend DIN 1311 [59] in der Ubersicht in Bild 5-1 zusammengefasst. Schwingungen ✥ ❵❵❵ ✥ ✥✥ ❵❵❵ ✥✥✥ ❵ ✥ ❵ autonome Schwingungen ✟ ❍ ❍❍ ✟✟ freie Schwingungen

selbsterregte Schwingungen

heteronome Schwingungen ✟ ❍ ❍❍ ✟✟ parametererregte erzwungene Schwingungen Schwingungen

Bild 5-1 Bezeichnung der Schwingungen nach ihrer Entstehung Systeme, die sich selbst u ¨berlassen sind, bezeichnet man als autonome Systeme. Hierunter fallen die in Abschnitt 6 beschriebenen freien Schwingungen. Freie Schwingungen sind m¨ oglich, wenn Systeme allein infolge der Anfangsbedingungen ohne weitere Fremderregung schwingen. Ist das System ged¨ampft, wird die infolge der Anfangsbedingungenen eingepr¨agte Energie dissipiert, sodass das System f¨ ur große Zeiten dem Ruhezustand zustrebt. Ist das System unged¨ ampft, wird es infolge der Energieerhaltung f¨ ur alle Zeiten mit gleichen Amplituden weiterschwingen. Wird dagegen einem autonomen System w¨ ahrend der Bewegung ohne ¨außere Einwirkung Energie zugef¨ uhrt, so wird dies als Selbsterregung bezeichnet. Selbsterregte Systeme sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Eigenschaften Grenzwerte u ¨berschreiten, die das Systemverhalten von Grund auf ver¨andern. In der Statik ist z.B. die Knicklast ein Grenzwert, oberhalb dessen sich das

54

5 Gesamtl¨ osung linearer Bewegungsgleichungen

Tragverhalten eines Druckstabes ¨ andert, weil die Steifigkeit einen Vorzeichenwechsel erf¨ ahrt. In der Dynamik f¨ uhrt das Erreichen der Knicklast zur Divergenz und ein negatives Vorzeichen des D¨ ampfungskoeffizienten zu Flatter. Beide Ph¨ anomene bezeichnet man als selbsterregte Bewegung, da die Amplituden des Systems ohne ¨ außere Einwirkung mit der Zeit unbegrenzt anwachsen k¨onnen. Syteme, deren Eigenschaften sich mit der Zeit ver¨andern, bezeichnet man als heteronome Systeme. Ist eine ¨ außere zeitver¨ anderliche Einwirkung wie in Abschnitt 7 vorhanden, so f¨ uhrt dies zu einer fremderregten Schwingung bzw. erzwungenen Schwingung. Die Zeitver¨ anderlichkeit eines Systems kann aber auch in den Koeffizienten der Bewegungsgleichung begr¨ undet sein, wenn sich die Masse, die D¨ ampfung oder die Steifigkeit des Systems mit der Zeit a¨ndern. Die hierdurch hervorgerufene Schwingung bezeichnet man als parametererregte Schwingung.

6 Freie Schwingungen

Systeme, die sich nur infolge der Anfangsbedingungen bewegen und keine zeitver¨ anderlichen Einwirkungen besitzen, f¨ uhren freie Schwingungen aus. Im Falle des Ein–Masse–Schwingers folgen die Schwingungen der Bewegungsgleichung x ¨ + 2δ x˙ + ω02 x = 0 , die in reller und in komplexer Schreibweise gel¨ ost werden kann. Ansatz in reeller Schreibweise Die Bewegungsgleichung kann in reeller Schreibweise mit dem Ansatz x(t) = ac cos λt + as sin λt gel¨ ost werden, wenn die Koeffizienten ac , as die Amplituden und λ den Zeitverlauf festlegen. In die Bewegungsgleichung eingesetzt, folgt −λ2 (ac cos λt+as sinλt)−2δλ(ac sin λt−as cos λt)+ω02 (ac cos λt+as sin λt) = 0 . Der Koeffizientenvergleich f¨ ur cos λt und sin λt gibt cos λt : sin λt :

−λ2 ac + 2δλas + ω02 ac = 0 ,

−λ2 as − 2δλac + ω02 as = 0 .

Multipliziert man die erste Zeile mit as und die zweite Zeile mit −ac und addiert beide Zeilen, so folgt 2δ(a2s + a2c ) = 0 bzw. as = i ac . Einsetzen in die erste bzw. zweite Zeile gibt die charakteristische Gleichung [ −λ2 + 2 i δλ + ω02 ] ac = 0 mit den charakteristischen Zahlen λ1,2 = iδ ± ω sowie ω 2 = ω02 − δ 2 . Damit kann der Ansatz umgeschrieben werden. Zun¨ achst gilt x(t) = ac (cos λt + i sin λt) = ac1 (cos(iδ + ω)t + i sin(iδ + ω)t) + ac2 (cos(iδ − ω)t + i sin(iδ − ω)t) . Mit den Euler’schen Formeln cos αx =

1 iαx (e + e−iαx ) 2

und

1 sin αx = −i (eiαx − e−iαx ) 2

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_6

56

6 Freie Schwingungen

folgt die komplexe Schreibweise der Gesamtl¨ osung x(t) = a1 e(−δ+iω)t + a2 e(−δ−iω)t , wobei a1 und a2 konjugiert komplexe Amplituden sind. Die Umformung in die reelle Schreibweise ist mit a ˆc = a1 + a2 und a ˆs = i(a1 − a2 ) m¨oglich x(t) = e−δt (ˆ ac cos ωt + a ˆs sin ωt) ,

wobei a ˆc und a ˆs reellwertige Koeffizienten sind, die an die Anfangsbedingungen angepasst werden m¨ ussen. Ansatz in komplexer Schreibweise Einfacher ist ein Ansatz in komplexer Schreibweise mit x(t) = a eλt . Hierbei gibt a die Amplitude der Bewegung und eλt den Zeitverlauf der Bewegung an. In die Bewegungsgleichung eingesetzt, folgt {λ2 + 2δλ + ω02 } a eλt = 0 . Eine nichttriviale L¨ osung existiert, wenn die charakteristische Gleichung f¨ ur λ erf¨ ullt ist λ2 + 2δλ + ω02 = 0 . Mit den charakteristischen Zahlen λ1,2 = −δ ± i

q ω02 − δ 2

= −δ ± i ω

folgt wie oben die komplexe Schreibweise der Gesamtl¨osung x(t) = a1 e(−δ+iω)t + a2 e(−δ−iω)t und nach Umformung die reelle Schreibweise x(t) = e−δt (ˆ ac cos ωt + a ˆs sin ωt) . Die noch freien Koeffizienten a ˆc und a ˆs sind Integrationskonstanten und werden f¨ ur die Anpassung der freien Schwingung an die Anfangsbedingungen f¨ ur Auslenkung und Geschwindigkeit zur Zeit t0 verwendet. Mit x0 = x(t0 )

und

v0 = x(t ˙ 0) ,

folgt nach Berechnung der Koeffizienten die mit x0 und v0 festgelegte Bewegung v0 + δx0 x(t) = e−δ(t−t0 ) {x0 cos ω(t − t0 ) + sin ω(t − t0 )} . ω

7 Erzwungene Schwingungen – periodisch

Schwingungen, die durch Einwirkungen erzeugt werden, bezeichnet man als erzwungene Schwingungen oder fremderregte Schwingungen. Gegeben ist die Bewegungsgleichung m¨ x + dx˙ + kx = 0 + p(t). Die Gesamtl¨ osung enth¨ alt nach Abschnitt 5 die L¨osung der homogenen Bewegungsgleichung xh (t) und die Partikularl¨ osung xp (t). Die L¨osung der homogenen Bewegungsgleichung ist bereits in Abschnitt 6 in allgemeiner Form bestimmt. Weil xh (t) keinen Teil der Einwirkungen tragen kann, muss die Partikularl¨ osung xp (t) so bestimmt werden, dass das System die Belastung zu allen Zeiten tragen kann. In der Regel ist dies mit einem Ansatz vom Typ der rechten Seite m¨ oglich. Die Partikularl¨ osung wird hier f¨ ur beliebige periodische Einwirkungen untersucht, sodass hiermit ein weites Spektrum der m¨oglichen Einwirkungen abgedeckt ist. Beliebige periodische Funktionen sind nach Abschnitt 2.3.2 als Fourier–Reihe darstellbar. Wenn die periodische Last p(t) mit einer endlichen Reihe approximiert wird p(t) =

N N X p0 X + pˆcn cos nΩt + pˆsn sin nΩt , 2 n=1 n=1

kann die Bewegungsgleichung aufgrund des Superpositionsprinzips nacheinan¨ der f¨ ur jedes einzelne Reihenglied getrennt gel¨ ost werden. Die Uberlagerung der Teill¨ osungen zur vollst¨ andigen Partikularl¨ osung ist zul¨assig, solange die Bewegungsgleichung linear ist.

7.1 Konstante Last Das nullte Reihenglied erfasst eine Last, die in der Zeit konstant ist Damit gilt m¨ x + dx˙ + kx = p0 .

p(t) = p0 .

F¨ ur die Partikularl¨ osung wird ein Ansatz vom Typ der rechten Seite gew¨ahlt, damit Gleichgewicht zu allen Zeiten m¨ oglich ist xp = konst → x˙ p = 0 , x ¨p = 0 . © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_7

58

7 Erzwungene Schwingungen – periodisch

Aus der Bewegungsgleichung folgt mit m · 0 + d · 0 + k · xp = p0 die Partikularl¨ osung

p0 . k Die Partikularl¨ osung entspricht hier der statischen Gleichgewichtslage. xp =

7.2 Periodische Last Stellvertretend f¨ ur alle cos– und sin–Reihenglieder reicht es aus, eine einzige periodische Teill¨ osung zu untersuchen. Das f¨ ur ein spezielles Reihenglied gew¨ahlte Vorgehen kann man dann auf alle anderen Reihenglieder u ur das ¨bertragen. F¨ dritte cos-Reihenglied folgt zun¨ achst m¨ xpc3 + dx˙ pc3 + kxpc3 = pˆc3 cos 3Ωt . F¨ ur xpc3 (t) wird ein Ansatz vom Typ der rechten Seite gew¨ahlt: xpc3 (t) = x ˆc3 · cos 3Ωt + x ˆs3 · sin 3Ωt . Dieser Ansatz stellt sicher, dass die Bewegungsgleichung f¨ ur alle Zeiten erf¨ ullt werden kann und die Bewegung der Erregerfrequenz 3Ω folgt. Die Amplituden xˆc3 und x ˆs3 sind noch unbekannt und m¨ ussen an die Last angepasst werden. Setzt man den Ansatz in die Bewegungsgleichung ein, folgt zun¨achst cos 3Ωt {−(3Ω)2 mˆ xc3 + 3Ωdˆ xs3 + kˆ xc3 } +

sin 3Ωt {−(3Ω)2 mˆ xs3 − 3Ωdˆ xc3 + kˆ xs3 } = pˆc3 cos 3Ωt .

Da die Bewegungsgleichung f¨ ur alle Zeiten erf¨ ullt sein muss, liefert der Koeffizientenvergleich f¨ ur sin und cos zwei Gleichungen f¨ ur xˆc3 und x ˆs3 mit der L¨ osung x ˆc3 =

pˆc3 · [k − (3Ω)2 m] , [k − (3Ω)2 m]2 + d2 (3Ω)2

x ˆs3 =

pˆc3 · [d · 3Ω] . [k − (3Ω)2 m]2 + d2 (3Ω)2

Mit den dimensionslosen Parametern √ ϑ = d/2 km = δ/ω0 , η = Ω/ω0 ≥ 0

7.2 Periodische Last

59

kann man die Amplituden x ˆc3 und x ˆs3 umschreiben, sodass die Partikularl¨osung in der Form xpc3 (t) = =

 1 pˆc3  (1 − (3η)2 ) cos 3Ωt + 2ϑ(3η) sin 3Ωt k (1 − (3η)2 )2 + 4ϑ2 (3η)2

1 pˆc3  p cos(3Ωt − ϕ0 ) . k (1 − (3η)2 )2 + 4ϑ2 (3η)2 |{z} | {z } 7.1 Vergr¨ oßerung der Amplitude

erscheint. Hierbei beschreibt der Vergr¨ oßerungsfaktor V (3η) das Verh¨altnis der Amplitude der Systemantwort zur quasi–statischen Amplitude pˆc3 /k. Mit dem Vergr¨ oßerungsfaktor wird der Einfluss der Massentr¨agheit und der D¨ampfung auf die Amplitude erfasst. Der Phasenwinkel ϕ0 (3η) = arctan

2ϑ(3η) , 0 ≤ ϕ0 < π 1 − (3η)2

gibt die Phasenlage von Last und Systemantwort an, wobei die Systemantwort x(t) der Last p(t) nacheilt, vergleiche hierzu Gleichung (2.1).

7.2.1 Die Vergr¨ oßerungsfunktion Als Vergr¨oßerungsfunktion V (η) bezeichnet man die spezielle Vergr¨oßerung der Amplitude des ersten Reihengliedes, wobei η die auf die Eigenkreisfrequenz ω0 normierte Kreisfrequenz Ω der Erregung beschreibt. Man bezeichnet die Vergr¨ oßerungsfunktion daher auch als Resonanzkurve. Die in Bild 7-1 dargestellte Vergr¨ oßerungsfunktion 1 V (η) = p 2 (1 − η )2 + 4ϑ2 η 2

weist die folgenden Teilbereiche mit unterschiedlichem Antwortverhalten auf. Bei kleinen Erregerfrequenzen Ω sind die Geschwindigkeiten und Beschleunigungen klein und damit die Tr¨ agheitskr¨ afte gering. Hierbei wird nur geringe kinetische Energie im System aktiviert, sodass die Amplituden der Auslenkungen xpc (t) nur wenig von der quasistatischen Auslenkung pˆc /k verschieden sind. Ein System mit V (η) ≈ 1,0 bezeichnet man als hoch abgestimmtes System, bei dem die Eigenkreisfrequenz u ¨ber der Erregerfrequenz liegt. Der Begriff Abstimmung deutet darauf hin, dass man ein System mit Masse, Steifigkeit und Erregerfrequenz so abstimmen kann, dass die Systemantwort in dem gew¨ unschten Bereich liegt.

60

7 Erzwungene Schwingungen – periodisch

Bei großen Erregerfrequenzen Ω ist die Massentr¨agheit des Systems groß. Das System kann nicht schnell genug auf die Einwirkungen reagieren, sodass die Amplituden klein bleiben. Hierbei ist das System tief abgestimmt. Dies kann man auch gezielt beeinflussen, indem man mit zus¨atzlichen Massen ein gr¨oßeres η erh¨ alt. V 0,0

d ansteigend

0,25 1,0

0,5 η 1,0

Bild 7-1 Vergr¨ oßerungsfunktion Bei η = 1,0 liegt f¨ ur das unged¨ ampfte System eine Polstelle mit unendlicher Vergr¨ oßerung vor, da Erreger- und Systemeigenkreisfrequenz gleich sind. Das Ph¨ anomen wird als Resonanz bezeichnet. Bei D¨ ampfung erfolgt eine Abminderung der Systemantwort im Resonanzbereich, wobei die maximale Amplitude vom Lehr’schen D¨ ampfungsmaß ϑ abh¨ angt und das Maximum in Richtung ηR ≤ η(ϑ = 0) verschoben wird. Die hier auftretenden maximalen Werte der Vergr¨ oßerungsfunktion bezeichnet man als Resonanz¨ uberh¨ ohung mit der zugeh¨ origen Erregerfrequenz

p VR = 1/(2ϑ 1 − ϑ2 ) p ηR = 1 − 2ϑ2 .

Wesentlich ist, dass die maximale Amplitude nur vom Lehr’schen D¨ampfungsmaß abh¨ angt. Bei Systemen mit vorgeschriebenen Verschiebungen oder Geschwindigkeiten k¨ onnen auf der rechten Seite der Bewegungsgleichung auch Systemanregungen vorhanden sein, deren Amplitude von der Erregerfrequenz abh¨angig ist, vergleiche Abschnitt 4.2.2. Wenn dort als Lagerverschiebung u = uˆ cos Ωt vorgegeben ist, gilt u˙ = −Ωˆ u sin Ωt und u ¨ = −Ω2 u ˆ cos Ωt. Wenn aber die Anre2 gungsamplituden mit Ω bzw. Ω ver¨ anderlich sind, muss auch die Darstellung der zugeh¨ origen Vergr¨ oßerungsfunktionen V (η) und Phasenwinkel ϕ0 (η) dies ber¨ ucksichtigen und entsprechend modifiziert werden.

7.2 Periodische Last

61

7.2.2 Der Phasenwinkel Belastung und Antwort des Systems sind um den Phasenwinkel ϕ0 (η) = arctan

2ϑη 1 − η2

gegeneinander verschoben. In Bild 7-2 ist die Abh¨angigkeit des Phasenwinkels von der D¨ ampfung und von der Erregerfrequenz dargestellt. j0

tanj0 p 2

p

j0

J

Bild 7-2 Phasenwinkel F¨ ur η → 0 verschwindet der Phasenwinkel, da die Belastung sehr langsam aufgebracht wird und die D¨ ampferkr¨ afte entsprechend gering sind. Solange η < 1,0, sind die Anregung und die Antwort des Systems in Phase, und f¨ ur η > 1,0 sind sie in Gegenphase. Phasenwinkel bei unged¨ ampfter Schwingung Bei unged¨ ampften Systemen und kleiP nen Erregerfrequenzen reagiert das System spontan und schwingt im Gleichtakt mit der Anregung, da der Phasenwinkel bei η < 1 verschwindet (ϕ0 = 0). x Ist der Frequenzparameter η > 1, findet wegen ϕ0 = π eine Phasenumkehr statt, sodass das System im Gegentakt schwingt, siehe nebenstehende Abbildung. Dies ist der Fall, wenn die Masx sentr¨ agheiten gr¨ oßer als die Federkr¨ afte des Systems sind und die Masse nicht schnell genug reagieren kann.

t

h1

= 180°

62

7 Erzwungene Schwingungen – periodisch

Phasenwinkel bei ged¨ ampfter Schwingung Bei vorhandener D¨ ampfung ist die Reaktion des Schwingers zeitlich verz¨ogert, da die Belastung teilweise von dem D¨ ampfer getragen wird und zeitlich verz¨ogert auf die Feder abgegeben wird. F¨ ur η < 1,0 sind die Beschleunigungen und damit die Massentr¨ agheiten relaP tiv klein, sodass sie im Gleichtakt mit t der Last und der Federkraft stehen. F¨ ur η > 1,0 sind die Massentr¨ agheitskr¨ afte gr¨ oßer als die Federkr¨ afte. Die Anrej0 > 0 x gung ist so schnell, dass die Masse auft grund der D¨ ampfung nicht schnell genug in Bewegung gesetzt wird, um in gleicher Phase mit der Last zu bleiben.

7.3 L¨ osung im Frequenzbereich Die Begriffe Frequenzbereich und Zeitbereich werden am Beispiel einer periodischen Last und Systemantwort zusammengefasst, siehe [21]. Gegeben ist der periodisch erregte Ein–Masse–Schwinger mit der Bewegungsgleichung m¨ x + dx˙ + kx = p(t) . F¨ ur eine spezielle periodische Anregung kann eine harmonische Analyse nach Abschnitt 2.3.3 erfolgen, sodass die Transformation der Last p(t) in den Frequenzbereich mit pˆ(η) und ϕp0 (η) m¨ oglich ist. ϕp0 (η) beschreibt die Phasenverschiebung der Last. F¨ ur ein beliebiges Reihenglied n folgt die Grundform pn (t) = pˆn cos nΩ(t + t0 ) = pˆn cos(nΩt + ϕpn ) . Die Anregung wird mit einem Amplituden– und einem Phasenspektrum dargestellt, siehe Bild 7-3. p

4p0

^ p n

jpn

p

Wt0 p

t 1

T=

t0

2π Ω

3

5

7

9

n

Amplitudenspektrum

1

3

5

7

9

Phasenspektrum

Bild 7-3 Transformation der Belastung in den Frequenzbereich, siehe [21]

n

7.3 L¨ osung im Frequenzbereich

63

Die L¨ osung der Bewegungsgleichung bei periodischer Last wird als bekannt vorausgesetzt und im Frequenzbereich dargestellt. Dies entspricht einer Transformation des mechanischen Modells aus dem Zeitbereich in den Frequenzbereich. Das Schwingungsverhalten des Tragwerks wird hierbei mit Hilfe der Vergr¨ oßerungsfunktion V (η) und des Phasenwinkels ϕ(η) beschrieben, wobei die Amplituden und Phasenwinkel der einzelnen Reihenglieder mit 1 , mit Vn (η) = p 2 (1 − (nη) )2 + 4ϑ2 (nη)2

ϕ0n (η) = arctan

η=

Ω ω0

2ϑnη 1 − (nη)2

ermittelt werden. Die Frequenzabh¨ angigkeit der L¨osung der Bewegungsgleichung f¨ ur die verschiedenen Reihenglieder der periodischen Last ist im Amplitudengang und im Phasengang festgehalten, siehe Bild 7-4. J = 0,02

j

on

d

1

3

5

7

9

1 3

5

7

9

Bild 7-4 Transformation der Schwingungseigenschaften des Tragwerks, siehe [21] Wenn die Transformation von Last und System in den Frequenzbereich vorliegt, kann die Berechnung der Systemantwort im Frequenzbereich f¨ ur jedes Reihenglied der Anregung erfolgen. Mit pˆn · Vn (nη) und ϕxn = ϕ0n − ϕpn . k sind das Amplitudenspektrum x ˆn und das Phasenspektrum ϕxn direkt berechnet, sodass nachfolgend die R¨ ucktransformation aus dem Frequenzbereich in ¨ den Zeitbereich m¨ oglich ist, siehe Bild 7-5. Die Uberlagerung der Teilschwingungen entspricht der harmonischen Synthese nach Abschnitt 2.3.2. x ˆn =

x(t) =

N X

n=1

x ˆn cos(nΩt − ϕxn ) .

Die L¨ osung im Frequenzbereich ist sehr effizient, da die Bewegungsgleichung f¨ ur eine beliebige periodische Anregung bereits gel¨ost ist, und lediglich die

64

7 Erzwungene Schwingungen – periodisch

Fourier–Analyse vorweg durchgef¨ uhrt werden muss. Dies ist allerdings ohnehin sinnvoll, da man die L¨ osung im Frequenzbereich besser interpretieren kann als im Zeitbereich. ^x n

x pk t

jxn

J = 0,02 h = 0,33

4p0 4p0

p

pk 1 3

5

7

9

n

1

Amplitudenspektrum

3

5

7

9

n

Phasenspektrum

Bild 7-5 R¨ ucktransformation der L¨ osung in den Zeitbereich, siehe [21] Beispiel f¨ ur eine periodische Belastung Gegeben ist ein Belastungsvorgang in Form der S¨agezahnfunktion nach Bild 7-6, die einen Be– oder Entlastungsvorgang beschreiben k¨onnte. Die Phasenverschiebung der Belastung verschwindet hier f¨ ur alle Reihenglieder ϕpn = 0. p( t) p0

t 2T

T

3T

Bild 7-6 Periodische S¨agezahnfunktion Die Entwicklung der Belastung in eine Fourier–Reihe liefert im Frequenzbereich p0 p0  sin Ωt sin 2Ωt sin 3Ωt − + + + ... . 2 π 1 2 3 Die Eigenschaften des Systems werden im Frequenzbereich mit der Vergr¨oßerungsfunktion und dem Phasenwinkel beschrieben, sodass die Berechnung der Systemantwort der einzelnen Reihenglieder wie oben gezeigt erfolgen kann. p(t) =

1 Vn (nη) = p , 2 2 (1 − n η )2 + 4ϑ2 n2 η 2

ϕn = ϕ0n (nη) = arctan

2ϑ n η , mit 1 − n2 η 2

η=

Ω . ω0

7.4 Station¨ are L¨ osungen

65

Die Amplituden der Last und der Systemantwort der einzelnen Teilschwingungen sind in Bild 7-7 als Spektren dargestellt. p^ n

^

xn

p0

J = 0,02 p0

2

0,76

2k

η = 0,4

0,88 0,48

0,10 0,042 n

n 0

1

2

3

4

5

0

1

2

3

4

5

Antwort

Anregung

Bild 7-7 Amplitudenspektren der Last und der Systemantwort Die R¨ ucktransformation in den Zeitbereich erfolgt nach Superposition der Teilschwingungen mit xp =

∞ p0 X 1 1 p0 − · ·p · sin(nΩt − ϕn ) 2k π · k n=1 n (1 − η 2 n2 )2 + 4ϑ2 η 2 n2

1,38 p0 1 1,19 [ − sin(Ωt − 0,0190) − sin(2Ωt − 0,0886) k 2 π π 0,75 − sin(3Ωt − 3,03) − . . . ] . π F¨ ur die Beurteilung des eingeschwungenen Zustands ist das Amplitudenantwortspektrum von Bedeutung, da hiermit Resonanzbereiche festgestellt werden k¨ onnen. So sind bei einem realen System notfalls Maßnahmen zu ergreifen, um das System mit zus¨ atzlichen Massen oder Federn aus dem Resonanzbereich zu verschieben, das System muss abgestimmt werden. =

7.4 Station¨ are L¨ osungen Die Gesamtl¨ osung der Bewegungsgleichung m¨ x + dx˙ + kx = p(t) besteht aus der L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung und einer an die Erregung angepassten Partikularl¨ osung   ˆc cos ωt + a ˆs sin ωt + xp . x = xh + xp = e−δt a

Die Anpassung der Freiwerte a ˆc und a ˆs ist in Abschnitt 6 f¨ ur eine freie Schwingung angegeben. Analog hierzu muss die Anpassung der Gesamtl¨osung an die

66

7 Erzwungene Schwingungen – periodisch

Anfangsbedingungen erfolgen x0 = x(t0 ) = xh (t0 ) + xp (t0 ) v0 = x(t ˙ 0 ) = x˙ h (t0 ) + x˙ p (t0 ) . Setzt man xh (t0 ) und x˙ h (t0 ) in die L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung ein, folgt als Gesamtl¨ osung x(t)

=

e−δ(t−t0 ) { [x0 − xp (t0 )] cos ω(t − t0 ) +

[ v0 − x˙ p (t0 ) ] + δ[x0 − xp (t0 )] sin ω(t − t0 ) } + xp (t) . ω

Ist das System ged¨ ampft, verschwindet der Einfluß des ersten L¨osungsanteils f¨ ur große Zeiten. Als Einschwingzeit wird die Zeit bezeichnet, bis zu welcher der Einfluß der Anfangsbedingungen nicht vernachl¨assigbar ist. Die Bewegung des Schwingers w¨ ahrend der Einschwingzeit ist der Einschwingvorgang. In den x

x0 ,v0 t

Anwendungen ist man oft nur am eingeschwungenen Zustand interessiert, der als station¨are Schwingung bezeichnet wird. Bei vorhandener D¨ampfung besteht die station¨ are Schwingung aus einer speziellen Partikularl¨osung xp (t). Im unged¨ ampften Fall enth¨ alt sie weitere Anteile aus der L¨osung der homogenen Bewegungsgleichung. Die Berechnung der station¨ aren Schwingung kann analog zu Abschnitt 7.1 und 7.2 mit einem Ansatz vom Typ der rechten Seite erfolgen.

8 Erzwungene Schwingungen – unperiodisch

Gegeben ist die Bewegungsgleichung mit beliebiger unperiodischer Anregung p(t) m¨ x + dx˙ + kx = p(t) . Die Division durch m liefert 1 p(t) . m Die L¨ osung der homogenen Differentialgleichung ist aus Abschnitt 5 bekannt   xh = e−δt a ˆc cos ωt + a ˆs sin ωt x¨ + 2δ x˙ + ω02 x =

mit

0 ≤ δ < ω0

und

ω=

q ω02 − δ 2 .

F¨ ur die Partikularl¨ osung muss ein Ansatz gew¨ ahlt werden, der das Gleichgewicht d. h. die Bewegungsgleichung zu allen Zeiten erf¨ ullen kann. Ein Ansatz vom Typ der rechten Seite ist in der Regel nicht m¨oglich, wenn die Last beliebig unperiodisch ist. W¨ ahlt man einen Ansatz, der einen a¨hnlichen Aufbau hat, wie die homogene L¨ osung, so kann man dies erreichen, wenn die Konstanten a ˆc und a ˆs durch allgemeine Funktionen a ˆc (t) und a ˆs (t) ersetzt werden. Dies bezeichnet man als Variation der Konstanten [7]. Damit gilt   x = xh + xp = e−δt a ˆc (t) cos ωt + a ˆs (t) sin ωt . F¨ ur die Anpassung des L¨ osungsansatzes an die Bewegungsgleichung stehen die Funktionen a ˆc (t) und a ˆs (t) zur Verf¨ ugung. Nach Einsetzen des Ansatzes in die Bewegungsgleichung kann man die Gesamtl¨ osung ohne detaillierte Herleitung in der folgenden Form angeben:   1 v0 + δx0 sin ωt + x(t) = e−δt x0 cos ωt + ω mω

Zt 0

e−δ(t−τ ) sin ω(t − τ ) · p(τ ) dτ.

Der erste Teil der Gesamtl¨ osung ist mit der an die Anfangsbedingungen angepassten freien Schwingung identisch. Das Integral beschreibt den Einfluss der Last und entspricht damit der Partikularl¨ osung. Da immer die Gesamtl¨osung an die Anfangsbedingungen angepaßt werden muss, folgt eine andere Partikularl¨ osung als bei einem Ansatz vom Typ der rechten Seite. Das Integral bezeichnet man als Duhamel–Integral oder als Faltungs-Integral. Bei der Integration u ¨ber τ ist zu beachten, dass t konstant ist. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_8

68

8 Erzwungene Schwingungen – unperiodisch

8.1 Stoßanregung Analog zu periodischen Funktionen gibt es auch bei unperiodischen Funktionen ¨ die M¨ oglichkeit, beliebig unperiodische Funktionen mit einer Uberlagerung von Grundfunktionen zu beschreiben. Die wichtigste Grundfunktion ist die DeltaFunktion, mit der man Einheitsimpulse darstellen kann. Die Delta-Funktion wird auch als Dirac-Delta-Funktion bezeichnet. Die wesentlichen Eigenschaften der Delta-Funktion sind nachfolgend angef¨ uhrt. f(t)

F(t)

δ( t - t 0 )

a t

t0 A t

a

t 0 -ε t 0 t 0 +ε

Bild 8-1 Deltafunktion und Sprungstellenableitung Die Delta-Funktion ist mit dem normierten Fl¨ achenintegral definiert. tZ +∞ 0 +ǫ Z ˆ ˆ − t0 )dt = A =! 1 δ(t − t0 )dt = δ(t t0 −ǫ

−∞

ˆ = [δ]

1 . s

ˆ − t0 ) beschrieben, um Verwechselungen mit Hier wird der Dirac–Impuls mit δ(t dem D¨ ampfungskoeffizienten δ zu vermeiden. Das ε kennzeichnet einen beliebig kleinen Abschnitt, sodass folgende Aussage f¨ ur eine glatte Funktion f (t) g¨ ultig ist. +∞ Z ˆ − t0 )dt = f (t0 ) . f (t) · δ(t

−∞

Dies entspricht einer punktweisen Wichtung der Funktion f (t) an der Stelle t0 . Betrachtet man eine Funktion F (t) mit einer Sprungstelle entsprechend Bild 8-1 F (t) = a sign(t − t0 ) − b (t − t0 ) , so kann man die Ableitung der Funktion F (t) an der Sprungstelle mit der Delta-Funktion beschreiben. Die Sprungfunktion besitzt die Zeitableitung ˆ − t0 ) − b . F˙ (t) = f (t) = 2 a δ(t

8.1 Stoßanregung

69

Mit einer einzelnen Delta-Funktion lassen sich verschiedene kurzzeitige Einwirkungen kompakt darstellen. Dies sind z. B. Anprallvorg¨ange eines Fahrzeugs auf einen Br¨ uckenpfeiler, das Auftreffen eines fallenden Gewichtes auf eine Geschossdecke oder der Absturz eines Flugzeuges auf ein Geb¨aude. Wenn mehrere Delta-Funktionen mit unterschiedlicher Vergr¨ oßerung hintereinander geschaltet werden, sind auch beliebig unperiodische Einwirkungen beschreibbar. Beispiel f¨ ur eine Stoßbelastung Gegeben ist die Bewegungsgleichung m¨ x + dx˙ + kx = p(t) . Die Belastung p(t) ist kurzzeitig und u agt den Impuls I auf die Masse m ¨bertr¨ ˆ − t0 ) . p(t) = I · δ(t Die direkte Berechnung der Schwingung x(t) im Zeitbereich ist analytisch mit dem Duhamel–Integral schnell und u ¨bersichtlich m¨oglich. Die Partikularl¨osung folgt mit dem Duhamel–Integral zu 1 xp = mω

Zt 0

ˆ − t0 ) dτ e−δ(t−τ ) sin ω(t − τ ) · I · δ(τ

1 = I e−δ(t−t0 ) sin ω(t − t0 ) mω xp = 0

f¨ ur

t0 < t ,

f¨ ur

t < t0 .

Vergleicht man die Partikularl¨ osung mit einer freien Schwingung f¨ ur x0 = 0 nach Abschnitt 6, so sind die beiden L¨ osungen identisch, wenn v0 = I/m ist. Dies bedeutet, dass sich das durch einen Stoß angeregte System nach dem Stoß wie ein freier Schwinger mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 bewegt. Beispiel f¨ ur Stoßfolgen Gegeben ist die Differentialgleichung f¨ ur einen Ein–Masse–Schwinger m¨ x + dx˙ + kx = p(t) , wobei nachfolgend als Belastung p(t) eine periodische Folge von St¨oßen gleicher Gr¨ oße entsprechend Bild 8-2 angenommen wird

und

ˆ p(t) = I · δ(t) p(t + nT ) = p(t) .

f¨ ur

− T /2 < t < T /2

70

8 Erzwungene Schwingungen – unperiodisch

Gesucht ist die station¨ are Schwingung, die aufgrund der regelm¨aßig wiederkehrenden St¨ oße periodisch ist. Hierbei darf die Lastperiode T nicht mit der Eigenschwingungsperiode TE = 2·π/ω verwechselt werden. p(t)

t 0

T

2T

Bild 8-2 Stoßfolge Wegen des Superpositionsgesetzes reicht es aus einen Stoß zu betrachten und die Auswirkungen der vorangegangenen St¨ oße mit einer Koordinatentransformation der Zeitachse zu erfassen. I e−δt sin ωt f¨ ur 0 ≤ t < T mω I xn (t) = e−δ(t+nT ) sin ω(t + nT ) . mω x1 (t) =

Die station¨ are L¨ osung ist dann xstation¨a r (t) =

∞ I X −δ(t+nT ) e sin ω(t + nT ) . mω n=0

8.2 Anregung mit der Resonanzfrequenz Das Duhamel–Integral kann auch bei periodischer Anregung zur Berechnung der Systemantwort eingesetzt werden. Gegeben ist der unged¨ampfte Schwinger m¨ x + kx = pˆ cos ω0 t mit der Eigenkreisfrequenz ω02 = k/m und mit den Anfangsbedingungen x(0) = 0 und x(0) ˙ = 0. Das Duhamel–Integral liefert x(t) =

pˆ mω0

Zt 0

sin ω0 (t − τ ) cos ω0 τ dτ .

Mit der Umformung sin ω0 (t − τ ) cos ω0 τ =

1 1 sin ω0 t(1 + cos 2ω0 τ ) − cos ω0 t sin 2ω0 τ 2 2

8.3 Anwendungsbeispiele f¨ ur das Duhamel–Integral

71

ist die analytische Integration m¨ oglich, da die Zeit t bei der Integration u ¨ber τ konstant ist. Nach Integration u ¨ber dτ folgt 1 1 pˆ  sin ω0 t(t + sin 2ω0 t) − cos ω0 t(1 − cos 2ω0 t) 2mω0 2ω0 2ω0 pˆ = · t · sin ω0 t . 2mω0

x(t) =

Die Gesamtl¨ osung ist eine Sinus-Schwingung mit einer linear in t anwachsenden Amplitude (x(∞) → ∞). Dies ist bereits aus der Vergr¨oßerungsfunktion f¨ ur ϑ = 0, η = 1 bekannt, wenn V (η) → ∞ strebt. x x=t t

Bild 8-3 Systemantwort infolge Anregung mit der Eigenkreisfrequenz

8.3 Anwendungsbeispiele f¨ ur das Duhamel–Integral Nachfolgend zeigen verschiedene Anwendungen das Vorgehen bei der L¨osung der Bewegungsgleichung, wenn unperiodische Einwirkungen vorhanden sind. Beispiel 1: Antenne bei Windb¨ o Die Bewegungsgleichung f¨ ur die Bewegung einer Antenne im Schwerefeld der Erde ist in Abschnitt 4.2.2 hergeleitet. F¨ ur die Drehbewegung ϑ der Antenne nach Bild 8-4 um die Senkrechte gilt ml2 ϑ¨ − Gl sin ϑ + kϑ ϑ = 0 , wenn die Windb¨ o noch nicht ber¨ ucksichtigt ist.

m

p(t)

G

J

g

l kJ

Bild 8-4 Antenne bei Windb¨o

Der Stab der L¨ ange ℓ ist starr, die Elastizit¨ at der Antenne ist als Ersatzfeder mit der Steifigkeit kϑ am Fußpunkt der Antenne angesetzt. Nach Linearisierung

72

8 Erzwungene Schwingungen – unperiodisch

der Bewegungsgleichung um die Stelle ϑ = 0 folgt ml2 ϑ¨ + (kϑ − Gl)ϑ = 0 . Als Einwirkung auf die Masse wird eine Windb¨ o der Zeitdauer T /2 = π/Ω mit p(t) = pˆ · sin Ωt p(t) = 0

p

f¨ ur 0 ≤ t ≤ T /2 f¨ ur t > T /2

angesetzt, sodass die linearisierte Bewegungsgleichung mit

t T/2

Bild 8-5 sinus-Stoß

ml2 ϑ¨ + (kϑ − Gl)ϑ = p(t) l . folgt. Das Duhamel-Integral liefert die Gesamtl¨ osung ϑ(t) =

1 mℓ2 ω

Zt 0

2

e−δ(t−τ ) sin ω(t − τ ) · pˆ l · sin Ωτ dτ

2

mit ω = (kϑ −Gl)/ml f¨ ur die Dauer der Einwirkung, wenn die Anfangsauslenkung und die Anfangsgeschwindigkeit null gesetzt sind. F¨ ur das unged¨ampfte System folgt die Gesamtl¨ osung nach Integration des Duhamel-Integrals pˆ l { sin ωt ϑ(t) = mℓ2 ω =

Zt 0

cos ωτ sin Ωτ dτ − cos ωt

Zt 0

sin ωτ sin Ωτ dτ }

pˆ cos(ω − Ω)τ cos(ω + Ω)τ { sin ωt ( − ) mℓω 2(ω − Ω) 2(ω + Ω)

sin(ω − Ω)τ sin(ω + Ω)τ t − ) }0 2(ω − Ω) 2(ω + Ω) pˆ 1 1 = { + }( sin Ωt − sin ωt ) . 2mℓω (ω − Ω) (ω + Ω) − cos ωt (

Nach kurzer Umformung folgt ϑ(t) =

pˆ 1 · ( sin Ωt − sin ωt ) mℓ (ω 2 − Ω2 )

f¨ ur

0 ≤ t ≤ T /2 .

Dies ist aber nichts anderes als die Gesamtl¨ osung aus freier Schwingung und ˙ Partikularl¨ osung, die an die Anfangsbedingungen ϑ(0) = 0 und ϑ(t) = 0 angepasst ist.

8.3 Anwendungsbeispiele f¨ ur das Duhamel–Integral

73

Im Resonanzfall folgt Ω → ω, sodass die l’Hopital-Regel anzuwenden ist, die auf eine zu Abschnitt 8.2 vergleichbare L¨ osung f¨ uhrt. Am Ende der Windb¨o erreicht die Antenne mit sin ΩT /2 = 0 und cos ΩT /2 = −1,0 1 pˆ · · sin ωT /2 mℓ (ω 2 − Ω2 )

die Auslenkung

ϑ(T /2) = −

und die Geschwindigkeit

1 ˙ /2) = − pˆ · ϑ(T · (Ω + ω cos ΩT /2 ) , mℓ (ω 2 − Ω2 )

welche die Anfangsbedingungen f¨ ur die nachfolgende freie Schwingung mit t > T /2 sind:

v(T /2) sin ω(t − T /2) ω 1 Ω pˆ · 2 {sin ωT /2 cos ω(t−T /2) + ( + cos ωT /2) sin ω(t−T /2)} =− 2 mℓ (ω −Ω ) ω pˆ 1 Ω =− · { sin ωt + sin ω(t − T /2) } . mℓ (ω 2 −Ω2 ) ω

ϑ(t) = ϑ(T /2) cos ω(t − T /2) +

Beispiel 2: Br¨ uckenpfeiler bei Flugzeuganprall Ein als starr angenommener Br¨ uckenpfeiler der H¨ ohe l wird von einem Kleinm k flugzeug getroffen. Der Br¨ uckenpfeiler p(t) ist am unteren Ende mit kP elastisch G eingespannt. Die Masse mP des PfeiJ lers wirkt im Schwerpunkt an der Stelle m l/2. Infolge der auf dem Br¨ uckenpfeiG ler liegenden Fahrbahn wirkt am oberen g Ende des Pfeilers eine elastische Lagek rung kF sowie die Masse mF der Fahrbahn. Der Stoß p(t) infolge KleinflugBild 8-6 Br¨ uckenpfeiler zeug trifft das obere Pfeilerende. F

F

F

l/2

p

p

l/2

p

Die Bewegungsgleichung f¨ ur die Verdrehung ϑ des Br¨ uckenpfeilers ist in Analogie zum Beispiel in Abschnitt 4.2.2 gegeben. F¨ ur die Drehbewegung gilt jetzt GP mP + mF )l2 ϑ¨ − ( + GF ) l sin ϑ + (kP + kF l2 )ϑ = 0 , 4 2 wenn keine Fußpunkterregung vorhanden ist. Nach Linearisierung der Bewegungsgleichung um die Stelle ϑ = 0 folgt (

(

mP GP + mF ) l2 ϑ¨ + [ (kP + kF l2 ) − ( + GF ) l ] ϑ = 0 . 4 2

74

8 Erzwungene Schwingungen – unperiodisch

Als Einwirkung wird der Stoß infolge Flugzeug als Dreieckimpuls der Zeit TS auf Fahrbahnh¨ ohe angen¨ ahert: p(t) = pˆ ·

p(t)

t TS

f¨ ur

p(t) = pˆ · (2 − p(t) = 0

t TS )

f¨ ur f¨ ur

0 ≤ t ≤ TS ,

p

TS ≤ t ≤ 2 TS , t > 2 TS .

t TS

2TS

Damit folgt die Bewegungsgleichung mP GP + mF ) l2 ϑ¨ + [ (kP + kF l2 ) − ( + GF ) l ] ϑ = p(t) l . 4 2 Mit der Eigenkreisfrequenz ω und der Masse m (

mP GP + GF ) l ]/( + mF ) l 2 2 4 liefert das Duhamel-Integral mit δ = 0 ω 2 = [(kP + kF l2 ) − (

ϑ=

1 mω

Zt1

t0

e−δ·(t−τ ) sin ω(t − τ ) · p(τ ) dτ =

1 mω

und

Zt1

t0

m=(

mP + mF ) l 2 4

sin ω(t − τ ) · p(τ ) dτ ,

wenn die Anfangsauslenkung und die Anfangsgeschwindigkeit null gesetzt sind. Zeitbereich 0 ≤ t ≤ TS

Die Integration des Duhamel-Integrals 1 ϑ= mω

Zt 0

=

pˆ l mωTS

sin ω(t − τ ) · pˆ l · Zt 0

τ dτ TS

(sin ωt cos ωτ − cos ωt sin ωτ ) · τ dτ

pˆ l cos ωτ τ sin ωτ sin ωτ τ cos ωτ t = [sin ωt( + − ) − cos ωt( )]0 2 2 mωTS ω ω ω ω pˆ l ( ωt − sin ωt ) = mω 3 TS gibt die L¨ osung der Bewegungsgleichung f¨ ur die Zeit 0 ≤ t ≤ TS . Zur Zeit TS sind die Verdrehung ϑ und die Drehgeschwindigkeit v pˆ l ˙ S ) = pˆ l ( 1 − cos ωTS ) ( ωTS − sin ωTS ) , v(TS ) = ϑ(T mω 3 TS mω 2 TS erreicht, die als Anfangsbedingungen f¨ ur die Zeit TS ≤ t ≤ 2 TS wirken. ϑ(TS ) =

8.3 Anwendungsbeispiele f¨ ur das Duhamel–Integral

75

Zeitbereich TS ≤ t ≤ 2TS

Entsprechend Abschnitt 8 gilt mit δ = 0 zun¨ achst 1 v(TS ) sin ω(t−TS ) + ϑ(t) = ϑ(TS ) cos ω(t−TS ) + ω mω

Zt τ sin ω(t−τ ) · pˆ l · (2− ) dτ . TS

TS

Die Umformung des ersten Teils gibt v(TS ) ϑ0 (t) = ϑ(TS ) cos ω(t − TS ) + sin ω(t − TS ) ω pˆ l = [( ωTS − sin ωTS ) cos ω(t − TS ) + (1 − cos ωTS ) sin ω(t − TS )] mω 3 TS pˆ l [ ωTS cos ω(t − TS ) + sin ω(t − TS ) − sin ωt] . = mω 3 TS Die Umformung des Duhamel-Integrals liefert zun¨achst ϑ1 (t) =

pˆ l mω

Zt

(sin ωt cos ωτ − cos ωt sin ωτ ) · (2 −

TS

τ ) dτ TS

und weiter 2 pˆ l {sin ωt(sin ωt − sin ωTS ) + cos ωt(cos ωt − cos ωTS )} mω 2 pˆ l cos ωt t sin ωt sin ωt t cos ωt − {[sin ωt( 2 + ) − cos ωt( 2 − )] mωTS ω ω ω ω TS sin ωTS TS cos ωTS sin ωTS cos ωTS + ) − cos ωt( − )]} −[sin ωt( 2 2 ω ω ω ω pˆ l { 2ωTS − ωt + sin ω(t − TS ) − ωTS cos ω(t − TS )} . = mω 3 TS

ϑ1 (t) =

Damit folgt die Gesamtl¨ osung f¨ ur die Zeit TS ≤ t ≤ 2TS zu ϑ(t) = ϑ0 (t) + ϑ1 (t) =

pˆ l { 2ωTS − ωt + 2 sin ω(t − TS ) − sin ωt} . mω 3 TS

Die Verdrehung zur Zeit 2TS ϑ(2TS ) =

pˆ l {2 sin ωTS − sin 2 ωTS } mω 3 TS

und die Drehgeschwindigkeit zur Zeit 2TS ˙ v(2TS ) = ϑ(2T S) =

pˆ l {−1 + 2 cos ωTS − cos 2 ωTS } . mω 2 TS

sind die Anfangsbedingungen der freien Schwingung f¨ ur die Zeit t > 2 TS

76

8 Erzwungene Schwingungen – unperiodisch

Zeitbereich 2TS ≤ t

Mit den Anfangsbedingungen f¨ ur die freie Schwingung folgt ϑ(t) = ϑ(2TS ) cos ω(t − 2TS ) +

v(2TS ) sin ω(t − 2TS ) ω

pˆ l {[2 sin ωTS − sin 2 ωTS ] cos ω(t − 2TS ) mω 3 TS + [−1 + 2 cos ωTS − cos 2 ωTS ] sin ω(t − 2TS )} pˆ l = {− sin ω(t − 2TS ) + 2 sin ω(t − TS ) − sin ωt} mω 3 TS pˆ l {( 1 − cos ωTS ) 2 sin ω(t − TS )} . = mω 3 TS =

(8.1)

L¨ osung mit Dirac–Impuls ˆ − TS ) in Zum Vergleich ist die L¨ osung infolge eines Dirac–Impulses I · δ(t Abschnitt 8.1 f¨ ur t0 = TS angegeben ϑ(t) =

I sin ω(t − TS ) mω

f¨ ur

t > 2TS .

(8.2)

¨ Auch wenn keine direkte Ubereinstimmung von Gleichung (8.1) mit Gleichung (8.2) gegeben ist, kann man die L¨ osungen f¨ ur TS → 0 ineinander u uhren. ¨berf¨ Mit 2TS Z p(t) l dt = pˆ l TS I= 0

sowie der Regel nach l’Hopital f¨ ur den Grenz¨ ubergang TS → 0 folgt aus Gleichung (8.1) I 1 − cos ωTS { 2 sin ω(t − TS )} mω 3 TS2 sin ωTS I { 2 sin ω(t − TS )} = limes TS →0 mω 2 2 TS I cos ωTS sin ω(t − TS ) = limes TS →0 mω I = sin ω(t − TS ) . mω

limes ϑ(t) = limes TS →0

TS →0

F¨ ur kleiner werdendes TS folgt mit cos ωTS → 1 die gleiche L¨osung wie mit dem Dirac–Impuls nach Abschnitt 8.1 und Gleichung (8.2), sodass nicht mehr der Verlauf des Impulses entscheidend ist, sondern nur noch die Impulsgr¨oße.

8.3 Anwendungsbeispiele f¨ ur das Duhamel–Integral

77

Beispiel 3: Stoß infolge fallendem Gewicht In einem zweigeschossigen Geb¨ aude versagen die St¨ utzen des Obergeschosses infolge eines Erdbebens. Die Geschossdecke m2 f¨allt daraufhin aus der H¨ohe h0 auf die untere Geschossdecke m1 . Die Geschwindigkeit v2 beim Aufprall auf die untere Geschossdecke kann √ mit dem Energiesatz berechnet werden. Mit m2 (v2 )2 /2 = m2 g h0 folgt v2 = 2 g h0 . Eine vergleichbare Situation ist vorhanden, wenn das Tragseil einer Kranbahn versagt und das angeh¨ angte Gewicht auf die darunter liegenden Tragwerke f¨allt. Eine vereinfachende Modellbildung liefert die im Bild dargestellte Aufgabenstellung. Die starre Masse m2 f¨ allt mit m2 der Geschwindigkeit v2 auf die elastisch gelagerte Masse m1 . Nach dem Aufprall g h0 bewegen sich die Massen m1 + m2 gemeinsam mit x1 (t), wenn ein unelastim1 scher Stoß angesetzt wird. Mit dieser x1 Annahme k¨ onnen die Bewegung x1 (t) k1 und die im Tragwerk auftretende Federkraft F1 = k1 x1 wie folgt berechnet werden. Ohne Herleitung ist die Bewegungsgleichung f¨ ur x1 (t) gegeben: (m1 + m2 ) x ¨1 + k1 x1 = (m1 + m2 ) g . Die L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung x1h (t) = a ˆc cos ω0 t + a ˆs sin ω0 t

mit

ω0 =

und die Partikularl¨ osung x1p =

p k1 /(m1 + m2 )

m1 + m2 g k1

liefern die Gesamtl¨ osung m1 + m2 x1 (t) = g+a ˆc cos ω0 t + a ˆs sin ω0 t . k1 Die Anpassung der Gesamtl¨ osung an die Anfangsbedingungen erfolgt mit m1 g und x˙ 1 (t = 0) = v1 (t = 0) . x1 (t = 0) = k1 Die Geschwindigkeit v1 (t = 0) nach dem Aufprall kann mit dem Impulserhaltungssatz bestimmt werden. Mit m2 v2 = (m1 + m2 ) v1

78

8 Erzwungene Schwingungen – unperiodisch

folgt v1 (t = 0) =

m2 v2 m1 + m2

und hiermit die an die Anfangsbedingungen angepasste Gesamtl¨osung s m1 + m2 m2 (m2 )2 x1 (t) = g− g cos ω0 t + v2 sin ω0 t . k1 k1 (m1 + m2 ) k1 Die Umformung in die Normalform liefert s m1 + m2 k1 m2 v2 x1 (t) = g+ g 1+ ( )2 cos(ω0 t − ϕ0 ) . k1 k1 m1 + m2 g mit ϕ0 = arctan(−

v2 g

r

k1 v2 ) = arctan(− ω0 ) . m1 + m2 g

Mit x(t) ist die maximale Federkraft gegeben: s F1max = k1 x1max = (m1 + m2 ) g + m2 g

1+

k1 v2 ( )2 . m1 + m2 g

Interpretation des Ergebnisses: • Die Partikularl¨ osung infolge (m1 +m2 ) g gibt die statische Gleichgewichtslage an. • Die L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung beschreibt die Schwingung um die Gleichgewichtslage infolge Aufprall der Masse m2 . Alternativ zu dem hier gew¨ ahlten L¨ osungsweg kann die Partikularl¨osung infolge Aufprall auch mit dem Duhamel–Integral und dem Impuls I = m2 v2 berechnet werden, siehe Abschnitt 8.1. Mit dem Duhamel–Integral xp =

1 mω

Zt 0

ˆ − t0 ) dτ e−δ(t−τ ) sin ω(t − τ ) · I · δ(τ

folgt die Partikularl¨ osung mit t0 = 0, δ = 0, ω = ω0 und m = m1 + m2 zu 1 I sin ω0 t (m1 + m2 ) ω0 s (m2 )2 v2 sin ω0 t . = (m1 + m2 ) k1

xp =

Zus¨ atzlich m¨ ussen hier die Anfangsbedingungen ber¨ ucksichtigt werden.

MEHRFREIHEITSGRADSYSTEME

9 Matrizenschreibweise

Das Aufstellen der Bewegungsgleichungen f¨ ur Mehrfreiheitsgradsysteme kann zun¨ achst in Analogie zu Abschnitt 4 erfolgen. Dies bedeutet, dass die dort erl¨ auterten Verfahren sinngem¨ aß auf alle Massen und Bewegungsm¨oglichkeiten des zu untersuchenden Systems anzuwenden sind. Da die so ermittelten Bewegungsgleichungen bei vielen Freiheitsgraden sehr un¨ ubersichtlich sind, werden sie in eine Matrizenschreibweise u uhrt. Dies hat den Vorteil, dass die ¨berf¨ L¨ osungsans¨ atze und die Darstellung der L¨ osung in Analogie zum Ein–Masse– Schwinger erfolgen kann. F¨ ur eine sinnvolle Verwendung der Matrizenschreibweise werden zun¨achst alle Symbole und Bezeichnungen des Ein–Masse–Schwingers in entsprechende Vektor– bzw. Matrizensymbole u uhrt. Die Matrizenschreibweise wird da¨berf¨ nach exemplarisch auf einen Zwei–Masse–Schwinger u ¨bertragen. Die bei der Herleitung der Bewegungsgleichungen in Abschnitt 4 verwendeten Begriffe sind: Bewegungsgleichung : m¨ x + dx˙ + kx = p(t) 1 2 1 2

xm ˙ x˙

kinetische Energie

: −Am = T =

potentielle Energie

: −Ak = Π = xkx − xp0 R : −Ad = xd ˙ x˙ dt R : Ap = + xp(t) ˙ dt .

dissipierte Arbeit außere Arbeit ¨

Die Beschreibung dieser Zusammenh¨ ange erfolgt bei Mehr–Massen–Schwingern mit den nachfolgend aufgef¨ uhrten Matrizensymbolen. Fett gedruckte Großbuchstaben kennzeichnen quadratische und rechteckige Matrizen, fett gedruckte Kleinbuchstaben kennzeichnen Vektoren. Die Vektor– und Matrix–Elemente werden mit Indizes versehen, wobei der erste Index die Zeile und der zweite Index bei Matrizen die Spalte angibt. F¨ ur den Ein–Masse–Schwinger gilt i = j = 1. F¨ ur Mehr–Massen–Schwinger folgt: Masse

: M

= [mij ]

D¨ ampfung

: D

= [dij ]

Steifigkeit

: K

= [kij ]

Belastung

: p(t) = [pi ]

Variable

: x

= [xj ] .

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_9

82

9 Matrizenschreibweise

F¨ ur die Zeitableitung der Koordinaten gilt   d d x= xj = [x˙ j ] . x˙ = dt dt Mit diesen Symbolen k¨ onnen die Bewegungsgleichungen und die Arbeiten f¨ ur beliebige Mehr–Massen–Schwinger so dargestellt werden, dass die L¨osung der Bewegungsgleichungen weitgehend analog zum Ein–Masse–Schwinger erfolgen ¨ kann. Bei der Uberf¨ uhrung der skalaren Beschreibung in die Matrizenschreibweise ist zu beachten, dass Quadrate der Freiheitsgrade mit quadratischen Formen dargestellt werden m¨ ussen – also liegende und stehende Vektoren erforderlich sind. Hiermit folgt: Bewegungsgleichung : M x ¨ + D x˙ + K x = p(t) 1 2 1 2

x˙ T M x˙

kinetische Energie

: −Am = T =

potentielle Energie

: −Ak = Π = xT K x − xT p0 R : −Ad = x˙ T D x˙ dt R : Ap = + x˙ T p(t) dt

dissipierte Arbeit a ¨ußere Arbeit

F¨ ur das im Bild dargestellte System wird exemplarisch gezeigt, wie die Bewegungsgleichungen nach verschiedenen Verfahren aus Abschnitt 4 an die Matrizenschreibweise angepasst werden k¨ onnen. k1

k2 m1

m2 p2

d1

x1

d2

x2

Bild 9-1 Zwei-Massen-Schwinger Analog zum Ein–Masse–Schwinger kann die Entwicklung der Bewegungsgleichungen mit den Arbeitsschritten 1. 2. 3. 4.

Kinematik Dynamik – D’Alembert Werkstoff Bewegungsgleichung

erfolgen. Nachfolgend erfolgt dies vereinfachend nur f¨ ur den Arbeitsschritt 2.

9.1 Das D’Alembert’sche Prinzip

83

9.1 Das D’Alembert’sche Prinzip Die Herleitung der Bewegungsgleichungen mit dem D’Alembert’schen Prinzip erfolgt f¨ ur das in Bild 9-1 angegebene System mit zwei Freiheitsgraden. Zun¨ achst werden die Bewegungsgleichungen getrennt aufgestellt und in einem zweiten Schritt in die Matrizenschreibweise u uhrt. Beim D’Alembert’schen ¨berf¨ Prinzip wird das Schnittprinzip entsprechend Bild 9-2 auf die Komponenten mit eingepr¨ agten Kr¨ aften angewendet, also f¨ ur die Federkr¨afte und D¨ampferkr¨ afte. m2 x2

m1 x1 Fk1

Fk2

Fd1

Fd2

p2

Bild 9-2 Schnittbild Gleichgewicht der Kr¨ afte und der Massentr¨ agheiten an den in Bild 9-2 freigeschnittenen Massen m1 und m2 liefert folgende Gleichungen −m1 x ¨1 − Fd1 + Fd2 − Fk1 + Fk2 = 0 , −m2 x ¨2 − Fd2 − Fk2 + p2 = 0 .

Einsetzen der Werkstoffgleichungen und der Kinematik Fk1 = k1 x1 ,

Fd1 = d1 x˙ 1 ,

Fk2 = k2 (x2 − x1 ) ,

Fd2 = d2 (x˙ 2 − x˙ 1 )

f¨ uhrt auf die Bewegungsgleichungen f¨ ur x1 und x2 −m1 x ¨1 − d1 x˙ 1 + d2 (x˙ 2 − x˙ 1 ) − k1 x1 + k2 (x2 − x1 ) = 0 −m2 x ¨2 − d2 (x˙ 2 − x˙ 1 ) − k2 (x2 − x1 ) + p2 = 0 .

Das Einsortieren in die Matrizen und Vektoren erfolgt so, dass die Koeffizienten den Freiwerten spaltenweise zugeordnet sind. Die Reihenfolge der Gleichungen wird wie die Reihenfolge der Freiwerte in x gew¨ahlt. Wenn die Bewegungsgleichungen mit -1“ multipliziert werden, folgen die Bewegungsgleichungen in ” Symbolschreibweise zu M¨ x + D x˙ + K x = p(t) und in Matrizenschreibweise speziell f¨ ur das vorliegende System            0 x1 k + k2 −k2 x˙ 1 d + d2 −d2 x ¨1 m1 . = + 1 + 1 p2 x2 −k2 k2 x˙ 2 −d2 d2 x ¨2 m2

84

9 Matrizenschreibweise

Wenn die Anzahl der Gleichungen und die Anzahl der Freiwerte gleich sind, sind die Koeffizientenmatrizen quadratisch. Die Matrizen sind symmetrisch, wenn die Reihenfolge der Gleichungen und der Freiwerte u ¨bereinstimmt. Symmetrie weist bei der Steifigkeitsmatrix auf die Potentialeigenschaften der entsprechenden Kr¨ afte hin. Unsymmetrische Matrizen sind m¨oglich, wenn nichtkonservative, wegabh¨ angige Kr¨ afte ber¨ ucksichtigt werden m¨ ussen.

9.2 D’Alembert’sches Prinzip in der Lagrange’schen Fassung Das D’Alembert’sche Prinzip in der Lagrange’schen Fassung ist entsprechend Abschnitt 4.2 mit X X Qew I˙i δqi + δA = − ij δqi = 0 . i,j

i

gegeben. Es entspricht in der Statik dem Prinzip der virtuellen Verschiebungen. Zu beachten ist, dass die inneren Arbeiten der eingepr¨agten Feder– und D¨ ampferkr¨ afte negativ sind. Anstelle der Indexschreibweise kann man auch die Matrizenschreibweise w¨ ahlen, wenn die Vektoren der generalisierten eingepr¨ agten Kr¨ afte Qew und der Impuls¨ anderungen I˙ verwendet werden. Hiermit gilt X δqT Qew δA = −δqT I˙ + j = 0. j

F¨ ur das hier untersuchte System sind die virtuellen Arbeiten mit den Freiwerten xi und den virtuellen Verschiebungen δxi beschrieben. Zun¨achst werden die virtuellen Arbeiten aller Kr¨ afte und Massentr¨agheiten aufsummiert. Innere Arbeiten erhalten ein negatives Vorzeichen, die Massentr¨agheiten wirken der Bewegung entgegen. −Fk1 · δ∆x1 − Fk2 · δ∆x2 − Fd1 · δ∆x1 − Fd2 · δ∆x2 −m1 x ¨1 · δx1 − m2 x ¨2 · δx2 + p2 · δx2 = 0 .

In einem zweiten Schritt werden die Werkstoffgleichungen eingesetzt. Es folgt −k1 ∆x1 · δ∆x1 − k2 ∆x2 · δ∆x2 − d1 ∆x˙ 1 · δ∆x1 − d2 ∆x˙ 2 · δ∆x2 −m1 x ¨1 · δx1 − m2 x ¨2 · δx2 + p2 · δx2 = 0 . In einem dritten Schritt werden die kinematischen Bedingungen f¨ ur die wirklichen und die virtuellen Verschiebungen eingesetzt. Es folgt −k1 (x1 − 0) · (δx1 − 0) − k2 (x2 − x1 ) · (δx2 − δx1 )

−d1 (x˙ 1 − 0) · (δx1 − 0) − d2 (x˙ 2 − x˙ 1 ) · (δx2 − δx1 ) −m1 x ¨1 · δx1 − m2 x ¨2 · δx2 + p2 · δx2 = 0 .

9.2 D’Alembert’sches Prinzip in der Lagrange’schen Fassung

85

Und in einem letzten Schritt werden die Arbeitsterme nach den virtuellen Verschiebungen δx1 sowie δx2 sortiert   δx1 − k1 x1 + k2 (x2 − x1 ) − d1 x˙ 1 + d2 (x˙ 2 − x˙ 1 ) − m1 x ¨1   +δx2 − k2 (x2 − x1 ) + p2 − d2 (x˙ 2 − x˙ 1 ) − m2 x¨2 = 0 ,

sodass jetzt die Matrizenschreibweise der Bewegungsgleichungen folgen kann. Die wirklichen und die virtuellen Weggr¨ oßen sind in die Vektoren     x1 δx1 x= und δx = , x2 δx2

einsortiert. Die eingepr¨ agten Kr¨ afte k¨ onnen jetzt als Matrix–Vektorprodukte geschrieben werden, wobei Kr¨ afte mit positiven Vorzeichen in Richtung der Verschiebungen wirken,         X 0 x1 k1 + k2 −k2 x˙ 1 d1 + d2 −d2 + . − Qew = − p2 x2 −k2 k2 x˙ 2 −d2 d2 j

Die Impuls¨ anderungen bzw. Massentr¨ agheiten sind mit       x ¨1 I˙ m1 · −I˙ = − ˙1 = − x ¨2 m2 I2 zusammengefasst, sodass abschließend die Bewegungsgleichungen wie in Abschnitt 9.1 angegeben werden k¨ onnen. ¨ Mit eine wenig Ubung kann man das Matrizenschema der Bewegungsgleichungen f¨ ur die entsprechende Zahl der Freiheitsgrade hinschreiben und die Matrizen mit den entsprechenden Arbeitstermen – ohne weitere Zwischenschritte – direkt f¨ ullen. Nachfolgende Kontrollen der Matrizenschreibweise sind sinnvoll und einfach durchf¨ uhrbar. Bei den hier untersuchten Systemen sind nur konservative Kr¨afte vorhanden, sodass die Matrizen immer symmetrisch sein m¨ ussen, wenn die wirklichen und die virtuellen Weggr¨ oßen in der gleichen Reihenfolge verwendet werden. Außerdem sind die Untermatrizen f¨ ur die Feder- und die D¨ampferarbeiten blockweise mit den Vorzeichen +− sowie −+ versehen. Die Massenmatrix ist bei Starrk¨ orpersystemen nur auf der Diagonalen besetzt. Zu dem sind die Vorzeichen auf den Hauptdiagonalen immer positiv.

10 Systematisches Aufstellen der Systemmatrizen

Das bisherige Vorgehen f¨ uhrt in einem ersten Schritt immer auf skalare Gr¨oßen und Gleichungen. Erst danach erfolgt die Anpassung an die Matrizenschreibweise. Setzt man einmal voraus, dass die Bewegungsgleichungen die Form −M ¨ x − D x˙ − K x + p(t) = 0 besitzen, kann man die Vektoren x, p und die Matrizen K, D und M auch systematisch je f¨ ur sich aufstellen, ohne die Bewegungsgleichungen zu kennen. Dies hat den Vorteil, dass die Wirkungen der einzelnen Komponenten getrennt betrachtet werden k¨ onnen, sodass das Vorgehen dem synthetischen“ Aufstellen ” der Bewegungsgleichungen vergleichbar ist. Generell gibt es zwei Verfahren, die man zum Aufstellen der Koeffizientenmatrizen einsetzen kann – das Verfahren der Krafteinflusszahlen und das Verfahren der Verformungseinflusszahlen.

10.1 Krafteinflusszahlen Das Verfahren der Krafteinflusszahlen entspricht dem Weggr¨oßenverfahren in der Statik. Es zielt direkt auf die Ermittlung der Matrizen K, D und M. Kerngedanke ist die Deutung der Bewegungsgleichungen als Kr¨aftegleichgewicht in Richtung der Koordinaten x = [xi ]. Dies bedeutet, dass in jeder Gleichung eine Summe von Kr¨ aften steht, deren Gr¨ oße mit den Unbekannten x, x˙ und x ¨ festgelegt ist. Die Koeffizientenmatrizen haben hiernach die Bedeutung von Krafteinflusszahlen, die den Einfluss der Kr¨ afte“ K·x, D· x˙ und M·¨ x auf das ” Gleichgewicht beschreiben. Die Berechnungsvorschrift f¨ ur die Krafteinflusszahlen K, D und M folgt unmittelbar aus der Fragestellung: Wie groß sind die an einer Masse angreifenden Kr¨afte bzw. Momente, wenn ” die Weggr¨ oßen den Wert 1“ haben?“ ” Das Vorgehen bei der Berechnung der Krafteinflusszahlen sieht daher die folgenden Schritte vor. 1. Setze alle xj , x˙ j und x ¨j zu Null. 2. Setze eine Koordinate xj = 1 und berechne alle Kr¨afte“ kij · 1 an der ” Stelle i ( in Richtung von xi ) infolge xj = 1. 3. Setze eine Geschwindigkeit x˙ j = 1 und berechne alle Kr¨afte“ dij · 1 an ” der Stelle i ( in Richtung von xi ) infolge x˙ j = 1. 4. Setze eine Beschleunigung x ¨j = 1 und berechne alle Kr¨afte“ mij · 1 an ” der Stelle i ( in Richtung von xi ) infolge x¨j = 1. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_10

10.1 Krafteinflusszahlen

87

Mit diesem Schema k¨ onnen sukzessive alle Elemente der Koeffizientenmatrizen berechnet werden. Hierbei sind die xj , x˙ j und x ¨j jeweils in der gleichen Richtung anzusetzen. Mit der Steifigkeitsmatrix folgen die Federkr¨afte zu Fk = K · x = [kij ] · [xj ] . Zu beachten ist, dass der Index j die Ursache und damit die Spalte in den Matrizen angibt und der Index i den Ort und die Richtung der Kraftgr¨oße, also die Zeile in den Matrizen kennzeichnet: 1. Index : 2. Index :

Ort Ursache

Unter der Voraussetzung, dass alle kinematischen Bedingungen von vornherein eingehalten sind, f¨ uhrt dieses Vorgehen auf die Bewegungsgleichungen f¨ ur die Verschiebungen x(t). Da immer nur eine Weggr¨oße zu 1“ gesetzt wird und ” alle anderen zu Null“, ist der jeweilige Kraftangriffspunkt von den anderen ” abgeschottet“. Hierdurch werden immer nur eng begrenzte Bereiche betrach” ¨ tet, was die Ubersichtlichkeit steigert und den Rechenaufwand verringert. Die Vorzeichen der Kr¨ afte sind so zu w¨ ahlen, dass positive Kr¨afte in Richtung der positiven Weggr¨ oßen zeigen. Zu beachten ist beim Einbau der Krafteinflusszahlen in die Bewegungsgleichung, dass das vor den Matrizen stehende Vorzeichen mit ber¨ ucksichtigt wird. Beispiel 1 F¨ ur das im Bild dargestellte System mit zwei Freiheitsgraden sind die Bewegungsgleichungen mit dem Verfahren der Krafteinflusszahlen aufzustellen. k1

k2 m1

d1

x1

k3 m2

d2

x2

d3

Zun¨ achst sind alle Punktmassen gleichzeitig frei zu schneiden. F¨ ur die Steifigkeitsmatrix sind dabei jeweils alle Federkr¨ afte anzutragen, wenn die Verschiebungen xi nacheinander zu 1“ gesetzt werden. Mit den hieraus folgenden Fe” derkr¨ aften kann die Steifigkeitsmatrix entwickelt werden. Analog dazu werden die D¨ ampferkr¨ afte und die Tr¨ agheitskr¨ afte f¨ ur die Geschwindigkeiten x˙ i = 1 und die Beschleunigungen x ¨i = 1 bestimmt und hieraus die D¨ampfungs– und die Massenmatrix.

88

10 Systematisches Aufstellen der Systemmatrizen

Steifigkeitsmatrix x1 = 1 , x2 = 0

k1 x1

k2 x1 k2 x2

x1 = 0 , x2 = 1

k3 x2

Fk1

Fk2

Fk11 = (k1 + k2 ) x1 , Fk12 = −k2 x2 Fk21 = −k2 x1 , Fk22 = (k2 + k3 ) x2 "

Fk1 Fk2

#

=

"

k1 + k2 −k2

−k2 k2 + k3

D¨ ampfungsmatrix x˙ 1 = 1 , x˙ 2 = 0

#"

x1 x2

#

d 1 x1



Fk = K x

d2 x1 d 2 x2

x˙ 1 = 0 , x˙ 2 = 1

d 3 x2

Fd1

Fd2

Fd11 = (d1 + d2 ) x˙ 1 , Fd12 = −d2 x˙ 2 Fd21 = −d2 x˙ 1 , Fd22 = (d2 + d3 ) x˙ 2 "

Fd1 Fd2

#

=

"

d1 + d2 −d2

−d2 d2 + d3

Massenmatrix x¨1 = 1 ,

#"

x˙ 1 x˙ 2

#



Fd = D x˙

m1 x1

x ¨2 = 0 m2 x 2

x¨1 = 0 , x ¨2 = 1 Fm1

Fm2

Fm11 = m1 x ¨1 , Fm22 = m2 x ¨2 "

Fm1 Fm2

#

=

"

m1 0

0 m2

#"

x ¨1 x ¨2

#



Fm = M x ¨

10.1 Krafteinflusszahlen

89

Beispiel 2 Das im Bild dargestellte System ist im Lagerpunkt A viskos gelagert, sodass sich die Walze drehen und rutschen kann. N¨ aherungsweise kann sin ϕ ≈ ϕ und cos ϕ ≈ 1 gesetzt werden, wenn die Verdrehungen klein sind. Mit dem Verfahren der Krafteinflusszahlen sind die Koeffizientenmatrizen der Bewegungsgleichungen f¨ ur die unabh¨ angigen Freiheitsgrade u und ϕ aufzustellen.

0,7. k 2.. u

R

k2

m,Θ A, dA

u 45°

Steifigkeitsmatrix u=1

k1

ϕ

0,7. k 2.. R . ϕ

u=0 k1. u

0,5. k 2.. u

ϕ=0

0,5 . k 2. R . ϕ

ϕ=1

√ Hier ist 1/ 2 ≈ 0,7 angesetzt und die Federkraft aus k2 auf die Richtung von u projeziert. Die aus der Federkraft folgenden Momente Fk21 = 0,5·k2 ·R·u sowie Fk22 = 0,5·k2 ·R2 ·ϕ drehen um den Mittelpunkt der Scheibe.

"

Fk1 Fk2

Fk11 = (k1 + 0,5 k2 ) u , Fk12 = 0,5 k2 R ϕ Fk21 = 0,5 k2 R u , Fk22 = 0,5 k2 R2 ϕ # " #" # k1 + 0,5 k2 0,5 k2 R u = → 0,5 k2 R 0,5 k2 R2 ϕ

Fk = K x

D¨ ampfungsmatrix u˙ = 1

dA. R . ϕ

dA . u

u˙ = 0 ϕ˙ = 1

ϕ˙ = 0 Fd11 = +dA u˙ , Fd12 = −dA R ϕ˙ Fd21 = −dA R u˙ , Fd22 = +dA R2 ϕ˙ "

Fd1 Fd2

#

=

"

dA −dA R

−dA R dA R2

#"

u˙ ϕ˙

#



Fd = D x˙

90

10 Systematisches Aufstellen der Systemmatrizen

Massenmatrix u¨ = 1 , ϕ¨ = 0

mu

Fm11 = m u ¨

u¨ = 0 , ϕ¨ = 1

ϕ

Fm22 = Θ ϕ¨

"

Fm1 Fm2

#

=

"

m 0

0 Θ

#"

u¨ ϕ¨

#



Fm = M x ¨

10.2 Verallgemeinerung der Krafteinflusszahlen Bisher sind die Einflusszahlen aus dem Kraftbegriff abgeleitet. Das Aufstellen der Bewegungsgleichungen ist hierbei der synthetischen Vorgehensweise vergleichbar. Beim analytischen Aufstellen der Bewegungsgleichungen ist die ¨ Betrachtung von Arbeiten und Energien Grundlage. Ubertr¨ agt man den Arbeitsbegriff auf die Berechnung der Einflusszahlen, so f¨ uhrt das Prinzip der virtuellen Arbeit hier auf eine andere Interpretation der Einflusszahlen. Mit dem Prinzip der virtuellen Verschiebungen nach Abschnitt 4.2.2 werden die Arbeiten der wirklichen Kr¨ afte auf virtuellen Wegen u ¨ber das gesamte System aufsummiert, was wegen der Unabh¨ angigkeit der virtuellen Wege auf die einzelnen Bewegungsgleichungen, also die Zeilen der Matrizengleichung f¨ uhrt −δxT {M x ¨ + D x˙ + K x − p(t)} = 0 . Die wirklichen Kr¨ afte werden hierbei mit Einflusszahlen, dies sind die Elemente der Koeffizientenmatrizen, und den wirklichen Weggr¨oßen beschrieben. Die virtuellen Wege sind wie bisher gezeigt anzusetzen. Damit k¨onnen die Einflusszahlen mit Hilfe des Arbeitsbegriffes berechnet werden. Wie groß ist die Arbeit der wirklichen Kr¨ afte auf den virtuellen Wegen, wenn ” die wirklichen Wege den Wert 1“ haben?“ ” Das Schema f¨ ur die Berechnung der Einflusszahlen ist analog zu Abschnitt 10.1 beschrieben, nur dass hier nicht die Krafteinflusszahlen, sondern die Arbeitseinflusszahlen kij , dij und mij berechnet werden, die zahlenm¨aßig identisch sind, wenn die virtuellen Wege in Richtung der wirklichen Wege weisen. 1. Setze alle xj , x˙ j und x ¨j zu Null. 2. Setze eine Koordinate xj = 1 und berechne alle Arbeiten“ kij an der ” Stelle i infolge xj = 1. 3. Setze eine Geschwindigkeit x˙ j = 1 und berechne alle Arbeiten“ dij an ” der Stelle i infolge x˙ j = 1. 4. Setze eine Beschleunigung x ¨j = 1 und berechne alle Arbeiten“ mij an ” der Stelle i infolge x ¨j = 1.

10.3 Verformungseinflusszahlen

91

10.3 Verformungseinflusszahlen Alle hier untersuchten Systeme m¨ ussen die Bedingungen der Kinematik und der Dynamik erf¨ ullen. Bisher wurde die Erf¨ ullung der kinematischen Bedingungen stets vorausgesetzt und die Dynamik mit der Bewegungsgleichung beschrieben, die Grundlage der Berechnung der Verschiebungen ist. Alternativ hierzu kann man die Bedingungen an die Kr¨ afte von vornherein erf¨ ullen und eine kinematische Bedingung als Grundlage zur Berechnung der Verschiebungen ansetzen. Dieses Vorgehen ist in der Statik als Kraftgr¨oßenverfahren bekannt. Mit der Annahme, dass alle am System angreifenden Kr¨ afte und alle Massentr¨agheiten entsprechende Verschiebungen jeder einzelnen Masse zur Folge haben, gilt die Verformungsbedingung X xi (Fje ,I˙i ) = 0 . (10.1) i,j

Die Summe aller Verschiebungen xi infolge der eingepr¨agten Kr¨afte Fje und der Massentr¨ agheiten I˙i muss verschwinden. Dies bedeutet, dass im System bei der Verformung keine L¨ ucken auftreten. Wie berechnet man die Verschiebungen infolge der eingepr¨agten Kr¨afte? F¨ ur die Federkr¨ afte gilt Fk = K xk



xk = K−1 Fk ,

sodass die Verschiebungen formal mit der Inversen der Steifigkeitsmatrix berechnet werden k¨ onnen, im konkreten Fall jedoch ohne die Steifigkeitsmatrix aufstellen zu m¨ ussen. Im weiteren wird dieser Zusammenhang auch f¨ ur die Kr¨ afte Fd = D x, ˙ p und die Massentr¨ agheiten Fm = M x ¨ verallgemeinert xi = Hi Fi , wobei die Matrix H = [hij ] jeweils die Bedeutung einer Nachgiebigkeit hat. Hiermit kann die Verformungsbedingung umgeschrieben werden −xm − xd − xk + xp = 0 , −Hm Fm − Hd Fd − Hk Fk + Hp p = 0 .

(10.2)

Die Vorzeichenregelung ist so gew¨ ahlt, dass die Weggr¨oßen positiv sind, wenn die zugeh¨ origen Kr¨ afte in Richtung der positiven Koordinaten zeigen. Die hij sind Verformungseinflusszahlen, die den Einfluss jeder einzelnen Kraftkomponente auf die kinematische Bedingung beschreibt. In Analogie zu den Krafteinflusszahlen folgt die Bedeutung der Verformungseinflusszahlen aus der Fragestellung:

92

10 Systematisches Aufstellen der Systemmatrizen

Wie groß ist die Weggr¨ oße, wenn alle am System angreifenden eingepr¨agten ” Kr¨ afte und Massentr¨ agheiten den Wert 1“ haben?“ ” Unter der Voraussetzung, dass das System f¨ ur jede Kraft 1“ im Gleichgewicht ” ist, k¨ onnen die Verformungseinflusszahlen nach folgendem Schema berechnet werden: 1. Setze alle Fmj , Fdj und Fkj zu Null. 2. Setze eine Kraft Fkj = 1 und berechne alle Weggr¨oßen“ hkij an der ” Stelle i infolge Fkj = 1. 3. Setze eine Kraft Fdj = 1 und berechne alle Weggr¨oßen“ hdij an der Stelle ” i infolge Fdj = 1. 4. Setze eine Kraft Fmj = 1 und berechne alle Weggr¨oßen“ hmij an der ” Stelle i infolge Fmj = 1. 5. Berechne alle Weggr¨ oßen“ hpij an der Stelle i infolge pj = 1. ” Hier kennzeichnet der Index j die Ursache und i den Ort der Weggr¨oße. In den F¨ allen, in denen die Kr¨ afte Fk , Fd , Fm und p am gleichen Ort angreifen, sind die Matrizen der Verformungseinflusszahlen identisch, sodass nur eine Matrix H ermittelt werden muss. Der Nachteil dieses Verfahrens liegt in der Berechnung der Gleichgewichtszust¨ ande f¨ ur die Einheitskr¨afte, da diese in der Regel das gesamte System erfassen, also nicht abgeschottet sind. Falls erforderlich ist eine statisch unbestimmte Berechnung durchzuf¨ uhren. Außerdem ist Gleichung (10.2) weiter umzuformen, um die Bewegungsgleichung zu erhalten. Die Massentr¨ agheiten sind direkt mit den Beschleunigungen verkn¨ upft Fmj = mj x ¨j , sodass man die Massen direkt mit Hm spaltenweise multiplizieren kann ˜ mx Hm Fm = H ¨. Die D¨ ampferkr¨ afte sind u ¨ber Differenzgeschwindigkeiten definiert Fdj = d(x˙ j+1 − x˙ j ) ,

˜ d x˙ umgeformt werden muss. Hierbei sind x˙ j+1 sodass das Produkt Hd Fd in H und x˙ j die Geschwindigkeiten benachbarter durch D¨ampfer verbundener Massen. Die Federkr¨ afte sind mit Fkj = k(xj+1 − xj ) ,

˜ k x folgt. Im Sonderfall ist festgelegt, woraus f¨ ur die Verschiebung Hk Fk = H ˜ Hk = I. Erst nach diesen Umformungen folgt die Bewegungsgleichung ˜ mx ˜ d x˙ + H ˜ k x = Hp p . H ¨+H

10.3 Verformungseinflusszahlen

93

Beispiel 1 Die im Bild dargestellte Reihenschaltung von Feder–Masse–Schwingern ist statisch bestimmt, sodass der Gleichgewichtszustand direkt angebbar ist und hiermit die Verschiebungen relativ einfach berechnet werden k¨onnen. k1

k2

m1

k3

m2

m3

p

x2

x1

x3

F¨ ur die Verschiebungen aus Massentr¨ agheiten m1 x ¨1 = 1

→ x1 = x2 = x3 =

m2 x ¨2 = 1



x1 =

1 k1

x2 = x3 = m3 x ¨3 = 1



x1 =

folgt die Nachgiebigkeitsmatrix  1  Hm = 

k1 1 k1 1 k1

1 k1 1 k1

+

1 k2

1 k1

1 k1

+

1 k2

1 k1

+

1 k2

+

1 k1

+ +

1 k1

x2 = x3 =

1 k1

1 k3



1 k1 1 k2 1 k2

1 k1

1 k1

+

1 k2

+

1 k2

+

 .

1 k3

F¨ ur die Federkr¨ afte gilt

k1 x1 = 1



x1 = x2 = x3 =

k2 (x2 − x1 ) = 1



x1 = 0 x2 = x3 =

k3 (x3 − x2 ) = 1



x1 = x2 = 0 x3 =

und damit 

 Hk = 

1 k1 1 k1 1 k1

1 k2

0 1 k2 1 k2

 0 0  .

1 k3

1 k3

1 k1

94

10 Systematisches Aufstellen der Systemmatrizen

Mit den Federkr¨ aften multipliziert  1  Hk Fk =  0 0

folgen die Knotenverschiebungen   0 0 x1   1 0   x2  . x3 0 1

Die Verformungseinflusszahlen f¨ ur die Belastung sind identisch Hm . Da hier nur die zweite Spalte angesprochen wird, kann direkt das Produkt 

Hp · p = 

1 k1 1 k1

1 k1

+ +

1 k2 1 k2



·p

angeschrieben werden. Damit folgen die Bewegungsgleichungen als Verformungsbedingungen f¨ ur die Koordinaten x(t)        1 m1 k11 m2 k11 m3 k11 x¨1 x1 k1        1 1 1 m3 ( k11 + k12 )   x¨2  +  x2  =  k11 + k12  p .  m1 k1 m2 ( k1 + k2 ) 1 1 m1 k11 m2 ( k11 + k12 ) m3 ( k11 + k12 + k13 ) x¨3 x3 k1 + k2

Die Umrechnung in die Normalform“ gelingt, wenn man die Gleichung von ” links mit H−1 achst die zweite Zeile von m multipliziert. Alternativ kann man zun¨ der dritten Zeile und die erste Zeile von der zweiten Zeile abziehen, sodass       1   m1 k11 m2 k11 m3 k11 x ¨1 1 x1 k       1   m2 k12 m3 k12   x ¨2  +  −1 1    x2  =  k12  p m3 k13 x ¨3 x3 −1 1 folgt. Multipliziert man   m1 m2 m3   m2 m3    m3

jetzt zeilenweise mit kj , bleibt       x1 1 x ¨1 k1       x ¨2  +  −k2 k2   x2  =  1  p . x3 x ¨3 −k3 k3

Zieht man die dritte Zeile von der zweiten und von der ersten Zeile ab, und danach die zweite Zeile von der ersten Zeile, so erh¨alt man die Normalform         x1 k1 + k2 −k2 x ¨1 m1         k2 + k3 −k3   x2  =  1  p . ¨2  +  −k2 m2  x  x3 −k3 k3 x ¨3 m3

10.4 Verallgemeinerung der Verformungseinflusszahlen

95

10.4 Verallgemeinerung der Verformungseinflusszahlen In Analogie zur Verallgemeinerung der Krafteinflusszahlen mit dem Prinzip der virtuellen Verschiebungen k¨ onnen Verformungseinflusszahlen mit dem Prinzip der virtuellen Kr¨ afte interpretiert werden. Formuliert man die Verformungsbedingung X

xi (Fje ,Ii ) = 0

i,j

mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Kr¨ afte, so m¨ ussen die Arbeiten der virtuellen Kr¨ afte auf den wirklichen Wegen verschwinden δFT {

X

xi (Fje ,Ii )} = 0 .

i,j

Die virtuellen Kr¨ afte δFT d¨ urfen nicht mit den eingepr¨agten Kr¨aften Fe verwechselt werden, sondern sind hiervon unabh¨ angige Kr¨afte, die auf den wirklichen Wegen Arbeiten leisten k¨ onnen. Dem entsprechend k¨onnen die Einflusszahlen aus der nachfolgenden Fragestellung ermittelt werden. Wie groß ist die Arbeit der virtuellen Kr¨ afte auf den wirklichen Wegen, wenn ” die wirklichen Kr¨ afte den Wert 1“ haben?“ ” Das schematische Vorgehen bei der Berechnung der Arbeitseinflusszahlen umfasst hier die folgenden Schritte: 1. Setze alle Fmj , Fdj und Fkj zu Null. 2. Setze eine Kraft Fkj = 1 und berechne alle Arbeiten“ hkij an der Stelle ” i infolge Fkj = 1. 3. Setze eine Kraft Fdj = 1 und berechne alle Arbeiten“ hdij an der Stelle ” i infolge Fdj = 1. 4. Setze eine Kraft Fmj = 1 und berechne alle Arbeiten“ hmij an der Stelle ” i infolge Fmj = 1. 5. Berechne alle Arbeiten“ hpij an der Stelle i infolge pj = 1. ” Das Verfahren der Verformungseinflusszahlen ist zwar dual zu den Krafteinflusszahlen, jedoch f¨ ur gr¨ oßere Systeme mit vielen Freiheitsgraden und f¨ ur eine programmtechnische Aufbereitung nicht geeignet, sodass es heute kaum noch Verwendung findet.

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke

Abschnitt 10 behandelt das Aufstellen von Bewegungsgleichungen f¨ ur Starrk¨orpersysteme mit endlich vielen Freiheitsgraden f¨ ur die Beschreibung der Bewegung der beteiligten diskreten Punktmassen. Kontinuierliche Systeme bestehen aus unendlich vielen differentiell kleinen Massen, sodass das Aufstellen der Bewegungsgleichungen am differentiellen Element erfolgen muss. Wenn alle differentiellen Massen den gleichen kinematischen und dynamischen Bedingungen gehorchen, reicht es aus, ein repr¨ asentatives Element zu betrachten. Die Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke k¨ onnen am differentiellen Element analog zu einem Ein–Masse–Schwinger aufgestellt werden. Zu beachten ist jedoch, dass differentielle Elemente deformierbar sind, die Deformation kinematischen Bedingungen gehorcht und u ¨ber die Werkstoffeigenschaften mit den Schnittgr¨ oßen verkn¨ upft ist. Nachfolgend werden die Bewegungsgleichungen dem unterschiedlichen Tragverhalten entsprechend f¨ ur Dehn–, Biege– und Torsionsst¨ abe aufgestellt. Von den in Abschnitt 4 angegebenen Verfahren werden das D’Alembert’sche Prinzip und das Prinzip der virtuellen Arbeiten gew¨ahlt.

11.1 Dehnst¨ abe Dehnst¨ abe sind grundlegende Bauelemente, die in vielen Bauwerken verwendet werden. Beispiele sind Fachwerke, St¨ utzen, Pfeiler oder Pylone im konstruktiven Ingenieurbau oder Bohrpf¨ ahle in der Geotechnik. Die geometrischen Bezeichnungen, die Belastung und die Werkstoffeigenschaften sind wie folgt gegeben. Zeitkoordinate : t Raumkoordinate : x Verschiebung : u(x, t) ¯ (t) Belastungen : px (x, t),N Dehnsteifigkeit : EA außere D¨ ampfung : du ¨ Werkstoffd¨ ampfung : dε Massebelegung : ρA px (x,t) l, du, dε , ρA, EA

Bild 11-1 Dehnstab

x, u (x, t)

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_11

N(t)

11.1 Dehnst¨ abe

97

11.1.1 Anwendung des D’Alembert’schen Prinzips Das D’Alembert’sche Prinzip betrachtet das Gleichgewicht der Kr¨afte und Massentr¨ agheiten am differentiellen Element. Bei Ber¨ ucksichtigung der anderen Grundgleichungen kann hiermit die Bewegungsgleichung f¨ ur die Verschiebung u(x, t) des differentiellen Elementes hergeleitet werden. Bild 11-2 zeigt die am differentiellen Element wirkenden Kr¨ afte und die Massentr¨agheitskraft. Eine elastische Bettung ist hier nicht ber¨ ucksichtigt, kann aber bei Bedarf entsprechend der D¨ ampferkraft erg¨ anzt werden. px dx ρ . A .u dx

N

N + dN u Fdudx

Bild 11-2 Schnittkr¨afte am differentiellen Element an der Stelle x Entsprechend dem bei Starrk¨ orpersystemen gew¨ ahlten Vorgehen gelten am differentiellen Masseteilchen folgende Grundgleichungen Kinematik

:

ǫ − u,x = 0 ,

Dynamik – D’Alembert

: −ρA · u ¨ − Fdu + N,x + px (x, t) = 0 ,

Werkstoff – visko–elastisch

:

N − EA · ǫ − dε A · ε˙ = 0 ,

Werkstoff – ¨ außerer D¨ ampfer

:

Fdu − du · u˙ = 0 .

Die Reduktion auf die Bewegungsgleichung f¨ ur die Verschiebung u(x, t) gelingt, wenn die Werkstoffgleichungen und die Gleichung der Kinematik in das D’Alembert’sche Prinzip eingesetzt werden −ρA u ¨ − du u˙ + (dε A u, ˙ x ),x + (EA u,x ),x + p(x, t) = 0 . Die Bewegungsgleichung ist eine partielle Differentialgleichung in Raum und Zeit. Dies bedeutet, dass die Verschiebung u(x, t) vom Ort und von der Zeit abh¨ angt. Hiermit folgt, dass die Integrationskonstanten bez¨ uglich beider Koordinaten beachtet werden m¨ ussen. F¨ ur die Zeit sind dies die Anfangsbedingungen f¨ ur die Verschiebungen und die Geschwindigkeiten entlang des gesamten Stabes u0 (x) = u(x, 0) v0 (x) = u(x, ˙ 0) und f¨ ur den Raum die Randbedingungen zu allen Zeiten f¨ ur die Verschiebungen am festen Rand.

98

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke

u ¯(t) = u(x, t)

u

u

Die Randbedingungen f¨ ur die Verschiebungen bezeichnet man als Dirichlet– Randbedingungen, wenn sie die L¨ osungsfunktion der Differentialgleichung am Rand festlegen. Die Randbedingungen f¨ ur die Kr¨ afte, die hier mit der 1. Ableitung der L¨ osungsfunktion definiert sind, bezeichnet man dagegen als NeumannRandbedingung ¯ (t) = N (x, t) N

N

N xRand

und die Randbedingung, an der die Verschiebungen und die Kr¨afte mit einer Feder oder einem D¨ ampfer verkn¨ upft sind, als Cauchy–Randbedingung. N

¯ (t) − EA · u,x (x, t) − m¨ N u(x, t) − ku(x, t) = 0 .

N m

k

Die Berechnung der strengen L¨ osung der partiellen Differentialgleichung ist erheblich aufw¨ andiger als die Berechnung der L¨osung der gew¨ohnlichen Differentialgleichung eines Starrk¨ orpersystems. Das analytische Vorgehen ist jedoch nicht Gegenstand der hier gew¨ ahlten Darstellung, da hier lediglich die Entwicklung und der Zusammenhang der Grundgleichungen im Vergleich mit Starrk¨ orpersystemen gezeigt werden sollte. Eine ausf¨ uhrliche Diskussion analytischer L¨ osungen der Bewegungsgleichungen ist z.B. in [48] gegeben.

11.1.2 Das Prinzip der virtuellen Verschiebungen Das D’Alembert’sche Prinzip in der Lagrange’schen Fassung beschreibt die am System von den eingepr¨ agten Kr¨ aften und den Massentr¨agheiten geleisteten Arbeiten auf virtuellen Verschiebungen. Es ist daher dem Prinzip der virtuellen Verschiebungen ¨ aquivalent. Die am differentiellen Element geleisteten Arbeiten sind analog zu Abschnitt 4.2 dδA = {−δǫN + δu(−ρA¨ u − Fd + px )} dx , ¨ wobei die virtuellen Arbeiten der Werkstoffd¨ ampfung aus Gr¨ unden der Ubersichtlichkeit hier nicht weiter ber¨ ucksichtigt werden. Die Arbeiten in der Feder erscheinen hier als Arbeitsterm −δǫ N . Die Integration der Arbeiten u ¨ber das Gesamtsystem einschließlich der Arbeiten einer Randlast gibt Z ¯ )|Rand = 0 . δA = {−δǫN + δu(−ρA¨ u − Fd + px )} dx + (δuN

11.1 Dehnst¨ abe

99

und nach Einsetzen der Werkstoffgleichungen f¨ ur die Feder N = EA ǫ und den D¨ ampfer Fd = d u˙ sowie der Kinematik ǫ = u,x bzw. δǫ = δu,x Z ¯ )|Rand = 0 . δA = {−δuρA¨ u − δudu˙ − δu,x EAu,x + δupx } dx + (δuN Die Arbeitsgleichung ist in dieser Form den Grundgleichungen und den Randbedingungen in Abschnitt 11.1.1 a ¨quivalent, wenn u und δu die kinematischen Zw¨ ange im Gebiet und auf dem Rand erf¨ ullen. Die Arbeitsaussage ist exakt. Im Unterschied zu den diskreten Starrk¨orper–Systemen ist hier die Integration der virtuellen Arbeiten u uhren, um zur ¨ber die Raumkoordinate durchzuf¨ Normalform der Bewegungsgleichung zu gelangen. Dies bedeutet, dass f¨ ur die Beschreibung der Verschiebungen u und δu Ans¨ atze gew¨ahlt werden m¨ ussen, mit denen es m¨ oglich ist, die Raumkoordinate im Arbeitssatz zu eliminieren.

11.1.3 Diskretisierung im Raum Eine M¨ oglichkeit ist, die Verschiebungen mit einem Produktansatz in Raum und Zeit als Separationsansatz wie bei der L¨ osung der Differentialgleichung aus Abschnitt 11.1.1 zu beschreiben. Der Ansatz enth¨alt in der Regel mehrere Ansatzfunktionen Ω(x) im Raum jeweils multipliziert mit den Amplituden v(t), die den Zeitverlauf beschreiben.   v1 (t)    v2 (t)   u(x,t) = φ1 (x) φ2 (x) φ3 (x) . . .   v3 (t)  . ...

Hiermit gelingt es, die Differentiation und die Integration bez¨ uglich der Raumkoordinate von der Zeitkoordinate zu separieren und getrennt auszuwerten, wenn der Funktionsverlauf in x bekannt ist. F¨ ur die Differentiation nach den Raum– und Zeitkoordinaten folgt damit u(x,t) = Ω(x) · v(t) , u(x,t),x = Ω(x),x · v(t) , ˙ , u(x,t) ˙ = Ω(x) · v(t) ¨ (t) . u ¨(x,t) = Ω(x) · v Die virtuelle Verschiebung δu(x) ist nur von der Raumkoordinate abh¨angig, da δu(x) keine Nachbarbewegung sein muss, siehe Abschnitt 4.2.2. δu(x) = Ω(x) · δv .

100

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke

Nach Einsetzen des Ansatzes in die Arbeitsgleichung kann man die Amplituden v(t) und δv aus den Integralen hierausziehen, sodass die Integration u ¨ber die Raumkoordinate explizit ausgef¨ uhrt werden kann: Z Z Z δ A = δvT {− ΩT ρA Ω dx v ¨ − ΩT d Ω dx v˙ − Ω,Tx EA Ω,x dx v Z ¯ )|Rand } = 0 . + ΩT p dx + (ΩT N Die Integrale k¨ onnen jetzt als Massen–, D¨ ampfungs– und Steifigkeitsmatrizen und als Lastvektor aufgefasst werden, sodass die verbleibende Bewegungsgleichung f¨ ur die Berechnung des zeitlichen Verlaufs des Verschiebungsfeldes v(t) den gleichen Aufbau hat, wie die Bewegungsgleichungen f¨ ur Starrk¨orpersysteme δA = δvT {−M · v ¨ − D · v˙ − K · v + p } = 0 . Hierbei wird deutlich, dass die Arbeitsgleichung dem D’Alembert’schen Prinzip aquivalent ist und damit eine schwache Form der Gleichgewichtsbedingungen ¨ ist. Die Berechnung der M, D, K–Matrizen und des Lastvektors p ist unmittelbar mit dem r¨ aumlichen Funktionsverlauf verkn¨ upft. Wenn im allgemeinen Fall keine analytisch strenge L¨ osung zur Verf¨ ugung steht, was bei partiellen Differentialgleichungen die Regel ist, ist eine Approximation des Verschiebungsfeldes m¨ oglich. Das am weitesten verbreitete N¨ aherungsverfahren f¨ ur die numerische L¨osung der Arbeitsgleichung ist die Finite–Elemente–Methode. Hierbei wird das Integrationsgebiet in einzelne endliche Elemente unterteilt, sodass die Verlaufsfunktionen Ω(x) als N¨ aherungsans¨ atze elementweise gew¨ahlt werden k¨onnen. Die N¨ aherungsans¨ atze sind frei w¨ ahlbar, m¨ ussen aber die kinematischen Zw¨ange f¨ ur u(x, t) und δu(x) erf¨ ullen, damit die Stetigkeit des Verschiebungsfeldes und die Randbedingungen f¨ ur die Weggr¨ oßen bez¨ uglich der Raumkoordinate eingehalten sind. Am einfachsten kann man die Grundgleichungen der Kinematik, die Randbedingungen und die Element¨ ubergangsbedingungen mit Polynomans¨ atzen erf¨ ullen, deren Freiwerte als Verschiebungen oder Verschiebungsableitungen an den Elementgrenzen festgelegt sind. Im weiteren werden die Bewegungsgleichungen f¨ ur einen Dehnstab exemplarisch f¨ ur eine Unterteilung in ein und in zwei Elemente aufgestellt. Im Elementgebiet werden lineare Ansatzfunktionen f¨ ur Ω(x) so gew¨ ahlt, dass die Knotenverschiebungen am Anfang und am Ende des Elementes die Freiwerte v(t) des Ansatzes sind.

11.1 Dehnst¨ abe

101

Nachlaufrechnung Unabh¨ angig von der Arbeitsgleichung f¨ ur die Berechnung des Verschiebungsfeldes m¨ ussen auch die Schnittgr¨ oßen ermittelt werden, da sonst keine Bemessung des Tragwerks m¨ oglich ist. Wenn die Bewegungsgleichung gel¨ ost ist und die Knotenweggr¨oßen bekannt sind, k¨ onnen die eingepr¨ agten Kr¨ afte in einer Nachlaufrechnung wie folgt berechnet werden. Den Grundgleichungen entsprechend gilt Federkraft

:

N = EA · ǫ = EA · u,x ,

D¨ ampferkraft : Fd = d · u˙

= d · u˙ .

¨ Ubersetzt man die beiden Gleichungen in eine Matrizenschreibweise, folgt " # " # " # N EA∂x 0 u = · . Fd 0 d u˙ Verwendet man die gleichen Ans¨ atze f¨ ur die Verschiebungen wie in der Bewegungsgleichung, folgt weiter " # " # " # N EAΩ,x 0 v = · Fd 0 dΩ v˙ und in Symbolschreibweise F = S·y. In F sind die eingepr¨ agten Kr¨ afte und in y die Verschiebungen und die Geschwindigkeiten zusammengefasst. S bezeichnet man als Spannungsmatrix. Beispiel f¨ ur eine Diskretisierung mit einem Element Die Arbeitsgleichung f¨ ur das im Bild dargestellte System soll mit einem einzigen Element im Raum diskretisiert werden. Als Ansatz wird ein linearer Verlauf der Verschiebungen mit den Freiheitsgraden u0 (t) und u1 (t)         u0 u0 und u,x = −1/l 1/l · u = (1 − x/l) x/l · u1 u1

und f¨ ur die virtuellen Verschiebungen mit δu0 und δu1 gew¨ahlt     δu0 . δu = (1 − x/l) x/l · δu1

102

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke px (x,t) 0

N(t) 1

x, u

u0

1 1

u1

Bild 11-3 Ansatzfunktionen bei einem Element Mit den gew¨ ahlten Ans¨ atzen berechnet man die Koeffizientenmatrizen formal zu " # R T 1/3 1/6 M = Me = Ω ρA Ω dx = ρAl , 1/6 1/3 " # R T 1/3 1/6 D = De = Ω d Ω dx = dl , 1/6 1/3 " # R T 1 −1 K = Ke = Ω ,x EA Ω,x dx = EA/l , −1 1 " #   R T pl/2 0 p = pe = Ω p dx + = . ¯ ¯ N pl/2 + N

Der Index e kennzeichnet die Elementmatrizen, die hier mit den Systemmatrizen identisch sind. Mit der Arbeitsgleichung folgen jetzt die Bewegungsgleichungen f¨ ur die Knotenfreiheitsgrade u0 (t) und u1 (t) # " #" # " #" 1/3 1/6 u ¨0 1/3 1/6 u˙ 0 − dl −ρAl u ¨1 u˙ 1 1/6 1/3 1/6 1/3 " # " #" # 1 −1 pl/2 u0 EA + − ¯ = 0. l −1 1 u1 pl/2 + N Die Erf¨ ullung der Wegrandbedingungen u(0,t) = u0 (t) = 0

und

δu(0) = δu0 = 0

bedeutet, dass auf δu0 und von u0 keine Arbeiten geleistet werden. Es bleibt

11.1 Dehnst¨ abe

103

daher nur noch die Bewegungsgleichung f¨ ur u1 (t)          1 EA pl 1 ¯ u ¨1 − dl u˙ 1 − u1 + +N =0 δv1 −ρAl 3 3 l 2 Wenn die Verschiebung u1 (t) bekannt ist, k¨ onnen die eingepr¨agten Kr¨afte mit einer Nachlaufrechnung berechnet werden. Wie oben gezeigt, gilt in allgemeiner Form im Elementgebiet " # " # # " N EAΩ,x 0 v = · . Fd 0 dΩ v˙ Wertet man die gew¨ ahlten linearen Ans¨ atze an den Stellen x = 0 sowie x = ℓ aus, folgt     EA   − ℓ N0 + EA 0 0 u0 ℓ    N   EA  u  1  + EA 0 0   1   − ℓ · ℓ =      Fd0   0  u ˙ 0  0 d 0  Fd1 u˙ 1 0 0 0 d und mit u0 = 0

    

N0 N1 Fd0 Fd1





+ EA ℓ

  + EA   ℓ =    0 0

0 0 0 d



#  "   · u1 .  u˙ 1 

Aufgrund der gew¨ ahlten Ans¨ atze sind die Normalkr¨afte N im Element r¨aumlich konstant und die D¨ ampferkr¨ afte Fd r¨ aumlich linear ver¨anderlich. Beispiel f¨ ur eine Diskretisierung mit zwei Elementen Die Arbeitsgleichung f¨ ur das im Bild dargestellte System soll jetzt mit zwei Elementen diskretisiert werden. Hierbei sind die Ans¨atze elementweise definiert. Auch die Auswertung der Integrale erfolgt elementweise, da nur hier eine Kopplung von wirklichen Verschiebungen u und virtuellen Verschiebungen δu vorhanden ist. Das Auswerten ur das gesamte Sy  der Arbeitsintegrale liefert f¨ stem mit vT = u0 u1 u2 schematisch die folgende Anordnung der virtuellen Arbeiten der jeweiligen Integrationsbereiche in Matrizenschreibweise     Z2 Z1 Z2 ⋆ ⋆  v + δvT  ⋆ ⋆ v. dx = dx + dx = δvT  ⋆ ⋆ ⋆ ⋆ 0 0 1

104

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke px (x,t) 0

N(t) 2

1 x, u

u0

1

u1

1 1

u2

Bild 11-4 Dehnstab mit zwei Elementen Die virtuellen Arbeiten sind zeilenweise entsprechend der Reihenfolge der virtuellen Knotenweggr¨ oßen δu0 , δu1 , δu2 und spaltenweise entsprechend der Reihenfolge der wirklichen Knotenweggr¨ oßen u0 , u1 , u2 sortiert. Das Zusammenf¨ ugen aller Matrizen liefert die Bewegungsgleichungen f¨ ur die Verschiebungen u0 , u1 und u2 :  l01    l01   l01 l01 0 0 u ¨0 u˙ 0 3 6 3 6  l    l   l01 l12 l12   u l01 l12 l12   u˙  01 01 ¨  − d δvT {−ρA   6  6 3 + 3 6  1  3 + 3 6  1  l12 l12 l12 l12 u ¨2 u˙ 2 0 0 6



 −EA  

3

1 − l01

1 l01 1 − l01

1 l01

+

0

1 l12

1 − l12

0

6



u0





3



p l01 2

    1    u1  +  p l01 + p l12 } = 0 . − l12   2  2  1 ¯ u2 p l12 l12 2 +N

Der Einbau der Wegrandbedingungen erfolgt mit dem Streichen der ersten Zeile wegen δv0 = 0 und der ersten Spalte wegen v0 = 0. Es bleiben die Bewegungsgleichungen f¨ ur die unbekannten Verschiebungen v1 und v2 : " l01 # " l01 # l12 l12 # " l12 l12 # " u¨1 u˙ 1 3 + 3 6 3 + 3 6 T δv {−ρA −d l12 l12 l12 l12 u¨2 u˙ 2 6

−EA

"

1 l01

+

3

1 l12

1 − l12

6

1 − l12 1 l12

#"

u1 u2

#

+

"

l12 p l01 2 +p 2

¯ p l12 2 +N

3

#

} = 0.

11.1 Dehnst¨ abe

105

Die Nachlaufrechnung f¨ ur die eingepr¨ agten Kr¨ afte kann jetzt elementweise wie bei der Diskretisierung mit einem Element erfolgen. Wertet man die gew¨ahlten linearen Ans¨ atze elementweise aus, folgt f¨ ur jedes Element      EA  − ℓ ua + EA 0 0 Na ℓ    N   ub  + EA 0 0  − EA   b   · ℓ ℓ , =     Fda   0 d 0   u˙ a   0 Fdb

0

0

0

d

u˙ b

wenn mit a der Anfang des Elementes und mit b das Ende des Elementes bezeichnet sind. Mit den gew¨ ahlten Ans¨ atzen sind die Normalkr¨afte N in jedem Element konstant und die D¨ ampferkr¨ afte Fd linear ver¨anderlich.

11.1.4 Erg¨ anzungen zum PvV Infolge der Modellierung des physikalischen Systems sind oft zus¨atzlich zu den kontinuierlichen Massebelegungen und der Elastizit¨at auch Einzelfedern, Einzeld¨ ampfer und Einzelmassen vorhanden. Die Ber¨ ucksichtigung dieser Anteile ist mit nur wenig Mehraufwand verbunden. Die zus¨atzlichen Arbeiten der Federkr¨ afte: D¨ ampferkr¨ afte: Massentr¨ agheiten:

δAk = −δu k u ,

δAd = −δu d u˙ , δAm = −δu m u ¨

werden zun¨ achst additiv in der Arbeitsgleichung ber¨ ucksichtigt: −δA = −δAGebiet − δARand

= −δAGebiet + (δu k u + δu d u˙ + δu m u ¨)|Rand .

Dies bedeutet, dass die Federsteifigkeit, die D¨ ampferviskosit¨at und die Masse auch nach der Diskretisierung additiv in die entsprechenden Matrizen einzubauen sind, wobei die Zeile mit der virtuellen Weggr¨oße und die Spalte mit der wirklichen Weggr¨ oße festgelegt sind. Bei gleicher Reihenfolge der virtuellen und wirklichen Weggr¨ oßen ist dies stets die Hauptdiagonale. l, ρA, EA

m

x, u(x,t)

Bild 11-5 Dehnstab mit Einzelfeder und Einzelmasse

k u(l,t)

106

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke

11.2 Biegest¨ abe Das Aufstellen der Bewegungsgleichungen f¨ ur Biegest¨abe erfolgt analog zum Dehnstab, sodass hier die Darstellung des Vorgehens nicht so detailliert sein muss. pz (x,t ) l, d, ρA, EJ

ϕ

Q

M

x

z,w

Bild 11-6 Biegestab mit ¨außerer D¨ampfung infolge Luft oder Wasser Die geometrischen Bezeichnungen, die Belastung und die Steifigkeit sind nachfolgend gegeben. Zeitkoordinate : t Raumkoordinaten : x, z Verschiebung : w(x,t) Verdrehung : ϕ(x,t) Verkr¨ ummung : κ(x,t) ¯ ¯ (t) Lasten : pz (x,t), Q(t), M Biegesteifigkeit : EI Viskosit¨ at : dw , dϕ Massenbelegung : ρA Rotationstr¨ agheit : ρI

11.2.1 Die Grundgleichungen f¨ ur Biegest¨ abe Mit der Annahme verschwindender Querschubverformungen lassen sich die Grundgleichungen des Biegestabes auf eine Bewegungsgleichung f¨ ur die Durchbiegung w zusammenfassen. Die Weggr¨ oßen des differentiellen Elementes sind zun¨achst w und ϕ. Mit der Bernoulli–Hypothese lassen sich folgende kinematische Bedingungen angeben: ) κ = ϕ,x → κ = w,xx . ϕ = w,x Dies bedeutet, dass w und ϕ stetig differenzierbar sein m¨ ussen.

11.2 Biegest¨ abe

107

Das D’Alembert’sche Prinzip liefert am differentiellen Element das Gleichgewicht der Kr¨ afte in Richtung z X Fz = −ρAw ¨ − Fd + Q,x + pz = 0

sowie das Gleichgewicht der Momente in Richtung ϕ X Mϕ = −ρI ϕ¨ − Md − M,x + Q = 0 . P

Mϕ = 0 kann man nach der Querkraft Q aufl¨ osen und die Querkraft in das Gleichgewicht der Kr¨ afte einsetzen.

..

ρIdx j

p z dx w

M d dx

j

M + dM M Q

Q + dQ Fd dx

..

ρA dx w

Bild 11-7 Differentielles Element

Zusammengefasst folgt das Gleichgewicht der Kr¨afte in Richtung z −ρAw ¨ − Fd + (ρI ϕ), ¨ x + Md ,x + M,xx + pz = 0 . Die Werkstoffgleichung f¨ ur elastisches Materialverhalten M = −EIκ gibt den Zusammenhang zwischen den Verkr¨ ummungen und dem Biegemoment an. Die Werkstoffgleichungen f¨ ur die von außen auf das differentielle Element wirkende Verschiebungs– und Drehd¨ ampfung sind mit Fd = dw w˙ sowie

Md = dϕ ϕ˙

angesetzt. Wenn die kinematischen Bedingungen und die Werkstoffgleichungen in die Gleichgewichtsbedingung eingesetzt werden, folgt die Bewegungsgleichung f¨ ur die Verschiebung w −ρAw ¨ − dw w˙ + (ρI w, ¨ x ),x + (dϕ w, ˙ x ),x − (EIw,xx ),xx + pz = 0 . Die Bewegungsgleichung enth¨ alt Terme mit unterschiedlicher Gr¨oßenordnung, wenn sie f¨ ur Systeme des Ingenieurwesens verwendet wird. Bei Vernachl¨assigung der Rotationstr¨ agheiten und Drehd¨ ampfungen bleibt −ρAw ¨ − dw w˙ − (EIw,xx ),xx + pz = 0 .

(11.1)

Wegen der vierfachen Differentiation in Richtung x k¨onnen vier Integrationskonstanten an die Randbedingungen angepaßt werden. Dies sind die Randbedingungen f¨ ur die Kinematik

108

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke j

w ¯ −w = 0, ϕ¯ − ϕ = 0

w

j

w

und die Randbedingungen f¨ ur die Dynamik – hier ohne diskrete D¨ampfer – M

Q

¯ − Q − mw Q ¨ − kw w = 0 ,

Q

¯ − θϕ¨ − kϕ ϕ = 0 . M −M

M

m

ϕ



kw

Wie beim Dehnstab kann auch f¨ ur den Biegestab die analytische L¨osung f¨ ur Sonderf¨ alle berechnet werden. Das Vorgehen ist in verschiedenen Lehrb¨ uchern gezeigt. Hier sei nur auf die Darstellung in [48] hingewiesen.

11.2.2 Beispiel f¨ ur die analytische L¨ osung der Bewegungsgleichung Analytische L¨ osungen f¨ ur die Bewegungsgleichung sind nur in Sonderf¨allen m¨ oglich. Sie eignen sich allerdings besonders gut f¨ ur die Beurteilung von N¨aherungsl¨ osungen, die mit einem numerischen Verfahren ermittelt werden k¨onnen. Als Beispiel wird der gelenkig gelagerte Balken unter einer sin–Last nach Bild 11-8 gew¨ ahlt. Die Bewegung ist unged¨ ampft. Die Biegesteifigkeit ist konstant.

P (x,t) = p sin p x sin Wt l x z,w

gegeben: rA, EI, l, p

l

Bild 11-8 Gelenkig gelagerter Balken ( 0 ≤ x ≤ ℓ ) Die Bewegungsgleichung ρAw ¨ + (EIw,xx ),xx = pˆ · sin

π x · sin Ωt . ℓ

(11.2)

und die Randbedingungen w(0, t) = 0 M (0, t) = 0

und und

w(ℓ, t) = 0 , M (ℓ, t) = 0

sind gegeben. Die Gesamtl¨ osung der Bewegungsgleichung umfasst wieder die freien und die erzwungenen Schwingungen.

11.2 Biegest¨ abe

109

1. Die freien Schwingungen Mit dem Separationsansatz und beliebigem, ganzzahligen m π wh (x,t) = w ˆh · sin m x · sin ωt , ℓ werden die Randbedingungen exakt erf¨ ullt, sodass in einem zweiten Schritt die Eigenkreisfrequenz ω mit der Bewegungsgleichung berechnet werden kann. Zun¨ achst folgen die Raum– und Zeitableitungen π w ¨h (x,t) = −w ˆh ω 2 · sin m x · sin ωt , ℓ π mπ 4 ) · sin m x · sin ωt . wh (x,t),xxxx = +w ˆh ( ℓ ℓ Nach Einsetzen des Ansatzes in die Bewegungsgleichung und Ausklammern der gemeinsamen Faktoren folgt mπ 4 π {−ω 2 ρA + ( ) EI} w ˆh · sin m x · sin ωt = 0 . ℓ ℓ Damit ist die zu dem jeweiligen Reihenglied m geh¨orende Eigenkreisfrequenz s mπ 2 EI ) ωm = ±( ℓ ρA gegeben. Die Gesamtl¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung ber¨ ucksichtigt daher jede Eigenfrequenz ωm mit einem eigenen Reihenglied wh (x,t) =

m X 1

π sin m x · (wˆcm · cos ωm t + w ˆsm · sin ωm t) , ℓ

wobei die Koeffizienten w ˆcm und w ˆsm an die Anfangsbedingungen angepasst werden m¨ ussen. 2. Die erzwungenen Schwingungen f¨ ur das 1. sin–Reihenglied Mit einem Ansatz vom Typ der rechten Seite, der auch die Randbedingungen erf¨ ullt, kann man die Partikularl¨ osung berechnen. Mit dem Separationsansatz π wp (x, t) = w ˆp · sin x · sin Ωt ℓ folgen die Raum– und Zeitableitungen π x · sin Ωt , ℓ π4 π = +w ˆp 4 · sin x · sin Ωt . ℓ ℓ

w ¨p (x, t) = −w ˆp Ω2 · sin wp (x, t),xxxx

110

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke

Einzige Unbekannte des Ansatzes ist die Amplitude w ˆp , die mit der Bewegungsgleichung berechnet wird. Nach Einsetzen des Ansatzes in die Bewegungsgleichung und Ausklammern der gemeinsamen Faktoren folgt {(−Ω2 ρA +

π π4 EI) w ˆp − pˆ} · sin x · sin Ωt = 0 ℓ4 ℓ

und weiter w ˆp = pˆ/(−Ω2 ρA +

π4 EI) . ℓ4

Mit Hilfe der Fourier–Analyse l¨ asst sich der L¨ osungsansatz auf beliebige Reihenglieder sin nπx/ℓ der Last im Raum sowie sin nΩt bzw. cos nΩt in der Zeit u ¨bertragen. 3. Die Gesamtl¨ osung Die Gesamtl¨ osung der Bewegungsgleichung enth¨alt die freien Schwingungen und die erzwungenen Schwingungen w(x,t) = wh (x,t) + wp (x,t) =

m X 1

π x · (w ˆcm · cos ωm t + w ˆsm · sin ωm t) ℓ π π4 + pˆ/(−Ω2 ρA + 4 EI) · sin x · sin Ωt . ℓ ℓ

sin m

Die noch unbekannten Koeffizienten w ˆcm und w ˆsm m¨ ussen an die Anfangsbedingungen w(x, 0) und w(x, ˙ 0) angepasst werden. 4. Die Nachlaufrechnung Die Nachlaufrechnung erfolgt hier f¨ ur die Biegemomente. Mit der Werkstoffgleichung f¨ ur M (x, t) und der Gesamtl¨ osung w(x, t) folgt M (x,t) = −EI · w,xx = EI

m X 1

π π (m )2 sin m x · (w ˆcm · cos ωm t + w ˆsm · sin ωm t) ℓ ℓ π π π4 +EI( )2 pˆ/(−Ω2 ρA + 4 EI) · sin x · sin Ωt . ℓ ℓ ℓ

Die Nachlaufrechnung f¨ ur die Querkr¨ afte Q(x, t) erfolgt entsprechend.

11.2 Biegest¨ abe

111

11.2.3 Das Prinzip der virtuellen Verschiebungen Die Formulierung der Arbeitsgleichung kann in Analogie zum Dehnstab erfolgen, wenn die am differentiellen Element geleisteten Arbeiten dδA = {−ρA w ¨ δw − Fd δw + M δκ + pz δw } dx u ¨ber das Gebiet integriert werden Z δA = {−ρA w ¨ δw − Fd δw + M δκ + pz δw} dx = 0 .

Die inneren Federarbeiten“ M δκ sind aufgrund der gew¨ahlten Vorzeichen po” sitiv. Die Arbeiten auf dem Rand werden in Abschnitt 11.2.4 erg¨anzt. Nach Einsetzen der Kinematik und des Werkstoffgesetzes folgt das Prinzip der virtuellen Verschiebungen als Anwendungsgleichung Z δA = {−δw ρA w ¨ − δw d w˙ − δw,xx EI w,xx + δw pz } dx = 0 . (11.3)

Wie bereits beim Dehnstab erl¨ autert, ist die Arbeitsgleichung eine ¨aquivalente Formulierung der Gleichgewichtsbedingung. Erg¨ anzungen zum PvV Einige m¨ ogliche Erweiterungen der bisher angegebenen physikalischen Eigenschaften von Balkensystemen sind im Bild dargestellt. Sie k¨ onnen wie nachfolgend erl¨ autert in die Bewegungsgleichungen eingebaut werden.

Q l, ρA, EJ

j z,w

x

M m,Θ kw,kj

Sind Einzellasten oder Einzelfedern vorhanden, so m¨ ussen die virtuellen Arbeiten wie folgt erg¨ anzt werden δA = δAGebiet + δARand ¯ + δϕ M ¯ ) |Rand . = δAGebiet − (δw kw w + δϕ kϕ ϕ − δw Q Das Vorzeichen der virtuellen Arbeiten folgt aus der Richtung der Kraft– und der virtuellen Weggr¨ oßen. Bei Einzelmassen sind die virtuellen Arbeiten der Massentr¨ agheiten δAm = δAm, Gebiet + δAm, Rand = δAm, Gebiet − (δw m w ¨ + δϕ θ ϕ) ¨ |Rand additiv zu ber¨ ucksichtigen. Bei eventuell vorhandenen Einzeld¨ampfern sind die Kr¨ afte beim Prinzip der virtuellen Arbeit mit δwj d w˙ j in der Zeile der Weggr¨ oße δwj zu ber¨ ucksichtigen, auf der sie Arbeit leisten.

112

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke

11.2.4 N¨ aherungsl¨ osung mit Hermite–Polynomen Die Berechnung der Biegeschwingung kann jetzt in Analogie zum Dehnstab mit einem N¨ aherungsansatz erfolgen. F¨ ur die wirklichen Verschiebungen w(x, t) und f¨ ur die virtuellen Verschiebungen δw(x) wird ebenfalls ein Separationsansatz w(x,t) = Ω(x) · v(t) , δw(x) = Ω(x) · δv . gew¨ ahlt. F¨ ur w muss mindestens ein Polynom 3. Ordnung gew¨ahlt werden, wenn alle kinematischen Bedingungen im Gebiet und auf den R¨andern ber¨ ucksichtigt werden sollen. Gut geeignet sind Hermite–Polynome, da dann die kinematischen Bedingungen auf den R¨ andern direkt mit den Knotenfreiwerten erf¨ ullt werden k¨ onnen   wA i h  ϕA  3 2 3 2 3 2 3 2  w = 1 − 3 x2 + 2 x3 x − 2 x + x2 3 x2 − 2 x3 − x + x2   wB  . l l l l l l l l ϕB wA . 1

1

. w B

jA . 1

1

. jB

Bild 11-9 Hermite-Polynome 3. Ordnung Zu beachten ist, dass nur w Beschreibungsvariable ist. w wird mit Ansatzfunktionen beschrieben, deren Faktoren Knotenverschiebungen und Knotenverdrehungen sind. Die Ans¨ atze k¨ onnen f¨ ur Einzelfelder von Balkensystemen und f¨ ur Einzelelemente eines Einzelfeldes verwendet werden. Der Zusammenbau erfolgt dann wie beim Dehnstab gezeigt. Die Auswertung der virtuellen Arbeiten der Momente gibt im Elementgebiet Z Z δw,xx EI w,xx dx = δvT Ω,Txx EI Ω,xx dx v = δvT Ke v mit der Elementsteifigkeitsmatrix  12  6l  Ke =   −12 6l

6l 4l2 −6l 2l2

−12 6l −6l 2l2 12 −6l −6l 4l2



 EI  · 3 .  l

11.2 Biegest¨ abe

113

Die Integration der virtuellen Arbeiten der Massentr¨agheiten Z Z ¨ δwρAw¨ dx = δvT ΩT ρA Ω dx v ¨ = δvT Me v

liefert die Elementmassenmatrix  156l 22l2  22l2 4l3  Me =   54l 13l2 −13l2 −3l3

54l 13l2 156l −22l2

−13l2 −3l3 −22l2 4l3



 ρA  . ·  420

Mit den virtuellen Arbeiten der Einwirkungen Z Z δw p dx = δvT ΩT p dx = δvT pe

folgt der Elementlastvektor f¨ ur r¨ aumlich konstante Streckenlast p(x,t)   pl/2  pl2 /12    pe =  .  pl/2  −pl2 /12

Anwendungsbeispiel F¨ ur das im Bild dargestellte System sind die Bewegungsgleichungen mit dem PvV bei einer Unterteilung mit einem Element aufzustellen. p(t)

kg ρA = 3,36 m

0

1 k

2

EJ = 100 Nm N k = 10 m

p(t) = 40 cos Ω t N 2,5 m

2,5 m

Bild 11-10 Biegestab mit Einzellast und Einzelfeder 1. Arbeitsgleichung Die Arbeitsgleichung f¨ ur die vorliegende Aufgabenstellung ist gegeben: Z Z −δA = δwρAwdx ¨ + δw,xx EIw,xx dx + δwkw|x=5m − δwp(t)|x=2,5m = 0 .

114

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke

2. Ansatzfunktionen Als Ansatzfunktionen werden die Hermite-Polynome mit den Freiwerten End” verschiebung w1“ und Endverdrehung ϕ1“ gew¨ ahlt. ” 0

1 w1

0

1

j1

3. Gebietsintegrale Hiermit folgen die Gebietsintegrale f¨ ur die Massentr¨agheiten " #" # Z   ρA 156l −22l2 w ¨1 T ¨ = δw1 δϕ1 δwρAw¨ dx = δv Me v 420 −22l2 ϕ¨1 4l3 und die Steifigkeiten " Z   EI 12 T δw,xx EIw,xx dx = δv Ke v = δw1 δϕ1 3 l −6l

−6l 4l2

#"

w1 ϕ1

#

.

Die Einzelfeder wird additiv in der Systemsteifigkeitsmatrix ber¨ ucksichtigt. Bei der Berechnung der Lastspalte ist zu beachten, dass die Last bei der gew¨ahlten Elementeinteilung auf beiden Ansatzfunktionen virtuelle Arbeit leistet. Mit x3 x2 x3 x2 − 2 und φ = − + ϕ 1 l2 l3 l l2 k¨ onnen die ¨ außeren virtuellen Arbeiten ausgewertet werden " #   0,5 p(t) δw p(t)|x=2,5m = δw1 δϕ1 . −0,125 l p(t) φw1 = 3

4. Bewegungsgleichungen

Damit folgen die Bewegungsgleichungen in allgemeiner Schreibweise " # " #" # " #  3 0,5 p(t) w1 EI 12 + lEIk 6l ρA 156l 22l2 w ¨1 + 3 = ϕ¨1 420 22l2 4l3 l ϕ1 −0,625 p(t) 6l 4l2 und in Zahlen # " # # " #" " #" 20 cos(Ωt) 19,6 24 w1 6,24 4,4 w ¨1 = . + ϕ1 ϕ¨1 −25 cos(Ωt) 24 80 4,4 4,0 Das hier gezeigte Vorgehen kann in Analogie zum Dehnstab auch auf eine Diskretisierung mit mehreren Integrationsbereichen u ¨bertragen werden, wenn in jedem Bereich Hermite–Polynome verwendet werden.

11.3 Torsionsst¨ abe

115

11.3 Torsionsst¨ abe Stabtragwerke, die mit Torsionsmomenten um die L¨angsachse belastet sind, k¨ onnen elastisch verdrillt werden, wenn die Verdrehung um die L¨angsachse am Auflager behindert wird. Elastische Wellen als Getriebebauteile erfahren einen Widerstand aus der Momentenverteilung auf die Antriebsr¨ader und den Massentr¨ agheiten. Ein Flugzeugrumpf erf¨ ahrt eine Verdrillung aus der an den Tragfl¨ achen und dem Leitwerk angreifenden Druckverteilung und den Massentr¨ agheiten. Bei Windkraftanlagen tordieren die Rotorbl¨atter infolge der Winddruckverteilung und die Pylone infolge der unsymmetrisch angeordneten Rotorbl¨ atter. H

H

MT

Bild 11-11 Torsion elastischer Stabtragwerke F¨ ur die Modellierung von Torsionsst¨ aben gelten die folgenden Bezeichnungen. Zeitkoordinate Raumkoordinate Drillwinkel Torsionsmomente Polares Tr¨ agheitsmoment Drillsteifigkeit Viskosit¨ at Drehmassenbelegung Einzelfelder Einzelmasse

: : : : : : : : : :

t x ϑ ¯T mT , M JT GJT dT ρJT kT ΘT

Ohne weitere Herleitung und Diskussion der Grundgleichungen k¨onnen f¨ ur den einfachsten Fall einer w¨ olbkraftfreien Lagerung die Torsionsschwingungen elastischer St¨ abe mit der Bewegungsgleichung −ρJT · ϑ¨ − dT · ϑ˙ + (GJT ·ϑ,x ),x + mT = 0 beschrieben werden. Hierbei sind Massentr¨ agheiten, ¨außere D¨ampfung, die Elastizit¨ at des Stabes und angreifende Streckenmomente ber¨ ucksichtigt. Die kinematischen und dynamischen Randbedingungen sind mit ¯ = ϑ(x,t) ϑ(t)

und

¯ T − θT · ϑ¨ − kT ·ϑ = 0 M

116

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke

gegeben, wobei an jedem Rand entweder die Verdrehung oder das Gleichgewicht angesetzt werden muss. MT

x y

z

ϑ

MT

ΘT

ϑ

Im Vergleich mit der Modellierung von Dehnst¨ aben nach Abschnitt 11.1.1 wird deutlich, dass sowohl die Bewegungsgleichung als auch die Randbedingungen den gleichen mathematischen Aufbau aufweisen. Dies bedeutet, dass die Verfahren zum Aufstellen der Bewegungsgleichungen und sp¨ater auch deren L¨osung v¨ ollig analog behandelt und interpretiert werden k¨onnen. Nachfolgend werden daher ohne weitere Herleitung des Arbeitsprinzips die Bewegungsgleichungen f¨ ur ein elastische Torsionsst¨ abe mit dem D’Alembert’schen Prinzip in Lagrange’scher Fassung aufgestellt. Beispiel 1 Rotorbl¨ atter von Windkraftanlagen, Hubschrauber-Rotoren und auch Tragfl¨ ugel großer Streckung bei Flugzeugen k¨ onnen als Torsionsst¨abe behandelt werden. Hierbei folgt das angreifende Torsionsmoment mT aus der Druckverteilung aus Wind. Triebwerke, Verst¨ arkungselemente, Messinstrumente oder Vergleichbares k¨ onnen als Einzelmassen ber¨ ucksichtigt werden. Exemplarisch wird der im Bild dargestellte Torsionstab mit dem PvV diskretisiert. 1

0

2 ρJ T , GJT mT

ΘT ϑ

x 4m

8m

ρJ T = 0,4 kgm GJ T = 2 . 10 7 Nm 2 ΘT = 10 kgm 2 m T = 500 Nm/m

1. Arbeitsgleichung F¨ ur die Analyse des Schwingungsverhaltens kann das Prinzip der virtuellen Verschiebungen in der Form Z −δA = {δϑ ρJT ϑ¨ + δϑ,x GJT ϑ,x − δϑ mT }dx + δϑ θT ϑ¨ = 0

angesetzt werden. Hier sind die Arbeiten der Massentr¨agheiten ρJT ϑ¨ und der angreifenden Momente mT sowie die inneren Arbeiten aus Elastizit¨at ber¨ ucksichtigt.

11.3 Torsionsst¨ abe

117

2. Ansatzfunktionen Die Diskretisierung der Arbeitsgleichung erfolgt f¨ ur zwei Elemente. Als Ansatzfunktionen f¨ ur die wirklichen und die virtuellen Drehungen werden lineare Ans¨ atze analog zu Abschnitt 11.1.2 verwendet. Freiwerte sind die Drehungen ϑ1 und ϑ2 an der Stelle x = 4 m bzw. x = 12 m bzw. die entsprechenden virtuellen Knotendrehungen. 0

1

2 . ϑ1

1

2 . ϑ2

3. Gebietsintegrale Die Auswertung der Arbeitsgleichung mit den gew¨ahlten Ans¨atzen kann analog zum Dehnstab und zum Balken in Matrizenschreibweise in der Reihenfolge der virtuellen Drehungen erfolgen: " l01 Z l12 l12 # " ¨ # ϑ1 3 + 3 6 ¨ , δϑρJT ϑ dx = [ δϑ1 δϑ2 ] ρJT l12 l12 ϑ¨2 6 3 Z

δϑ,x GJT ϑ,x dx = [ δϑ1 δϑ2 ] GJT

δϑ θT ϑ¨ = [ δϑ1 δϑ2 ] θT Z

"

"

δϑ mT dx = [ δϑ1 δϑ2 ] mT

"

1 l01

+

1 l12

1 − l12

1

0

0

0

l01 2

+ l12 2

l12 2

#"

1 − l12 1 l12

#" #

ϑ¨1 ϑ¨2

#

ϑ1 ϑ2

#

,

,

.

4. Bewegungsgleichungen Mit den angegebenen Systemdaten folgen die diskretisierten Bewegungsgleichungen f¨ ur die Knotendrehungen ϑ1 und ϑ2 in Zahlen zu # #" (" ϑ¨1 11,60 0,53 [ δϑ1 δϑ2 ] 0,53 1,06 ϑ¨2 #  " #" ) 7,50 −1,25 ϑ1 3000 6 − = 0. +10 2000 ϑ2 −1,25 1,25

118

11 Bewegungsgleichungen f¨ ur Stabtragwerke

Beispiel 2 Die im Bild dargestellte Fußg¨ angerbr¨ ucke aus Stahlbeton ist mit einer im Gleichschritt marschierenden Personengruppe belastet. Dieser Fall ist nach Straßenverkehrsordnung zwar nicht erlaubt, wird hier jedoch exemplarisch angesetzt. Die Personengruppe befindet sich auf einer Seite der Br¨ ucke, sodass die Br¨ ucke auf Torsion beansprucht wird. Die Rotationsmasse betr¨ agt ρJT ≈ 1. 600 kgm2/m. F¨ ur die Torsionssteifigkeit wird der Rechteckquerschnitt b · h = 0,5 · 0,6 angesetzt, sodass die Torsionsteifigkeit GJT ≈ 2 · 108 N m2 folgt. Die Last aus Personengruppe wird mit 75 kg/Person bei einer Personendichte von 1,3/m2 angesetzt, vergleiche Abschnitt 28. Hiermit folgt das Torsionsmoment zu mT = 2. 000 cos Ωt N m/m. Die R¨ ander der Br¨ ucke sind w¨ olbfrei gegen Verdrehen gehalten. P = 1000 cos Ωt N/m2

Personenverkehr

20 40 10 m

175

50

175

Abmessungen in cm

1. Arbeitsgleichung Die Diskretisierung der Arbeitsgleichung erfolgt wie im ersten Beispiel mit dem Prinzips der virtuellen Verschiebungen, das f¨ ur die Br¨ ucke mit Z −δA = {δϑ ρJT ϑ¨ + δϑ,x GJT ϑ,x − δϑ mT }dx = 0 gegeben ist. 2. Ansatzfunktionen Als Ansatzfunktionen f¨ ur die wirklichen und die virtuellen Drehungen wird ein sin–Ansatz gew¨ ahlt gew¨ ahlt: ˆ sin ϑ = ϑ(t)

πx , ℓ

δϑ = δ ϑˆ sin

πx . ℓ

3. Gebietsintegrale Die Integrale der Arbeitsgleichung k¨ onnen f¨ ur die gew¨ahlten Ans¨ R R atze getrennt ausgewertet werden. Mit sin2 a · x dx = x/2 − sin 2a x/4a und cos2 a · x dx = x/2 + sin 2a x/4a folgt Z Z πx πx ¨ δϑρJT ϑ¨ dx = δ ϑˆ sin ρJT sin dx ϑˆ ℓ ℓ

11.3 Torsionsst¨ abe

119 = δ ϑˆ

Z

Z

sin

πx πx ¨ 1. 600 sin dx ϑˆ 10 10

¨ = δ ϑˆ 8. 000 ϑˆ , Z πx π πx π cos GJT cos dx ϑˆ δϑ,x GJT ϑ,x dx = δ ϑˆ ℓ ℓ ℓ ℓ Z π πx π πx = δ ϑˆ cos 2 · 108 cos dx ϑˆ 10 10 10 10 Z

= δ ϑˆ 108 ϑˆ , Z πx mT dx δϑ mT dx = δ ϑˆ sin ℓ Z πx 2. 000 dx = δ ϑˆ sin 10 = δ ϑˆ 12. 800 .

4. Bewegungsgleichungen Mit den angegebenen Systemdaten folgt die Bewegungsgleichung zu ¨ δ ϑˆ { 8. 000 ϑˆ + 108 ϑˆ − 12. 800 } = 0 .

12 Freie Schwingungen unged¨ ampfter Systeme

Die Bewegungsgleichungen f¨ ur Starrk¨ orpersysteme und f¨ ur diskretisierte kontinuierliche Systeme sind in der Matrizenschreibweise identisch. F¨ ur unged¨ampfte Systeme folgt Mx ¨ + Kx = p. Die Gesamtl¨ osung der Bewegungsgleichungen umfasst analog zum Ein–Masse– Schwinger in den Abschnitten 6 und 7 zwei Teile x = xh + xp . Die L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung wird als freie Schwingung oder als Eigenschwingung bezeichnet. Dies sind Schwingungen, die das Tragwerk als Folge von Anfangsbedingungen ohne weitere ¨ außere Anregung ausf¨ uhren kann.

12.1 L¨ osungsweg f¨ ur die Berechnung der freien Schwingungen Als L¨ osungsansatz wird der Separationsansatz xh (t) = a · x ˆ · eλt gew¨ ahlt. Im Ansatz sind als Unbekannte x ˆ, sowie in Analogie zum Ein–Masse– Schwinger a und λ vorhanden. Zu beachten ist hierbei, dass der Vektor x ˆ die r¨ aumliche Bewegungsform beschreibt, also die Knotenverschiebungen und Knotenverdrehungen und u ¨ber die Ansatzfunktionen die Verschiebungen zwischen den Knoten. Es wird also kein Ansatz f¨ ur eine einzelne Verschiebungsgr¨oße gemacht, sondern gleich f¨ ur ein ganzes Verschiebungsfeld. Der Ansatz entspricht damit einem Produktansatz in Raum und Zeit. Wenn x eine Eigenschwingung ist, wird der Vektor x ˆ als Eigenvektor und die charakterische Zahl λ als Eigenwert bezeichnet, der den Zeitverlauf festlegt. Mit x ¨h (t) = a · λ2 · x ˆ · eλt folgt mit der Bewegungsgleichung (λ2 M + K) a · x ˆ · eλt = 0 . Wenn die Gleichung f¨ ur alle Zeiten t und beliebige Amplituden a gelten soll, ist dies ein homogenes lineares Gleichungssystem f¨ ur x ˆ und λ. Zun¨achst f¨allt auf, © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_12

12.1 L¨ osungsweg f¨ ur die Berechnung der freien Schwingungen

121

dass n Elemente des Eigenvektors x ˆ und der Eigenwert λ, also n + 1 Gr¨oßen unbekannt, aber nur n Gleichungen vorhanden sind. Dies bedeutet, dass eine Unbekannte des Eigenvektors beliebig gew¨ ahlt werden kann. Gesucht ist jetzt die nichttriviale L¨ osung des Gleichungssystems ( λ2 M + K ) x ˆ = 0. Wenn x ˆ 6= 0 sein soll, muss die Determinante der Koeffizientenmatrix verschwinden det | λ2 M + K | = 0 . Dies gilt nur f¨ ur bestimmte λ – die Eigenwerte des Matrizenpaares M, K. Berechnet man die Nullstellen der Determinante, so findet man genau so viele λ2 wie Freiwerte vorhanden sind. Damit gibt es im allgemeinen Fall bei D¨ampfung 2 · n konjugiert komplexe L¨ osungen λj1 und λj2 mit j = 1, 2, . . . n. F¨ ur die hier untersuchten unged¨ ampften Eigenschwingungen sind die Eigenwerte rein imagin¨ ar. Wenn die λj1,2 bekannt sind, k¨ onnen in einem zweiten Schritt die jeweils zugeh¨ origen Eigenvektoren x ˆj berechnet werden. Hierf¨ ur setzt man zun¨achst den Eigenwert λj in die Koeffizientenmatrix ein, setzt ein Element des Eigenvektors zu 1 und schiebt die entsprechende Spalte der Koeffizientenmatrix auf die rechte Seite des Gleichungssystems.

1 = 0

Jetzt k¨ onnen die anderen Elemente des Eigenvektors so berechnet werden, dass das homogene Gleichungssystem ( λ2j M + K ) x ˆj = 0 erf¨ ullt ist. Da die so berechneten n Eigenvektoren schlecht miteinander verglichen werden k¨ onnen, normiert man sie mit Hilfe der Matrizen M oder K. Bei der Normierung wird der zun¨ achst nicht normierte Eigenvektor x ˆj durch die Quadratwurzel der quadratischen Form x ˆTj M x ˆj dividiert. x ˆN j = x ˆj /

q x ˆTj M x ˆj .

122

12 Freie Schwingungen unged¨ampfter Systeme

Damit gilt f¨ ur den normierten Eigenvektor x ˆN j x ˆTN j M x ˆN j = 1

und

x ˆTN j K x ˆN j = −λ2j

Im weiteren wird der Index N weggelassen. Die mit dem Matrizenpaar M, K berechneten Eigenvektoren besitzen unabh¨ angig von der Normierung die Eigenschaft, dass x ˆTi M x ˆj = 0

und

x ˆTi K x ˆj = 0

f¨ ur

i 6= j .

Das bedeutet, dass die Eigenvektoren bez¨ uglich der Systemmatrizen orthogonal sind. F¨ ur Systeme mit vielen Freiheitsgraden sind iterativ arbeitende L¨ osungsverfahren bekannt, mit denen je nach Bedarf alle oder nur ein Teil der Eigenwerte λj und der zugeh¨ origen Eigenvektoren x ˆj bestimmt werden k¨onnen. Wenn das System mit allen m¨ oglichen Teill¨ osungen schwingen kann, ist die vollst¨ andige L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung die Summe aller Teilschwingungen n X x ˆj (aj1 eλj1 t + aj2 eλj2 t ) . x(t) = j=1

Im Vergleich zum Ein–Masse–Schwinger sind folgende Analogien vorhanden.

• Die λj1 , λj2 sind imagin¨ ar und geben direkt die Eigenkreisfrequenzen ω0j des unged¨ ampften Systems mit λj1 = +i ω0j sowie λj2 = −i ω0j an. Der Index ( )0 f¨ ur die Eigenkreisfrequenzen des unged¨ampften Systems kann entfallen, wenn keine D¨ ampfung vorhanden ist. • Die x ˆj geben die r¨ aumliche Verteilung der Bewegungsformen an. Dies ist beim Einmassenschwinger nicht erforderlich bzw. zu 1,0 gesetzt. • Die aj1 , aj2 sind konjugiert komplexe Faktoren f¨ ur die Anpassung der Anfangsbedingungen an die jeweilige Eigenschwingungsform. Auch die Umformung der komplexen Schreibweise der L¨osung in eine reelle Schreibweise ist wie beim Ein–Masse–Schwinger m¨oglich. Mit eiω0 t = cos ω0 t + i · sin ω0 t folgt in reeller Schweibweise x(t) =

n X

x ˆj (ˆ ajc cos ω0j t + a ˆjs sin ω0j t)

j=1

oder in der Grundform x(t) =

n X j=1

x ˆj a ˆj cos (ω0j t − ϕ0j ) .

12.1 L¨ osungsweg f¨ ur die Berechnung der freien Schwingungen

123

Die Gesamtl¨ osung ist hier als Summe der Eigenvektoren mit zugeh¨orendem Zeitverlauf gegeben, also nicht f¨ ur jeden Freiheitsgrad getrennt. Fasst man die ˆ sowie die Faktoren a ˆ j in der Matrix X Eigenvektoren x ˆj und den Zeitverlauf in den Vektor der generalisierten Koordinaten q zusammen, so folgt X ˆ q= ˆ j ·qj (t) . x x=X j

Die unsymmetrische Matrix der Eigenvektoren zeichnet  x ˆ11  x  ˆ21 ˆ = [x X ˆj ] = [ x ˆ1 x ˆ2 x ˆ3 . . . ] =  x  ˆ31 .. .

ˆ wird als Modalmatrix beX x ˆ12 x ˆ22 x ˆ32 .. .



... ... ... .. .

  . 

12.1.1 Beispiel f¨ ur die Berechnung einer freien Schwingung F¨ ur den im Bild dargestellten Zwei–Massen–Schwinger sind die Eigenkreisfrequenzen und die Eigenvektoren gesucht. Die Eigenschwingungen sind anschaulich zu deuten und darzustellen. 12k

2k

4m

m

x1

x2

Bild 12-1 Zwei–Massen–Schwinger 1. Bewegungsgleichungen Die Bewegungsgleichungen sind gegeben # " " #" 14k 4m x ¨1 + x ¨2 −2k m

−2k 2k

#"

x1 x2

#

= 0.

2. Eigenwerte Mit dem Ansatz x = a x ˆ eλt f¨ ur die L¨ osung der Bewegungsgleichung folgt die Eigenwertaufgabe zur Berechnung der Eigenwerte λj und der Eigenvektoren x ˆj . Bedingung f¨ ur die Eigenwerte ist, dass die Determinante des Eigenwertproblems verschwindet 14k + 4λ2 m −2k det = 0. 2 −2k 2k + λ m

124

12 Freie Schwingungen unged¨ampfter Systeme

Hiermit folgt 14k + 4λ2 m



 2k + λ2 m − 4k 2 = 0

λ4 +

22k 2 4m λ

2

k + 6m 2 = 0

k λ21/2 = − 11 4 m ±

q

25 k 2 16 m2

.

Mit den Eigenwerten liegen auch die Eigenkreisfrequenzen ω0j fest.  q q q k k  k  λ11 = i 1,5 m ω01 = 1,5 m λ12 = −i 1,5 m → q q q  k k k  λ22 = −i 4 m . λ21 = i 4 m ω02 = 4 m 3. Eigenvektoren

ˆ j des Gleichungssystems beMit den Eigenwerten k¨ onnen die Eigenvektoren x rechnet werden. Mit " # #" 14k + 4λ2j m −2k x ˆ1j =0 −2k 2k + λ2j m x ˆ2j folgt die nichttriviale L¨ osung zu     1 −1 x ˆ1 = und x ˆ2 = . 4 1 Mit x ˆT1 M x ˆ1 = 20 m und x ˆT2 M x ˆ2 = 5 m kann die Normierung der Eigenvektoren erfolgen:     x ˆ1 = 

√0,5 5m √2 5m



und

Die Darstellung der Eigenvektoren in einem Amplitudenspektrum ist vorteilhaft, wenn im System viele Massen vorhanden sind und wenn der r¨ aumliche Verlauf der Teilbewegungen von Interesse ist. Bei Balkentragwerken entspricht dies der Darstellung der Biegelinie.

x ˆ2 = 

√−1 5m √1 5m

.

^x 1j

^x 2j

1

2

j

1

Bild 12-2 Spektrum der Eigenvektoren

2

j

12.1 L¨ osungsweg f¨ ur die Berechnung der freien Schwingungen

125

Eine anschauliche Deutung der Eigenvektoren und der Eigenkreisfrequenzen ist mit dem Zeitverlauf der jeweiligen Teilschwingung m¨oglich. Bild 12-3 verdeutlicht die unterschiedlichen Eigenkreisfrequenzen und die dazu geh¨origen Eigenvektoren bei Vorgabe von Anfangsbedingungen zur Zeit t = 0. Man erkennt, dass aufgrund der Eigenvektoren beide Massen in der ersten Eigenschwingungsform im Takt schwingen, in der zweiten Eigenschwingung gegenl¨aufig.

^x

2p T1 = w 1

11

^ x 12

^x

21

^x

22

2p T2 = w 2

Bild 12-3 Zeitverlauf der Schwingungsformen 4. Vollst¨ andige L¨ osung ¨ Die Uberlagerung der Teilbewegungen zur vollst¨ andigen L¨osung f¨ uhrt auf " 0,5 # " −1 # x(t) = a ˆ1

√ 5m √2 5m

cos (ω01 t − ϕ01 ) + a ˆ2



5m √1 5m

cos (ω02 t − ϕ02 ) .

¨ Das System kann mit jeder Eigenform getrennt oder mit einer Uberlagerung der Teilbewegungen schwingen. Die Gesamtbewegung wird nur von den noch freien Konstanten a ˆi und ϕ0i festgelegt, die an die Anfangsbedingungen anzupassen sind.

126

12 Freie Schwingungen unged¨ampfter Systeme

12.1.2 Freie Schwingungen nicht gelagerter Tragwerke In Anwendungen sind manchmal Tragwerke zu untersuchen, die in einer oder mehreren Richtungen des Raumes frei verschieblich oder drehbar sind (z.B. Satelliten, Flugzeuge), wo entsprechende Lagerbedingungen fehlen. Die Eigenschwingungen dieser Tragwerke bezeichnet man als frei–frei–Schwingungen. Das Besondere f¨ ur das Verstehen und die Analyse dieser Schwingungen ist, dass die Steifigkeitsmatix singul¨ ar ist und damit Starrk¨ orperbewegungen ohne Verzerrungen und Spannungen zul¨ asst. Dies bedeutet, dass genau soviele Eigenwerte λ2j identisch Null sind, wie Starrk¨ orperverschiebungen m¨oglich sind. Nachfolgender Zwei–Massen–Schwinger ist nicht gelagert, sodass Starrk¨orperbewegungen m¨ oglich sind. 2k

4m

m

x1

x2

Die Bewegungsgleichungen f¨ ur den verschieblichen Zwei–Massen–Schwinger sind gegeben # # " #" # " #" " 0 x1 2k −2k x ¨1 4m 0 . = + x2 0 x ¨2 −2k 2k 0 m Mit dem Ansatz x = ax ˆ eλ t folgen die charakteristische Gleichung 4m2 (λ2 )2 + 10 m k λ2 = 0 2,5k 2 (λ2 )2 + λ =0 m λ21 = 0 λ22 = −

2,5k m

sowie die Eigenwerte und die Eigenkreisfrequenzen  λ11 = 0 λ12 = 0  q q → k k  λ21 = i 2,5 m λ22 = −i 2,5 m

ω01 = 0 q k . ω02 = 2,5 m

12.2 Anpassen der L¨ osung an die Anfangsbedingungen

127

Die zu den Eigenwerten geh¨ orenden nicht normierten Eigenvektoren sind     1 0,25 x ˆ1 = , x ˆ2 = . 1 −1 Zu jedem Eigenvektor geh¨ oren zwei Eigenwerte λj1,2 , sodass die Gesamtl¨osung der homogenen Bewegungsgleichung vier unabh¨ angige L¨osungsanteile enthalten muss. Da ein Eigenwert doppelt auftritt (λ11 = λ12 = 0), folgt mit e0·t = 1 x=x ˆ1 (a1 + a2 · t) + x ˆ2 (a3 · eλ21 t + a4 · eλ22 t ) . Der Eigenvektor x ˆ1 , der zu dem Nulleigenwert geh¨ort, beschreibt eine Starrk¨orperverschiebung, bei der die Feder nicht gedehnt wird. Der zeitliche Verlauf dieses L¨ osungsanteils ist linear und mit den Konstanten a1 und a2 also mit den Anfangsbedingungen f¨ ur die Verschiebungen und die Geschwindigkeiten festgelegt. Hinweis Auch bei Systemen mit mehr als zwei Freiheitsgraden muss bei der Berechnung des Starrk¨ orpereigenvektors ein beliebiger Freiwert zu 1 gesetzt werden. Die verbleibenden Freiwerte werden dann analog zu Abschnitt 12.1 berechnet. Besitzt das System mehr als eine Starrk¨ orperverschiebung, sind genau so viele Eigenwerte λ2j = 0, wie Starrk¨ orperverschiebungen vorliegen. Damit k¨onnen bei der Berechnung der Eigenvektoren so viele Elemente frei gew¨ahlt werden, wie Starrk¨ orperverschiebungen vorhanden sind. Hierbei kann man zun¨achst das erste Element zu 1 setzen und danach das Gleichungssystem soweit aufl¨osen, bis die n¨ achste 0 auf der Hauptdiagonalen erscheint. Das hierzu geh¨orende Element des Eigenvektors wird jetzt ebenfalls zu 1 gesetzt und danach mit der Aufl¨osung des Gleichungssystems fortgefahren, bis der gesamte Eigenvektor berechnet ist.

12.2 Anpassen der L¨ osung an die Anfangsbedingungen Gegeben ist die vollst¨ andige L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung in reeller Schreibweise x(t) =

n X

ˆ j (ˆ x ajc cos ω0j t + a ˆjs sin ω0j t) .

j=1

Die vollst¨ andige L¨ osung hat genau 2 · n noch unbekannte Koeffizienten a ˆjc und a ˆjs . Hiermit kann man die Bewegung an die Anfangsbedingungen anpassen. Dies muss allerdings immer f¨ ur die Gesamtl¨ osung der Bewegungsgleichung erfolgen, wird hier aber exemplarisch auch f¨ ur die freie Schwingung gezeigt.

128

12 Freie Schwingungen unged¨ampfter Systeme

In der hier angegebenen Schreibweise beschreiben die Koeffizienten den Einfluss der Anfangsbedingungen auf die einzelnen Bewegungsformen bzw. Eigenvektoren x ˆj und nicht auf die einzelnen Verschiebungen xi der Gesamtl¨osung x(t). Anschaulich bedeutet dies, dass die verschiedenen Bewegungsformen unterschiedlich stark angeregt werden. Man kann die Zahl der Unbekannten aber auch so deuten, dass jeder einzelne Freiwert in seiner Anfangsauslenkung und in seiner Anfangsgeschwindigkeit angepaßt werden muss. Zur Zeit t = t0 gilt x0 = x(t0 ) =

n X

ˆ j (ˆ x ajc cos ω0j t0 + a ˆjs sin ω0j t0 )

j=1

und v0 = x(t ˙ 0) =

n X

ˆ j ω0j (−ˆ x ajc sin ω0j t0 + a ˆjs cos ω0j t0 ) .

j=1

Unbekannt sind noch die Koeffizienten a ˆjc und a ˆjs . Die Berechnung der Koeffizienten kann auf zwei Wegen erfolgen.

Direkte Berechnung Die direkte Berechnung ist m¨ oglich, wenn die Anfangsbedingungen als Gleichungssystem f¨ ur die a ˆjc und a ˆjs geschrieben werden, wobei j jeweils von 1 bis n l¨ auft. Hierbei sind alle a ˆjc , a ˆjs gekoppelt. # # " #" " ˆ j cos ω0j t0 ˆ j sin ω0j t0 x0 a ˆjc x x . = ˆ j ω0j cos ω0j t0 v0 a ˆjs −ˆ xj ω0j sin ω0j t0 x Der Aufwand zum L¨ osen des Gleichungssystems betr¨agt O(2 n)3 . Wenn der Zeitpunkt t0 = 0 ist, verringert sich der Aufwand mit # # " " #" ˆj x 0 x0 a ˆjc . = ˆ j ω0j v0 a ˆjs 0 x

Orthogonalisieren der Anfangsbedingungen Das Herausfiltern der einzelnen Koeffizienten ist mit Verwendung der Orthogoˆ Ti · M liefert nalit¨ at der Eigenvektoren m¨ oglich. Multiplikation von links mit x f¨ ur die Anfangsauslenkung ˆ Ti M x0 = x

n X j=1

ˆ Ti M x ˆ j (ˆ x ajc cos ω0j t0 + a ˆjs sin ω0j t0 )

12.2 Anpassen der L¨ osung an die Anfangsbedingungen

129

und f¨ ur die Anfangsgeschwindigkeit ˆ Ti M v0 = x

n X

ˆ Ti M x ˆ j ω0j (−ˆ x ajc sin ω0j t0 + a ˆjs cos ω0j t0 ) .

j=1

Wenn die Eigenvektoren orthonormiert sind, gilt ( 1 f¨ ur i=j, T ˆi M x ˆj = x 0 f¨ ur i= 6 j. sodass hiermit jeweils zwei Bedingungen ˆ Tj · M · x0 = a x ˆjc cos ω0j t0 + a ˆjs sin ω0j t0 ˆ Tj · M · v0 = ω0j (−ˆ x ajc sin ω0j t0 + a ˆjs cos ω0j t0 ) . zur Berechnung der Koeffizienten a ˆjc und a ˆjs f¨ ur jedes j getrennt gegeben sind. Nach Aufl¨ osung der beiden Gleichungen sind die Koeffizienten mit 1 T ˆ · M · v0 cos ω0j t0 x ω0j j 1 T ˆ Tj · M · x0 cos ω0j t0 − ˆ · M · v0 sin ω0j t0 =x x ω0j j

ˆ Tj · M · x0 sin ω0j t0 + a ˆjs = x a ˆjc

bestimmt. Hier betr¨ agt die Ordnung des Rechenaufwandes nur O(4 n2 ), wenn M · x0 und M · v0 einmal vorweg berechnet werden.

130

12 Freie Schwingungen unged¨ampfter Systeme

12.3 Konvergenz der N¨ aherungsl¨ osung bei Stabtragwerken Bei der Anwendung des Prinzips der virtuellen Verschiebungen auf Stabtragwerke werden die Verschiebungen mit einem Ansatz u(x,t) = Ω(x) · v(t) beschrieben, der die exakten Verschiebungen in der Regel mehr oder weniger gut ann¨ ahert. Damit k¨ onnen auch die Amplituden v(t) nur N¨aherungen f¨ ur die exakten Schwingungen sein. Dies bedeutet, dass die G¨ ute der berechneten L¨ osung von der G¨ ute der Ansatzfunktionen abh¨ angig ist. Bei Anwendung der Finite–Elemente–Methode werden in der Regel m¨oglichst niedrige Ans¨ atze im Elementgebiet gew¨ ahlt, um den numerischen Aufwand zu begrenzen. Hier erreicht man eine Genauigkeitssteigerung bei gleichbleibender Ansatzordnung mit Hilfe einer Netzverfeinerung, bei der das Gesamtgebiet in viele kleine Integrationsbereiche aufgeteilt wird, in denen jeweils gleiche Ans¨ atze geringer Ordnung gew¨ ahlt werden. Da r¨ aumlich kontinuierliche Tragwerke unendlich viele differentielle Massen besitzen, m¨ ussen ebensoviele Eigenwerte vorhanden sein. Infolge der Diskretisierung ist jedoch immer nur eine endliche Zahl von Freiheitsgraden und damit von Eigenwerten vorhanden. Hieraus folgt, dass die Zahl der Eigenwerte reduziert ist und die Eigenwerte aufgrund des N¨ aherungsansatzes mit einem Fehler behaftet sind. F¨ ur die Beurteilung der G¨ ute des Ergebnisses bei gew¨ahlter Elementteilung k¨ onnen Fehlersch¨ atzer oder Fehlerindikatoren eingesetzt werden. Sind keine Fehlersch¨ atzer vorhanden oder bekannt, k¨ onnen Konvergenzuntersuchungen durchgef¨ uhrt werden. Dies bedeutet, dass die Abh¨angigkeit der Verschiebung oder der Schwingungsamplituden von der Elementzahl, manchmal auch von der Ansatzh¨ ohe betrachtet wird. Bei Verwendung zul¨assiger Ansatzfunktionen konvergiert die L¨ osung bei Netzverfeinerung gegen die exakte L¨osung. In der Statik ist u ¨blich, bei vorgegebener Belastung des Tragwerkes das Konvergenzverhalten besonders ausgezeichneter Verschiebungen zu untersuchen. In der Dynamik reicht dies nicht aus, da die Verschiebung eines Massepunktes von den Anfangsbedingungen, von der r¨ aumlichen Verteilung der Belastung und von dem Frequenzspektrum der Systemanregung abh¨angt. Hier ist es vorteilhaft, die Konvergenz der Eigenwerte, insbesonders der Eigenfrequenzen bei Netzverfeinung zu betrachten, da in den Eigenwerten s¨ amtliche Systemeigenschaften ber¨ ucksichtigt sind. Im Vergleich von r¨ aumlicher und zeitlicher Verteilung der Systemanregung mit dem Spektrum der N¨ aherungseigenwerte kann die G¨ ute der berechneten Systemantwort angegeben werden.

12.3 Konvergenz der N¨ aherungsl¨ osung bei Stabtragwerken

131

12.3.1 Dehn- und Torsionsst¨ abe Das Trag- und Schwingungsverhalten von Dehn- und Torsionsst¨aben wird mathematisch mit der gleichen partiellen Differentialgleichung 2. Ordnung in Ort und Zeit beschrieben, lediglich die physikalische Bedeutung der Koeffizienten und der Variablen ist unterschiedlich. Hiermit ist auch das Konvergenzverhalten der L¨ osung f¨ ur gleiche N¨ aherungsans¨ atze identisch, so dass beide Tragwerke gemeinsam betrachtet werden k¨ onnen. Wenn lineare Ans¨ atze gew¨ ahlt werden, sind die Knotenweggr¨oßen beim Dehnstab die Verschiebungen u und beim Torsionsstab die Verdrehungen ϑ, sodass jeweils eine Knotenweggr¨ oße und damit eine entsprechende Zahl von Eigenkreisfrequenzen vorhanden ist. F¨ ur den Dehn- bzw. Torsionsstab nach Bild 12-4 ist die Abweichung des Eigenwertspektrums der N¨ aherung von dem exakten Spektrum f¨ ur unterschiedliche Elementteilungen angegeben. Schon bei wenigen Elementen k¨onnen die niedrigen Eigenkreisfrequenzen recht gut wiedergegeben werden, da die zugeh¨origen exakten Verformungen mit den gew¨ ahlten Ans¨ atzen und den Eigenvektoren der Knotenweggr¨ oßen hinreichend genau approximiert werden k¨onnen. Dagegen geh¨ oren die hohen Eigenkreisfrequenzen zu r¨aumlich kurzwelligen Verformungen, die nur bei großer Elementzahl gut beschreibbar sind. Daher muss das Elementnetz stark verfeinert werden, wenn die hohen Eigenkreisfrequenzen einen wesentlichen Anteil in der Systemantwort besitzen.

x, u, ϑ

fest – frei

Bild 12-4 Dehn- und Torsionsst¨abe mit vergleichbarer Bewegungsgleichung

132

12 Freie Schwingungen unged¨ampfter Systeme

12.3.2 Biegest¨ abe Bei Annahme der Bernoulli-Hypothese wird das Schwingungsverhalten von Biegest¨ aben im Raum mit einer Differentialgleichung 4. Ordnung, in der Zeit ebenfalls mit 2. Ordnung modelliert. Dies bedeutet f¨ ur die Wahl der Ansatzfunktionen, dass mindestens kubische Polynome verwendet werden m¨ ussen, und damit ein anderes Konvergenzverhalten zu erwarten ist. Als Knotenweggr¨oßen sind jetzt Verschiebungen w und Verdrehungen ϕ vorhanden, sodass bei gleicher Elementzahl im Vergleich zum Dehnstab dopppelt soviele Eigenkreisfrequenzen vorhanden sind. Die Konvergenzuntersuchung f¨ ur den in Bild 12-5 gegebenen Balken zeigt, dass die unteren Eigenkreisfrequenzen sehr gut angen¨ ahert werden k¨onnen, die Konvergenz der h¨ oheren Eigenkreisfrequenzen jedoch trotz der hochwertigen Ans¨ atze gering ist. Dies liegt daran, dass zu den h¨oheren Eigenkreisfrequenzen auch h¨ ohere kurzwelligere Schwingungsformen geh¨oren, die in jedem Element einen Nulldurchgang aufweisen.

x

gelenkig – gelenkig

z, w

Bild 12-5 Konvergenz der Eigenwerte von Biegest¨aben Deutlich wird, dass mit zunehmender Elementzahl immer gleiche Eigenfrequenzen mit gleicher Konvergenz vorhanden sind, die zu gleichartigen Eigenschwingungsformen geh¨ oren. Dies liegt an den m¨ oglichen Schwingungsformen in einem einzelnen Element, die entweder einwellig oder zweiwellig sind. Dazu treten mit zunehmender Elementzahl neue Eigenschwingungsformen auf, die mehrere Elemente u ¨berspannen und ein anderes Konvergenzverhalten aufweisen.

12.3 Konvergenz der N¨ aherungsl¨ osung bei Stabtragwerken

133

12.3.3 Exakte Eigenkreisfrequenzen f¨ ur Stabtragwerke F¨ ur ausgew¨ ahlte St¨ abe mit einem Feld und unterschiedlichen Randbedingungen sind die analytischen bestimmten Eigenkreisfrequenzen in Tabelle 12.1 und 12.2 angegeben. Die analytischen L¨ osungen sind f¨ ur die Einordnung der Qualit¨ at von N¨ aherungsl¨ osungen bestens geeignet. Tabelle 12.1 Analytische Eigenfrequenzen f¨ ur Dehnst¨abe mit kD = System: ξ =

x ℓ

Frequenzgleichung

ω0j = λj · kD

Schwingungsform

sin λ = 0

λj = j · π

sin λξ

cos λ = 0

λj = (j − 0,5) · π

sin λξ

sin λ = 0

λj = j · π

sin λξ

Tabelle 12.2 Analytische Eigenfrequenzen f¨ ur Biegest¨abe mit kB =

System: ξ =

x ℓ

p E/ρℓ2

p EI/ρAℓ4

ω0j = λ2j · kB

Schwingungsform

cos λ cosh λ = 1

λj = (j + 0,5) · π

sin λξ+sinh λξ sin λ−sinh λ



cos λξ+cosh λξ cos λ−cosh λ

cos λ cosh λ = −1

λj = (j − 0,5) · π

sin λξ−sinh λξ sin λ+sinh λ



cos λξ−cosh λξ cos λ+cosh λ

cos λ cosh λ = 1

λj = (j + 0,5) · π

sin λξ−sinh λξ sin λ−sinh λ

+

cos λξ−cosh λξ cos λ−cosh λ

tan λ = tanh λ

λj = (j + 0,25) · π

sin λξ sin λ

λj = j · π

sin λξ

λj = (j + 0,25) · π

sin λξ sin λ

Frequenzgleichung

sin λ = 0 tan λ = tanh λ

+



sinh λξ sinh λ

sinh λξ sinh λ

13 Entkopplung der Bewegungsgleichungen

Die Beschreibung des Schwingungsverhaltens von Mehr–Massen–Schwingern oder Kontinua mit Hilfe der Eigenvektoren (natural modes) und der Eigenfrequenzen bezeichnet man als Modal–Analyse. Eine anschauliche Deutung dieses Vorgehens ist m¨ oglich, wenn man die Bewegungsgleichung in der Form des Prinzips der virtuellen Arbeiten verwendet ˆ f (t) . δxT M x ¨ + δxT K x = δxT p Wenn die Eigenvektoren und die Eigenkreisfrequenzen aus der Berechnung der Eigenschwingungen bekannt sind, ist es vorteilhaft, die Gesamtl¨osung der Bewegungsgleichung mit einem Modal–Ansatz zu beschreiben. Dies wird als Transformation in den Modal-Raum bezeichnet. Mit dem Ansatz x=

N X j=1

ˆ q(t) ˆ j · qj (t) = X x

(13.1)

haben die qj (t) die Bedeutung von generalisierten Koordinaten, wenn die Eiˆ ist die genvektoren x ˆj linear unabh¨ angige Bewegungsm¨oglichkeiten sind. X Modalmatrix der Eigenvektoren. W¨ ahlt man f¨ ur die virtuellen Verschiebungen einen Ansatz wie f¨ ur die wirklichen Verschiebungen δx =

N X j=1

ˆ δq , x ˆj · δqj = X

wobei die δqj unabh¨ angig sind, so folgt nach Einsetzen in die Bewegungsgleichung o n ˆTMX ˆ q ˆTKX ˆ q = δqT X ˆTp ˆ f (t) . ¨+X δqT · X

Wegen der Orthogonalit¨ at und der Normierung der Eigenvektoren bez¨ uglich der Matrizen M und K, ist die quadratische Form ˆTMX ˆ =I X die Einheitsmatrix und

ˆTKX ˆ = Diag[ ω02 ] X

ˆTMX ˆ wird auch die Diagonalmatrix der Quadrate der Eigenkreisfrequenzen. X T ˆ ˆ als generalisierte Massenmatrix und X K X als generalisierte Steifigkeitsmatrix bezeichnet. Damit kann die Bewegungsgleichung  ˆTp ˆ f (t) δqT · I · q ¨ + Diag[ ω02 ] · q = δqT · X © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_13

135 auch zeilenweise angeschrieben werden 2 ˆ Tj p ˆ f (t) . q¨j + ω0j qj = x

Dies ist jetzt ein entkoppeltes Gleichungssystem zur Berechnung der qj . Vorteilhaft ist, dass der gekoppelte Mehrmassenschwinger auf ein entkoppeltes System von n Ein–Masse–Schwingern transformiert wird. Man kann so anschaulich jede Eigenschwingungsform als einen Ein–Masse–Schwinger deuten. Die Belastung ˆ Tj p ˆ des entkoppelten Ein–Masse–Schwingers gibt die Anregung der jeweiligen x Eigenschwingungsform infolge der vorgegeben Lastverteilung an. Sie wird daher als Partizipationsfaktor bezeichnet. Die Gesamtl¨ osung der entkoppelten Bewegungsgleichungen enth¨alt wieder wie beim Ein–Masse–Schwinger die freie Schwingung und die Partikularl¨osung. qj (t) = qjh (t) + qjp (t) Beide Anteile k¨ onnen in Analogie zu Abschnitt 6 und Abschnitt 7 getrennt berechnet und in einem zweiten Schritt u ¨berlagert werden. Nachteilig ist bei der Modal–Analyse, dass alle x ˆj und ω0j bekannt sein m¨ ussen, was aber bei der Berechnung der L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung ohnehin anf¨allt. ¨ Sind die generalisierten Koordinaten qj (t) berechnet, erfolgt deren Uberlagerung mit Hilfe des Ansatzes nach Gleichung (13.1) zur Gesamtbewegung des Schwingers. Dies bezeichnet man als R¨ ucktransformation der Bewegung aus dem Modalraum in den Raum der physikalischen Freiheitsgrade. x(t) =

N X j=1

ˆ j · (qjh (t) + qjp (t)). x

(13.2)

Mit den physikalischen Freiheitsgraden sind in einer Nachlaufrechnung die Federkr¨ afte bei einem Starrk¨ orpermodell bzw. die Stabendschnittgr¨oßen bei einem Stabtragwerk berechenbar. Auf der Ebene des einzelnen Elementes gilt F(t)El = KEl ·

N X j=1

ˆ j El · [ qjh (t) + qjp (t) ]. x

(13.3)

¨ Die Kr¨ afte F(t)El entstehen daher aus der Uberlagerung der mit unterschiedlichem Zeitverlauf schwingenden Eigenschwingungsformen, die in der Regel ihre Extremwerte zu unterschiedlichen Zeitpunkten haben. F¨ ur die Bemessung eines Tragwerks sind jedoch die Extremwerte der Gesamtschwingung von Interesse, sodass entweder eine aufw¨ andige Ermittlung der Extremwerte mit einer Analyse des Zeitverlaufs erfolgen muss oder aber eine vereinfachende Absch¨atzung mithilfe von N¨ aherungsans¨ atzen, die sp¨ ater erl¨ autert werden.

14 Erzwungene Schwingungen – unged¨ ampft

Gegeben sind die Bewegungsgleichungen in der Form ˆ · f (t) . Mx ¨ + Kx = p Die Gesamtl¨ osung ist wie beim Ein–Masse–Schwinger die Superposition der L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung und einer Partikularl¨osung x = xh + xp . xh wird in Abschnitt 12 bestimmt. Auch bei den erzwungenen Schwingungen wird der gesamte L¨ osungsvektor xp in einem Schritt berechnet, und nicht die einzelnen Freiheitsgrade xjp getrennt. Die Partikularl¨ osung wird nachfolgend in Analogie zum Ein–Masse–Schwinger f¨ ur statische Belastungen sowie periodische und unperiodische Anregungen untersucht. In Analogie zu Abschnitt 7 wird zun¨ achst jeweils ein Ansatz vom Typ der rechten Seite gew¨ ahlt, dessen Amplitude an die Bewegungsgleichung angepaßt wird. Alternativ hierzu werden die Bewegungsgleichungen mit Hilfe eines Modal–Ansatzes in einem ersten Schritt entkoppelt, getrennt gel¨ost und ¨ die Partikularl¨ osung erst in einem zweiten Schritt mit der Uberlagerung der Teill¨ osungen berechnet. Hierbei werden jeweils die nach Abschnitt 12 normierten Eigenvektoren verwendet. Nachfolgend wird nur die reelle Schreibweise verwendet, da bei unged¨ampften Systemen die komplexe Schreibweise zu Mehraufwand f¨ uhrt.

14.1 Statische Belastung Bei zeitkonstanter Belastung gilt ˆ0 · 1 . Mx ¨ + Kx = p Anschaulich beschreibt die Bewegungsgleichung eine freie Schwingung um die ˆ 0 festgelegt ist. Gleichgewichtslage, die mit der konstanten Last p Ansatz vom Typ der rechten Seite Wenn die Belastung zeitkonstant ist, kann in Analogie zu Abschnitt 7.1 der Ansatz vom Typ der rechten Seite mit ˆ p · 1, xp = x

x˙ p = 0,

¨p = 0 x

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_14

14.1 Statische Belastung

137

ˆ p die r¨aumliche Form der Bewegew¨ ahlt werden, wenn der Amplitudenvektor x gung beschreibt. Die Zeitverlaufsfunktion ist mit 1“ gegeben. Nach Einsetzen ” des Ansatzes in die Bewegungsgleichung kann der Amplitudenvektor mit dem Gleichungssystem ˆp = p ˆ0 Kx berechnet werden. Der numerische Aufwand beim Aufl¨osen des Gleichungssystems ist von der Ordnung n3 , wenn die Matrix K voll besetzt ist. Modal–Ansatz Mit einem Modal–Ansatz kann man die Bewegungsgleichungen entkoppeln, sodass der L¨ osungsaufwand reduziert wird. Die Transformation in den Raum der generalisierten Koordinaten erfolgt mit dem Ansatz xp =

N X

ˆ qp . ˆ j qjp = X x

j=1

ˆ j f¨ Der Ansatz enth¨ alt die Eigenvektoren x ur die Beschreibung der Bewegungsform und die generalisierten Koordinaten qjp als noch unbekannte Amplituden der Eigenvektoren. Die Entkopplung der Bewegungsgleichung folgt dem in Abschnitt 13 gezeigten Vorgehen und f¨ uhrt auf die Bewegungsgleichung f¨ ur die generalisierten Koordinaten, die jeweils einzeln mit 2 ˆ Tj p ˆ0 q¨jp + ω0j qjp = x

berechnet werden. Die L¨ osung des entkoppelten Gleichungssystems erfolgt mit dem Ansatz qjp = qˆjp · 1, q˙jp = 0, q¨jp = 0 f¨ ur jeden einzelnen Freiheitsgrad qjp = qˆjp =

1 2 ω0j

ˆ Tj p ˆ0 . x

Nach Berechnung der qjp folgt die R¨ ucktransformation in den Raum der physikalischen Koordinaten mit xp =

N X j=1

ˆj x

1 2 ω0j

ˆ Tj p ˆ0 , x

oder kurz mit der Modal-Matrix X ˆ qp . xp = X

138

14 Erzwungene Schwingungen – unged¨ampft

Der numerische Aufwand zur Berechnung der Partikularl¨osung xp betr¨agt hier nur O(2 · n2 ), wenn zuerst die Partikularl¨ osung qjp mit insgesamt O(n2 ) und danach die u ¨brigen Rechenoperationen ebenfalls mit der Ordnung O(n2 ) durchgef¨ uhrt werden. Die Partikularl¨ osung zeigt, dass man die Inverse der Steifigkeitsmatrix K mit den Eigenvektoren und den Eigenkreisfrequenzen berechnen kann. Hierf¨ ur gilt K−1 =

N X j=1

1 2 ω0j

ˆ Tj . ˆj x x

Diese Schreibweise hilft bei der Interpretation der nachfolgenden L¨osung der Bewegungsgleichung bei periodischer rechter Seite.

14.2 Periodische Anregung Gegeben ist die Bewegungsgleichung mit einer periodischen Anregung ˆ · cos Ωt . Mx ¨ + Kx = p Ansatz vom Typ der rechten Seite Mit einem Ansatz vom Typ der rechten Seite ˆ p cos Ωt , x˙ p = −Ωˆ ¨ p = −Ω2 x ˆ p cos Ωt xp = x xp sin Ωt , x kann man die Zeitkoordinate in der Bewegungsgleichung extrahieren   ˆp − p ˆ cos Ωt = 0 , −Ω2 M + K x

sodass die Klammer die Gleichung f¨ ur alle Zeiten erf¨ ullen muss. Die Aufl¨osung des Gleichungssystems nach dem noch unbekannten Amplitudenvektor der Partikularl¨ osung erfolgt jetzt formal mit  −1 ˆ p = −Ω2 M + K ˆ x p f¨ ur Ω 6= ω0j ,

wobei die Inverse nicht explizit berechnet werden muss. Nachteilig ist auch hier der numerische Aufwand f¨ ur die Aufl¨ osung des Gleichungssystems f¨ ur vorgegebenes Ω mit der Ordnung O(n3 ), insbesondere wenn die Abh¨angigkeit von Ω analog zur Vergr¨ oßerungsfunktion nach Abschnitt 7 untersucht werden soll. Außerdem kann der L¨ osungsvektor nicht unmittelbar den Eigenschwingungsformen zugeordnet werden, was f¨ ur eine anschauliche Deutung der Bewegung von Nachteil sein kann.

14.2 Periodische Anregung

139

Die Partikularl¨ osung kann jetzt in der Form ˆ cos Ωt xp = G(Ω) p

(14.1)

 −1 G(Ω) = −Ω2 M + K

(14.2)

geschrieben werden, wenn

als Frequenzgang bezeichnet wird und anschaulich einer Nachgiebigkeit analog zur Inversen der Steifigkeitsmatrix entspricht. G(Ω) u ¨bertr¨agt das Eingangsˆ cos Ωt auf die Systemantwort xp . In Anlehnung an Schwingkreise der signal p Elektrotechnik bezeichnet man G(Ω) auch als Impedanz und G(Ω)−1 als Admittanz. In G(Ω) sind s¨ amtliche Systemeigenschaften bez¨ uglich der Erregerfrequenzen enthalten, also die Reaktion des Systems auf die Anregung. Die Elemente des Frequenzgangs k¨ onnen daher als Einflusszahlen f¨ ur eine Belastung der Gr¨ oße 1“ gedeutet werden. F¨ ur Ω = 0 ist die zeitkonstante Belastung ” implizit ber¨ ucksichtigt. Modal–Ansatz Mit Hilfe des Modal–Ansatzes xp =

N X

ˆ qp (t) ˆ j qjp (t) = X x

j=1

erfolgt die Transformation der Bewegungsgleichung aus dem Raum der physikalischen Koordinaten in den Modal–Raum der generalisierten Koordinaten qpj , in dem die Bewegungsgleichungen entkoppelt sind 2 ˆ Tj p ˆ cos Ωt . q¨jp + ω0j qjp = x

F¨ ur den entkoppelten Ein–Masse–Schwinger liefert ein Ansatz vom Typ der rechten Seite qjp = qˆjp cos Ωt die Amplitude der Teilschwingung qˆjp =

ˆ ˆ Tj p x . − Ω2

2 ω0j

¨ Die Uberlagerung der Teilschwingungen zur Partikularl¨osung in physikalischen Koordinaten gibt N X 1 ˆj x ˆ Tj p ˆ cos Ωt , xp = 2 − Ω2 x ω 0j j=1

140

14 Erzwungene Schwingungen – unged¨ampft

wobei der Aufwand f¨ ur jedes Ω analog zu Abschnitt 14.1 die Ordnung O(2n2 ) hat. Dies ist besonders zu beachten, wenn der Frequenzgang f¨ ur unterschiedliche Ω ausgewertet werden muss. Auch hier kann die Schreibweise mit der Matrix des Frequenzgangs G(Ω) gew¨ ahlt werden ˆ cos Ωt . xp = G(Ω) p Der Frequenzgang kann als dynamische Nachgiebigkeit gedeutet werden. Mit G(Ω) =

N X j=1

1 ˆ Tj ˆj x 2 − Ω2 x ω0j

(14.3)

kann die dynamische Nachgiebigkeitsmatrix mit den Eigenvektoren ermittelt werden, wobei der Aufwand f¨ ur die Berechnung von G(Ω) die Ordnung O(n3 ) hat.

14.2.1 Beispiel f¨ ur die L¨ osung mit einem Modal–Ansatz Die L¨ osungsschritte bei periodischer Anregung werden exemplarisch an dem im Bild dargestellten Zwei–Masse–Schwinger gezeigt. 12k

2k

4m

m

p

p = ^p . cos Ωt 3p

x1

x2

1. Bewegungsgleichungen Die Bewegungsgleichungen f¨ ur den Zwei–Masse–Schwinger sind gegeben         4m x¨1 14k −2k pˆ x1 + = cos Ωt . m x¨2 −2k 2k x2 −3ˆ p

Die Eigenfrequenzen und die Eigenvektoren sind aus Abschnitt 12 bekannt. h i 2 √2 ˆ T1 = √0,5 x ω01 = 1,5k m , 5m i . h 5m 1 −1 T 2 √ √ ˆ , x = ω02 = 4k 2 m 5m

5m

2. Partikularl¨ osung

Die Partikularl¨ osung wird hier mit einem Modal–Ansatz berechnet. Mit xp =

N X j=1

ˆ j qjp (t) x

14.2 Periodische Anregung

141

folgen die entkoppelten Bewegungsgleichungen f¨ ur die generalisierten Koordinaten der Eigenschwingungsformen zu 2 ˆ Tj p ˆ cos Ωt . q¨jp + ω0j qjp = x

Die Amplituden qˆj des Ansatzes f¨ ur die Partikularl¨osung qjp = qˆjp cos Ωt m¨ ussen die Bewegungsgleichung erf¨ ullen. Damit folgt mit den Partizipationsfaktoren der jeweiligen Eigenschwingungsformen qˆjp =

ˆ ˆ Tj p x 2 ω0j − Ω2

und f¨ ur die speziellen Amplituden des gegebenen Beispiels  h i pˆ √0,5 √2 −5,5 √pˆ 5m 5m −3ˆ p 5m qˆ1p = = , k k 1,5 m 1,5 m − Ω2 − Ω2

qˆ2p =

h

√−1 5m

√1 5m

i

k − Ω2 4m

pˆ −3ˆ p



=

−4 √pˆ

5m

k − Ω2 4m

.

Die R¨ ucktransformation in den Raum der physikalischen Koordinaten erfolgt mit dem Ansatz ˆ 1 q1p (t) + x ˆ 2 q2p (t) xp = x ˆ 1 qˆ1p + x ˆ 2 qˆ2p ) cos Ωt . = (x Die Umrechnung der Partikularl¨ osung auf die Verschiebungen xj der Einzelmassen gibt #   " k − m − 0,25Ω2 1 x1p   · pˆ cos Ωt . xp (t) = = ·  k x2p k k −10 m + 3Ω2 − Ω2 4 m − Ω2 m 1,5 m 3. Resonanzkurve

Die Partikularl¨ osung ist jetzt von der Erregerfrequenz Ω abh¨angig, sodass die Auswertung analog zur Vergr¨ oßerungsfunktion und zum Verlauf des Phasenwinkels beim Ein–Masse–Schwinger auch zeichnerisch erfolgen kann. Die zeichnerische Darstellung der L¨ osung wird als Resonanz–Kurve bezeichnet. Charakteristische Erregerfrequenzen sind dabei mit den Nullstellen des Nenners und des Z¨ ahlers berechenbar.

142

14 Erzwungene Schwingungen – unged¨ampft

Die Resonanzfrequenzen folgen aus den Nullstellen des Nenners zu ΩR1 = ω01 und ΩR2 = ω02 . Die Z¨ ahlernullstellen geben Schwingungsknoten an, also Erregerfrequenzen, bei denen eine oder mehrere Auslenkungen xˆi gerade Null sind. F¨ ur den Fall, dass Z¨ ahler und Nenner gleichzeitig verschwinden, spricht man von Scheinresonanz. k x^ j . ^ p

^x 1 ^x

2

2

1

G R1

0

1

R2 S

2

3

Ω k m

3

Ω k m

-1 -2 -3

π

0

ϕ0j

1

2

Bild 14-1 Resonanzkurven und Phasenwinkel Resonanzstellen R, Schwingungsknoten S und die Frequenzen, bei denen mehrere Verschiebungen G gleich sind, k¨ onnen gezielt durch Anordnen zus¨atzlicher Massen und Steifigkeiten ver¨ andert werden, wenn das System abgestimmt werden muss. Der Verlauf des Phasenwinkels der Verschiebungen hat den Wert 0 oder π und an den Resonanzstellen Unstetigkeitsstellen, wenn das System unged¨ampft ist. Der Sprung um 1800 bedeutet, dass die jeweilige Masse in Gegenphase zur Systemanregung schwingt. Zu beachten ist, dass die Gegenphase f¨ ur die verschiedenen Massen zu unterschiedlichen Erregerfrequenzen auftreten kann.

14.3 Unperiodische Anregung

143

4. Frequenzgangmatrix Die Berechnung der Partikularl¨ osung kann verk¨ urzt werden, wenn die Frequenzgangmatrix G(Ω) direkt mit den Eigenvektoren berechnet wird. Mit 1 1 ˆ2 x ˆ T2 · 2 +x 2 −Ω ω02 − Ω2 # # " " 1 0,25 1 −1 1 1 = 2 − Ω2 ) + 2 − Ω2 ) 5m(ω01 5m(ω02 1 4 −1 1   k k − Ω2 2m 2m 1     · = k k k k 4m 1,5 m − Ω2 4 m − Ω2 2m 14 m − 4Ω2

ˆ1 x ˆ T1 · G(Ω) = x

und

2 ω01

ˆ cos Ωt xp = G(Ω) p folgt die Partikularl¨ osung wie oben angegeben.

14.3 Unperiodische Anregung Bei einer Anregung mit einem beliebigen Zeitverlauf ˆ · f (t) Mx ¨ + Kx = p und Wahl eines Ansatzes vom Typ der rechten Seite f¨ uhrt nur das Fourier– Integral nach Abschnitt 15.2 zum Erfolg. Bei Wahl eines Modal–Ansatzes xp (t) =

n X

ˆ j qjp (t) x

j=1

ist eine L¨ osung wie bisher m¨ oglich. Einsetzen des Ansatzes in die Bewegungsgleichung und Orthogonalisieren liefert analog zu 14.2 2 ˆ Tj p ˆ · f (t) . q¨jp + ω0j qjp = x

Nach Abschnitt 8.3 folgt mit dem Duhamel–Integral die Teill¨osung 1 qjp (t) = a ˆjc cos ω0j t + a ˆjs sin ω0j t + ω0j =a ˆjc cos ω0j t + a ˆjs sin ω0j t +

Zt 0

ˆ Tj p ˆ x

ˆ Tj p ˆ f (τ ) dτ , sin ω0j (t − τ ) x

1 ω0j

Zt 0

sin ω0j (t − τ ) f (τ ) dτ ,

144

14 Erzwungene Schwingungen – unged¨ampft

wobei die Konstanten a ˆjc und a ˆjs an die Anfangsbedingungen der jeweiligen ¨ Eigenschwingung anzupassen sind und die Gesamtbewegung aus der Uberlage¨ rung aller Teilschwingungen folgt. Die R¨ ucktransformation mit Uberlagerung der Teilschwingungen ist schwierig, da die Eigenkreisfrequenzen ω0j im Integranden und auch im ersten Teil der L¨ osung unterschiedlich sind. Damit ist die L¨ osung nicht geschlossen darstellbar.

14.4 Anpassen der Gesamtl¨ osung an die Anfangsbedingungen Die Gesamtl¨ osung der Bewegungsgleichung ist mit x(t) = xh + xp gegeben. In der Gesamtl¨ osung sind die Integrationskonstanten aus der L¨osung der homogenen Bewegungsgleichung noch unbekannt. Die Anpassung der Integrationskonstanten der Gesamtl¨ osung an die Anfangsbedingungen x0 = xp (t0 ) +

n X

ˆ j (ˆ x ajc cos ω0j t0 + a ˆjs sin ω0j t0 )

j=1

v0 = x˙ p (t0 ) +

n X

ˆ j ω0j (−ˆ x ajc sin ω0j t0 + a ˆjs cos ω0j t0 )

j=1

zur Zeit t = t0 kann in Analogie zu Abschnitt 12.2 auf zwei Wegen erfolgen, wenn die Partikularl¨ osung xp (t0 ) und x˙ p (t0 ) bekannt ist.

Direkte Berechnung Die direkte Berechnung der a ˆjc und a ˆjs erfolgt mit Hilfe des Gleichungssystems # #  #" "  " ˆ j cos ω0j t0 ˆ j sin ω0j t0 xp (t0 ) a ˆjc x x x0 . = − v0 ˆ j ω0j cos ω0j t0 x˙ p (t0 ) a ˆjs −ˆ xj ω0j sin ω0j t0 x Im Unterschied zu Abschnitt 12.2 ist hier die Partikularl¨osung zahlenm¨aßig auszuwerten und auf der rechten Seite zu ber¨ ucksichtigen. Der Aufwand f¨ ur die Berechnung der unbekannten a ˆjc und a ˆjs ist von der Ordnung O(2 n3 ), wenn das Gleichungssystem voll besetzt ist.

Orthogonalisieren der Anfangsbedingungen Mit bekannten xp (t0 ) und x˙ p (t0 ) erh¨ alt man die Bestimmungsgleichungen f¨ ur die Konstanten a ˆjc und a ˆjs nach der Orthogonalisierung der Anfangsbedingun-

14.4 Anpassen der Gesamtl¨ osung an die Anfangsbedingungen

145

ˆ Tj ·M. Es bleibt gen mit x ˆ Tj M x0 = x ˆ Tj M xp (t0 ) + a x ˆjc cos ω0j t0 + a ˆjs sin ω0j t0 ˆ Tj M v0 = x ˆ Tj M x˙ p (t0 ) + ω0j (−ˆ x ajc sin ω0j t0 + a ˆjs cos ω0j t0 ) , wenn die mit ˆ Tj M x ˆj = 1 x normierten Eigenvektoren verwendet werden. Die Berechnung der Koeffizienten ˆ j getrennt. Die Aufl¨osung beider Gleichunerfolgt jetzt f¨ ur jeden Eigenvektor x gen ergibt damit ˆ Tj M [ x0 − xp (t0 ) ] − a ˆjc = cos ω0j t0 x

1 ˆ Tj M [ v0 − x˙ p (t0 ) ] , sin ω0j t0 x ω0j

ˆ Tj M [ x0 − xp (t0 ) ] + a ˆjs = sin ω0j t0 x

1 ˆ Tj M [ v0 − x˙ p (t0 ) ] . cos ω0j t0 x ω0j

Hier kann der Aufwand zur Berechnung der Unbekannten auf die Ordnung O(4 n2 ) reduziert werden, wenn die quadratischen Formen entsprechend ausgewertet werden.

¨ GEDAMPFTE SYSTEME

15 Schwingungen in komplexer Darstellung

Mit Hilfe von komplexen Zahlen k¨ onnen Schwingungen mathematisch einfacher als in der reellen Darstellung beschrie√ ben werden. Mit i = −1 und A(λ) = e



λ = cos | {z} | {zλ} + i· sin Realteil

Imagin¨ arteil

Im

A

isinl

l cosl

Re

kann man die reelle Schreibweise der harmonischen Schwingung in die komplexe Schreibweise umformen x(t) = x ˆ cos(ωt − ϕ0 ) = x ˆ Re[ei(ωt−ϕ0 ) ] = Re[ˆ x · ei(ωt−ϕ0 ) ] . Das Argument kann man als komplexe Schwingung z(t) = x ˆ · ei(ωt−ϕ0 ) = (ˆ x ·e−iϕ0 ) ) · eiωt

(15.1)

definieren, die sich mit der komplexen Amplitude zˆ = x ˆ · e−iϕ0 auch in z(t) = zˆ eiωt

(15.2)

umformen l¨ asst. Die Umrechnung der komplexen Darstellung in die reelle Darstellung erfolgt mit z(t) = zˆ ei(ωt) = (ˆ zR + i zˆJ )(cos ωt + i sin ωt) = (ˆ zR cos ωt − zˆJ sin ωt) + i(ˆ zR sin ωt + zˆJ cos ωt) , sodass die reelle Schwingung x(t) = Re[z(t)] mit x(t) = (ˆ zR cos ωt − zˆJ sin ωt) gegeben ist. Die Darstellung der Schwingung erfolgt als Zeiger in der komplexen Zahlenebene, wobei ϕ0 die Anfangslage beschreibt und ωt die Drehung des Zeigers angibt. Bild 15-1 veranschaulicht, dass z(t) ˙ gegen¨ uber z(t) um 90o und z¨(t) um 180o phasenverschoben sind (eiωt → iωeiωt → −ω 2 eiωt ). © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_15

150

15 Schwingungen in komplexer Darstellung

Eine andere, direkte Umformung der reellen Schwingung in eine komplexe Darstellung ist mit 1 iλ (e + e−iλ ) bzw. 2 m¨ oglich. F¨ ur die relle Schwingung

sin λ =

cos λ =

1 iλ (e − e−iλ ) 2i

1 x(t) = x ˆ cos(ωt − ϕ0 ) = xˆ (ei(ωt−ϕ0 ) + e−i(ωt−ϕ0 ) ) 2 folgt dann x(t) = z+ (t) + z− (t) , sodass sie in dieser Form als Summe zweier konjugiert komplexer Schwingungen beschrieben wird. In dieser Schreibweise heben sich die Imagin¨arteile heraus, sodass die Summe der Realteile die reelle Schwingung beschreibt. x =Re(z)

Re (z) z = - ω2 z

ϕ

Im(z)

ωt A

0

ωt ϕ

z

0

A

z =i ωz

Bild 15-1 Schwingungen in der komplexen Zahlenebene

15.1 Harmonische Analyse periodischer Schwingungen Die bereits in reeller Schreibweise angegebene Fourier–Reihe nach Gleichung (2.5) einer in T periodischen reellen Schwingung x(t) ist auch in komplexer Darstellung darstellbar x(t) =

+∞ X

zˆn ei(nωt) ,

(15.3)

n=−∞

wobei n eine ganze Zahl ist und ω die Basisfrequenz. W¨ahlt man die oben gezeigte Umformung, so erkennt man den Zusammenhang mit der reellen Fourier– Reihe x(t) = zˆ0 +

−1 X

(ˆ zn− cos n ωt + i zˆn− sin n ωt)+

n=−∞

+∞ X (ˆ zn+ cos n ωt + i zˆn+ sin n ωt) ,

n=+1

15.2 Fourier–Integral von unperiodischen Schwingungen

= zˆ0 + |{z} x ˆ0 /2

∞ X

n=1

(ˆ zn+ + zˆn− ) cos n ωt + | {z } x ˆcn

∞ X

n=1

151

i (ˆ zn+ − zˆn− ) sin n ωt . {z } | x ˆsn

Multipliziert man Gleichung (15.3) mit e−i mωt und integriert u ¨ber die Periode T , so kann man die Fourier–Koeffizienten wegen tZ 0 +T

e

−i(mωt) i(nωt)

t0

e

dt =

tZ 0 +T

e

−i(m−n)ωt

t0

mit 1 zˆn = T

tZ 0 +T

dt =

(

T 0

f¨ ur f¨ ur

m=n m 6= n

x(t) e−i(nωt) dt .

(15.4)

t0

berechnen.

15.2 Fourier–Integral von unperiodischen Schwingungen Auch unperiodische Schwingungen k¨ onnen in komplexer Schreibweise beschrieben werden. Hierbei geht die Periode T der Schwingung gegen unendlich“ und ” zus¨ atzlich wird das Spektrum der Frequenzen kontinuierlich, statt der diskreten Frequenzen nω der Fourier–Reihe. Es sind also nicht nur ganzzahlige Vielfache der Basisfrequenzen vorhanden, sondern auch nicht ganzzahlige Vielfache. Zun¨ achst kann man die diskrete Fourier–Reihe als Treppenfunktion mit x(t) =

∞ X

zˆn ei(n¯ωt) ∆n

n=−∞

darstellen, wobei n eine ganze Zahl und ∆n = 1 ist sowie ω ¯ die Basisfrequenz. Der Sprung ∆n = 1 deutet an, dass nur ganzzahlige Vielfache der Basisfrequenz angesprochen werden. L¨ asst man ∆n differentiell klein zu dn und die Summe zu einem Integral u ¨ber dn werden, kann man auch nicht ganzzahlige Vielfache der Basisfrequenz einbeziehen. Nach Integration u ¨ber dn folgt x(t) =

Z∞

zˆ(n) ei(n¯ωt) dn

n=−∞

mit beliebig reellem n. Aus den diskreten Fourierkoeffizienten zˆn wird jetzt eine stetige Funktion zˆ(n). Das Integral kann man jetzt weiter umformen, wenn

152

15 Schwingungen in komplexer Darstellung

ω=ω ¯ n und im differentiellen dω = ω ¯ dn = 2π/T dn gesetzt wird: T 2π

x(t) =

Z∞

zˆ(n) eiωt dω .

(15.5)

ω=−∞

Der Vorfaktor T /2π wird wegen T → ∞ mit der Funktion zˆ(n) zusammengefasst, sodass Z∞ x(t) = zˆ(iω) eiωt dω . (15.6) ω=−∞

gilt. Die komplexe Funktion zˆ(iω) wird als Fourier–Transformierte der Originalschwingung x(t) bezeichnet. Die Berechnung der Fourier–Transformierten erfolgt in Analogie zu den Fourier–Koeffizienten mit Hilfe einer Orthogonalisierung analog zu Gleichung (15.4). T 1 zˆ(iω) = zˆ(n) = 2π 2π

Z∞

x(t) e−iωt dt .

(15.7)

t=−∞

Entscheidend ist hierbei, dass die Fourier–Transformierte kontinuierlich und nicht diskret ist. Aus dem diskreten Amplitudenspektrum der Fourier–Reihe wird jetzt eine kontinuierliche Funktion. Man bezeichnet zˆ(iω) auch als Spektralfunktion, Spektraldichte oder komplexe Spektraldichte. F¨ ur Sonderf¨alle der Originalschwingung x(t) ist die Fourier–Transformierte in der Literatur tabelliert, z. B. [7]. z^ (ω)

ω 0

1

2

3

4

Bild 15-2 Kontinuierliches Fourier–Spektrum Im Weiteren sind Gleichung (15.7) als Fourier–Transformation und Gleichung (15.6) als inverse Fourier–Transformation bezeichnet. Die Fourier–Transformation ist dann einsetzbar, wenn die Bedingung Z∞

t=−∞

|x(t)| dt < ∞

15.2 Fourier–Integral von unperiodischen Schwingungen

153

erf¨ ullt ist und x(t) in jedem endlichen Intervall in endlich viele stetige und monotone St¨ ucke zerlegt werden kann. Selbstverst¨andlich kann die hier beschriebene Fourier–Transformation auch in reeller Darstellung erfolgen. F¨ ur beliebige nicht analytisch integrierbare Funktionen ist die Fourier–Transformierte numerisch mit der diskreten Fourier–Transformation (DFT) oder der schnellen Fourier–Transformation bzw. Fast–Fourier–Transformation (FFT) auch numerisch m¨ oglich, siehe [7], [13]: N −1/2 1 X x(tj ) e−iωtj ∆t , 2π

zˆ(iω) =

j=1/2

tj = t0 + j · ∆t .

(15.8)

Dies entspricht einer Treppenfunktion im Zeitbereich, wobei N die Zahl der Zeitintervalle im Integrationsbereich und ∆t das Zeitintervall bei gleicher Teilung angeben. Bei der Summenbildung werden verschiedene Terme mehrmals angesprochen, sodass man die entsprechenden Terme zusammenfassen kann und eine Effizienzsteigerung m¨ oglich ist. Die inverse diskrete Fourier–Transformation f¨ ur die R¨ ucktransformation in den Zeitbereich erfolgt entsprechend Gleichung (15.6) mit K−1/2

x(t) =

X

zˆ(iωj ) eiωj t ∆ω ,

j=1/2

ωj = ω0 + j · ∆ω .

(15.9)

wobei K die Zahl der Integrationsintervalle in ω angibt. Beispiel 1 Der Impuls x(t) wird mit der Dirac δ– Funktion zur Zeit t0 = 0 beschrieben. x(t) = pˆ δ(t0 )

f¨ ur

pδ(t - t0 )

− ε ≤ t0 ≤ +ε .

Die Fourier–Transformation gibt Z +∞ 1 zˆ(iω) = pˆ δ(t0 ) · e−iωt dt 2π −∞ =

x(t)

pˆ ·1. 2π

Die Fourier–Transformierte des Impulses x(t) ist konstant u ¨ber das gesamte Frequenzspektrum, da mit der δ– Funktion alle Frequenzen gleich stark angeregt werden.

p t t 0 -ε t 0 t 0 +ε

z(i ω)

p/2π ω

0

Fourier–Transformierte von x(t)

154

15 Schwingungen in komplexer Darstellung

Beispiel 2 Gegeben ist der Rechteckimpuls x(t) = pˆ

f¨ ur

p(t)

− T ≤ t ≤ +T .

p

Die Fourier–Transformation gibt Z +∞ 1 zˆ(iω) = x(t) · e−iωt dt 2π −∞ Z +T 1 pˆ · e−iωt dt = 2π −T

−ˆ p ( e−iωT − e+iωT ) i 2π ω pˆ sin ωT . = πω

t -T

0

T

z^ (ω)

ωT

=

-3 π

-2 π

−π

π

0





Fourier–Transformierte von x(t) = pˆ

Die R¨ ucktransformation erfolgt mit Gleichung (15.6), ist jedoch nicht geschlossen darstellbar. Beispiel 3 Gegeben ist die ged¨ ampfte Schwingung Re[x(t)]

x(t) = x ˆ e(−δ+i ω0 )t

f¨ ur

t ≥ 0.

Die Fourier–Transformation gibt Z +∞ 1 x(t) · e−iωt dt zˆ(iω) = 2π −∞ Z +∞ 1 x ˆ e(−δ+i ω0 )t · e−i ωt dt = 2π 0 Z +∞ 1 = x ˆ e(−δ+i ω0 −i ω)t dt 2π 0 (−δ+i (ω0 −ω))t

={ =

e xˆ · }|+∞ 2π −δ + i (ω0 − ω) 0

x ˆ δ + i (ω0 − ω) · . 2π δ 2 + (ω0 − ω)2

Die Fourier–Transformierte besitzt hier einen Real– und einen Imagin¨ arteil.

t

xcosω0te-

δt

Re[z(i ω)]

0

ω0

ω

Im[z(i ω)]

ω0

ω

0

Fourier–Transformierte von x(t)

15.2 Fourier–Integral von unperiodischen Schwingungen

155

Beispiel 4 Gegeben ist eine Windb¨ oe in Form eines sin–Impulses x(t) = sin

1 t 4

f¨ ur

x(t) t

0 ≤ t ≤ 4π .

0

4p

Die exakte L¨ osung der Fourier–Transformierten folgt nach [7] mit Z 4π 1 1 zˆ(iω) = sin t e−iωt dt 2π 0 4 1 1 1 1 1 −iωt e ( −iω sin t − cos t ) ]4π =[ 0 2π (−iω)2 + 0,252 4 4 4 1 ( e−iω4π + 1 ) . = 2 8π(−ω + 0,0625) Mit der Diskreten Fourier–Transformation (DFT) folgt f¨ ur N = 4 und ∆t = π zˆ(iω) =

N −1/2 1 1 X sin tj e−iωtj ∆t 2π 4 j=1/2

1 1 3 5 7 = [ sin π e−iωπ/2 + sin π e−iω3π/2 + sin π e−iω5π/2 + sin π e−iω7π/2 ] 2 8 8 8 8 1 = e−iωπ/2 [ 0,3827 + 0,9239 e−iωπ + 0,9239 e−iω2π + 0,3827 e−iω3π ] . 2 Die G¨ ute der N¨ aherung kann man mit der R¨ ucktransformation der Fourier– Transformierten in die reelle Schreibweise u ufen. Nachfolgendes Bild ver¨berpr¨ gleicht die Ursprungsfunktion x(t) mit der N¨ aherung, die mit Gleichung (15.6) berechnet wird. Hier wird deutlich, dass die diskrete Fourier–Transformation immer mit einem Abbruchfehler verbunden ist, der sich in der hier nicht berechneten Systemantwort fortpflanzt. 1 t = 14sin t R 4 x(t) = = x(t) z(iω) eiωt dω z(iω)dω

x(t) x(t) =

x(t)

R

1 0,5

5

10

t

Bild 15-3 exakte Funktion x(t) und N¨aherung nach R¨ ucktransformation

16 Modellierung kontinuierlicher D¨ ampfer

Alle in der Realit¨ at ablaufenden Prozesse sind von Energieverlusten begleitet. Die Ursachen f¨ ur Energieverluste sind vielf¨ altig und bewirken eine D¨ampfung der Bewegung von Tragwerken, wenn die zur Verf¨ ugung stehende Bewegungsenergie verringert wird. Werkstoffbedingte Energieverluste k¨ onnen als innere D¨ampfung interpretiert werden und treten bei viskosem Werkstoffverhalten auf. Dies ist als Kriechen von Beton und Holz oder von metallischen Werkstoffen bei hohen Temperaturen sichtbar, wobei diese Prozesse in der Regel langsam ablaufen und in der Schwingungsanalyse von Tragwerken vernachl¨assigt werden. Bei zyklischer Werkstoffbeanspruchung sind jedoch weitere Ph¨ anomene auf atomarer Ebene vorhanden, die in der Bewegungsgleichung als D¨ampfung beschrieben werden k¨ onnen. Auf Bauteilebene ist Reibung in Verbindungselementen mit Schrauben und Nieten vorhanden, jedoch in der Regel lastabh¨ angig, wenn nicht alle Verbindungselemente in allen Lastf¨ allen gleich beansprucht werden. Energieverluste aus Reibung treten ¨ ortlich auf und erfordern in der Regel nichtlineare Modelle mit Sprungfunktionen. Die bei der Bewegung von Tragwerken in Gasen und Fl¨ ussigkeiten auftretenden Energieverluste sind als ¨außere D¨ampfung interpretierbar. Zu beachten ist, dass bei Bewegungen in str¨ omenden Medien auch eine Anfachung der Bewegung erfolgen kann, wenn dem Tragwerk Energie zugef¨ uhrt wird. Dies kann zu Instabilit¨ aten f¨ uhren, wenn die Amplituden der Bewegung kontinuierlich anwachsen.

16.1 Rheologie der D¨ ampfungseigenschaften Die genaue Ermittlung der D¨ ampfungseigenschaften eines Systems ist sehr schwierig. Auch sind genaue in der Regel nichtlineare Ans¨atze rechnerisch nur schwierig zu behandeln, sodass oft vereinfachende Annahmen sinnvoll sind. In der Schwingungslehre werden die Energieverluste u ¨ber die Arbeit modelliert, die als Dissipation in rheologischen Modellen geleistet wird. Dissipative Elemente werden als D¨ ampfer bezeichnet, wobei die D¨ampfereigenschaften entsprechend der jeweiligen Ursache mit unterschiedlichen Kennlinien modelliert werden. Dies k¨ onnen viskose D¨ ampfer oder Reibelemente sein. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_16

16.1 Rheologie der D¨ ampfungseigenschaften

157

• viskose D¨ampfer haben eine kontinuierliche Kennlinie. FD

x

Bild 16-1 linear viskoser D¨ampfer • Reibung wird mit Coulomb–D¨ampfern beschrieben, die eine unstetige Kennlinie besitzen. Mit Coulomb–D¨ ampfern kann man auch plastisches Werkstoffverhalten beschreiben. FD

x

Bild 16-2 Coulomb–D¨ampfung Die hier angesprochenen Arten von D¨ ampfung k¨onnen in der Bewegungsgleichung in dem Produkt D · x˙ bzw. D · sign(x) ˙ x˙ bei Coulomb–Reibung erfasst werden, wobei D im nichtlinearen Fall auch von x und x˙ abh¨angen kann. Werkstoffd¨ ampfung Bei inelastischem Werkstoff k¨ onnen Prozesse beobachtet werden, die makroskopisch als Kombination von Kriechen und Plastifizieren des Werkstoffs erscheinen und daher komplexere rheologische Modelle erfordern. Im Werkstoffverhalten machen sie sich mit einer Hysterese bei Be- und Entlastung in Abh¨angigkeit von der Verformungsgeschwindigkeit bemerkbar, siehe Bild 16-3. visko - elastisch σ σ=0 ε=0

plastisch ε≈0

ε p2

σ σ=0 σF

ε

ε σ=0

σ=0

σF ε p1

Bild 16-3 Visko-elastisches und plastifizierendes Werkstoffverhalten

158

16 Modellierung kontinuierlicher D¨ampfer

Hier u ¨berlagern sich unterschiedliche Mechanismen auf der atomaren Ebene des Werkstoffs. Die anschauliche Beschreibung des visko–elastisch–plastischen Werkstoffverhaltens ist mit rheologischen Modellen nach Abbildung 16-4 m¨oglich. Die Reihenschaltung im rechten Modell beschreibt einen Werkstoff, der keine σF

σF

E E

η

η

Bild 16-4 Rheologische Modelle statische Beanspruchung zul¨ aßt, da die Viskosit¨ at bei der geringsten Federkraft zu stetig anwachsender Verformung f¨ uhrt. ¨ Außere D¨ ampfung Bisher wurden stets D¨ ampfer betrachtet, die von außen auf das jeweilige Masseteilchen wirken. Diese D¨ ampfer werden direkt in den Bewegungsgleichungen ¨ u ampferkraft ber¨ ucksichtigt. Außere D¨ampfung entsteht bei Bewe¨ber die D¨ gung des Tragwerks in einem Gas oder einer Fl¨ ussigkeit und wirkt als kontinuierlicher Druck von außen auf das Tragwerk. Im weiteren wird viskose D¨ ampfung mit linearer Kennlinie betrachtet, da hierbei die Systemeigenschaften stetig sind, siehe das FD –x˙ Diagramm in Bild 16-1. Fallunterscheidungen w¨ aren notwendig, wenn die Kennlinie unstetig ist. In der Bewegungsgleichung des Ein–Masse–Schwingers wird die D¨ampfung als D¨ ampferkraft Fd = d · x˙ ber¨ ucksichtigt. Analog dazu werden die D¨ ampferkr¨afte in den Bewegungsgleichungen von Mehr–Massen–Schwingern erfasst Mx ¨ + D x˙ + K x = p(t) . Die D¨ ampfungsmatrix D ist symmetrisch, wenn die Bewegungsgleichungen entsprechend formuliert sind. F¨ alle, in denen D physikalisch begr¨ undet unsymmetrisch ist, sind z. B. in der Aeroelastizit¨ at wegen der Luftkr¨afte als Tragfl¨ achenauftrieb m¨ oglich, oder in bewegten Systemen bei der Ber¨ ucksichtigung von Corioliskr¨ aften, wenn das Tragwerk im mitdrehenden Koordinatensystem modelliert ist – z. B. bei Hubschrauberrotoren und Rotoren von Windkraftanlagen.

16.2 Rayleigh–D¨ ampfung

159

Die Berechnung der Gesamtl¨ osung der Bewegungsgleichung f¨ ur ged¨ampfte Systeme ist erheblich aufw¨ andiger als f¨ ur unged¨ ampfte Systeme, da einerseits die Eigenwerte und die Eigenvektoren f¨ ur die Beschreibung der freien Schwingungen und andererseits auch der Amplitudengang f¨ ur die Beschreibung der erzwungenen Schwingungen komplex werden. Oft reicht es aber aus, die L¨osung des unged¨ ampften Systems zu kennen und zus¨ atzlich qualitative Aussagen u ¨ber die Wirkung der D¨ ampfung zu machen, wenn die genauen Systemparameter nicht bekannt sind. Hierf¨ ur werden verschiedene Ans¨atze zur n¨aherungsweisen Beschreibung der D¨ ampfung gew¨ ahlt.

16.2 Rayleigh–D¨ ampfung Nachfolgend wird linear visko–elastisches Werkstoffverhalten angesetzt, damit die Bewegungsgleichungen weiterhin linear sind und analytisch gel¨ost werden k¨ onnen. F¨ ur einen Dehnstab nach Abschnitt 11.1 gilt im einfachsten Fall bei visko–elastischem Werkstoffverhalten mit dem rheologischen Modell nach Bild 16-5 die Werkstoffgleichung N = EA ǫ + ηk A ǫ˙ mit [ηk ] = kg/ms = N s/m2 , die auch als Kelvin–Voigt–D¨ampfung bezeichnet wird. Wichtig ist, dass die D¨ ampferkraft bei diesem Ansatz mit den Verzerrungsgeschwindigkeiten beschrieben wird. p

EA N + dN

N ηA dx

Bild 16-5 Visko–elastisches Werkstoffverhalten – Kelvin–Voigt–D¨ampfung Bei der Herleitung der Bewegungsgleichung f¨ uhrt dies dazu, dass die D¨ampfungsmatrix den gleichen Aufbau wie die Steifigkeitsmatrix hat. Mit den Ans¨ atzen nach Abschnitt 11.1.2 f¨ ur u = Ω(Ort) · v(Zeit) folgt mit dem PvV Z Z Z −δAK = δǫ · N dx = δu,x · EA · u,x dx + δu,x · ηk A · u, ˙ x dx = δvT K v + δvT D v˙ ,

sodass hier D = β K angesetzt werden kann.

160

16 Modellierung kontinuierlicher D¨ampfer

Wenn die D¨ ampfung von außen auf die Werkstoffteilchen wirkt, ist sie mit den Geschwindigkeiten verkn¨ upft. Die D¨ ampfungsmatrix ist hierbei genauso aufgebaut wie die Massenmatrix, wenn die D¨ ampferkr¨ afte wie die Massentr¨agheiten verteilt sind. Analog zu Z Z −δAM = δu · ρA · u ¨ dx = δvT ρA ΩT Ω dx v ¨ = δvT M v ¨ folgt f¨ ur die D¨ ampfung mit [ηm ] = kg/m3 s = N s/m4 Z Z −δAD = δu · ηm A · u˙ dx = δvT ηm A ΩT Ω dx v˙ = δvT D v˙ , sodass die D¨ ampfungsmatrix D = γM proportional zur Massenmatrix ist. Beide Arten der D¨ ampfungsursachen k¨ onnen verallgemeinert werden, wenn D = γM + βK gesetzt wird. γ und β sind dimensionsbehaftete Wichtungsfaktoren. Dieser Ansatz ist unabh¨ angig von der physikalischen Bedeutung erstmals von Rayleigh (1877) formuliert und wird als Rayleigh–D¨ampfung, als Klassische D¨ampfung, als Proportionald¨ ampfung oder auch als Bequemlichkeitshypothese bezeichnet. Vorteilhaft ist, dass hiermit die experimentell nur schwer zu ermittelnden D¨ ampfungseigenschaften vereinfachend abgesch¨atzt werden k¨onnen. In der Folge sind die Bewegungsgleichungen einfacher l¨ osbar als bei beliebig viskoser D¨ ampfung. Die Anwendungen der Rayleigh–D¨ ampfung liegen vorwiegend bei kontinuierlichen Systemen wie Stab– und Fl¨ achentragwerken. Unabh¨angig von den tats¨ achlich vorliegenden Werkstoffeigenschaften hat die Rayleigh–D¨ampfung die folgenden Merkmale. F¨ ur den Ein–Masse–Schwinger gilt mx ¨ + (γ m + β k) x˙ + k x = p und nach Umformung x ¨ + (γ + β ω02 ) x˙ + ω02 x =

p . m

Das Lehr’sche D¨ ampfungsmaß ϑ entsprechend Abschnitt 2.4.1 gibt das Abklingverhalten der Schwingung an und ist hier mit ϑ= festgelegt.

δ 1 γ + β ω02 = ω0 2 ω0

16.3 Strukturd¨ ampfung

161

• Wenn β = 0 angesetzt wird, ist ϑ umgekehrt proportional von der Eigenkreisfrequenz ω0 abh¨ angig. Dies bedeutet, dass hohe Frequenzen geringer ged¨ ampft werden als kleine. • Wenn γ = 0 angesetzt wird, ist ϑ proportional zur Eigenkreisfrequenz ω0 . Dies bedeutet, dass hohe Frequenzen st¨arker ged¨ampft werden als kleine. Hierbei wird jeweils der D¨ ampfungsgrad ϑ betrachtet, nicht die Zeit bis zum Abklingen der Schwingung. Diese Eigenschaft kann man auf die Teilschwingungen von Mehrmassenschwingern u ¨bertragen, da die Eigenschwingungsformen bei Rayleigh–D¨ ampfung orthogonal bez¨ uglich der Massen– und Steifigkeitsmatrix sind. Es gilt jedoch nicht bei allgemein viskoser D¨ampfung.

16.3 Strukturd¨ ampfung In experimentellen Untersuchungen an harmonisch fremderregten Proben wird beobachtet, dass die Dissipationsarbeit nahezu unabh¨angig von der Erregerfrequenz ist. Deshalb ist es sinnvoll, einen weiteren D¨ampfungsansatz zu definieren, der als Strukturd¨ampfung bezeichnet wird. Auf atomarer Ebene finden bei Beanspruchungen aus makroskopischen Verzerrungen und Spannungen Platzwechsel von Atomen und Kristallgitterfehlern statt. Das als Strukturrelaxation bezeichnete Ph¨ anomen ist frequenzunabh¨angig und f¨ uhrt zu zeitlich verz¨ ogert auftretenden makroskopischen Verzerrungen, die als Kriechen und Relaxation identifiziert werden k¨onnen. Unter zyklischer Beanspruchung des Werkstoffs stellt sich das Ph¨ anomen als Hysterese dar, die sich f¨ ur große Zyklenzahlen stabilisiert. Die von der Hysterese eingeschlossene s

s

e n = 1,2 ...

ADiss

e n=

Bild 16-6 Visko–Plastisches Werkstoffverhalten mit Hysterese Fl¨ ache entspricht der in einem Zyklus freigesetzten Dissipationsarbeit. Die Dissipationsarbeit wird in W¨ arme umgesetzt und abgef¨ uhrt und steht dem System daher nicht mehr zur Verf¨ ugung.

162

16 Modellierung kontinuierlicher D¨ampfer

Bei harmonischer Bewegung ADiss =

tZ 0 +T to

σd · ε˙ dt =

tZ 0 +T to

ε(t) = εˆ sin Ωt 2

d · ε˙ dt =

tZ 0 +T to

gilt mit

σd = d · ε˙

d · εˆ2 Ω2 cos2 Ωt dt = d Ω εˆ2 · π .

Hierbei erfolgt die Integration mit tZ 0 +T

cos2 Ωt dt = [

to

1 T 1 t+ sin 2Ωt ]ttoo +T = . 2 4Ω 2

Wenn die Dissipation unabh¨ angig von Ω ist, kann man d mit der frequenzunabh¨ angigen D¨ ampferkonstanten dh beschreiben dh dh und damit σd = ε˙ . Ω Ω Setzt man den Zeitverlauf der Verzerrungen in komplexer Schreibweise mit d=

ε = εˆ sin Ωt = εˆ

1 iΩt ( e − e−iΩt ) 2i

an, folgt ε˙ = i Ω · ε . Hiermit sind die Werkstoffgleichungen dh Ω

ε˙ = i · dh · ε

aus D¨ ampfung

σd =

und aus Elastizit¨ at

σ =E·ε

ahnlich. Vergleicht man die Werkstoffgleichung des D¨ampfers mit dem Hoo¨ ke’schen Ansatz bei Elastizit¨ at des Werkstoffs, so stellt man fest, dass sich beide Werkstoffgleichungen nur durch einen anderen Werkstoffmodul E bzw. i dh unterscheiden. Die D¨ ampferspannung ist daher gegen¨ uber der Spannung aus Elastizit¨ at um 90o phasenverschoben, da auch die Geschwindigkeit gegen¨ uber der Verschiebung um 90o phasenverschoben ist – sin bzw. cos. Die D¨ ampferkraft eines Ein–Masse–Schwingers folgt entsprechend bei harmonischer Anregung in komplexer Schreibweise Fd = d z˙ = i · β k z , ¨ wobei β ein Skalierungsfaktor ist. Ubertr¨ agt man diesen Ansatz auf einen Mehrmassenschwinger, folgt vereinfachend Fd = D z˙ = i · β K z

16.3 Strukturd¨ ampfung

163

und hiermit die Bewegungsgleichung M¨ z + K (1 + iβ) z = p . Bild 16-7 veranschaulicht, dass man die D¨ ampferkraft D z˙ mit Hilfe einer Transformation von K z beschreiben kann. 2

- Ω mz

i Ωdz

Im(z)

p

p Ωt

kz

2

- Ω mz

kz i Ωdz

Re(z)

Bild 16-7 Kr¨afte in der komplexen Zahlenebene Diese Form der D¨ ampfung bezeichnet man als Strukturd¨ampfung. Hiermit erreicht man, dass die Eigenwerte der Bewegungsgleichung mit dem entsprechenden Ansatz z = ˆ z eλt die Form p λj1,2 = ± i ω0j 1 + iβ q p = ± i ω0j eiϕ 1 + β 2 p ϕ ϕ = ± i ω0j 4 1 + β 2 (cos + i sin ) 2 p 2 ϕ ϕ = ± (− sin + i cos ) ω0j 4 1 + β 2 2 2

erhalten, wobei ϕ = arctan β und somit Real- und Imagin¨arteil nur von ω0j und β abh¨ angen. Damit ist der D¨ ampfungsgrad ϑj =

δj ϕp = − sin 4 1 + β 2 ω0j 2

f¨ ur das gesamte Frequenzspektrum konstant, weil δj proportional zur Eigenkreisfrequenz ω0j ist und sich ω0j herausk¨ urzt. Beim Ein–Masse–Schwinger ist dies trivial, da nur δ richtig gew¨ ahlt werden muss. Bei realen kontinuierlichen Systemen ist die Bedingung ϑj = konstant wesentlich, da in der Regel bei harmonisch fremderregten Systemen alle Schwingungsformen gleich stark ged¨ ampft sind.

164

16 Modellierung kontinuierlicher D¨ampfer

Wichtig ist, dass die Strukturd¨ ampfung nur f¨ ur harmonisch fremderregte Systeme sinnvoll ist. Sie darf daher nicht f¨ ur die Beschreibung von Eigenschwingungen oder f¨ ur Zeitverlaufsberechnungen bei beliebiger Einwirkung verwendet werden.

16.4 Modal–D¨ ampfung Eine M¨ oglichkeit, gezielt einzelne Eigenschwingungsformen zu d¨ampfen, besteht, wenn das mit Hilfe eines Modal–Ansatzes entkoppelte System der Bewegungsgleichungen nach Abschnitt 13 analysiert wird 2 q¨j + ω0j qj = x ˆTj p ˆ ·f (t) .

Legt man nach der Entkopplung die D¨ ampfungskoeffizienten fest, so spricht man von einer Modal–D¨ ampfung 2 q¨j + 2δj q˙j + ω0j qj = x ˆTj p ˆ ·f (t) .

Wesentlich ist, dass die D¨ ampfungskoeffizienten δj nicht durch die Entkopplung eines ged¨ ampften Systems berechnet werden, sondern erst nachher gezielt zur D¨ ampfung einzelner Bewegungsformen eingesetzt werden. Von Vorteil ist gegen¨ uber der Proportionald¨ ampfung, wo nur zwei Parameter γ und β f¨ ur die Modellierung der D¨ ampfung zur Verf¨ ugung stehen, dass hier genausoviele Parameter angepasst werden k¨ onnen, wie Schwingungsformen vorhanden sind.

16.5 D¨ ampfung nach Caughey/O’Kelly Caughey und O’Kelly [10] zeigen, dass Systeme mit einer D¨ampfungsmatrix, die die Bedingung D=M

n−1 X

αj (M−1 K)j

j=0

erf¨ ullt, ebenfalls mit den Eigenschwingungsformen des unged¨ampften Systems schwingen und daher auf Diagonalform transformierbar sind. Andererseits kann man mit dieser Bedingung eine verallgemeinerte Proportionald¨ampfungsmatrix entwickeln, die n–D¨ ampfungsparameter αj besitzt. Als Sonderf¨alle erh¨alt man f¨ ur j = 0 die massenproportionale D¨ ampfung und f¨ ur j = 1 die steifigkeitsproportionale D¨ ampfung entsprechend der Rayleigh–D¨ampfung.

17 Freie ged¨ ampfte Schwingungen

Gegeben ist die homogene Bewegungsgleichung Mx ¨ + D x˙ + K x = 0 . Der L¨ osungsansatz x(t) = x ˆeλt trennt die r¨ aumliche Schwingungsform vom Zeitverlauf der Bewegung und f¨ uhrt auf das quadratische, allgemeine Eigenwertproblem [λ2 M + λD + K] x ˆeλt = 0 . Wie im unged¨ ampften Fall sind die charakteristischen Zahlen – die Eigenwerte – und die jeweils zugeh¨ origen Eigenvektoren zu berechnen.

17.1 Die Eigenwerte Die nichttriviale L¨ osung x ˆ 6= 0 ist f¨ ur Det [λ2 M + λD + K] = 0 vorhanden. Im Unterschied zu unged¨ ampften Systemen mit rein imagin¨aren Eigenwerten liegt hier bei symmetrischen Matrizen ein Eigenwertproblem mit j = 1, . . . n paarweise konjugiert komplexen Eigenwerten und Eigenvektoren vor. In Analogie zum Ein-Masse-Schwinger wird jeweils der Realteil des Eigenwertes als D¨ ampfungskoeffizient δ und der Imagin¨arteil als Eigenkreisfrequenz ω bezeichnet λj1,2 = −δj ± iωj

Re(λj )

= −δj

Im(λj ) = ωj .

In Abh¨ angigkeit von δ und ω sind verschiedene Bewegungsverl¨aufe m¨oglich. 1. Reelle Eigenwerte Sind die Eigenwerte λj1,2 reell, bedeutet dies anschaulich, dass sich der Beitrag der zugeh¨ origen Bewegungsform an der Gesamtbewegung monoton mit der Zeit ver¨ andert und keine Schwingung ausf¨ uhrt. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_17

166

17 Freie ged¨ampfte Schwingungen

Mit ωj2 ≤ 0 folgt λj1,2 = −δj ∓ ωj Ist λj < 0 liegt eine ged¨ ampfte, bei λj > 0 eine angefachte Kriechbewegung vor xj (t) = x ˆj · (a1 e(−δj +ωj )t + a2 e(−δj −ωj )t ) . Der Sonderfall λj = 0 bedeutet, dass keine D¨ ampfung vorhanden ist, und die Steifigkeitsmatrix K singul¨ ar ist (Det |K| = 0) . Die Teilbewegung xj (t) ist dabei wegen der doppelten Nullstelle eine mit den Anfangsbedingungen festgelegte Starrk¨ orperverschiebung oder –bewegung xj (t) = x ˆj · (a1 + a2 t) . Physikalisch ist dies bei nicht gebundenen Bewegungen m¨oglich, wie dies bei einem Flugzeug oder einem Hubschrauber der Fall ist, oder als Folge von Nichtlinearit¨ aten, wenn kritische Beanspruchungen im Sinne von Fließ– oder Beulspannungen erreicht werden. Der Beginn des Fließ– oder Beulprozesses entspricht damit ebenfalls einer Starrk¨ orperbewegung, wenn die zugeh¨orige Bewegung durch keine Steifigkeit behindert ist, vergleiche Bild 17-1 lt

e

l> 0 l= 0

l 0) oder angefachte (δ < 0) Schwingungen, die bereits in Abschnitt 2.4.1 beschrieben sind. Da auch in diesem Fall zwei Eigenwerte und damit zwei Teilschwingungen zu einer Bewegungsform geh¨oren, kann

17.1 Die Eigenwerte

167

man die entsprechenden Integrationskonstanten an die Anfangsverschiebung und Anfangsgeschwindigkeit anpassen. Schwach ged¨ampfte Schwingungen sind der Regelfall der Strukturdynamik. Angefachte Schwingungen k¨onnen beim Zusammenwirken von elastischen Strukturen mit ihrer Umstr¨omung entstehen, siehe Abschnitt 25. Sie werden als Flatter bezeichnet. eα t t

Bild 17-2 Ged¨ampfte Schwingungen Bei Systemen mit sehr vielen Freiheitsgraden und damit auch Eigenwerten ist es vorteilhaft, alle Eigenwerte in der komplexen Zahlenebene darzustellen, da die Darstellung sehr u ¨bersichtlich ist und aus der Lage der Eigenwerte die jeweilige Bewegung sofort qualitativ angegeben werden kann, vergleiche Bild 17-3. Im[ l j ] = ω j 5 3

9

7

4

12

11 2

1 8 6

Re [l j ] = -δ j

10

Bild 17-3 Eigenwerte in der komplexen Zahlenebene Eigenwerte auf der reellen Achse sind Kriechbewegungen, die imagin¨are Achse kennzeichnet unged¨ ampfte Schwingungen. Eigenwerte mit negativem Realteil geh¨ oren zu ged¨ ampften, mit positivem Realteil zu angefachten Bewegungen. λ1 λ2 λ3/4 λ5/6 λ7/8 λ9/10 λ11/12

aperiodischer Grenzfall (doppelter Eigenwert) angefachte Kriechbewegung (doppelter Eigenwert) u ampfung ¨berkritische D¨ schwach ged¨ ampfte Schwingung unged¨ ampfte Schwingung angefachte Schwingung angefachte Kriechbewegungen

168

17 Freie ged¨ampfte Schwingungen

Die zugeh¨ origen Bewegungen k¨ onnen anschaulich in der Phasenebene dargestellt werden. Stabile Bewegungen (λ1,3,4,5,6 ) streben f¨ ur große Zeiten gegen einen Fixpunkt. Grenzstabile Bewegungen sind geschlossene Trajektorien (λ7,8 ) und instabile Bewegungen (λ9,10 ) sind durch eine nach außen gerichtete Spirale gekennzeichnet. Bei instabilen Bewegungen vergr¨oßert sich demnach die Amplitude mit der Zeit, wenn das System einer Anfangsauslenkung oder Anfangsgeschwindigkeit unterworfen ist, bei stabilen Bewegungen verkleinert sie sich. x

l 9,10

l1

x

l 5,6

l 7,8

Bild 17-4 Phasenebene f¨ ur Bewegungen mit unterschiedlichem δ

17.2 Die Eigenvektoren Mit gegebenen λj1,2 = −δ ± i ω ohne den Index j, da die Bezeichnung hier eindeutig ist, berechnet man die zugeh¨ origen Eigenvektoren x ˆj aus [(δ 2 ∓ i2δω − ω 2 )M + (−δ ± iω)D + K] x ˆj = 0 . Nach Umordnen n o [(δ 2 − ω 2 )M − δD + K] ∓ i [2δωM − ωD] x ˆj = 0

wird deutlich, dass die Gleichung bei x ˆj 6= 0 nur mit komplexem x ˆj erf¨ ullt ist x ˆj = x ˆjR ± iˆ xjI ,

x ˆjR = Re(ˆ xj ) x ˆjI = Im(ˆ xj ) .

Im Sonderfall reeller Eigenwerte λj gilt x ˆjI = 0 . Einsetzen der komplexen Eigenwerte und Ausf¨ uhren der Multiplikation liefert eine reelle Matrizengleichung zur Berechnung der jeweils n Elemente von x ˆjR und x ˆjI , da der Real- und der Imagin¨ arteil der Gleichung gleichzeitig verschwinden m¨ ussen # # " #" " 0 x ˆjR A +C Realteil . = x ˆjI 0 −C A Imagin¨ arteil ±i ·

17.2 Die Eigenvektoren

169

Hierbei gilt A = (δ 2 − ω 2 )M − δD + K und C = 2δωM − ωD . Die Berechnung der Eigenvektoren erfolgt jetzt in Analogie zum unged¨ampften Fall. Ein Element wird zu 1“ gesetzt, die anderen werden aus dem verbleibenden ” Gleichungssystem mit rechter Seite berechnet.

1 = 0

Im Unterschied zum unged¨ ampften Fall liegen im ged¨ampften Fall konjugiert komplexe Eigenvektoren vor. Auch jetzt k¨ onnen die Eigenvektoren mit x ˆTj M x ˆj = 1,0 normiert werden. Es gilt dabei x ˆTjR M ˆ xjR ± 2i x ˆTjR M x ˆjI − x ˆTjI M x ˆjI = a ˆ ± i · ˆb = a · e± ib , p ˆ2 + ˆb2 und b = ± arctan(ˆb/ˆ a) . Der Normierungsfaktor f¨ ur x ˆj ist mit a = a √ b a · e± i 2 , sodass f¨ ur den normierten Eigenvektor − ib 1 x ˆN j = x ˆj · √ · e + 2 a b b b b o 1 n xjR · cos + x ˆjI · sin ] ± i · [−ˆ xjR · sin + x ˆjI cos ] = √ [ˆ a 2 2 2 2

gilt. Andere Normierungen sind ebenfalls m¨ oglich. Im [ x^ j ] Re [ x^ j ]

x^ 2 j

x^ 1j 1

Bild 17-5 Amplitudenspektrum

2 n

Die Spektraldarstellung der Eigenvektoren ist nur in der komplexen Zahlenebene m¨ oglich, vergleiche Abschnitt 2.3.2. Da der Eigenvektor in seiner Gr¨oße

170

17 Freie ged¨ampfte Schwingungen

unbestimmt bzw. geeignet normiert ist, kann er mit einer beliebigen, komplexen Zahl r · (cos ϕ + i sin ϕ) = r · eiϕ multipliziert werden. Dies bedeutet, dass die Spektraldarstellung um die Achse n gedreht und die Gr¨oße der einzelnen Elemente entsprechend skaliert werden kann. Damit ist die Zuordnung von Real– und Imagin¨ arteilen nicht eindeutig.

17.3 Die vollst¨ andige L¨ osung Mit dem Ansatz x(t) = x ˆeλt folgt die vollst¨ andige L¨osung der homogenen ¨ Bewegungsgleichung aus der Uberlagerung aller Teilschwingungen x(t) =

n X

(xj1 (t) + xj2 (t)) .

j=1

Hierbei sind die Teilschwingungen xj1 (t) + xj2 (t) = aj1 [ˆ xjR + iˆ xjI ]e−δj t e+iωj t + aj2 [ˆ xjR − iˆ xjI ]e−δj t e−iωj t mit konjugiert komplexem aj1 und aj2 gegeben. In reeller Schreibweise gilt f¨ ur die Teill¨ osungen xj1 (t) + xj2 (t) =a ˆj1 e−δj t [ˆ xjR cos ωj t − x ˆjI sin ωj t] + a ˆj2 e−δj t [ˆ xjR sin ωj t + x ˆjI cos ωj t] = e−δj t · aj [ x ˆjR cos(ωj t − ϕ0j ) − x ˆjI sin(ωj t − ϕ0j )]

In dieser Darstellung der Bewegung wird deutlich, dass die verschiedenen Eigenschwingungen bei ged¨ ampften Systemen nicht entkoppelt sind. Bei n Freiwerten gibt es genau n linear unabh¨ angige Vektoren, die bez¨ uglich M orthogonal sein k¨ onnen. Hier sind 2n Vektoren – jeweils mit Real– und Imagin¨arteil – vor¨ handen, sodass sich bei der Uberlagerung zur Gesamtbewegung st¨andig alle Eigenschwingungen gegenseitig anregen k¨ onnen. F¨ ur den Sonderfall reeller Eigenwerte λj1,2 gilt xj1 (t) + xj2 (t) = (ˆ aj1 eλj1 t + a ˆj2 eλj2 t ) x ˆj mit x ˆj = x ˆjR , und bei doppelten, reellen Eigenwerten λj = λj1 = λj2 xj1 (t) + xj2 (t) = (ˆ aj1 eλj t + a ˆj2 t eλj t ) x ˆj . Die Bestimmung der freien Parameter a ˆj1 und a ˆj2 bzw aj und ϕ0j ist mit den Anfangsbedingungen f¨ ur die Eigenvektoren x ˆjR und x ˆjI m¨oglich, wobei die bei unged¨ ampften Schwingungen vorteilhafte Orthogonalisierung der Anfangsbedingungen hier wegen der komplexen Eigenvektoren umst¨andlich ist.

17.4 Anwendungen

171

17.4 Anwendungen Nachfolgende Beispiele sollen verdeutlichen, welche physikalische Bedeutung die Eigenwerte und Eigenvektoren im Einzelfall besitzen und welchen Beitrag sie f¨ ur die Gesamtbewegung leisten.

17.4.1 Beispiel f¨ ur eine Starrk¨ orperbewegung Die Starrk¨ orperbewegungen von Segelflugzeugen k¨onnen vereinfachend mit einem System starrer St¨ abe mit drei Freiheitsgraden beschrieben werden.- Dies sind die Nickbewegung ϕ, die Rollbewegung ϑ und die Absenkung w, siehe hierzu nachfolgende Skizze. 2 3 1

ϑ

4

0

ϕ

z, w

y

x

Der Auftrieb des Systems wird vereinfachend als D¨ampfung d = 0,3 N s/m2 der St¨ abe 0 − 1 − 2 und 3 − 1 − 4 angesetzt. Die anderen Systemkennwerte sind Stab

ρA



0–1 1–2 3–4

10 kg/m 2,5 kg/m 1,5 kg/m

5m 10 m 20 m

1. Ansatz f¨ ur die Verschiebungen Als Freiwerte werden die Verschiebung w ˆ und die Verdrehungen ϕˆ und ϑˆ gew¨ ahlt. Die Ansatzfunktionen f¨ ur die Verschiebung w sind linear, da die Bewegung als starr angesetzt ist. Stab 0 − 1 − 2 : Stab 3 − 1 − 4 :

w(y, t) = w(t) ˆ · 1 + ϕ(t) ˆ ·y δw(y) = δ w ˆ · 1 + δ ϕˆ · y ˆ ·x w(x, t) = w(t) ˆ · 1 − ϑ(t) δw(x) = δ w ˆ · 1 − δ ϑˆ · x

172

17 Freie ged¨ampfte Schwingungen

2. Arbeitsgleichung Die Arbeitsgleichung f¨ ur die Bewegung des Segelflugzeugs ist mit Z −δA = {δw(y) · ρA · w(y) ¨ + δw(y) · d · w(y)} ˙ dy Z y + {δw(x) · ρA · w(x) ¨ + δw(x) · d · w(x)} ˙ dx = 0 x

gegeben. Einsetzen der Ans¨ atze f¨ ur die wirklichen und die virtuellen Verschiebungen gibt zun¨ achst Z ¨ˆ · 1 + ϕ(t) ¨ˆ · y) −δA = {(δ w ˆ · 1 + δ ϕˆ · y) · ρA · (w(t) y

+

Z x

+ (δ w ˆ · 1 + δ ϕˆ · y) · d · (w(t) ˆ˙ · 1 + ϕ(t) ˆ˙ · y)} dy

¨ˆ ¨ˆ · 1 + ϑ(t) {(δ w ˆ · 1 + δ ϑˆ · x) · ρA · (w(t) · x)

ˆ˙ + (δ w ˆ · 1 + δ ϑˆ · x) · d · (w(t) ˆ˙ · 1 + ϑ(t) · x)} dx = 0 .

Nach Integration kann man die virtuellen Arbeiten so sortieren, dass die Arbeiten auf den unabh¨ angigen virtuellen Weggr¨ oßen δ w, ˆ δ ϕ, ˆ δ ϑˆ jeweils f¨ ur sich zu null gesetzt werden k¨ onnen. Ordnet man die Gleichungen in der Reihenfolge der wirklichen Weggr¨oßen, folgen die Bewegungsgleichungen in Matrizenschreibweise. F¨ ur die oben gew¨ahlten Eingangsdaten folgt   ··  w ˆ 0 10 · 5 + 2,5 · 10 + 1,5 · 20 21 (10 · 52 − 2,5 · 102 )   ϕˆ   1 1 2 2 3 3 (10 · 5 − 2,5 · 10 ) (10 · 5 + 2,5 · 10 ) 0 ·     2 3 1 0 0 · 1,5 · 2 · 103 ϑˆ 3



1 · 20 + 1 · 15  1 2 + 0,3 ·  2 (5 − 102 ) 0

1 2 2 (5 1 3 3 (5

2

− 10 ) + 103 ) 0

1 3

  ·   w ˆ 0 0   ϕˆ    0 ·  =  0 . · 2 · 103 0 ϑˆ

Die Gleichungen f¨ ur w ˆ und ϕˆ sind von ϑˆ entkoppelt, was bei der L¨osung Bewegungsgleichungen ausgenutzt werden kann. Zusammengefasst bleibt    ··    ·  w ˆ w ˆ 105 0 0 10,5 −11,25 0 0    ϕˆ     ϕˆ   0 ·  0 1250 0  ·   +  −11,25 112,5  = 0 0 0 0 1000 0 0 200 ϑˆ ϑˆ

der 

 .

17.4 Anwendungen

173

3. Eigenwerte und Eigenvektoren Der Ansatz x = x ˆ eλt f¨ ur die L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung liefert die charakteristische Gleichung   (1000 λ2 + 200λ) (105 λ2 + 10,5 λ) (1250 λ2 + 112,5 λ) − (11,252 λ2 ) = 0 .

Ausklammern von λ3 liefert sofort die Eigenwerte

λ1 = 0 , λ3 = 0 , λ5 = 0 . Es bleibt f¨ ur die zweite Klammer (105λ + 10,5)(1250λ + 112,5) − 11,252 = 0

mit den Eigenwerten

λ2 + 0,19λ + 0,00803571 = 0 p λ2,4 = −0,095 ± 0,00098929

λ4 = −0,1265 ,

λ2 = −0,0635 .

F¨ ur die erste Klammer gilt unabh¨ angig 1000λ + 200 = 0

mit

λ6 = −0,2 .

Die zu λ 6= 0 geh¨ orenden Eigenvektoren werden analog zu Abschnitt 12 berechnet       1 0 1       ˆ4 =  −0,247  , x ˆ6 =  0  . x ˆ2 =  0,341  , x 0 0 1 {z } | | {z } | {z } λ2

λ4

λ6

Die zu den Nulleigenwerten geh¨ orenden Starrk¨ orpereigenvektoren k¨onnen beliebige Vektoren sein, die aber linear unabh¨ angig sein und die Starrk¨orperverschiebung eindeutig beschreiben m¨ ussen. Da die hier bereits vorliegenden Eigenvektoren diese Bedingungen erf¨ ullen, kann die Gesamtbewegung mit xh = x ˆ2 [a1 + a2 e−0,0635t ] + x ˆ4 [a3 + a4 e−0,1265t ] + x ˆ6 [a5 + a6 e−0,2t ] .

beschrieben werden. Die Nulleigenwerte beschreiben die drei Starrk¨orperfreiheitsgrade, deren Gr¨ oße konstant ist. Die Gesamtbewegung enth¨alt außerdem

174

17 Freie ged¨ampfte Schwingungen

drei Kriechbewegungen, deren Amplituden in der Zeit ged¨ampft sind. Die Anpassung aller Teilbewegungen an die Anfangsbedingungen erfolgt mit den Koeffizienten a1 − a6 . 4. Schreibweise als System 1. Ordnung Alternativ zur Berechnung der L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung nach 3. kann im vorliegenden Fall auch folgendes Vorgehen gew¨ahlt werden. Die Bewegungsgleichungen werden zun¨ achst mit    · w ˆ y1     y =  y2  = x˙ =  ϕˆ  y3 ϑˆ

umgeschrieben. Es folgt    ·       105 0 0 y1 10,5 −11,25 0 y1 0           0  ·  y2  =  0  .  0 1250 0  ·  y2  +  −11,25 112,5 y3 0 0 1000 y3 0 0 200 0

Mit dem Ansatz y = y ˆ eβt kann die charakteristische Gleichung   (1000 β + 200) (105 β + 10,5) (1250 β + 112,5) − 11,252 = 0

berechnet werden und hiermit die Eigenwerte

β1 = −0,0635 , β2 = −0,1265 , β3 = −0,2000 . Mit den Eigenvektoren  1  y ˆ1 =  0,341 0 | {z β1

folgt die Zwischenl¨ osung

   1 0      , y ˆ = , y ˆ = −0,247   0    2 3 0 1 } {z } | | {z } 



β2

β3

yh = y ˆ1 a ¯2 e−0,0635t + y ˆ2 a ¯4 e−0,1265t + y ˆ3 a ¯6 e−0,2t und nach Integration wegen x˙ = y die Gesamtl¨ osung wie oben xh = y ˆ1 [a1 + a2 e−0,0635t ] + y ˆ2 [a3 + a4 e−0,1265t ] + y ˆ3 [a5 + a6 e−0,2t ] .

17.4 Anwendungen

175

17.4.2 Beispiel f¨ ur schwach ged¨ ampfte Schwingungen F¨ ur das im Bild dargestellte Bugrad eines Kleinflugzeuges sind die freien Schwingungen gesucht.

x1

m1

d1

k1 x2

Das Schwingungsverhalten kann vereinfachend mit dem nebenstehenden Zwei–Masse–Schwinger untersucht werden. Die Form und das Vorgehen bei der L¨ osung der Bewegungsgleichung ist repr¨ asentativ f¨ ur andere Anwendungen z. B. aus dem Automobilbau.

m2

k2

d2

1. Bewegungsgleichungen Die Bewegungsgleichungen werden mit den Krafteinflusszahlen aufgestellt # " # #" # " #" # " #" " 0 x1 k1 −k1 x˙ 1 d1 −d1 x ¨1 m1 = + . + x2 −k1 k1 +k2 0 x˙ 2 −d1 d1 +d2 x ¨2 m2 2. Eigenwerte und Eigenvektoren Die freien Schwingungen werden mit dem Ansatz x = x ˆeλt aus [λ2 M + λD + K] x ˆ=0 berechnet. F¨ ur die nichttriviale L¨ osung gilt # " 2 λ m1 + λd1 + k1 −λd1 − k1 = 0, det −λd1 − k1 λ2 m2 + λ(d1 + d2 ) + k1 + k2 was auf ein Polynom 4. Ordnung in λ f¨ uhrt λ4 m1 m2 + λ3 [m1 (d1 + d2 ) + m2 d1 ] + λ2 [m1 (k1 + k2 ) + m2 k1 + d1 d2 ] + λ[d1 k2 + d2 k1 ] + k1 k2 = 0 . F¨ ur die Zahlenwerte m1 = 1. 000 kg m2 = 50 kg

d1 = 5. 000 N s/m k1 = 100. 000 N/m d2 = 500 N s/m k2 = 500. 000 N/m

176

17 Freie ged¨ampfte Schwingungen

folgt das Polynom  106 0,05 λ4 + 5,75 λ3 + 607,5 λ2 + 2. 550 λ + 50. 000 = 0 und hieraus die Eigenwerte

λ11 = −1,776 + i 9,086 , λ12 = −1,776 − i 9,086 λ21 = −55,72 + i 92,54 , λ22 = −55,72 − i 92,54 . Die Real- und Imagin¨ arteile der Eigenvektoren werden wie oben berechnet " # " # " # " # 1 0 0,1 0 x ˆ11 = +i , x ˆ21 = +i 0,1607 0,0642 −1,444 1,776 und entsprechend die dazu konjugiert komplexen Vektoren x ˆ12 und x ˆ22 . Die Eigenvektoren sind hier nicht normiert, k¨ onnen aber bei Bedarf wie in Abschnitt 17.2 gezeigt normiert werden. W¨ ahlt man zum Vergleich eine D¨ ampfung von 0,1·D folgen die Eigenwerte zu λ11 = −0,17 + i 9,12 , λ12 = −0,17 − i 9,12 λ21 = −5,58 + i 109,5 , λ22 = −5,58 − i 109,5 . Es wird deutlich, dass sich die Gr¨ oße der D¨ ampfung nahezu linear auf den Realteil der Eigenwerte auswirkt und nur marginal auf den Imagin¨arteil, 3. Gesamtl¨ osung Die Gesamtl¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung in reeller Darstellung enth¨ alt damit vier Teilschwingungen x(t) = x11 (t) + x12 (t) + x21 (t) + x22 (t) die jeweils den vier Eigenwerten und Eigenvektoren zugeordnet sind. Mit den Eigenfrequenzen ω1 = 9,086 und ω2 = 92,54 und den D¨ampfungskoeffizienten δ1 = 1,776 und δ2 = 55,72 folgt in reeller Darstellung # ) # " (" 0 1 sin 9,086 t cos 9,086 t − x(t) = a ˆ11 e−1,776 t 0,0642 0,1607 (" # " # ) 1 0 −1,776 t +a ˆ12 e sin 9,086 t + cos 9,086 t 0,1607 0,0642 (" # " # ) 0,1 0 −55,72 t +a ˆ21 e cos 92,54 t − sin 92,54 t −1,444 1,776 # ) # " (" 0 0,1 cos 92,54 t sin 92,54 t + +a ˆ22 e−55,72 t 1,776 −1,444

17.4 Anwendungen

177

Durch Umordnen kann man die Teilschwingungen auch den verschiedenen Eigenvektoren oder den cos– bzw. sin–Funktionen zuordnen. 4. Anpassen der Gesamtl¨ osung an die Anfangsbedingungen Die Anpassung der Koeffizienten a ˆkl an die Anfangsbedingungen erfolgt analog zu Abschnitt 12. F¨ ur die speziellen Anfangsbedingungen x0 = x(0) = 2,1 ˆ x1R , v0 = x(0) ˙ =0 folgen f¨ ur die Zeit t = t0 = 0 die Anfangsauslenkung x(0) = a ˆ11 x ˆ1R + a ˆ12 x ˆ1I + a ˆ21 x ˆ2R + a ˆ22 x ˆ2I = 2,1 ˆ x1R und die Anfangsgeschwindigkeit x(0) ˙ =a ˆ11 ( − 1,776 ˆ x1R − 9,086 ˆ x1I ) + a ˆ12 ( − 1,776 ˆ x1I + 9,086 ˆ x1R) +a ˆ21 ( − 55,72 ˆ x2R − 92,54 ˆ x2I ) + a ˆ22 ( − 55,72 ˆ x2I + 92,54 ˆ x2R ) = 0 . Beide Gleichungen sind u ˆkl gekoppelt und enthalten jeweils zwei Be¨ber die a stimmungsgleichungen f¨ ur die a ˆkl      2,1 1 0 0,1 0 a ˆ11     0,1607 0,0642 −1,444 1,776   a    ˆ12   0,3375  = .    −1,7760 9,0860 −5,572 9,254   a ˆ21   0  a ˆ22 0 −0,8687 1,3460 −83,86 −232,5 Der L¨ osungsvektor

ˆ aT = [ 2,099 0,4240 0,00839

− 0,00841 ]

beschreibt die Gesamtbewegung, die sich aus dem Real- und Imagin¨arteil aller Eigenvektoren zusammensetzt, obwohl nur x ˆ1R Anfangsbedingung ist. Dieses Ph¨ anomen ist grunds¨ atzlich anders als im unged¨ampften Fall, wo alle Eigenschwingungen entkoppelt sind. Die Kopplung entsteht hier in der vollst¨andigen L¨ osung, wo bei zwei Freiheitsgraden x1 und x2 insgesamt vier Vektoren addiert werden, jedoch nur zwei Vektoren unabh¨ angig sein k¨onnen. Anschaulich bedeutet die Kopplung, dass durch die D¨ ampfung Bewegungsenergie von einer Schwingungsform auf eine andere u ¨bertragen werden kann.

18 Erzwungene Schwingungen in komplexer Schreibweise

¨ Uberf¨ uhrt man die Bewegungsgleichung in eine Schreibweise mit komplexen Zahlen, so ist die L¨ osung effizienter als in der reellen Schreibweise. Gegeben ist die Bewegungsgleichung m¨ x + dx˙ + kx = p(t) , wobei die Belastung und die L¨ osung reelle Funktionen sind. Definiert man eine komplexe Funktion z(t) z = x + iy , x = Re(z) und setzt p¯ = p(t) + i¯ pi , p(t) = Re(¯ p) so l¨ aßt sich die Bewegungsgleichung auch umformen in m¨ z + dz˙ + kz = p¯(t) . Hierbei entspricht der Realteil gerade der Ausgangsgleichung, wenn die Koeffizienten m, d, k und die Belastung p(t) reell sind. [m¨ x + dx˙ + kx] + i[m¨ y + dy˙ + ky] = p(t) + i¯ pi . L¨ ost man die komplexe Bewegungsgleichung f¨ ur z(t), ist damit auch gleichzeitig x(t) bekannt. Die zweite Teill¨ osung y(t) wird mit berechnet und beschreibt die Systemantwort infolge des Imagin¨ aranteils i¯ pi (t) der Erregung.

18.1 Periodische Schwingungen Mit Hilfe der Fourier–Analyse nach Abschnitt 2.3.3 kann jede periodische Belastung mit einer sin– und cos–Reihe dargestellt werden. Exemplarisch wird hier das Reihenglied pˆ cos Ωt betrachtet m¨ x + dx˙ + kx = pˆ cos Ωt . In komplexer Schreibweise gilt cos Ωt = Re[eiΩt ], sodass hiermit die Bewegungsgleichung umgeformt werden kann m¨ z + dz˙ + kz = pˆeiΩt . © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_18

18.1 Periodische Schwingungen

179

Die Gesamtl¨ osung der komplexen Bewegungsgleichung enth¨alt auch hier die L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung nach Abschnitt 6 q zh = e−δt (a1 · eiωt + a2 · e−iωt ) , ω = ω02 − δ 2 und eine Partikularl¨ osung. Mit einem Ansatz vom Typ der rechten Seite f¨ ur zp zp = zˆ · eiΩt ist zˆ mit (−Ω2 m + iΩd + k)ˆ z eiΩt = pˆeiΩt , 1 zˆ = · pˆ (18.1) k − Ω2 m + iΩd f¨ ur alle Zeiten t festgelegt. Die komplexe Schreibweise der Bewegungsgleichung und der L¨ osung kann im Drehzeigerdiagramm mit Hilfe von Vektoren als mit Ωt umlaufende Kr¨ aftebilanz veranschaulicht werden. Im[z] ^ i W dze

^ iWt k ze

iWt

jo ^

pe

iWt

Wt

Re[z]

cos( W t - jo )

^ - W m ze 2

sin( W t - jo ) W t- jo

iWt

Ein Vorteil der komplexen Schreibweise ist, dass man die Amplitude zˆ aus einer Gleichung berechnet, vergleiche Abschnitt 7.2. Mit reellem Nenner und mit den dimensionslosen Parametern ϑ und η folgt die komplexe Amplitude zˆ(iη) =

(1 − η 2 ) − 2ϑηi pˆ · = G(iη) · pˆ (1 − η 2 )2 + 4ϑ2 η 2 k

und die Partikularl¨ osung zp (t) = G(iη) · pˆ eiΩt

mit

G(iη) =

ˆ 1 (1 − η 2 ) − 2ϑηi . · k (1 − η 2 )2 + 4ϑ2 η 2

(18.2)

Der Drehzeiger der Partikularl¨ osung ist dem der Belastung proportional. Die komplexe Amplitude zˆ(iη) wird als Amplitudengang bezeichnet. Der Proportionalit¨atsfaktor G(iη) ist der komplexe Frequenzgang. Der komplexe Frequenzgang ist nicht dimensionslos, sondern hat die Bedeutung einer Nachgiebigkeit.

180

18 Erzwungene Schwingungen in komplexer Schreibweise

Im Vergleich mit der Vergr¨ oßerungsfunktion V (η) ist diese Schreibweise vorteilhafter, wenn Mehrmassenschwinger untersucht werden. Eine u ¨bersichtliche Darstellung des komplexen Frequenzganges ist in der komplexen Zahlenebene m¨ oglich, wobei Re(G) = Im(G) =

1 (1 − η 2 ) · , (1 − η 2 )2 + 4ϑ2 η 2 k −2ϑη 1 · . (1 − η 2 )2 + 4ϑ2 η 2 k

Die Abh¨ angigkeit des Frequenzganges von dem Parameter η wird in der komplexen Zahlenebene mit der Ortskurve G(iη) veranschaulicht, wobei der Parameter η als Bogenkoordinate ablesbar ist. Weil der Realteil mit (1 − η 2 ) im Z¨ahler gegeben ist, liegt der Wert η = 1,0 bzw. ω0 = Ω immer auf der imagin¨aren Achse. Die Abh¨ angigkeit der L¨ osung von der D¨ ampfung ist mit dem D¨ampfungsgrad ϑ angeben. [G]

J=0

[G]

J

Bild 18-1 Ortskurve G(iη) Die komplexe Schreibweise ist f¨ ur den wenig Ge¨ ubten schwierig zu deuten, da er gewohnt ist, die Bewegung in Weg–Zeit–Diagrammen zu veranschaulichen und die Vergr¨ oßerungsfunktion f¨ ur die Frequenzabh¨angigkeit der Amplitude heranzuziehen. Nach Umformung von Gleichung (18.2) wird deutlich wie die komplexe Darstellung mit der reellen Schreibweise verkn¨ upft ist. Mit   zp (t) = Re(G) cos Ωt − Im(G) sin Ωt pˆ + i Re(G) sin Ωt + Im(G) cos Ωt pˆ

liefert x = Re(z) direkt die reelle L¨ osung wie in Abschnitt 7.2.

18.1 Periodische Schwingungen

181

Die Abh¨ angigkeit der Amplitude von der Erregerfrequenz wird in der reellen Schreibweise mit der Vergr¨ oßerungsfunktion und dem Phasenwinkel beschrieben. In der komplexen Schreibweise erfolgt die Darstellung von zp (t) als Ortskurve in Polarkoordinaten. Die Bogenkoordinate ist wie beim komplexen Frequenzgang die normierte Erregerfrequenz η. Der Abstand der Kurve vom Ursprung entspricht der Vergr¨ oßerungsfunktion und der Winkel mit der reellen Achse der Phasenverschiebung ϕ. Mit p |G(iη)| = Re(G)2 + Im(G)2 1 1 1 = · V (η) = ·p 2 2 2 2 k k (1 − η ) + 4ϑ η

sowie

ϕ = − arctan

Im(G) 2ϑη = arctan Re(G) 1 − η2

folgt in Polarkoordinaten G(iη) =

1 · V (η) · eiϕ . k

Der Vorteil der komplexen Darstellung wird in dieser Schreibweise besonders deutlich, da beide Informationen – Vergr¨ oßerungsfunktion und Phasenwinkel – aus einem Schaubild ablesbar sind. k Im [G]

k Re [G]

k Im [G]

k Re [G]

j

0,2

h 0,4

V[h]

h h

Bild 18-2 Ortskurve G(iη) Bild 18-2–links veranschaulicht den komplexen Frequenzgang als Projektion auf die komplexe Zahlenebene. Die Abh¨ angigkeit von der Erregerfrequenz Ω = η·ω0 ist in Bild 18-2–rechts r¨ aumlich dargestellt.

182

18 Erzwungene Schwingungen in komplexer Schreibweise

18.2 Unperiodische Schwingungen Nach Abschnitt 15.2 kann eine unperiodische Schwingung mit Hilfe des Fourier– Integrals dargestellt werden. F¨ ur eine unperiodische Belastung kann die Transformation in den Frequenzbereich mit p(t) =

+∞ Z

pˆ(iΩ) eiΩt dΩ

Ω=−∞

angesetzt werden. Die Fourier–Transformierte pˆ(iΩ) wird als komplexe Spektraldichte bezeichnet und nach Abschnitt 15.2 mit pˆ(iΩ) =

1 2π

Z∞

t=−∞

p(t) e−iΩt dt = pˆRe (Ω) − i pˆIm (Ω) .

berechnet. Hiermit folgt die Bewegungsgleichung in komplexer Schreibweise m¨ z + dz˙ + kz =

+∞ Z

pˆ(iΩ) eiΩt dΩ .

Ω=−∞

Mit einem Ansatz vom Typ der rechten Seite f¨ ur die Systemantwort z(t) z(t) =

+∞ Z

zˆ(iΩ) eiΩt dΩ ,

Ω=−∞

ist zˆ(iΩ) die unbekannte Fourier–Transformierte f¨ ur die Systemantwort. Die Zeitableitungen des Ansatzes sind unabh¨ angig von der Integration u ¨ber dΩ z(t) ˙ =

+∞ Z

iΩ zˆ(iΩ) eiΩt dΩ

+∞ Z

−Ω2 zˆ(iΩ) eiΩt dΩ .

Ω=−∞

z¨(t) =

Ω=−∞

Setzt man den Ansatz in die Bewegungsgleichung ein, bleibt +∞ Z

Ω=−∞

 [−Ω2 m + iΩd + k] zˆ(iΩ) − pˆ(iΩ) eiΩt dΩ = 0 .

18.2 Unperiodische Schwingungen

183

Wenn in Analogie zu Abschnitt 8.1 die Bewegungsgleichung f¨ ur jedes Ω erf¨ ullt sein soll, muss der Integrand verschwinden. Diese Bedingung f¨ uhrt auf eine Gleichung zur Berechnung der Fourier–Transformierten zˆ(iΩ) [−Ω2 m + iΩd + k] zˆ(iΩ) − pˆ(iΩ) = 0 mit der Fourier–Transformierten der Systemantwort zˆ(iΩ) =

1 pˆ(iΩ) = G(iΩ) pˆ(iΩ) . −Ω2 m + iΩd + k

Die Umformung des komplexen Frequenzganges G(iΩ) =

1 1 (1 − η 2 ) − i 2ϑη 1 · = · k (1 − η 2 ) + i 2ϑη k (1 − η 2 )2 + 4ϑ2 η 2

verdeutlicht die Analogie zu einer periodischen Systemantwort, die mit der Vergr¨ oßerungsfunktion beschrieben wird. Die R¨ ucktransformation in den Zeitbereich ist m¨ oglich, wenn die komplexe Amplitude zˆ(iΩ) in den Ansatz f¨ ur die komplexe Systemantwort eingesetzt wird und die Integration u ¨ber dΩ erfolgt z(t) =

+∞ Z

G(iΩ) pˆ(iΩ) eiΩt dΩ .

Ω=−∞

Die Integration kann analytisch erfolgen, wenn eine geschlossene Integration m¨ oglich ist, oder numerisch mit der diskreten oder schnellen Fourier–Transformation. Wesentlich ist, dass die Fourier–Transformierte der Systemantwort mit dem Produkt von komplexem Frequenzgang und der Fourier–Transformierten der Belastung berechnet wird. Man arbeitet also auch hier im Frequenzbereich, vergleiche Abschnitt 7.3. Die reelle L¨ osung folgt wiederum mit dem Realteil von z(t) x(t) = Re[z(t)] . Extrahiert man den Realteil vor der Integration u ¨ber Ω, folgt zun¨achst x(t) = Re[

+∞ Z

pˆ(iΩ) [cos Ωt + i sin Ωt] dΩ ] −Ω2 m + iΩd + k

+∞ Z

1 (1 − η 2 ) − i 2ϑη [ˆ pRe (Ω) − i pˆIm (Ω)] [cos Ωt + i sin Ωt] dΩ ] . · k (1 − η 2 )2 + 4ϑ2 η 2

Ω=−∞

= Re[

Ω=−∞

184

18 Erzwungene Schwingungen in komplexer Schreibweise

Nach Trennung der Real– und Imagin¨ arteile bleibt die reelle Schreibweise x(t) =

+∞ Z

Ω=−∞

1 1 · · 2 2 k (1 − η ) + 4ϑ2 η 2

· [(1 − η 2 )(ˆ pRe (Ω) cos Ωt + pˆIm (Ω) sin Ωt) + 2ϑη (ˆ pRe (Ω) sin Ωt − pˆIm (Ω) cos Ωt)] dΩ .

Beispiel In Abschnitt 15.2 sind die Fourier–Transformierten f¨ ur verschiedene nichtperiodische Schwingungen angegeben. Der grundlegende Fall einer Stoßanregung ˆ in Form der δ–Funktion ˆ 0) p(t) = pˆ · δ(t gibt die Fourier–Transformierte pˆ(iΩ) =

pˆ 2π

−→

pˆRe =

pˆ . 2π

Hiermit folgt die R¨ ucktransformation der Systemantwort in den Zeitbereich mit +∞ Z

x(t) =

Ω=−∞

1 pˆ 1 · · · [(1 − η 2 ) cos Ωt + 2ϑη sin Ωt] dΩ . k (1 − η 2 )2 + 4ϑ2 η 2 2π

Die R¨ ucktransformation kann mit den in [7] angegebenen Tabellen f¨ ur Fourier– Transformationen erfolgen. Formt man die Tabelleneintr¨age Z∞ [ 0

ω+Ω ω−Ω + 2 ] cos Ωt dΩ = π e−δt sin ωt δ 2 + (ω + Ω)2 δ + (ω − Ω)2

Z∞ [

δ δ − 2 ] sin Ωt dΩ = π e−δt sin ωt δ 2 + (ω − Ω)2 δ + (ω + Ω)2

0

in das Integral zur Berechnung von x(t) um, folgt die ged¨ampfte Schwingung x(t) =

1 pˆ e−δt sin ωt mω

f¨ ur

t ≥ 0,

die bereits in Abschnitt 8.1 mit dem Duhamel–Integral berechnet ist.

19 Erzwungene Schwingungen von Systemen

Bei zeitkonstanter Anregung ist die Strukturantwort der Systeme der Baudynamik in Analogie zur Baustatik zu analysieren, da bei konstanten Einwirkungen alle Geschwindigkeiten und Beschleunigungen des Systems verschwinden. Es gilt zun¨ achst Mx ¨ + D x˙ + K x = p0 und damit f¨ ur die Partikularl¨ osung bei zeitkonstanter Anregung K xp = p0 . Zus¨ atzlich sind die Schwingungen aus Anfangsbedingungen zu ber¨ ucksichtigen. Stellvertretend f¨ ur andere zeitver¨ anderliche Einwirkungen werden hier zwei F¨ alle untersucht. F¨ ur den Fall zeitkonstanter Anregung erfolgt die Berechnung der station¨ aren L¨ osung f¨ ur eine viskos gelagerte Torsionswelle. Bei st¨ uckweise glatten periodischen Anregungen kann die Belastung mit Hilfe einer Fourier–Reihe approximiert werden, sodass eine harmonische Anregung auf das ged¨ ampfte System einwirkt. Daher wird stellvertretend f¨ ur die gesamte Fourier–Reihe ein System mit einem periodischen Reihenglied als Anregung betrachtet. Der L¨ osungsweg wird in reeller und komplexer Schreibweise vorgestellt. Die reelle Darstellung der Ergebnisse und die Interpretation der L¨osung erfolgt dabei in Analogie zum unged¨ ampften System mit Hilfe der Responsekurven und des Phasenwinkels, vergleiche Abschnitt 14.2. Die L¨osung der Bewegungsgleichung in komplexer Schreibweise erfolgt analog zum Ein-MasseSchwinger, vergleiche Abschnitt 8.

19.1 Zeitkonstante Anregung Bei zeitkonstanter Anregung gilt Mx ¨ + D x˙ + K x = p0 . Der L¨ osungsansatz wird wie bisher vom Typ der rechten Seite gew¨ahlt. Hierbei ist sichergestellt, dass mit dem Ansatz das Gleichgewicht erf¨ ullbar ist. Dies bedeutet, dass f¨ ur die erzwungene Bewegung zun¨ achst ein Polynom anzusetzen ist und nicht etwa nur ein konstanter Zeitverlauf. Dies ist erforderlich, wenn die Bewegungsgleichungen auch Starrk¨ orperbewegungen beschreiben, die im homogenen Fall u ¨ber die Nulleigenwerte identifiziert werden k¨onnen, hier aber nicht sofort erkennbar sind. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_19

186

19 Erzwungene Schwingungen von Systemen

Beispiel Eine frei drehbare elastische Turbinenwelle wird im station¨aren Bewegungszustand mit einem konstanten Torsionsmoment Mb = 5 N m angetrieben. Aufgrund der Reibungsverluste entlang der Welle wird jedoch am Ende der Welle ein Moment von Ma = 4,8 N m abgenommen. GJ T = 100 Nm2 Ma

Mb

viskose Dämpfung

a

b

ρJ T = 0,2 kgm l = 0,5 m

ϑ

x

Bild 19-1 Frei gelagerte Turbinenwelle Gesucht sind die station¨ are Bewegung und die erforderliche Viskosit¨at bei einer Drehgeschwindigkeit von ϑ = 300 rad/s. Die D¨ ampfung ist massenproportional mit D = γM angesetzt, sodass die Viskosit¨ at mit γ skaliert ist. Die Bewegungsgleichungen sind mit dem PvV aufzustellen. 1. Aufstellen der Bewegungsgleichung F¨ ur den Drillwinkel wird ein linearer Ansatz gew¨ahlt # "   ϑa . ϑ = 1 − x/l x/l ϑb

Die Auswertung der Arbeitsgleichung Z −δA = {δϑ ̺JT ϑ¨ + δϑ d ϑ˙ + δϑ′ GJT ϑ′ } dx − [M δϑ]Rand = 0 liefert mit dem gew¨ ahlten Ansatz und Rayleigh–D¨ampfung mit β = 0, γ 6= 0 " #" #·· " #" #· 2 1 ϑa 2 1 ϑa l l + γ ̺JT ̺JT 6 6 ϑb ϑb 1 2 1 2 GJT + l

"

1 −1 −1 1

#"

ϑa ϑb

#

=

"

# −Ma . Mb

Mit den gegebenen Zahlenwerten folgt # # " #·· #· #" " #" #" " " −48 ϑa 1 −1 ϑa ϑa 1 2 1 γ 2 1 . = + + 2000 6 1 2 6 1 2 ϑb ϑb ϑb 50 −1 1

19.1 Zeitkonstante Anregung

187

2. Ansatz f¨ ur die station¨ are L¨ osung Die station¨ are L¨ osung weist einige Besonderheiten auf. Die Welle wird elastisch tordiert und dreht sich mit konstanter Geschwindigkeit, Gleichgewicht wird zwischen den D¨ ampfermomenten, dem Antriebsmoment und dem abgenommenen Moment hergestellt. Hieraus folgt der Zeitverlauf f¨ ur die Verdrillung ¨ = 0 , ϑ˙ = konstant , ϑ = linear , ϑ sodass als Ansatz vom Typ der rechten Seite ein entsprechendes Polynom f¨ ur die Verdrillung gew¨ ahlt werden kann. # " ϑˆa0  ˆ ˆ ˆ Verdrillung aus Elastizit¨at ϑ0 = ϑ(t) = ϑ0 + ϑ1 · t    ϑˆb0 ˙ ˆ1 ϑ(t) =ϑ # "   ϑˆa1  ˆ ¨ ϑ1 = Verdrillungsgeschwindigkeit ϑ(t) = 0 ϑˆb1

3. Berechnung der Variablen

Einsetzen des Ansatzes f¨ uhrt auf " # " #" # " #" # ˆ 2 1 1 −1 ϑ −48 ϑˆa0 + t · ϑˆa1 γ a1 + 2000 = . 6 1 2 −1 1 50 ϑˆb1 ϑˆb0 + t · ϑˆb1 Die Freiheitsgrade werden mit einem Koeffizientenvergleich bestimmt. " #" # " # 1 −1 ϑˆa1 0 1 F¨ ur t : 2000 = −1 1 0 ϑˆb1 folgt ϑˆa1 = ϑˆb1 , d.h. die Welle dreht sich mit konstanter Geschwindigkeit ϑˆ1 . " # " # " #" # 0,5 ˆ 1 −1 ϑˆa0 −48 0 F¨ ur t : γ ϑa1 + 2000 = . 0,5 −1 1 50 ϑˆb0 Mit ∆ϑˆ = ϑˆb0 − ϑˆa0 folgen bei einer Drehgeschwindigkeit ϑˆa1 = 300 rad/s # " # " # " −2000 −48 150 ˆ + ∆ϑ = γ 150 2000 50 die elastische Verdrillung 98 rad 4000 und die erforderliche D¨ ampfungskonstante γ 1 1 γ=+ . 150 s ∆ϑˆ = +

188

19 Erzwungene Schwingungen von Systemen

19.2 Periodische Anregung in reeller Schreibweise Die Bewegungsgleichung Mx ¨ + D x˙ + K x = p ˆc cos Ωt + p ˆs sin Ωt steht stellvertretend f¨ ur Systeme mit harmonischer Anregung, die sich nur in der Anregungsfrequenz und in der Phasenverschiebung der Anregung unterscheiden. Analog zu einem Ein–Masse–Schwinger besitzt der L¨osungsansatz vom Typ der rechten Seite x(t) = x ˆc cos Ωt + x ˆs sin Ωt

(19.1)

zwei unbekannte Amplituden x ˆc und x ˆs , die an die Anregung angepasst werden m¨ ussen. Nach Einsetzen des Ansatzes in die Bewegungsgleichung folgen zwei Matrizengleichungen f¨ ur die unbekannten Amplituden # " # " #" K − Ω2 M ΩD p ˆc x ˆc . = p ˆs −ΩD K − Ω2 M x ˆs Analog zur Herleitung der Vergr¨ oßerungsfunktion muss die Matrizengleichung f¨ ur jede Anregungsfrequenz gel¨ ost werden. F¨ ur positiv oder negativ definite Matrizen K− Ω2 M kann dies mit der Inversen der Koeffizientenmatrix erfolgen # #" # " " A−1 ˆc I −ΩA2 x ˆc 1 ·p , (19.2) = ΩA2 I x ˆs A−1 ˆs 1 ·p wobei die Untermatrizen A1

=

(K − Ω2 M) + Ω2 D(K − Ω2 M)−1 D ,

A2

=

(K − Ω2 M)−1 D

vorweg bestimmt werden m¨ ussen. Bei diesem Vorgehen kann die Bandstruktur von K, D, M ausgenutzt und damit der Rechenaufwand verringert werden. Wenn die Untermatrix K−Ω2 M singul¨ ar und D regul¨ar ist, muss die Matrizengleichung direkt gel¨ ost werden. Im Resonanzfall eines unged¨ampften Systems wird die Koeffizientenmatrix singul¨ ar, sodass die Gleichung nur l¨osbar ist, wenn man analog zur Berechnung eines Eigenvektors ein bzw. mehrere Elemente des L¨ osungsvektors explizit vorgibt.

19.2 Periodische Anregung in reeller Schreibweise

189

Beispiel Die freien Schwingungen des Bugrades eines Kleinflugzeugs werden in Abschnitt 17.4 untersucht. Beim Start oder bei der Landung des Flugzeugs k¨ onnen infolge Welligkeit der Startbahn auch fremderregte Schwingungen auftreten. Die Fahrbahnwelligkeit wird im nachfolgenden Beispiel entsprechend nebenstehendem Bild 19-2 mit xF = x ˆF cos Ωt = 0,01 cos Ωt beschrieben, wobei die Frequenz der Anregung Ω = y˙ · 2π/L aus der Fahrgeschwindigkeit y˙ und der Wellenl¨ ange L berechnet wird.

x1

m1

d1

k1 x2

m2

k2

d2 y

xF y = ∫ y dt L

Bild 19-2 Fremderregte Schwingung

Die Wellenl¨ ange L wird im weiteren mit 10 m angesetzt, die Welligkeit x ˆF mit 0,01 m und die Fahrgeschwindigkeit y˙ mit 40 m/s. Hiermit folgt eine Erregerkreisfrequenz von ca. 25 rad/s. Die Herleitung der Bewegungsgleichungen erfolgt zun¨achst f¨ ur das am Lager freigeschnittene System, sodass die Verschiebungen x1 , x2 der Massen und die Verschiebung x3 des Lagers (ohne Masse) als Freiheitsgrade angesetzt werden. Hierbei muss auch die freigeschnittene Lagerkraft S beachtet werden. Ohne weitere Herleitung gilt       x˙ 1 x¨1 d1 −d1 m1       m2   x¨2  +  −d1 d1 + d2 −d2   x˙ 2   x˙ 3 x¨3 −d2 d2 0      x1 0 k1 −k1      +  −k1 k1 + k2 −k2   x2  =  0  . x3 −k2 k2 S

In einem zweiten Schritt wird x3 durch die fest und damit als bekannt vorgegebene Fahrbahnwelligkeit xF ersetzt. Die mit xF , x˙ F und x¨F multiplizierten Spalten der Koeffizientenmatrizen der Bewegungsgleichung werden hierbei auf die rechte Seite gebracht und regen das System an. Außerdem wird die zu x3 konjugierte Bewegungsgleichung gestrichen, da x3 = xF bekannt ist.

190

19 Erzwungene Schwingungen von Systemen

Es bleiben die Bewegungsgleichungen f¨ ur x1 und x2 #" # " # " " #" k1 x˙ 1 x ¨1 d1 −d1 m1 + + −k1 −d1 d1 + d2 x˙ 2 x ¨2 m2 " # " # 0 0 = cos Ωt − sin Ωt . k2 x ˆF d2 xˆF Ω

−k1 k1 + k2

#"

x1 x2

#

Mit den physikalischen Eigenschaften des Beispiels in Abschnitt 17.4 folgt     1. 000 0 5. 000 −5. 000 M= , D= , 0 50 −5. 000 5. 500       100. 000 −100. 000 0 0 K= , p ˆc = , p ˆs = . −100. 000 600. 000 5. 000 5

F¨ ur die Anwendung des L¨ osungsschemas 19.2 werden die Matrizen  −1 100. 000 − 1. 000 Ω2 −100. 000 (K − Ω2 M)−1 = −100. 000 600. 000 − 50 Ω2   1 600. 000 − 50 Ω2 100. 000 = 100. 000 − 1. 000 Ω2 ∆ 100. 000 ∆ = 104 (5 Ω4 − 6,05 · 104 Ω2 + 5 · 106 )

mit sowie A1 =



100. 000 − 1. 000 Ω2 −100. 000

+



900 − 1,25 Ω2 −900 + 1,25 Ω2

A2 =



200 − Ω2 −700 + 0,25 Ω2

 −100. 000 600. 000 − 50 Ω2  −900 + 1,25 Ω2 25 Ω2 9 10 , 970 − 1,275 Ω2 ∆  5 6 −210 + Ω2 10 2 760 − 0,275 Ω ∆

ben¨ otigt. Die Amplitudenvektoren x ˆc und x ˆs k¨ onnen damit f¨ ur jedes Ω zahlenm¨ aßig berechnet werden. Nachfolgend sind die Amplituden- und Phaseng¨ ange f¨ ur das ged¨ ampfte System in Abh¨ angigkeit von Ω2 angegeben. F¨ ur die Darstellung werden analog zu Abschnitt 14 die auf die Fusspunktanregung normierten Verschiebungen x x ˆ2 ˆ1 V1 = , V2 = x ˆF x ˆF q ˆ2sj und tan ϕ0j = −ˆ xsj /ˆ xcj gilt. ˆ2cj + x verwendet, wobei xˆj = x

19.2 Periodische Anregung in reeller Schreibweise

191

Vj V1 V2

2

1

w1

20

40

60

80

100

120

140

W

w2

p 2

p joj

Bild 19-3 Systemantwort bei periodischer Anregung - mit 0,1·D ged¨ampft

Vj

V1 V2

2

1

w1

20

40

60

80

w2

100

120

140

p 2

p joj

Bild 19-4 Systemantwort bei periodischer Anregung - mit 1,0·D ged¨ampft

W

192

19 Erzwungene Schwingungen von Systemen

19.3 Periodische Anregung in komplexer Schreibweise Die reelle Bewegungsgleichung kann analog zum Einmassenschwinger in die komplexe Schreibweise u uhrt werden. Aus ¨berf¨ M¨ x + D x˙ + K x = p ˆ c cos Ωt + p ˆ s sin Ωt folgt M¨ z + D z˙ + K z = (ˆ pc − i p ˆ s ) eiΩt . | {z } p ˆ

Es gilt dabei

cos Ωt = Re[eiΩt ] ,

x(t) = Re[z] ,

sin Ωt = −i Im[eiΩt ] .

Mit dem L¨ osungsansatz z(t) = ˆ z eiΩt wird der komplexe Amplitudenvektor ˆ z zu ˆ z = {−Ω2 M + i ΩD + K}−1 (ˆ pc − i p ˆs) berechnet und hieraus die reelle L¨ osung x(t) = Re(ˆ z) cos Ωt − Im(ˆ z) sin Ωt . | {z } | {z } x ˆc

−ˆ xs

Die Matrix {−Ω2 M + i ΩD + K} bezeichnet man auch als dynamische oder effektive Steifigkeitsmatrix, da alle Anteile (mit dem L¨osungsvektor ˆ z bzw. x ˆ multipliziert) zum Gleichgewicht beitragen. Die Inverse ist die Matrix der komplexen Frequenzg¨ ange G(iΩ) = {−Ω2 M + i ΩD + K}−1 . Hiermit kann der L¨ osungsweg wie in Abschnitt 18.1 verk¨ urzt angegeben werden z(t) = G(iΩ) p ˆ eiΩt , oder als L¨ osungsschema p ˆ eiΩt −→ G(iΩ) −→ z(t) . Die Matrixelemente des komplexen Frequenzganges enthalten s¨amtliche Eigenschaften des Systems und sind daher auch als Einflusszahlen der Belastung auf die Partikularl¨ osung anschaulich deutbar.

19.3 Periodische Anregung in komplexer Schreibweise

193

Beispiel Die Bewegungsgleichungen des Bugrades nach Abschnitt 19.2 sind in komplexer Schreibweise mit       1. 000 5. 000 −5. 000 100. 000 −100. 000 ¨ z+ z˙ + z 50 −5. 000 5. 500 −100. 000 600. 000     0 0 ={ −i }eiΩt . 5. 000 5 gegeben. Mit dem L¨ osungsansatz z = ˆ zeiΩt folgt die Matrix der komplexen Frequenzg¨ ange G(iΩ) =



−1. 000 Ω2 + i Ω 5. 000 + 100. 000 −i Ω 5. 000 − 100. 000 −i Ω 5. 000 − 100. 000 −50 Ω2 + i Ω 5. 500 + 600. 000

−1 .

Die Inverse ist sukzessive f¨ ur die laufende Ω-Koordinate auszuwerten, sofern keine analytische Darstellung m¨ oglich ist. Die Darstellung der Matrixelemente Gkl erfolgt wie beim Ein–Masse–Schwinger als Ortskurve in der komplexen Zahlenebene, siehe nachfolgende Abbildung. Im [G kl ] 8

-20,0

Im [G kl ]

-1,0

20,0

10

2,0

Re [G kl ]

9

4,0 Re [G kl ]

8 10

9 W

W

G22.10

6

G11.10 9

6

8 10

G11.10

G22.10

5

5

8

9 9

G12.106 G12.10 -50,0

6

10

-5,0 9

Bild 19-5 Der komplexe Frequenzgang – links 0,1·D, rechts 1,0·D Nach Multiplikation der Einflusszahlen Gkl mit den Einwirkungen pˆl erh¨alt man die Systemantwort zˆk . Wie in Abschnitt 18.1 wird auch hier die Antwortamplitude in der komplexen Zahlenebene dargestellt, sodass die Amplitudeng¨ange zˆj und die Phaseng¨ ange ϕ0j in einem Bild angegeben sind. Zun¨achst folgt die

194

19 Erzwungene Schwingungen von Systemen

komplexe Amplitude # # "  −1 " pˆ1 zˆ1 1 −Ω2 + i Ω 5 + 100 −i Ω 5 − 100 . · = −i Ω 5 − 100 −0,05 Ω2 + i Ω 5,5 + 600 1. 000 pˆ2 zˆ2 Die Umrechnung der komplexen Systemantwort in die reelle Schreibweise erfolgt falls erforderlich mit x ˆc = Re(ˆ z) und x ˆs = Im(ˆ z) , sodass man in einem weiteren Schritt die reellen Amplituden xˆ2j = x ˆ2cj + xˆ2sj und die Vergr¨ oßerungsfunktionen x ˆj Vj = x ˆF

ermitteln kann. Der Phasenwinkel wird f¨ ur die einzelnen Freiheitsgrade getrennt berechnet: Im(ˆ zj ) . ϕ0j = − arctan Re(ˆ zj ) Nachfolgendes Bild verdeutlicht den Einfluss der D¨ampfung auf die Gr¨oße der Amplituden und auf den Verlauf des komplexen Amplitudenganges. Die Schleife im rechten Bild folgt aus der Phasenverschiebung, die bei wachsender Erregerfrequenz zun¨ achst abnimmt und dann wieder ansteigt, vergleiche Bild 19-4. z^ i Im ^ xF

z^ i Im ^ xF

] ]

] ]

-10,0

10

j02

10

10,0

z^ i

8

j01

] ]

Re ^ xF

9

2,0

z^ i Re ^ xF

] ]

8 9 10

W

z^ 2

1,0

j02

W

z^ 2

j01 -10,0

-1,0

8 9 -20,0

z^ 1 -2,0

z^ 1

10

9

Bild 19-6 Die komplexe Systemantwort – links 0,1·D, rechts 1,0·D

20 Modal–Analyse bei Rayleigh–D¨ ampfung

Die Modal–Analyse hat zum Ziel, die Bewegungsgleichungen zu entkoppeln. Dies ist nur m¨ oglich, wenn die Matrizen M, D und K mit Hilfe der Eigenvektoren gleichzeitig auf Diagonalform gebracht werden k¨onnen, was im allgemeinen Fall jedoch nur bei zwei Matrizen m¨ oglich ist. Eine in der Anwendung gebr¨auchliche, vereinfachende Betrachtung des ged¨ ampften Systems ist bei Verwendung der Eigenvektoren x ˆj und der Eigenfrequenzen ω0j des unged¨ampften Systems Mx ¨ + Kx = p m¨ oglich. Die Transformation des Gesamtsystems mit Hilfe des Modal–Ansatzes ˆ q(t) x(t) = X f¨ uhrt analog zu Abschnitt 13 bei M–orthonormalen Eigenvektoren auf ˆ TD X ˆ q˙ + ω02 q = X ˆTp. q ¨+X Die Massen– und die Steifigkeitsmatrix sind wie im unged¨ampften Fall entkoppelt, wenn die Eigenvektoren des unged¨ ampften Systems verwendet werden. Die D¨ ampfungsmatrix bleibt voll besetzt, sodass die Bewegungsgleichungen zun¨ achst nicht entkoppelt werden k¨ onnen. Bei schwacher D¨ ampfung ist der mittlere Term eine St¨orung des unged¨ampften Systems und kann eventuell mit einer St¨ orungsrechnung u ¨ber die rechte Seite iterativ erfasst werden. Besitzt die D¨ ampfungsmatrix die Form der Rayleigh–D¨ampfung D = γM + βK , so kann eine Entkopplung der Bewegungsgleichung in der linken Seite erfolgen ˆTp. q ¨ + 2 Diag[ δ ] q˙ + Diag[ ω02 ] q = X Die entkoppelte diagonale D¨ ampfungsmatrix 2 Diag[ δ ] = γI + β Diag[ ω02 ] ¨ ist hierbei eine Uberlagerung von generalisierten Massen und Steifigkeiten. Die Berechnung der Systemantwort f¨ ur die entkoppelten Gleichungen kann jetzt wie beim ged¨ ampften Ein–Masse–Schwinger erfolgen. Wegen der Entkopplung der Bewegungsgleichungen f¨ uhrt die Rayleigh–D¨ ampfung zu einer erheblichen Vereinfachung der Berechnung und der Deutung der Systemantwort. Wichtig ist, dass aufgrund der Entkopplung rechnerisch kein Energietransfer zwischen den Bewegungsformen stattfindet, vergleiche Abschnitt 17.4. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_20

196

20 Modal–Analyse bei Rayleigh–D¨ampfung

20.1 Freie Schwingungen Der L¨ osungsansatz f¨ ur den entkoppelten Ein–Masse–Schwinger qj = qˆj eλj t f¨ uhrt auf die charakteristische Gleichung 2 2 λ2j + (γ + βω0j )λj + ω0j =0

und damit auf die Eigenwerte λj1,2

2 )± i = − 21 (γ + βω0j

= −δj ± i ωj .

q 2 − 1 (γ + βω 2 )2 ω0j 0j 4

2 Real– und Imagin¨ arteil h¨ angen bei Rayleigh–D¨ ampfung nur von ω0j ab, so2 dass alle Eigenwerte in der komplexen Zahlenebene u ¨ber dem Parameter ω0j 2 dargestellt werden k¨ onnen. Nach Elimination von ω0j aus 2 δj = 12 (γ + βω0j ), 2 2 2 ωj2 = ω0j − 14 (γ + βω0j )

folgt eine Kreisgleichung f¨ ur den Realteil δj und den Imagin¨arteil ωj ωj2 + (δj −

1 1 2 ) = (1 − γβ) 2 . β β | {z } r2

Im [ l ]

2

+ω 0

1 β Re [ l ] r

Bild 20-1 Eigenwerte bei Rayleigh–D¨ampfung Die vorweg gew¨ ahlten Parameter γ und β der Rayleigh–D¨ampfung legen den Mittelpunkt und den Radius r des Kreises in der komplexen Zahlenebene fest. Das gesamte Spektrum der konjugiert komplexen Eigenwerte des Systems liegt jetzt auf dem Kreis, Kurvenparameter ist ω02 . Wenn ωj2 < 0 sind die Eigenwerte reell und liegen auf der reellen Achse.

20.2 Periodische Anregung in reeller Darstellung

197

20.2 Periodische Anregung in reeller Darstellung Gegeben ist M¨ x + D x˙ + K x = p ˆ c cos Ωt + p ˆ s sin Ωt mit der speziellen D¨ ampfung D = γM + βK. Mit dem Modal-Ansatz xp (t) =

n X

x ˆj qj (t) ,

j=1

wobei nachfolgend vereinfachend qjp = qj gesetzt wird, folgt f¨ ur den entkoppelten Ein–Masse–Schwinger 2 q¨j + 2δj q˙j + ω0j qj = x ˆTj p ˆc cos Ωt + x ˆTj p ˆs sin Ωt . | {z } | {z } pˆjc

pˆjs

Mit einem Ansatz vom Typ der rechten Seite, vergl. Abschnitte 7 und 8, qj = qˆjc cos Ωt + qˆjs sin Ωt folgt zun¨ achst  2 cos Ωt −Ω2 qˆjc + 2δj Ωˆ qjs + ω0j qjc − pˆjc +  2 sin Ωt −Ω2 qˆjs − 2δj Ωˆ qjc + ω0j qjs − pˆjs = 0 .

Hier enth¨ alt der Ansatz wie die rechte Seite sin– und cos–Terme. Generell sind bei ged¨ ampften Systemen beide Anteile anzusetzen, da die D¨ampfung auch bei reiner cos–Anregung eine Phasenverschiebung der Systemantwort bewirkt. Das Gleichungssystem " # # " #" 2 ω0j − Ω2 2δj Ω pˆjc qˆjc = 2 −2δj Ω ω0j − Ω2 pˆjs qˆjs liefert die Modal–Amplituden qˆjc =

qˆjs =

2 [ω0j − Ω2 ]ˆ pjc − 2δj Ωˆ pjs , 2 [ω0j − Ω2 ]2 + [2δj Ω]2 2 [2δj Ω]ˆ pjc + [ω0j − Ω2 ]ˆ pjs . 2 2 2 [ω0j − Ω ] + [2δj Ω]2

Zu beachten ist, dass hier kein Energietransfer zwischen den Eigenvektoren ¨ stattfindet, da die Ein–Masse–Schwinger entkoppelt sind. Nach der Uberlagerung zur Gesamtbewegung k¨ onnen die Vergr¨ oßerungsfunktionen Vj und die Phasenwinkel ϕ0j der Systemfreiheitsgrade wie bisher berechnet werden.

198

20 Modal–Analyse bei Rayleigh–D¨ampfung

20.3 Periodische Anregung in komplexer Darstellung Gegeben ist die komplexe Bewegungsgleichung M¨ z + D z˙ + K z = p ˆ eiΩt . Der Modal–Ansatz z(t) =

n X

x ˆj qj (t)

j=1

mit komplexem qj (t) f¨ uhrt auf die entkoppelten Bewegungsgleichungen 2 q¨j + 2δj q˙j + ω0j qj = x ˆTj p ˆ eiΩt .

Mit dem L¨ osungsansatz qj (t) = qˆj eiΩt folgt die komplexe Amplitude qˆj = =

1 ˆTj p ˆ 2 ·x −Ω2 + i 2δj Ω + ω0j

(1 − ηj2 ) − 2i ϑj ηj 1 ·x ˆT p ˆ, · 2 ω0j (1 − ηj2 )2 + (2ϑj ηj )2 j

oder anders dargestellt qˆj = Gj (iΩ) x ˆTj p ˆ. Hierbei ist Gj (iΩ) der komplexe Frequenzgang und x ˆTj p ˆ die komplexe Last des Ein-Masse-Schwingers. Die R¨ ucktransformation auf die komplexe Systemantwort liefert   n  X Gj (iΩ) · x ˆj x ˆTj · p ˆ eiΩt , z(t) =   j=1

und damit die reelle Partikularl¨ osung   n  X Gj (iΩ) · x ˆj x ˆTj · p ˆ eiΩt . x(t) = Re[z(t)] = Re   j=1

Diese Anordnung der L¨ osung ist vorteilhaft, da man so die Matrix der komplexen Frequenzg¨ ange direkt mit Hilfe der Eigenvektoren berechnen kann G(iΩ) =

n X j=1

Gj (iΩ) · x ˆj x ˆTj .

Diese Schreibweise ist f¨ ur den unged¨ ampften Fall in Abschnitt 14.2 erl¨autert. Die Darstellung der Systemantwort wird wie in Abschnitt 18.1 vorgenommen.

21 Modal–Analyse bei viskoser D¨ ampfung

Die Anwendung der Modal–Analyse beschr¨ ankt sich bisher auf unged¨ampfte und ged¨ ampfte Systeme, bei denen die Eigenvektoren des unged¨ampften Systems f¨ ur die Entkopplung der Bewegungsgleichungen angesetzt werden k¨onnen. Im folgenden wird der Fall der viskosen D¨ ampfung untersucht, wenn die Entkopplung der D¨ ampfungsmatrix mit den Eigenvektoren des unged¨ampften Systems nicht m¨ oglich ist. Nach Umschreiben der Bewegungsgleichungen Mx ¨ + D x˙ + K x = p auf die Form "

−K 0

0 M

#"

x x˙

#•

+

"

0 K

K D

#"

x x˙

#

=

"

0 p

#

erh¨ alt man ein Gleichungssystem, das mit den zugeh¨origen Eigenvektoren auf eine Diagonalform transformiert werden kann. x und x˙ sind hierbei unabh¨angige Beschreibungsvariable. Man bezeichnet diese Darstellung auch als Darstellung im Zustandsraum, was anschaulich direkt mit der Phasenebene vergleichbar ist. F¨ ur die Darstellung im Zustandsraum A y˙ + C y = g

(2n Gleichungen)

werden nachfolgend freie und erzwungene Schwingungen untersucht.

21.1 Freie Schwingungen Die Berechnung der Eigenvektoren und Eigenwerte erfolgt jetzt analog zu Abschnitt 12. Die Aufweitung des Gleichungsystems auf 2n Freiwerte f¨ uhrt jedoch zu einem erh¨ ohten Rechenaufwand bei der Berechnung der Eigenvektoren. Die L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung erfolgt wie bisher mit dem Ansatz yh = y ˆeλt . Hierf¨ ur ist [λA + C]y ˆ eλt = 0 zu erf¨ ullen. y ˆ sind die Eigenvektoren des transformierten Systems, λ die zugeh¨ origen Eigenwerte. F¨ ur die Berechnung der Eigenwerte und Eigenvektoren © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_21

200

21 Modal–Analyse bei viskoser D¨ampfung

gilt Abschnitt 12, womit y ˆk hier als bekannt vorausgesetzt werden kann. Die Eigenwerte λk mit k = 1, 2n sind mit den Eigenwerten des Systems 2. Ordnung λj1 und λj2 mit j = 1, n identisch, werden jedoch hier einzeln berechnet. Da die Koeffizientenmatrizen A und C reell und die Eigenwerte λk komplex sind, m¨ ussen die Eigenvektoren y ˆ ebenfalls komplex sein, vergleiche Abschnitt 16.2. Der Zusammenhang zwischen den Eigenvektoren des Systems 2. Ordnung und des Systems 1. Ordnung wird deutlich, wenn x˙ = λx gesetzt wird. Hiermit k¨ onnen der Zustandsvektor # " # " # " x x I = x y= = x˙ λx λI und damit die Eigenvektoren " y ˆk =

x ˆk λk x ˆk

#

=

"

I λk I

#

x ˆk

umgeschrieben werden. Mit den 2n Eigenvektoren y ˆk liegen gleichzeitig die 2n Eigenvektoren x ˆk fest, die wie die Eigenwerte jeweils konjugiert komplex sind. F¨ ur die Transformation der Bewegungsgleichungen 1. Ordnung auf Diagonalform ist die Orthogonalit¨ at der Eigenvektoren y ˆk bez¨ uglich der Koeffizientenmatrizen A und C erforderlich. Hierbei gilt in Analogie zum unged¨ampften Fall y ˆkT A y ˆl = 0 = −1

f¨ ur f¨ ur

k= 6 l k = l,

wenn y ˆk entsprechend normiert ist, und y ˆkT C y ˆl = 0 = λk

f¨ ur f¨ ur

k 6= l k = l.

Die Orthogonalit¨ atsbedingungen lassen sich wegen des Zusammenhanges von y ˆk und x ˆk auch mit x ˆk beschreiben. Es gilt x ˆTk [−K + λk λl M] x ˆl = 0 = −1

f¨ ur f¨ ur

k 6= l k=l

x ˆTk [(λk + λl )K + λk λl D] x ˆl = 0 = λk

f¨ ur f¨ ur

k 6= l k = l.

und

21.2 Periodische Anregung in komplexer Darstellung

201

21.2 Periodische Anregung in komplexer Darstellung Das L¨ osungsschema der reellen Schreibweise ist bei ged¨ampften Systemen sehr un¨ ubersichtlich, wobei die Interpretation der L¨ osung jedoch anschaulich ist. Die komplexe Schreibweise ist erheblich einfacher und wird in praktischen Anwendungen auch u ¨berwiegend eingesetzt. Mit dem Ansatz y = Re(z)

und g = Re(h)

l¨ aßt sich die Bewegungsgleichung in reeller Darstellung in die komplexe Schreibweise u uhren ¨berf¨ A z˙ + C z = h , wobei die komplexe Belastung ˆ eiΩt h = (ˆ gc − iˆ gs ) eiΩt = h analog zu Abschnitt 17.2 berechnet wird. Der Modal–Ansatz z(t) =

2n X

k=1

ˆ ·q y ˆk qk (t) = Y

mit komplexen qk (t) liefert nach Orthogonalisierung der Bewegungsgleichung ˆ T die entkoppelten Bewegungsgleichungen in komplexer Schreibweise mit Y ˆ eiΩt , ˆTAY ˆ q˙ + Y ˆTCY ˆq=Y ˆT h Y oder als Ein–Freiheitsgrad–System ˆ k eiΩt , k = 1, . . . 2n . −q˙k + λk qk = h Der L¨ osungsansatz f¨ ur die komplexe Teilschwingung qk = qˆk eiΩt f¨ uhrt auf die komplexe Amplitude des zugeh¨ origen Eigenvektors y ˆk qˆk =

ˆ hk 1 ˆ = y ˆT h λk − iΩ λk − iΩ k

und mit dem Modal-Ansatz auf die Gesamtl¨ osung z(t) =

2n X

k=1

|

1 ˆ eiΩt h λk − iΩ {z }

y ˆk y ˆkT

H(iΩ)

202

21 Modal–Analyse bei viskoser D¨ampfung

oder kurz ˆ eiΩt . z(t) = H(iΩ) h H(iΩ) ist hierbei die Matrix der komplexen Frequenzg¨ange f¨ ur das System 1. Ordnung. Sie enth¨ alt 2n Spalten und Zeilen, da die Eigenvektoren y ˆk die ˆ˙k enthalten. Beachtet man den ZuVektoren x ˆk und die Geschwindigkeiten x sammenhang ˆ˙k = λk x x ˆk , so kann man die Frequenzgangmatrix G(iΩ) des Systems 2. Ordnung entsprechend Abschnitt 18.1 als Untermatrix von H(iΩ) identifizieren. Es gilt " # " # x ˆ 0 ˆ= = Re(ˆ z) und h , ˆ˙ p ˆc − i p ˆs x sodass G(iΩ) den Einfluss der Belastung p ˆc − i p ˆs auf die komplexe Bewegung z angibt. Aus " # 2n X x ˆk x ˆTk x ˆk x ˆTk λk 1 H(iΩ) = T T 2 λ − iΩ x ˆ x ˆ λ x ˆ x ˆ λ k k k k k k k k=1 folgt G(iΩ) =

2n X

k=1

x ˆk x ˆTk

λk λk − iΩ

als Matrix der komplexen Frequenzg¨ ange des Systems 2. Ordnung. Hier ist zu beachten, dass die Eigenwerte im allgemeinen Fall konjugiert komplex sind. Die Umrechnung auf eine mit Abschnitt 18.1 und Abschnitt 20.3 vergleichbare Form gelingt, wenn man jeweils die beiden konjugiert komplexen Reihenglieder zusammenfasst und die unterschiedliche Normierung der Eigenvektoren beachtet.

22 Reduktion der Zahl der Freiheitsgrade

Die L¨ osung der Bewegungsgleichungen ist mit einem erheblichen numerischen Aufwand verbunden, wenn eine große Zahl von Freiheitsgraden vorliegt. Eine Verringerung des Aufwandes ist m¨ oglich, wenn die Gesamtl¨osung nur mit einer begrenzten Anzahl von Bewegungsformen angen¨ahert wird, wobei die Reduktion mit einem Verlust an Genauigkeit verbunden ist. Die Elimination von Freiheitsgraden ohne Genauigkeitsverlust ist im Sonderfall m¨oglich, wenn ein Teil der Freiheitsgrade in den Gleichungen durch die u ¨brigbleibenden Freiheitsgrade beschrieben werden k¨ onnen.

22.1 Reduktion des Modal–Ansatzes Die Reduktion der Anzahl der Modal–Freiheitsgrade bezeichnet man h¨aufig als dynamische Kondensation. Gegeben ist das Gleichungssytem δx :

Mx ¨ + D x˙ + K x = p(t) = p ˆ ·f (t)

mit n Freiheitsgraden. Die Eigenformen des unged¨ampften Systems werden in der quadratischen Modalmatrix zusammengefasst ˆ = [ˆ X x1 , x ˆ2 , . . . , x ˆn ] . Oft sind bei Systemen mit vielen Freiheitsgraden nicht alle Schwingungsformen f¨ ur die Bewegung gleich wichtig. Eine Absch¨ atzung, welche Teilschwingungen f¨ ur die Bewegung wesentlich sind, wird weiter unten angegeben. Vernachl¨assigt man die unwichtigen Bewegungsformen, bleiben l wesentliche Eigenvektoren, ˆ r zusammengefasst werden die in der reduzierten Modalmatrix X ˆ r = [ˆ X x1 , x ˆ2 , . . . , x ˆl ] ,

l≤n .

Die Modal–Analyse zielt auf die Entkopplung der Bewegungsgleichungen, was auch mit der reduzierten Modalmatrix m¨ oglich ist. Der reduzierte Modal– Ansatz ˆ r qr (t) x(t) = X f¨ uhrt auf das reduzierte System mit l Gleichungen ˆ Tr M X ˆr q ˆ Tr D X ˆ r q˙ r + X ˆ Tr K X ˆ r qr = X ˆ Tr p X ¨r + X ˆ ·f (t) . © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_22

204

22 Reduktion der Zahl der Freiheitsgrade

In der Schreibweise Mr q ¨r + Dr q˙ r + Kr qr = p ˆ r ·f (t) sind die Koeffizientenmatrizen Mr , Dr , Kr die generalisierten Massen, D¨ampfer, und Steifigkeiten des reduzierten Systems, die jeweils als quadratische Form entsprechend der Abbildung berechnet werden. h

11 ℓ1

1n ℓn

i

"

11 n1

1n nn

#"

11 n1

1ℓ nℓ

#

=

h

11 ℓ1

1ℓ ℓℓ

i

.

Bei geeigneter D¨ ampfung (z.B. Rayleigh–D¨ ampfung) sind die l Bewegungsgleichungen entkoppelt q¨j + 2δj q˙j + ωj2 qj = pˆj ·f (t) , j = 1, . . . ,l ≤ n . Sie k¨ onnen wie bisher gel¨ ost werden. Die Wahl der zu ber¨ ucksichtigenden Eigenschwingungsformen kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen. • Die Eigenschwingungsformen k¨ onnen unterschiedlich stark von der Belastung angeregt werden. Die Skalarprodukte x ˆTj p ˆ projezieren die Last auf die Schwingungsform und sind daher ein Maß f¨ ur die Anregung der jeweiligen Schwingungsform. • Der Vergleich von Erregerfrequenz und Eigenfrequenz zeigt an, welche Eigenvektoren wegen m¨ oglicher Resonanzerscheinung besonders zu beachten sind. • Wenn die Bewegung mit den Anfangsbedingungen festgelegt ist, sind die quadratischen Formen x ˆTj M x0 und x ˆTj M v0 zu beachten, da hiermit die Anregung der Eigenschwingungen infolge x0 und v0 quantifiziert wird, vergleiche Abschnitt 14. Bei Systemen der Strukturdynamik mit sehr vielen Freiheitsgraden versuchen die Tragwerke in der Regel mit den Bewegungsformen kleinster Energie zu schwingen, wenn dies die ¨ außere Belastung p(t) zul¨asst. Dies hat den Vorteil, dass f¨ ur die Beschreibung der Bewegung nur die niedrigsten Eigenwerte und die zugeh¨ origen Eigenvektoren angesetzt werden m¨ ussen und nicht mehr das ganze Spektrum. Dies deckt sich mit der Eigenschaft der Iterationsverfahren zur Berechnung der Eigenwerte, die die Eigenwerte in aufsteigender Reihenfolge

22.2 Restmode–Korrektur

205

berechnen. Man kann somit die Berechnung der Eigenwerte abbrechen, wenn die folgenden Abbruchkriterien erf¨ ullt sind x ˆT p ˆ < ε, ωj2 > Ω2 (1 + β) , x ˆTj M x0 < ε ,

x ˆTj M v0 < ε .

Die Parameter ε und β werden an die gew¨ unschte Genauigkeit angepasst.

22.2 Restmode–Korrektur Der reduzierte Modal–Ansatz f¨ uhrt zu einer Gesamtschwingung, bei der die Informationen u ucksichtigten Eigenschwingungsformen voll¨ber die nicht ber¨ st¨ andig verloren gehen. Dies kann dazu f¨ uhren, dass das Gleichgewicht f¨ ur die urspr¨ ungliche (nicht die reduzierte) Belastung nicht mehr erf¨ ullt ist. Auch wenn die Federkr¨ afte bei Starrk¨ orpersystemen oder die L¨angskraft- und die Biegemomentenverteilung bei kontinuierlichen Systemen f¨ ur eine Optimierung oder eine Bemessung genauer bekannt sein sollen, m¨ ussen die f¨ ur den Lastabtrag wichtigen, hochfrequenten Eigenformen beachtet werden, auch wenn sie zur Beschreibung der Bewegung nicht wesentlich sind. Eine n¨ aherungsweise Ber¨ ucksichtigung des bei der Reduktion nicht erfassten Anteils der Bewegung ohne Berechnung der Moden und der zugeh¨origen Eigenfrequenzen ist m¨ oglich, wenn man nur deren statischen Anteil in die Gesamtl¨ osung mit einbezieht. Die Bewegungsgleichung δx :

Mx ¨ + D x˙ + K x = p ˆ ·f (t)

beschreibt das Gleichgewicht zwischen den antreibenden Kr¨aften p ˆ · f (t) und den Reaktionen des Tragwerks. Statt des exakten Ansatzes f¨ ur die Verschiebungen x(t) = xr (t) + xe (t) , wobei xe (t) die eleminierten Verschiebungen beschreibt, wird jetzt n¨aherungsweise x(t) ≈ xr (t) + x ˆe,stat ·f (t) gew¨ ahlt. Dies bedeutet, dass ein Teil der Bewegung einfach u ¨ber die Verlaufsfunktion der Einwirkung festgelegt ist, und die Bewegungsgleichung nicht mehr exakt erf¨ ullt. Die Berechnung der im reduzierten Modal–Ansatz nicht erfassten

206

22 Reduktion der Zahl der Freiheitsgrade

ˆ e,stat kann vereinfachend erfolgen, wenn hierf¨ x ur die Massentr¨agheiten und die D¨ ampferkr¨ afte vernachl¨ assigt werden. Wenn die Last zu allen Zeiten von dem System aufgenommen werden soll, muss in diesem Fall das Gleichgewicht der Federkr¨ afte und der Last erf¨ ullt sein. Damit folgt K·x ˆstat · f (t) = p ˆ · f (t) . ˆ stat k¨ Die Verschiebungen x onnen ohne Zeitverlaufsfunktion ermittelt werden K·x ˆstat = p ˆ

=⇒ x ˆstat = K−1 · p ˆ.

ˆ stat ist bereits im reduzierten Vektor x ˆ r ber¨ Ein Teil der Verschiebungen x ucksichtigt, sodass die eliminierten Verschiebungen mit x ˆe,stat = x ˆstat − x ˆr,stat gegeben sind. Mit dem reduzierten Modal–Ansatz ˆr · q x ˆr,stat = X ˆr,stat folgen die generalisierten Koordinaten q ˆr,stat ebenfalls ohne Zeitverlaufsfunktion mit ˆ Tr · p ˆT · K · X ˆr ·q ˆr,stat = X ˆ. X } | r {z 2 ω0r

Damit ist die angen¨ aherte Gesamtl¨ osung

x(t) = xr (t) + (ˆ xstat − x ˆr,stat ) · f (t) bekannt, wobei die Teill¨ osungen getrennt berechnet werden. Zusammengefasst folgt Modal–Ansatz z }| { 2 −1 ˆ T ˆ r · qr (t) + {K−1 · p ˆ r [ω0r x(t) = X ˆ−X ] Xr · p ˆ } · f (t) . {z } | statisches Gleichgewicht

Wesentlich ist, dass der reduzierte Modal–Ansatz wie bisher ber¨ ucksichtigt wird. Der zus¨ atzliche den Lastabtrag besser beschreibende Anteil wird mit wenig numerischem Aufwand u ¨ber Gleichgewichtsbetrachtungen ermittelt, ohne den Zeitverlauf zu ber¨ ucksichtigen. Zu beachten ist, dass das Vorgehen besonders gute Ergebnisse liefert, wenn die bezogene Erregerfrequenz η → 0 klein ist. Bei großen η mit V (η) → 0 wird die Gesamtl¨osung dagegen verf¨alscht.

22.2 Restmode–Korrektur

207

Beispiel Die Bewegungsgleichungen f¨ ur das Beispiel nach Abschnitt 19.2 sind in Zahlen gegeben. Mit Mx ¨ + D x˙ + K x = p folgt f¨ ur das unged¨ ampfte System " #" #·· " # " # #" 1. 000 0 x1 100. 000 −100. 000 x1 0 = cos Ωt . + x2 0 50 x2 5. 000 −100. 000 600. 000 Die Eigenwerte und die Eigenvektoren sind wie folgt gegeben     0,0316 0,0012 λ1 = ± 9,122 , λ2 = ± 109,6 , x1 = , x2 = . 0,0053 −0,1413 Orthogonalisieren der Bewegungsgleichungen mit ˆ (t) = x ˆ 1 ·q1 (t) + x ˆ 2 ·q2 (t) x liefert die Bewegungsgleichungen f¨ ur die generalisierten Freiheitsgrade qi #·· " # #" # " " #" q1 9,1222 0 26,52 1 0 q1 cos Ωt . + = q2 q2 0 109,22 −706,6 0 1 Hiermit folgen die generalisierten Koordinaten q1 (t) =

26,52 cos Ωt , 9,1222 − Ω2

q2 (t) = −

706,6 cos Ωt 109,22 − Ω2

W¨ ahlt man den ersten Eigenvektor f¨ ur die Modal–Reduktion, folgt die Partikularl¨ osung der Bewegungsgleichung zu     26,52 1 0,838 0,0316 ˆ (t) = x cos Ωt = · cos Ωt . · 0,1406 0,0053 9,1222 − Ω2 9,1222 − Ω2 Die Restmode–Korrektur erfolgt mit

2 −1 ˆ T ˆ r [ω0r ˆ e,stat = { K−1 − X x ] Xr } · p ˆ " # 1,2 0,2 ={ ·10−5 0,2 0,2 " # " #  0,0316 h 1 i  0 0,0316 0,0053 } − 9,1222 0,0053 5. 000 # # " # " " −0,0001 0,0101 0,01 . }= − ={ 0,00829 0,00171 0,01

208

22 Reduktion der Zahl der Freiheitsgrade

Die korrigierte Partikularl¨ osung folgt damit zu x(t) =



0,838 0,1406



·

1 9,1222 − Ω2

cos Ωt +

"

# −0,0001 ·cos Ωt . 0,00829

Im Vergleich mit der exakten L¨ osung der Bewegungsgleichung     1 706,6 0,838 −0,0012 x(t) = · cos Ωt + cos Ωt . 0,1406 0,1413 9,1222 − Ω2 109,22 − Ω2 wird deutlich, dass der L¨ osungsanteil des ersten Eigenvektors exakt wieder gegeben wird. Die Korrektur kann jedoch die Resonanzstelle der zweiten Eigenschwingung nicht erfassen, sodass der Vergleich f¨ ur Ω → 0 erfolgen sollte. Die Schwingungsamplituden geben f¨ ur Ω = 0 wie beabsichtigt die richtigen Werte. V

x1 x2

2 1 0

25

50

75

100

125



Bild 22-1 exakte Antwort–Amplituden der Freiheitsgrade x1 und x2 V

x1,red x2,red

2 1 0

25

50

75

100

125



Bild 22-2 Antwort–Amplituden x1 und x2 des reduzierten Ansatzes V

x1,korr x2,korr

2 1 0

25

50

75

100

125



Bild 22-3 Antwort–Amplituden x1 und x2 nach Restmode–Korrektur

22.3 Elimination von Freiheitsgraden

209

22.3 Elimination von Freiheitsgraden Gegeben sind die Bewegungsgleichungen in der speziellen Form #  " #" #·· " #" #· " #"  xr M11 0 xr D11 0 xr K11 K12 pr . = + + pe xe xe xe K21 K22 0 0 0 0 Hierbei sind die xr die restlichen Freiheitsgrade und die xe die zu eliminierenden Freiheitsgrade. Die zweite Matrizenzeile beschreibt eine statische Gleichgewichtsbedingung, sodass sie zur Elimination der xe verwendet werden kann. Nach Aufl¨ osung der zweiten Zeile k¨ onnen die −1 xe = K−1 22 · pe − K22 K21 · xr

direkt in die erste Gleichung eingesetzt werden −1 M11 x ¨r + D11 x˙ r + [K11 − K12 K−1 22 K21 ] xr = pr − K21 K22 pe .

Eine entsprechende Elimination ist auch m¨ oglich, wenn Dkl 6= 0 und Mkl = 0, Kkl = 0 aber M11 6= 0, K11 6= 0 oder Mkl 6= 0 und Dkl = 0, Kkl = 0 aber D11 6= 0, K11 6= 0 gegeben ist. Die jeweils verbleibende Bewegungsgleichung enth¨alt nur noch die xr als Freiheitsgrade. In einer Nachlaufrechnung k¨onnen falls erw¨ unscht auch die xe mit dann bekannten xr berechnet werden. Auf den allgemeinen Fall, wenn alle Untermatrizen besetzt sind, kann man diese Idee u ahnlich wie bei der Modal–Reduktion Genau¨bertragen, wenn man ¨ igkeitsverluste akzeptiert. Mit der Transformationsmatrix T kann der Ansatz x(t) = T · xr gew¨ ahlt werden, wobei im speziellen Fall T mit der reduzierten Modalmatrix identisch ist. Bei einer Aufteilung der Verschiebung x(t) in # " # " xr I = xr xe C kann zun¨ achst ein beliebiger Zusammenhang zwischen xe und xr gew¨ahlt werden. Setzt man wie oben C = −K−1 22 · K21

210

22 Reduktion der Zahl der Freiheitsgrade

erh¨ alt man "

xr xe

#

=

"

I −K−1 22 K21

#

xr .

Die Elimination der xe bedeutet, dass die Masse und die D¨ampfung der Freiheitsgrade xe vernachl¨ assigt wird. Einsetzen des Ansatzes in die Bewegungsgleichung und Vormultiplikation im Sinne virtueller Verschiebungen mit TT liefert das Gleichungssystem f¨ ur die restlichen Freiheitsgrade xr TT M T x ¨r + TT D T x˙ r + TT K T xr = TT p oder mit den reduzierten Systemeigenschaften Mr x ¨r + Dr x˙ r + Kr xr = pr . Die Koeffizientenmatrizen sind voll besetzt. Das reduzierte System beschreibt jetzt das urspr¨ ungliche System nur noch n¨ aherungsweise, da die Information u ¨ber das Bewegungsverhalten der eliminierten Freiheitsgrade xe durch den Ansatz zum Teil verloren gegangen sind. Die G¨ ute der N¨aherung richtet sich nach der Transformationsmatrix T, die im Prinzip beliebig gew¨ahlt werden darf. Allerdings muss die Transformationsmatrix regul¨ ar vom Rang l sein, da sonst das reduzierte System nicht l¨ osbar ist. Die Elimination der xe bezeichnet man als statische Kondensation von Freiheitsgraden. Beispiel Die Bewegungsgleichungen f¨ ur das Beispiel nach Abschnitt 19.2 sind in Zahlen gegeben. Mit Mx ¨ + D x˙ + K x = p folgt f¨ ur das unged¨ ampfte System #·· " # " # " #" #" 0 1. 000 0 x1 100. 000 −100. 000 x1 = cos Ωt . + x2 x2 5. 000 0 50 −100. 000 600. 000 Eliminiert man den zweiten Freiheitsgrad mit der statischen Kondensation, ist dies mit # " # # " " 1 1 x1 x1 = 1 x1 = 1 x2 (−100. 000) − 600.000 6

22.3 Elimination von Freiheitsgraden

211

m¨ oglich. Einsetzen des reduzierten Ansatzes in die Bewegungsgleichung liefert (1. 000 +

600. 000 100. 000 5. 000 50 )x ¨1 + (100. 000 + − 2· ) x1 = cos Ωt 6·6 6·6 6 6

und weiter 1. 001,4 x ¨1 + 83. 333 x1 = 833,3 cos Ωt . Die reduzierte Bewegungsgleichung kann in diesem Fall wie ein Ein–Masse– Schwinger behandelt werden. Die Partikularl¨ osung der Bewegungsgleichung ist mit x1 (t) =

1 1 833,3 cos Ωt = cos Ωt 83. 333 − 1. 001,4 Ω2 100 − 1,202 Ω2

gegeben. Falls erforderlich kann der zweite Freiheitsgrad x2 (t) entsprechend dem Reduktionsansatz in einer Nachlaufrechnung bestimmt werden. x2 (t) =

1 1 cos Ωt . x1 (t) = 6 600 − 7,212 Ω2

In Vektorschreibweise folgt # " " # 1 x1 1 = 1 cos Ωt . 100 − 1,202 Ω2 x2 6 Im Vergleich mit der exakten L¨ osung # " # " " # 0,838 x1 −0,838 1 1 ={ + } cos Ωt 109,62 − Ω2 x2 0,1406 9,1222 − Ω2 99,86 " # # " −1 1 1 1 + } cos Ωt . ={ 2 99,3 − 1,19 Ω 14334 − 1,19 Ω2 119,1 0,167 wird deutlich, dass zwar der Anteil der ersten Eigenschwingung gut beschrieben wird, jedoch die zweite Resonanzstelle mit dem reduzierten Ansatz nicht erfasst werden kann.

23 Modal–Synthese

Die Modal–Analyse ist ein vereinfachendes Verfahren zur Berechnung und Untersuchung der Systemantwort auf gegebene Einwirkungen. Grundgedanke ist, die Antwort des Gesamtsystems aus den Eigenvektoren additiv zusammenzuf¨ ugen. Bei komplexen Systemen ist die Berechnung der Eigenvektoren aufw¨andig, wenn viele Freiheitsgrade vorliegen und auch ein reduzierter Modal–Ansatz noch sehr viel Bewegungsformen ben¨ otigt. Ein Verfahren, den numerischen Aufwand zu verringern, ist die Modal–Synthese. Hierbei wird das Gesamtsystem in Teilstrukturen zerlegt und f¨ ur die Teilstrukturen getrennt eine Modal–Analyse mit Reduktion durchgef¨ uhrt. Der Zusammenbau zum Gesamtsystem erfolgt dann mit dem reduzierten Modal–Ansatz und zus¨atzlichen Freiheitsgraden f¨ ur ¨ die Formulierung der Ubergangsbedingungen zwischen den Teilstrukturen. Das Verfahren ist urspr¨ unglich von Craig und Bampton [14] entwickelt worden und wird heute standardm¨ aßig zur Modal–Reduktion eingesetzt.

Bild 23-1 Teilstrukturen eines Antriebes © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_23

23.1 Die Teilstruktur beim Weggr¨ oßenverfahren

213

Das Vorgehen ist mit der Finite–Element–Methode vergleichbar. Man definiert f¨ ur die Teilstruktur vorgegebene Randbedingungen, z. B. fest eingespannt wie beim Weggr¨ oßenverfahren. Innerhalb der Teilstruktur wird das Verschiebungsfeld vom Verlauf her f¨ ur die Einwirkungen aus Last berechnet, in der Dynamik auch die Eigenschwingungen. Zus¨ atzlich werden die Verschiebungen aus den zun¨ achst unterdr¨ uckten Randbedingungen als Einheitsverformungszust¨ande f¨ ur die noch unbekannten Knotenweggr¨ oßen vorgegeben. Beim Zusammenbau al¨ ler Teilstrukturen zum Gesamtsystem m¨ ussen die Ubergangsbedingungen f¨ ur die Kinematik und f¨ ur das Gleichgewicht erf¨ ullt werden, woraus die Bestimmungsgleichungen f¨ ur die zun¨ achst unbekannten Knotenweggr¨oßen folgen. In einer Nachlaufrechnung kann auf Teilstrukturebene das Verschiebungsfeld nach ¨ Uberlagerung aller Teilverschiebungsfelder bestimmt werden.

23.1 Die Teilstruktur beim Weggr¨ oßenverfahren Weit verbreitet ist die Formulierung der Modal–Synthese als Weggr¨oßenverfahren, was nachfolgend erl¨ autert wird. Gegeben sind die Bewegungsgleichungen Gesamtsystem

Teilstruktur 1

Teilstruktur 2

Bild 23-2 Teilstrukturen bei einem Biegestab f¨ ur die Teilstruktur – z. B. f¨ ur einen beidseitig eingespannten Biegestab entsprechend der Abbildung – MGG v ¨G + DGG v˙ G + KGG vG = pG . Der Index G kennzeichnet das Gebiet. vG sind die Freiheitsgrade im Gebiet, pG die Belastungen. Mit Hilfe eines Modal–Ansatzes ˆ G qG , vG = X ˆ G auch reduziert sein kann, l¨asst sich die Bewegungswobei die Modalmatrix X gleichung auf Teilstrukturebene entkoppeln, wenn die D¨ampfung entsprechend gew¨ ahlt ist. F¨ ur Rayleigh–D¨ ampfung gilt ˆ TG pG . Iq ¨G + (γ I + βω02 ) q˙ G + ω02 qG = X

214

23 Modal–Synthese

Bisher wird nur der beiderseits eingespannte Balken betrachtet. Zus¨atzlich k¨ onnen die Verformungen infolge Lagerverschiebung und –verdrehung auftreten   T vK = wA ϕA wB ϕB ,

wobei der Index K die Knoten bezeichnet. Damit ist die Gesamtverschiebung im Gebiet mit ˆ G qG w(x, t) = ΩK vK + X

festgelegt, sodass s¨ amtliche Bewegungsm¨ oglichkeiten der Teilstruktur beschrieben werden k¨ onnen. Infolge der Verschiebungen, die den Knotenweggr¨oßen zugeordnet sind, werden zus¨ atzliche Arbeiten geleistet. Diese f¨ uhren zu einer Kopplung der Arbeitsbeitr¨ age von Knotenweggr¨oßen und Gebietsverformungen. #· #·· " #" " #" vG DGG DGK vG MGG MGK + vK vK DKG DKK MKG MKK # # " #" " pG vG KGG KGK . = + pK vK KKG KKK Die MKK , DKK und KKK sind die Massen–, D¨ampfer– und Steifigkeitsmatrizen aus Knotenweggr¨ oßen, pK ist der entsprechende Lastvektor. Zus¨atzlich k¨ onnen hier auch Knotenmassen, –d¨ ampfer, –federn und Knotenlasten ber¨ ucksichtigt werden. Verwendet man wie oben gezeigt einen reduzierten Modal– Ansatz im Gebiet, so gilt #· #·· " #" #" " 2 ˆ T DGK ˆ T MGK qG qG γI + βω0GG X I X G G + ˆG ˆG vK vK DKG X DKK MKG X MKK

+

"

2 ω0GG

ˆG KKG X

ˆ T KGK X G KKK

#"

qG vK

#

=

"

ˆ T pG X G pK

#

Die Kopplung zwischen den Freiheitsgraden des eingespannten Biegestabes und den Knotenweggr¨ oßen ist vorhanden, wenn die zugeh¨origen Schwingungsformen nicht orthogonal zueinander sind. Die oben angegebenen Bewegungsgleichungen f¨ ur qG und vK beschreiben s¨amtliche Bewegungsm¨ oglichkeiten der Teilstruktur Biegestab. Die Koeffizientenmatrizen k¨ onnen verglichen werden mit den entsprechenden Matrizen der FEM in Weggr¨ oßenformulierung, wobei dort ein einzelnes Element angesprochen wird

23.2 Das Gesamtsystem beim Weggr¨ oßenverfahren

215

und hier eine einzelne Teilstruktur. Die inneren generalisierten Freiheitsgrade k¨ onnen f¨ ur Sonderf¨ alle analytisch und n¨ aherungsweise mit der statischen Kondensation eliminiert werden, da sie nur in der Teilstruktur definiert sind und keine Kopplung zu anderen Teilstrukturen vorhanden ist.

23.2 Das Gesamtsystem beim Weggr¨ oßenverfahren Werden mehrere Teilstrukturen – wie im Bild gezeigt – zu einem Gesamtsystem zusammengesetzt, so erfolgt dies analog zur Finite–Element–Methode. Die Kopplung der Teilstrukturen erfolgt nur u ¨ber die Knotenweggr¨oßen, nicht mehr u ¨ber die vG bzw. qG , da diese nur die Gebietsverformungen beschreiben und gegebenenfalls eliminiert werden k¨ onnen.

G1 K1

G3

G2 K2

K3

K4

¨ Beim Zusammensetzen der Teilstrukturen m¨ ussen die Ubergangsbedingungen erf¨ ullt werden. F¨ ur w und ϕ erfolgt das mit Hilfe der Knotenweggr¨oßen, f¨ ur M und Q stehen die Gleichgewichtsbedingungen direkt in den Zeilen f¨ ur δϕK und δwK des Gesamtsystems. Dies bedeutet auch, dass die Knotenweggr¨oßen benachbarter Teilstrukturen das gleiche Bezugssystem haben m¨ ussen und eventuell eine Transformation erforderlich ist. Schematisch erh¨alt das Gesamtgleichungssystem f¨ ur das im Bild dargestellte System den folgenden Aufbau, wobei hier nur die Steifigkeitsmatrix angegeben ist.    vK1 δvK1 : ⋆ ⋆ ⋆    δvG1 :   vG1   ⋆ ⋆ ⋆      vK2   ⋆ ⋆ ⋆+o o o δvK2 :       o o o δvG2 :   vG2         o o ∆+o ∆ ∆  δvK3 :   vK3      ∆ ∆ ∆   vG3  δvG3 :  vK4 ∆ ∆ ∆ δvK4 : Nach Ber¨ ucksichtigung der Systemrandbedingungen k¨onnen die Freiheitsgrade wie bisher berechnet werden vSystem = vh + vp .

216

23 Modal–Synthese

Die Vorteile der Modal–Synthese sind besonders f¨ ur große Systeme mit vielen Freiwerten und vielen Teilstrukturen bemerkenswert. • Verschiedene Arbeitsgruppen k¨ onnen an unterschiedlichen Bauteilen getrennt arbeiten. • Bei gleichen Teilstrukturen erfolgt eine einmalige Berechnung der Teilstruktur. • Die Berechnung ist f¨ ur jede Teilstruktur getrennt m¨oglich. Teilstrukturen k¨ onnen sein: Balken, Platten, Scheiben, Rotoren, Pylone usw. Im Flugzeugbau: Fl¨ ugel, Rumpf, Leitwerk, Triebwerk. Im Automobilbau: Bremsen, R¨ ader, Achsen, Sitze usw. • Details k¨ onnen als eigene Teilstruktur betrachtet werden. • Man kann eine Bibliothek von Standard–Teilstrukturen anlegen. • In der Teilstruktur ist eine Reduktion der Freiheitsgrade mit einem Modal– Ansatz m¨ oglich. • Die Kopplung einer bekannten analytischen L¨osung mit N¨aherungsl¨osungen in anderen Teilstrukturen ist einfach m¨oglich. • Der Vergleich mit Experimenten ist auf Teilstrukturebene einfacher als mit dem Gesamtsystem. Parameterstudien sind schneller durchf¨ uhrbar.

ANWENDUNGEN

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

Erdbeben sind in vielen Teilen der Welt der entscheidende Bemessungslastfall f¨ ur Bauwerke. Als Erdbeben werden im Bauwesen Schwingungen des Baugrundes bezeichnet. Die Ursachen von Erdbeben sind vielf¨altig: • Als Folge der Plattentektonik der Erdkruste k¨onnen sich benachbarte Erdschollen ruckartig gegeneinander verschieben und den Boden großfl¨ achig zum Schwingen anregen. • Vulkanismus bewirkt ¨ ortlich begrenzte Erdbeben. • Der Einsturz von unterirdischen Hohlr¨ aumen z. B. in Bergbaugebieten bewirkt ebenfalls ¨ ortlich begrenzte Erdbeben. • Auch Explosionen k¨ onnen den Baugrund ¨ ortlich zum Schwingen anregen. Nachfolgend werden aus Gr¨ unden der Anschaulichkeit nur die Erdbeben aus Plattentektonik betrachtet. Als weiterf¨ uhrende Literatur sind Bachmann [1] und Meskouris et al. [31] empfohlen.

24.1 Erdbebenwellen und Darstellung von Erdbeben Infolge der Plattentektonik verformt sich die Erdkruste großfl¨achig, sodass große Energiemengen im Boden gespeichert werden k¨onnen. Wenn die Deformation Festigkeitsgrenzen des Erdbodens erreicht, k¨ onnen sich großfl¨achige Scherfugen im Boden einstellen. Beim Abscheren der Erdschollen erfolgt eine pl¨otzliche Entlastung, die zu gegenseitigen Verschiebungen benachbarter Erdschollen f¨ uhrt, große Energiemengen freisetzen kann und die beteiligten Erdschollen und damit die auf ihnen stehenden Geb¨ aude zum Schwingen anregt. Nach einem Erdbeben breiten sich verschiedene Wellen radial vom Erdbebenherd in alle Richtungen aus. Hier unterscheidet man: • P–Wellen; dies sind prim¨ are Longitudional– bzw. Kompressionswellen, die sich mit der Geschwindigkeit up ausbreiten. • S–Wellen; dies sind sekund¨ are Transversal– bzw. Scherwellen, die sich mit der Geschwindigkeit us < up ausbreiten. • L–Wellen; die als Love–Wellen bezeichneten Oberfl¨achenwellen treten bei geschichteten B¨ oden auf und bewegen die Masseteilchen in horizontaler Richtung, quer zur Ausbreitungsrichtung. • R–Wellen; die als Rayleigh–Wellen bezeichneten Oberfl¨achenwellen bewegen die Masseteilchen auf Ellipsenbahnen. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_24

220

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

In Bild 24-1 sind die verschiedenen Wellenarten anschaulich dargestellt.

Bild 24-1 Erdbebenwellen nach Bolt [5] und Bachmann [1] Aufgrund der ¨ ortlich unterschiedlichen Wirkung eines Erdbebens unterscheidet man das Hypo–Zentrum als Ort des Erdbebens innerhalb der Erdkruste, das Epi–Zentrum an der Erdoberfl¨ ache oberhalb des Hypo–Zentrums und den Ort des Geb¨ audes, auf das das Erdbeben einwirkt.

24.1 Erdbebenwellen und Darstellung von Erdbeben

221

Die Darstellung der aus Erdbeben folgenden Bodenbewegung ist als Zeitverlauf in Seismogrammen oder als Frequenzspektrum m¨oglich. In Bild 24-2 ist der zeitliche Verlauf der in–situ–Messung eines Erdbebens an einer ausgew¨ahlten ¨ Ortlichkeit dargestellt. An anderen Orten kann der Verlauf bei gleichem Erdbeben wesentlich anders sein, wenn die Entfernung zum Erdbebenherd und die Bodenbeschaffenheit anders sind. Am Zeitverlauf der Bodenverschiebung dg , der Bodengeschwindigkeit vg und der Bodenbeschleunigung ag erkennt man – der Index ( )g steht f¨ ur ground, dass die hohen Frequenzen am deutlichsten am Beschleunigungsverlauf sichtbar sind. Dies ist wichtig, da die Einwirkungen auf die Bauwerke unmittelbar aus der Massenbeschleunigung folgen.

Bild 24-2 In–situ–Messung eines Erdbebens [5, 1] F¨ ur die Beschreibung eines Erdbebens wird zum einen das Erdbebenspektrum verwendet, dass unmittelbar Einfluss auf das Schwingungsverhalten von Bauwerken hat, und zum anderen die Intensit¨at. Die Intensit¨at – also die ¨ortliche

222

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

Wahrnehmbarkeit eines Erdbebens am Bauwerk – kann man unterschiedlich beschreiben. Die wesentlichen Maße sind: • Die Mercalli–Sieberg–Skala, siehe z. B. DIN 4149 [61], beschreibt den Sch¨ adigungsgrad von Bauwerken von 1 (nicht f¨ uhlbar) bis 12 (vollst¨andige Zerst¨ orung), hiermit wird die Wirkung des Erdbebens auf Bauwerke erfasst, und nicht das Erdbeben selbst. Die Wirkung eines Erdbebens ist jedoch bei Mauerwerksbauten eine andere als bei Stahlbauten, sodass dies keine objektive Skala ist. Dennoch wird sie in verschiedenen Regionen verwendet. In den USA ist eine modifizierte Mercalli–Skala gebr¨auchlich, und in Europa u. a. die Medvedev–Sponheuer–Karnik–Skala (MSK-64). Tabelle 24.1 Modifizierte Mercalli–Skala Magnitude 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Wirkung nicht f¨ uhlbar f¨ uhlbar in oberen Stockwerken eines Geb¨audes h¨ angende Gegenst¨ ande schwingen in Geb¨ auden so f¨ uhlbar als wenn schwere Lkw vorbeifahren Fl¨ ussigkeiten bewegen sich Fensterscheiben zerbrechen Personen m¨ ussen sich festhalten Leichtbauw¨ ande besch¨ adigt, Schornsteine zerst¨ort schweres Mauerwerk zerst¨ ort, nichtverankerte Konstruktionen vom Fundament abgeschert Erdrutsche, schwere Sch¨ aden an Mauerwerksgeb¨auden Zerst¨ orung von Versorgungsleitungen vollst¨ andige Zerst¨ orung

Seit 1998 wird die Europ¨aische Makroseismische Skala (EMS-98) [16] f¨ ur die Beschreibung der Intensit¨ at von Erdbeben in Europa empfohlen. Ziel der EMS98 war nicht eine v¨ ollige Neudefinition der Intensit¨atsskalen, sondern eine mehr ins Detail gehende Beschreibung und Bewertung der Sch¨aden an Geb¨auden unterschiedlicher Bauarten und Baustoffe, um die große Vielfalt von Baukonstruktionen und Herstellungsweisen ber¨ ucksichtigen zu k¨onnen. Im Detail wird zwischen Mauerwerks–, Stahlbeton–, Stahl– und Holzbauwerken unterschieden, f¨ ur die Verletzbarkeitsklassen und Schadensgrade definiert werden. Hiermit kann die Wirkung eines Erdbebens graduell erfasst werden. Wesentlich ist auch, dass

24.1 Erdbebenwellen und Darstellung von Erdbeben

223

die Wirkung eines Erdbebens auf Menschen, Umwelt und Geb¨aude getrennt be¨ schrieben wird. Tabelle 24.2 gibt eine grobe Ubersicht auf die Bezeichnungen und die bei der jeweiligen Intensit¨ at beobachtbaren Ph¨anomene. Tabelle 24.2 Europ¨aische Makroseismische Skala (EMS–98) EMS Intensit¨ at

Bezeichnung

Beobachtung

I II

nicht f¨ uhlbar kaum f¨ uhlbar

III

schwach

IV

deutlich

V VI

stark leicht sch¨ adigend sch¨ adigend

nicht f¨ uhlbar von wenigen ruhenden Personen in Geb¨ auden wahrnehmbar ruhende Personen in Geb¨auden f¨ uhlen ein Schwanken und leichtes Erzittern von vielen Personen in Geb¨auden wahrnehmbar, Fenster und T¨ uren klappern starke Ersch¨ utterungen, Geb¨aude erzittern Gegenst¨ ande fallen herab, kleine Wandrisse und Putzabplatzungen viele Geb¨ audesch¨aden, Wandrisse, Putzsch¨ aden, teilweise einst¨ urzende Kamine große Mauersch¨ aden, einige Geb¨ aude st¨ urzen teilweise ein schwach gebaute Geb¨aude werden zerst¨ort, normale Geb¨ aude zeigen starke Sch¨aden viele normal gebaute Geb¨aude st¨ urzen ein die meisten normalen Geb¨aude st¨ urzen ein fast alle Bauwerke werden zerst¨ort

VII VIII IX X XI XII

schwer sch¨ adigend zerst¨ orend sehr zerst¨ orend verw¨ ustend vollst¨ andig verw¨ ustend

Die tats¨ achliche St¨ arke eines Erdbebens wird mit folgenden Skalen gemessen: • Mit der Richter–Gutenberg–Skala rechnet man die freigesetzte Energie W [Joule] eines Erdbebens in einen Magnitudenwert ML einer logarithmischen Skala um. Der Index( )L deutet an, dass es sich um eine lokale Skala handelt. ML =

2 ( log10 W − 4,8 ) . 3

224

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

Grundlage der Skalierung sind die Amplituden von Geschwindigkeits–Seismogrammen der Erdbebenwellen in der n¨aheren Umgebung des EpiZentrums des Erdbebens. Die Richter–Gutenberg–Skala ist f¨ ur Magnituden ML < 6,5 hinreichend genau. • F¨ ur gr¨ oßere Erdbeben wird die Momenten–Magnitude MW verwendet, die bis zu einer Magnitude von MW = 10,6 definiert ist. MW =

2 ( log10 M0 − 9,1 ) . 3

Die Bezeichnung Seismisches Moment M0 folgt aus der Definition der Magnitude, die mit dem Produkt aus der Scherkraft in der Bruchfl¨ache und der gegenseitigen Verschiebung der Bruchfl¨achen bestimmt wird. Hiermit wird die infolge des Erdbebens geleistete Arbeit in der Bruchfl¨ache beschrieben. Aufgrund der unterschiedlichen Diagramme f¨ ur Raumwellen (P– und S–Wellen) und Oberfl¨ achenwellen (L– und R–Wellen) sowie abh¨angig von der Entfernung vom Epi–Zentrum kann man die Skalen modifizieren und verfeinern. Tabelle 24.2 gibt die durchschnittliche H¨ aufigkeit und St¨arke von Erdbeben weltweit an. Die Datenauswertung erfolgte vom United States Geological Survey und ber¨ ucksichtigt Erdbeben von 1990 - 2015. Die Statistik ist vom Bundesamt f¨ ur Geowissenschaften und Rohstoffe ver¨ offentlicht. Leichte Erdbeben werden oft nicht wahrgenommen und f¨ ur extrem große Erdbeben sind in der Tabelle Erdbeben seit 1914 erfasst. Tabelle 24.3 H¨aufigkeit von Erdbeben Magnitude ML ≤ 3 3 < ML ≤ 4 4 < ML ≤ 5 5 < ML ≤ 6 6 < MW ≤ 7 7 < MW ≤ 8 8 < MW ≤ 9 9 < MW ≤ 10 10 < MW

Erdbebenst¨ arke

H¨aufigkeit

extrem leicht sehr leicht leicht mittel stark groß sehr groß extrem groß globale Katastrophe

unbekannt 130.000 / Jahr 13.000 / Jahr 1509 / Jahr 139 / Jahr 15 / Jahr 1 / Jahr 1 / 20 Jahre unbekannt

24.2 Berechnungsverfahren f¨ ur Tragwerke

225

24.2 Berechnungsverfahren f¨ ur Tragwerke Erdbeben werden in der Tragwerksanalyse als Einwirkung auf das Tragwerk betrachtet. Die Einwirkung wird als gemessener oder k¨ unstlicher Beschleunigungsverlauf x ¨(t) in der Bewegungsgleichung ber¨ ucksichtigt. Die L¨osung der Bewegungsgleichung erfolgt je nach Zielsetzung analytisch oder numerisch. • Bei linear–elastischem Werkstoffverhalten kann die L¨osung der Bewegungsgleichung mit Superposition von Einzell¨osungen im Zeitbereich erfolgen. Hierbei werden die Einwirkungen mit der diskreten Fourier-Reihe oder mit dem Fourier–Integral in den Frequenzraum transformiert und die Systemantwort im Frequenzraum berechnet. • Bei elastisch–plastischem Werkstoffverhalten sind die Bewegungsgleichungen nichtlinear, sodass die Berechnung der Systemantwort mit einer numerischen step-by-step“ Integration erfolgen muss. ” Aufgrund der Unsicherheiten bei der Beschreibung des im Einzelfall tats¨achlich vorhandenen Beschleunigungsverlaufs haben sich vereinfachende Ingenieurverfahren durchgesetzt, die bei linear-elastischem Werkstoffverhalten eingesetzt werden k¨ onnen. Dies sind das Antwortspektrenverfahren und das Ersatzkraftverfahren. Nachfolgend wird zun¨ achst das Antwortspektrum erkl¨art, da es die Vorgehensweise grunds¨ atzlich beschreibt und sich mit der Modal–Analyse f¨ ur Systeme mit beliebig vielen Freiheitsgraden einsetzen l¨asst.

24.2.1 Das Antwortspektrum Zun¨ achst wird die grundlegende Idee erl¨ autert und in einem zweiten Schritt die Umsetzung f¨ ur den vorliegenden Fall. Gegeben ist der Ein–Masse–Schwinger, u (t) x (t) der durch eine Fußpunktanregung u ¨F aus Erdbeben in Schwingungen versetzt wird. Die Gesamtverschiebung Q = k u(t) x(t) der Masse enth¨ alt die Schwingung u(t) senkrecht zur Stabachse sowie die Fußpunktverschiebung uF (t). Wenn die üF (t) Masse m die Absolutbeschleunigung x ¨(t) erf¨ ahrt, folgt mit x(t) = uF (t) + u(t) die Bewegungsgleichung m¨ x + du˙ + ku = 0 .

Bild 24-3 Fußpunkterregter Ein-Masse-Schwinger

226

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

Wird x(t) explizit eingesetzt, folgt m¨ u + du˙ + ku = −m¨ uF . In der Regel ist die Fußpunktanregung uF unperiodisch, sodass die Relativverschiebung u(t) der Masse mit dem Duhamel-Integral berechnet werden muss. Hiermit gilt Z t 1 u(t) = −m¨ uF (τ ) · e−δ(t−τ ) · sin ω(t − τ ) dτ mω 0 Z 1 t u ¨F (τ ) · e−δ(t−τ ) · sin ω(t − τ ) dτ . =− ω 0 Die Relativgeschwindigkeit folgt zu Z 1 t u(t) ˙ =− u ¨F (τ ) · e−δ(t−τ ) · (−δ sin ω(t − τ ) + ω cos ω(t − τ )) dτ ω 0 Z t = −δ · u(t) − u ¨F (τ ) · e−δ(t−τ ) cos ω(t − τ ) dτ 0

und die Relativbeschleunigung zu Z t u ¨(t) = −δ u(t) ˙ − u¨F (τ ) · e−δ(t−τ ) · (−δ cos ω(t − τ ) − ω sin ω(t − τ )) dτ 0

= −2δ · u(t) ˙ − ω02 u(t) ,

wenn ω 2 = ω02 −δ 2 ber¨ ucksichtigt wird. Die Verschiebungen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen sind in der Zeit ver¨ anderlich und von der Eigenkreisfrequenz und der D¨ ampfung abh¨ angig. F¨ ur die Bemessung interessieren jedoch nur die Maximalwerte, sodass es sinnvoll ist, die Maximalwerte der Relativverschiebung als Spektrale Verschiebung Sd zu bezeichnen. Der Index ( )d deutet auf die englische Bezeichnung displacement hin. Sd (ω, δ) = [u(t)]max . Entsprechend kann man im weiteren die Maximalwerte der Relativgeschwindigkeit als Spektrale Geschwindigkeit Sv = [u(t)] ˙ max sowie die Maximalwerte der Absolutbeschleunigung als Spektrale Beschleunigung Sa = [¨ u(t) + u¨F (t)]max

24.2 Berechnungsverfahren f¨ ur Tragwerke

227

bezeichnen, da diese Beschleunigungen auf die Masse einwirken und daher f¨ ur die Bemessung entscheidend sind. Die Indizes ( )v und ( )a folgen den englischen Begriffen velocity und acceleration. F¨ ur kleine D¨ ampfung ϑ < 0,1 sowie ω ≈ ω0 kann man die Anteile aus D¨ ampfung vernachl¨ assigen und die Maximalwerte der Relativgeschwindigkeit als Pseudo–Geschwindigkeit mit Spv = ω0 · Sd sowie die Maximalwerte der Absolutbeschleunigung als Pseudo–Beschleunigung Spa = ω02 · Sd bezeichnen. Der Begriff Pseudo deutet darauf hin, dass dies eine N¨aherung f¨ ur schwache D¨ ampfung ist und eine harmonische Bewegung der Masse impliziert. Mit der Skalierung der Pseudo–Beschleunigung auf die Pseudo–Verschiebung wird deutlich, dass die Verschiebung x(t) der Masse und die Fusspunktverschiebung uF (t) bei sehr steifen Systemen mit großem ω02 nahezu gleich sind und die Absolutbeschleunigung x¨(t) der Masse mit der Fusspunktbeschleunigung u ¨F (t) gegeben ist. Daher ist der Bemessungswert Spa der Beschleunigung bei kleiner Periode T relativ groß. Bei kleiner Steifigkeit sind die Absolutverschiebungen x(t) und die Absolutbeschleunigungen x¨(t) der Masse klein, sodass auch der Bemessungswert der Beschleunigung bei großer Periode T relativ gering ist. In Bild 24-4 ist das Spektrum der Pseudo–Beschleunigung u ¨ber der Periodendauer T der jeweiligen Eigenfrequenz aufgetragen. Dies bedeutet, dass z. B. bei einer Eigenkreisfrequenz von ω0 = 3,14 [rad/s] und entsprechend einer Periodendauer von T = 2 s eine Pseudo–Beschleunigung von Spa ≈ 0,3 g vorliegt, mit der die Masse horizontal beschleunigt wird. Spa [g]

1,0

horizontales Spektrum vertikales Spektrum

0,5

0,0 0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

T [s]

Bild 24-4 Spektrum der Pseudo-Beschleunigung nach Eurocode 8, Teil 1 [58]

228

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

Die Pseudo–Beschleunigung ist f¨ ur jedes Erdbeben unterschiedlich, sodass f¨ ur einen Sicherheitsnachweis eines Tragwerks vereinfachende Annahmen erforderlich sind. Bild 24-5 zeigt ein vereinfachendes Bemessungsspektrum nach DIN 4149 [61]. Hierbei sind die Parameter ag , γ1 , S, η und β0 sowie die diskreten Perioden TA , TB , TC , TD an die jeweils im Einzelfall vorliegenden geologischen Begebenheiten angepasst. Spa(T) ag g1 S h b0

ag g 1 S

TA

TB

TC

TD

T

Bild 24-5 Bemessungsspektrum der Pseudo–Beschleunigung nach DIN 4149 [61] Weil alle spektralen Werte von Sd von der Eigenkreisfrequenz ω0 und vom D¨ ampfungsmaß ϑ abh¨ angen, kann man sie f¨ ur ein spezielles Erdbeben in einem einzigen Diagramm darstellen, siehe Bild 24-6. Spv [mm/s] 100

[g ] pa

1

0

0,

S

]

10

m

[m Sd

10

0,

01

10

0,

00

1

1

1 0,01

0,1

1,0

10,0

T [s]

Bild 24-6 Schematische Aufbereitung eines Antwortspektrums Das Diagramm ist so aufgebaut, dass die Spektralwerte der Verschiebung, der Pseudo–Geschwindigkeit und der Pseudo–Beschleunigung in einem doppelt– logarithmischen Maßstab in Abh¨ angigkeit von der Periodendauer T dargestellt

24.2 Berechnungsverfahren f¨ ur Tragwerke

229

sind. Vertikal ist die Pseudo–Geschwindigkeit angegeben, nach rechts oben die Spektrale Verschiebung und nach links oben die Pseudo–Beschleunigung in Vielfachen der Erdbeschleunigung. Diese Darstellung ist m¨oglich, da sich Sd , Spv und Spa mit dem Faktor ω0 = 2π/T ineinander umrechnen lassen. Tr¨agt man in dieses Diagramm die Antwort des Ein–Masse–Schwingers in Abh¨angigkeit von der gew¨ ahlten D¨ ampfung auf, so erh¨ alt man das Antwortspektrum. Das Diagramm kann man verfeinern, wenn man das elastisch–plastische Werkstoffverhalten als Duktilit¨ atsmaß µ µ=

uel−pl uel

ber¨ ucksichtigt, das die tats¨ achliche elastisch–platische Verschiebung mit der Verschiebung bei elastischem Werkstoffverhalten vergleicht, vergleiche auch Bild 24-8. Stellt man das Schwingungsverhalten des Ein–Masse–Schwingers in Abh¨ angigkeit von der gew¨ ahlten D¨ ampfung und dem Duktilit¨atsmaß µ dar, so erh¨ alt man ein modifiziertes Antwortspektrum, das in Bild 24-7 f¨ ur das El– Centro–Erdbeben angegeben ist. Aus dem Diagramm kann man die Antwort des Ein–Masse–Schwingers auf das gew¨ ahlte Erdbeben ohne weitere Berechnung direkt ablesen, da sowohl die Eigenfrequenz f [Hz] als auch das D¨ampfungsmaß ϑ und das Duktilit¨ atsmaß µ als Parameter verwendet werden.

El Centro Erdbeben Dämpfungsmaß J=2%

Bild 24-7 Antwortspektrum des El–Centro–Erdbebens in Mexiko 1940

230

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

Bei einem Mehr–Massen–Schwinger kann man das Antwortspektrum f¨ ur jede einzelne Eigenfrequenz des Schwingers entsprechend interpretieren, wenn man die Idee der Modal–Analyse mit den bekannten Einschr¨ankungen auf die Erdbebenanregung u agt. ¨bertr¨ Den Einfluss plastifizierenden Materialverhaltens auf die Systemantwort kann mit dem Lastverschiebungsdiagramm nach Bild 24-8 anschaulich erkl¨aren, wenn man die Beschleunigung der Masse als Ersatzkraft interpretiert. Die gestrichelte Kurve gibt die Orte mit gleicher Bewegungsenergie an. Bei hohem Widerstand gegen¨ uber der Ersatzkraft reagiert das Tragwerk bei elastischem Werkstoffverhalten mit kleinen Verschiebungen. Mit sinkendem Widerstand erreichen die Spannungen die Fließspannung des Werkstoffs, sodass ein Teil der Bewegungsenergie mithilfe plastischer Verformungen dissipiert werden kann. Nur die im System gespeicherte elastische Form¨ anderungsenergie steht f¨ ur die nachfolgenden Schwingungen zur Verf¨ ugung. Dies bedeutet, dass die Bemesssungslasten beim Ersatzkraftverfahren kleiner sein k¨ onnen und damit die entsprechenden Werte der Pseudo–Verschiebung bei elastischem Werkstoffverhalten durch µ geteilt werden k¨ onnen. Hierbei ist allerdings nachzuweisen, dass die angesetzte Duktilit¨ at auch vorhanden ist. Widerstand bei Ersatzkraft P

P

elastisches Werkstoffverhalten: hoher Widerstand

u

elastisches-plastisches Werkstoffverhalten: mäßiger Widerstand u pl u el-pl

geringer Widerstand

u pl u el

Verschiebung u

Bild 24-8 Widerstand bei elastisch–plastischem Werkstoffverhalten [1]

24.2 Berechnungsverfahren f¨ ur Tragwerke

231

24.2.2 Das Ersatzkraftverfahren Das Ersatzkraftverfahren vereinfacht das mit einem Erdbeben angeregte Tragwerk – unabh¨ angig von seiner Komplexit¨ at – auf einen Ein–Masse–Schwinger, der mit der ersten Eigenkreisfrequenz schwingt. Die Berechnung der ersten Eigenkreisfrequenz kann n¨ aherungsweise erfolgen, sodass der Bemessungswert der Beschleunigung der Masse mit dem Antwortspektrum gegeben ist. In einem ersten Schritt werden die Einwirkungen aus Erdbeben mit der Pseudo– Beschleunigung und der Gesamtmasse M des Tragwerks in eine Ersatzkraft Fe umgerechnet, mit der das Tragwerk quasi–statisch belastet wird. Es gilt Fe = M · Spa . In einem zweiten Schritt wird die Ersatzkraft entsprechend der ersten Eigenschwingungsform proportional auf das Gesamttragwerk verteilt. Vereinfachend kann auch ein linearer Verlauf der Beschleunigung u ¨ber die Tragwerksh¨ohe angesetzt werden. Mit der so festgelegten Ersatzkraftverteilung erfolgt die Berechnung der Schnittkr¨ afte des Tragwerks wie in der Statik. Bei mehreren Stockwerken kann man Ersatzkr¨ afte f¨ ur jedes Stockwerk berechnen und die anschließende Schnittkraftermittelung ebenfalls wie in der Statik durchf¨ uhren. Die Summe aller Ersatzkr¨ afte betr¨ agt

m1 m2

Fges = M · Spa = Σmi · Spa und verteilt auf die einzelnen Stockwerke mi s i · Fges . Fi = Σmi si Hierbei ist mi die im jeweiligen Stockwerk wirkende Masse und si die im jeweiligen Stockwerk vorhandene Verschiebung entsprechend der angesetzten Verteilung.

m3

si

F1 F2 F3

Bild 24-9 Ersatzkr¨afte bei mehreren Stockwerken

Anwendungsbeispiel Erstes Anwendungsbeispiel ist die Antenne nach Bild 24-10. Die Antenne wird als Ein–Masse–Schwinger interpretiert und die f¨ ur die Bemessung maßgebende Schnittkraft Q mit dem Ersatzkraftverfahren berechnet.

232

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken u (t)

u (t)

x (t)

x (t) m = 5000 kg

Q = k u(t) k = 2000 kN/m

üF (t)

üF (t)

Bild 24-10 Modell eines Ein-Masse-Schwingers L¨ osungsweg zur Berechnung der Querkraft: 1. Die Eigenkreisfrequenz betr¨ agt n¨ aherungsweise r r k 2000 · 1000 rad ω0 = = = 20 [ ]. m 5000 s Damit folgt die Frequenz 20 = 3,18 [Hz] 2π und die Periodendauer T = 0,314 [s]. f0 =

2. Nimmt man nachtr¨ aglich eine Modal–D¨ ampfung von ϑ = 0,02 an, so folgt mit gegebenem Antwortspektrum die Pseudo–Geschwindigkeit und die Pseudo–Beschleunigung cm ] und Spa = ω0 · Spv . Spv = 50 [ s Damit liegt die Ersatzkraft fest kg · m ] = 50 [kN ] . s2 3. F¨ ur den hier nicht interessierenden Zeitverlauf der Querkraft gilt allgemein Fe = m · Spa = 5000 · 20 · 0,50 [

Q(t) = k · u(t) , wenn u(t) bekannt w¨ are. Mit der Ersatzkraft kann man jetzt den Maximalwert der Querkraft mit der Gleichgewichtsbedingung entsprechend Bild 24-10 berechnen. Es gilt Qmax = Fe = 50 [kN ] . Mit dem Maximalwert der Querkraft kann jetzt die Bemessung erfolgen.

24.2 Berechnungsverfahren f¨ ur Tragwerke

233

24.2.3 Das Antwortspektrenverfahren Beim Antwortspektrenverfahren werden keine Ersatzlasten berechnet und als quasi–statische Einwirkung auf das Tragwerk gegeben. Vielmehr wird die mit dem Antwortspektrum bereits bekannte Systemantwort des Ein–Masse–Schwingers auf das Erdbeben direkt verwertet. Dies f¨ uhrt bei einem Ein–Masse–Schwinger zwar auf genau die gleichen Schnittkr¨ afte wie das Ersatzkraftverfahren, l¨ asst aber die Erweiterung auf beliebige Mehr–Massen–Schwinger und damit eine genauere Analyse des Schwingungsverhaltens zu.

Anwendungsbeispiel eines Ein–Masse–Schwingers Erstes Anwendungsbeispiel ist die Antenne nach Abschnitt 24.2.2 und Bild 24-10. Die Bewegungsgleichung des unged¨ ampften Systems ist gegeben m¨ x + ku = 0. Mit x(t) = uF (t) + u(t) folgt m¨ u + ku = −m¨ uF . Die Antwort des Tragwerks ist mit dem Antwortspektrum gegeben. 1. Die Eigenkreisfrequenz des Tragwerks folgt mit dem Ansatz u(t) = u ˆ · eλ t aus der charakterischen Gleichung – die Einheiten sind kg, m, s, N – r r rad k 2000 · 1000 = = 20 [ ]. ω0 = m 5000 s Damit folgt die Periodendauer T = 0,314 [s]. 2. Nimmt man nachtr¨ aglich eine schwache D¨ ampfung mit ϑ = 0,02 an, folgen aus einem Antwortspektrum die spektrale Verschiebung, die Pseudo–Geschwindigkeit und die Pseudo–Beschleunigung 1 cm Sd = · Spv , Spv = 50 [ ] und Spa = ω0 · Spv . ω0 s 3. Wenn die Spektrale Verschiebung Sd bekannt ist, kann man die Querkraft mit der Werkstoffgleichung berechnen. Allgemein gilt Q(t) = k · u(t) und f¨ ur den Maximalwert 1 kg · m · 0,50 [ 2 ] = 50 [kN ] . 20 s Mit dem Maximalwert der Querkraft kann jetzt die Bemessung erfolgen. Qmax = k · Sd = 2000 ·

234

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

24.3 Das Antwortspektrenverfahren bei Mehrmassenschwinger Die Bewegungsgleichung f¨ ur einen Mehr–Massen–Schwinger ist in Matrizenschreibweise gegeben ¨F M¨ v + Dv˙ + Kv = −M u Hierbei kann man die Fußpunktanregung als ¨F = i u u ¨F schreiben, wenn i ein Vektor ist, der bei allen Verschiebungsfreiheitsgraden mit 1 belegt ist. Die L¨ osung der Bewegungsgleichung kann mit der Modal–Analyse erfolgen, wobei hier vorzugsweise die Eigenschwingungsformen des unged¨anpften Systems verwendet werden.

24.3.1 Die Modal–Analyse Der Ansatz v(t) =

X

φj · qj (t)

liefert bei Rayleigh–D¨ ampfung oder Modal–D¨ ampfung die Bewegungsgleichungen der entkoppelten Ein–Masse–Schwinger mjj q¨j + djj q˙j + kjj qj = −mjF u ¨F . Die beiden Indizes deuten an, dass die Bewegungsgleichung von rechts und links mit dem jeweiligen Eigenvektor multipliziert wird. Die rechte Seite folgt mit den Partizipationsfaktoren mjF u ¨F = φTj M i u ¨F . Die Normierung gibt q¨j +

kjj mjF djj q˙j + qj = − u ¨F mjj mjj mjj

oder mit den Modal–Koeffizienten 2 q¨j + 2δj q˙j + ω0j qj = −m ¯ jF u ¨F .

Diese Bewegungsgleichung kann mit dem Antwortspektrum direkt f¨ ur jede Frequenz gel¨ ost werden, sodass man lediglich die Spektralwerte Sdj , Spvj

und

Spaj

24.3 Das Antwortspektrenverfahren bei Mehrmassenschwinger

235

aus dem Diagramm f¨ ur eine gegebene D¨ ampfung ablesen muss. Damit gilt qj,max = + m ¯ jF Sdj (Tj ) . Mit den Maximalwerten der generalisierten Koordinaten folgt die R¨ ucktransformation auf den jeweiligen Verschiebungsvektor vj [vj ]max = φj · m ¯ jF Sdj (Tj ) , mit dem der Vektor der zugeh¨ origen Schnittgr¨ oßen bei der Finite–Element– Methode elementweise berechnet werden kann [σ j ]max = Ke · [vj ]max = Ke · φj · m ¯ jF Sdj (Tj ).

¨ 24.3.2 Die Uberlagerung der Eigenformen ¨ Die Uberlagerung der verschiedenen Eigenformen erfolgt bei der Modal–Analyse im Zeitbereich, um die Maximalwerte der Gesamtbewegung bestimmen zu k¨ onnen. Da dies im vorligenden Fall viel zu aufw¨andig ist, kann man verschiedene N¨ aherungsverfahren f¨ ur die Absch¨ atzung der Maximalwerte einsetzen. Stark vereinfachend ist die Bildung des geometrischen Mittels f¨ ur die Verschiebungen und die Schnittkr¨ afte. Hiermit folgt f¨ ur die Weggr¨oßen des Vektors v, wobei k die Weggr¨ oße kennnzeichnet und j die beteiligten Eigenvektoren, sX [vkj ]2max [vk ]max = j

und f¨ ur die Schnittgr¨ oßen entsprechend sX [σk ]max = [σkj ]2max . j

Wichtig ist, dass die Schnittgr¨ oßen als geometrisches Mittel mit den Schnittgr¨ oßen der jeweiligen Eigenschwingungsformen berechnet werden und nicht mit den Maximalverschiebungen [vk ]max . Dieses Vorgehen liegt stark auf der sicheren Seite. ¨ Eine andere Uberlagerung ist aus der Literatur bekannt. Ber¨ ucksichtigt man, dass die Maximalwerte unterschiedlicher Eigenschwingungsformen nicht zur gleichen Zeit auftreten, kann man entsprechende Kopplungsfaktoren zwischen

236

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

den Eigenschwingungsformen zur Modifikation der Bemessungswerte verwenden. Wilson et al. [54] schlagen vor: sX X [vkj ]max [vki ]max · ρij , [vk ]max = j

i

wobei k der Index f¨ ur das jeweilige Vektorelement ist, die Indizes i, j die Eigenschwingungsformen kennzeichnen und ρij die Kopplungsfaktoren f¨ ur die beteiligten Eigenschwingungsformen sind. F¨ ur eine konstante Modal–D¨ampfung mit konstantem Lehr’schen D¨ ampfungsmaß ϑ gilt 8 ϑ2 (1 + r)r1,5 , (1 − r2 )2 + 4 ϑ2 r(1 + r)2 ω0j ≤ 1,0 . r= ω0i Bei der Berechnung von ρij m¨ ussen die Frequenzen so sortiert werden, dass die Bedingung r ≤ 1,0 erf¨ ullt ist. Auch wenn der Faktor ρij zun¨achst sehr komplex erscheint, sollte man ber¨ ucksichtigen, dass die Auswertung mit einem Berechnungsprogramm erfolgen muss und der Rechenaufwand zugunsten eines genaueren Ergebnisses in den Hintergrund tritt. ρij =

24.4 Sicherheitskonzepte Erdbebeneinwirkungen auf Bauwerke sind deterministisch nur schwer zu beziffern, da Erdbeben in unterschiedlicher Gr¨ oße, unterschiedlichem Verlauf und Spektrum sowie in unterschiedlicher H¨ aufigkeit auftreten, und die Einwirkungen bei sonst gleichem Erdbeben erheblich von den Baugrundeigenschaften abh¨ angen. Ein Sicherheitskonzept muss dar¨ uber hinaus auch wirtschaftliche Aspekte ber¨ ucksichtigen, da die Beseitigung eines Schadens wirtschaftlicher sein kann als alle Geb¨ aude so zu verst¨ arken, dass nur geringe Bauwerkssch¨aden entstehen. Dies bedeutet, • dass bei schweren Beben die Zerst¨ orung eines Bauwerks vermieden werden muss, jedoch kleinere Sch¨ aden zul¨ assig sind. Dies ist im Sinne des Traglastverfahren mit Ber¨ ucksichtigung der Duktilit¨at des Bauwerks m¨oglich. • Bei kleineren h¨ aufiger auftretenden Beben ist dagegen die Gebrauchstauglichkeit sicher zu stellen, sodass die Elastizit¨atstheorie Grundlage der Berechnung ist und die u ¨blichen Spannungsnachweise angewendet werden sollten. Bei den Sicherheitsnachweisen sind Erdbebeneinwirkungen als Katastrophenfall mit entsprechenden Sicherheitsbeiwerten anzusetzen und den Lasten aus Eigengewicht und Verkehr zu u ¨berlagern.

24.4 Sicherheitskonzepte

237

24.4.1 Konstruktionshinweise Wenn die Erdbebeneinwirkungen bemessungsentscheidend sind, sind Tragwerke in der Regel nur mit Ber¨ ucksichtigung plastischer Systemtragreserven als standsicher nachweisbar. Erst wenn die Bewegungsenergie infolge von Plastifizierungen dissipiert werden kann, kommt das Tragwerk zur Ruhe. Damit sind bei der Bemessung ¨ ahnliche Fragestellungen zu beachten wie beim Traglastverfahren. Infolge der im gesamten Tragwerk gleichzeitig wirkenden Massenbeschleunigung und der die Standsicherheit besonders gef¨ahrdenden horizontalen Beschleunigung sind nicht alle Konstruktionen gleich gut geeignet. Beim Entwurf des Tragwerks sollte man daher Schwachstellen dort einbauen, wo sich bei horizontaler Beschleunigung plastische Gelenke bilden sollen, sodass sich die im Einzelfall g¨ unstigste kinematische Kette f¨ ur das Versagen einstellt und bei m¨ oglichst kleinen Verformungen m¨ oglichst viel Bewegungsenergie dissipiert wird. Die u ¨brigen Tragwerksteile sollten im Gegenzug so verst¨arkt werden, dass sie sich elastisch verformen k¨ onnen. In Bild 24-11 rechts ist ein Tragwerk mit weicher Lagerung dargestellt, was bei horizontaler Beschleunigung ein besonders ung¨ unstiges Verhalten aufweist. Die relativ großen obenliegenden Massen wirken bei horizontaler Beschleunigung des Erdbodens als eine Scheibe, sodass sich nur in den untenliegenden St¨ utzen plastische Gelenke ausbilden. Wenn die Verformungen – auch aus Gr¨ unden der Theorie II. Ordnung klein bleiben sollen – kann hier nur relativ wenig Energie dissipiert werden. Besser geeignet ist eine steife Lagerung entsprechend Bild 24-11 links, wo sich die plastischen Gelenke in den Schwachstellen der Deckenanschl¨ usse einstellen und aufgrund der großen Zahl von plastischen Gelenken auch bei kleinen Verformungen viel Energie dissipiert werden kann.

Bild 24-11 Fließgelenke in den Geschossdecken (links) und in den St¨ utzen (rechts)

238

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

Grunds¨ atzlich sind nachfolgende Konstruktionshinweise zu beachten. • Eine Beschr¨ ankung der Bauwerksl¨ angen ist sinnvoll, da so gegenl¨aufige Bodenbewegungen im Bauwerksbereich vermeidbar sind. Bei l¨angeren Bauwerken sollte das Bauwerk mit Dehnungsfugen in entsprechend kurze Abschnitte unterteilt werden. • Eine Beschr¨ ankung der Bauwerksh¨ ohen ist sinnvoll, da so große Kippmomente vermeidbar sind. • Versetzte Ebenen sollten vermieden werden, damit die Massenbeschleunigung von Geschossdecken nicht mittig auf vertikale Bauwerksteile treffen oder lokale Torsionswirkungen entfalten. • Einfache Gestaltung von Bauwerksgrundrissen, die u ¨bersichtlicher sind und daher eine gezielte Ausf¨ uhrung von Details und plastischen Gelenken erm¨ oglichen. • Bauwerksgrundrisse sollten m¨ oglichst symmetrisch sein, damit ung¨ unstig wirkende Schubkr¨ afte aus Torsion vermieden werden.

Bild 24-12 symmetrische und unsymmetrische Grundrisse Neben der rein konstruktiven Gestaltung ist die Anordnung von steifen und nachgiebigen Tragwerksteilen wesentlich f¨ ur die Aufnahme der Bewegungsenergie aus Erdbeben, was sich mit der Vergr¨ oßerungsfunktion anschaulich erkl¨aren l¨ asst. • Nachgiebige Bauteile besitzen kleine Eigenfrequenzen und reagieren daher besonders stark auf langwellige Erdbebeneinwirkungen. Sie sind daher f¨ ur k¨ urze hochfrequente Beben besser geeignet. • Steife Bauteile reagieren aufgrund hoher Eigenfrequenzen auf langwellige Beben quasi–statisch und k¨ onnen entsprechend vereinfachend bemessen werden. F¨ ur kurze Beben sind sie weniger geeignet, wenn hierbei die hohen Eigenfrequenzen angeregt werden und aufgrund der Resonanz¨ uberh¨ ohung viel Bewegungsenergie in das Tragwerk u ¨bertragen wird. Aufgrund der Zuf¨ alligkeit der Erdbebeneinwirkung ist eine generelle Aussage zu besonders vorteilhaft oder ung¨ unstig wirkenden Steifigkeiten nicht m¨oglich. Letztendlich bleibt die Aufgabe, die Bewegungsenergie aus Erdbebeneinwirkung m¨ oglichst klein zu halten.

24.4 Sicherheitskonzepte

239

24.4.2 Schwingungstilgung In Erdbebengebieten mit Starkbeben der Gr¨ oße M > 7 auf der Richter–Skala ist es nur mit großem Aufwand m¨ oglich, entsprechend widerstandsf¨ahige Bauwerke zu errichten, die mit den u ¨blichen Sicherheitskonzepten stand– bzw. gebrauchssicher sind. Insbesondere wenn in Ballungsgebieten aufgrund von Platzmangel hohe Geb¨ aude errichtet werden, kann man beim Entwurf des Bauwerks statisch nicht erforderliche Schwingungstilger anordnen. Schwingungstilger haben die Aufgabe die Verformungen und die Bewegungsenergie des Bauwerks klein zu halten. Bei Anordnung von Schwingungstilgern bleiben die Steifigkeiten des Tragwerks unver¨ andert. Schwingungstilger sind daher statisch unwirksam und ver¨andern ausschließlich die Schwingungseigenschaften des Bauwerks, indem sie die im Bauwerk vorhandene Bewegungsenergie teilweise dissipieren. Hierbei werden im Wesentlichen zwei Konzepte verfolgt. • Passive Schwingungstilger werden bei der Errichtung des Bauwerks eingebaut und wirken w¨ ahrend der Nutzungsdauer unver¨andert. Dies k¨onnen zus¨ atzliche Massen sein, die das Frequenzspektrum des Bauwerks ver¨andern und entsprechend angeordnet als Schwingungsknoten wirken k¨onnen. Zus¨ atzlich zu den bereits bei der Bemessung ber¨ ucksichtigten plastischen Gelenken k¨ onnen viskose D¨ ampferelemente angeordnet werden, die dissipativ wirken und die Bewegungsenergie des Bauwerks verringern. • Aktive Schwingungstilger sind zus¨ atzliche Massen, die w¨ahrend eines Erdbebens mit Aktuatoren so bewegt werden, dass sie der Bewegung des Tragwerks entgegenwirken und so m¨ oglichst viel Bewegungsenergie dissipieren. Dies erfordert empfindliche Sensoren zur Messung der Beschleunigungen aus Erdbeben, entsprechend starke Aktuatoren zur Bewegung der zus¨ atzlichen Massen und ein komplexes Steuerungsystem, damit der zeitliche Verlauf der Massenbewegung den Beschleunigungen aus Erdbeben m¨ oglichst gut angepasst ist. Von Vorteil ist, dass im Vergleich zu passiven Elementen erheblich kleinere Massen erforderlich sind. Wirkungsweise eines passiven Schwingungstilgers Mit einem passiven Schwingungstilger kann man bei Systemen mit mehreren Schwingungsformen grunds¨ atzlich nur eine Schwingungsform d¨ampfen, da die Eigenschaften des Tilgers an die entsprechende Frequenz angepasst werden m¨ ussen. Die Wirkungsweise des Tilgers kann man daher bereits an einem Ein– Masse–Schwinger verdeutlichen. Bild 24-13 zeigt einen Ein–Masse–Schwinger mit Masse m, D¨ ampfung d, Steifigkeit k und Eigenkreisfrequenz ω02 = k/m

240

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

sowie die Vergr¨ oßerungsfunktion f¨ ur eine periodische Anregung mit der Frequenz Ω und der dimensionslosen Koordinate η = Ω/ω0 . Bereits der planm¨aßige D¨ ampfer mit dem D¨ anpfungsgrad ϑ = δ/ω0 sorgt daf¨ ur, dass die Schwingungsamplituden gegen¨ uber dem unged¨ ampften System reduziert werden. V(η) 2

k m

0,0

P d

1

0,5

x 0

0,25

ϑ ansteigend η

0

0,5

1

1,5

Bild 24-13 Ein–Masse–Schwinger mit η = Ω/ω0 Eine zus¨ atzlich angebrachte Tilgermasse mT sorgt daf¨ ur, dass die Vergr¨oßerungsfunktion verschoben wird, da die Eigenkreisfrequenz des Systems ω02 = k/(m + mT ) kleiner wird, siehe Bild 24-14. Hiermit erreicht man, dass die Amplituden bei großer Erregerfrequenz und vor allem im Resonanzbereich des urspr¨ unglichen Systems reduziert werden. Charakterisch f¨ ur die Verschiebung der Vergr¨ oßerungsfunktion ist das Massenverh¨ altnis µT = mT /m, das im Bild exemplarisch mit µT = 0,2 angesetzt ist. V(η) µT = 0,0 µT = 0,2

2

k

m +mT P

d

x

1

ϑ = 0,25 η

0

0

0,5

1

1,5

Bild 24-14 Ein–Masse–Schwinger mit Zusatzmasse und η = Ω/

p k/m

Koppelt man die Masse des Schwingungstilgers mit einem Feder–D¨ampfer– System an das urspr¨ ungliche System, wird aus dem Ein–Masse–Schwinger ein Zwei–Masse–Schwinger, der so abgestimmt werden kann, dass die Amplituden des urspr¨ unglichen Systems bestm¨ oglich reduziert werden. Bild 24-15 links zeigt das System. Im rechten Bild ist der D¨ ampfungsgrad ϑ des urspr¨ unglichen Systems mit d = 0 als Grenzfall zu null gesetzt, sodass die Vergr¨oßerungsfunktion eine Polstelle aufweist. Mit einem Schwingungstilger kann man die Polstelle V (η) → ∞ f¨ ur η = 1 vermeiden und die Amplituden auf die Maxima links und rechts von der Polstelle reduzieren. Ursache hierf¨ ur ist, dass die durch P (t) ein-

24.4 Sicherheitskonzepte

241

gepr¨ agte Arbeit von beiden Teilsystemen aufgenommen und teilweise dissipiert wird und dadurch die Schwingungsamplitude von x(t) verringert wird. V(η)

k

d

P m

kT

x

dT

10

mT

µT = 0,01

5

xT 0

η 0

0,5

1

1,5

Bild 24-15 Ein–Masse–Schwinger mit Schwingungstilger f¨ ur den Fall d = 0 Das System ist optimal abgestimmt, wenn die beiden Maxima gleiche Werte besitzen. Die optimalen Tilgereigenschaften f¨ ur das unged¨ampfte System gibt Den Hartog [17] mit der Eigenkreisfrequenz und dem Lehr’schen D¨ampfungsmaß des Tilgers mit s 3 µT ω0, S ystem , ϑT = . ω0, T = 1 + µT 8 (1 + µT )3 an. Hierbei p ist ω0, S ystem die Eigenkreisfrequenz des Systems ohne Tilger und ω0, T = kT /mT die Eigenkreisfrequenz des Tilgers bei fester Lagerung.

Der Entwurf eines Schwingungstilgers erfolgt in der Regel in einem ersten Schritt mit einem Ein–Masse–Schwinger und einem Tilger nach Den Hartog, der auch f¨ ur leicht ged¨ ampfte Systeme verwendet werden kann. Die Feinabstimmung muss am realen Tragwerk geschehen, da die Wirksamkeit des Tilgers von den tats¨ achlichen Tragwerkseigenschaften und den Umweltbedingungen abh¨ angt. Beim Entwurf des Tilgers ist folgendes zu beachten: • Die Eigenkreisfrequenzen des Tragwerks und des Tilgers sollten u ¨bereinstimmen ωT ≈ ω, damit der Tilger die Resonanzstelle des Systems ansprechen kann. • Die Tilgermasse sollte im Bereich µT ≤ 0,05 liegen. • Die Tilgerd¨ ampfung sollte nicht zu groß sein, damit der Tilger nicht blockiert. Pendel als Schwingungstilger Anstelle eines fest mit Feder und D¨ ampfer installierten Schwingungstilgers kann man auch eine an einem Pendel befestigte Masse zur Schwingungstilgung einsetzen. Dies kann bei hohen Geb¨ auden und T¨ urmen sinnvoll sein. Ein Beispiel

242

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

hierf¨ ur ist das Geb¨ aude Taipeh 101, das mit einem Pendel als Schwingungstilger ausgestattet ist, um die Verformungen infolge Wind– und Erdbebenanregung zu reduzieren. Vereinfachend soll hier das in Bild 24-16 dargestellte System eines Turmes untersucht werden, das am Lager in x–Richtung mit u(t) angeregt wird, vergleiche hierzu das Beispiel in Abschnitt 4.2.2. Der Turm der H¨ohe l1 ist kontinuierlich mit der Masse ρA [kg/m] belegt. Am oberen Ende ist ein masseloses Pendel der L¨ ange l2 mit der Masse m2 gelenkig befestigt. Zus¨atzlich ist ein D¨ampfer d2 zwischen der Stelle l1 − l2 des Turmes und der Masse m2 angebracht. .. ρAl 1 y1

g ρAl 1

y1(t)

ϑ1 y2(t)

u(t)

d2

m2

k1,d1 x2(t)

.. ρAl 1 x1

l2

ϑ1

ϑ2 G2

Fx

Fd2

F2 Fd2

Mk1,Md1

.. m2 x2

.. m2 y2

ϑ2

Fy

F2

G2

x1(t)

Bild 24-16 Ein–Masse–Schwinger mit Pendel Die Elastizit¨ at und die D¨ ampfungseigenschaften des Turmes werden mit der Ersatzdrehfeder k1 und dem Ersatzd¨ ampfer d1 vereinfachend beschrieben, sodass der Turm im weiteren als starr angesetzt ist. Die Koordinaten xi , yi sind mit nachfolgenden geometrischen Zwangsbedingungen von den unabh¨ angigen Freiheitsgraden ϑ1 , ϑ2 abh¨angig, f¨ ur die die Bewegungsgleichungen aufgestellt werden. x1 = u(t) + l1 sin ϑ1 , y1 = l1 cos ϑ1 , ϑ 1 - ϑ2

x2 = u(t) + l1 sin ϑ1 − l2 sin ϑ2 , y2 = l1 cos ϑ1 − l2 cos ϑ2 ,

ϑ2

(ϑ1- ϑ2)/2

∆ϑ = ϑ1 − ϑ2 Die Entwicklung der Bewegungsgleichung f¨ ur die Drehung ϑ1 erfolgt mit dem D’Alembert’schen Prinzip als Momentengleichgewicht um das Lager. Zus¨atzlich zum Beispiel in Abschnitt 4.2.2 werden die Schnittkraft F2 mit dem Hebelarm l1 sin ∆ϑ und die D¨ ampferkraft Fd2 mit dem Hebelarm (l1 − l2 ) cos ∆ϑ/2 ber¨ ucksichtigt und die Momente infolge der verteilten Masse des Turmes neu

24.4 Sicherheitskonzepte

243

bestimmt. Damit folgt 1 1 1 ρAl13 ϑ¨1 + d1 ϑ˙ 1 + k1 ϑ1 − ρAgl12 sin ϑ1 + ρAl12 u¨ cos ϑ1 3 2 2 = F2 l1 sin ∆ϑ + Fd2 (l1 − l2 ) cos ∆ϑ/2 und mit Linearisierung der Terme auf der linken Seite 1 1 1 ρAl13 ϑ¨1 + d1 ϑ˙ 1 + (k1 − ρAgl12 ) ϑ1 + ρAl12 u ¨ 3 2 2 = F2 l1 sin ∆ϑ + Fd2 (l1 − l2 ) cos ∆ϑ/2 . Die D¨ ampferkraft Fd2 wird mit der Differenzgeschwindigkeit der Haltepunkte des D¨ ampfers eingepr¨ agt Fd2 = d2 ( ϑ˙ 1 − ϑ˙ 2 ) l2 cos ∆ϑ/2 . Damit ist auch das Moment infolge D¨ ampferkraft gegeben Fd2 (l1 − l2 ) cos ∆ϑ/2 = d2 ( ϑ˙ 1 − ϑ˙ 2 ) l2 (l1 − l2 ) cos2 ∆ϑ/2 und linearisiert um die Ruhelage ϑ1 = 0, ϑ2 = 0 Fd2 (l1 − l2 ) cos ∆ϑ/2 = d2 ( ϑ˙ 1 − ϑ˙ 2 ) l2 (l1 − l2 ) . Die Schnittkraft F2 in L¨ angsrichtung des Pendels l2 ist gegeben mit F2 = m2 x¨2 sin ϑ2 + m2 y¨2 cos ϑ2 + G2 cos ϑ2 − Fd2 sin ∆ϑ/2 = m2 [¨ u sin ϑ2 + l1 ϑ¨1 sin ∆ϑ − l1 (ϑ˙ 1 )2 cos ∆ϑ + l2 (ϑ˙ 2 )2 ] + G2 cos ϑ2 − Fd2 sin ∆ϑ/2. Die in ϑ˙ i quadratischen Terme beschreiben die infolge der Drehbewegungen radial wirkenden Tr¨ agheitskr¨ afte. Die Linearisierung des Momentes infolge F2 um die Ruhelage ϑ1 = 0, ϑ2 = 0 gibt F2 l1 sin ∆ϑ = G2 l1 ( ϑ1 − ϑ2 ) . Damit folgt die Bewegungsgleichung f¨ ur ϑ1 zu 1 1 1 ρAl13 ϑ¨1 + d1 ϑ˙ 1 + (k1 − ρAgl12 ) ϑ1 + ρAl12 u ¨ 3 2 2 = G2 l1 ( ϑ1 − ϑ2 ) + d2 ( ϑ˙ 1 − ϑ˙ 2 ) l2 (l1 − l2 ) .

244

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

Analog hierzu kann die Bewegungsgleichung f¨ ur die Drehung ϑ2 mit dem Prinzip von D’Alembert als Kr¨ aftegleichgewicht entwickelt werden. In tangentialer Richtung an die Drehung ϑ2 folgt m2 x¨2 cos ϑ2 − m2 y¨2 sin ϑ2 = G2 sin ϑ2 − Fd2 cos ∆ϑ/2 und linearisiert ¨ = G2 ϑ2 − d2 l2 ( ϑ˙ 1 − ϑ˙ 2 ) . m2 (l1 ϑ¨1 − l2 ϑ¨2 ) + m2 u Damit k¨ onnen die Bewegungsgleichungen f¨ ur die Drehungen ϑ1 , ϑ2 in Matrizenschreibweise zusammengefasst werden. Zun¨ achst gilt #" #¨ " #" #˙ " 1 3 ϑ1 d1 − d2 ( l1 −l2 ) l2 d2 ( l1 −l2 ) l2 ϑ1 3 ρAl1 + −m2 l1 m2 l2 ϑ2 −d2 l2 d2 l2 ϑ2 +

"

k1 −

1 2

ρAgl12 − G2 l1 G2 l1 G2

und symmetrisiert " 1 ( 3 ρAl1 + m2 ) l12 −m2 l1 l2

+

"

#"

−m2 l1 l2 m2 l22

ϑ1 ϑ2

#"

k1 − ( 21 ρAl1 +m2 ) gl1 m2 gl2

#

ϑ1 ϑ2 #"

=



"

+

ϑ1 ϑ2

#

¨ − 21 ρAl12 u m2 u¨

"

#

#"

ϑ1

¨ −( 12 ρAl1 +m2 ) l1 u

#

d1 + d2 l22

=

−d2 l22 "

−d2 l22 d2 l22

m2 l 2 u ¨

ϑ2

#˙ .

Die symmetrische Form der Koeffizientenmatrizen erh¨alt man direkt mit den Lagrange’schen Gleichungen 2. Art oder mit dem PvV. Zu beachten ist, dass in der Steifigkeitsmatrix die Drehsteifigkeit k1 des Turmes um die Steifigkeit aus Turm– und Tilgergewicht vermindert wird. Diese negativen Steifigkeiten entsprechen der Wirkung der L¨ angskraft auf die Steifigkeit eines Knickstabes. Dieser Anteil ist hier klein, sodass der Stabilit¨ atsfall nicht eintreten kann. Die Wirkung des Schwingungstilgers ist in Bild 24-17 mit der Vergr¨oßerungsfunktion V1 (η) f¨ ur die Verdrehung des Turmes verdeutlicht. Die Schwingungseigenschaften des Systems werden f¨ ur die Berechnung wie folgt gew¨ahlt: ω02 = k1 /(ρA l13 /3) = 11,25 ,

δ1 = 0,02 ω0 ,

l2 /l1 = 0,05 .

Analog zu dem Feder–Masse–Tilger nach Bild 24-15 bewirkt die D¨ampfung d2 eine Reduktion der Schwingungsamplitude des Turmes. Allerdings ist das

24.4 Sicherheitskonzepte

245

¨ System sehr empfindlich gegen kleine Anderungen des D¨ampfungsmaßes. Ist der D¨ ampfer zu stark, entspricht dies einer starken Ankopplung der Masse m2 an den Turm, sodass ϑ2 ≈ ϑ1 die Folge ist und der Schwingungstilger nur geringe Wirkung zeigt. Wird der D¨ ampfer null gesetzt, erf¨ahrt der Turm aufgrund der Masse m2 eine zweite Resonanzstelle bei η ≈ 0,4. V1 (η)

m2 = 0,01 · ρAl1 20

d2 = 0 d2 = 10−6 · d1 d2 = 10−4 · d1

10

η 0

0

0,5

1

1,5

Bild 24-17 Response–Kurve der Verdrehung ϑ1 bei Variation der D¨ampfung d2 Außerdem ist die Bewegung der Tilgermasse m2 von Bedeutung, da das Pendel im Inneren des Turmes aufgeh¨ angt ist und einen entsprechenden Bewegungsraum ben¨ otigt. Bild 24-18 zeigt die Vergr¨ oßerungsfunktion der Drehung ϑ2 bei Variation der D¨ ampfung d2 . Ist der D¨ ampfer d2 zu klein gew¨ahlt, sind die Amplituden der Pendeldrehung ϑ2 sehr groß, da das Pendel nahezu frei schwingen kann. Eine Reduktion der Amplituden ist mit einer st¨arkeren D¨ampfung oder mit einer Vergr¨ oßerung der Pendell¨ ange l2 m¨ oglich, die aber wiederum eine Anpassung der anderen Parameter erfordert. V2 (η)

m2 = 0,01 · ρAl1 20

d2 = 0 d2 = 10−6 · d1 d2 = 10−4 · d1

10

η 0

0

0,5

1

1,5

Bild 24-18 Response–Kurven f¨ ur die Verdrehung ϑ2 des Pendels

246

24 Erdbebenanalyse von Tragwerken

Bei moderater D¨ ampfung d2 = 0,0001 d1 kann die Vergr¨oßerung der Tilgermasse m2 eine weitere Reduktion der Amplituden bewirken. Bild 24-19 zeigt den Einfluss der Tilgermasse, die hier zu µT = 0,01, µT = 0,02 und µT = 0,03 gesetzt ist, auf die Amplituden der Turmdrehung. Eine weitere Vergr¨oßerung der Tilgermasse hat nur geringen Einfluss auf die Turmdrehung, da hierbei der D¨ ampfungskoeffizient der Drehbewegung ϑ2 kleiner wird, die Tilgermasse nahezu frei schwingen kann und so die Drehbewegung ϑ1 anregt. V1 (η) 20

m2 = 0,01 · ρAl1 m2 = 0,02 · ρAl1 m2 = 0,03 · ρAl1 ohne Tilger

10

d2 = 10−4 · d1

η 0

0

0,5

1

1,5

Bild 24-19 Response–Kurve der Verdrehung ϑ1 bei Variation der Tilgermasse m2 Wirkungsweise eines aktiven Schwingungstilgers Die Wirkungsweise eines aktiven Schwingungstilgers wird an einem vereinfachenden Beispiel erkl¨ art. Gegeben ist das in Bild 24-20 bzw. Abschnitt 4.2.2 dargestellte System, das am Lager in x–Richtung mit u(t) angeregt wird. m ϑ

y(t) u(t)

G

∆u(t), Fu mT GT

kϑ x(t)

Bild 24-20 Ein–Masse–Schwinger mit aktiv bewegter Tilgermasse Mit den geometrischen Zwangsbedingungen x = u(t) + l sin ϑ y = l cos ϑ

24.4 Sicherheitskonzepte

247

folgt die Bewegungsgleichung f¨ ur die Drehung ϑ nach Abschnitt 4.2.2 ml2 ϑ¨ − Gl sin ϑ + kϑ ϑ = −ml¨ u cos ϑ. F¨ ugt man eine Tilgermasse mT auf die bereits vorhandene Masse m und bewegt die Masse mT in tangentialer Richtung entsprechend Bild 24-20 mit der Kraft Fu um ∆u(t), so muss die Bewegungsgleichung erweitert werden. Das Prinzip von D’Alembert liefert jetzt die Bewegungsgleichung f¨ ur die Masse m, die um das Moment infolge Fu erg¨ anzt ist, ml2 ϑ¨ − Gl sin ϑ + kϑ ϑ = −ml¨ u cos ϑ + Fu l und f¨ ur die Tilgermasse mT mT ∆¨ u + mT lϑ¨ − GT l sin ϑ − GT ∆u cos ϑ + mT u¨l cos ϑ = −Fu l . Elimination von Fu liefert die Bewegungsgleichung f¨ ur die Masse m in Abh¨angigkeit von der Bewegung ∆u (m + mT ) l2 ϑ¨ − (G + GT ) l sin ϑ − GT ∆u cos ϑ + kϑ ϑ = − (m + mT ) l¨ u cos ϑ − mT ∆¨ ul. Eine Linearisierung der Bewegungsgleichung entsprechend Abschnitt 5.1 ist f¨ ur kleine Drehungen mit ϑ ← ϑ0 + ε ϑ und ϑ0 = 0 m¨oglich u − mT ∆¨ u l + GT ∆u . (m + mT ) l2 ϑ¨ + [ kϑ − (G + GT ) l ]ϑ = − (m + mT ) l¨

F¨ ur die Schwingungstilgung ist entscheidend, dass die Bewegung der Tilgermasse so abl¨ auft, dass die Einwirkung aus u(t) bzw. u ¨(t) kompensiert werden kann. Dies ist der Fall, wenn die rechte Seite der Bewegungsgleichung verschwindet mT l∆¨ u − GT ∆u = − (m + mT ) l¨ u. Mit GT = mT g kann man die Bedingung umformen 1 g )u ¨ ∆¨ u − ∆u = − ( 1 + l µT und die optimale Anregung berechnen, wenn u ¨(t) bekannt ist. Aufgrund der rechten Seite wird deutlich, dass f¨ ur kleine bezogene Tilgermassen µT große Stellwege u(t) bzw. Beschleunigungen ∆¨ u(t) im Vergleich zur Anregung u ¨(t) und damit große Stellkr¨ afte Fu erforderlich sind. In der Realit¨ at ist die Fremderregung u ¨(t) oft unbekannt, sodass die Bewegung der Tilgermasse nicht vorweg berechnet werden kann. Allerdings kann man die tats¨ achlich vorhandenen Beschleunigungen mit Beschleunigungsaufnehmern messen und mithilfe eines Regelkreises nahezu in Echtzeit in die erforderliche Bewegung der Tilgermasse umrechnen, sodass die aktive Schwingungstilgung m¨ oglich ist.

25 Analyse von Seilnetzen und Membranen

Moderne Stadion¨ uberdachungen, Hallend¨ acher, aufgeh¨angte Fassaden, Abspannungen von Masten und andere Bauteile verwenden Seile und Membranen als tragende Elemente. Im Unterschied zu den bisher untersuchten Tragwerken k¨ onnen Seile und Membranen nur Zugspannungen aufnehmen und sind daher nur tragf¨ ahig, wenn sich unter Last und bei der Bewegung ein Zugspannungszustand einstellt. Dies erreicht man in der Regel durch einen geeigneten Vorspannungszustand, der als statischer Grundzustand gedeutet werden kann und alle Druckspannungen aus Last und Bewegung kompensiert. Die Berechnung des Vorspannungszustandes erfordert in der Regel eine geometrisch nichtlineare Tragwerksanalyse, die hier nicht dargestellt werden soll. Allerdings erfordert auch die Herleitung der Bewegungsgleichungen eine geometrisch nichtlineare Betrachtung, da Lasten senkrecht zum Seil oder zur Membran nur getragen werden k¨ onnen, wenn das Seil oder die Membran endliche Auslenkungen erfahren. Trotz der zun¨ achst nichtlinearen Betrachtung kann man die Schwingungen um den Vorspannungszustand linearisieren, sodass die bisher entwickelten L¨ osungsans¨ atze auch hier eingesetzt werden k¨onnen.

25.1 Einzelseile Seile besitzen keine Biegesteifigkeit, k¨ onnen aber quer zur Seilachse wirkende Lasten mit Hilfe von Umlenkkr¨ aften aus L¨ angskraft und Neigung der Seilachse abtragen. Dies ist m¨ oglich, wenn die Verformungen aus Last entsprechend der Theorie II. Ordnung in den Gleichgewichtsbedingungen ber¨ ucksichtigt werden, siehe Bild 25-1 q

S

V H

j

H dx

V + dV

für SV = 0

Bild 25-1 Gleichgewicht am differentiellen Seilelement

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_25

25.1 Einzelseile

249

25.1.1 Statik Das Gleichgewicht der Kr¨ afte rechtwinklig zur Seilachse wird am differentiellen Element angesetzt, siehe Bild 25-1. Hierbei sind H die Horizontalkraft, die entlang des Seiles wegen des horizontalen Gleichgewichts konstant sein muss, und V die Vertikalkraft, die sich bei konstanter Horizontalkraft entsprechend der Verformung einstellt. Damit ist die Seilkraft S entlang des Seiles ver¨anderlich. Fall 1 : konstante Querlast Bei konstanter eingepr¨ agter Last q(x) folgt mit dem Gleichgewicht der Kr¨afte in vertikaler Richtung d V = q(x) dx

bzw.

V ′ = q(x) .

Mit dw = H · w′ dx folgt die Differentialgleichung des Gleichgewichts mit konstanter Horizontalkraft H V = H · tan ϕ ≈ H ·

( H w′ )′ = q(x) . Diese Anteile sind bereits aus Theorie II. Ordnung bekannt. Die L¨osung der Differentialgleichung wird als Seilparabel bezeichnet und folgt nach zweifacher Integration und Anpassung an die Randbedingungen w(0) = 0 und w(ℓ) = 0 zu q(x) 1 w= (x(l − x)) . H 2 Die Mittendurchbiegung ist mit q(x) l2 l · f = w( ) = 2 H 8 gegeben, sodass hiermit die Horizontalkraft in der verformten Lage berechnet werden kann q l2 1 · . H= 8 f Die Seill¨ ange in der verformten Lage folgt mit Z Z lp 8 f2 s = ds = . 1 + w′2 dx ≈ l + · 3 l 0

Einziger unbekannter Parameter ist die Mittenverschiebung f , die allerdings von der L¨ angssteifigkeit EA/l des Seiles abh¨ angt.

250

25 Analyse von Seilnetzen und Membranen

Fall 2 : Eigengewicht Wenn die Dehnung des Seiles vernachl¨ assigt wird, f¨ uhrt das Eigengewicht zu einer konstanten vertikalen Belastung q(s) pro L¨angeneinheit ds in der verformten Lage. Hierf¨ ur gilt q(s) = q(x) · cos ϕ = konst. Mit cos ϕ =

dx

dx 1 1 = p = √ 2 ds 1 + w′2 1 + tan ϕ

ds

folgt die Gleichgewichtsbedingung

( H w′ )′ = q(s) ·

p 1 + w′2 .

Mit der Bedingung H = konst. folgt die L¨ osung nach Integration der Differentialgleichung und Anpassung an die Randbedingungen w(0) = 0 und w(ℓ) = 0 q(s) )x, H H q(s) w= [ cosh( x) − 1 ] . q(s) H

w′ = sinh(

Der Seildurchhang wird auch als Kettenlinie bezeichnet. Die Seill¨ange folgt auch hier mit Z Z lp H q(s) 1 + w′2 dx = s = ds = sinh( l) q(s) H 0

und h¨ angt wie in Fall 1 von der Horizontalkraft H ab.

25.1.2 Dynamik Bei in der Zeit konstanter Last q(x) ist das Gleichgewicht entsprechend Abschnitt 25.1.1 mit

p(x,t) x w0

H0 w0′′ = q(x) V

erf¨ ullt, sodass sich bei konstanter Horizontalkraft H0 der Seildurchhang w0 einstellt. Dies kann die Ausgangslage einer Schwingung um die statische Ruhelage w0 sein, die bei einer zus¨ atzlichen zeitver¨ anderlichen Last p(x, t) folgt.

z,w

Ruhelage w0

w0 + w V dV ρAdx w

Schwingung um w0

25.1 Einzelseile

251

Die Bewegungsgleichung f¨ ur die Gesamtbewegung folgt entsprechend der Abbildung zu −ρA w ¨ + [ ( H0 + Hp ) (w0 + w)′ ]′ = q(x) + p(x, t) . Ber¨ ucksichtigt man das Gleichgewicht infolge q(x), so bleibt die Bewegungsgleichung f¨ ur die Schwingung w(x, t) −ρA w ¨ + [ Hp (w0 + w)′ ]′ + ( H0 w′ )′ = p(x, t) . Hierbei ist Hp (w) die zus¨ atzliche mit w(x, t) ver¨ anderliche Spannung des Seiles. Linearisierung um die Ruhelage mit Hp ≈ 0 liefert mit konstanter Horizontalkraft H0 −ρA w ¨ + H0 w′′ = p(x, t) . Die Gesamtl¨ osung enth¨ alt die L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung und die Partikularl¨ osung w = wh + wp . Hier sind nur die freien Schwingungen von Interesse, sodass die homogene Bewegungsgleichung −ρA w ¨ + H0 w′′ = 0 gel¨ ost werden muss, die auch als Wellengleichung bezeichnet wird. F¨ ur die L¨ osung der Wellengleichung wird ein Separationsansatz mit beliebig vielen Eigenschwingungsformen gew¨ ahlt X wj (x) · cos( ωj t − ϕ0j ) , w(x, t) = j

wobei jeder Eigenschwingungsform wj (x) eine spezielle Eigenkreisfrequenz ωj zugeordnet ist. In die Bewegungsgleichung eingesetzt, folgt X X wj′′ (x) · cos( ωj t − ϕ0j ) = 0 wj (x) · ωj2 · cos( ωj t − ϕ0j ) + H0 ρA j

j

und nach Koeffizientenvergleich f¨ ur jedes j H0 wj′′ (x) + ρA ωj2 · wj (x) = 0 . F¨ ur die Eigenschwingungsformen wj (x) wird der Ansatz wj (x) = w ˆj sin

jπ x l

252

25 Analyse von Seilnetzen und Membranen

gew¨ ahlt, der auch die Randbedingungen w(0) = w(l) = 0 erf¨ ullen muss. Mit dem Ansatz kann man jetzt die Eigenfrequenzen ωj ermitteln. Es gilt zun¨ achst { −H0 (

jπ jπ 2 ) + ρA ωj2 } sin x = 0 l l

und bei verschwindender Klammer ωj2

H0 jπ 2 = ( ) ρA l

sowie

π ωj = j · l

s

H0 . ρA

Damit sind alle Frequenzen ein Vielfaches der Grundfrequenz ω1 , sodass die Gesamtl¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung wie folgt gegeben ist: s X H0 π jπ w ˆj · sin x · cos( j ω1 t − ϕ0j ) mit ω1 = . (25.1) w(x,t) = l ρA l j Beispiel Ein mit der L¨ angskraft H vorgespanntes Seil erh¨alt eine Anfangsauslenkung δ zur Zeit t = 0. Dies k¨ onnte z. B. eine Gitarrensaite sein, die zu Beginn der Schwingung angeregt wird. Gesucht ist die Bewegung w(x, t). l

H

H d

t=0

x

Bild 25-2 Anfangsauslenkung eines schwingenden Seiles Der Verlauf der Anfangsauslenkung w(x, 0) ist linear, siehe Bild 25-2. Die Anfangsgeschwindigkeit w(x, ˙ 0) ist Null gesetzt. Damit folgt 2δ x l 2δ w(x,0) = (l − x) l

w(x,0) =

l , 2

f¨ ur

0 0 beschrieben, siehe Bild 25-13. n=0

n=1

r

Bild 25-13 Symmetrische und antisymmetrische Bessel-Funktionen

r

25.3 Schwingungen von Membranen

263

Die Eigenkreisfrequenzen der Bewegungsgleichung sind mit s h 1 · · xjn ωjn = ρt a festgelegt, sodass die rotationssymmetrische Gesamtl¨osung der homogenen Bewegungsgleichung zu w(r,t) =

∞ X

r J0 ( xj0 ) ( Aj0 cos ωj0 t + Bj0 sin ωj0 t ) a j=1

folgt. Die einzelnen Reihenglieder folgen in radialer Richtung der Bessel–Funktion J0 entsprechend Bild 25-14. J0 (r) 1

10 5

Bild 25-14 Bessel-Funktion J0

r 15

¨

¨

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨ at

Die Aeroelastizit¨ at beschreibt die Ph¨ anomene, die bei der Luftumstr¨omung von schlanken elastischen Tragwerken auftreten. Dies betrifft unter anderem • im Flugzeugbau: Tragfl¨ ugel, Rotoren, . . . • im Bauwesen: Br¨ ucken, Schornsteine, . . .

• im Maschinenbau: Turbinen, Klimaanlagen, . . .

Das Zusammenwirken von Umstr¨ omung und elastischem Tragwerk l¨asst sich wie folgt erkl¨ aren: • Bei der Umstr¨ omung eines Tragwerks wirken Druck- und Schubspannungen auf die Oberfl¨ ache des Tragwerks, die von der Anstr¨omgeschwindigkeit u∞ , der Dichte der Luft ρ∞ und der Form des Tragwerks abh¨angen. Wenn das Tragwerk elastisch ist, verformt sich das Tragwerk infolge des Oberfl¨ achendrucks. Die Verformungen k¨ onnen klein gegen¨ uber den Tragwerksabmessungen sein, aber auch die Gr¨ oßenordnung charakteristischer Tragwerksabmessungen – dies kann z. B. die Dicke sein – erreichen, sodass im Einzelfall auch Nichtlinearit¨ aten im Lastverformungsverhalten beachtet werden m¨ ussen. • Gleichzeitig mit der Verformung ¨ andert sich die Umstr¨omung des Tragwerks und damit wiederum die Oberfl¨ achenspannungen. Hierbei sind unter Umst¨ anden auch Nichtlinearit¨ aten im Str¨omungsfeld zu ber¨ ucksichtigen, wenn dabei Grenzschichtabl¨ osungen oder Verwirbelungen auftreten, siehe Bild 26-1.

Bild 26-1 Umstr¨ omung von Geb¨audeanordnungen [46] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Dinkler, Einführung in die Strukturdynamik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31845-1_26

26.1 Modellgleichungen und Kennwerte f¨ ur das Str¨omungsfeld

265

F¨ ur den Entwurf des elastischen Tragwerks ist die genaue Erfassung aller Nichtlinearit¨ aten rechnerisch viel zu aufw¨ andig und zum Teil nicht m¨oglich, aber oft auch nicht erforderlich. Es ist daher notwendig, Berechnungsmodelle zu entwickeln, die die auftretenden und f¨ ur das Trag– bzw. Schwingungsverhalten des Tragwerks wesentlichen Ph¨ anomene gen¨ ugend genau beschreiben und eine zuverl¨ assige Bemessung zulassen. Umfassende Darstellungen der Ph¨ anomene und L¨osungen der Aeroelastik sind mit den Arbeiten von F¨orschung [19] f¨ ur den Bereich Luftfahrt und Sockel [47] f¨ ur den Bereich Bauwesen gegeben.

26.1 Modellgleichungen und Kennwerte f¨ ur das Str¨ omungsfeld

u

8

Ungest¨ orte Parallelstr¨ omungen sind mit der Dichte ρ∞ des Fluids sowie der Str¨ omungsgeschwindigkeit u∞ charakterisiert. Befindet sich ein Hindernis im Str¨ omungsgebiet, so werden kinematische Zw¨ ange auf die Str¨omung ausge¨ ubt, die als kinematische Randbedingungen auf die Str¨omung wirken, das Geschwindigkeitsfeld um ∆u ver¨ andern und als Folge die Druckver¨anderungen an der Oberfl¨ ache des Bauwerks bewirken.

Bild 26-2 Str¨ omungsabl¨ osung an Abreißkanten Die in der Realit¨ at vorhandene Str¨ omung ist sehr komplex und kann mathematisch oft nur stark vereinfachend analysiert werden. Im Rahmen der Kontinuumsmechanik sind folgende Modellierungstiefen bekannt: • Die Navier–Stokes–Bewegungsgleichungen sind am genauesten und beschreiben alle Ph¨ anomene der Str¨ omung. Allerdings k¨onnen sie heute selbst mit modernen Rechenanlagen nur f¨ ur Einzelf¨alle numerisch gel¨ost werden. • Die Euler–Gleichungen sind f¨ ur nichtviskose, reibungsfreie Str¨omungen einsetzbar. • Die Potential–Gleichung ist f¨ ur nichtviskose, rotationsfreie Str¨omungen einsetzbar.

266

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

Daneben gibt es andere, an die jeweilige durch Geometrie und Str¨omungszustand mit ρ∞ , u∞ charakterisierte Str¨ omung angepaßte Vereinfachungen. F¨ ur die im Bauwesen in der Regel auftretenden Str¨ omungsph¨anomene mit Grenzschichtabl¨ osungen und Turbulenz sind im Prinzip nur die Navier–Stokes–Gleichungen genau genug, wobei sie allerdings kaum l¨osbar sind. Man ist hier in der Regel auf andere Vorgehensweisen angewiesen. Die Navier–Stokes–Gleichungen beschreiben das Gleichgewicht an einem Fl¨ ussigkeitsteilchen entsprechend dem D’Alembert’schen Prinzip. Es gilt ρui ,t + ρuk ui ,k − p,i − τji ,j − ρfi = 0 , wobei ui die Str¨ omungsgeschwindigkeit und die beiden ersten Terme die Massentr¨ agheit in der Euler‘schen Darstellung beschreiben. p ist der Druck, τji sind die Schubspannungen, ρ die Dichte und fi die Erdbeschleunigung in Richtung der Koordinate xi . Beschreibt man die Schubspannungen mit dem linearen Newton’schen Ansatz 2 τji = µ·(uj ,i + ui ,j ) − µ·uk ,k δji 3 so erh¨ alt man die nachfolgende Geschwindigkeitsformulierung. Die dimensionsechten Navier–Stokes–Gleichungen sind in Indexschreibweise mit 2 ρui ,t + ρuk ui ,k − p,i − [µ(uj ,i + ui ,j )],j + (µ·uk ,k δji ),j − ρfi = 0 3 gegeben. Hierbei sind xi ρ µ ui p ρfi

: : : : : :

Koordinaten Dichte dynamische Z¨ ahigkeit Geschwindigkeit in Richtung xi hier als Druck negativ angesetzt Volumenkr¨ afte.

Eine Klassifizierung des Str¨ omungsfeldes gelingt mit dimensionslosen Kennzahlen, die man aus der Umformung der Navier–Stokes–Gleichungen in eine dimensionslose Form erh¨ alt. Mit der dimensionslosen Zeitkoordinate t˜ = t/T sowie der dimensionslosen Raumkoordinate x˜i = xi /ℓ , wobei T ein typisches Zeitintervall und ℓ eine typische Tragwerksabmessung sind, kann man die Navier–Stokes–Gleichungen dimensionslos darstellen 1 2 1 ρ∞ Eu,˜i − [ (u ˜j ,˜i + u ˜i ,˜j )],˜j + (u ˜k ,k˜ δij ),˜j − = 0. Su ˜i ,t˜ + u ˜k u˜i ,k˜ − ρ Re 3Re Fr Mit der Dichte ρ∞ und der Geschwindigkeit u∞ der ungest¨orten Str¨omung werden die Str¨ omungsgeschwindigkeit sowie die dimensionslosen Kennzahlen skaliert:

26.1 Modellgleichungen und Kennwerte f¨ ur das Str¨omungsfeld u˜i = ui /u∞ S = ℓ/(u∞ T ) 2 Eu = p/(ρ∞ u∞ ) Re = ρ∞ ℓ u∞ /µ 2 Fr = u∞ /(g ℓ)

: : : : :

267

dimensionslose Geschwindigkeit Strouhal–Zahl Euler–Zahl Reynolds–Zahl Froude–Zahl.

√ Historisch bedingt wird die Froude–Zahl oft auch mit Fr ∗ = u∞ / g ℓ definiert. Eine weitere – hier nicht erforderliche – dimensionslose Kennzahl ist die Mach–Zahl Ma = u/c, mit der die Geschwindigkeit auf die Schallgeschwindigkeit normiert wird. Mit den dimensionslosen Kennzahlen k¨onnen Str¨omungen von unterschiedlicher Art und Dichte miteinander verglichen werden. Sie kennzeichnen mit S die Instationarit¨ at der Str¨ omung, mit Eu den Druckzustand, die Neigung zur Turbulenzbildung mit Re und den Schwerkrafteinfluß mit Fr. Nach einem Vergleich von Gr¨ oßenordnungen folgt, dass die Str¨omungen f¨ ur f¨ ur f¨ ur f¨ ur

große Reynolds–Zahlen Re > 10 8 n¨ aherungsweise reibungsfrei, große Froude–Zahlen Fr >> 1 mit Vernachl¨assigung der Gravitation, kleine Strouhal–Zahlen S < 10 −2 station¨ar sowie Euler–Zahlen Eu = ˜ 1 n¨ aherungsweise inkompressibel

analysiert werden k¨ onnen. Die dimensionslosen Kennzahlen sind globale Parameter und charakterisieren daher das gesamte Str¨omungsfeld. Zus¨ atzlich zu den Navier–Stokes–Gleichungen der Str¨omung muss die Massenerhaltung erf¨ ullt werden. Mit d (ρ dV ) = 0 dt folgt die Kontinuit¨ atsgleichung in der Eulerschen Darstellung ρ,t + (ρ ui ),i = 0 , die auch dimensionslos S(

ρ ρ ),˜ + ( ui ),˜i = 0 ˜ ρ∞ t ρ∞

dargestellt werden kann. Damit sind vier Gleichungen mit den Beschreibungsvariablen ui mit i = 1, 2, 3 sowie ρ und p zu l¨ osen. Dies ist l¨osbar, wenn ρ und p mit der Zustandsgleichung f¨ ur ideale Gase p = ρ· R · Θ. direkt verkn¨ upft sind. Hier sind R die Gaskonstante und Θ die Temperatur. Wird die Dichte ρ als unabh¨ angige Variable angesetzt, muss die Energieerhaltung als zus¨ atzliche Erhaltungsgleichung erf¨ ullt werden.

268

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

26.2 Druckverteilung an Bauwerken aus Umstr¨ omung Die Einwirkung des nat¨ urlichen Windes auf Bauwerke wird maßgeblich von der Windgeschwindigkeit, der atmosph¨ arischen Grenzschicht, dem Gel¨andeprofil und der im Umfeld des Bauwerkes vorhandenen Bebauung bestimmt. Die Windgeschwindigkeit wird mit der Beaufort–Skala eingeteilt, die in Tabelle 26.1 mit ihrer Wirkung auf Bauwerke angegeben ist. Tabelle 26.1 Beaufort–Skala f¨ ur Windgeschwindigkeiten Windst¨ arke

Geschwindigkeit u∞ [m/s]

Staudruck q∞ [N/m2 ]

0 1 2 3 4 5

0 − 0,3 0,3 − 1,6 1,6 − 3,4 3,4 − 5,5 5,5 − 8,0 8,0 − 10,8

0 ≤2 ≤8 ≤ 20 ≤ 40 ≤ 75

6 7 8 9 10 11 12

10,8 − 13,9 13,9 − 17,2 17,2 − 20,8 20,8 − 24,5 24,5 − 28,5 28,5 − 32,7 > 32,7

≤ 125 ≤ 190 ≤ 280 ≤ 390 ≤ 525 ≤ 690 > 690

Wirkung Windstille schwach f¨ uhlbar Bl¨atter rascheln d¨ unne Zweige bewegen sich Zweige bewegen sich d¨ unne B¨aume bewegen sich ¨ dicke Aste bewegen sich, B¨aume schwanken Behinderungen beim Gehen Dachziegel heben ab B¨aume werden entwurzelt schwere Geb¨audesch¨aden schwerste Sturmsch¨aden, und Verw¨ ustungen

Die Geschwindigkeitsverteilung des Windes in der Grenzschicht ist in Bild 26-3 stark vereinfachend dargestellt. Man bezeichnet den unteren Teil der Grenzschicht bis ca. 100 m als Prandtl–Schicht, in der die Windrichtung gleich ist, und den dar¨ uber liegenden Teil bis ca. 1000 m als Ekman–Schicht, in der die Windrichtung aufgrund von Reibungseinfl¨ ussen dreht. Der exponentielle Verlauf u ohe wird von Windb¨ oen und Turbulenzen u ¨ber die H¨ ¨berlagert, die leichte Bauteile zum Schwingen anregen k¨ onnen. Der turbulente Teil des Windes kann nur mit den Methoden der Stochastik beschrieben werden und f¨ uhrt auf Bewegungsgleichungen mit stochastischen Koeffizienten und stochastischer Einwirkung, die hier nicht untersucht werden sollen.

26.2 Druckverteilung an Bauwerken aus Umstr¨ omung

269

z u(z) mittlere Windgeschwindigkeit u(z)

u’

u’(z,t) Turbulenz in x,y,z-Richtung

Windrichtung

Bild 26-3 Atmosph¨arische Grenzschicht F¨ ur die Untersuchung von Bauwerken ist das gesamte Str¨omungsfeld weniger interessant als vielmehr die Druckverteilung an der Oberfl¨ache des Bauwerks, da dies die Bauwerksverformungen bewirkt. Jedoch sind aufgrund der Komplexit¨at der realen Windbedingungen stark vereinfachende Annahmen sinnvoll, wenn Bauwerke bemessen werden sollen. y

v0

v

Wind

Wind

b

h

l

3 2 1

1,3

4

4

5

6

2

5

6

Bild 26-4 Druckverteilung an einem W¨ urfel bei Grenzschichtstr¨omung nach [18]

270

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

Bild 26-4 zeigt die Druckverteilung an einem W¨ urfel in einer Grenzschichtstr¨ omung, die dem nat¨ urlichen Wind entspricht. Die Versuchsergebnisse sind aus der Ver¨ offentlichung von Flachsbarth [18] (1932) entnommen, siehe auch Simiu / Scanlon [46]. Auf der Windseite liegen die Druckspannungen u ¨ber dem atmosph¨ arischen Druck, an den Seiten, dem Dach und der R¨ uckwand darunter, sodass hier Sog entsteht. Diese und vergleichbare experimentelle Ergebnisse sind Grundlage der Richtlinien f¨ ur die Druckverteilung auf Bauwerke. Druckbeiwert Die Druckverteilung an der Oberfl¨ ache des Bauwerks wird in der Regel mit Hilfe des dimensionslosen Druckbeiwertes cp (Ort, Zeit) und dem Geschwindigkeitsdruck q∞ = ρ∞ u2∞ /2 der ungest¨ orten Str¨ omung beschrieben, vergleiche hierzu die Winddruckannahmen nach EC 3-2 [57] oder DIN EN 1991-1-4 [56]. Der Druckbeiwert beschreibt die Druckdifferenz ∆p zwischen dem tats¨achlichen Druck p infolge Wind und einem Referenzdruck p0 , der in der Regel mit q∞ angesetzt wird. ∆p = p(Ort, Zeit) − p0 = cp (Ort, Zeit) · q∞ . Mit Hilfe der Euler–Zahl gilt auch

cp = 0,5 Eu − 1.

Exemplarisch ist der Druckbeiwert f¨ ur einen Kreisquerschnitt eines Schornsteins in Bild 26-5 nach Eurocode angegeben und mit einer Fourierentwicklung verglichen. Aufgrund der in Ringrichtung vorhandenen Druck– und Sogbereiche sind die Querschnitte in Ringrichtung auf Biegung beansprucht, was zum Ovalisieren der Querschnitte f¨ uhrt und mit entsprechenden Aussteifungen verhindert werden muss. cp

2,0

✻ u∞

DIN 1055 FR-Ansatz

θ1

1,0

0,0

π /2

3/4 π

π

✲ θ1

-1,0 -2,0

Bild 26-5 Druckverteilung an einem Kreisquerschnitt nach DIN EN 1991-1-4 [56]

26.2 Druckverteilung an Bauwerken aus Umstr¨ omung

271

Zus¨ atzlich zu der zeitlich konstanten Druckverteilung nach 26-5 kann der Staudruck in der Zeit ver¨ anderlich sein. In Bild 26-6 sind links die Stromlinien nach der idealen Potentialtheorie dargestellt, die zu einer symmetrischen Druckverteilung bez¨ uglich der horizontalen und vertikalen Achse f¨ uhrt, aber die realen Verh¨ altnisse nicht wiedergibt. In der Realit¨ at reißt die Str¨omung an der Oberfl¨ ache des Tragwerks ab, was einen Druckanstieg auf der entsprechenden Seite des Querschnitts bewirkt, siehe Bild 26-6–mitte.

u

u

Potentialstr¨ omung

einseitiger Str¨ omungsabriss

Wirbelstraße

Bild 26-6 Stromlinien bei idealer Potentialstr¨ omung und realer Str¨omung Wenn sich der Str¨ omungsabriss wechselseitig entwickelt, entsteht mit den abgehenden Wirbeln die von Karman’sche Wirbelstraße, siehe Bild 26-6–rechts, die wiederum zu einer periodischen Anregung quer zur Anstr¨omung f¨ uhrt. Mit der instation¨ aren Str¨ omung ist auch die Druckverteilung zeitlich ver¨anderlich cp = cp (xo , t) . Hierbei ber¨ ucksichtigt xo die Form des umstr¨ omten Tragwerks. Integrale Druckbeiwerte F¨ ur das Tragverhalten von schlanken Bauwerken – z. B. einem Schornstein – ist in der Regel nicht nur die Druckverteilung von Interesse, sondern auch integrale Kraft– bzw. Momentenbeiwerte. Gegeben sei die Druckverteilung um den Querschnitt eines Schornsteins nach Bild 26-5. Integriert man den Druckbeiwert cp u ache, so erh¨ alt man den Widerstandsbeiwert ¨ber die Bauwerksoberfl¨ cD (D: drag) des Kreisprofils in Windrichtung Z 2πR 1 cp cos Θ R dΘ cD = 2R 0 und den Auftriebsbeiwert cL (L: lift) des Kreisprofils senkrecht zur Windrichtung Z 2πR 1 cp sin Θ R dΘ . cL = 2R 0

272

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

Man normiert hierbei die Beiwerte auf den Durchmesser 2 R des Zylinders und nicht auf den Umfang. Mit den integralen Druckbeiwerten gewinnt man die Widerstandskraft D und die Auftriebskraft L, und speziell f¨ ur den Kreiszylinder als Kr¨ afte pro Meter in L¨ angsrichtung des Schornsteins o. ¨a. D = cD · 2R · q∞ [N/m] , L = cL · 2R · q∞ [N/m] . F¨ ur andere Querschnitte sind die integralen Beiwerte analog zu ermitteln. Bei beliebigen Querschnitten k¨ onnen auch der Momentenbeiwert Z 1 ℓ cM = 2 s · cp ds ℓ 0 sowie das aerodynamische Moment M = cM · q∞ ℓ2 [N m/m] von Interesse sein, wenn s den Abstand zu einem Referenzpunkt und ℓ eine Tragwerksabmessung beschreiben.

26.3 Druck¨ anderung aus Bewegung des Tragwerks Die in Abschnitt 26.2 erl¨ auterte Druckverteilung p und damit auch der Druckbeiwert cp (x0 ) sind von der geometrischen Ausgangsform x0 des Bauwerks und seiner Anordnung in der ungest¨ orten Str¨ omung abh¨angig. Wenn das Tragwerk infolge Druck seine Lage ¨ andert oder Verformungen erf¨ahrt, z. B. aus Elastizit¨ at, dann ¨ andert sich mit der Verformung x auch die Druckverteilung cp = cp (x0 , x) . Bewegt sich das Tragwerk in der Str¨ omung, siehe Bild 26-7, so ¨andert sich die effektive Anstr¨ omgeschwindigkeit ueff mit der Tragwerksgeschwindigkeit x˙ → uT und damit auch die Druckverteilung cp = cp (x0 , x, x) ˙ . Außerdem wird bei einer Tragwerksbewegung ein Teil des Fluids in Bewegung gesetzt, sodass hierbei Massentr¨ agheiten der Str¨ omung zu u ¨berwinden sind, die als Druck ebenfalls auf das Tragwerk wirken. Damit gilt im allgemeinen Fall cp = cp (x0 , x, x, ˙ x ¨) .

26.3 Druck¨ anderung aus Bewegung des Tragwerks

273 ueff uT

uT ueff

starres Profil

Bewegung nach unten

Bewegung nach oben

¨ Bild 26-7 Anderung der effektiven Anstr¨ omgeschwindigkeit bei Profilbewegung In der Regel ist die Umstr¨ omung von Bauwerken von stark nichtlinearen Ph¨anomenen begleitet, sodass die Druckverteilung nichtlinear von der Bewegung abh¨ angt, siehe Bild 26-8. Die Hysterese um Punkt A gibt eine periodische Bewegung in laminarer Str¨ omung wider, wobei die positive Steigung des Diagramms auf eine stabile Bewegung deutet. In Punkt B ist die Str¨omung abgel¨ost, allerdings ebenfalls mit positiver Steigung im Last–Weg–Diagramm. L,cL

stabil stabil instabil A

B x

Bild 26-8 Auftrieb bei Steigerung der Anstr¨ omgeschwindigkeit Wenn die Bewegungsamplituden klein sind, kann man eine Linearisierung um die Ausgangsgeometrie x0 oder einen anderen beliebigen Zustand vornehmen. Hierf¨ ur ist das totale Differential an der Stelle cp (x0 ) = cp0 anzusetzen d cp =

∂ cp ∂ cp ∂ cp dx + d x˙ + dx ¨. ∂x ∂ x˙ ∂ x¨

Die dx, dx, ˙ d¨ x sind Weggr¨ oßen der linearisierten Bewegung um die Ausgangslage x0 . Im weiteren werden immer lineare Bewegungsgleichungen angenommen, sodass die Beschreibung weiterhin mit x, x, ˙ x ¨ anstelle von dx, dx, ˙ d¨ x erfolgen kann. Damit betr¨ agt der Gesamtdruck auf der bewegten Oberfl¨ache des Tragwerks p(x, t) = q∞ · {cp (x0 , t) + cp ,x x + cp ,x˙ x˙ + cp ,x¨ x¨} . Das Vorgehen kann man v¨ ollig analog auf die integralen Beiwerte u ¨bertragen: D(t) = q∞ · ℓ · {cD (x0 ) + cD ,x x + cD ,x˙ x˙ + cD ,x¨ x ¨} ,

274

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at L(t) = q∞ · ℓ · {cL (x0 ) + cL ,x x + cL ,x˙ x˙ + cL ,x¨ x ¨} ,

M (t) = q∞ · ℓ2 · {cM (x0 ) + cM ,x x + cM ,x˙ x˙ + cM ,x¨ x ¨} . In dieser Darstellung ist das Str¨ omungsfeld auf die integralen Druckbeiwerte reduziert und um den Arbeitspunkt x0 linearisiert, sodass keine R¨ uckschl¨ usse auf Details der Str¨ omung m¨ oglich sind. Allerdings kann man sich mit dieser vereinfachenden Darstellung des Str¨ omungsfeldes auf die Bewegung des Tragwerks konzentrieren.

26.4 Bewegungsgleichungen des Tragwerks Die Beschreibung des Zusammenwirkens von Umstr¨omung und Tragwerk im Rahmen einer linearen Theorie erfolgt hier mit nachfolgenden vereinfachenden Annahmen. F¨ ur die Berechnung der Verformungen des elastischen Tragwerks wird die lineare Elastizit¨ atstheorie angesetzt. Nach Diskretisierung des Tragwerks sind die Bewegungsgleichungen mit ¨ + D x˙ + K x = p . Mx in Matrizenschreibweise gegeben. Die Druckverteilung aus der Umstr¨ omung der starren Tragwerksgeometrie wirkt als ¨ außere Spannung auf das Tragwerk und wird im Einzelfall mit integralen Kr¨ aften und Momenten ber¨ ucksichtigt. Wenn die Druckspannung aus Um¨ str¨ omung von der Geometrie abh¨ angig ist, tritt bei Anderung der Geometrie ¨ infolge Verformung x eine Druck¨ anderung ein. Die Anderung des Drucks infolge elastischer Tragwerksverformungen wird analog zu der vorherigen Betrachtung als verformungsabh¨ angige, eingepr¨ agte Kr¨ afte und Momente angesetzt. Insgesamt k¨ onnen die Einwirkungen aus Umstr¨ omung in Matrizenschreibweise mit ¨ + A1 x˙ + A0 x . p(x, t) = p(x0 , t) + A2 x beschrieben werden. Dies f¨ uhrt auf die Bewegungsgleichung f¨ ur von Luft umstr¨ omte elastische Tragwerke, die die Grundlage der Untersuchung der Ph¨anomenologie der Aeroelastizit¨ at ist. ¨ + { D − A1 } x˙ + { K − A0 } x = p(x0 , t) . { M − A2 } x Hierbei kann man die einzelnen Terme wie folgt interpretieren: p(x0 , t) = q∞ cp A2 = q∞ C2 A1 = q∞ C1 A0 = q∞ C0

dynamischer Druck entsprechend der Tragwerksgeometrie xo und der Anstr¨ omung, aerodynamische Masse, aerodynamische D¨ ampfung, aerodynamische Steifigkeit.

26.5 Statische aeroelastische Ph¨ anomene

275

Die aerodynamische Masse (−A2 ) erfasst die bei der Tragwerksschwingung mitbewegte Luft. Trotz des formal negativen Vorzeichens wird hierdurch die Gesamtmasse (M − A2 ) des Systems immer vergr¨oßert. Die aerodynamische D¨ ampfung (−A1 ) kann d¨ ampfend oder anfachend wirken und hierbei die Tragwerksd¨ ampfung so u ¨berlagern, dass instabile Schwingungen mit wachsenden Amplituden m¨ oglich sind. Die aerodynamische Steifigkeit (−A0 ) kann die Tragwerkssteifigkeit erh¨ ohen oder vermindern. Wird die Gesamtsteifigkeit verringert, so kann sie bei steigendem Staudruck sogar verschwinden und die Steifigkeitsmatrix damit singul¨ ar werden. Die Koeffizientenmatrizen Ai sind in der Regel unsymmetrisch und enthalten Formbeiwerte f¨ ur die Druckverteilung bzw. Auftrieb und Widerstand. Sie sind direkt abh¨ angig vom Staudruck q∞ . Die Auftriebsbeiwerte Ci sind an das jeweilige physikalische Ph¨ anomen angepasst. Sie beschreiben bei kleinen Windgeschwindigkeiten – z.B. Wind auf Bauwerke – in der Regel stochastische Winddruckverteilungen aus Windturbulenz. Bei den gr¨oßeren Str¨omungsgeschwindigkeiten im Flugzeugbau reichen oft vereinfachende deterministische Ans¨ atze zur Beschreibung der Druckverteilung aus, sodass auch die L¨osung der Bewegungsgleichung einfacher wird. Infolge der unterschiedlichen Aufgabenstellung bei der Bemessung ergeben sich die nachfolgenden Teilgebiete der Aeroelastizit¨ at.

26.5 Statische aeroelastische Ph¨ anomene Bei schwingungsunempfindlichen Bauwerken sind die Schwingungsamplituden klein und schnell wegged¨ ampft, sodass nur der statisch wirkende Winddruck beachtet werden muss. In Matrizenschreibweise bleibt: K x = q∞ c + q∞ C0 x . Bei Bauwerken wird der verformungsabh¨ angige Winddruck q∞ C0 x vernachl¨assigt, wenn die Tragwerksteifigkeit so groß ist, dass die Verformungen klein sind. Es bleibt dann das u ur den Nachweis der Standsi¨bliche Spannungsproblem f¨ cherheit des Bauwerks gegen Erreichen der Grenzspannungen des Materials. Hierbei existiert im linearen Fall immer eine eindeutige L¨osung f¨ ur das Verschiebungsfeld x, wenn die Belastung mit den Tragwerksreaktionen im Gleichgewicht ist. Ber¨ ucksichtigt man die verformungsabh¨angigen Windkr¨afte, so kann man sie auf die linke Seite der Gleichgewichtsbedingung schreiben { K − q∞ C0 } x = q∞ c . Die Koeffizientenmatrix (−q∞ C0 ) aus Aerodynamik wird auf die Tragwerkssteifigkeiten addiert und daher auch als aerodynamische Steifigkeit bezeichnet.

276

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

Das Vorzeichen deutet darauf hin, dass die Gesamtsteifigkeit in der Regel geringer wird. Zu beachten ist außerdem, dass die Verformungen x nichtlinear vom Staudruck q∞ abh¨ angen.

q krit

8

q

8

x

Bild 26-9 Verformung bei Steigerung des Staudruckes Auch wenn keine a ¨ußere Einwirkung vorhanden ist, kann die Gesamtsteifigkeit des Systems bez¨ uglich einer Bewegungsform verschwinden, sodass die entsprechenden Verformungen in der Gr¨ oße unbestimmt sind. Dieser Fall bewirkt analog zum Knickstab eine Instabilit¨ at und kann als Eigenwertproblem bez¨ uglich des Staudruckes { K − q∞ C0 } x = 0 .

x 8

q q

8

formuliert werden. Wenn die aerodynamische Steifigkeit vom Staudruck bzw. von der Anstr¨ omgeschwindigkeit abh¨ angt, ist hier die kritische Windgeschwindigkeit gesucht, bei der der Stabilit¨ atsverlust eintritt. Das auftretende Ph¨anomen mit unbestimmt großen Verformungen wird als Divergenz bzw. statische Instabilit¨ at bezeichnet.

krit

Bild 26-10 Divergenz als statische Instabilit¨at Anmerkung Divergenz ist ein Ph¨ anomen, das im Bauwesen aufgrund der in der Regel großen Steifigkeit der Tragwerke und der vergleichsweise geringen Anstr¨ omgeschwindigkeit des Windes kaum auftreten kann. Im Flugzeugbau ist das Ph¨ anomen aufgrund der hohen Anstr¨omgeschwindigkeiten ein wesentliches Bemessungskriterium f¨ ur Tragfl¨ achen und schlanke Flugk¨orper.

26.5.1 Torsionsdivergenz Betrachtet man die Umstr¨ omung einer gegen die Str¨omung angestellten elastisch gelagerten Platte – z. B. den Querschnitt einer Br¨ ucke, so folgt nach

26.5 Statische aeroelastische Ph¨ anomene

277

Integration der Druckverteilung u ¨ber die Plattenbreite ℓ die Auftriebskraft L.

u

8

x

L(x0) e

L(x0+x)

kx

e

Bild 26-11 Torsionsdivergenz eines Br¨ uckenprofils Wenn die Platte Verdrehungen x erf¨ ahrt, ist der Auftrieb von der Anfangskonfiguration x0 und der Verdrehung x abh¨ angig. x : Verdrehung L(x0 ) = q∞ ℓ c0 : Auftrieb aus starrem Tragwerk L(x) = q∞ ℓ c,x x : Auftrieb aus elastischen Verformungen Wenn e die Exzentrizit¨ at der Auftriebskraft bez¨ uglich der Drehachse beschreibt, gilt die Gleichgewichtsbedingung k · x = [ L(x0 ) + L(x) ] e und weiter [k − q∞ ℓ c,x e] · x = q∞ ℓ c0 e .

Es werden folgende F¨ alle unterschieden:

a) Wenn c0 6= 0 ist, ist das Spannungsproblem entsprechend Theorie II. Ordnung zu l¨ osen, was auf eine Berechnung des x–q∞ –Zusammenhangs hinausl¨auft, vergleiche Bild 26-9. Wie in der Statik der Tragwerke werden die f¨ ur die Bemessung maßgebenden Schnittgr¨ oßen gesucht – hier das Federmoment Mk = k x, um die zul¨ assige Geschwindigkeit u∞ bestimmen zu k¨onnen. b) Wenn c0 = 0 ist, ist das Stabilit¨ atsproblem entsprechend dem Knickstab zu l¨ osen. Mit [k − q∞ ℓ c,x e] · x = 0

ist der Staudruck q∞ und damit die Geschwindigkeit u∞ gesucht, bei der die Verformungen x beliebig anwachsen k¨ onnen. L¨ osungen dieser Aufgabe sind die triviale L¨ osung und die nichttriviale L¨ osung mit beliebig großem x, wenn

x=0 x 6= 0 det[k − q∞ ℓ c,x e] = 0 .

278

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

Hieraus folgt der kritische Staudruck zu q∞k = k/ℓ c,x e. Das statische Instabilit¨ atsph¨ anomen ist ein Divergenzproblem, vergleiche Bild 26-10. Die physikalische Bedeutung des Divergenzph¨ anomens wird deutlicher, wenn die Massentr¨ agheiten ber¨ ucksichtigt werden. Es gilt dann mx ¨ + [k − q∞ ℓ c,x e] · x = 0 . Der Ansatz x = xˆ eλ t f¨ ur die L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung liefert f¨ ur den Fall k − q∞ ℓ c,x e = 0 die Eigenwerte λ1, 2 = 0 . Wegen des doppelten Null–Eigenwertes beschreibt die freie Bewegung x(t) = x ˆ ( b0 + b1 t ) eine Starrk¨ orperverschiebung mit Anfangsverschiebung x(0) = xˆ b0 und Anfangsgeschwindigkeit x(0) ˙ =x ˆ b1 , die f¨ ur beliebig große Zeit t konstant bleibt. Eine anschauliche Deutung ist mit Hilfe einer Energiebetrachtung m¨oglich. Anmerkung Bei kleiner Auslenkung x leistet die Auftriebskraft L(x) die virtuelle Arbeit δAL = q∞ c,x e x δx. Diese Arbeit wird von der Str¨omung in das elastische System eingebracht. Ist die Arbeit gr¨oßer als die von dem System bei gleichem x aufnehmbare virtuelle Arbeit in der Feder δAk = k x δx, so ist kein Gleichgewicht m¨ oglich, das System ist instabil.

26.5.2 Biegedivergenz eines Kragarmes Biegedivergenz kann auftreten, wenn biegesteife Tragwerke in der Tragwerksebene angestr¨ omt werden. Sind Reibungskr¨ afte vernachl¨assigt, wirkt der Druck normal zur Ausgangsgeometrie des Tragwerks. Tritt eine beliebig kleine Verbiegung des Tragwerks auf, entstehen aufgrund der Neigungs¨anderung gegen¨ uber der Anstr¨ omung Druck¨ anderungen aus Verformung auf der Oberfl¨ache des Tragwerks, siehe Bild 26-12. Ist der Staudruck so groß, dass die Gesamtw 8

u

x Bild 26-12 Biegedivergenz eines Vordaches

26.6 Dynamische aeroelastische Ph¨ anomene

279

steifigkeit aus Elastizit¨ at und Aerodynamik verschwindet, liegt Biegedivergenz mit beliebig anwachsenden Verbiegungen vor. Auch hier ist der aus Anstr¨ omung entstehende Druck gr¨ oßer als die bei gleichen Verbiegungen vorhandenen Reaktionen des Tragwerks, sodass kein Gleichgewicht m¨oglich ist. Mit EI = [N m2 /m] folgt die Gleichgewichtsbedingung je L¨angeneinheit in der Tragwerksbreite EI w′′′′ = q∞ (cpo + cp ,w′ · w′ ) ,

EI w′′′′ − q∞ cp ,w′ · w′ = q∞ cpo .

Der mit der Neigung w′ versehene Term aus der Anstr¨omung bewirkt eine negative aerodynamische Steifigkeit und ist damit urs¨achlich f¨ ur die Divergenz verantwortlich.

26.6 Dynamische aeroelastische Ph¨ anomene Im Unterschied zu Abschnitt 26.5 werden hier zus¨atzlich die Massentr¨agheiten und die D¨ ampfung des Tragwerks sowie die entsprechenden Systemmatrizen aus Aerodynamik ber¨ ucksichtigt. Damit folgt die vollst¨andige Bewegungsgleichung in Matrizenschreibweise zu ¨ + { D − A1 } x˙ + { K − A0 } x = p . { M − A2 } x Je nach Art der Belastung und der Systemantwort liegt eine • freie, • station¨ ar periodische oder • beliebig instation¨ are Bewegung vor. Die L¨ osung der Bewegungsgleichung kann mit den in den ersten Abschnitten erkl¨ arten Verfahren erfolgen. Zus¨ atzlich zu schwach ged¨ampften Bewegungen sind hier analog zur Statik Instabilit¨aten zu beachten, die im Einzelfall zur Zerst¨ orung des Tragwerks f¨ uhren k¨ onnen.

26.6.1 Freie Schwingungen Freie Schwingungen von in Windstr¨ omung stehenden Tragwerken sind von den Tragwerkseigenschaften und dem verformungsabh¨angigen Winddruck beeinflußt. Ber¨ ucksichtigt man die Winddruckverteilung auf der linken Seite der Bewegungsgleichung, so k¨ onnen die verschiedenen Koeffizientenmatrizen analog zu Abschnitt 26.4 folgendermaßen interpretiert werden.

280

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

Die aerodynamische Masse (−A2 ) erfasst die bei der Tragwerksschwingung mitbewegte Luft. Trotz des formal negativen Vorzeichens wird hierdurch die Gesamtmasse (M − A2 ) des Systems immer vergr¨oßert. Die aerodynamische D¨ ampfung (−A1 ) kann d¨ ampfend oder anfachend wirken und hierbei die Tragwerksd¨ ampfung so u ¨berlagern, dass instabile Schwingungen mit wachsenden Amplituden m¨ oglich sind. Diese Eigenschwingungen treten bei geringsten St¨ orungen auf, sind damit selbsterregt und werden als Flatter oder kinetische Instabilit¨at bezeichnet. Die aerodynamische Steifigkeit (−A0 ) kann die Systemsteifigkeit erh¨ohen oder vermindern. Wird die Systemsteifigkeit verringert, so kann sie bei steigendem Staudruck verschwinden und singul¨ ar werden. Hierbei k¨onnen Divergenz oder Flatter auftreten, was durch die Unsymmetrie der aerodynamischen Steifigkeitsmatrix bedingt ist. Nachfolgend werden verschiedene F¨ alle f¨ ur den Ein–Masse–Schwinger vereinfachend diskutiert. Fall I : aerodynamische Steifigkeit a0 Der Fall a0 6= 0 ist bereits in Abschnitt 26.5 f¨ ur statische Verformungen bei Torsionsdivergenz und Biegedivergenz besprochen. Hier gilt entsprechend m¨ x + [k − a0 ] x = 0 mit der trivialen L¨ osung :x=0 sowie der nichttrivialen L¨ osung : x 6= 0 . Mit dem Ansatz x(t) = x ˆ eλt folgt die charakteristische Gleichung  2 λt λ m + [k − a0 ] x ˆe = 0 . Damit sind Bewegungen gesucht, deren Zeitverlauf mit r k − a0 λ1/2 = ± i m

festgelegt ist. Bez¨ uglich der aerodynamischen Steifigkeit kann man folgende Fallunterscheidung f¨ ur a0 machen: r 0 a0 < k : λ1/2 = ∓ i k−a m a0 = k :

λ1/2 = 0

a0 > k :

λ1/2 = ±

r k−a0 m

26.6 Dynamische aeroelastische Ph¨ anomene

281

Wenn a0 < k, liegt eine unged¨ ampfte freie Schwingung vor. Bei a0 = k ist eine mit der Anfangsgeschwindigkeit monoton wachsende Amplitude vorhanden, sodass Divergenz vorliegt. F¨ ur a0 > k liegt Divergenz mit u ¨berproportional anwachsender Amplitude vor. Im allgemeinen Fall ist eine strukturell begr¨ undete D¨ampfung vorhanden, sodass die Bewegungsgleichung mit m¨ x + dx˙ + [k − a0 ] x = 0 gegeben ist. Hierf¨ ur folgen die Eigenwerte zu s 2  d d k − a0 = −δ ±iω ±i − λ1,2 = − 2m m 2m Divergenz tritt auf, wenn ω 2 < 0 und |ω| > δ > 0. Fall II : aerodynamische D¨ ampfung bzw. Anfachung Die Bewegungsgleichung ist wie folgt gegeben, wobei d die strukturell begr¨ undete D¨ ampfung beschreibt, m¨ x + [d − a1 ]x˙ + kx = 0 . Der Ansatz x(t) = x ˆ eλt f¨ uhrt auf die Eigenwerte s 2  d − a1 d − a1 k ±i − = −δ ± iω λ1,2 = − 2m m 2m Hier sind folgende F¨ alle zu unterscheiden: δ δ δ δ

>0 >0 0 Ma ge MF ed + dMa u ¨ber die Ausgangslage zur¨ uckdreht. Im Bild–unten ist der Anstellwinkel so gering, dass Feder– und Auftriebsmoment der Bewegung entgeBild 26-13 Drehschwingung gen wirken und das Profil zu einer erneuten Schwingung anregen.

26.6 Dynamische aeroelastische Ph¨ anomene

283

Infolge Abreißen der Str¨ omung sind starke Nichtlinearit¨aten in der Charakteristik des aerodynamischen Moments vorhanden, sodass die Bewegungsgleichung nicht analytisch gel¨ ost werden kann. Die Bewegungsgleichung f¨ ur die Drehbewegung α(t) mα ¨ + k α = q∞ ℓ(cm (αo ) + cm (α),α α) mα ¨ + (k − q∞ ℓ cm (α),α ) α = q∞ ℓ cm (αo ) zeigt, dass die negative“ aerodynamische Steifigkeit die Anfachung der Be” wegung bewirkt. Obwohl es sich aufgrund der aerodynamischen Steifigkeit eigentlich um Divergenz handelt, entwickelt sich infolge der Nichtlinearit¨at eine Schwingung mit begrenzten Amplituden, die als Abreissflatter bezeichnet wird. Ursache hierf¨ ur ist, dass der aerodynamische Momentenbeiwert cm (α),α w¨ ahrend der Bewegung das Vorzeichen wechselt, sodass Abreissflatter im Wesentlichen einer parametererregten Schwingung entspricht. Bei genauerer Betrachtung verringert sich das Abl¨osegebiet der Str¨omung bei einer Drehung des Profils nach oben geringf¨ ugig und vergr¨oßert sich bei einer Drehung nach unten. Die hiermit verbundene aerodynamische Anfachung – mit negativem aerodynamischen Geschwindigkeitskoeffizienten – ist jedoch gering und nicht urs¨ achlich f¨ ur Abreissflatter verantwortlich. Bild 26-14 verdeutlicht das Ph¨ anomen mit einem Diagramm, das die Entwicklung des aerodynamischen Momen¨ tes Ma bei Anderung des Anstellwinkels α zeigt. Bei statischer Betrachtung steigt das aerodynamische Moment mit der Ursprungsgeraden an. Liegt eine Schwingung mit anliegender Str¨ omung vor, steigt das aerodynamische Moment zun¨ achst von B bis C an und verringert sich mit Abreißen der Str¨ omung von C nach D bei fallendem Anstellwinkel. Von D bis F steigt das aerodynamische Moment wieder an, da sich das Gebiet mit abgerissener Str¨ omung solange verringert, bis die Str¨ omung in F wieder anliegt.



S

C

A F B

E D ∆α S1

+ ∆α S2

α 0 + ∆α α S

α

Bild 26-14 Abreissflatter

Abreissflatter kann bei großen Anstellwinkeln und entsprechender Torsionsteifigkeit auftreten, was bei fliegenden“ D¨ achern, leichten Br¨ ucken, Rotoren und ” Turbinenschaufeln der Fall ist.

284

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

26.6.3 Galloping In Bild 26-15 sind die Stromlinien einer abgel¨ osten Str¨omung um den Querschnitt eines elastisch gelagerten, kantigen Profils skizziert, das sich nach unten bewegt. Infolge der Bewegung nach unten reisst die Str¨omung auf der oberen Seite ab, was eine Druckerh¨ ohung auf der oberen Seite zur Folge hat und die Abw¨ artsbewegung verst¨ arkt. In der Folge erh¨ oht sich die effektive Anstr¨omgeschwindigkeit, sodass das Abl¨ osegebiet der Str¨ omung anw¨achst und der Druck am oberen Rand des Profils weiter ansteigt, bis letztendlich die nach oben gerichtete Federkraft das Profil so weit abbremsen kann, dass der Querschnitt zur Ruhe kommt und sich danach mit entsprechend umgekehrten Vorzeichen nach oben bewegt. Die so entstehende Schlagbewegung h(t) besitzt begrenzte Amplituden, da sich beim Abbremsen der Bewegung die Anstr¨omgeschwindigkeit verringert und damit auch der aerodynamische Druck auf der gegen¨ uberliegenden Seite des Profils. Ursache der Bewegung ist das Zusammenwirken der Federkraft mit der sich w¨ ahrend der Bewegung ver¨andernden effektive Anstr¨ omungsgeschwindigkeit.

u∞ ∆u

u rel

ueff u1

h Querkräfte Strömungsablösung

P

Bild 26-15 Galloping bei Umstr¨ omung eines elastisch gelagerten, kantigen Profils Aufgrund der bewegungsinduzierten aerodynamischen Kr¨afte, die die Bewegung anfachen, handelt es sich hierbei um ein weiteres Ph¨anomen mit Selbsterregung, das dem Abreissflattern allerdings nicht direkt vergleichbar ist, da es urs¨ achlich mit der aerodynamischen Anfachung – negative D¨ampfung – verkn¨ upft ist. Das als Galloping bezeichnete Ph¨ anomen ist eine Schlagbewegung und tritt bei Querschnitten mit Abreisskanten auf. Die Bewegungsgleichung f¨ ur die vertikale Bewegung h(t) ¨ + k h = q∞ ℓ(cℓo + cℓ , ˙ h) ˙ mh h m¨ h − q∞ ℓ cℓ ,h˙ h˙ + k h = q∞ ℓ cℓo verdeutlicht, dass hier der negative aerodynamische D¨ampfungsbeiwert die Anfachung der Bewegung bewirkt.

26.6 Dynamische aeroelastische Ph¨ anomene

285

26.6.4 Zwei–Freiheitsgrad–Flatter Der klassische Fall eines Flatterph¨ anomens mit zwei Freiheitsgraden ist das Biege–Torsions–Flatter eines in der Str¨ omung angestellten und elastisch gelagerten Profils. Der Begriff stammt aus dem Flugzeugbau und kann mit der Kopplung der Hub– und Drehbewegung einer Platte anschaulich erkl¨art werden. Flatter kann auftreten, wenn die Hub– und die Drehschwingung um 90o phasenverschoben sind, siehe Bild 26-16–unten. Die w¨ahrend einer Schwingung geleisteten Arbeiten A sind insgesamt positiv, werden nicht dissipiert sondern fortlaufend in den Federn des Systems gespeichert, sodass die Amplituden stetig zunehmen. Ist dagegen keine Phasenverschiebung vorhanden, heben sich die positiven und die negativen Arbeiten A w¨ ahrend einer Periode auf, siehe Bild 26-16–oben. Die Schwingung bleibt auf kleine Amplituden begrenzt.

k h, k α m h, m α

u∞ α

L+

L+ h

A>0

L-

L+ h

A0

L- h

A>0

Bild 26-16 Biegetorsionsflatter Die Bewegungsgleichungen f¨ ur die Schlag– und Drehbewegung der im Schnitt betrachteten Platte haben – hier ohne rechte Seite, ohne Strukturd¨ampfung und ohne aerodynamische Masse – formal folgendes Aussehen: #" " #" # " # ¨ mhh mhα −q∞ ℓcℓ ,h˙ −q∞ ℓcℓ ,α˙ h h˙ + mαh mαα −q∞ ℓ2 cm ,h˙ −q∞ ℓ2 cm ,α˙ α ¨ α˙ #" # " # " h 0 khh − q∞ ℓcℓ ,h khα − q∞ ℓcℓ ,α = . + kαh − q∞ ℓ2 cm ,h kαα − q∞ ℓ2 cm ,α α 0 Sind der Staudruck bzw. die Anstr¨ omgeschwindigkeit null, reduzieren sich die Gleichungen auf das elastische Tragwerk mit entsprechenden Eigenkreisfrequenzen. Mit Steigerung der Anstr¨ omgeschwindigkeit bzw. des Staudrucks q∞ wandern die Eigenkreisfrequenzen der Biege– und der Torsionsschwingung aufeinander zu, sodass die Eigenschwingungsformen verschmelzen. Bei der kritischen Anstr¨ omgeschwindigkeit wird eine gekoppelte Bewegung mit einer einzigen Frequenz erreicht, die als Biege–Torsions–Flatter bezeichnet wird.

286

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

Das Ph¨ anomen kann bei Systemen mit vielen Freiheitsgraden auf die gekoppelte Bewegung von zwei Schwingungsformen u ¨bertragen werden, wenn entsprechende Bedingungen vorliegen. So k¨ onnen fl¨ achige Bauteile wie leichte Fassaden oder Dacheindeckungen, Membranen oder Zelte mit der Umstr¨omung so zusammenwirken, dass Flatter auftritt.

26.6.5 Whirl–Flatter Ein weiteres Flatterph¨ anomen tritt bei elastisch gelagerten Rotoren auf. Bild 26-17 zeigt einen elastisch gelagerten Rotor, der infolge Windanstr¨omung u∞ mit konstanter Drehgeschwindigkeit Ω rotiert. Das als Whirl–Flatter bezeich-

8

W A

y,w

x

lx

Wt z,v

A

W

u

8

u

A

Bild 26-17 Elastisch gelagerter Rotor nete Schwingungsverhalten beruht auf einer Interaktion der Schwingung der elastischen Lagerung des Rotors und der Aerodynamik der infolge der Schwingung ver¨ anderten Rotationsebene. Das, was im kleinen bei dem Propeller einer Klimaanlage geschieht, kann auf großer Skala bei einer Windkraftanlage geschehen, wenn die Steifigkeiten und die aerodynamische Druckverteilung entsprechend abgestimmt sind. Bei elastischer Lagerung des Rotors kann sich der Festhaltepunkt A der Rotorbl¨ atter um die y–Achse und um die z–Achse drehen, sodass die Rotorebene eine Taumelbewegung ausf¨ uhrt. Infolge der sich verdrehenden Rotorebene ver¨andert die Resultierende der aerodynamischen Druckverteilung auf den Rotorbl¨attern ihre Richtung, sodass sich die Kr¨ afte– bzw. Momentenbilanz am Festhaltepunkt ¨ andert und die Bewegung entsprechend beeinflusst. In der Folge erf¨ahrt der Aufh¨ angepunkt eine Drehbewegung, siehe Bild 26-17–rechts–unten. Ob sich der Festhaltepunkt im Uhrzeigersinn oder entgegengesetzt bewegt, h¨angt von der Ausrichtung der Rotorbl¨ atter in Bezug zur Anstr¨omung und den Steifigkei-

26.6 Dynamische aeroelastische Ph¨ anomene

287

¨ ten der Aufh¨ angung ab. Der jetzt folgende Prozess ist eine Uberlagerung aus Vertikal– und Horizontalschwingung der Rotorfesthaltung sowie der Rotation der starren Rotorbl¨ atter. Wenn die Frequenz der Nick– oder Gierbewegung und die Rotationsfrequenz u ¨bereinstimmen, kommt es zu einer angefachten Flatterbewegung, andernfalls ist die Bewegung ged¨ ampft. Wenn die Verdrehungen der Rotorebene mit den Verschiebungen v und w am Haltepunkt A und entsprechendem Verlauf der Verschiebungen entlang der x– Achse beschrieben werden, erhalten die Bewegungsgleichungen f¨ ur ein einzelnes Rotorblatt vereinfachend folgende Form: #" # " #" # " v mvv mvw v¨ kvv kvw − + mwv mww kwv kww w w ¨ #" # " " #" # # " cos Ωtcℓ ,v˙ v˙ 0 sin Ωtcℓ ,w v Lv0 q∞ ℓx { + . }= sin Ωtcℓ ,w˙ w˙ cos Ωtcℓ ,v 0 w Lw0 In der ersten Zeile stehen die diskretisierten Gleichungen f¨ ur die Bewegung des Haltepunktes, wobei die Verbindung zum Pylon als Balken der L¨ange ℓx ohne Strukturd¨ ampfung angesetzt ist. In der zweiten Zeile stehen die integralen aerodynamischen Kr¨ afte infolge des Rotorblattes an der Stelle ℓx . Bei einer Nickgeschwindigkeit w˙ wirken die aerodynamischen Kr¨afte in die Richtung der Bewegung, wohingegen die Anstell¨ anderung infolge Nickverschiebung w eine ¨ Anderung der aerodynamischen Kr¨ afte senkrecht zur Bewegung bewirkt. Der kritische Staudruck q∞,k bzw. die Anstr¨ omgeschwindigkeit u∞,k , bei der Instabilit¨ at eintritt, h¨ angt vom Anstellwinkel der Rotorbl¨atter ab. In Bild 26-18 aerodynamischer Neutralpunkt M u∞

Flächenschwerpunkt

L

Schubmittelpunkt (elastische Achse) s

Ωr

Rotorebene

e z2

α ( y2 )

d y2

Skelettlinie

l

Bild 26-18 Elastisch gelagerter Rotor ist der Querschnitt eines Rotorblattes mit Geometrie und Windgeschwindigkei¨ ten skizziert. Die effektive Anstr¨ omgeschwindigkeit ist eine Uberlagerung der Windgeschwindigkeit u∞ und der lokalen Geschwindigkeit Ω r aus Drehung des Rotorblattes, die mit der Entfernung r zur Drehachse anw¨achst.

288

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

Das Ph¨ anomen ist noch komplexer, wenn die Rotorbl¨atter als elastisch angesetzt werden und sich in der Folge eine zus¨ atzliche Biege–Torsionsschwingung der elastischen Rotorbl¨ atter u ¨berlagert. Die gekoppelte Schwingung von Rotorblatt und elastischer Festhaltung bezeichnet man als Rotor–Whirl–Flatter.

26.7 Erzwungene Schwingungen Erzwungene Schwingungen aus Wirbelanregung im Windschatten eines Geb¨audes oder aus nat¨ urlicher Turbulenz und B¨ oen werden wie in der klassischen Dynamik der Tragwerke behandelt. Die Schwierigkeit besteht hier in einer angemessenen Beschreibung der Einwirkungen, die nur stark vereinfachend angesetzt werden k¨ onnen. Grunds¨ atzlich handelt es sich jedoch um ein Antwortproblem, das auf stabile Bewegungen mit endlichen Amplituden oder im Resonanzfall auf instabile Bewegungen mit anwachsenden Amplituden f¨ uhrt.

26.8 Zylindrische Bauteile im Str¨ omungsfeld Nachfolgend wird die Ph¨ anomenologie der Bewegung zylindrischer Bauteile im Str¨ omungsfeld diskutiert und die Zusammenh¨ ange mit den einschl¨agigen Normen aufgezeigt. Als zylindrische Bauteile werden Schornsteine, T¨ urme, Masten aber auch Seile sowie Kabel von Br¨ ucken verstanden, die im Vergleich zur L¨ange kleine Querschnittsabmessungen haben.

8

v

u

8

Die Druckverteilung aus Umstr¨ omung h¨ angt von der Form des Querschnittes ab, der im Idealfall kreisf¨ ormig ist aber auch anders sein kann. In der Grenzschicht sind große Geschwindigkeitsgradienten vorhanden, die dazu f¨ uhren, dass die außen liegende Str¨ omung die Randstr¨ omung u ¨berholt“ und nach in” nen dr¨ uckt. Hierbei entsteht ein Wirbel, der mit der Grundstr¨ omung in Str¨ omungsrichtung transportiert wird. Das Ph¨ anomen der Wirbelentstehung findet zun¨ achst symmetrisch auf beiden Seiten des Zylinders statt, wechselt aber nach kurzer Zeit in eine unsymmetrische Wirbelentstehung, die zur von Karman’schen Wirbelstraße f¨ uhrt.

Ablösepunkt

Totwasser

L

Bild 26-19 Wirbelentstehung

26.8 Zylindrische Bauteile im Str¨ omungsfeld

289

Bei kreisf¨ ormigen Profilen sind die Anregung von Querschwingungen infolge der von Karman’schen Wirbelstraße und das Ovalisieren der Querschnitte zu beachten. Das Ovalisieren der Querschnitte und die Querschwingungsanf¨alligkeit kann man konstruktiv vermeiden, indem an der Außenseite des Zylinders Steifen, Lysenen oder vergleichbare konstruktive Maßnahmen angeordnet werden, die zum Abreißen der Str¨ omung mit unregelm¨ aßiger Druckverteilung f¨ uhren.

26.8.1 Ph¨ anomenologie der Umstr¨ omung kreisf¨ ormiger Querschnitte In Bild 26-20 sind die Stromlinien der Umstr¨ omung eines Kreisquerschnittes vereinfachend dargestellt. Bei paralleler Anstr¨ omung teilt sich die Str¨omung auf, und beschleunigt an der Ober– und der Unterseite“. Infolge der h¨oheren ” Geschwindigkeit an den Seiten entsteht ein Unterdruck, der den Querschnitt zum Ovalisieren anregt. Setzt man einen starren Querschnitt voraus, str¨omt die Luft um den Querschnitt herum, wird hierbei teilweise abgebremst und teilweise beschleunigt, sodass sich der Druck ver¨ andert.

dA

8

u

dA

u

dA

8

8

u

Bild 26-20 Wirbel im Nachlauf eines Kreisquerschnittes Die Art der im Nachlauf des Kreisquerschnittes entstehenden Str¨omungscharakteristik h¨ angt stark von der Reynolds–Zahl Re ab, die auch mit der Strouhal– Zahl S und dem Widerstandsbeiwert cD verkn¨ upft ist. Die Strouhal–Zahl ist wichtig, da mit ihr die Wirbelabl¨ osefrequenz fW festgelegt ist. fW · dz S= . u∞ Der Zylinderdurchmesser ist hier mit dz bezeichnet. Ist die Tragwerksfrequenz fT bekannt, so kann man aus der Resonanzbedingung fT = fW die kritische Anstr¨ omungsgeschwindigkeit berechnen: fW · dz . u∞ = S (Re)

290

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

Abh¨ angig von der Reynolds–Zahl unterscheidet man folgende Ph¨anomene: A : unterkritische Str¨ omung B:u omung ¨berkritische Str¨ C : transkritische Str¨ omung

Re < 5 · 105 , S ≈ 0,2, cD ≈ 1,2 5 · 105 < Re < 5 · 106 , S > 0,27, cD klein 5 · 106 < Re, S ≈ 0,27, cD ≈ 0,7

Die Abh¨ angigkeit der Strouhal–Zahl von der Reynolds–Zahl und damit von den unterschiedlichen Str¨ omungscharakteristiken wird experimentell bestimmt und ist in Bild 26-21 dargestellt. Die unterkritische Str¨omung A besitzt eine laminare Grenzschicht mit einem Abl¨ osepunkt bei ca. 80o und eine periodische Wirbelstraße, die aus parallelen Stabwirbeln besteht, siehe auch Bild 26-20–oben. Die u omung B besitzt eine turbulente Grenzschicht mit einem ¨berkritische Str¨ Abl¨ osepunkt bei ca. 130o und ist im Nachlauf stochastisch mit unregelm¨aßiger Str¨ omungscharakteristik. Die transkritische Str¨ omung C besitzt ebenfalls eine turbulente Grenzschicht, aber einen fastperiodischen Nachlauf.

s 0,3 0,2 A

0,1 10

4

B 105

C 10

6

107

Re

Bild 26-21 Strouhal– und Reynolds–Zahl

26.8.2 Querschwingungen kreisf¨ ormiger Querschnitte Infolge der Wirbelabl¨ osung kommt es am Querschnitt zu periodischen Quertriebs– bzw Auftriebskr¨ aften, die entsprechend dem Str¨omungszustand von der Reynolds–Zahl abh¨ angen: ˆ cos Ωt [N/m] , ΩW = 2πfW , L ˆ = cℓ · q∞ · dz . L=L Der kritische Staudruck q∞ krit , bei dem die Wirbelabl¨osefrequenz fW mit der Eigenfrequenz des Tragwerks u ¨bereinstimmt, ist mit der kritischen Geschwindigkeit ukrit = fW · dz /S (Re) und der querschnittsabh¨angigen Strouhal-Zahl S (Re) festgelegt. Bild 26-22 zeigt die in DIN EN 1991-1-4 gew¨ahlten Auftriebsbeiwerte clateral . Infolge der periodischen Auftriebskr¨afte k¨onnen Resonanzschwingungen mit großen Schwingungsamplituden entstehen, die zur Erm¨ udung des Materials oder sogar zum Einsturz des Bauwerks f¨ uhren k¨onnen.

26.8 Zylindrische Bauteile im Str¨ omungsfeld

clat,o

291

0,7

0,5

0,2 0,0 104

10

5

106

10

7

Re

Bild 26-22 Auftriebsbeiwerte f¨ ur die Wirbelerregung von Kreisquerschnitten Die Bewegungsgleichung f¨ ur die elastisch schwingende Masse eines zylindrischen Bauteils m[kg] bzw. Bauteilabschnittes m[kg/m] ist mit ˆ cos ΩW t m¨ x + dx˙ + kx = L gegeben. Formt man die Bewegungsgleichung entsprechend Abschnitt 5.1 mit τ = ωo · t und ξ = x/dz in die dimensionslose Schreibweise um, folgt ξ ′′ + 2ϑ ξ ′ + ξ =

ˆ L ΩW · cos( τ) 2 dz · m · ωo ωo

ξ ′′ + 2ϑ ξ ′ + ξ =

q∞ ΩW · cℓ · cos( τ) . 2 m · ωo ωo

und weiter

Die auf der rechten Seite stehende Amplitude kann mit q∞ und der dimensionslosen Geschwindigkeit u¯ oder mit ωo = 2πfW und der Strouhal–Zahl mit u ¯=

1 u∞ = . dz · ωo S · 2π

umgeformt werden. Zun¨ achst folgt die Amplitude zu q∞ ρ∞ · u2∞ ρ∞ · d2z · ωo2 · u¯2 ρ∞ · d2z 2 = = = · u¯ . m · ωo2 2 · m · ωo2 2 · m · ωo2 2·m Der dimensionslose Quotient ρ∞ · d2z 2 mLuft 1 = = · m ¯ 2·m π mBauteil

wird als Massenparameter bezeichnet, und ist ein Maß f¨ ur das Massenverh¨altnis der durch das Bauteil verdr¨ angten Luft zur Tragwerksmasse. Eine weitere

292

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

Modifikation mit dem logarithmischen D¨ ampfungsmaß Λ = δ/f liefert den Massend¨ ampfungsparameter Sc = m ¯ ·Λ , der auch als Scrutonzahl Sc bezeichnet wird. Mit m ¯ folgt die dimensionslose Bewegungsgleichung zu ξ ′′ + 2ϑ ξ ′ + ξ =

u ¯2 ΩW · cℓ · cos( τ) . m ¯ ωo

Die L¨ osung der Bewegungsgleichung ist nach Abschnitt 7 bekannt und kann mit der Vergr¨ oßerungsfunktion sowie dem Phasenwinkel dargestellt werden. Hier ist allerdings nicht die Abh¨ angigkeit von der Erregerfrequenz ΩW von Interesse, sondern die Abh¨ angigkeit der Amplitude von der Anstr¨omgeschwindigkeit bzw. der Strouhal– und Scrutonzahl. Bild 26-23 verdeutlicht, dass bei S ≈ 0,2 und kleiner bezogener Tragwerksmasse m ¯ bzw. Sc eine besondere Gef¨ahrdung gegen Wirbelerregung vorliegt. Das rechte Bild zeigt qualitativ, dass die Systemantwort x bei kleiner Scruton–Zahl stark anwachsen kann. S

0,2

1 S 8

Instabilität

Wirbel

x d

6 4

glatter Zylinder

2 20

40

60 Sc

20

40

60 Sc

Bild 26-23 Antwortamplitude bei Wirbelerregung von Kreisquerschnitten

26.8.3 Die Widerstandsbeiwerte kreisf¨ ormiger Querschnitte Zus¨ atzlich zur Schwingungsanf¨ alligkeit ist die statische Einwirkung infolge Str¨omungswiderstand zu beachten. Die Widerstandsbeiwerte cD betragen vereinfachend nach DIN EN 1991-1-4 f¨ ur technisch glatte Oberfl¨achen Kreis cD ≈ 0,7 , Quadrat → gedrungen“ cD ≈ 1,3 , ” Rechteck → gestreckt“ cD ≈ 1,7 , ” sodass die Belastung eines entsprechenden Tragwerks mit p = cD · q∞ · dz

26.9 Aufstellen und L¨ osung der Bewegungsgleichungen

293

festgelegt ist. Hier bezeichnet q∞ den Staudruck und dz die Abmessung des Bauteils. Die Abh¨ angigkeit des Widerstandsbeiwertes von der Art der Str¨omung ist in Bild 26-24 dargestellt. Deutlich ist die Abh¨angigkeit von der Reynolds– Zahl analog zu Bild 26-20 sowie vom Rauigkeitsbeiwert k/b zu erkennen. cD

c f,0

1,0

rauher Zylinder

0,5

glatter Zylinder

k/b 10-2 -3 10 -4 10 100 · dz ,

um unterschiedliche Bauwerksh¨ ohen ber¨ ucksichtigen zu k¨onnen.

26.9 Aufstellen und L¨ osung der Bewegungsgleichungen Das Aufstellen der Bewegungsgleichungen erfolgt generell mit den Verfahren aus Abschnitt 4, wobei lediglich die aerodynamischen Einwirkungen zus¨atzlich ber¨ ucksichtigt werden. Bei kontinuierlichen Tragwerksmodellen bedeutet dies, dass die Finite–Element–Methode f¨ ur die Diskretisierung der Arbeitsgleichungen eingesetzt werden sollte. Sind die aerodynamischen Einwirkungen wegabh¨ angig, k¨ onnen die aerodynamischen Matrizen Ai im allgemeinen Fall unsymmetrisch und komplex sein, was bei der L¨ osung der Bewegungsgleichung beachtet werden muss. Die Bewegungsgleichung f¨ ur aeroelastische Aufgabenstellungen ist bereits in Abschnitt 26.6 angegeben und erl¨autert. Es gilt daher M¨ x + D x˙ + K x = p0 (t) + pA (x) . Mit

pA (x) = A2 x ¨ + A1 x˙ + A0 x

folgt

(M − A2 ) x ¨ + (D − A1 ) x˙ + (K − A0 ) x = p0 (t)

bzw.

Meff x ¨ + Deff x˙ + Keff x = p0 (t) .

Die effektiv wirksamen Koeffizientenmatrizen beschreiben das aeroelastische Verhalten des Tragwerks. Die L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung wird nachfolgend f¨ ur allgemeine F¨ alle beschrieben.

294

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

26.9.1 Eigenwertaufgabe bei unsymmetrischen, komplexen Matrizen Der Ansatz x = x ˆ·eλt f¨ ur die L¨ osung der homogenen Bewegungsgleichung liefert die quadratische Eigenwertaufgabe mit unsymmetrischen und im Sonderfall auch komplexen Matrizen   Meff · λ2 + Deff · λ + Keff x ˆ=0.

Die L¨ osung der Eigenwertaufgabe erfolgt zun¨ achst f¨ ur unsymmetrische Matrizen und danach f¨ ur komplexe Matrizen. Unsymmetrische Matrizen Die Transformation der quadratischen Eigenwertaufgabe in eine Darstellung mit x und x˙ = λx liefert eine lineare Eigenwertaufgabe " # " # # " −Keff 0 0 Keff x ˆ { } =0. ·λ+ 0 Meff Keff Deff λˆ x Mit dem rechts–Eigenvektor ˆ r=

"

x ˆ λˆ x

#

folgt abgek¨ urzt [A · λ + B] · ˆ r=0. F¨ ur die transponierte Eigenwertaufgabe gilt ebenso T [A · λ + B] · ˆl = 0 ,

wenn ˆl als links–Eigenvektor bezeichnet wird. Beide Eigenwertaufgaben besitzen die gleichen Eigenwerte, wenn   det [A · λ + B] = det AT · λ + BT = 0

erf¨ ullt sein soll. Es gilt weiterhin nach Multiplikation der Eigenwertaufgabe mit den jeweils konjugierten Eigenvektoren von links und Differenzbildung ˆlT · [A · λk + B] · ˆ rk = 0 j   ˆ rTk · AT · λj + BT · ˆlj = 0

| · (−1)

ˆlT A ˆ rk · (λk − λj ) = 0 . j

Aus der Differenz beider Gleichungen folgt, dass die rechts– und links–Eigenvektoren bez¨ uglich A orthogonal sein m¨ ussen. F¨ ur k 6= j und λk 6= λj gilt

26.9 Aufstellen und L¨ osung der Bewegungsgleichungen

295

daher ˆlTj · A ·ˆ rk = 0. F¨ ur k = j und λk = λj k¨onnen die Eigenvektoren auf ˆlT ·A·ˆ r = 1,0 normiert werden. Analog zur Eigenwertaufgabe f¨ ur symmetrische k k Matrizen k¨ onnen die Eigenvektoren in eine Modalmatrix jeweils f¨ ur die rechts– und die links–Eigenvektoren zusammengefasst werden h i h i ˆ = ˆ ˆ = ˆlk . R rk , L

Die links–Eigenvektoren sind von Bedeutung, wenn Modal–Analyse–Verfahren eingesetzt werden und die Trennung der Eigenschwingungsformen gew¨ unscht ist. Die links–Eigenvektoren u ¨bernehmen dann die Aufgabe der virtuellen Freiheitsgrade. Mit nachfolgendem Beispiel soll die Vorgehensweise erkl¨art werden. Gegeben ist das Eigenwertaufgabe mit unsymmetrischer B–Matrix:     2 4 −3 ˆ = 0. {λ + }x 10 −1 6 Die Berechnung der Eigenwerte λ1, 2 gibt λ1 = −0,5 , λ2 = −2,1 .

Hiermit k¨ onnen die rechts–Eigenvektoren ˆrj und die links–Eigenvektoren ˆlj bestimmt werden:         +1 +15 +1 +5 ˆr1 = , ˆr2 = , ˆl1 = , ˆl2 = . +1 −1 +3 −1 Mit den Eigenvektoren k¨ onnen die quadratischen Formen bez¨ uglich der A– Matrix ausgewertet werden ˆrT1 A ˆr2 = 20 , ˆlT1 A ˆl2 = −20 , ˆlT2 A ˆr1 = 0 , ˆlT1 A ˆr2 = 0 , die die Orthogonalit¨ at der rechts– und links–Eigenvektoren best¨atigen. Komplexe Matrizen Die Matrizen der Bewegungsgleichung k¨ onnen komplex sein, wenn die aerodynamischen Derivativa cL ,α , cL ,h oder andere eine Phasenverschiebung enthalten. Die Eigenwertaufgabe kann wie oben gezeigt angeschrieben werden [A· λ + B]·ˆ r = 0. Auch wenn nur ein einziges Element einer der beiden Matrizen A, B komplex oder imagin¨ ar ist, sind im allgemeinen Fall zun¨ achst alle Matrizen und Vektoren

296

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

mit Real– und Imagin¨ arteilen versehen A B ˆ r λ

= AR + i AJ , = BR + i BJ , =ˆ rR + i ˆ rJ , = λR + i λJ .

In die Eigenwertaufgabe eingesetzt, folgt [(AR + i AJ ) · (λR + i λJ ) + (BR + i BJ )] · (ˆ rR + i ˆ rJ ) = 0 . Trennt man die Real- und die Imagin¨ arteile, folgen zwei Gleichungen in reeller Schreibweise. In Matrizenschreibweise stehen in der ersten Zeile die Realteile und in der zweiten Zeile die Imagin¨ arteile der Eigenwertaufgabe # # " # " # " " ˆ rR −AJ −AR BR −BJ AR −AJ = 0. } · λR + · λJ + { ˆ rJ BJ BR AR −AJ AJ AR Die Eigenwerte und Eigenvektoren werden jetzt iterativ berechnet,  T wobei  λR und λJ gleichzeitig unbekannt sind. Weil der Eigenvektor ˆ rT = x ˆ , λˆ xT insgesamt 4n Freiwerte hat, liegt eine Eigenwertaufgabe der Ordnung 4n vor, was im Widerspruch zur urspr¨ unglichen Ordnung 2n ist. Dies liegt daran, dass die Eigenwerte jetzt nicht mehr konjugiert komplex sind, sondern 2n–Realteile und 2n–Imagin¨ arteile berechnet werden m¨ ussen. Damit existieren 2n Eigenwerte λk λk = λR,k + i · λJ,k

k = 1, . . . 2n

und in u ampfungskoeffizient und Eigenkreisfrequenz ¨blicher Schreibweise mit D¨ λk = −δk + i · ωk , k = 1, . . . 2n . Darstellung der Eigenwerte In der Aeroelastizit¨ at h¨ angen die Eigenwerte in der Regel von einem oder mehreren Parametern ab, mit denen die Empfindlichkeit des Systems gegen¨ uber unterschiedlichen Situationen untersucht werden kann. Die Darstellung der Eigenwerte erfolgt dann parameterabh¨ angig in der komplexen Zahlenebene. Wenn die Matrizen von der Anstr¨ omgeschwindigkeit u∞ bzw. dem Staudruck q∞ abh¨ angen, bietet sich eine 3D-Darstellung nach Bild 26-25 an. Hier ist der ¨ Ubergang von einer ged¨ ampften Schwingung zur Divergenz bei Steigerung der Anstr¨ omgeschwindigkeit dargestellt.

26.9 Aufstellen und L¨ osung der Bewegungsgleichungen

297

u Im [ a ] = w

mit Dämpfung

Re [ a ] =

ohne Dämpfung

d

Bild 26-25 Entwicklung der Eigenwerte bei Steigerung von u∞ Bild 26-26–links zeigt das Zusammenwachsen zweier Eigenformen in der u∞ –ω– Ebene, wie es bei Biege–Torsions–Flatter bei Steigerung der Anstr¨omgeschwindigkeit der Fall ist. In der Projektion auf die komplexe Zahlenebene nach Bild ¨ 26-26–rechts wird der Ubergang von der unterkritischen zur u ¨berkritischen Be¨ wegung noch deutlicher, hier f¨ ur den Ubergang vom unged¨ampften Fall zum Flatterfall gezeigt.

w2 < 0

Im [ l ] = w

Statik d = 0 Dynamik d = 0

+

u

w2 Flatter

w1 +

u

w1

w2

w

Bild 26-26 Eigenwerte in der komplexen Zahlenebene

Re [ l ] =

d

298

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

26.10 Regen–Wind induzierte Schwingungen Seile sind bevorzugte Tragelemente, wenn große Zugkr¨afte mit relativ geringem Materialeinsatz aufgenommen werden m¨ ussen. Aufgrund der verschwindenden Biegesteifigkeit sind sie sehr schwingungsanf¨ allig gegen Anregungen quer zur Seilachse, vergleiche Abschnitt 25. In der Regel bieten die Vorspannung aus planm¨ aßigen Zugkr¨ aften sowie die D¨ ampfungseigenschaften des Materials und der umgebenden Luft einen ausreichenden Widerstand gegen das Auftreten von Schwingungen. Dennoch traten in der Vergangenheit an verschiedenen abgeh¨ angten Br¨ ucken Schwingungsph¨ anomene auf, die in dieser Art noch unbekannt waren und die zur Materialerm¨ udung f¨ uhren k¨onnen. 1979 beschreibt Wianecki [52] einen 1976 an einer Schr¨agkabelbr¨ ucke u ¨ber die Seine aufgetretenen Schadensfall. Bei einer m¨ aßigen Windgeschwindigkeit von ca. 15 m/s traten Seilschwingungen mit einer Doppelamplitude von bis zu 600 mm auf. Nach heutigen Erkenntnissen war die Ursache ein lange Zeit unbekanntes Ph¨ anomen, das auf einen Selbsterregungsmechanismus zur¨ uckzuf¨ uhren ist, der sich nur bei Regen und Wind einstellen kann. Erst 1986 entdecken Hikami et al. [24] an den Schr¨agkabeln der Meikonishi Br¨ ucke in Japan ein Schwingungsph¨ anomen, das sich an Schr¨agkabeln bei gleichzeitigem Auftreten von Regen und Wind entwickeln kann. Die Auswertung der Schwingungsmeßschriebe und anschließende Untersuchungen im Windkanal belegen, dass das hier beobachtete Ph¨ anomen ein Selbsterregungsmechanismus ist, der aus dem Zusammenwirken der Umstr¨omung des Seiles mit dem an der Seiloberfl¨ ache entlanglaufendem Regenwasser entsteht. Das gleiche Ph¨ anomen wird an der Erasmus–Br¨ ucke in Roterdam beobachtet, siehe Bild 26-27.

Bild 26-27 Schr¨agkabelabspannung an der Erasmusbr¨ ucke in Rotterdam Bis heute sind zahlreiche in–situ Messungen sowie experimentelle Arbeiten erfolgt, die die ersten Untersuchungen best¨ atigen.

26.10 Regen–Wind induzierte Schwingungen

299

26.10.1 Seilquerschnitte in Luftumstr¨ omung Die Aerodynamik einer Seilumstr¨ omung ist ¨ ahnlich der eines zylindrischen Querschnitts. Sie ist im Wesentlichen von der Reynolds–Zahl Re = u∞ · d/ν bestimmt, mit der die Str¨ omungsph¨ anomenologie klassifiziert werden kann, vergleiche hierzu Abschnitt 26.8. Bei Reynolds–Zahlen Re < 1,5 · 104 − 2,0 · 105 ist die Str¨omung unterkritisch und l¨ ost sich laminar von der Zylinderoberfl¨ ache ab. Dies hat eine mehr oder weniger regelm¨ aßige Druckverteilung zur Folge, die die Bewegung des Seiles steuert. Diese ist in laminarer Luftumstr¨ omung im Wesentlichen vom Luftwiderstand und/oder von der von Karman’schen Wirbelstraße gepr¨agt. Bei Reynolds–Zahlen 2 · 105 < Re < 3,5 · 105 wird die Str¨omung kritisch, sodass der Widerstandsbeiwert cD schlagartig abf¨ allt. Im u ¨berkritischen Bereich ab Re = 3,5 · 105 ist die Str¨ omung im Nachlauf des Querschnitts v¨ollig unregelm¨ aßig, was eine Druckerh¨ ohung auf der R¨ uckseite des Zylinders zur Folge hat. Hierbei f¨ allt der Widerstandsbeiwert auf cD ≈ 0,2 ab. Erst im transkritischen Bereich ab Re > 4 · 106 erreicht der Widerstandsbeiwert cD ≈ 0,5, wenn die Str¨ omung im Nachlauf regelm¨ aßigere Strukturen annimmt. Abbildung 26-28 zeigt den Verlauf des Widerstandsbeiwertes nach experimentellen Untersuchungen von Roshko [39] in Abh¨ angigkeit vom Str¨omungszustand.

1,4

1,2

Cd 1,0

0,8

"Schiller− Linke" Bereich

unter− kritischer Bereich

oberer Übergangs bereich−

trans− kritischer Bereich

0,6 kritischer Übergangs− bereich

0,4

über− kritischer Bereich

0,2

0,0

0,05

0,1

0,5

1

Re/10 6

5

Bild 26-28 Str¨ omungswiderstand von Zylindern nach Roshko [39]

10

300

26 Einf¨ uhrung in die Aeroelastizit¨at

26.10.2 Der Prandtl’sche Stolperdraht Ludwig Prandtl untersucht bereits 1914 den Einfluß der Reynolds–Zahl auf den Str¨ omungszustand und den Str¨ omungswiderstand von Kugeln, um Hinweise auf die Lage des Abl¨ osepunktes und M¨ oglichkeiten zu deren Beeinflussung zu erhalten. So befestigt er einen Drahtreif als Stolperdraht vor dem Abl¨osepunkt der laminaren Str¨ omung und beeinflußt hiermit die Str¨omung in der Grenzschicht. Infolge des Stolperdrahts wird die Grenzschicht turbulent und legt sich im Nachlauf des Stolperdrahtes wieder an, was eine Reduktion des Wider¨ stands zur Folge hat. Hiermit erreicht er einen Ubergang von der unterkritischen Str¨ omung zur u omung bei kleineren Reynolds–Zahlen als ohne ¨berkritischen Str¨ Stolperdraht.

Bild 26-29 Kugelumstr¨ omung ohne und mit Stolperdraht [30] Der Einfluß des Stolperdrahtes auf den Widerstandbeiwert ist in Bild 26-30 f¨ ur den kritischen Bereich dargestellt. Im unterkritischen Bereich ist der Widerstand reduziert, im u oht. Es liegt nahe, dass der von ¨berkritischen Bereich erh¨ Prandtl entdeckte Effekt auch bei der Umstr¨ omung von zylindrischen Querschnitten auftritt und hier einen ¨ ahnlichen Einfluß auf den Widerstand hat. cD ohne Stolperdraht 1,0

0,5

0

mit Stolperdraht

200.000

400.000

Re

Bild 26-30 Str¨ omungswiderstand ohne und mit Stolperdraht – qualitativ

26.10 Regen–Wind induzierte Schwingungen

301

26.10.3 Die Ph¨ anomenologie Regen–Wind induzierter Schwingungen Seidel et al. stellen in [43] und [44] ein Modell vor, das den Mechanismus von Regen–Wind–induzierten Schwingungen auf den zuerst von Prandtl entdeckten Stolperdrahteffekt zur¨ uckf¨ uhrt. Betrachtet man ein schr¨ ages Seil bei Regen, so wird das Wasser unter Eigengewicht u ¨ber den Umfang des Seiles nach unten fließen. Bei kleinen Windgeschwindigkeiten bildet sich das Rinnsal auf der Unterseite des Seiles. Mit steigender Windgeschwindigkeit gibt es eine kritische Windgeschwindigkeit, bei der sich das Rinnsal teilt oder als Ganzes zur Seite ausweicht, siehe Bild 26-31. Bei noch gr¨ oßeren Windgeschwindigkeiten liegen die Rinnsale auf dem Umfang des Seiles und k¨ onnen bei ca. 80o − 85o sogar die Lage des Abl¨osepunktes der laminaren Grenzschicht erreichen. Ist der Abl¨osepunkt erreicht, setzt der Selbsterregungsmechanismus der Regen–Wind–induzierten Schwingungen ein.

g

u∞