Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten: Theorie und Praxis mit R [1. Aufl.] 978-3-662-59053-9;978-3-662-59054-6

Dieses Lehrbuch stellt eine Vielzahl von Werkzeugen zur Analyse von Experimenten zur Verfügung: Es zeigt die Grundlagen

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German Pages VIII, 231 [232] Year 2019

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Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten: Theorie und Praxis mit R [1. Aufl.]
 978-3-662-59053-9;978-3-662-59054-6

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-VIII
Einführung (Torben Kuhlenkasper, Andreas Handl)....Pages 1-5
Einführung in R (Torben Kuhlenkasper, Andreas Handl)....Pages 7-28
Einfaktorielle Experimente (Torben Kuhlenkasper, Andreas Handl)....Pages 29-47
Annahmen der Varianzanalyse (Torben Kuhlenkasper, Andreas Handl)....Pages 49-65
Zweifaktorielle Experimente (Torben Kuhlenkasper, Andreas Handl)....Pages 67-108
k-faktorielle Experimente (Torben Kuhlenkasper, Andreas Handl)....Pages 109-138
Fraktionelle faktorielle Experimente (Torben Kuhlenkasper, Andreas Handl)....Pages 139-155
Alternative Auswertungsmethoden (Torben Kuhlenkasper, Andreas Handl)....Pages 157-192
Back Matter ....Pages 193-231

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Torben Kuhlenkasper Andreas Handl

Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten Theorie und Praxis mit R

Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten

Torben Kuhlenkasper · Andreas Handl

Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten Theorie und Praxis mit R

Torben Kuhlenkasper Hochschule Pforzheim Pforzheim, Deutschland

Andreas Handl Bielefeld, Deutschland

ISBN 978-3-662-59053-9 ISBN 978-3-662-59054-6  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-59054-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Spektrum © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Iris Ruhmann Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort

„Versuchen Sie, einen Sinn in dem zu erkennen, was Sie sehen…. Bleiben Sie neugierig!“ Dieser Wunsch des weltbekannten Physikers Stephen Hawking wurde anlässlich seines Todes von der University of Cambridge in einer Videobotschaft im März 2018 veröffentlicht (s. University of Cambridge 2018). Im gleichen Monat entstand auch die Idee für das vorliegende Buch. Der Wunsch des Ausnahmephysikers war beim Schreiben in den letzten Monaten stets eine große Motivation für mich. Mit dieser Einführung in die statistischen Methoden zur Auswertung von Experimenten möchte ich auch beim Leser sowohl Neugierde entfachen als auch befriedigen: Neugierde, mit welchen Methoden wir einen Sinn in dem erkennen können, was wir sehen und was uns interessiert. Nicht nur in den vielen Disziplinen der Wissenschaft, sondern in nahezu allen Lebensbereichen versuchen wir, Zusammenhänge zu verstehen. Mithilfe von Experimenten ganz unterschiedlicher Art decken wir dabei immer wieder Phänomene auf und ziehen daraus unsere Schlüsse für Wissenschaft und Alltag. Mit dem vorliegenden Buch möchte ich einen kleinen Beitrag dazu leisten, mit welchen Methoden der Statistik wir unsere Neugierde systematisch befriedigen können. Dazu werden wir eine Vielzahl von statistischen Methoden zur Auswertung von Experimenten kennenlernen und anwenden. Solche Experimente müssen nicht in großen Laboren durchgeführt werden. Die Beispiele in dem Buch sind leicht nachvollziehbar und kommen oft aus ganz alltäglichen Situationen. Genauso hat auch Andreas Handl an der Universität Bielefeld seinen Studierenden die Methoden zur Auswertung von Versuchen vorbildlich erklärt. Dabei hat er auch meine Neugierde geweckt. Auf diesen Aufzeichnungen von Andreas basiert dieses Lehrbuch. Ihm waren dabei sowohl die Beispiele von leicht nachvollziehbaren Experimenten im Vordergrund als auch die mathematischen Methoden zur Auswertung im Hintergrund gleichermaßen wichtig. Ich habe in den letzten Jahren versucht, genau diese Art der Lehre von Andreas aufzugreifen und seine Ideen und sein Ideal weiterzuentwickeln. Ich setze die Aufzeichnungen seit mehreren Jahren in meinen Vorlesungen ein und möchte mich bei allen Kollegen und vor allem bei den vielen Studenten der letzten Jahre für die wertvollen Kommentare bedanken. Für sie ist auch dieses Buch geschrieben!

V

VI

Vorwort

Das Buch stellt die gängigen Methoden der Varianzanalyse und der nichtparametrischen Alternativen für balancierte Experimente mit festen Faktoren vor. Wenn man jede Untersuchungsanordnung zur Überprüfung von Hypothesen als Experiment auffasst, kann das Buch auch als Einführung in die Analyse von unverbundenen Stichproben verwendet werden. Es ist als Einführungsbuch für Studierende und Wissenschaftler mit Grundkenntnissen der Statistik gedacht. Der Leser des Buches ist bei den kleinen Beispielen zunächst dazu aufgefordert, die Experimente – und somit die Daten – mit Stift und Papier zu analysieren und auszuwerten. Mit diesem Wissen ist es dann sehr einfach, die gleichen Ergebnisse mit der Software R zu erhalten und in Zukunft die eigenen Ideen in R umzusetzen. Ohne die Lehre und die Aufzeichnungen von Andreas wäre das Buch nicht möglich gewesen. Ich möchte daher besonders Claudia und Fabian Handl ganz herzlich für das Vertrauen dafür danken, dass ich die Ideen von Andreas aufgreifen und weiterentwickeln kann. Wer mehr über den Bielefelder „Statistiker mit Herz und Verstand“ erfahren möchte, findet unter www.andreashandl.de viele persönliche Informationen über den Initiator dieses Buches. Auch dem Springer Verlag danke ich für das Vertrauen, sowohl in dieses Einführungsbuch als auch in das für 2020 geplante Buch mit den fortgeschrittenen Methoden zur Auswertung von Experimenten. Unter www.experimente.kuhlenkasper.de stehen die verwendeten Datensätze des Buches, der Quellcode für die R-Anweisungen sowie die Lösungen für die Übungsaufgaben und auch weitere Informationen für den Leser bereit. Bad Essen im Februar 2019

Torben Kuhlenkasper

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Einführung in R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1 R als mächtiger Taschenrechner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 Datenstrukturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.3 Pakete. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.4 Einlesen von Daten aus externen Dateien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.5 Selektion unter Bedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3 Einfaktorielle Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.2 Balancierte Experimente mit zwei Faktorstufen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.2.1 Schätzer des Effekts von A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.2.2 t-Test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.2.3 Algorithmus von Yates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.3 Einfaktorielle Experimente in R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.4 Übungsaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4 Annahmen der Varianzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.1 Normalverteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4.2 Varianzhomogenität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4.3 Überprüfung der Annahmen mit R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4.4 Übungsaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 5 Zweifaktorielle Experimente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5.1 Additives Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5.2 Nichtadditives Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5.2.1 Der Algorithmus von Yates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5.3 Sonderfall n =1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 5.4 Beispiel eines zweifaktoriellen Experiments. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5.5 Zweifaktorielle Experimente in R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5.6 Übungsaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 VII

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Inhaltsverzeichnis

6 k-faktorielle Experimente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 6.1 Haupteffekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 6.2 Interaktionseffekte zwischen zwei Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 6.3 Interaktionseffekte zwischen mehr als zwei Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . 113 6.4 Varianzanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 6.4.1 Algorithmus von Yates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 6.5 Sonderfall n =1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 6.6 k-faktorielle Varianzanalyse in R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 6.7 Übungsaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 7 Fraktionelle faktorielle Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 7.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 7.2 24 –1-Experiment. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.3 Fraktionelle faktorielle Varianzanalyse in R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 7.4 Übungsaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 8 Alternative Auswertungsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 8.1 Welch-Test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 8.1.1 Welch-Test mit R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 8.1.2 Übungsaufgabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 8.2 Mann-Whitney-Test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 8.2.1 Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 8.2.2 Mann-Whitney-Test mit R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 8.2.3 Übungsaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 8.3 Kruskal-Wallis-Test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 8.3.1 Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 8.3.2 Kruskal-Wallis-Test mit R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 8.3.3 Übungsaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 8.4 Varianzanalyse mit Rängen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 8.4.1 Varianzanalyse mit Rängen in R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 8.4.2 Übungsaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Anhang A: R-Funktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Anhang B: Beweise und Herleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Anhang C: Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

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Einführung

In Wahrheit heißt etwas wollen ein Experiment machen, um zu erfahren, was wir können. (Friedrich Wilhelm Nietzsche)

Als Galileo Galilei zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Italien Versuche zum freien Fall und der Bewegung von Körpern auf schiefen Ebenen durchführte, ahnte noch niemand, welche Bedeutung diese Versuche haben würden. Neben den neuen physikalischen Erkenntnissen zur Erdbeschleunigung gilt Galilei mit seinen Versuchen und deren genaueren Beschreibungen als Begründer von neuzeitlichen Experimenten. Fast 400 Jahre nach den Arbeiten von Galilei sind Experimente heute in nahezu allen wissenschaftlichen Bereichen fester Bestandteil des Fortschritts und des empirischen Arbeitens. Aber auch in Unternehmen werden häufig Experimente durchgeführt, z. B. um zu überprüfen, ob Innovationen wirken oder neue Produkte von Kunden angenommen werden. Wir können die Produktion von Gütern oder auch die Bereitstellung von Dienstleistungen dabei als einen Prozess auffassen, der untersucht werden soll. Allgemein handelt es sich bei Prozessen und Experimenten in Wissenschaft und Gesellschaft um gerichtete Abläufe, die wir beobachten und auswerten können. So haben z. B. produzierende Unternehmen das Ziel, mit möglichst geringem Einsatz von Ressourcen ein qualitativ hochwertiges Produkt herzustellen und dann zu verkaufen. Sowohl Galilei vor fast 400 Jahren als auch heutige Wissenschaftler und Unternehmensmitarbeiter führen unzählige geplante Untersuchungen durch, um Daten und Informationen über Prozesse und Zusammenhänge zu erhalten. So hat der deutsche Philosoph Immanuel Kant in seinem berühmten Werk Kritik der reinen Vernunft ein Experiment immer als eine

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Kuhlenkasper und A. Handl, Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59054-6_1

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1 Einführung

Frage an die Natur oder als Frage an die Wirklichkeit aufgefasst. Ein Experiment soll dann eine Antwort geben über Einflussgrößen und dabei Zusammenhänge aufdecken. Oft hat man bereits vor der Planung und Durchführung eines Versuchs eine Vermutung über Wirkungen und Zusammenhänge, die mit einem Experiment überprüft werden soll. In dem vorliegenden Buch wollen wir Methoden vorstellen, mit denen wir Antworten auf solche Fragen an die Wirklichkeit erhalten können. Damit können wir dann auch unsere Vermutungen über Zusammenhänge und Einflussgrößen überprüfen. Dazu müssen gewonnene Daten aus Experimenten statistisch ausgewertet werden. Hierzu greift man auf Verfahren der Versuchsplanung zurück. Bei der statistischen Versuchsplanung wird mit möglichst wenigen Versuchen der Wirkzusammenhang zwischen Einflussgrößen und Zielgrößen möglichst genau ermittelt. Beispiel 1.1 Bei der Fahrt zu einem wichtigen Kunden kann ein Mitarbeiter des Außendienstes zwischen drei Strecken wählen. Er möchte herausfinden, bei welcher Strecke er am wenigsten Zeit für die Fahrt zum Kunden benötigt.  Die systematischen Einflussgrößen sind dabei unabhängige Variablen, die wir gezielt verändern können oder zumindest deren Ausprägungen wir alle kennen. Wir erhalten demnach mit Experimenten nicht nur Daten aus passiven Beobachtungen. Wir verändern gezielt die Rahmenbedingungen und untersuchen die Wirkung auf unsere Zielvariable. Man nennt diese Einflussgrößen, die wir verändern können, auch Faktoren. Das Ergebnis eines Prozesses hängt oft von einer Vielzahl von Faktoren ab. Die Zielgröße wird von den systematischen Faktoren und zufälligen Störgrößen beeinflusst und ist somit eine abhängige Variable. Prozesse sind demnach immer Experimente, die schwankende Messdaten und Beobachtungen in Form von Zahlenwerten hervorbringen. Wir bezeichnen im Folgenden die systematischen Faktoren mit großen Buchstaben wie A oder B. Die Ausprägungsmöglichkeiten A1 , A2 , . . . , A I eines Faktors A nennt man auch Faktorstufen. Beispiel 1.1 (fortgesetzt). Bei der Fahrt betrachtet der Mitarbeiter also den Faktor A als Strecke mit den Faktorstufen A1 , A2 und A3 . Dabei ist Ai die i-te Strecke. Er möchte herausfinden, welchen Zusammenhang es zwischen der Fahrzeit und der gewählten Strecke gibt.  Bevor ein Experiment startet, wissen wir nicht genau, welches Ergebnis wir erhalten. Der Mitarbeiter in dem Beispiel weiß vorher nicht genau, wie lange er für die Fahrt zum Kunden benötigt. Er besitzt jedoch eine vage Vorstellung von der benötigten Zeit. Das Ergebnis eines Prozesses ist also a priori unbestimmt. Wir beurteilen dieses Ergebnis demnach am Wert einer Zufallsvariablen Y , die wir auch Zielvariable des Experiments nennen. Wir gehen zunächst davon aus, dass die Zielvariable Y ein metrisches Skalenniveau aufweist.

1 Einführung

3

Die Zahlenwerte der Zielvariablen können dabei beobachtet oder gemessen werden. Die einzelnen Faktoren mit ihren Faktorstufen weisen hingegen ein nominales Skalenniveau auf und beschreiben unterschiedliche Zustände oder Rahmenbedingungen des Experiments. Beispiel 1.1 (fortgesetzt). Der Mitarbeiter im Außendienst ist an der Fahrzeit Y zum Kunden interessiert. Die Fahrzeit wird in Minuten gemessen. Die drei unterschiedlichen Strecken sind die unterschiedlichen Zustände des Experiments.  Wie finden wir nun heraus, welcher Prozess der beste ist, und welche Wirkung die Faktoren auf die Zielvariable haben? Intuitive Vorgehensweisen bei Versuchen, wie z. B. das Ändern eines Faktors nach dem anderen (sog. one factor at a time), bringen nicht systematisch ein optimales Versuchsergebnis hervor. Auch mittels Versuch und Irrtum (sog. trial and error) werden die Einzelwirkungen und Wechselwirkungen von Einflussfaktoren oft nicht erkannt. Im Gegensatz dazu ist die statistische Versuchsplanung eine Möglichkeit zur systematischen Planung und Auswertung von Experimenten. Dieses Vorgehen wurde erstmals von dem britischen Statistiker Ronald Aylmer Fisher im Jahr 1935 beschrieben. Sein Buch The Design of Experiments ist die Grundlage für die hier vorgestellten Methoden (s. Fisher 1935). Wir versuchen bei Experimenten, mit möglichst geringem Aufwand den funktionalen Zusammenhang von einflussnehmenden Faktoren und den Werten der Zielvariablen zu ermitteln und mathematisch zu beschreiben. Mit den Methoden untersuchen wir, ob sich die erwarteten Werte der Zielgröße auf den verschiedenen Faktorstufen unterscheiden. Durch die Einteilung in Faktorstufen bilden wir Gruppen von Beobachtungen unserer Zielvariablen. Diese Beobachtungen ordnen wir der jeweiligen Faktorstufe zu. Beispiel 1.1 (fortgesetzt). Der Mitarbeiter notiert die benötigte Fahrzeit mit der jeweils dazugehörigen Strecke.  Mit den hier vorgestellten Methoden wollen wir untersuchen, ob sich die Beobachtungen auf den Faktorstufen signifikant voneinander unterscheiden. Wenn sie sich signifikant unterscheiden, können wir annehmen, dass auf den Faktorstufen unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten wirken, die auf die einflussnehmenden Faktoren zurückzuführen sind. Um Aufschlüsse über die hinter den Daten steckenden Gesetzmäßigkeiten zu erlangen, wenden wir zunächst die sog. Varianzanalyse an, die auch mit ANOVA (Analysis of Variance) abgekürzt wird. Als Varianzanalyse bezeichnet man eine große Gruppe datenanalytischer und strukturprüfender statistischer Verfahren, die zahlreiche unterschiedliche Anwendungen zulassen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie mit Varianzen Prüfgrößen berechnen, um die Einflüsse von Faktoren aufzudecken. Diese Unterschiedlichkeit einer Zielgröße soll dabei durch den Einfluss einer oder mehrerer Faktoren erklärt werden.

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1 Einführung

Wir betrachten zunächst nur einen Faktor mit insgesamt I Faktorstufen. Wir wollen herausfinden, ob sich der Erwartungswert der Zielvariablen Y auf den Faktorstufen unterscheidet. Bezeichnet man den Erwartungswert von Y auf der i-ten Faktorstufe mit µi , testen wir H0 : µ1 = . . . = µ I gegen H1 : µi  = µ j für mindestens ein Paar (i, j) mit i  = j. H0 wird auch als Nullhypothese bezeichnet. Dieser Begriff geht ebenfalls auf R.A. Fisher zurück. Wir geben bei Handl und Kuhlenkasper (2018) in Kap. 14 eine detaillierte Einführung in die Begriffe des statistischen Testens. Wir wollen die verwendeten Hypothesen genauer betrachten: Unter H0 steht die Aussage, dass alle Erwartungswerte für unsere Zielvariable auf jeder Faktorstufe gleich sind. Wenn H0 zutrifft, gibt es demnach keine systematische Wirkung der unterschiedlichen Faktorstufen auf die Zielvariable. Häufig wird hieraus eine falsche Gegenhypothese abgeleitet: Unter H1 steht nicht, dass alle Erwartungswerte von Y unterschiedlich sein müssen. Vielmehr reicht es aus, dass nicht alle Erwartungswerte gleich sind. Beispiel 1.1 (fortgesetzt). Die Hypothese H0 H0 : µ1 = µ2 = µ3 sagt aus, dass der Mitarbeiter auf jeder der drei Strecken die gleiche Fahrzeit erwarten kann. Die Gegenhypothese H1 H1 : µi  = µ j für mindestens ein Paar (i, j) mit i  = j bedeutet hier, dass mindestens eine Strecke sich von den anderen in Bezug auf die Fahrzeit unterscheidet. Es kann aber auch sein, dass alle drei Strecken sich voneinander unterscheiden.  Um die Hypothesen verlässlich mit Hilfe statistischer Tests überprüfen zu können, sollten wir zwei Grundregeln beachten, die auch Prinzipien der Versuchsplanung genannt werden. Für die Tests führen wir den Versuch auf jeder Faktorstufe durch. Damit wir die Hypothesen überprüfen können, sollten wir den Versuch auf jeder Faktorstufe wiederholen und so mehrmals beobachten. Wiederholung ist das erste Prinzip der Versuchsplanung. Wir bezeichnen das Ergebnis der j-ten Wiederholung auf der i-ten Faktorstufe mit yi j . Dabei kann i die Werte 1, 2, . . . , I und j die Werte 1, 2, . . . , n i annehmen. Es werden also I Faktorstufen betrachtet. Außerdem kann die Anzahl der Beobachtungen auf den Faktorstufen unterschiedlich sein. In diesem Fall spricht man von unbalancierten Experimenten. Man spricht von balancierten Experimenten, wenn auf jeder Faktorstufe die gleiche Anzahl n Beobachtungen vorliegt.

1 Einführung

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Tab. 1.1 Fahrzeiten in Minuten eines Mitarbeiters auf drei Strecken Strecke

Fahrzeit

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3

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Beispiel 1.1 (fortgesetzt). Um zu entscheiden, bei welcher Strecke die erwartete Fahrzeit am kürzesten ist, fährt er auf jeder Strecke genau fünfmal zum Kunden. Tab. 1.1 zeigt die Beobachtungen für die Zielvariable Y . Es gilt also z. B. y23 = 47 und y32 = 40. Wir können auf den ersten Blick unterschiedliche Fahrzeiten erkennen, sowohl auf jeder einzelnen Strecke als auch beim Vergleich der drei Strecken.  Bevor wir mit Hilfe der Daten nun Rückschlüsse auf die Prozesse vollziehen, müssen wir noch ein weiteres Prinzip der Versuchsplanung beachten. Wir wollen herausfinden, ob sich der Erwartungswert der Zielgröße auf den Faktorstufen unterscheidet. Um sicherzustellen, dass wir einen Unterschied in den Erwartungswerten µi ausschließlich auf die unterschiedlichen Faktorstufen zurückführen können, müssen wir während des Experiments alle anderen Einflussgrößen konstant halten. Würde der Mitarbeiter nämlich alle Fahrten auf der ersten Strecke am Montag, alle Fahrten auf der zweiten Strecke am Dienstag und alle Fahrten auf der dritten Strecke am Mittwoch zurücklegen, so könnte er nicht entscheiden, ob ein Unterschied in den Erwartungswerten durch die Strecken oder durch die Wochentage bewirkt wird. Eine Möglichkeit zur Vermeidung dieses Problems besteht darin, die Strecken zufällig auf die Tage zu verteilen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass sich alle Einflussgrößen gleichmäßig auf die Faktorstufen verteilen. Man spricht von Randomisierung. Das ist das zweite Prinzip der Versuchsplanung. Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Effekt des Wochentages dadurch konstant zu halten, dass jede der drei Strecken an jedem Wochentag gefahren wird. In diesem Fall spricht man von Blockbildung. Dies ist das dritte Prinzip der Versuchsplanung. Wir werden im vorliegenden Einführungsbuch nur Experimente betrachten, bei denen die ersten beiden Prinzipien beachtet werden. Somit sind die Stichproben der beobachteten Werte der Zielvariablen auf den einzelnen Faktorstufen unverbunden.

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Einführung in R

Inhaltsverzeichnis 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

R als mächtiger Taschenrechner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pakete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einlesen von Daten aus externen Dateien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selektion unter Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 10 18 19 24

Die Methoden zur Auswertung von Experimenten werden im vorliegenden Buch an kleinen Datensätzen veranschaulicht. So können wir alle Beispiele mit Papier, Bleistift und Taschenrechner in vertretbarer Zeit nachvollziehen. Bei größeren Experimenten mit vielen Beobachtungen auf den Faktorstufen sollte man auf die Hilfe von Computern zurückgreifen. Hier kann der Anwender statistischer Verfahren unter einer Vielzahl von Statistikpaketen wählen. Dabei werden z. B. SPSS und STATA bei einer Vielzahl von professionellen Datenanalysen verwendet. Die beiden genannten Pakete sind aber sehr teuer, und es ist nicht einfach, neue Verfahren zu implementieren. Das Statistikpaket R erfreut sich sowohl an Hochschulen als auch in beruflichen Anwendungen immer größerer Beliebtheit. In R sind sehr viele statistische Verfahren vorhanden, und es ist im Internet frei erhältlich. Es steht für die gängigen Betriebssysteme Microsoft Windows, Mac OS X und verschiedene LinuxDistributionen zur Verfügung, aktuell in der Version 3.5.2. Unter der Adresse https://cran. r-project.org kann R heruntergeladen werden.

2.1

R als mächtiger Taschenrechner

R bietet eine interaktive Umgebung, den Befehlsmodus, in dem man die Daten direkt eingeben und analysieren kann. Nach dem Start des Programms wird durch das © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Kuhlenkasper und A. Handl, Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59054-6_2

7

8

2 Einführung in R

Bereitschaftszeichen > angezeigt, dass eine Eingabe erwartet wird. Der Befehlsmodus ist ein mächtiger Taschenrechner. Wir können hier die Grundrechenarten Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division mit den Operatoren +, -, * und / durchführen. Bei Dezimalzahlen verwendet man einen Dezimalpunkt und nicht das in Deutschland oft verwendete Dezimalkomma. Nachdem wir einen Befehl mit der Taste return abgeschickt haben, gibt R das Ergebnis in der nächsten Zeile aus. Hier sind einige einfache Beispiele: > 2.1+2 [1] 4.1 > 2.1-2 [1] 0.1 > 2.1*2 [1] 4.2 > 2.1/2 [1] 1.05

Zum Potenzieren benutzen wir ∧ : > 2.1ˆ2 [1] 4.41

Die Quadratwurzel von 2 erhalten wir also durch > 2ˆ0.5 [1] 1.414214

Man kann aber auch die Funktion sqrt verwenden. Dabei ist sqrt eine Abkürzung für square root, also Quadratwurzel. Namen von Funktionen sind in R unter mnemotechnischen Gesichtspunkten gewählt. Funktionen bieten die Möglichkeit, einen oder mehrere Befehle unter einem Namen abzuspeichern. Funktionen besitzen in der Regel Argumente. So muss man der Funktion sqrt mitteilen, von welcher Zahl sie die Quadratwurzel bestimmen soll. Diese Zahl ist ein Argument der Funktion sqrt. Die Argumente einer Funktion stehen in runden Klammern hinter dem Funktionsnamen und sind durch Kommata voneinander getrennt. Wir rufen die Funktion sqrt also mit dem Argument 2 auf: > sqrt(2) [1] 1.414214

R führt die Berechnung auf 16 Stellen genau nach dem Dezimalpunkt aus, zeigt jedoch weniger Stellen an. Soll das ausgegebene Ergebnis noch übersichtlicher werden, sollten wir

2.1

R als mächtiger Taschenrechner

9

runden, und wir verwenden hierzu die Funktion round. Dabei können wir der Funktion round den Aufruf der Funktion sqrt als Argument übergeben, was bei allen Funktionen möglich ist: > round(sqrt(2)) [1] 1

Jetzt ist das Ergebnis zwar übersichtlich, aber ungenau. Wir müssen der Funktion round also noch mitteilen, auf wie viele Stellen nach dem Dezimalpunkt wir runden wollen. Wie wir dies erreichen können, erfahren wir, indem wir die Funktion help mit dem Argument round aufrufen. Alternativ können wir die jeweilige Hilfeseite zu einer Funktion aufrufen, indem wir dem Namen der Funktion ein ? voranstellen. Eine Hilfeseite gibt es für jede mitgelieferte Funktion in R. ?round oder help(round) öffnet die Hilfeseite für die Funktion round. Wir sehen, dass die Funktion folgendermaßen aufgerufen wird: round(x, digits = 0)

Neben dem ersten Argument, bei dem es sich um die zu rundende Zahl handelt, gibt es noch das Argument digits. Dieses gibt die Anzahl der Stellen nach dem Dezimalpunkt an, auf die gerundet werden soll, und nimmt standardmäßig den Wert 0 an. Funktionen in R besitzen zwei Typen von Argumenten. Es gibt Argumente, die beim Aufruf der Funktion angegeben werden müssen. Bei der Funktion round ist dies das Argument x. Es gibt aber auch optionale Argumente, die nicht angegeben werden müssen. In diesem Fall wird ihnen der Wert zugewiesen, der in der Kopfzeile steht. Das Argument digits nimmt also standardmäßig den Wert 0 an. Wie übergibt man dies einer Funktion, die mindestens zwei Argumente besitzt? Hierzu gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die wir anhand der Funktion round illustrieren wollen. Kennt man die Reihenfolge der Argumente im Kopf der Funktion, so kann man sie ohne zusätzliche Angaben eingeben: > round(sqrt(2),2) [1] 1.41

Man kann aber auch die Namen der Argumente verwenden, wie sie im Kopf der Funktion stehen: > round(x=sqrt(2),digits=2) [1] 1.41

Verwendet man die Namen, so kann man die Argumente in beliebiger Reihenfolge eingeben: > round(digits=2,x=sqrt(2)) [1] 1.41

10

2 Einführung in R

Man kann die Namen der Argumente abkürzen, wenn sie dadurch eindeutig bleiben. Beginnen zwei Namen z. B. mit di, so darf man di nicht als Abkürzung verwenden: > round(x=sqrt(2),d=2) [1] 1.41

2.2

Datenstrukturen

Bei Experimenten werden häufig verschiedene Daten für die Auswertung erhoben. In diesem Abschnitt werden wir lernen, wie man Daten eingibt und unter einem Namen abspeichert, mit dem man auf sie zurückgreifen kann. Der Mitarbeiter im Außendienst ist in Beispiel 1.1 die erste Strecke fünfmal gefahren: 38

44

40

41

37

Wir geben die Daten als Vektor ein. Ein Vektor ist eine Zusammenfassung von Objekten zu einer endlichen Folge und besteht aus Komponenten. Einen Vektor erzeugt man in R mit der Funktion c. Diese erstellt aus einer Folge von Zahlen, die durch Kommata getrennt sind, einen Vektor, dessen Komponenten die einzelnen Zahlen sind. Die Zahlen sind die Argumente der Funktion c. Wir geben also ein: > c(38,44,40,41,37)

Am Bildschirm erhalten wir folgendes Ergebnis: [1] 38 44 40 41 37

Die Elemente des Vektors werden ausgegeben. Am Anfang steht [1]. Dies zeigt, dass die erste ausgegebene Zahl 38 gleich der ersten Komponente des Vektors ist. Das Bereitschaftszeichen > wird manchmal von R durch ein Pluszeichen + ersetzt. Dann ist die R-Anweisung nicht vollständig. So führt der Aufruf von > c(38,44,40,41,37 +

dazu, dass R eine weitere Eingabe benötigt. In diesem Fall fehlt die schließende Klammer beim Aufruf der Funktion c(). Durch Eingabe von + ) [1] 38 44 40 41 37 >

erhalten wir das gewünschte Ergebnis.

2.2

Datenstrukturen

11

Um mit den Werten des Vektors weiterhin arbeiten zu können, müssen wir sie in einer Variablen speichern. Dies geschieht mit dem Zuweisungsoperator zeit ls() [1] "zeit"

Wir können uns den Inhalt einer Variablen durch Eingabe des Namens anzeigen lassen. Der Aufruf > zeit

liefert das Ergebnis [1] 38 44 40 41 37

R unterscheidet Groß- und Kleinschreibung. Die Variablennamen zeit und Zeit beziehen sich also auf unterschiedliche Objekte: > Zeit Fehler: objekt "Zeit" nicht gefunden

Die Fahrzeiten sind in dem Beispiel in Minuten angegeben. Um alle Zeiten in Sekunden umzurechnen, multiplizieren wir den Vektor zeit mit 60: > zeit*60 [1] 2280 2640 2400 2460 2220

12

2 Einführung in R

Wenn wir davon ausgehen, dass der Mitarbeiter immer fünf Minuten benötigt, um die Fahrt zum Kunden vorzubereiten, können wir zu jeder Komponente von zeit die Zahl 5 addieren und erhalten > zeit+5 [1] 43 49 45 46 42

Auf einzelne Komponenten eines Vektors greift man durch Indizierung zu. Hierzu gibt man den Namen des Vektors gefolgt von eckigen Klammern ein, zwischen denen die Nummer der Komponente oder der Vektor mit den Nummern der Komponenten steht, auf die man zugreifen will. Diese Nummern in den eckigen Klammern entsprechen also den jeweiligen Positionen der Komponenten innerhalb des Vektors. Um die Zeit der ersten Fahrt zu erfahren, gibt man ein: > zeit[1] [1] 38

Um die Zeit für die Fahrzeit zu erhalten, die der Mitarbeiter zuletzt gefahren ist, benötigt man die Länge des Vektors zeit. Dies liefert die Funktion length: > length(zeit) [1] 5 > zeit[length(zeit)] [1] 37

Wir können auch gleichzeitig auf mehrere Komponenten zugreifen: > zeit[c(1,2,3)] [1] 38 44 40

Mit Hilfe des Minuszeichens innerhalb der eckigen Klammern kann man einzelne Komponenten des Vektors ausschließen. Wenn wir also alle Werte des Vektors zeit außer der zweiten Komponente angezeigt haben möchten, geben wir ein: > zeit[-2] [1] 38 40 41 37

Einen Vektor mit aufeinanderfolgenden natürlichen Zahlen erhält man mit dem Operator :. Betrachten wir einige Beispiele: > 1:3 [1] 1 2 3 > 4:10

2.2

Datenstrukturen

[1] 4 5 > 3:1 [1] 3 2 1

6

7

13 8

9 10

Wir können also auch > zeit[1:3] [1] 38 44 40

eingeben, um die ersten drei Elemente des Vektors zu erhalten. Betrachten wir noch einige Funktionen, mit denen man Informationen aus einem Vektor extrahieren kann. Die Summe aller Werte liefert die Funktion sum: > sum(zeit) [1] 200

Das Minimum erhalten wir mit der Funktion min: > min(zeit) [1] 37

und das Maximum mit der Funktion max: > max(zeit) [1] 44

Die Funktion sort sortiert einen Vektor aufsteigend. > sort(zeit) [1] 37 38 40 41 44

Setzt man das Argument decreasing auf den Wert TRUE, so wird absteigend sortiert: > sort(zeit,decreasing = TRUE) [1] 44 41 40 38 37

Die bisherigen Beispiele haben reelle Zahlen, wie sie als Beobachtungen der Zielvariablen in Experimenten auftreten, verwendet. Experimente benötigen jedoch auch Werte für die Rahmenbedingungen und somit für die Faktoren. Wie gibt man solche Daten bei einem nominalen Merkmal ein? Beginnen wir auch hier mit einem Beispiel. Hier ist die Urliste des Geschlechts von allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Außendienst einer Firma: w m w m w m m m w m

14

2 Einführung in R

Wir geben die Urliste als Vektor ein, dessen Komponenten Zeichenketten sind. Eine Zeichenkette ist eine Folge von Zeichen, die in Hochkommata stehen. So sind "Berlin" und "Bielefeld" Zeichenketten. Wir können die Zeichenketten auch mit einfachen Hochkommata eingeben: ’Berlin’ und ’Bielefeld’. Wir nennen den Vektor Geschlecht: > Geschlecht Geschlecht [1] "w" "m" "w" "m" "w" "m" "m" "m" "w" "m"

Mit der Funktion factor transformieren wir den Vektor Geschlecht, dessen Komponenten Zeichenketten sind, in einen Vektor, dessen Komponenten die Ausprägungen eines nominalen Faktors sind: > Geschlecht Geschlecht [1] w m w m w m m m w m Levels: m w

Wir sehen, dass neben den zehn Beobachtungen auch die zwei Faktorstufen mit angezeigt werden, die in dem Faktor vorkommen. Sie werden mit Levels bezeichnet. Mit der Funktion levels können wir uns die Faktorstufen anzeigen lassen: > levels(Geschlecht) [1] "m" "w"

Wie in Kap. 1 vorgestellt, können wir so die Faktoren und deren Faktorstufen von Experimenten definieren. Wir werden bald sehen, mit welchen Funktionen man Informationen aus Vektoren vom Typ factor extrahieren kann. Hier wollen wir nur zeigen, dass man diese wie auch Vektoren, deren Komponenten metrisch sind, indizieren kann: > Geschlecht[2] [1] m Levels: m w > Geschlecht[5:length(Geschlecht)] [1] w m m m w m Levels: m w

Bisher haben wir nur ein Merkmal betrachtet. Wir wollen nun zeigen, wie man vorgeht, wenn mehrere Merkmale eingegeben werden sollen. Hierbei gehen wir zunächst davon aus, dass alle Merkmale den gleichen Typ besitzen, also entweder alle metrisch oder alle nominal sind. Wir illustrieren die Vorgehensweise an einem Beispiel. Liegen die Daten wie in Tab. 1.1 vor, so kann man sie als Matrix eingeben. Eine Matrix ist ein rechteckiges Zahlenschema, das aus r Zeilen und s Spalten besteht.

2.2

Datenstrukturen

15

In R erzeugt man eine Matrix mit der Funktion matrix. Der Aufruf der Funktion matrix lautet matrix(data,nrow=1,ncol=1,byrow=FALSE)

Dabei ist data der Vektor mit den Elementen der Matrix. Das Argument nrow gibt die Anzahl der Zeilen und das Argument ncol die Anzahl der Spalten der Matrix an. Standardmäßig wird eine Matrix spaltenweise eingegeben. Sollen die Zeilen aufgefüllt werden, so muss das Argument byrow auf den Wert TRUE gesetzt werden. Wir geben also ein: > zeiten zeiten [,1] [,2] [,3] [,4] [,5] [1,] 38 44 40 41 37 [2,] 44 43 47 50 41 [3,] 44 40 41 42 38

Auf Elemente einer Matrix greifen wir wie auf Komponenten eines Vektors durch Indizierung zu, wobei wir die Informationen, die sich auf Zeilen beziehen, von den Informationen, die sich auf Spalten beziehen, durch ein Komma trennen. Um auf das Element in der ersten Zeile und zweiten Spalte zuzugreifen, geben wir also ein: > zeiten[1,2] [1] 44

Alle Elemente der ersten Zeile erhalten wir durch > zeiten[1,] [1] 38 44 40 41 37

und alle Elemente der zweiten Spalte durch > zeiten[,2] [1] 44 43 40

Die Summe aller Werte erhält man mit der Funktion sum: > sum(zeiten) [1] 630

16

2 Einführung in R

Oft ist man an der Summe der Werte innerhalb der Zeilen oder Spalten interessiert. Diese liefern die Funktionen rowSums und colSums: > rowSums(zeiten) [1] 200 225 205 > colSums(zeiten) [1] 126 127 128 133 116

Man kann aber auch die Funktion apply anwenden. Diese wird durch apply(x,margin,fun)

aufgerufen und wendet auf die Dimension margin der Matrix x die Funktion fun an. Dabei entspricht die erste Dimension den Zeilen und die zweite Dimension den Spalten. Die Summe der Werte in den Zeilen erhalten wir also durch > apply(zeiten,1,sum) [1] 200 225 205

und die Summe der Werte in den Spalten durch > apply(zeiten,2,sum) [1] 126 127 128 133 116

Wir können für fun natürlich auch andere Funktionen wie min oder max verwenden. Einen Vektor mit den Zeilenminima liefert der Aufruf > apply(zeiten,1,min) [1] 37 41 38

und einen Vektor mit den Spaltenmaxima der Aufruf > apply(zeiten,2,max) [1] 44 44 47 50 41

Nun betrachten wir anhand eines Beispiels, wie man Datensätze abspeichert, die sowohl metrische als auch nominale Merkmale enthalten. Bei den Fahrzeiten des Außendienstmitarbeiters in Tab. 1.1 liegen zusätzlich auch Informationen über die Strecke vor. Betrachten wir zunächst nur die erste Spalte der Fahrzeiten und bezeichnen Strecke 1 mit A, Strecke 2 mit B und Strecke 3 mit C. Die Daten zeigt Tab. 2.1.

2.2

Datenstrukturen

Tab. 2.1 Drei Fahrzeiten auf drei Strecken

17 Strecke

Zeit

A

38

B

44

C

44

In R bieten Datentabellen die Möglichkeit, die Werte von Merkmalen unterschiedlichen Typs in einer Variablen abzuspeichern. Dabei muss bei jedem Merkmal die gleiche Anzahl von Beobachtungen vorliegen. Eine Datentabelle wird mit dem Befehl data.frame erzeugt. Das Beispiel illustriert die Vorgehensweise: > zeitstrecke zeitstrecke Strecke Zeit 1 A 38 2 B 44 3 C 44

Auf eine Datentabelle kann man wie auf eine Matrix zugreifen: > zeitstrecke[2,2] [1] 44 > zeitstrecke[2,] Strecke Zeit 2 B 44 > zeitstrecke[,1] [1] A B C Levels: A B C

Der letzte Aufruf zeigt, dass ein Vektor, der aus Zeichenketten besteht, bei der Erzeugung einer Datentabelle automatisch zu einem Faktor wird. Datentabellen sind Listen, die wie Matrizen behandelt werden können. Wir wollen uns hier nicht detailliert mit Listen beschäftigen, sondern nur darauf hinweisen, dass Listen aus Komponenten bestehen, von denen jede einen anderen Typ aufweisen kann. So kann die erste Komponente einer Liste eine Zeichenkette, die zweite ein Vektor und die dritte eine Matrix sein. Auf die Komponenten einer Liste greift man entweder mit einer doppelten eckigen Klammer oder mit dem Namen des Listenelements zu. Dazu wird der Name des Elements nach dem $-Zeichen und dem Listennamen eingegeben:

18

2 Einführung in R

> zeitstrecke[[1]] [1] A B C Levels: A B C > zeitstrecke$Strecke [1] A B C Levels: A B C > zeitstrecke[[2]] [1] 38 44 44 > zeitstrecke$Zeit [1] 38 44 44

Mit der Funktion attach kann man auf die in einer Datentabelle enthaltenen Variablen unter ihrem Namen zugreifen, ohne den Namen der Datentabelle zu verwenden. Mit der Funktion detach hebt man diese Zugriffsmöglichkeit auf: > attach(zeitstrecke) > Strecke [1] A B C Levels: A B C > Zeit [1] 38 44 44 > detach(zeitstrecke) > Strecke Fehler: Objekt ’Strecke’ nicht gefunden > Zeit Fehler: objekt ’Zeit’ nicht gefunden

Es gibt auch die Möglichkeit, Daten aus externen Dateien in R einzulesen. Dazu benötigen wir bei manchen Dateiformaten aber Zusatzpakete.

2.3

Pakete

R ist ein offenes Programm, sodass es durch Funktionen, die von Benutzern erstellt wurden, erweitert werden kann. Diese Funktionen sind in Paketen (packages) enthalten. Um eine Funktion aus einem Paket benutzen zu können, muss man das Paket installieren und laden. Man installiert ein Paket, indem man auf den Schalter Pakete und danach auf den Schalter Installiere Paket(e)

2.4

Einlesen von Daten aus externen Dateien

19

klickt. Es öffnet sich ein Fenster mit einer Liste, in der man auf den Namen des Pakets klickt. Daraufhin wird das Paket installiert. Dazu muss natürlich eine Verbindung zum Internet vorhanden sein. Alternativ kann ein Paket auch über den Befehlsmodus heruntergeladen und installiert werden. Hierfür verwenden wir die Funktion install.packages. Der Befehl install.packages(’AlgDesign’)

installiert in diesem Fall das Paket AlgDesign von Wheeler (2014), das wir bei der Varianzanalyse noch verwenden werden. Eine Liste aller inzwischen verfügbaren Pakete für R (es sind inzwischen mehr als 13 700) erhält man unter https://cran.r-project.org/web/packages/

Nachdem man > library(AlgDesign)

eingegeben hat, kann man die Funktionen des Pakets verwenden. Man muss ein Paket nur einmal herunterladen und installieren, muss es aber während jeder Sitzung einmal laden, wenn man es verwenden will.

2.4

Einlesen von Daten aus externen Dateien

Oft liegen die Daten außerhalb von R in einer Datei vor. In diesem Fall müssen sie nicht noch einmal per Hand eingegeben werden, sondern können eingelesen werden. Wir gehen im Folgenden zunächst davon aus, dass die Daten aus Tab. 1.1 in einer ASCII-Datei gespeichert wurden. So können die Informationen über die Fahrzeiten mit den entsprechenden Strecken wie folgt angeordnet sein: strecke zeiten A 38 A 44 A 40 A 41 A 37 B 44 B 43 B 47 B 50 B 41 C 44 C 40 C 41

20

2 Einführung in R

C C

42 38

Die Daten mögen auf dem Laufwerk d: im Verzeichnis (Ordner) daten in der Datei Fahrzeiten.txt stehen. Wir lesen sie mit der Funktion read.table ein. Diese besitzt eine Vielzahl von Argumenten, von denen nur der Dateiname obligatorisch ist. Zu diesem gehört die vollständige Pfadangabe. Dabei müssen für jeden Backslash zwei Backslashs eingegeben werden, da in R der Backslash in einer Zeichenkette ein Steuerzeichen ist. Stehen in der Kopfzeile der Datei die Namen der Variablen, so muss das Argument header auf den Wert TRUE gesetzt werden. Ansonsten wird unterstellt, dass keine Kopfzeile existiert. Wird bei Dezimalzahlen das Dezimalkomma verwendet, so setzt man das Argument dec auf den Wert ",". Standardmäßig wird der Dezimalpunkt verwendet. Mit dem Argument sep kann man festlegen, durch welches Zeichen die Spalten in der ursprünglichen Datei getrennt sind, wobei unterstellt wird, dass Leerzeichen verwendet werden. Wir lesen die Daten ein und weisen sie der Variablen fahrzeiten zu: > fahrzeiten fahrzeiten strecke zeiten 1 A 38 2 A 44 3 A 40 4 A 41 5 A 37 6 B 44 7 B 43 8 B 47 9 B 50 10 B 41 11 C 44 12 C 40 13 C 41 14 C 42 15 C 38

Es wird eine Datentabelle erzeugt, auf die wir auf die in Abschn. 2.2 beschriebene Art und Weise zugreifen können: > attach(fahrzeiten) The following object is masked _by_ .GlobalEnv: zeiten

2.4

Einlesen von Daten aus externen Dateien

21

The following object is masked from zeitstrecke: strecke > zeiten [,1] [,2] [,3] [,4] [,5] [1,] 38 44 40 41 37 [2,] 44 43 47 50 41 [3,] 44 40 41 42 38

Wir sehen, dass wir vorsichtig sein müssen, denn wir haben bereits zuvor eine Variable zeiten erzeugt. Die Datentabelle fahrzeiten enthält eine Variable mit dem gleichen Namen. Nach Eingabe des Befehls attach(fahrzeiten) stehen uns unter dem Variablennamen zeiten die Daten der zuerst erzeugten Variablen zur Verfügung. Wir erstellen eine Kopie dieser Variablen und nennen diese Zeiten. Wenn wir danach noch die Variable zeiten mit dem Befehl rm löschen, können wir auf die Variable zeiten aus der Datentabelle fahrzeiten zugreifen: > Zeiten rm(zeiten) > zeiten [1] 38 44 40 41 37 44 43 47 50 41 44 40 41 42 38 > Zeiten [,1] [,2] [,3] [,4] [,5] [1,] 38 44 40 41 37 [2,] 44 43 47 50 41 [3,] 44 40 41 42 38

Häufig liegen die Rohdaten in einer Excel-Tabelle vor. Abb. 2.1 zeigt einen Ausschnitt aus der Datei Fahrzeiten.xlsx. Mit Hilfe eines Zusatzpakets können wir die Daten aus Excel direkt in R laden. Dazu benötigen wir das Paket readxl von Wickham und Bryan (2018). > install.packages(’readxl’) > library(readxl)

Das Paket enthält die Funktion read_excel, die mit vielen Argumenten aufgerufen werden kann. Wir müssen neben dem Pfad mit dem Dateinamen auch angeben, in welchem Bereich der Excel-Tabelle sich die Daten befinden. Wenn wir in der Excel-Tabelle die Daten

22

2 Einführung in R

Abb. 2.1 Excel-Tabelle mit Daten

auswählen, würden wir einen Bereich von der Zelle A1 oben links bis zur Zelle B16 unten rechts markieren. Abb. 2.2 zeigt den markierten Bereich für das Beispiel. Diesen Bereich übergeben wir der Funktion read_excel mit dem Argument range=’A1:B16’. Das zusätzliche Argument col_names steht standardmäßig in der Funktion auf TRUE und verwendet so die Einträge in der ersten Zeile der Excel-Tabelle als die Variablennamen. Um den Datensatz als eine Datentabelle in R einzulesen, verwenden wir zusätzlich die Funktion as.data.frame. Wir rufen also auf: > fahrzeiten fahrzeiten fahrzeiten strecke zeiten 1 A 38 2 A 44 3 A 40 4 A 41 5 A 37 6 B 44 7 B 43 8 B 47 9 B 50 10 B 41 11 C 44 12 C 40 13 C 41 14 C 42 15 C 38

23

24

2 Einführung in R

2.5

Selektion unter Bedingungen

Bei der Auswertung von Experimenten vergleichen wir Gruppen von Daten hinsichtlich eines Faktors oder mehrerer Faktoren. So ist bei den Daten aus der Tabelle fahrzeiten von Interesse, welche Fahrzeiten z. B. zur Strecke A gehören. Wir müssen also überprüfen, welche Komponenten eines Vektors eine Bedingung erfüllen. Um Bedingungen zu überprüfen, kann man in R die Operatoren == !=
=

gleich, ungleich, kleiner, kleiner oder gleich, größer, größer oder gleich

verwenden. Mit diesen Operatoren vergleicht man zwei Objekte. Betrachten wir die Wirkung der Operatoren beim Vergleich von zwei Zahlen: > 3 3>4 [1] FALSE

Wir sehen, dass der Vergleich den Wert TRUE liefert, wenn die Bedingung wahr ist, ansonsten liefert er den Wert FALSE. Man kann auch Vektoren mit Skalaren vergleichen. Das Ergebnis ist in diesem Fall ein Vektor, dessen Komponenten TRUE sind, bei denen die Bedingung erfüllt ist. Ansonsten sind die Komponenten FALSE. Wir betrachten die Variable zeit: > zeit [1] 38 44 40 41 37 > zeit >= 40 [1] FALSE TRUE TRUE

TRUE FALSE

Man spricht auch von einem logischen Vektor. Wenn wir einen gleichlangen Vektor x mit einem logischen Vektor l durch x[l] indizieren, so werden aus x alle Komponenten ausgewählt, die in l den Wert TRUE annehmen. Der Aufruf > zeit[zeit >= 40] [1] 44 40 41

liefert also die Fahrzeiten, die mindestens 40 min gedauert haben. Wenn wir wissen wollen, welche dies sind, geben wir ein:

2.5

Selektion unter Bedingungen

25

> (1:length(zeit))[zeit >= 40] [1] 2 3 4

Dieses Ergebnis erhalten wir auch einfacher mit der Funktion which: > which(zeit >= 40) [1] 2 3 4

Mit den Funktionen any und all können wir überprüfen, ob mindestens eine Komponente oder alle Komponenten eines Vektors eine Bedingung erfüllen: > any(zeit > 50) [1] FALSE > all(zeit zeit[zeit > 39 & zeit < 43] [1] 40 41 > zeit[zeit < 42 | zeit > 39] [1] 38 44 40 41 37

Wir wollen nun aus der Datentabelle fahrzeiten die benötigten Fahrzeiten für einzelne Strecken auswählen. Mit dem bisher Gelernten erreichen wir das folgendermaßen: > attach(fahrzeiten) > zeiten.A zeiten.A [1] 38 44 40 41 37

Mit der Funktion split haben wir die Möglichkeit, den Datensatz aufzuteilen. Die Funktion wird folgendermaßen aufgerufen: split(x, f, drop = FALSE, ...)

Das erste Argument x ist ein Vektor oder eine Datentabelle mit den aufzuteilenden Daten. Das Argument f ist ein Faktor, für dessen Faktorstufen der Datensatz entsprechend aufgeteilt werden soll. Wenn einzelne Faktorstufen keine Beobachtungen enthalten, können sie mit drop=TRUE beim Aufteilen entfernt werden.

26

2 Einführung in R

> split(zeiten,strecke) $A [1] 38 44 40 41 37 $B [1] 44 43 47 50 41 $C [1] 44 40 41 42 38

Die Funktion split erstellt eine Liste, deren erste Komponente die Fahrzeiten von Strecke A, deren zweite Komponente die Fahrzeiten von Strecke B und deren dritte Komponente die Fahrzeiten für Strecke C enthält: > zeiten.strecke zeiten.strecke[[1]] [1] 38 44 40 41 37

Auf die Komponenten dieser Liste können wir mithilfe der Funktionen lapply und sapply andere Funktionen anwenden. Beide Funktionen werden folgendermaßen aufgerufen: lapply(X,FUN) sapply(X,FUN)

Dabei ist X eine Liste und FUN eine Funktion wie min, max oder sort. Das Ergebnis von lapply ist eine Liste, deren i-te Komponente das Ergebnis enthält, das man erhält, wenn man die Funktion FUN auf die i-te Komponente der Liste X anwendet. Das Ergebnis von sapply ist ein Vektor, falls das Ergebnis der Funktion FUN ein Skalar ist. Die i-te Komponente dieses Vektors enthält das Ergebnis, das man erhält, wenn man die Funktion FUN auf die i-te Komponente der Liste X anwendet. Ist das Ergebnis der Funktion FUN ein Vektor mit einer festen Länge, so ist das Ergebnis von sapply eine Matrix, deren i-te Zeile das Ergebnis enthält, das man erhält, wenn man die Funktion FUN auf die i-te Komponente der Liste X anwendet. Ansonsten sind die Ergebnisse der Funktionen lapply und sapply identisch. Wollen wir die kürzeste Zeit für die jeweils gefahrenen Strecken des Mitarbeiters bestimmen, so geben wir ein: > lapply(zeiten.strecke,min) $A [1] 37

2.5

Selektion unter Bedingungen

27

$B [1] 41 $C [1] 38 > sapply(zeiten.strecke,min) A B C 37 41 38

Bei den geordneten Datensätzen der Fahrzeiten auf den drei Strecken liefert lapply eine Liste: > lapply(zeiten.strecke,sort) $A [1] 37 38 40 41 44 $B [1] 41 43 44 47 50 $C [1] 38 40 41 42 44

und sapply eine Matrix: > sapply(zeiten.strecke,sort) A B C [1,] 37 41 38 [2,] 38 43 40 [3,] 40 44 41 [4,] 41 47 42 [5,] 44 50 44

Eine weitere Möglichkeit zur Auswahl von Daten aus einer Datentabelle bietet die Funktion subset. Die Funktion subset(x,condition)

wählt aus der Datentabelle x die Zeilen aus, die die Bedingung condition erfüllen. Die Daten aller Fahrzeiten auf Strecke B aus der Tabelle fahrzeiten erhalten wir durch > subset(fahrzeiten,strecke==’B’) strecke zeiten 6 B 44 7 B 43

28 8 9 10

2 Einführung in R B B B

47 50 41

Sind wir nur an bestimmten Elementen in der Datentabelle interessiert, können wir mit dem Argument select einzelne Elemente auswählen. Wir erhalten nur die Fahrzeiten durch Eingabe von > subset(fahrzeiten,strecke==’B’,select=’zeiten’) zeiten 6 44 7 43 8 47 9 50 10 41

Man kann natürlich auch mehr als eine Bedingung angeben. Alle Fahrzeiten auf den Strecken B oder C erhält man durch > subset(fahrzeiten,strecke==’B’ | strecke==’C’) strecke zeiten 6 B 44 7 B 43 8 B 47 9 B 50 10 B 41 11 C 44 12 C 40 13 C 41 14 C 42 15 C 38

3

Einfaktorielle Experimente

Inhaltsverzeichnis 3.1 3.2 3.3 3.4

3.1

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Balancierte Experimente mit zwei Faktorstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfaktorielle Experimente in R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 37 45 47

Grundlagen

Wir beginnen die Auswertung von Experimenten für den Fall, dass die Wirkung genau eines Faktors mit I Stufen auf die Zielvariable analysiert werden soll. Ausgangspunkt ist dabei die Nullhypothese, dass wir für die Zielvariable auf jeder der I Faktorstufen den gleichen Wert erwarten können. Unter H0 steht somit die Aussage, dass der Faktor mit seinen Stufen keinen Effekt auf die Zielvariable hat. Um diese Hypothese H0 : μ1 = . . . = μ I

(3.1)

überprüfen zu können, müssen wir bestimmte Annahmen treffen. In Kap. 4 werden wir diese Annahmen genauer analysieren und Methoden kennenlernen, mit denen wir sie überprüfen können. Wir gehen zunächst davon aus, dass die Beobachtungen yi j Realisationen von unabhängigen Zufallsvariablen Yi j sind, die mit Erwartungswert μi , i = 1, . . . , I und Varianz σ 2 normalverteilt sind. Die Erwartungswerte auf den Faktorstufen können sich also unterscheiden, während die Varianz identisch sein muss. Wir geben bei Handl und Kuhlenkasper (2018) in Abschnitt 10.2.3 eine detaillierte Einführung in die Normalverteilung. Wenn wir mehrere Beobachtungen der Zielvariable auf den Faktorstufen haben, liegt es nahe, zur Überprüfung von Hypothese (3.1) die Mittelwerte © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Kuhlenkasper und A. Handl, Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59054-6_3

29

30

3 Einfaktorielle Experimente

y¯i =

ni 1  yi j ni

(3.2)

j=1

auf den einzelnen Faktorstufen zu bestimmen und miteinander zu vergleichen. Beispiel 3.1 Wir greifen die Daten aus Beispiel 1.1 auf. Dabei gilt y¯1 = 40, y¯2 = 45 und y¯3 = 41. Wir sehen, dass sich die durchschnittlichen Fahrzeiten auf den drei Strecken unterscheiden.  Der Vergleich von zwei Mittelwerten y¯1 und y¯2 ist einfach. Wir bilden die Differenz y¯2 − y¯1 der beiden Mittelwerte. Bei mehr als zwei Faktorstufen können wir alle Paare von Faktorstufen betrachten und y¯i mit y¯ j für i < j vergleichen. Hierdurch erhalten wir aber kein globales Maß für den Vergleich aller Faktorstufen. Dieses gewinnen wir dadurch, dass wir die Mittelwerte y¯i von den Faktorstufen i = 1, . . . , I als eine Stichprobe auffassen und bestimmen, wie stark sie um den Mittelwert

y¯ =

ni I 1  yi j N

(3.3)

i=1 j=1

aller Beobachtungen streuen. Dabei gilt N = n1 + n2 + . . . + n I . Beispiel 3.1 (fortgesetzt) Wir erhalten mit N = 15 den Gesamtmittelwert y¯ = 42.



Es liegt nun nahe, für die Unterschiedlichkeit der Faktorstufen die Streuung der Mittelwerte y¯i um das Gesamtmittel y¯ folgendermaßen zu bestimmen: I 

( y¯i − y¯ )2

i=1

Hierbei wird aber nicht berücksichtigt, dass die Anzahl n i der Beobachtungen auf den Faktorstufen unterschiedlich groß sein kann. Eine große Anzahl n i an Beobachtungen auf einer Faktorstufe sollte ein stärkeres Gewicht bei der Berechnung erhalten als eine kleine. Wir bilden also

SS A =

I  i=1

n i ( y¯i − y¯ )2 .

(3.4)

3.1

Grundlagen

31

Man bezeichnet SS A als Streuung zwischen den Stufen des Faktors A. SS A steht dabei für Sum of Squares von A. Die Quadratsumme gibt an, wie stark die Mittelwerte von den Faktorstufen um das Gesamtmittel streuen, und ist somit ein Maß für die Unterschiedlichkeit der Faktorstufen. Beispiel 3.1 (fortgesetzt) Es gilt SS A = 5 · (40 − 42)2 + 5 · (45 − 42)2 + 5 · (41 − 42)2 = 70.  Wie das folgende Beispiel zeigt, ist die Größe SS A allein aber keine geeignete Teststatistik zur Überprüfung von Hypothese (3.1). Beispiel 3.2 Tab. 3.1 zeigt die Werte eines anderen Mitarbeiters im Außendienst für die Fahrzeit zu einem anderen Kunden. Es liegen hier ebenfalls drei Faktorstufen mit jeweils fünf Beobachtungen vor. Es gilt y¯1 = 40,

y¯2 = 45,

y¯3 = 41,

y¯ = 42.

Wir sehen, dass alle vier Mittelwerte identisch zu Beispiel 3.1 sind. Also ist auch in beiden Beispielen der Wert von SS A identisch. Wie Abb. 3.1 zeigt, unterscheiden sich die beiden Situationen aber beträchtlich. Die Boxplots in Abb. 3.1a verdeutlichen, dass die Streuung auf den Faktorstufen für Beispiel 3.1 klein ist. In Abb. 3.1b ist die Streuung auf den Faktorstufen bei Beispiel 3.2 groß ist. Abb. 3.1a spricht für einen Lageunterschied zwischen den Faktorstufen, während die unterschiedlichen Mittelwerte in Abb. 3.1b eher durch die hohen Streuungen erklärt werden können. Wir können hier keine starken Unterschiede beim Vergleich der drei Strecken erkennen.  Wir müssen also neben der Streuung zwischen den Faktorstufen auch die Streuung innerhalb der Stufen berücksichtigen. Die Streuung innerhalb der i-ten Faktorstufe messen wir durch ni 

(yi j − y¯i )2 .

(3.5)

j=1

Tab. 3.1 Fahrzeiten eines Mitarbeiters auf drei Strecken Strecke

Fahrzeit

1

41

33

44

36

46

2

37

46

54

48

40

3

47

49

38

36

35

32

3 Einfaktorielle Experimente

a

b

Kleine Streuung

60

60

55

55

50

50

45

45

40

40

35

35

30

30 1

2

Grosse Streuung

1

3

2

3

Abb. 3.1 Zwei Situationen

Summieren wir (3.5) über alle Gruppen, so erhalten wir

SS R =

ni I  

(yi j − y¯i )2 .

(3.6)

i=1 j=1

Wir nennen SS R auch Streuung innerhalb der Faktorstufen oder unerklärte Reststreuung. SS R misst somit die Unterschiedlichkeit der einzelnen Beobachtungen innerhalb der gebildeten Gruppen von Beobachtungen auf den Faktorstufen. Wir wissen dabei nicht, warum die einzelnen Beobachtungen innerhalb der Gruppen unterschiedlich sind. Beispiel 3.1 (fortgesetzt) Wir erhalten SS R = (38 − 40)2 + (44 − 40)2 + (40 − 40)2 + (41 − 40)2 + (37 − 40)2 + (44 − 45)2 + (43 − 45)2 + (47 − 45)2 + (50 − 45)2 + (41 − 45)2 + (44 − 41)2 + (40 − 41)2 + (41 − 41)2 + (42 − 41)2 + (38 − 41)2 = 100. 

3.1

Grundlagen

33

Mit Hilfe der Stichprobenvarianzen auf Faktorstufe i si2 =

ni  1 (yi j − y¯i )2 ni − 1

(3.7)

j=1

können wir SS R auch folgendermaßen bestimmen: SS R =

I 

(n i − 1) · si2

i=1

Beispiel 3.1 (fortgesetzt) Es gilt s12 =

 1 (38 − 40)2 + (44 − 40)2 + (40 − 40)2 + (41 − 40)2 + (37 − 40)2 4

= 7.5. Analog erhalten wir s22 = 12.5 und s32 = 5. Also gilt SS R = 4 · 7.5 + 4 · 12.5 + 4 · 5 = 100.  Die Gesamtstreuung aller beobachteten Werte der Zielvariablen in dem Experiment messen wir durch

SST =

ni I  

(yi j − y¯ )2 .

(3.8)

i=1 j=1

SST misst die Unterschiedlichkeit aller beobachteten Werte vom Gesamtmittelwert. Beispiel 3.1 (fortgesetzt) Wir erhalten SST = (38 − 42)2 + (44 − 42)2 + (40 − 42)2 + (41 − 42)2 + (37 − 42)2 + (44 − 42)2 + (43 − 42)2 + (47 − 42)2 + (50 − 42)2 + (41 − 42)2 + (44 − 42)2 + (40 − 42)2 + (41 − 42)2 + (42 − 42)2 + (38 − 42)2 = 170. 

34

3 Einfaktorielle Experimente

Im Beispiel gilt SST = SS A + SS R .

(3.9)

Dies ist kein Zufall. Diese Beziehung aus Gl. (3.9) gilt allgemein. Dies wird in Anhang B gezeigt. Gl. (3.9) zeigt das sog. Prinzip der Streuungszerlegung. Dabei setzt sich die gesamte Streuung aller beobachteten Werte aus der Streuung zwischen den Faktorstufen und der Streuung auf den Faktorstufen zusammen. Die Streuung zwischen den Stufen können wir auch als erklärte Streuung bezeichnen. Wir erklären diese Streuung durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen oder Faktorstufen des Experiments, die wir für die Analyse bestimmt haben. Die Streuung auf den Faktorstufen kann als nichterklärte Streuung interpretiert werden. Wir wissen nicht, was dazu geführt hat, dass die Werte der Zielvariablen auf den jeweiligen Faktorstufen sich voneinander unterscheiden. Es gilt allgemein Gesamtstreuung = erkl¨arte Streuung + nichterkl¨arte Streuung.

(3.10)

Mit Hilfe der Streuungszerlegung erhalten wir eine geeignete Teststatistik. Dafür vergleichen wir die mittleren Streuungen, wobei die Mittelwerte unter der Nebenbedingung bestimmt werden, wie viele der Summanden frei gewählt werden können. Die Streuung zwischen den Faktorstufen setzt sich aus I Summanden zusammen, von denen aber nur I − 1 frei gewählt werden können, da sich der Mittelwert auf der I -ten Faktorstufe aus allen anderen Mittelwerten y¯ , y¯1 , . . . , y¯ I −1 ergibt. Die Streuung auf den Faktorstufen setzt sich aus N Summanden zusammen. Auf der i-ten Faktorstufe ergibt sich aber yini aus der Kenntnis von yi1 , . . . , yini−1 , y¯i . Somit sind von den N Summanden nur N − I frei wählbar. Wir erhalten also M SS A =

SS A I −1

(3.11)

als mittlere Streuung zwischen den Faktorstufen. Außerdem ist

M SS R =

SS R N−I

die mittlere Streuung auf den jeweiligen Faktorstufen.

(3.12)

3.1

Grundlagen

35

Beispiel 3.1 (fortgesetzt) Es gilt M SS A = 70/2 = 35 und M SS R = 100/12 = 8.33. Wir sehen, dass die mittlere Streuung, die wir erklären können, deutlich größer ist als der unerklärte Rest.  Wir überprüfen die Hypothese H0 : μ1 = . . . = μ I mit der Teststatistik

F=

M SS A = M SS R

I 1  2 n i (Y¯i − Y¯ ) I −1 i=1

1 N−I

ni I  

(Yi j − Y¯i )

.

(3.13)

2

i=1 j=1

Ist die mittlere Streuung zwischen den Faktorstufen im Zähler von (3.13) groß im Verhältnis zur mittleren Streuung auf den Faktorstufen im Nenner von (3.13), so wird die Nullhypothese identischer Erwartungswerte abgelehnt. Unter der Nullhypothese ist die Teststatistik in Gl. (3.13) mit I − 1 und N − I Freiheitsgraden F-verteilt. Wir lehnen die Hypothese H0 : μ1 = . . . = μ I zum Niveau α ab, wenn gilt F ≥ FI −1,N −I ;1−α . Dabei ist FI −1,N −I ;1−α das 1 − α-Quantil der F-Verteilung mit I − 1 und N − I Freiheitsgraden ist. Für α = 0.05 zeigt Tab. C.1 das 0.95-Quantil der F-Verteilung. Beispiel 3.1 (fortgesetzt) Es gilt F=

35 = 4.2. 8.33

Tab. C.1 entnehmen wir F2,12;0.95 = 3.89. Wir lehnen die Hypothese identischer Erwartungswerte auf den Faktorstufen also ab. Somit hat hier Faktor A mit seinen drei Stufen einen signifikanten Einfluss auf die Zielvariable. Die Strecken unterscheiden sich somit signifikant in Bezug auf die Fahrzeit des Mitarbeiters zum Kunden. Wir wählen somit Strecke 1, bei der wir die kürzeste Fahrzeit von 40 min erwarten können. 

36

3 Einfaktorielle Experimente

Man spricht auch vom F-Test und der Varianzanalyse, da die Teststatistik das Verhältnis von zwei Schätzern der Varianz von σ 2 ist. Die Ergebnisse einer Varianzanalyse werden in einer ANOVA-Tabelle zusammengestellt. Tab. 3.2 zeigt den allgemeinen Aufbau einer ANOVA-Tabelle. Beispiel 3.1 (fortgesetzt) Tab. 3.3 zeigt die ANOVA-Tabelle.  Beispiel 3.2 (fortgesetzt) Für das Experiment des zweiten Außendienstmitarbeiters gilt SS R = (41 − 40)2 + (33 − 40)2 + (44 − 40)2 + (36 − 40)2 + (46 − 40)2 + (37 − 45)2 + (46 − 45)2 + (54 − 45)2 + (48 − 45)2 + (40 − 45)2 + (47 − 41)2 + (49 − 41)2 + (38 − 41)2 + (36 − 41)2 + (35 − 41)2 = 468. Somit erhalten wir die ANOVA-Tabelle (Tab. 3.4). Wie zu erwarten war, lehnen wir wegen F2,12;0.95 = 3.89 die Hypothese identischer Erwartungswerte auf den Faktorstufen also nicht ab. Bei dem anderen Mitarbeiter gibt es keinen signifikanten Unterschied bei der Fahrzeit auf den drei zur Verfügung stehenden Strecken.  Tab. 3.2 Allgemeiner Aufbau einer ANOVA-Tabelle Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

Zwischen den Faktorstufen

SS A

I −1

M SS A

Innerhalb der Faktorstufen

SS R

N−I

M SS R

Gesamt

SST

N −1

F M SS A M SS R

Tab. 3.3 ANOVA-Tabelle für den Vergleich der Fahrzeit auf den drei Strecken bei kleiner Streuung Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

Zwischen den Faktorstufen

70

2

35.00

4.2

Innerhalb der Faktorstufen

100

12

8.33

Gesamt

170

14

3.2

Balancierte Experimente mit zwei Faktorstufen

37

Tab. 3.4 ANOVA-Tabelle für den Vergleich der Fahrzeit auf den drei Strecken bei großer Streuung Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

Zwischen den Faktorstufen

70

2

35.00

0.8974

Innerhalb der Faktorstufen

468

12

39

Gesamt

538

14

3.2

Balancierte Experimente mit zwei Faktorstufen

Bei vielen Experimenten betrachtet man Faktoren mit genau zwei Faktorstufen. Man bezeichnet die Faktorstufen mit - und +. Beispiel 3.3 Der Mitarbeiter im Außendienst kann nun nur zwischen zwei Strecken wählen. Die Strecke ist somit ein Faktor A mit den Stufen Strecke 1 und Strecke 2. Wir bezeichnen die erste Strecke mit - und die zweite Strecke mit +. Er fährt jede Strecke fünfmal und erhält bei Strecke 1 die Werte 38 44 40 41 37

und bei Strecke 2 die Werte 44 43 47 50 41

 Wir bezeichnen die Zielvariable auf der Faktorstufe - mit Y1 und auf der Faktorstufe + mit Y2 . Bei zwei Faktorstufen interessiert uns der Effekt des Faktors A: Wie wirkt der Faktor auf die Zielvariable? Der Effekt E A des Faktors A gibt an, wie sich die Zielvariable Y im Mittel ändert, wenn man von der Faktorstufe - auf die Faktorstufe + übergeht. Es gilt also E A = μ2 − μ1 . Dabei interessieren uns zwei Fragen: 1. Wie groß ist der Effekt des Faktors A? 2. Ist E A signifikant von 0 verschieden?

(3.14)

38

3 Einfaktorielle Experimente

Zur Beantwortung beider Fragen führen wir den Versuch auf beiden Faktorstufen durch, wobei wir die ersten beiden Prinzipien der Versuchsplanung beachten. Wir beobachten also die Realisierungen yi j der Zufallsvariablen Yi j . Im Folgenden gehen wir erneut von der Annahme aus, dass die Zufallsvariablen Yi j mit i = 1, 2, und j = 1, 2, . . . , n normalverteilt mit den Parametern μi und σ 2 sind. Wir gehen somit auch davon aus, dass die Anzahl der Beobachtungen auf jeder Faktorstufe gleich ist. Somit gilt n 1 = n 2 = n und N = 2n für den gesamten Stichprobenumfang. Wir werten im Folgenden also balancierte Experimente aus.

3.2.1

Schätzer des Effekts von A

Wenden wir uns der Beantwortung von Frage 1 zu. Hierzu stellen wir für i = 1, 2 und j = 1, . . . , n folgendes Modell auf: Yi j = μi + εi j

(3.15)

Dabei ist μ1 der Erwartungswert von Y auf der ersten und μ2 der Erwartungswert von Y auf der zweiten Faktorstufe. Die εi j sind die Störgrößen, die alle anderen Einflussgrößen umfassen, die wir aber nicht im Experiment berücksichtigen können. Wir unterstellen, dass die εi j unabhängig und identisch normalverteilt mit E(εi j ) = 0 und V ar (εi j ) = σ 2 sind. Hieraus folgt, dass die Yi j mit E(Yi j ) = μi und V ar (Yi j ) = σ 2 normalverteilt sind. Im Modell (3.15) erfüllen unsere Zielvariablen Yi j somit die zuvor getroffene Annahme. Die Erwartungswerte μ1 und μ2 sind im Modell (3.15) unbekannt und müssen aus den erhobenen Daten des Experiments geschätzt werden. Wir schätzen μ1 und μ2 im Modell (3.15) nach der Methode der Kleinsten Quadrate, die bei vielen Methoden der Statistik zur Anwendung kommt. Wir suchen also die Werte von μ1 und μ2 , für die n 

(y1 j − μ1 )2 +

j=1

n 

(y2 j − μ2 )2

(3.16)

j=1

minimal wird. Es gilt für den Schätzer von μi

μˆi = y¯i =

n 1  yi j . n

(3.17)

j=1

Dies wird in Anhang B gezeigt. Wir sehen also, dass der bereits zu Beginn dieses Kapitels intuitiv verwendete Mittelwert der Beobachtungen auf den Faktorstufen als Schätzer für die Erwartungswerte verwendet werden sollte.

3.2

Balancierte Experimente mit zwei Faktorstufen

39

Beispiel 3.3 (fortgesetzt) Es gilt y¯1 = 40 und y¯2 = 45.



Wir schätzen den Effekt eines Faktors durch die Differenz der jeweiligen Mittelwerte auf den beiden Faktorstufen. Der geschätzte Effekt e A des Faktors A ergibt sich somit als e A = y¯2 − y¯1 .

(3.18)

Beispiel 3.3 (fortgesetzt) Der geschätzte Effekt von A ist e A = y¯2 − y¯1 = 45 − 40 = 5. Für Strecke 2 benötigt der Mitarbeiter im Mittel fünf Minuten länger als für Strecke 1.  Wenden wir uns Frage 2 zu. Wir wollen nun die Hypothese H0 : E A = 0 überprüfen. Wegen E A = μ2 − μ1 ist diese Hypothese äquivalent zu H0 : μ1 = μ2 . Wir können also erneut den F-Test aus Abschn. 3.1 anwenden. Bei zwei Faktorstufen und identischer Anzahl n von Beobachtungen auf den beiden Faktorstufen vereinfacht sich die Formel von SS A . Es gilt dann

SS A =

n ( y¯2 − y¯1 )2 . 2

Der Beweis wird in Anhang B gezeigt. Beispiel 3.3 (fortgesetzt) Wir bestimmen SS A auf zwei Arten. Wir beginnen mit Gl. (3.4). Es gilt y¯ = 42.5. Also folgt SS A = 5 · (40 − 42.5)2 + 5 · (45 − 42.5)2 = 62.5. Wir erhalten das gleiche Ergebnis mit Gl. (3.19): SS A =

5 · (45 − 40)2 = 62.5 2

(3.19)

40

3 Einfaktorielle Experimente

Tab. 3.5 ANOVA-Tabelle für den Vergleich der Fahrzeit auf zwei Strecken Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

Zwischen den Faktorstufen

62.5

1

62.5

6.25

Innerhalb der Faktorstufen

80

8

10

Gesamt

142.5

9

Wir können nun auch die ANOVA-Tabelle aufstellen. Hierzu benötigen wir noch die unerklärte Reststreuung SS R . Es gilt SS R = (38 − 40)2 + (44 − 40)2 + (40 − 40)2 + (41 − 40)2 + (37 − 40)2 + (44 − 45)2 + (43 − 45)2 + (47 − 45)2 + (50 − 45)2 + (41 − 45)2 = 80. Tab. 3.5 zeigt die ANOVA-Tabelle. Wegen F1,8;0.95 = 5.32 aus Tab. C.1 lehnen wir zum Signifikanzniveau α = 0.05 die Hypothese ab, dass der Effekt von A gleich 0 ist. Somit benötigt der Mitarbeiter für Strecke 1 signifikant weniger Fahrzeit als für Strecke 2. Diesen Unterschied haben wir mit fünf Minuten geschätzt. 

3.2.2

t-Test

Wir haben in Abschn. 3.2 für zwei Faktorstufen den F-Test verwendet, um die Hypothesen zu überprüfen. Wir können das gleiche Ergebnis mit Hilfe eines t-Tests für unverbundene Stichproben von Beobachtungen auf den Faktorstufen erhalten. Wir gehen dabei zunächst erneut von der Normalverteilung der Daten sowie identischen Varianzen bei den beiden Stichproben bzw. den beiden Faktorstufen aus. Mit identischen Stichprobenumfängen n 1 = n 2 = n nehmen wir also an, dass die Zielvariablen Yi j für i = 1, 2 mit den Parametern μi und σ 2 normalverteilt sind. Der t-Test für zwei Faktorstufen verwendet als Teststatistik t=

y¯1 − y¯2  . σˆ n2

(3.20)

Die Varianzen von beiden Faktorstufen werden dabei zu einer geschätzten Varianz σˆ 2 für den Nenner der Teststatistik kombiniert. Man spricht auch von einer gepoolten Varianz.

3.2

Balancierte Experimente mit zwei Faktorstufen

41

Dabei verwenden wir ⎛ ⎞ n n   1 ⎝ (y1 j − y¯1 )2 + (y2 j − y¯2 )2 ⎠ . σˆ 2 = 2n − 2 j=1

(3.21)

j=1

Beispiel 3.3 (fortgesetzt) Wir verwenden y¯1 = 40, y¯2 = 45 sowie n = 5. Außerdem bestimmen wir n 

(y1 j − y¯1 ) = (38 − 40)2 + (44 − 40)2 + (40 − 40)2 + (41 − 40)2 + (37 − 40)2

j=1

= 30 sowie n  (y2 j − y¯2 ) = (44 − 45)2 + (43 − 45)2 + (47 − 45)2 + (50 − 45)2 + (41 − 45)2 j=1

= 50. Wir schätzen also die gemeinsame Varianz für die beiden Faktorstufen mit 1 (30 + 50) = 10. 8 √ Für den Wert der Teststatistik verwenden wir 10 = 3.162 und erhalten σˆ 2 =

t=

40 − 45  = −2.5. 3.162 25 

Wir lehnen die Nullhypothese gleicher Erwartungswerte ab, wenn sich die beiden Mittelwerte y¯1 und y¯2 als Schätzer der Erwartungswerte auf den beiden Faktorstufen stark voneinander unterscheiden. Dabei berücksichtigen wir die gemeinsame Streuung. Unter der Annahme gleicher Erwartungswerte ist t als Teststatistik t-verteilt mit 2n − 2 Freiheitsgraden. Wir lehnen H0 somit ab, wenn gilt |t| > t2n−2;1−α/2 . Dabei ist t2n−2;1−α/2 das 1 − α/2-Quantil der t-Verteilung mit 2n − 2 Freiheitsgraden. Die Tabelle in Abschn. C.2 zeigt die Quantile der t-Verteilung.

42

3 Einfaktorielle Experimente

Beispiel 3.3 (fortgesetzt) Tab. C.2 entnehmen wir den kritischen Wert von t8;0.975 = 2.3060. Da | − 2.5| > 2.3060, lehnen wir H0 ab und gehen auch bei der Anwendung des t-Tests von einem signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen aus.  In dem Beispiel kommen der F- und der t-Test zum gleichen Ergebnis. Außerdem gilt in dem Beispiel, dass t 2 = −2.52 = 6.25 = F ist. Das ist kein Zufall. Es gilt für Experimente mit zwei Faktorstufen und n 1 = n 2 allgemein t 2 = F.

(3.22)

Anhang B zeigt den Beweis. Wir können also den t-Test für zwei unverbundene Stichproben als Spezialfall des F-Tests der Varianzanalyse für I = 2 auffassen. Für den Fall, dass wir zwar bei zwei Faktorstufen Normalverteilung, aber keine identischen Varianzen annehmen können, zeigt Abschn. 8.1 eine Modifikation zum t-Test.

3.2.3

Algorithmus von Yates

Die Bestimmung der Effekte und Quadratsummen kann bei Varianzanalysen mit vielen Beobachtungen sehr zeitaufwendig sein. Frank Yates hat 1937 einen Algorithmus vorgeschlagen, mit dem man bei der Auswertung von balancierten Experimenten mit zwei Faktorstufen die Schätzer der Effekte und die Quadratsummen schnell bestimmen kann (s. Yates 1937). Betrachten wir hierzu erneut den Schätzer des Effekts von A und die Quadratsumme SS A . Der Schätzer des Effekts von A ist n

eA =

y2 j −

j=1

n

j=1

n

y1 j .

(3.23)

Den Beweis zeigt Anhang B. Für SS A gilt: SS A =

n

y2 j −

j=1

Auch hier zeigt Anhang B den Beweis.

n

j=1

2n

2 y1 j (3.24)

3.2

Balancierte Experimente mit zwei Faktorstufen

43

Wir sehen, dass beide Ausdrücke jeweils von

KA =

n 

y2 j −

j=1

n 

y1 j

(3.25)

j=1

im Zähler abhängen. Man nennt K A auch den Kontrast des Faktors A. Dieser ist gleich der Differenz aus der Summe der Beobachtungen auf der Faktorstufe + und der Summe der Beobachtungen auf der Faktorstufe -. Wir schreiben im Folgenden für die Summe n 

y2 j

j=1

der Beobachtungen auf der Faktorstufe + das Symbol a und für die Summe n 

y1 j

j=1

der Beobachtungen auf der Faktorstufe - das Symbol (1). Dabei symbolisiert der Buchstabe a, dass der Faktor A auf + steht. Beispiel 3.3 (fortgesetzt) Es gilt (1) = 38 + 44 + 40 + 41 + 37 = 200 und a = 44 + 43 + 47 + 50 + 41 = 225.  Mit Hilfe von (1) und a können wir nun den Kontrast von A bestimmen, indem wir diese in Gl. (3.23) und (3.24) einsetzen. Wir erhalten K A = a − (1). Es gilt

eA =

KA n

(3.26)

44

3 Einfaktorielle Experimente

Tab. 3.6 Ausgangstabelle beim Algorithmus von Yates bei einem 21 -Experiment

(1) a

und SS A =

K A2 . 2n

Mit dem Algorithmus von Yates können wir auch bei Experimenten mit mehr als einem Faktor die Kontraste der Faktoren schnell bestimmen. Ein Experiment mit k = 1 Faktor und I = 2 Faktorstufen wird auch als einfaktorieller Versuchsplan oder als 21 -Experiment bezeichnet. Wir wählen für den Algorithmus deshalb eine Form der Darstellung, die auf mehr als einen Faktor erweitert werden kann. Hierzu stellen wir folgende Tab. 3.6 auf. Nun erzeugen wir eine weitere Spalte. Die erste Zahl in dieser Spalte ist gleich der Summe der Zahlen in der ersten Spalte. Die zweite Zahl ist die Differenz aus der zweiten Zahl und der ersten Zahl. Wir erhalten Tab. 3.7. Bei einem Versuchsplan mit einem Faktor sind wir nach diesem Schritt fertig. Wir sehen, dass neben a der Kontrast von A steht. Beispiel 3.3 (fortgesetzt) Wir erhalten folgende Tab. 3.8. Es gilt also K A = 25. Damit erhalten wir eA =

25 =5 5

und SS A =

252 = 62.5. 2·5 

Tab. 3.7 Erster Schritt beim Algorithmus von Yates bei einem 21 -Experiment Tab. 3.8 Erster Schritt beim Algorithmus von Yates bei einem 21 -Experiment

(1) (1) + a a

a − (1)

(1) 200 425 a

225 25

3.3

3.3

Einfaktorielle Experimente in R

45

Einfaktorielle Experimente in R

Wir wollen die einfaktorielle Varianzanalyse für Beispiel 3.3 durchführen. Dazu weisen wir alle Werte einer Variablen in der Reihenfolge der Gruppen zu. Diese Variable nennen wir Zeit: > Zeit rep(1,8) [1] 1 1 1 1 1 1 1 1

Dabei können x und times Vektoren sein. Sind x und times gleich lange Vektoren, so wird x[i] times[i]-mal wiederholt. > Strecke Strecke [1] "-" "-" "-" "-" "-" "+" "+" "+" "+" "+"

Nun müssen wir aus dem Vektor noch einen Faktor machen. Dies leistet die bekannte Funktion factor: > Strecke Strecke [1] - - - - - + + + + + Levels: - +

Die Varianzanalyse führen wir mit der Funktion aov durch. Die Funktion aov hat das Argument formula. Mit diesem können wir das Modell der Varianzanalyse durch eine Formel spezifizieren. Wie sieht diese Formel für eine einfaktorielle Varianzanalyse für das Beispiel aus? Wir wollen Unterschiede der Zielvariablen Zeit durch die Stufen des Faktors Strecke erklären. Hierfür schreiben wir die Formel durch Zeit ˜ Strecke. Auf der linken Seite der Formel steht die Zielvariable des Experiments als zu erklärende Variable.

46

3 Einfaktorielle Experimente

Das Zeichen ˜ liest man als „wird modelliert durch“ oder „wird erklärt durch“. Auf der rechten Seite steht der Faktor des Experiments als erklärende Variable. Wir geben also ein: > e summary(e) Df Sum Sq Mean Sq F value Pr(>F) Strecke 1 62.5 62.5 6.25 0.0369 * Residuals 8 80.0 10.0 --Signif. codes: 0 ‘***’ 0.001 ‘**’ 0.01 ‘*’ 0.05 ‘.’ 0.1 ‘ ’ 1

Die Tabelle fasst alle wichtigen Informationen der einfaktoriellen Varianzanalyse zusammen. Dabei steht Df für Freiheitsgrade, Sum Sq für die Quadratsummen und Mean Sq für mittlere Quadratsummen. Die Teststatistik des F-Tests finden wir unter F value. Außerdem gibt es noch eine Spalte, die mit Pr(>F) überschrieben ist. Hier findet man die Überschreitungswahrscheinlichkeit des F-Tests, die auch als p-Wert oder berechnete Signifikanz bezeichnet wird. Dies ist das kleinste Signifikanzniveau, zu dem man die Nullhypothese ablehnen würde. Wir geben bei Handl und Kuhlenkasper (2018) in Kapitel 14 weitere Informationen zum p-Wert. Führt man den Test also zum Niveau α = 0.05 durch, so lehnt man die Nullhypothese ab, wenn die Überschreitungswahrscheinlichkeit kleiner oder gleich 0.05 ist. Wir sehen, dass der Effekt des Faktors Strecke signifikant ist. Als Alternative zur Varianzanalyse bei zwei Faktorstufen können wir den t-Test anwenden. Dafür verwenden wir die Funktion t.test. Wir rufen den Test mit den beiden Variablen auf. Wir gehen von identischen Varianzen auf beiden Faktorstufen aus und müssen das Argument var.equal auf den Wert TRUE setzen. Außerdem steuern wir mit dem Argument paired=FALSE, dass es sich um zwei unverbundene Stichproben bzw. Faktorstufen handelt. > t.test(Zeit˜Strecke,var.equal=TRUE,paired=FALSE) Two Sample t-test data: Zeit by Strecke t = -2.5, df = 8, p-value = 0.03694 alternative hypothesis: true difference in means is not equal to 0 95 percent confidence interval: -9.6120083 -0.3879917 sample estimates: mean in group - mean in group + 40 45

3.4

Übungsaufgaben

47

Der Wert der Teststatistik ist −2.5. Die Überschreitungswahrscheinlichkeit beträgt 0.0364. Sie ist gleich dem berechneten p-Wert der aov-Funktion. Also lehnen wir H0 zum Signifikanzniveau 0.05 nicht ab. Wir erkennen auch den Unterschied von fünf Minuten zwischen der Faktorstufe + und -.

3.4

Übungsaufgaben

Übung 3.1 Ein Hersteller von Tiefkühlpizza möchte in einem Experiment überprüfen, ob unterschiedliche Käsesorten (Faktor A) auf einer Pizza zu unterschiedlichen Beurteilungen des Geschmacks führen. In dem Experiment stehen drei Käsesorten zur Verfügung. Insgesamt neun Testesser haben zufällig ein Stück Pizza mit einer der drei genannten Käsesorten erhalten. Sie sollten den Geschmack auf einer Skala von 1 (schmeckt mir gar nicht) bis 7 (schmeckt mir hervorragend gut) beurteilen. Die Bewertungen werden als metrisches Skalenniveau aufgefasst. Wir gehen zunächst von Normalverteilung und identischen Varianzen aus. Werten Sie das Experiment mit folgenden Daten aus: Mozzarella Parmesan Gorgonzola 4 5 6 2 3 4 1 2 3

Übung 3.2 Werten Sie das Experiment aus Übung 3.1 mit folgenden, geänderten Daten aus: Gouda Emmentaler Feta 1 6 3 3 5 1 1 1 4

Übung 3.3 Überprüfen Sie die Ergebnisse aus Übung 3.1 und 3.2 mit Hilfe von R.

4

Annahmen der Varianzanalyse

Inhaltsverzeichnis 4.1 4.2 4.3 4.4

Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Varianzhomogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überprüfung der Annahmen mit R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 58 63 65

Wir wollen mit den Methoden in diesem Buch verlässliche Aussagen darüber treffen, ob Faktoren systematisch auf eine Zielvariable wirken. Oft haben wir über die Wirkung der Faktoren bereits Vermutungen. Diese Vermutungen werden als Hypothesen und Gegenhypothesen formuliert. Mit Hilfe statistischer Tests werden die Hypothesen überprüft. Wir geben bei Handl und Kuhlenkasper (2018) in Kapitel 14 eine detaillierte Einführung zu den Grundbegriffen des statistischen Testens. Wir haben in Kap. 3 sowohl den F- als auch den t-Test für die Varianzanalyse kennengelernt und angewendet. Jeder statistische Test benötigt dabei eine Prüfgröße, die auch Teststatistik genannt wird. Die Teststatistik ist dabei eine Zufallsvariable, und für die Durchführung der Tests benötigen wir ein Verteilungsmodell für die jeweils verwendete Teststatistik. Die Verteilung der Teststatistik hängt dabei entscheidend von Annahmen ab, die wir über unsere Zielvariable und somit auch über unsere beobachteten Daten treffen. Für die F-Tests der Varianzanalyse in diesem Buch müssen drei Voraussetzungen oder Annahmen erfüllt sein: 1. Die Beobachtungen des Experiments müssen unabhängig voneinander sein. 2. Die zufälligen Störgrößen müssen normalverteilt sein. 3. Die Varianzen der beobachteten Werte auf den Faktorstufen müssen identisch sein.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Kuhlenkasper und A. Handl, Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59054-6_4

49

50

4 Annahmen der Varianzanalyse

Man spricht bei Voraussetzung Nr. 3 auch von Varianzhomogenität oder Homoskedastizität. Sind die Annahmen Nr. 2 und/oder Nr. 3 verletzt, können wir nicht von der F- oder t-Verteilung der Teststatistiken ausgehen. Somit können wir dann auch keine verlässlichen Aussagen über den Ausgang des Experiments treffen. Sind diese Annahmen verletzt, sollte man verteilungsfreie, nichtparametrische Verfahren alternativ anwenden. Diese Verfahren sind zwar robust gegenüber diesen Annahmen der Varianzanalyse, sie besitzen jedoch häufig eine geringere Teststärke. Die Teststärke bei der Auswertung von Experimenten gibt an, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, einen Unterschied zwischen den Faktorstufen mit den Tests zu finden, wenn ein solcher Unterschied auch tatsächlich vorliegt. Je größer diese Wahrscheinlichkeit ist, desto größer ist die Teststärke. In Kap. 8 werden wir einige alternative Methoden zur Auswertung von Experimenten kennenlernen. Wir wollen uns zunächst damit beschäftigen, wie wir die Annahmen Nr. 2 und Nr. 3 überprüfen können. Die Voraussetzung Nr. 1 ist erfüllt, wenn wir das Prinzip der Randomisierung berücksichtigen. Wie können wir aber die Annahmen der Normalverteilung und der Varianzhomogenität überprüfen?

4.1

Normalverteilung

In der Statistik hat die Normalverteilung eine besondere Bedeutung. Dieses Verteilungsmodell wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von Carl-Friedrich Gauß vorgeschlagen und hat seitdem eine herausragende Bedeutung in der Datenanalyse. Wir geben bei Handl und Kuhlenkasper (2018) in Abschnitt 10.2 eine detaillierte Einführung in die Normalverteilung und deren Anwendung. In Kap. 3 vergleichen wir für die ANOVA zwei Varianzen mit dem F-Test. Hier ist unter H0 die Teststatistik F-verteilt. Die F-Verteilung ist dabei aus der Normalverteilung abgeleitet. Wir wollen den Zusammenhang genauer betrachten: Wir gehen davon aus, dass eine Zufallsvariable Z = (X − μ)/σ standardnormalverteilt ist, wenn eine Zufallsvariable X mit den Parametern μ und σ 2 normalverteilt ist. Abb. 4.1 zeigt die Dichtefunktion der Standardnormalverteilung. Die Zufallsvariable Z 2 ist in diesem Fall χ 2 mit k = 1 Freiheitsgraden. Man nennt den Parameter der Chiquadratverteilung (χ 2 -Verteilung) also Freiheitsgrad. Oft betrachtet man k unabhängige standardnormalverteilte Zufallsvariablen Z 1 , . . . , Z k . In diesem Fall ist k 

Z i2

i=1

χ 2 -verteilt mit k Freiheitsgraden. Abb. 4.2 zeigt die Dichtefunktion der χ 2 -Verteilung mit verschiedenen Freiheitsgraden. Ausgangspunkt der F-Verteilung sind die unabhängigen Zufallsvariablen V und W , wobei V χ 2 -verteilt mit m und W χ 2 -verteilt mit n Freiheitsgraden ist. In diesem Fall ist die Zufallsvariable

4.1

Normalverteilung

51

0.4

f(x)

0.3

0.2

0.1

0.0 −4

−2

0 x

2

4

Abb. 4.1 Dichtefunktion der Standardnormalverteilung

0.25

k=3 k=4 k=5 k=10

0.20

f(x)

0.15

0.10

0.05

0.00

0

5

10

15

20

25

x

Abb. 4.2 Dichtefunktion der χ 2 -Verteilung mit k = 3, k = 4, k = 5 und k = 10 Freiheitsgraden

52

4 Annahmen der Varianzanalyse

Abb. 4.3 Dichtefunktion der F-Verteilung mit m = 5, n = 5, m = 5, n = 10, m = 5, n = 50 und m = 50, n = 50 Freiheitsgraden

1.4 F(5,5) F(5,10) F(5,50) F(50,50)

1.2

f(x)

1.0

0.8

0.6

0.4

0.2

0.0

1

2

3

4

5

x

F=

V /m W /n

F-verteilt mit m und n Freiheitsgraden. Wir sehen, dass die Annahme der Normalverteilung eine Voraussetzung für den F-Test ist. Abb. 4.3 zeigt die Dichtefunktion der F-Verteilung mit m = 5, n = 5 und m = 5, n = 10 sowie m = 5, n = 50 und m = 50, n = 50 Freiheitsgraden. Bei einfaktoriellen Experimenten mit zwei Faktorstufen können wir als Alternative zum F-Test auch den t-Test anwenden. Ausgangspunkt der t-Verteilung sind die Zufallsvariablen Z und V . Wir gehen davon aus, dass Z standardnormalverteilt und V χ 2 -verteilt mit k Freiheitsgraden ist. Sind Z und V unabhängig, so ist die Zufallsvariable T =√

Z V /k

t-verteilt mit k Freiheitsgraden. Somit ist die Annahme der Normalverteilung auch Voraussetzung für die Anwendung des t-Tests. Abb. 4.4 zeigt die Dichtefunktion der t-Verteilung mit k = 1, k = 3 und k = 10 Freiheitsgraden. Außerdem ist noch die Dichtefunktion der Standardnormalverteilung eingezeichnet. Wir sehen, dass die Dichtefunktion der t-Verteilung mit wachsender Zahl von Freiheitsgraden der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung immer ähnlicher wird. Die t-Verteilung mit kleiner Anzahl von Freiheitsgraden streut mehr als die Standardnormalverteilung. Somit hat die t-Verteilung mehr Wahrscheinlichkeitsmasse an den Rändern als

4.1

Normalverteilung

53

Abb. 4.4 Dichtefunktion der t-Verteilung mit k = 1, k = 3 und k = 10 Freiheitsgraden

0.4

N(0,1) k=1 k=3 k=10

f(x)

0.3

0.2

0.1

0.0

−6

−4

−2

0 x

2

4

6

die Standardnormalverteilung. Dies erkennt man auch an der Varianz der t-Verteilung. Für k ≥ 3 gilt V ar (T ) =

n . n−2

Die Varianz von T konvergiert gegen die Varianz der Standardnormalverteilung mit n → ∞. Sowohl die χ 2 -Verteilung als auch die F-Verteilung und die t-Verteilung basieren auf der Normalverteilung und werden auch als Prüfverteilungen bezeichnet. Die Annahme, dass unsere Störgrößen normalverteilt sind, sollte somit vor der Durchführung der Varianzanalyse und auch vor der Anwendung des F-Tests geprüft werden. Nur dann ist auch die Annahme der F-Verteilung für die verwendete Teststatistik gerechtfertigt. Dabei fassen wir die Störgrößen als Zufallsvariablen auf. Da diese zufälligen Fehler nicht beobachtet werden können, müssen wir sie mit Hilfe unserer Daten schätzen. Die geschätzten Störgrößen nennt man auch Residuen. Die Residuen berücksichtigen wir in der Varianzanalyse in der unerklärten Reststreuung SS R . Zu jedem beobachteten Wert yi j in einem Experiment gibt es ein Residuum εˆ i j , das den Unterschied zwischen dem geschätzten Erwartungswert unserer Zielvariablen Y und dem beobachteten Wert angibt. Wie wir bereits in Kap. 3 gesehen haben, wird der Erwartungswert von Y bei einfaktoriellen Experimenten mit dem Mittelwert der Beobachtungen auf jeder Faktorstufe geschätzt. Somit gilt für die Residuen εˆ i j = yi j − y i . Dabei ist y i der Mittelwert aller Beobachtungen von Faktorstufe i.

(4.1)

54

4 Annahmen der Varianzanalyse

Beispiel 4.1 Wir greifen erneut Beispiel 3.3 auf und erhalten y 1 = 40 und y 2 = 45. Somit gilt für die Residuen auf der ersten Strecke εˆ 11 = −2, εˆ 12 = 4, εˆ 13 = 0, εˆ 14 = 1, εˆ 15 = −3 und für die Residuen auf der zweiten Strecke εˆ 21 = −1, εˆ 22 = −2, εˆ 23 = 2, εˆ 24 = 5, εˆ 25 = −4.  Wir beginnen zunächst mit einer grafischen Analyse der Residuen, mit der man die Annahme der Normalverteilung überprüfen kann. Dafür erstellen wir einen sog. Normal-QuantilPlot. In einer solchen Grafik werden die geordneten Residuen εˆ (1) ≤ εˆ (2) ≤ . . . εˆ (N ) aus dem Experiment gegen die theoretischen Quantile der Standardnormalverteilung abgetragen. Die Quantilsfunktion erhalten wir als Inverse der Verteilungsfunktion. Wir verwenden also z( p) = Φ −1 ( p). Dabei ist Φ(z) die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung mit  z 1 2 Φ(z) = (4.2) √ e−0.5u du. 2π −∞ Die Quantile der Standardnormalverteilung zeigt Tab. C.1. Für die geordnete Residuen von 1 bis N benötigen wir die entsprechenden Quantile von       1 − 0.5 2 − 0.5 N − 0.5 z (1) , z (2) , . . . z (N ) N N N zur Gegenüberstellung. Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir erhalten als geordnete Residuen der insgesamt N = 10 Beobachtungen −4

−3

−2

−2

− 1 0 1 2 4 5.

Es gilt also hier beispielhaft εˆ (1) = −4 und εˆ (10) = 5. Wir erhalten im nächsten Schritt aus Tab. C.1 für die Quantile der Standardnormalverteilung z (1) ((1 − 0.5)/10)) = z (1) (0.05) = −1.645 und z (10) ((10 − 0.5)/(10)) = z (10) (0.95) = 1.645. Somit gilt für die insgesamt N = 10 Beobachtungen z (1) = −1.645, z (2) = −1.036, z (3) = −0.674, z (4) = −0.385, z (5) = −0.126 z (6) = 0.126, z (7) = 0.385, z (8) = 0.674, z (9) = 1.036, z (10) = 1.645. 

4.1

Normalverteilung

55

Liegt Normalverteilung der Residuen vor, so sollten die Punkte mit den Koordinaten (ˆε(1) , z (1) ), . . . (ˆε(N ) , z (N ) ) auf einer Geraden liegen. Die Gerade wird jedoch nicht mit der Methode der Kleinsten Quadrate aus der linearen Regression geschätzt. Diese ist nicht robust. Vielmehr legt man die Gerade durch das 1. und das 3. Quartil der Punktepaare. Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Das untere Quartil der Residuen hat den Wert −2, und das obere Quartil liegt bei 2. Entsprechend verwenden wir für das untere Quartil der theoretischen Quantile den Wert −0.674 und für das obere Quartil den Wert von 0.674. Wir erhalten Abb. 4.5 und erkennen, dass es keine großen Abweichungen der Punkte von der Geraden gibt. Die Abbildung deutet somit auf Normalverteilung der Residuen hin.  Neben der grafischen Analyse durch einen Normal-Quantil-Plot, gibt es noch weitere Möglichkeiten, die Annahme der Normalverteilung zu überprüfen: Mithilfe von statistischen Tests kann für beobachtete Daten überprüft werden, ob wir von einer bestimmten Verteilung der Daten ausgehen können oder nicht. So können z. B. mit dem χ 2 -Anpassungstest oder dem Kolmogorov-Smirnov-Test ganz unterschiedliche Verteilungsmodelle überprüft werden. Bei Handl und Kuhlenkasper (2018) geben wir in Abschnitt 15.2 eine Einführung in den Normal−Quantil−Plot

empirische Quantile

4

2

0

−2

−4 −1.5

−1.0

−0.5

0.0

0.5

1.0

theoretische Quantile

Abb. 4.5 Normal-Quantil-Plot

1.5

56

4 Annahmen der Varianzanalyse

allgemeinen χ 2 -Anpassungstest. 1965 haben Samuel Shapiro und Martin Wilk einen Test vorgeschlagen, um speziell die Annahme der Normalverteilung überprüfen zu können, s. Shapiro und Wilk (1965). Der vorgeschlagene sog. Shapiro-Wilk-Test ist also kein allgemeiner Anpassungstest für beliebige Verteilungsmodelle. Er kann nur zur Überprüfung der Normalverteilungsannahme verwendet werden. Besonders für kleinere Stichproben (N < 50) zeigt der Test eine deutlich höhere Teststärke als der χ 2 - oder KolmogorovSmirnov-Test. Der Shapiro-Wilk-Test überprüft bei faktoriellen Experimenten H0 : Die Residuen sind normalverteilt gegen H1 : Die Residuen sind nicht normalverteilt. Das Vorgehen bei diesem Test ist vergleichbar mit der grafischen Analyse des NormalQuantil-Plots. Es zielt darauf ab, die Informationen aus einer solchen Grafik der Residuen wie in Abb. 4.5 zu einer Maßzahl zusammenzufassen. Shapiro und Wilk haben vorgeschlagen, das Verhältnis von zwei Varianzschätzern als Teststatistik zu verwenden: SW =

b2 (N − 1) · s 2

(4.3)

Im Nenner der Teststatistik finden wir mit s 2 die gemeinsame Stichprobenvarianz der Residuen. Sie ist folgendermaßen definiert: 1  (ˆεi − εˆ )2 N −1 N

s2 =

(4.4)

i=1

Es gilt allgemein εˆ = 0.

(4.5)

Den Beweis zeigt Anhang B. Damit erhalten wir 1  (ˆεi )2 . N −1 N

s2 =

(4.6)

i=1

Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir erhalten als Schätzer für die Varianz der Störgrößen s 2 = 8.889. 

4.1

Normalverteilung

57

Im Zähler von (4.3) bezeichnet b2 eine Varianz der Residuen, wenn Normalverteilung vorliegt. Wenn beide Schätzer im Zähler und Nenner den gleichen Wert annehmen, so können wir davon ausgehen, dass in der Stichprobe Normalverteilung vorliegt. Für die Teststatistik würde dann SW = 1 gelten. Der Wert b2 gibt dabei die erwartete Varianz für eine Stichprobe an, wenn H0 zutrifft. Diese wird mit der beobachteten Stichprobenvarianz s 2 verglichen. Wie erhalten wir nun einen geeigneten Wert für b2 ? Die Berechnung von b orientiert sich an der Steigung der Geraden in einem Normal-Quantil-Plot. b wird mit Hilfe der Methode der Kleinsten Quadrate als Steigungsparameter der Geraden in einem Normal-Quantil-Plot geschätzt. Dafür verwenden wir erneut die geordneten Residuen εˆ (1) ≤ εˆ (2) ≤ . . . ≤ εˆ (N ) . Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir verwenden −4, −3, −2, −2, −1, 0, 1, 2, 4, 5.  Im nächsten Schritt zur Bestimmung von b werden Differenzen aus Paaren der Residuen gebildet:   εˆ (N +1−i) − εˆ (i) mit i = 1, . . . , k Wenn der Stichprobenumfang gerade ist, erhalten wir k = N2 Differenzen der Zahlenpaare. Wenn der Stichprobenumfang ungerade ist, erhalten wir k = N 2+1 Differenzen der Zahlenpaare. Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Mit N = 10 erhalten wir folgende fünf Differenzen aus den Paaren der Residuen: (5 − (−4)) = 9, (4 − (−3)) = 7, (2 − (−2)) = 4, (1 − (−2) = 3, (0 − (−1)) = 1  Diese Differenzen werden aufsummiert und dabei mit einem Koeffizienten g(i) gewichtet. Wir erhalten dann b =

k 

  g(i) · εˆ (N +1−i) − εˆ (i) .

(4.7)

i=1

Die Gewichte g(i) sind für Stichproben N ≤ 50 in den Tab. C.2 bis C.5 aufgelistet und basieren auf den geordneten Quantilen der erwarteten Normalverteilung und deren

58

4 Annahmen der Varianzanalyse

Kovarianzen. Dabei erhalten große Differenzen von Residuen, die in der geordneten Stichprobe weit voneinander entfernt liegen, größere Gewichte. Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir erhalten für N = 10 aus Tab. C.2 die Gewichte g(1) = 0.5739, g(2) = 0.3291, g(3) = 0.2141 g(4) = 0.1224, g(5) = 0.0399 und somit für den Wert b = 0.573 · 9 + 0.3291 · 7 + 0.2141 · 4 + 0.1224 · 3 + 0.0399 · 1 = 8.7242. Für die Teststatistik verwenden wir b2 = 76.11167 und erhalten SW =

76.11167 = 0.9514. (10 − 1) · 8.889 

Der Wert der Teststatistik wird mit einem kritischen Wert SW ∗ verglichen, der für verschiedene Stichprobenumfänge und vorgegebene Werte von α mit Hilfe von Computern berechnet wird. Die kritischen Werte sind für N ≤ 50 in den Tab. C.6 und C.7 aufgelistet. Wir lehnen die Hypothese, dass Normalverteilung der Störgrößen vorliegt, ab, wenn SW ≤ SW N∗ ,α . ∗ = Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir entnehmen Tab. C.6 den kritischen Wert von SW10,0.05 0.842. Da 0.9514  ≤ 0.842, lehnen wir H0 nicht ab und gehen davon aus, dass Normalverteilung der Störgrößen in dem Beispiel vorliegt. 

4.2

Varianzhomogenität

Auch die Annahme, dass die Zielvariable auf den Faktorstufen die gleiche Varianz aufweist, kann grafisch und mit Hilfe statistischer Tests überprüft werden. Für eine erste grafische Analyse betrachten wir Boxplots der beobachteten Werte der Zielvariablen auf den einzelnen Faktorstufen. Wir geben bei Handl und Kuhlenkasper (2018) in Abschnitt 3.2.6 eine Einführung in die Erstellung und Interpretation von Boxplots. Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir erhalten für die Fünf-Zahlen-Zusammenfassung der ersten Faktorstufe y(1) = 37 ,

y0.25 = 38 ,

y0.5 = y˜ = 40 ,

y0.75 = 41 ,

y(5) = 44

4.2 Varianzhomogenität

59

Abb. 4.6 Zwei Boxplots

+



38

40

42

44

46

48

50

und für die zweite Faktorstufe y(1) = 41 ,

y0.25 = 43 ,

y0.5 = y˜ = 44 ,

y0.75 = 47 ,

y(5) = 50.

Die Boxplots in Abb. 4.6 deuten darauf hin, dass die Streuung der beobachteten Werte der Zielvariable auf den beiden Faktorstufen gleich ist.  Howard Levene hat 1960 einen statistischen Test zur Überprüfung der sog. Varianzhomogenität vorgestellt (s. Levene 1960). Dieser sog. Levene-Test kann für mindestens drei Beobachtungen je Faktorstufe durchgeführt werden. Er geht von der Nullhypothese aus, dass die Varianzen σi2 der Zielvariablen auf allen i = 1, . . . , I Faktorstufen gleich sind. Wir wollen also testen: H0 : σ12 = σ22 = . . . , σ I2 gegen

H1 : σm2  = σk2 , f¨ur mindestens ein Paar mit m  = k

(4.8)

(4.9)

Für die Teststatistik zentrieren wir zunächst die beobachteten Werte der Zielvariablen Y um den jeweiligen Mittelwert der Faktorstufe. Wir erhalten also erneut die Residuen und verwenden deren Absolutbeträge:   (4.10) εi∗j =  yi j − y i  . Dabei ist y i erneut der Mittelwert der beobachteten Werte auf Faktorstufe i.

60

4 Annahmen der Varianzanalyse

Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir erhalten mit y 1 = 40 und y 2 = 45 die absoluten Residuen ∗ ∗ ∗ ∗ ∗ εˆ 11 = 2 εˆ 12 = 4 εˆ 13 = 0 εˆ 14 = 1 εˆ 15 =3 ∗ ∗ ∗ ∗ ∗ εˆ 21 = 1 εˆ 22 = 2 εˆ 23 = 2 εˆ 24 = 5 εˆ 25 = 4.

 Ähnlich wie die Teststatistik für den F-Test hat Levene als Teststatistik ein Verhältnis von Varianzen dieser absoluten Residuen vorgeschlagen:

L∗ =

1 I −1 1 N −I

I i=1

2 n i εˆ i∗ − εˆ ∗

ni I i=1 j=1

2 n j εˆ i∗j − εˆ i∗

(4.11)

Dabei ist εˆ ∗ =

I ni 1  εˆ i∗j N i=1 j=1

der Mittelwert aller absoluten Residuen und εˆ i∗ =

ni 1  εˆ i∗j ni i=1

der Mittelwert der absoluten Residuen auf Faktorstufe i. Im Zähler der Teststatistik L ∗ verwendet Levene somit einen robusten Schätzer der Varianz zwischen den Faktorstufen. Im Nenner verwendet die Teststatistik einen robusten Schätzer der Streuung auf den jeweiligen Faktorstufen. Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir erhalten εˆ ∗ = 2.4 und εˆ 1∗ = 2 sowie εˆ 2∗ = 2.8. Für den Zähler von L ∗ verwenden wir somit

1 5 · (2 − 2.4)2 + 5 · (2.8 − 2.4)2 = 1.6. 1 Wir schätzen die Varianz auf den jeweiligen Faktorstufen für den Nenner von L ∗ mit 1 · (2 − 2)2 + (4 − 2)2 + (0 − 2)2 + (1 − 2)2 + (3 − 2)2 8

+ (1 − 2.8)2 + (2 − 2.8)2 + (2 − 2.8)2 + (5 − 2.8)2 + (4 − 2.8)2 = 2.6.

4.2 Varianzhomogenität

61

Für den Wert der Teststatistik erhalten wir somit L∗ =

1.6 = 0.6154. 2.6 

Die Teststatistik ist unter H0 approximativ F-verteilt mit I − 1 und N − I Freiheitsgraden. Wir lehnen H0 ab, wenn L ∗ > FI −1,N −I ,1−α . Dabei ist FI −1,N −I ,1−α erneut das 1 − αQuantil der F-Verteilung mit I − 1 und N − I Freiheitsgraden. Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir entnehmen Tab. C.1 für α = 0.05 den kritischen Wert F1,8,0.95 = 5.32. Da 0.6154  > 5.32, lehnen wir H0 nicht ab und gehen von Varianzhomogenität aus.  Von Morton Browne und Alan Forsythe wurde 1974 eine Änderung am Levene-Test vorgeschlagen: Anstelle des Mittelwerts y i in Gl. (4.10) kann auch der Median y˜i der beobachteten Werte auf Faktorstufe i zur Bestimmung von Residuen verwendet werden (s. Brown und Forsythe 1974). Somit verwenden wir für den Browne-Forsythe-Test   εˆ i∗∗j =  yi j − y˜i  .

(4.12)

Dabei ist y˜i der Median der beobachteten Werte auf Faktorstufe i, und wir bezeichnen εˆ i∗∗j als Medianresiduum von Beobachtung j auf Faktorstufe i. Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir erhalten mit y˜1 = 40 und y˜2 = 44 die absoluten Medianresiduen: ∗∗ ∗∗ ∗∗ ∗∗ ∗∗ εˆ 11 = 2 εˆ 12 = 4 εˆ 13 = 0 εˆ 14 = 1 εˆ 15 =3 ∗∗ ∗∗ ∗∗ ∗∗ ∗∗ εˆ 21 = 0 εˆ 22 = 1 εˆ 23 = 3 εˆ 24 = 6 εˆ 25 =3

 Als Teststatistik verwenden wir erneut das Verhältnis der geschätzten Varianzen:

L ∗∗ =

1 I −1 1 N −I

I i=1

2 n i εˆ i∗∗ − εˆ ∗∗

ni I i=1 j=1

2 n i εˆ i∗∗j − εˆ i∗∗

(4.13)

62

4 Annahmen der Varianzanalyse

Dabei ist εˆ ∗∗ =

I ni 1  εˆ i∗∗j N i=1 j=1

der Mittelwert aller absoluten Medianresiduen und εˆ i∗∗ =

ni 1  εˆ i∗∗j ni j=1

der Mittelwert der absoluten Medianresiduen auf Faktorstufe i. Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir erhalten εˆ ∗∗ = 2.3 sowie εˆ 1∗∗ = 2 und εˆ 2∗∗ = 2.6. Für den Zähler von L ∗∗ verwenden wir somit:

1 5 · (2 − 2.3)2 + 5 · (2.6 − 2.3)2 = 0.9. 1 Wir schätzen die Streuung auf den jeweiligen Faktorstufen für den Nenner von L ∗∗ mit 1 · (2 − 2)2 + (4 − 2)2 + (0 − 2)2 + (1 − 2)2 + (3 − 2)2 8

+ (0 − 2.6)2 + (1 − 2.6)2 + (3 − 2.6)2 + (6 − 2.6)2 + (3 − 2.6)2 = 3.9. Für den Wert der Teststatistik verwenden wir L ∗∗ =

0.9 = 0.2308. 3.9 

Die Teststatistik ist unter H0 ebenfalls approximativ F-verteilt mit I − 1 und N − I Freiheitsgraden. Wir lehnen H0 ab, wenn L > FI −1,N −I ,1−α . Dabei ist FI −1,N −I ,1−α erneut das 1 − α-Quantil der F-Verteilung mit I − 1 und N − I Freiheitsgraden. Beispiel 4.1 (fortgesetzt) Wir entnehmen Tab. C.1 für α = 0.05 den kritischen Wert F1,8,0.95 = 5.32. Da 0.2308  > 5.32, lehnen wir H0 erneut nicht ab und gehen auch mit dem vorgeschlagenen Vorgehen von Brown und Forsythe von Varianzhomogenität aus.  Morton Browne und Alan Forsythe haben in ihrer Arbeit den Levene-Test und ihren BrowneForsythe-Test miteinander verglichen. Der Levene-Test mit den Residuen εi∗j hat dabei eine hohe Teststärke bei symmetrischen Verteilungen von Y und vergleichsweise wenig Wahrscheinlichkeitsmasse an den Rändern. Der Browne-Forsythe-Test mit den Medianresiduen

4.3

Überprüfung der Annahmen mit R

63

εˆ i∗∗j sollte dagegen bei schiefen beobachteten Verteilungen zur Überprüfung der Varianzhomogenität verwendet werden. Bei Verteilungen mit viel Wahrscheinlichkeitsmasse an den Rändern kann das arithmetische Mittel zur Bestimmung von εˆ i∗j durch getrimmte arithmetische Mittel ersetzt werden.

4.3

Überprüfung der Annahmen mit R

Die Annahme normalverteilter Störgrößen kann durch eine grafische Analyse des NormalQuantil-Plots oder mit Hilfe des Shapiro-Wilk-Tests erfolgen. Wir wollen die Annahmen für Beispiel 3.3 überprüfen. Die Daten haben wir bereits eingegeben: > Zeit [1] 38 44 40 41 37 44 43 47 50 41 > Strecke [1] - - - - - + + + + + Levels: - +

Die benötigten Residuen als Schätzer für die Störgrößen werden beim Aufruf der aovFunktion automatisch mitgeschätzt. Wir können mit > e res res 1 2 -2.000000e+00 4.000000e+00 6 7 -1.000000e+00 -2.000000e+00

3 2.220446e-15 8 2.000000e+00

4 5 1.000000e+00 -3.000000e+00 9 10 5.000000e+00 -4.000000e+00

auf die Werte zugreifen. Den Normal-Quantil-Plot erhalten wir durch Aufruf der Funktion qqnorm. Die zugehörige Gerade fügen wir der Grafik mit der Funktion qqline hinzu. Wir erhalten also Abb. 4.5 durch den Aufruf von > par(las=1) > qqnorm(res,main=’Normal-Quantil-Plot’, + xlab=’theoretische Quantile’,ylab=’empirische Quantile’, + pch=16) > qqline(res,lwd=2)

Der Shapiro-Wilk-Test steht mit der Funktion shapiro.test zur Verfügung. Wir rufen die Funktion mit den bereits bestimmten Residuen auf:

64

4 Annahmen der Varianzanalyse

> shapiro.test(res) Shapiro-Wilk normality test data: res W = 0.95312, p-value = 0.7054

Wir erhalten mit W den Wert unserer Teststatistik SW und die zugehörige Überschreitungswahrscheinlichkeit. Mit einem vorgegebenen Wert von α = 0.05 lehnen wir H0 nicht ab. Zur grafischen Überprüfung der angenommenen Varianzhomogenität verwenden wir die Funktion boxplot, die wir auch mit dem formula-Argument aufrufen können. Wir erhalten Abb. 4.6 durch Aufruf von > par(las=1) > boxplot(Zeit˜Strecke,horizontal=TRUE)

Der Levene-Test und der Brown-Forsythe-Test zur Überprüfung der Varianzhomogenität sind im Paket car von Fox und Weisberg (2011) enthalten. > install.packages(’car’) > library(car)

Im Paket car steht die Funktion leveneTest zur Verfügung. Als erstes Argument der Funktion können wir eine formula wie in der bekannten Funktion aov verwenden. Mit dem zusätzlichen Argument center können wir festlegen, ob die Residuen mit Hilfe des Mittelwerts oder des Medians bestimmt werden. Um die Residuen wie in Gl. (4.10) zu bestimmen, verwenden wir center=’mean’. > leveneTest(Zeit˜Strecke,center=’mean’) Levene’s Test for Homogeneity of Variance (center = "mean") Df F value Pr(>F) group 1 0.6154 0.4554 8

Zu dem Wert der Teststatistik L ∗ = 0.6154 wird die Überschreitungswahrscheinlichkeit von 0.4554 ausgegeben. Wir lehnen also H0 nicht ab. Mit dem Argument center=’median’ kann der Brown-Forsythe-Test mit den Medianresiduen durchgeführt werden. > leveneTest(Zeit˜Strecke,center=’median’) Levene’s Test for Homogeneity of Variance (center = "median") Df F value Pr(>F) group 1 0.2308 0.6438 8

4.4

Übungsaufgaben

65

Zu dem Wert der Teststatistik L ∗∗ = 0.2308 wird hier eine Überschreitungswahrscheinlichkeit von 0.6438 ausgegeben. Wir lehnen also H0 erneut nicht ab.

4.4

Übungsaufgaben

Übung 4.1 Überprüfen Sie für die Daten des Experiments aus den Übungen 3.1 und 3.1 die Annahmen der Varianzanalyse. Übung 4.2 Überprüfen Sie die Ergebnisse von Übung 4.1 mit Hilfe von R.

5

Zweifaktorielle Experimente

Inhaltsverzeichnis 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6

Additives Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtadditives Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderfall n = 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel eines zweifaktoriellen Experiments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweifaktorielle Experimente in R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 80 96 99 102 107

Bisher sind wir davon ausgegangen, dass die Zielgröße nur von einem Faktor abhängt. In der Regel werden aber mehrere Faktoren einen Einfluss haben. Wir wollen nun zwei Faktoren mit einer Wirkung auf die Zielgröße analysieren. Dabei werden wir davon ausgehen, dass jeder der Faktoren zwei Faktorstufen besitzt. Im Folgenden sind A und B Faktoren mit den Faktorstufen A1 und A2 bzw. B1 und B2 . Wir bezeichnen A1 und B1 jeweils mit - und A2 und B2 mit +. Beispiel 5.1 Der Mitarbeiter im Außendienst will überprüfen, ob außer der Strecke als Faktor A auch der Zeitpunkt der Abfahrt als zweiter Faktor B einen Einfluss auf die Fahrzeit hat. Dabei zieht er die Zeitpunkte B1 und B2 in Betracht, wobei B1 die frühere und B2 eine späere Abfahrtzeit an einem Arbeitstag bedeutet.  Bei Experimenten mit mehr als einem Faktor spricht man auch von faktoriellen Versuchsplänen oder faktoriellen Experimenten. Bei diesen wird jede Kombination der Faktoren betrachtet. Hat der Faktor A also die Faktorstufen - und + und der Faktor B die Faktorstufen - und +, so gibt es die Faktorstufenkombinationen

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Kuhlenkasper und A. Handl, Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59054-6_5

67

68

5 Zweifaktorielle Experimente

Dabei steht das erste Symbol für den Faktor A und das zweite für den Faktor B. Es handelt sich also um ein 22 -Experiment. Auf jeder Faktorstufenkombination werden n Versuche durchgeführt. Wir gehen also weiterhin von balancierten Experimenten aus. Dabei bezeichnen wir die Realisation, die die Zielgröße Y auf der i-ten Faktorstufe von A und der j-ten Faktorstufe von B bei der k-ten Wiederholung annimmt, mit yi jk . Der Index i nimmt also den Wert 1 an, wenn A auf - steht. Steht A auf +, gilt i = 2. Entsprechend bedeutet j = 1, dass B auf - steht, und j = 2, dass B auf + steht. Wir stellen die Daten in einer Tabelle zusammen, deren allgemeine Form Tab. 5.1 zeigt. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Der Mitarbeiter fährt auf jeder Faktorstufenkombination genau fünfmal und erhält die Daten in Tab. 5.2. Es gilt also n = 5 und N = 20.  Wir beschäftigen uns mit zwei Modellen für Yi jk . Diese sind Erweiterungen des bereits bekannten einfaktoriellen Modells der Varianzanalyse: Yi j = μi + εi j

(5.1)

Hier beschreibt der Index i die Stufen des Faktors A und der Index j die Wiederholungen auf den Faktorstufen. Tab. 5.1 Tabelle für ein zweifaktorielles Experiment A

B

Merkmal

-

-

y111

y112

...

y11n

+

-

y211

y212

...

y21n

-

+

y121

y122

...

y12n

+

+

y221

y222

...

y22n

Tab. 5.2 Ergebnis eines zweifaktoriellen Experiments A

B

Fahrzeit

-

-

38

44

40

41

37

+

-

43

42

46

49

40

-

+

44

37

41

43

40

+

+

44

48

47

45

51

5 Zweifaktorielle Experimente

69

Es liegt nahe, das Modell der einfaktoriellen Varianzanalyse folgendermaßen auf zwei Faktoren zu erweitern: Yi jk = μi j + εi jk Gilt E(εi jk ) = 0, so ist μi j der Erwartungswert von Y auf der Faktorstufenkombination (i, j). Wir wollen μi j in Abhängigkeit von den Faktoren A und B angeben. Hierzu stellen wir das Modell der einfaktoriellen Varianzanalyse in Gl. (5.1) um. Wir setzen μi = μi + μ − μ = μ + μi − μ = μ + αi

(5.2)

mit αi = μi − μ. αi beschreibt also die Abweichung durch den Faktor A auf Stufe i vom Gesamterwartungswert μ. Setzen wir Gl. (5.2) für μi in Gl. (5.1) ein, so erhalten wir das Modell Yi j = μ + αi + εi j .

(5.3)

Mit μ=

μ1 + μ 2 2

gilt α1 + α 2 = μ1 − μ + μ 2 − μ = 2 ·

μ1 + μ2 − 2 · μ = 0. 2

Wir müssen im Modell (5.3) also folgende Nebenbedingung berücksichtigen: α1 + α2 = 0

(5.4)

Diese Nebenbedingung ist leicht nachzuvollziehen: Wenn eine von zwei Faktorstufen eine positive Abweichung vom Gesamterwartungswert verursacht, muss die zweite Faktorstufe diese Abweichung ausgleichen, um den gemeinsamen Erwartungswert erhalten zu können. Wir können im Modell (5.3) den Effekt E A in Abhängigkeit von α1 und α2 angeben. Es gilt E A = α2 − α1 . Dies sieht man folgendermaßen: 5.2

E A = μ2 − μ1 = μ + α2 − (μ + α1 ) = α2 − α1

(5.5)

70

5.1

5 Zweifaktorielle Experimente

Additives Modell

Im Modell der einfaktoriellen Varianzanalyse können wir den Effekt von A durch αi ausdrücken. Wollen wir einen weiteren Faktor B betrachten, so ergänzen wir das Modell in Gl. (5.1) um einen Term β j : Yi jk = μ + αi + β j + εi jk

(5.6)

Dabei gilt i = 1,2 und j = 1,2 sowie k = 1, . . . , n. In Analogie zum einfaktoriellen Modell müssen die Parameter α1 , α2 , β1 und β2 folgenden Nebenbedingungen genügen: α1 + α2 = 0

(5.7)

β1 + β2 = 0.

(5.8)

und

Wir unterstellen E(εi jk ) = 0 und Homoskedastizität: V ar (εi jk ) = σ 2 . Hieraus folgt   μi j = E Yi jk = μi j = μ + αi + β j

(5.9)

  V ar Yi jk = σ 2 .

(5.10)

und

Der Erwartungswert unserer Zielgröße für jede Faktorstufenkombination von A mit i = 1,2 und von B mit j = 1,2 setzt sich also aus dem Gesamterwartungswert μ und den Abweichungen aufgrund von Faktor A und Faktor B zusammen. Die beiden Faktoren wirken dabei additiv auf die Zielgröße. Wir wollen nun im Modell (5.6) den Effekt von Faktor A beschreiben. Hierzu setzen wir zuerst Faktor B auf -. Dann haben wir es mit einem einfaktoriellen Modell zu tun und wissen, wie wir den Effekt von A bestimmen. Wir bilden μ21 − μ11 .

(5.11)

Nun setzen wir den Wert des Faktors B auf + und bestimmen den Effekt von A: μ22 − μ12

(5.12)

5.1

Additives Modell

71

Den Effekt von A im zweifaktoriellen Modell definieren wir als Mittelwert des Effekts von A, wenn B auf - steht, und des Effekts von A, wenn B auf + steht: EA =

(μ21 − μ11 ) + (μ22 − μ12 ) 2

(5.13)

Ist diese Wahl sinnvoll? Wir setzen Gl. (5.9) in (5.11) ein und erhalten μ21 − μ11 = μ + α2 + β1 − (μ + α1 + β1 ) = α2 − α1 . Setzen wir Gl. (5.9) in (5.12) ein, so ergibt sich μ22 − μ12 = μ + α2 + β2 − (μ + α1 + β2 ) = α2 − α1 . Wir sehen, dass im additiven Modell der Effekt von A auf beiden Faktorstufen von B identisch ist. Somit ist es sinnvoll, den Effekt von A wie in Gl. (5.13) zu bestimmen. Offensichtlich gilt E A = α2 − α1 .

(5.14)

Betrachten wir den Effekt von B. Steht A auf -, so ist der Effekt von B gleich μ12 − μ11 .

(5.15)

Steht A auf +, so ist der Effekt von B gleich μ22 − μ21 .

(5.16)

Wir definieren den Effekt von B durch EB =

(μ12 − μ11 ) + (μ22 − μ21 ) . 2

(5.17)

Auch der Effekt von B ist im additiven Modell auf beiden Stufen von A identisch. Es gilt nämlich μ12 − μ11 = μ + α1 + β2 − (μ + α1 + β1 ) = β2 − β1 und μ22 − μ21 = μ + α2 + β2 − (μ + α2 + β1 ) = β2 − β1 .

72

5 Zweifaktorielle Experimente

Offensichtlich gilt dann für den Effekt von B E B = β2 − β1 .

(5.18)

Beispiel 5.1 Es gelte μ11 = 3, μ21 = 7, μ12 = 5 und μ22 = 9. Somit gilt μ22 − μ12 = 9 − 5 = 4 und μ21 − μ11 = 7 − 3 = 4. Es liegt also ein additives Modell vor. Abb. 5.1 veranschaulicht dies.  Im Modell in Gl. (5.9) bestimmen wir Schätzer der Parameter μ, α1 , α2 , β1 und β2 so, dass 2  2  n 

(yi jk − μ − αi − β j )2

(5.19)

i=1 j=1 k=1

unter den Nebenbedingungen Abb. 5.1 Erwartungswerte der Faktorstufenkombinationen bei einem additiven Modell

9

A+

7

5

A− 3

B−

B+

5.1

Additives Modell

73

α1 + α2 = 0 β1 + β2 = 0 minimal wird. Der Schätzer von μ ist erneut der Mittelwert aller Beobachtungen im Experiment:

μˆ = y¯ =

2 2 n 1  yi jk 4n

(5.20)

i=1 j=1 k=1

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt y¯ = 43.



Wir schätzen αi durch αˆ i = y¯i· − y¯ .

(5.21)

Dabei ist y¯i· für i = 1,2 der Mittelwert aller Beobachtungen, bei denen der Faktor A auf der i-ten Stufe steht. Es gilt also

y¯i· =

2 n 1  yi jk . 2n

(5.22)

j=1 k=1

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten y¯1· =

1 (38 + 44 + 40 + 41 + 37 + 44 + 37 + 41 + 43 + 40) = 40.5 10

y¯2· =

1 (43 + 42 + 46 + 49 + 40 + 44 + 48 + 47 + 45 + 51) = 45.5. 10

und

Also gilt αˆ 1 = y¯1· − y¯ = 40.5 − 43 = −2.5 und αˆ 2 = y¯2· − y¯ = 45.5 − 43 = 2.5. 

74

5 Zweifaktorielle Experimente

Wir schätzen β j durch βˆ j = y¯· j − y¯ .

(5.23)

Dabei ist y¯· j für j = 1,2 der Mittelwert aller Beobachtungen, bei denen der Faktor B auf der j-ten Stufe steht. Es gilt also

y¯· j =

2 n 1  yi jk . 2n

(5.24)

i=1 k=1

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt y¯·1 =

1 (38 + 44 + 40 + 41 + 37 + 43 + 42 + 46 + 49 + 40) = 42 10

y¯·2 =

1 (44 + 37 + 41 + 43 + 40 + 44 + 48 + 47 + 45 + 51) = 44. 10

und

Also erhalten wir βˆ1 = y¯·1 − y¯ = 42 − 43 = −1 und βˆ2 = y¯·2 − y¯ = 44 − 43 = 1.  Betrachten wir nun die Schätzer von E A und E B . Wir schätzen E A , indem wir α1 durch αˆ 1 und α2 durch αˆ 2 aus Gl. (5.21) schätzen. Durch Einsetzen in Gl. (5.14) erhalten wir e A = αˆ 2 − αˆ 1 = y¯2· − y¯ − ( y¯1· − y¯ ) = y¯2· − y¯1· . Der geschätzte Effekt von A gibt also an, wie sich die Zielgröße Y im Mittel ändert, wenn man von der ersten zur zweiten Faktorstufe von A übergeht. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten für den geschätzten Effekt von A e A = y¯2· − y¯1· = 45.5 − 40.5 = 5.

5.1

Additives Modell

75

Auf der zweiten Strecke benötigt der Mitarbeiter im Mittel fünf Minuten länger als auf der ersten Strecke.  Wir schätzen E B , indem wir β1 durch βˆ1 und β2 durch βˆ2 aus Gl. (5.23) schätzen. Durch Einsetzen in Gl. (5.18) erhalten wir e B = βˆ2 − βˆ1 = y¯·2 − y¯ − ( y¯·1 − y¯ ) = y¯·2 − y¯·1 . Der geschätzte Effekt von B gibt also an, wie sich die Zielgröße Y im Mittel ändert, wenn man von der ersten zur zweiten Faktorstufe von B übergeht. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Der geschätzte Effekt von B ergibt sich als e B = y¯·2 − y¯·1 = 44 − 42 = 2. Im Mittel benötigt er für die Fahrt zwei Minuten länger, wenn er später losfährt.



Bisher haben wir nur die Effekte aus den Beobachtungen geschätzt. Wir wollen nun auch testen, ob die Effekte signifikant von null verschieden sind. Der Test auf Signifikanz des Effekts von A überprüft die Hypothese H0 :

EA = 0

gegen

H1 :

E A  = 0.

Zur Überprüfung der Signifikanz des Effekts von B testen wir H0 :

EB = 0

gegen

H1 :

E B  = 0.

Die Teststatistiken sind – wie bei der einfaktoriellen Varianzanalyse – Quotienten aus der durch den jeweiligen Faktor erklärten mittleren Streuung zur mittleren Streuung, die nicht durch das Modell erklärt werden kann. Die Streuung, die nicht durch das Modell in Gl. (5.3) erklärt wird, erhalten wir, indem wir in Gl. (5.19) für μ, α1 , α2 , β1 und β2 die Schätzer aus (5.20), (5.21) und (5.23) einsetzen. Wir erhalten

SS R =

2  2  n  i=1 j=1 k=1

Den Beweis zeigt Anhang B.

(yi jk − y¯i· − y¯· j + y¯ )2 .

(5.25)

76

5 Zweifaktorielle Experimente

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt SS R = (38 − 40.5 − 42 + 43)2 + (44 − 40.5 − 42 + 43)2 + (40 − 40.5 − 42 + 43)2 + (41 − 40.5 − 42 + 43)2 + (37 − 40.5 − 42 + 43)2 + (44 − 40.5 − 44 + 43)2 + (37 − 40.5 − 44 + 43)2 + (41 − 40.5 − 44 + 43)2 + (43 − 40.5 − 44 + 43)2 + (40 − 40.5 − 44 + 43)2 + (43 − 45.5 − 42 + 43)2 + (42 − 45.5 − 42 + 43)2 + (46 − 45.5 − 42 + 43)2 + (49 − 45.5 − 42 + 43)2 + (40 − 45.5 − 42 + 43)2 + (44 − 45.5 − 44 + 43)2 + (48 − 45.5 − 44 + 43)2 + (47 − 45.5 − 44 + 43)2 + (45 − 45.5 − 44 + 43)2 + (51 − 45.5 − 44 + 43)2 = 145.  Die Anzahl der Freiheitsgrade von SS R ist bei einem 22 -Experiment gleich 4n − 3. Wir erhalten also als mittlere Quadratsumme für den unerklärten Rest

M SS R =

SS R . 4n − 3

(5.26)

Um die Hypothese H0 :

EA = 0

gegen

H1 :

E A = 0

zu überprüfen, bestimmen wir

SS A =

2 

2n( y¯i· − y¯ )2 .

(5.27)

i=1

SS A misst also erneut die Unterschiedlichkeit der Beobachtungen, die auf Faktor A zurückgeht. Die Anzahl der Freiheitsgrade von SS A ist bei zwei Faktorstufen von A gleich 1. Somit gilt bei einem 22 -Experiment SS R = M SS R .

5.1

Additives Modell

77

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten SS A = 2 · 5 · (40.5 − 43)2 + 2 · 5 · (45.5 − 43)2 = 125.  Die Teststatistik ist erneut das Verhältnis der durch Faktor A erklärten Streuung zur unerklärten Reststreuung: FA =

SS A M SS R

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten für die Teststatistik FA =

125 = 14.66. 145/17 

Wir lehnen H0 ab, wenn gilt FA ≥ F1,4n−3;1−α . Dabei ist F1,4n−3;1−α das 1 − α-Quantil der F-Verteilung mit 1 und 4n − 3 Freiheitsgraden. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt F1,17;0.95 = 4.45. Wir lehnen H0 also ab. Die Strecke hat einen signifikanten Einfluss auf die Fahrzeit des Mitarbeiters. Da wir an einer kurzen Fahrzeit interessiert sind, wählen wir die erste Strecke. Hier kann der Mitarbeiter eine Zeit von 40.5 min erwarten.  Um die Hypothese H0 :

EB = 0

gegen

H1 :

E B = 0

zu überprüfen, bestimmen wir

SS B =

2 

2n( y¯· j − y¯ )2 .

(5.28)

j=1

SS B misst also analog die Unterschiedlichkeit der Beobachtungen, die auf Faktor B zurückgeht. Die Anzahl der Freiheitsgrade von SS B ist bei zwei Faktorstufen von B ebenfalls gleich 1, und somit gilt auch hier für 22 -Experimente SS B = M SS B .

78

5 Zweifaktorielle Experimente

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten SS B = 2 · 5(42 − 43)2 + 2 · 5(44 − 43)2 = 20.  Die Teststatistik ist analog zu FA das Verhältnis der durch Faktor B erklärten Streuung zur unerklärten Reststreuung: FB =

SS B M SS R

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt FB =

20 = 2.34. 145/17 

Wir lehnen H0 ab, wenn gilt FB ≥ F1,4n−3;1−α . Dabei ist F1,4n−3;1−α erneut das 1 − αQuantil der F-Verteilung mit 1 und 4n − 3 Freiheitsgraden. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt F1,17;0.95 = 4.45. Wir lehnen also H0 nicht ab. Die unterschiedlichen Abfahrtzeiten wirken sich nicht signifikant auf die Fahrzeit aus. Es ist also egal, wann der Mitarbeiter losfährt, jedoch nicht, welche Strecke er wählt.  Wir können die Informationen erneut in einer ANOVA-Tabelle zusammenstellen. Tab. 5.3 zeigt den allgemeinen Aufbau. 

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten die ANOVA-Tabelle in Tab. 5.4.

Tab. 5.3 Allgemeiner Aufbau einer ANOVA-Tabelle im additiven Modell der zweifaktoriellen Varianzanalyse Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

A

SS A

1

M SS A

M SS A /M SS R M SS B /M SS R

B

SS B

1

M SS B

Rest

SS R

4n − 3

M SS R

Gesamt

SST

4n − 1

5.1

Additives Modell

79

Tab. 5.4 ANOVA-Tabelle der Daten Quelle der Variation

Quadratsummen

A

125

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

1

125.00

14.66 2.34

20

1

20.00

Rest

145

17

8.53

Gesamt

290

19

B

Es gilt dabei für die gesamte Streuung der Daten SST = SS A + SS B + SS R .

(5.29)

Wir erkennen auch hier das Prinzip der Streuungszerlegung. Die durch das Modell erklärte Streuung setzt sich aus der Streuung, die Faktor A erklärt, und aus der Streuung, die Faktor B erklärt, zusammen. Wir haben gesehen, dass es sehr aufwendig ist, SS R zu berechnen. Die Bestimmung von SST ist hingegen einfacher. Es gilt für die Gesamtstreuung

SST =

2  2  n 

(yi jk − y¯ )2 .

(5.30)

i=1 j=1 k=1

Kennen wir also SS A , SS B und SST , so können wir SS R mit Gl. (5.29) durch SS R = SST − SS A − SS B bestimmen. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt SST = (38 − 43)2 + (44 − 43)2 + (40 − 43)2 + (41 − 43)2 + (37 − 43)2 + (44 − 43)2 + (37 − 43)2 + (41 − 43)2 + (43 − 43)2 + (40 − 43)2 + (43 − 43)2 + (42 − 43)2 + (46 − 43)2 + (49 − 43)2 + (40 − 43)2 + (44 − 43)2 + (48 − 43)2 + (47 − 43)2 + (45 − 43)2 + (51 − 43)2 = 290. Also erhalten wir SS R = 290 − 125 − 20 = 145. 

80

5.2

5 Zweifaktorielle Experimente

Nichtadditives Modell

Im additiven Modell wird unterstellt, dass der Effekt von Faktor A auf beiden Stufen von Faktor B gleich ist. Welche Konsequenzen hat es, wenn dies nicht der Fall ist? Beispiel 5.1 Wir betrachten ein faktorielles Experiment mit den beiden Faktoren A und B. Dabei soll gelten μ11 = 3 μ21 = 7 μ12 = 9 μ22 = 5. Somit ergibt sich für den Effekt von A, wenn B auf - steht, μ21 − μ11 = 7 − 3 = 4. Für den Effekt von A, wenn B auf + steht, ergibt sich hingegen μ22 − μ12 = 5 − 9 = −4. Die Wirkung von Faktor A unterscheidet sich also, je nachdem auf welcher Stufe der andere Faktor B steht. Also liegt kein additives Modell vor. Abb. 5.2 veranschaulicht dies. Wir bestimmen den Effekt von A zunächst mit Gl. (5.13): EA =

μ21 − μ11 + μ22 − μ12 7−3+5−9 = =0 2 2

10

A− 8

A+

µ ij

6

4

2

0

B−

B+

Abb. 5.2 Erwartungswerte der Faktorstufenkombinationen bei einem nichtadditiven Modell

5.2

Nichtadditives Modell

81

Der Effekt von A wäre gleich 0. Somit hätte A keine Wirkung. Durch die Aggregation erhalten wir eine Aussage, die den wahren Tatbestand aber verdeckt. Der Faktor A besitzt durchaus einen Effekt. Dieser hängt aber von der Faktorstufe ab, auf der Faktor B steht.  Man spricht von Interaktion zwischen zwei Faktoren, wenn der Effekt eines Faktors von den Faktorstufen des anderen Faktors abhängt. In diesem Fall sollte man nicht das additive Modell verwenden. Beim additiven Modell bezieht sich der Term αi auf den Faktor A und der Term β j auf den Faktor B. Liegt Interaktion vor, so müssen wir diese im Modell durch einen zusätzlichen gemeinsamen Effekt berücksichtigen. Wir verwenden für i = 1,2 und j = 1,2 den Term (αβi j ) und erhalten das Modell Yi jk = μ + αi + β j + (αβ)i j + εi jk .

(5.31)

(αβ)i j gibt also an, welche Wirkung die Faktoren A und B auf die Zielgröße Y haben, wenn sie gemeinsam auftreten und sich gegenseitig beeinflussen. Um eindeutige Schätzer der Parameter zu erhalten, benötigen wir folgende Nebenbedingungen: α1 + α2 = 0

(5.32)

β1 + β2 = 0

(5.33)

(αβ)11 + (αβ)12 = 0

(5.34)

(αβ)12 + (αβ)22 = 0

(5.35)

(αβ)11 + (αβ)21 = 0

(5.36)

(αβ)21 + (αβ)22 = 0

(5.37)

Wir unterstellen dabei erneut E(εi jk ) = 0 und V ar (εi jk ) = σ 2 . Hieraus folgt   μi j = E Yi jk = μ + αi + β j + (αβ)i j

(5.38)

  V ar Yi jk = σ 2 .

(5.39)

und

Wir wollen nun im Modell (5.38) den Effekt E A von Faktor A beschreiben. Hierzu bestimmen wir, wie im additiven Modell, zuerst den Effekt E A von A, wenn B auf - steht. Es gilt μ21 − μ11 = μ + α2 + β1 + (αβ)21 − μ − α1 − β1 − (αβ)11 = α2 − α1 + (αβ)21 − (αβ)11 .

82

5 Zweifaktorielle Experimente

Nun setzen wir den Wert des Faktors B auf + und bestimmen den Effekt von A: μ22 − μ12 = μ + α2 + β2 + (αβ)22 − μ − α1 − β2 − (αβ)12 = α2 − α1 + (αβ)22 − (αβ)12 Wir sehen, dass der Effekt von A auf den beiden Stufen von B unterschiedlich ist. Wie im additiven Modell bestimmen wir den Effekt von A als Mittelwert des Effekts von A, wenn B auf - steht, und des Effekts von A, wenn B auf + steht: EA =

(μ21 − μ11 ) + (μ22 − μ12 ) 2

Wir erhalten (μ21 − μ11 ) + (μ22 − μ12 ) 2 (α2 − α1 + (αβ)21 − (αβ)11 ) + (α2 − α1 + (αβ)22 − (αβ)12 ) = 2 (αβ)21 + (αβ)22 (αβ)11 + (αβ)12 = α2 − α1 + − 2 2

EA =

(5.37)(5.34)

=

α2 − α1 .

Analog definieren wir, wie im additiven Modell, den Effekt von Faktor B: EB =

(μ12 − μ11 ) + (μ22 − μ21 ) 2

und erhalten E B = β2 − β1 . Neben E A und E B müssen wir im nichtadditiven Modell noch einen weiteren Effekt berücksichtigen. Dies ist der Interaktionseffekt E AB , der den Zusammenhang zwischen den Faktoren A und B beschreibt. Dieser gibt an, wie sich der Effekt von A, wenn B auf + steht, vom Effekt von A, wenn B auf - steht, unterscheidet. Wir bilden also die Differenz aus dem Effekt von A, wenn B auf + steht, und dem Effekt von A, wenn B auf - steht: E AB =

(μ22 − μ12 ) − (μ21 − μ11 ) μ11 − μ21 − μ12 + μ22 = 2 2

Ist der Effekt von A auf beiden Stufen von B gleich, so ist E AB gleich 0.

(5.40)

5.2

Nichtadditives Modell

83

Wir können E AB auch umformen zu μ22 − μ21 − (μ12 − μ11 ) . 2

E AB =

In dieser Darstellung gibt E AB an, wie sich der Effekt von B, wenn A auf + steht, vom Effekt von B, wenn A auf - steht, unterscheidet. Im Modell in Gl. (5.38) bestimmen wir die Schätzer der Parameter μ, αi , β j und (αβ)i j so, dass 2  2  n 

(yi jk − μ − αi − β j − (αβ)i j )2

(5.41)

i=1 j=1 k=1

unter den Nebenbedingungen in den Gl. (5.32)–(5.37) minimiert wird. Die Schätzer von μ, αi und β j sind mit denen im additiven Modell identisch. Es gilt also: μˆ = y¯ αˆ i = y¯i· − y¯ βˆ j = y¯· j − y¯

(5.42) (5.43) (5.44)

Also sind auch die Schätzer e A und e B im additiven und nichtadditiven Modell identisch. Wir verwenden entsprechend e A = y¯2· − y¯1·

(5.45)

e B = y¯·2 − y¯·1 .

(5.46)

und

Im nichtadditiven Modell bezeichnet man E A und E B als Haupteffekte der Faktoren A und B. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten erneut e A = 5 und e B = 2.



i j von (αβ)i j ist Der Schätzer (αβ) i j = y¯i j − y¯i· − y¯· j + y¯ (αβ)

(5.47)

84

5 Zweifaktorielle Experimente

mit

y¯i j =

n 1 yi jk . n

(5.48)

k=1

Dabei ist y¯i j der Mittelwert der Beobachtungen auf jeder Faktorstufenkombination von A und B mit i = 1,2 und j = 1,2. Wir schätzen den Interaktionseffekt E AB zwischen den Faktoren A und B, indem wir μi j durch y¯i j schätzen und diese Schätzer in Gl. (5.40) einsetzen. Wir erhalten dann als Schätzer für E AB bei einem 22 -Experiment e AB =

y¯11 − y¯21 − y¯12 + y¯22 . 2

(5.49)

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt für die vier Faktorstufenkombinationen 38 + 44 + 40 + 41 + 37 5 44 + 37 + 41 + 43 + 40 = 5 43 + 42 + 46 + 49 + 40 = 5 44 + 48 + 47 + 45 + 51 = 5

y¯11 =

= 40

y¯12

= 41

y¯21 y¯22

= 44 = 47.

Also ist der geschätzte Interaktionseffekt zwischen den Faktoren A und B gegeben durch e AB =

y¯11 − y¯21 − y¯12 + y¯22 40 − 44 − 41 + 47 = = 1. 2 2

Bei einer späten Abfahrtzeit unterscheidet sich somit der Effekt der Strecke um eine Minute im Vergleich zum Effekt der Strecke bei einer frühen Abfahrtzeit. Der geschätzte Effekt von A, wenn B auf - steht, ist y¯21 − y¯11 = 44 − 40 = 4. Der geschätzte Effekt von A, wenn B auf + steht, ist y¯22 − y¯12 = 47 − 41 = 6.  Zur Veranschaulichung erstellen wir ein Interaktionsdiagramm, wie in Abb. 5.3 gezeigt.

5.2

Nichtadditives Modell

85

48

46

A+

x ij

44

42

A− 40

B−

B+

Abb. 5.3 Interaktionsdiagramm

Wir sehen, dass der geschätzte Effekt von A, wenn B auf + steht, größer ist als der geschätzte Effekt von A, wenn B auf - steht. Die beiden geschätzten Effekte unterscheiden sich. Es stellt sich aber die Frage, ob dieser Unterschied signifikant von Null verschieden ist. Für die statistischen Tests zur Überprüfung der Signifikanz benötigen wir SS A , SS B , SS AB und SS R . SS A und SS B sind im additiven und nichtadditiven Modell identisch. Es gilt also

SS A =

2 

2n( y¯i· − y¯ )2

i=1

und

SS B =

2 

2n( y¯· j − y¯ )2 .

j=1

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten SS A = 125 und SS B = 20.



86

5 Zweifaktorielle Experimente

Die Streuung, die nicht durch das Modell in Gl. (5.38) erklärt wird, erhalten wir, indem wir in Gl. (5.41) für μ, αi , β j und (αβ)i j die Schätzer aus den Gl. (5.42), (5.43), (5.44) und (5.47) einsetzen. Es gilt dann

SS R =

2  2  n 

(yi jk − y¯i j )2 .

(5.50)

i=1 j=1 k=1

Wir zeigen den Beweis in Anhang B. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt SS R = (38 − 40)2 + (44 − 40)2 + (40 − 40)2 + (41 − 40)2 + (37 − 40)2 + (44 − 41)2 + (37 − 41)2 + (41 − 41)2 + (43 − 41)2 + (40 − 41)2 + (43 − 44)2 + (42 − 44)2 + (46 − 44)2 + (49 − 44)2 + (40 − 44)2 + (44 − 47)2 + (48 − 47)2 + (47 − 47)2 + (45 − 47)2 + (51 − 47)2 = 140.  Auf jeder der vier Faktorstufenkombinationen gibt es n Beobachtungen, von denen n − 1 frei wählbar ist, wenn der Mittelwert der Faktorstufenkombination bekannt ist. Von den 4n Summanden in SS R können wir also bei einem 22 -Experiment 4n − 4 frei wählen. Wir erhalten somit

M SS R =

SS R . 4n − 4

(5.51)

Zum Test auf Interaktion benötigen wir noch SS AB . Dafür gilt

SS AB =

2  2 

n( y¯i j − y¯i· − y¯· j + y¯ )2 .

(5.52)

i=1 j=1

Die Anzahl der Freiheitsgrade von SS AB ist bei einem 22 -Experiment gleich 1, und somit gilt auch hier SS AB = M SS AB .

5.2

Nichtadditives Modell

87

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten SS AB = 5(40 − 40.5 − 42 + 43)2 + 5(41 − 40.5 − 44 + 43)2 + 5(44 − 45.5 − 42 + 43)2 + 5(47 − 45.5 − 44 + 43)2 = 5.  Auch im nichtadditiven Modell gilt das Prinzip der Streuungszerlegung. Es gilt SST = SS A + SS B + SS AB + SS R .

(5.53)

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir haben bereits SST = 290 bestimmt. Mit SS A = 125, SS B =  20, SS AB = 5 und SS R = 140 gilt das Prinzip der Streuungszerlegung. Für das nichtadditive Modell überprüfen wir zunächst, ob Interaktion vorliegt. Wir testen also H0 :

E AB = 0

gegen

H1 :

E AB  = 0.

Die Teststatistik ist dabei das Verhältnis der durch die Interaktion von A und B erklärten Streuung zur unerklärten Reststreuung: FAB =

SS AB M SS R

(5.54)

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt FAB =

5 = 0.5714. 140/16 

Wir lehnen H0 ab, wenn gilt FAB ≥ F1,4n−4;1−α . Dabei ist F1,4n−4;1−α das 1 − α-Quantil der F-Verteilung mit 1 und 4n − 4 Freiheitsgraden. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt F1,16;0,95 = 4.49. Wir lehnen H0 nicht ab. Es liegt also keine Interaktion vor. Somit ist der Unterschied der beiden Effekte in Abb. 5.3 nicht signifikant. 

88

5 Zweifaktorielle Experimente

Lehnen wir H0 ab, so spricht dies für Interaktion. Es ist in diesem Fall nicht sinnvoll, nach dem Haupteffekt von A oder dem Haupteffekt von B getrennt zu fragen, da diese von den Faktorstufen des jeweils anderen Faktors abhängen. Somit können die beiden Effekte bei signifikanter Interaktion nicht getrennt voneinander interpretiert werden. Lehnen wir H0 hingegen nicht ab, so überprüfen wir, ob der Haupteffekt von A oder der Haupteffekt von B signifikant von null verschieden ist. Es können natürlich auch beide Haupteffekte oder keiner der beiden Effekte signifikant sein. Beginnen wir mit H0 :

EA = 0

gegen

H1 :

E A  = 0.

Die Teststatistik ist erneut FA =

SS A . M SS R

(5.55)

Wir lehnen H0 ab, wenn gilt FA ≥ F1,4n−4;1−α . Dabei ist F1,4n−4;1−α das 1 − α-Quantil der F-Verteilung mit 1 und 4n − 4 Freiheitsgraden. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt FA =

125 = 14.29. 140/16

Wegen F1,16;0,95 = 4.49 lehnen wir H0 ab. Die Strecke besitzt also einen signifikanten Einfluss auf die Fahrzeit.  Zum Überprüfen der Hypothese H0 :

EB = 0

gegen

H1 :

E B = 0

bestimmen wir die Teststatistik FB =

SS B . M SS R

(5.56)

Wir lehnen H0 ab, wenn gilt FB ≥ F1,4n−4;1−α . Dabei ist F1,4n−4;1−α das 1 − α-Quantil der F-Verteilung mit 1 und 4n − 4 Freiheitsgraden. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt FB =

20 = 2.29. 140/16

5.2

Nichtadditives Modell

89

Wegen F1,16;0,95 = 4.49 lehnen wir H0 nicht ab. Die Abfahrtzeit besitzt also keinen signifikanten Einfluss auf die Fahrzeit. Es liegt hier keine signifikante Interaktion vor. Zwischen den beiden Strecken gibt es einen signifikanten Unterschied, während es bei den Abfahrtzeiten keinen signifikanten Unterschied gibt.  Wir können die Informationen erneut in einer ANOVA-Tabelle zusammenstellen. Tab. 5.5 zeigt den allgemeinen Aufbau für das nichtadditive Modell. 

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten die Zusammenfassung in Tab. 5.6.

Wir wollen auch bei der Auswertung von 22 -Experimenten die Annahmen der Varianzanalyse überprüfen. Für die Annahme der Normalverteilung bestimmen wir zunächst die Residuen auf jeder Faktorstufenkombination im nichtadditiven Modell. Wir bestimmen also

εˆ i jk = yi jk − y¯i j .

(5.57)

Tab. 5.5 Allgemeiner Aufbau einer ANOVA-Tabelle der zweifaktoriellen Varianzanalyse im nichtadditiven Modell Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

A

SS A

1

M SS A

M SS A /M SS R

B

SS B

1

M SS B

M SS B /M SS R

AB

SS AB

1

M SS AB

M SS AB /M SS R

Rest

SS R

4n − 4

M SS R

Gesamt

SST

4n − 1

Tab. 5.6 ANOVA-Tabelle der Fahrzeit in Abhängigkeit von der Strecke und der Abfahrtzeit Quelle der Variation

Quadratsummen

A

125

B

20 5

AB

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

1

125

14,29

1

20

2,29

1

5

0,57

Rest

140

16

Gesamt

290

19

8,75

90

5 Zweifaktorielle Experimente

Mit diesen geschätzten Störgrößen erstellen wir dann einen Normal-Quantil-Plot und überprüfen die Annahme der Normalverteilung zusätzlich mit dem Shapiro-Wilk-Test. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten mit y¯11 = 40, y¯21 = 44, y¯12 = 41 und y¯22 = 47 εˆ 111 εˆ 211 εˆ 121 εˆ 221

= −2 = −1 =3 = −3

εˆ 112 εˆ 212 εˆ 122 εˆ 222

=4 = −2 = −4 =1

εˆ 113 εˆ 213 εˆ 123 εˆ 223

=0 =2 =0 =0

εˆ 114 εˆ 214 εˆ 124 εˆ 224

=1 =5 =2 = −2

εˆ 115 εˆ 215 εˆ 125 εˆ 225

= −3 = −4 = −1 = 4.

Mit den geordneten Residuen und den Quantilen der Standardnormalverteilung erhalten wir den Normal-Quantil-Plot in Abb. 5.4. Es sind auf den ersten Blick nur am unteren und oberen Rand Abweichungen zu erkennen. Wir erhalten für den Shapiro-Wilk-Test als Wert der Teststatistik SW = 0.95649. Für N = 20 und α = 0.05 entnehmen wir Tab. C.6 den kritischen Wert SW ∗ = 0.905. Da 0.95649  < 0.905, lehnen wir die Annahme der Normalverteilung nicht ab.  Zur Überprüfung der Homoskedastizität erstellen wir zunächst Boxplots der Beobachtungen auf den jeweiligen Faktorstufenkombinationen. Anschließend verwenden wir die Residuen Normal−Quantil−Plot

empirische Quantile

4

2

0

−2

−4 −2

Abb. 5.4 Normal-Quantil-Plot

−1

0 1 theoretische Quantile

2

5.2

Nichtadditives Modell

91

++ .

−+ .

+− .

−− .

Abb. 5.5 Vier Boxplots

38

40

42

44

46

48

50

aus Gl. (5.57) auch zur Überprüfung der Varianzhomogenität. Dazu bestimmen wir die absoluten Residuen und führen den Levene- und den Brown-Forsythe-Test durch. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten vier Boxplots, die Abb. 5.5 zeigt. Auf den ersten Blick sind in Abb. 5.5 keine stark voneinander abweichenden Streuungen auf den Faktorstufenkombinationen zu erkennen. Der Levene-Test liefert für den Wert der Teststatistik L ∗ = 0.3137. Mit drei und 16 Freiheitsgraden erhalten wir für α = 0.05 einen kritischen Wert von F3,16,0.95 = 3.24 aus Tab. C.1. Wir lehnen somit auch die Annahme der Varianzhomogenität nicht ab. Bei der Verwendung des Brown-Forsythe-Tests erhalten wir L ∗∗ = 0.1406. Mit erneut F3,16,0.95 = 3.24 lehnen wir auch hier nicht ab. Wir können also davon ausgehen, dass die Annahmen der Varianzanalyse für dieses Beispiel erfüllt sind. 

5.2.1

Der Algorithmus von Yates

Wir haben bei einfaktoriellen Experimenten die Notation (1) und a für den Algorithmus von Yates eingeführt. Wir können diese Notation jetzt auf zweifaktorielle balancierte Experimente erweitern. Wird in einer Symbolfolge der Kleinbuchstabe eines Faktors verwendet, so steht dieser Faktor auf +. Ansonsten steht er auf -. Stehen alle Faktoren auf -, so verwenden wir das Symbol (1). Die Symbolfolgen stehen dann wieder für die Summe der Werte auf der jeweiligen Faktorstufenkombination. Es gilt also

92

5 Zweifaktorielle Experimente n 

(1) = a=

(5.58)

y21k

(5.59)

y12k

(5.60)

y22k .

(5.61)

k=1 n 

b= ab =

y11k

k=1 n 

k=1 n  k=1

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten (1) = 200

a = 220

b = 205

ab = 235. 

Wir können auch die geschätzten Effekte in dieser Notation darstellen. Betrachten wir zuerst die Mittelwerte auf den einzelnen Faktorstufen. Hier gilt  n  n  1  yi1k + yi2k y¯i· = 2n k=1

und 1 y¯· j = 2n



n  k=1

y1 jk +

k=1

n 

 y2 jk .

k=1

Also gilt (1) + b a + ab y¯2· = 2n 2n (1) + a b + ab y¯·2 = . y¯·1 = 2n 2n y¯1· =

(5.62) (5.63)

Der geschätzte Effekt von A ist eA = Den Beweis zeigt Anhang B.

a + ab − (1) − b . 2n

(5.64)

5.2

Nichtadditives Modell

93

Man nennt K A = a + ab − (1) − b

(5.65)

im Zähler von e A auch den Kontrast K A von A. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt K A = 50. Also erhalten wir eA =

50 = 5. 10 

Der geschätzte Effekt von B ist eB =

b + ab − (1) − a . 2n

(5.66)

Den Beweis zeigt erneut Anhang B. Man nennt K B = b + ab − (1) − a

(5.67)

im Zähler von e B entsprechend auch den Kontrast K B von B. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt K B = 20. Wir erhalten eB =

20 = 2. 10 

Der geschätzte Effekt von AB ist e AB = Den Beweis zeigt Anhang B.

(1) − a − b + ab . 2n

(5.68)

94

5 Zweifaktorielle Experimente

Man nennt K AB = (1) − a − b + ab

(5.69)

im Zähler von e AB analog zu den vorherigen Überlegungen auch den Kontrast K AB von AB. Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Es gilt K AB = 10, und wir erhalten e AB =

10 = 1. 10 

Wir können auch die Quadratsummen in dieser Notation darstellen. Es gilt

SS A =

(a + ab − (1) − b)2 . 4n

(5.70)

Den Beweis dieser Beziehung zeigen wir in Anhang B. Mit K A = a + ab − (1) − b gilt demnach

SS A =

K A2 . 4n

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Mit K A = 50 erhalten wir SS A = (502 )/20 = 125.



Mit K B = b + ab − (1) − a gilt

SS B =

K B2 . 4n

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Mit K B = 20 erhalten wir SS B = (202 )/20 = 20. Mit K AB = (1) − a − b + ab gilt

SS AB =

2 K AB . 4n



5.2

Nichtadditives Modell

95

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Mit K AB = 10 erhalten wir SS AB = (102 )/20 = 5.



Wir wollen nun veranschaulichen, wie wir mit dem Algorithmus von Yates bei einem 22 Experiment die Kontraste der Effekte erhalten können. Hierzu stellen wir im ersten Schritt Tab. 5.7 auf. 

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Wir erhalten Tab. 5.8. Wir führen den Algorithmus von Yates durch. Wir beginnen mit der ersten Spalte.

1. Wir summieren die ersten beiden Zahlen dieser Spalte und schreiben sie in die erste Zeile der nächsten Spalte. 2. Wir summieren die nächsten beiden Zahlen und schreiben das Ergebnis in die zweite Zeile der nächsten Spalte. 3. Wir nehmen erneut die ersten beiden Zahlen, bilden die Differenz aus der unteren und der oberen und schreiben das Ergebnis in die dritte Zeile der nächsten Spalte. 4. Wir nehmen die nächsten beiden Zahlen, bilden die Differenz aus der unteren und der oberen und schreiben das Ergebnis in die vierte Zeile der nächsten Spalte. Wir gehen mit der zweiten Spalte genau so vor wie mit der ersten. Nach diesem Schritt stehen in der letzten Spalte die Kontraste der Faktoren. Wir führen also bei einem zweifaktoriellen Experiment den Algorithmus mit den Schritten 1 bis 4 insgesamt zweimal durch. Wir erhalten die Schritte in Tab. 5.9. Der Vergleich der Elemente in der zweiten, dritten und vierten Zeile der letzten Spalte von Tab. 5.9 mit den Gl. (5.65), (5.67) und (5.69) zeigt, dass hier die Kontraste stehen. Abb. 5.6 illustriert die Vorgehensweise für den Algorithmus von Yates. Dabei bedeutet eine durchgezogene Linie Addition und eine gestrichelte Linie Subtraktion. 

Beispiel 5.1 (fortgesetzt). Tab. 5.10 zeigt die einzelnen Schritte. Tab. 5.7 Faktorstufenkombinationen bei einem zweifaktoriellen Experiment

(1) a b ab

Tab. 5.8 Faktorstufenkombinationen bei einem zweifaktoriellen Experiment

(1)

200

a

220

b

205

ab

235

96

5 Zweifaktorielle Experimente

Tab.5.9 Faktorstufenkombinationen (1) bei einem zweifaktoriellen a Experiment b

a − (1)

b + ab − (1) − a

ab

ab − b

ab − b − a + (1)

(1) + a

(1) + a + b + ab

b + ab

a − (1) + ab − b

(1)

(1)+a

(1)+a+b+ab

a

b+ab

a−(1)+ab−b

b

a−(1)

b+ab−(1)−a

ab

ab−b

ab−b−a+(1)

Abb. 5.6 Algorithmus von Yates Tab. 5.10 Algorithmus von Yates bei einem zweifaktoriellen Experiment

5.3

(1)

200

420

860

a

220

440

50

b

205

20

20

ab

235

30

10

Sonderfall n = 1

Bei jedem 22 -Experiment stellt sich zu Beginn die Frage, ob man das additive oder das nichtadditive Modell als Ausgangspunkt der Analyse wählen sollte. Da Interaktion zwischen den Faktoren vorliegen kann, sollte man das nichtadditive Modell verwenden. In diesem kann man überprüfen, ob Additivität vorliegt. Es gibt aber einen Sonderfall, in dem man das additive Modell unterstellen sollte, wenn man die Signifikanz der Faktoren überprüfen will. Manchmal sind die einzelnen Versuche so kostspielig und aufwendig, dass man auf jeder Faktorstufenkombination nur einen Versuch

5.3

Sonderfall n = 1

97

durchführen kann. Es gilt also n = 1. In diesem Fall ist SS R im nichtadditiven Modell gleich null. Dies sieht man folgendermaßen: Es gilt SS R =

2  2  n 

(yi jk − y¯i j )2 .

i=1 j=1 k=1

Liegt auf jeder Faktorstufenkombination nur eine Beobachtung vor, gilt yi j1 = y¯i j . Der Mittelwert auf jeder Faktorstufenkombination ist mit der einzelnen Beobachtung auf jeder Stufe identisch. Dies hat zur Konsequenz, dass SS R = 0 und somit auch M SS R = 0 gilt. Mit n = 1 können daher im nichtadditiven Modell keine Tests durchgeführt werden: Es fehlt die unerklärte Reststreuung für den Nenner der Teststatistiken. Man kann aber ein additives Modell unterstellen. In diesem Fall liefert der Algorithmus von Yates SS R . Im additiven Modell gilt SST = SS A + SS B + SS R .

(5.71)

SST = SS A + SS B + SS AB + SS R .

(5.72)

Im nichtadditiven Modell gilt

In beiden Modellen sind SST , SS A und SS B identisch, falls die Daten und die Faktoren identisch sind. Ist nun n = 1, so gilt im nichtadditiven Modell SS R = 0. Somit ist SS R aus dem additiven Modell gleich SS AB aus dem nichtadditiven Modell. Wir können also für n = 1 im additiven Modell den Algorithmus von Yates anwenden und dann SS AB als SS R verwenden. Beispiel 5.1 Der Mitarbeiter fährt auf jeder Faktorstufenkombination genau einmal und erhält die Daten in Tab. 5.11. Wir unterstellen das additive Modell und wenden den Algorithmus von Yates an (Tab. 5.12).

Tab. 5.11 Ergebnis eines zweifaktoriellen Experiments

A

B

Fahrzeit

-

-

40

+

-

46

-

+

42

+

+

50

98

5 Zweifaktorielle Experimente

Tab. 5.12 Algorithmus von Yates bei einem zweifaktoriellen Experiment (1)

40

86

178

a

46

92

14

b

42

6

6

ab

50

8

2

Somit gilt K A = 14

KB = 6

K AB = 2.

Also erhalten wir 142 = 49 4 62 SS B = =9 4 22 SS AB = SS R = = 1. 4 SS A =

Somit ist SS R = 1, und wir erhalten die ANOVA-Tabelle in Tab. 5.13. Wegen F1;1;0.95 = 161.45 ist keiner der beiden Faktoren signifikant.



Wenn wir bei zwei Faktoren ein additives Modell unterstellen, können wir nicht testen, ob Interaktion vorliegt. Wir werden in Kap. 6 sehen, welche Möglichkeiten bestehen, die Signifikanz aller Faktoren zu überprüfen, wenn n = 1 ist. Bei zwei Faktoren ist für dieses Verfahren der Stichprobenumfang aber zu klein.

Tab. 5.13 ANOVA-Tabelle der Fahrzeit in Abhängigkeit von der Strecke und der Abfahrtzeit Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

A

49

1

49

49

B

9

1

9

9

1

1

1

59

3

Rest Gesamt

5.4

5.4

Beispiel eines zweifaktoriellen Experiments

99

Beispiel eines zweifaktoriellen Experiments

Wir wollen an einem Beispiel die Vorgehensweise bei der Auswertung eines zweifaktoriellen Versuchsplans illustrieren. Zwei Studenten ließen in einem Experiment 16 Studenten den sog. PRESS-Test durchführen. Bei diesem Test müssen die Teilnehmer in drei Minuten möglichst viele Aufgaben vom Typ 3 − 5 + 1 lösen. Die Zielvariable ist die Anzahl der richtig gelösten Aufgaben. Es wurden zwei Faktoren A und B betrachtet. Der Einflussfaktor A ist die Schriftgröße der Rechenaufgaben mit den Faktorstufen 8 pt (-) und 16 pt (+). Der Faktor B steht auf -, wenn während des Tests keine Musik im Hintergrund lief. Steht B auf +, wurde während des PRESS-Tests Musik abgespielt. Die Daten zeigt Tab. 5.14. Wir führen den Algorithmus von Yates durch (Tab. 5.15). Somit gilt K A = 92

K B = 66

K AB = 46.

Die geschätzten Effekte sind eA =

eB =

e AB =

Tab. 5.14 Daten eines zweifaktoriellen Experiments

Tab. 5.15 Algorithmus von Yates bei einem zweifaktoriellen Experiment

KA 92 = = 23 2n 4 KB 66 = = 16.5 2n 4

K AB 46 = = 11.5. 2n 4 Zeit

A

B

-

-

42

39

+

-

51

53

-

+

48

43

+

+

87

73

(1)

81

185

436

a

104

251

92

b

91

23

66

ab

160

69

46

100

5 Zweifaktorielle Experimente

Die Quadratsummen ergeben sich dann also zu SS A =

K A2 922 = = 1058 4n 8

SS B =

K B2 662 = = 544.5 4n 8

SS AB =

2 K AB 462 = = 264.5. 4n 8

Wir benötigen nun noch SS R . Wir erhalten für unsere Daten SS R = (42 − 40.5)2 + (39 − 40.5)2 + (48 − 45.5)2 + (43 − 45.5)2 + (51 − 52)2 + (53 − 52)2 + (87 − 80)2 + (73 − 80)2 = 117. Wir erhalten folgende ANOVA-Tabelle (Tab. 5.16): Wir führen zuerst den Test auf Interaktion durch. Es gilt FAB =

264.5 = 9.04. 117/4

Wegen F1,4;0,95 = 7.71 lehnen wir H0 ab. Es liegt also Interaktion zwischen den beiden Faktoren vor. Wir betrachten das Interaktionsdiagramm in Abb. 5.7. Ohne Musik werden mit Schriftgröße 16 pt im Mittel 11.5 Aufgaben mehr bearbeitet als mit Schriftgröße 8 pt, während mit Musik mit Schriftgröße 16pt im Mittel 34.5 Aufgaben mehr bearbeitet werden als mit Schriftgröße 8 pt. Wir wollen noch die Annahmen einer zweifaktoriellen Varianzanalyse überprüfen. Zur Überprüfung der Normalverteilungsannahme bestimmen wir zunächst die Residuen. Es gilt y¯11 = 40.5

y¯21 = 52

y¯12 = 42.5

y¯22 = 80.

Tab. 5.16 ANOVA-Tabelle Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

A

1058.0

1

1058.00

36.17

B

544.5

1

544.50

18.62 9.04

AB

264.5

1

264.50

Rest

117.0

4

19.25

Gesamt

1984

7

5.4

Beispiel eines zweifaktoriellen Experiments

101

80

x ij

70

A+

60

50

A− 40

B−

B+

Abb. 5.7 Interaktionsdiagramm

Also erhalten wir

εˆ 111 εˆ 211 εˆ 121 εˆ 221

= 1.5 = −1 = −2.5 =7

εˆ 112 εˆ 212 εˆ 122 εˆ 222

= −1.5 =1 = 2.5 = −7.

Wir erhalten für die geordneten Residuen εˆ (1) , . . . , εˆ (8) −7.0

− 2.5

− 1.5

− 1.0

1.0

1.5

2.5

7.0.

Die Quantile der Normalverteilung z (1) , . . . , z (8) ergeben sich als −1.534

− 0.887

− 0.489

− 0.157 0.157 0.489 0.887 1.534.

Wir zeichnen die Gerade durch die Punkte (−2, −0.688) und (2, 0.688). Abb. 5.8 zeigt den Normal-Quantil-Plot. Er deutet auf zwei Ausreißer hin. Der Shapiro-Wilk-Test liefert für den Wert der Teststatistik SW = 0.97684. Aus Tab. C.6 entnehmen wir den kritischen Wert für N = 8 und α = 0.05 und erhalten SW ∗ = 0.818. Da 0.95649  < 0.818, lehnen wir die Normalverteilungsannahme jedoch nicht ab. Wir können die Annahme der Homoskedastizität nur grafisch mit Hilfe von vier Boxplots für die vier Faktorstufenkombinationen überprüfen. Wegen n = 2 können weder der Levenenoch der Brown-Forsythe-Test durchgeführt werden.

102

5 Zweifaktorielle Experimente Normal−Quantil−Plot 6

empirische Quantile

4

2

0

−2

−4

−6

−1.5

−1.0

−0.5

0.0

0.5

1.0

1.5

theoretische Quantile

Abb. 5.8 Normal-Quantil-Plot

Abb. 5.9 lässt leicht unterschiedliche Varianzen erkennen. Allerdings können wir die Annahme der Varianzhomogenität wegen n = 2 nicht verlässlich überprüfen.

5.5

Zweifaktorielle Experimente in R

Betrachten wir, wie man ein faktorielles Experiment in R auswertet. Der Mitarbeiter im Außendienst will untersuchen, ob die Strecke (Faktor A) und der Zeitpunkt (Faktor B) der Abfahrt einen Einfluss auf die Fahrzeit zum Kunden haben. Tab. 5.17 zeigt erneut die Daten mit je fünf durchgeführten Fahrten auf jeder Faktorstufenkombination. Wir geben zunächst die Daten in R zeilenweise aus der Tabelle ein: > Zeit Strecke Zeitpunkt Strecke [1] - - - - - + + + + + - - - - - + + + + + Levels: - + > Zeitpunkt [1] - - - - - - - - - - + + + + + + + + + + Levels: - +

Wenn wir zunächst das additive Modell unterstellen, erhalten wir die ANOVA-Tabelle wie folgt:

104

5 Zweifaktorielle Experimente

> erg summary(erg) Df Sum Sq Mean Sq F value Pr(>F) Strecke 1 125 125.00 14.655 0.00135 ** Zeitpunkt 1 20 20.00 2.345 0.14410 Residuals 17 145 8.53 --Signif. codes: 0 ‘***’ 0.001 ‘**’ 0.01 ‘*’ 0.05 ‘.’ 0.1 ‘ ’ 1

Wir sehen, dass der Effekt der Strecke signifikant ist. Die unterschiedlichen Zeitpunkte der Abfahrt haben jedoch keinen Einfluss auf die Fahrzeit. Bevor man ein nichtadditives Modell schätzt, sollte man sich einen Interaktionsplot ansehen. Für den Interaktionsplot zwischen den Faktoren Strecke und Zeitpunkt verwenden wir die Funktion interaction.plot. Diese benötigt drei Argumente. Das erste Argument ist der Faktor auf der Abszisse, das zweite Argument der zweite Faktor und das dritte Argument der Vektor mit den Daten. Mit dem optionalen Argument ylab können wir eine geeignete Beschriftung der Ordinate bestimmen. Der vorherige Befehl par(las=1) sorgt für eine horizontale Ausrichtung der Achsenbeschriftung auf der Ordinate. > par(las=1) > interaction.plot(Zeitpunkt,Strecke,Zeit, + ylab=’Mittelwerte der Fahrzeiten’)

Wir erhalten den Interaktionsplot aus Abb. 5.10. Die ANOVA-Tabelle erhalten wir für das nichtadditive Modell durch den Aufruf > erg summary(erg) Df Sum Sq Mean Sq F value Pr(>F) Strecke 1 125 125.00 14.286 0.00164 ** Zeitpunkt 1 20 20.00 2.286 0.15007 Strecke:Zeitpunkt 1 5 5.00 0.571 0.46068 Residuals 16 140 8.75 --Signif. codes: 0 ‘***’ 0.001 ‘**’ 0.01 ‘*’ 0.05 ‘.’ 0.1 ‘ ’ 1

Dabei bezeichnet der Ausdruck Strecke:Zeitpunkt im formula-Argument den zusätzlichen Interaktionseffekt zwischen den beiden Faktoren. Mit dem Aufruf von > erg summary(erg) Df Sum Sq Mean Sq F value Pr(>F) Strecke 1 125 125.00 14.286 0.00164 ** Zeitpunkt 1 20 20.00 2.286 0.15007 Strecke:Zeitpunkt 1 5 5.00 0.571 0.46068

5.5

Zweifaktorielle Experimente in R

105

47 Strecke + −

Mittelwerte der Fahrzeiten

46

45

44

43

42

41

40 −

+ Zeitpunkt

Abb. 5.10 Interaktionsplot für das nichtadditive Modell

Residuals --Signif. codes:

16

140

8.75

0 ‘***’ 0.001 ‘**’ 0.01 ‘*’ 0.05 ‘.’ 0.1 ‘ ’ 1

hätten wir das gleiche Ergebnis erhalten. Der Ausdruck Strecke*Zeitpunkt bedeutet, dass die beiden Haupteffekte der Faktoren und zusätzlich der Interaktionseffekt im Modell berücksichtigt wird. Wir erkennen an den p-Werten, dass weder die Interaktion noch der Zeitpunkt der Abfahrt signifikant sind. Die gewählte Strecke hat jedoch einen Einfluss auf die Fahrzeit des Mitarbeiters. Um die geschätzten Effekte der Faktoren zu erhalten, muss man den Algorithmus von Yates durchführen. Der Algorithmus benötigt bei n > 1 im ersten Schritt die Summe der Beobachtungen auf den Faktorstufenkombinationen. Dazu überführen wir zunächst den Vektor Zeit in eine Matrix, die analog zu Tab. 5.17 aufgebaut ist und aus dem Vektor Zeit zeilenweise aufgefüllt wird. Sie besteht aus vier Zeilen und fünf Spalten. > Zeit_Matrix Zeit_Matrix [,1] [,2] [,3] [,4] [,5] [1,] 38 44 40 41 37

106

5 Zweifaktorielle Experimente

[2,] [3,] [4,]

43 44 44

42 37 48

46 41 47

49 43 45

40 40 51

Mit Hilfe der Funktion rowSums bilden wir aus dieser Matrix die Zeilensummen: > Zeit_Summe Zeit_Summe [1] 200 220 205 235

Für die Umsetzung des Algorithmus von Yates definieren wir eine eigene Funktion: Die Funktion yates ist in Anhang A.1 definiert und besitzt sechs Argumente. Das erste Argument benötigt einen Vektor mit den Summen auf den Faktorstufenkombinationen. Wenn die Rohdaten auf den Faktorstufenkombinationen beobachtet wurden, muss mit dem Argument wdh angegeben werden, wie groß n ist. Dem Argument anzfak muss die Anzahl der verwendeten Faktoren übergeben werden. Mit dem Argument alles kann man festlegen, ob das Ergebnis alle Schritte des Algorithmus anzeigt. Wird die Funktion mit alles=FALSE aufgerufen, werden mit dem Argument effekte=FALSE nur die Kontraste ausgegeben. Wird effekte auf TRUE gesetzt, werden die geschätzten Effekte ausgegeben. Mit dem Argument names können die Faktoren sowie deren Interaktionseffekte beschriftet werden. Der Aufruf > yates(Zeit_Summe,alles = TRUE) h v v [1,] 200 420 860 [2,] 220 440 50 [3,] 205 20 20 [4,] 235 30 10

liefert den vollständigen Ablauf des Algorithmus von Yates. Der Aufruf > yates(Zeit_Summe,alles=FALSE,wdh=5, + namen=c(’Strecke’,’Zeitpunkt’,’Strecke:Zeitpunkt’))

860

Strecke 50

Zeitpunkt Strecke:Zeitpunkt 20 10

liefert nur die beschrifteten Kontraste. Mit folgendem Aufruf erhalten wir die drei geschätzten Effekte: > yates(Zeit_Summe,alles=FALSE,effekte=TRUE,wdh=5, + namen=c(’Strecke’,’Zeitpunkt’,’Strecke:Zeitpunkt’)) Strecke 5

Zeitpunkt Strecke:Zeitpunkt 2 1

5.6

Übungsaufgaben

107

Den Shapiro-Wilk-Test rufen wir erneut mit den Residuen des geschätzten Modells auf und erhalten > shapiro.test(erg$residuals) Shapiro-Wilk normality test data: erg$residuals W = 0.95649, p-value = 0.4764

Für den Levene-Test zur Überprüfung der Varianzhomogenität auf den Faktorstufen verwenden wir > leveneTest(Zeit~Strecke*Zeitpunkt,center=’mean’) Levene’s Test for Homogeneity of Variance (center = "mean") Df F value Pr(>F) group 3 0.3137 0.8152 16

Für den alternativen Brown-Forsythe-Test rufen wir die Funktion mit dem Argument center=’median’ auf und erhalten > leveneTest(Zeit~Strecke*Zeitpunkt,center=’median’) Levene’s Test for Homogeneity of Variance (center = "median") Df F value Pr(>F) group 3 0.1406 0.9342 16

5.6

Übungsaufgaben

Übung 5.1 Das Experiment aus Übung 3.1 wird um einen weiteren Faktor B erweitert. Es stehen zusätzlich zwei unterschiedliche Beläge bei einer Pizza zur Verfügung. Es werden nur noch zwei verschiedene Käsesorten unterschieden. Insgesamt zwölf Testesser gaben folgende Urteile für den Geschmack ab:

108

5 Zweifaktorielle Experimente

a) Überprüfen Sie die Annahmen der Varianzanalyse für die Daten. b) Werten Sie das Experiment aus. c) Überprüfen Sie die Ergebnisse mit Hilfe von R. Übung 5.2 Bei dem Experiment aus Übung 5.1 stehen nun zwei andere Beläge für die Pizzen zur Verfügung. Insgesamt zwölf Testesser gaben folgende Urteile für den Geschmack ab:

a) Überprüfen Sie die Annahmen der Varianzanalyse für die Daten. b) Werten Sie das Experiment aus. c) Überprüfen Sie die Ergebnisse mit Hilfe von R.

6

k-faktorielle Experimente

Inhaltsverzeichnis 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7

Haupteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktionseffekte zwischen zwei Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktionseffekte zwischen mehr als zwei Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Varianzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderfall n = 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k-faktorielle Varianzanalyse in R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110 112 113 114 125 131 137

In Kap. 5 haben wir gesehen, wie man ein faktorielles Experiment analysiert, bei dem beide Faktoren jeweils zwei Faktorstufen besitzen. Nun wollen wir Experimente mit k Faktoren auswerten, bei denen erneut jeder Faktor zwei Faktorstufen besitzt. Man spricht von einem 2k -Experiment. Wir illustrieren das Vorgehen am Beispiel eines 23 -Experiments. Wir gehen auch wieder davon aus, dass auf jeder Faktorstufenkombination die gleiche Anzahl n von unabhängigen Beobachtungen anfällt und wir somit balancierte Experimente auswerten. Beispiel 6.1 Eine Supermarktkette möchte in einem Experiment herausfinden, welche Faktoren die Wartezeit von Kunden an den Kassen beeinflusst. Dabei werden folgende Faktoren in Betracht gezogen: A: Einkaufstag mit den Faktorstufen Mittwoch (−) und Samstag (+), B: Uhrzeit mit den Faktorstufen Vormittag (−) und Mittag (+), C: Filiale mit den Faktorstufen stadtnah (−) und außerhalb (+). Auf jeder Faktorstufenkombination wurden von den wartenden Kunden jeweils zwei zufällig ausgewählt. Dabei wurde die Wartezeit der Kunden in Sekunden gemessen. Die Daten zeigt Tab. 6.1.  © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Kuhlenkasper und A. Handl, Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59054-6_6

109

110

6 k-faktorielle Experimente

Tab. 6.1 Daten eines 23 -Experiments mit n = 2

A

B

C

Anzahl

-

-

-

366

257

+

-

-

312

225

-

+

-

405

453

+

+

-

321

317

-

-

+

456

508

+

-

+

322

353

-

+

+

382

461

+

+

+

332

363

Bei einem 22 -Experiment bezeichnen wir die Zielgröße auf der i-ten Stufe des Faktors A und der j-ten Stufe des Faktors B bei der k-ten Wiederholung mit Yi jk . Bei einem 2k -Experiment benötigt man zur Beschreibung der Beobachtungen k Indizes, falls n = 1 gilt, und k + 1 Indizes, falls n > 1 ist. Bei einem 23 -Experiment mit n = 1 betrachten wir Yi jk . Dabei bezieht sich der r -te Index auf die Faktorstufen des r -ten Faktors. Ist n > 1, so wählen wir Yi jkl . Dabei beziehen sich die ersten drei Indizes auf die drei Faktoren A, B und C, während der letzte Index sich auf die l-te Beobachtung auf dieser Faktorstufenkombination bezieht. Bei einem 2k -Experiment enthält die Definitionsgleichung des Modells nun 2k + 1 Summanden. Betrachten wir das Modell für ein 23 -Experiment mit n Wiederholungen auf den Faktorstufenkombinationen. Es ergibt sich eine Modellgleichung mit 23 + 1 = 9 Summanden: Yi jkl = μ + αi + β j + γk + (αβ)i j + (αγ )ik + (βγ ) jk + (αβγ )i jk + εi jkl Wir bezeichnen mit αi erneut die Wirkung von Faktor A, wenn er auf Faktorstufe i steht. Mit β j bezeichnen wir den Einfluss von Faktor B, wenn er auf der Stufe j steht und mit γk die Wirkung von Faktor C auf Faktorstufe k. Neben dem Gesamterwartungswert μ und den drei Haupteffekten enthält das Modell auch die drei Interaktionseffekte zwischen jeweils zwei Faktoren. Hinzu kommt ein Interaktionseffekt zwischen allen drei Faktoren.

6.1

Haupteffekte

Bei einem 21 -Experiment gibt der Effekt des Faktors A an, wie sich der Erwartungswert der Zielgröße ändert, wenn man von der Faktorstufe - zur Faktorstufe + übergeht. Es gilt also E A = μ2 − μ1 .

6.1

Haupteffekte

111

Bei einem 22 -Experiment ist der Effekt des Faktors A gleich dem Mittelwert aus dem Effekt von Faktor A, wenn Faktor B auf - steht, und dem Effekt von Faktor A, wenn Faktor B auf + steht: ⎛ ⎞ EA =

1⎜ ⎟ − μ11 + μ22 − μ12 ⎠ ⎝μ21      2 E A auf B −

E A auf B +

Dies können wir auch folgendermaßen darstellen: EA =

μ21 + μ22 μ21 + μ12 − = μ2· − μ1· 2 2       E(Y ) auf A +

E(Y ) auf A −

Wir können also bei einem 22 -Experiment den Effekt des Faktors A als Differenz aus dem Erwartungswert der Zielgröße, wenn A auf + steht, und dem Erwartungswert der Zielgröße, wenn A auf - steht, auffassen. Dies gilt auch für den Effekt des Faktors B. Bei einem 2k -Experiment definieren wir nun die Haupteffekte analog. Betrachten wir dazu beispielhaft ein 23 -Experiment. Bei diesem gilt E A = μ2·· − μ1·· =

(μ211 + μ221 + μ212 + μ222 ) (μ111 + μ121 + μ112 + μ122 ) − 4 4       E(Y ) auf A +

E(Y ) auf A −

1 = (−μ111 + μ211 − μ121 + μ221 − μ112 + μ212 − μ122 + μ222 ) . 4 Wir sehen, dass alle μi jk mit i = 1 ein negatives Vorzeichen und alle μi jk mit i = 2 ein positives Vorzeichen besitzen. Analog erhalten wir dann die Effekte von B EB =

1 (−μ111 − μ211 + μ121 + μ221 − μ112 − μ212 + μ122 + μ222 ) 4

EC =

1 (−μ111 − μ211 − μ121 − μ221 + μ112 + μ212 + μ122 + μ222 ) . 4

und C

Bei E B besitzen alle μi jk mit j = 1 ein negatives Vorzeichen und alle μi jk mit j = 2 ein positives Vorzeichen, während bei E C alle μi jk mit k = 1 ein negatives Vorzeichen und alle μi jk mit k = 2 ein positives Vorzeichen haben. Wir können den Effekt eines Faktors aber auch als Mittelwert des Effekts dieses Faktors auf allen Kombinationen der Faktorstufen der anderen Faktoren auffassen. Für Faktor A erhalten wir bei einem 23 -Experiment

112

6 k-faktorielle Experimente

⎛ EA =



1⎜ ⎟ − μ111 + μ221 − μ121 + μ212 − μ112 + μ222 − μ122 ⎠ . ⎝ μ211            4  E A auf B −,C −

6.2

E A auf B +,C −

E A auf B −,C +

E A auf B +,C +

Interaktionseffekte zwischen zwei Faktoren

Betrachten wir die Interaktionseffekte zwischen zwei Faktoren. Bei k Faktoren gibt es k · (k − 1) k = 2 2 Interaktionseffekte zwischen zwei Faktoren. Für k = 3 sind es die Interaktionseffekte E AB , E AC und E BC . Wie können wir diese bei einem 23 -Experiment definieren? Wir betrachten dazu exemplarisch E AB , wobei wir zunächst auf ein 22 -Experiment zurückblicken. Bei diesem vergleichen wir den Effekt von A, wenn B auf + steht, mit dem Effekt von A, wenn B auf - steht. Es gilt also: E AB =

1 (μ22 − μ12 − (μ21 − μ11 )) 2

Diese Definition können wir direkt auf ein 23 -Experiment übertragen, indem wir μi j durch μi j· ersetzen. Dabei ist  1 μi j· = μi j1 + μi j2 . 2 Wir erhalten dann 1 (μ22· − μ12· − (μ21· − μ11· )) 2 1 = (μ111 − μ211 − μ121 + μ221 + μ112 − μ212 − μ122 + μ222 ) . 4

E AB =

Hier fällt auf, dass alle μi jk ein positives Vorzeichen haben, wenn i = j gilt, also z. B. bei μ111 oder μ221 . Hier stehen die Faktoren A und B jeweils auf der gleichen Faktorstufe. Entsprechend erhalten wir E AC =

1 (μ111 − μ211 + μ121 − μ221 − μ112 + μ212 − μ122 + μ222 ) . 4

Beim gemeinsamen Effekt von Faktor A und C fällt auf, dass alle μi jk ein positives Vorzeichen haben, wenn i = k gilt, also z. B. bei μ121 oder μ222 . Hier stehen die Faktoren A und C jeweils auf der gleichen Faktorstufe. Analog erhalten wir E BC =

1 (μ111 + μ211 − μ121 − μ221 − μ112 − μ212 + μ122 + μ222 ) . 4

6.3

Interaktionseffekte zwischen mehr als zwei Faktoren

113

Bei E BC haben entsprechend die μi jk ein positives Vorzeichen, wenn j = k gilt, also z. B. bei μ211 oder μ122 . Hier stehen die Faktoren B und C jeweils auf der gleichen Faktorstufe.

6.3

Interaktionseffekte zwischen mehr als zwei Faktoren

Betrachten wir nun mit E ABC den Interaktionseffekt zwischen allen drei Faktoren. In einem 2k -Experiment gibt es allgemein k · (k − 1) k = 3 3 Interaktionseffekte zwischen drei Faktoren. Für k = 3 ist es der Interaktionseffekt E ABC . Beim Interaktionseffekt zwischen zwei Faktoren vergleichen wir den Effekt des einen Faktors auf den beiden Stufen des anderen Faktors. Beim Interaktionseffekt zwischen drei Faktoren vergleichen wir den Interaktionseffekt zwischen zwei Faktoren auf den Stufen des dritten Faktors. Wir vergleichen also den Interaktionseffekt zwischen A und B, wenn C auf + steht, mit dem Interaktionseffekt zwischen A und B, wenn C auf - steht. Der Interaktionseffekt zwischen A und B, wenn C auf + steht, ist 1 (μ112 − μ212 − μ122 + μ222 ) . 2 Der Interaktionseffekt zwischen A und B, wenn C auf - steht, ist 1 (μ111 − μ211 − μ121 + μ221 ) . 2 Wir erhalten damit:   1 1 1 E ABC = (μ112 − μ212 − μ122 + μ222 ) − (μ111 − μ211 − μ121 + μ221 ) 2 2 2 1 = (−μ111 + μ211 + μ121 − μ221 + μ112 − μ212 − μ122 + μ222 ) 4 Hier fällt auf, dass die μi jk ein positives Vorzeichen haben, falls i + j + k eine gerade Zahl ergibt. So ergibt sich z. B. für μ121 wegen 1 + 2 + 1 = 4 ein positives Vorzeichen. Für μ122 gilt 1 + 2 + 2 = 5 und somit erhalten wir ein negatives Vorzeichen für diesen Summanden. Es liegt keine Interaktion zwischen allen drei Faktoren vor, wenn der Interaktionseffekt zwischen A und B, wenn C auf + steht, und der Interaktionseffekt zwischen A und B, wenn C auf - steht, identisch sind.

114

6 k-faktorielle Experimente

Wir können E ABC auch auf eine andere Art interpretieren: ⎡ E ABC =



⎥ 1⎢ ⎢ 1 (μ211 − μ221 − μ212 + μ222 ) − 1 (μ111 − μ121 − μ112 + μ122 )⎥ ⎦ 2 ⎣2 2      E BC auf A +

E BC auf A −

Hier gibt der Interaktionseffekt E ABC an, wie sich der gemeinsame Effekt von B und C, wenn A auf + steht, vom gemeinsamen Effekt von B und C, wenn A auf - steht, unterscheidet: ⎤

⎡ E ABC =

⎥ 1⎢ ⎢ 1 (μ121 − μ221 − μ122 + μ222 ) − 1 (μ111 − μ211 − μ112 + μ212 )⎥ ⎦ ⎣ 2 2   2   E AC auf B +

E AC auf B −

Hier gibt der Interaktionseffekt E ABC an, wie sich der gemeinsame Effekt von A und C, wenn B auf + steht, vom gemeinsamen Effekt von A und C, wenn B auf - steht, unterscheidet.

6.4

Varianzanalyse

Für das Schätzen der Effekte und für die Überprüfung der Signifikanzen mit Hilfe der Varianzanalyse liefert der Algorithmus von Yates alle Bausteine. Wir haben den Algorithmus in Kap. 5 am Beispiel eines 22 -Experiments ausführlich dargestellt. Nun erweitern wir das Vorgehen für ein beliebiges 2k -Experiment.

6.4.1

Algorithmus von Yates

Für den Algorithmus benötigen wir zunächst die Ausgangstabelle mit den Vorzeichenstrukturen. Hierzu schreiben wir die Symbole für die k Faktoren nebeneinander, beginnend mit dem ersten Faktor A. Unter den Namen jedes Faktors schreiben wir bei einem 2k -Experiment 2k Symbole. Beim Faktor A wechseln sich die Symbole - und + ab. Beim Faktor B wechseln sich Paare von - mit Paaren von + ab. Beim Faktor C wechseln sich Folgen aus vier Minuszeichen mit Folgen aus vier Pluszeichen ab. Diese Struktur wird immer weiter fortgesetzt. Beim letzten Faktor folgt einem Block aus 2k−1 Minuszeichen ein Block aus 2k−1 Pluszeichen. Tab. 6.2 zeigt dies für ein 23 -Experiment. Zu jeder Zeile gehört eine Faktorstufenkombination. So stehen in der ersten Zeile alle Faktoren auf -, während sie in der letzten Zeile alle auf + stehen. Wir schreiben nun in jede Zeile die Summe der Beobachtungen auf dieser Faktorstufenkombination. Dabei bezeichnen wir die Summe aller Beobachtungen mit (1), wenn alle

6.4 Varianzanalyse Tab. 6.2 Vorzeichenstruktur eines 23 -Experiments

Tab. 6.3 Ausgangstabelle für den Yates-Algorithmus bei einem 23 -Experiment

115 A

B

C

-

-

-

+

-

-

-

+

-

+

+

-

-

-

+

+

-

+

-

+

+

+

+

+

A

B

C

Summe

-

-

-

(1)

+

-

-

a

-

+

-

b

+

+

-

ab

-

-

+

c

+

-

+

ac

-

+

+

bc

+

+

+

abc

Faktoren auf - stehen. Ansonsten bezeichnen wir die Summe der Beobachtungen als Folge aus den Buchstaben der Faktoren, die auf + stehen. Hierbei verwenden wir erneut die entsprechenden Kleinbuchstaben. Tab. 6.3 zeigt die Ausgangstabelle für den Algorithmus bei einem 23 -Experiment. Da man weiß, zu welchen Faktorstufenkombinationen die Symbole gehören, verzichtet man in der Regel auf die Spalten mit den Faktoren. Tab. 6.4 zeigt dies für ein 23 -Experiment. Nun kann der Algorithmus von Yates in der ersten Spalte starten: Beginnend mit der ersten Zeile addieren wir zwei aufeinanderfolgende Zahlen und schreiben das Ergebnis in die nächste Spalte, wobei wir auch hier in der ersten Zeile beginnen. Haben wir alle Paare addiert, so gehen wir wieder in die erste Zeile und subtrahieren bei jedem Paar die erste Zahl von der zweiten und füllen mit dem Ergebnis die folgende Spalte auf. Nun ist die zweite Spalte gefüllt und der erste Schritt abgeschlossen. Tab. 6.5 zeigt dies für ein 23 -Experiment. Diesen Algorithmus führen wir bei einem 2k -Experiment k-mal durch, wobei wir den Algorithmus immer auf die neu gewonnene Spalte anwenden.

116

6 k-faktorielle Experimente

Tab. 6.4 Ausgangstabelle für den Yates-Algorithmus bei einem 23 -Experiment

Summe (1) a b ab c ac bc abc

Tab. 6.5 Erster Schritt des Yates-Algorithmus bei einem 23 -Experiment

Summe

Erster Schritt

(1)

(1) + a

a

b + ab

b

c + ac

ab

bc + abc

c

a − (1)

ac

ab − b

bc

ac − c

abc

abc − bc

Tab. 6.6 Erster Schritt des Yates-Algorithmus bei einem 23 -Experiment Summe

Erster Schritt

Zweiter Schritt

Dritter Schritt

(1)

(1) + a

(1) + a + b + ab

(1) + a + b + ab + c + ac + bc + abc

a

b + ab

c + ac + bc + abc

a − (1) + ab − b + ac − c + abc − bc

b

c + ac

a − (1) + ab − b

b + ab − (1) − a + bc + abc − c − ac

ab

bc + abc

ac − c + abc − bc

ab − b − a + (1) + abc − bc − ac + c

c

a − (1)

b + ab − (1) − a

c + ac + bc + abc − (1) − a − b − ab

ac

ab − b

bc + abc − c − ac

ac − c + abc − bc − a + (1) − ab + b

bc

ac − c

ab − b − a + (1)

bc + abc − c − ac − b − ab + (1) + a

abc

abc − bc

abc − bc − ac + c

abc − bc − ac + c − ab + b + a − (1)

Tab. 6.6 zeigt den ersten, zweiten und dritten Schritt bei einem 23 -Experiment. Der Algorithmus liefert die Kontraste K F aller Faktoren bzw. Faktorstufenkombinationen in der letzten Spalte. Mit diesen kann man die Schätzer der Effekte und die Quadratsummen bestimmen. Beispiel 6.1 (fortgesetzt) Wir bilden auf jeder Faktorstufenkombination die Summe der Beobachtungen, erstellen die Tabelle (Tab. 6.7) und führen die einzelnen Schritte durch. 

6.4 Varianzanalyse

117

Tab. 6.7 Der Algorithmus von Yates für die Wartezeit an der Kasse (1)

623

1160

2656

5833

a

537

1496

3177

−743

b

858

1639

−306

235

ab

638

1538

−437

7

c

964

−86

336

521

ac

675

−220

−101

−131

bc

843

−289

−134

−437

abc

695

−148

141

275

Somit gilt: K A = −743 K B = 235 K C = 521 K AB = 7 K AC = −131 K BC = −437 K ABC = 275 Die Schätzer der jeweiligen Effekte erhält man, indem man auf jeder Faktorstufenkombination den Mittelwert bestimmt und diese Mittelwerte in die Definitionsgleichungen der Effekte einsetzt. Bei einem 23 -Experiment ist der Schätzer e A des Effekts E A demnach eA =

1 (− y¯111 + y¯211 − y¯121 + y¯221 − y¯112 + y¯212 − y¯122 + y¯222 ) , 4

und der Schätzer e ABC des Effekts E ABC ist entsprechend e ABC =

1 (− y¯111 + y¯211 + y¯121 − y¯221 + y¯112 − y¯212 − y¯122 + y¯222 ) . 4

Beispiel 6.1 (fortgesetzt) Es gilt y¯111 = 311.5 y¯211 = 268.5 y¯121 = 429.0 y¯221 = 319.0 y¯112 = 482.0 y¯212 = 337.5 y¯122 = 421.5 y¯222 = 347.5.

118

6 k-faktorielle Experimente

Also erhalten wir für die Schätzer eA =

1 (−311.5 + 268.5 − 429.0 + 319.0 − 482.0 + 337.5 − 421.5 + 347.5) = −92.875 4

und e ABC =

1 (−311.5 + 268.5 + 429.0 − 319.0 + 482.0 − 337.5 − 421.5 + 347.5) = 34.375. 4

Betrachten wir nun den dreifachen Interaktionseffekt genauer. Er setzt sich aus dem Interaktionseffekt zwischen A und B, wenn C auf - steht, und dem Interaktionseffekt zwischen A und B, wenn C auf + steht, zusammen. Der Interaktionseffekt zwischen A und B, wenn C auf - steht, ist 1 1 ( y¯111 − y¯211 − y¯121 + y¯221 ) = (311.5 − 268.5 − 429.0 + 319.0) = −33.5. 2 2 Der Interaktionseffekt zwischen A und B, wenn C auf + steht, ist 1 1 ( y¯112 − y¯212 − y¯122 + y¯222 ) = (482.0 − 337.5 − 421.5 + 347.5) = 35.25. 2 2 Also gilt e ABC =

1 (35.25 + 33.5) = 34.375. 2 

Wir können den geschätzten Effekt e ABC auch mit zwei Grafiken darstellen. Hierfür zeichnen wir das Interaktionsdiagramm zwischen A und B, wenn C auf - steht, und das Interaktionsdiagramm zwischen A und B, wenn C auf + steht. Beispiel 6.1 (fortgesetzt) Abb. 6.1 zeigt das Interaktionsdiagramm zwischen A und B, wenn C auf - steht, und Abb. 6.2 zeigt das Interaktionsdiagramm zwischen A und B, wenn C auf + steht. Die Diagramme deuten darauf hin, dass E AB sich auf den beiden Stufen des Faktors C unterscheidet. Es stellt sich die Frage, ob dieser Unterschied signifikant ist.  Wir betrachten zunächst, wie wir mit den Ergebnissen des Algorithmus von Yates die Effekte schneller schätzen können. Werden bei einem balancierten 2k -Experiment auf jeder Faktorstufenkombination n Versuche durchgeführt, so gilt eF =

KF . n 2k−1

(6.1)

6.4 Varianzanalyse

119

Abb. 6.1 Interaktionsdiagramm zwischen A und B, wenn C auf - steht

429

yij

A+

319 311.5

A−

268.5 B−

Abb. 6.2 Interaktionsdiagramm zwischen A und B, wenn C auf + steht

B+

482

A−

yij

421.5

A+

347.5 337.5

B−

B+

Dabei ist F entweder ein Faktor wie A, oder eine Interaktion wie AB und K F ist der zugehörige Kontrast. Beispiel 6.1 (fortgesetzt) Es gilt KA −743 = = −92.875 4n 8 KB 235 eB = = = 29.375 4n 8 KC 521 eC = = = 65.125 4n 8 eA =

120

6 k-faktorielle Experimente

K AB 7 = = 0.875 4n 8 K AC −131 = = = −16.375 4n 8 K BC −437 = = = −54.625 4n 8 K ABC 7 = = = 34.375. 4n 8

e AB = e AC e BC e ABC

 Die Überprüfung der Signifikanzen der einzelnen Effekte sollte in einer bestimmten Reihenfolge durchgeführt werden. Wir betrachten dazu beispielhaft das Vorgehen bei einem 23 -Experiment. Wir testen zuerst die Hypothese H0 : E ABC = 0. Wird diese abgelehnt, beenden wir die Testprozedur: In diesem Fall hängt die Wirkung eines jeweiligen Faktors von den Faktorstufen der beiden anderen Faktoren im Modell ab. Wird sie hingegen nicht abgelehnt, überprüfen wir im Anschluss die Signifikanzen der Zweifachinteraktionen und testen die Hypothesen H0 : E AB = 0,

(6.2)

H0 : E AC = 0,

(6.3)

H0 : E BC = 0.

(6.4)

Werden mindestens zwei der Hypothesen (6.2), (6.3) oder (6.4) abgelehnt, so beenden wir die Testprozedur. Wird genau eine der drei Hypothesen (6.2), (6.3) oder (6.4) abgelehnt, so ist der zugehörige Interaktionseffekt signifikant von null verschieden. Wir können dann aber immer noch testen, ob der andere Haupteffekt signifikant ist. Wird also z. B. die Hypothese H0 : E BC = 0 abgelehnt, so können wir immer noch H0 : E A = 0 testen. Wird keine der drei Hypothesen (6.2), (6.3) oder (6.4) abgelehnt, so testen wir abschließend die Signifikanz der Haupteffekte: H0 : E A = 0 H0 : E B = 0 H0 : E C = 0

6.4 Varianzanalyse

121

Um die Hypothesen überprüfen zu können, benötigen wir die Quadratsummen. Diese erhalten wir ebenfalls aus den Ergebnissen des Algorithmus von Yates. Werden auf jeder Faktorstufe n Beobachtungen gemacht, so gilt

SS F =

K F2 . n 2k

(6.5)

Beispiel 6.1 (fortgesetzt) Wir erhalten SS A = (−743)2 /16 = 34503 SS B = 2352 /16 = 3452 SSC = 5212 /16 = 16966 SS AB = 72 /16 = 3 SS AC = (−131)2 /16 = 1073 SS BC = (−437)2 /16 = 11936 SS ABC = 2752 /16 = 4727.  Nur SS R liefert der Algorithmus von Yates nicht. Wir bestimmen die Quadratsumme der unerklärten Reststreuung, indem wir von jeder Beobachtung den Mittelwert ihrer Faktorstufenkombination subtrahieren und das Ergebnis quadrieren. SS R ist die Summe dieser quadrierten Differenzen. Beispiel 6.1 (fortgesetzt) SS R = (366 − 311.5)2 + (257 − 311.5)2 + (312 − 268.5)2 + (225 − 268.5)2 + (405 − 429)2 + (453 − 429)2 + (321 − 319)2 + (317 − 319)2 + (456 − 482)2 + (508 − 482)2 + (322 − 337.5)2 + (353 − 337.5)2 + (382 − 421.5)2 + (461 − 421.5)2 + (332 − 347.5)2 + (363 − 347.5)2 = 16319 

122

6 k-faktorielle Experimente

Die Anzahl der Freiheitsgrade ist für die Quadratsumme jedes Faktors und jeder Faktorstufenkombination bei einem 2k -Experiment gleich 1. Die Anzahl der Freiheitsgrade für SST is gleich n · 2k − 1. Also ist sie für SS R gleich (n − 1) · 2k . Wir erhalten somit M SS R =

SS R . (n − 1) · 2k

(6.6)

Wir sehen, dass wir für SS R keine Freiheitsgrade haben, falls n gleich 1 ist. Außerdem ist SS R = 0 für n = 1. Wir werden in Abschn. 6.5 zeigen, wie wir die Signifikanz aller Effekte für n = 1 überprüfen können. Wir können mit diesen Informationen die ANOVA-Tabelle aufstellen. Tab. 6.8 zeigt den allgemeinen Aufbau für ein 23 -Experiment. 

Beispiel 6.1 (fortgesetzt) Wir erhalten als Zusammenfassung Tab. 6.9. Wir testen die Signifikanz jedes Faktors mit FF =

M SS F . M SS R

(6.7)

Die Nullhypothese besagt jeweils, dass der zugehörige Faktor keinen Effekt hat. Wenn H0 zutrifft, ist FF mit 1 und (n − 1) · 2k Freiheitsgraden F-verteilt. Wir lehnen H0 ab, wenn gilt FF ≥ F1,(n−1)·2k ;1−α . Tab. 6.8 Allgemeiner Aufbau der ANOVA-Tabelle eines 23 -Experiments Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

A

SS A

1

M SS A

M SS A /M SS R

B

SS B

1

M SS B

M SS B /M SS R

C

SSC

1

M SSC

M SSC /M SSC

AB

SS AB

1

M SS AB

M SS AB /M SS R

AC

SS AC

1

M SS AC

M SS AC /M SS R

BC

SS BC

1

M SS BC

M SS BC /M SS R M SS ABC /M SS R

ABC

SS ABC

1

M SS ABC

Rest

SS R

8n − 8

M SS R

Gesamt

SST

8n − 1

6.4 Varianzanalyse

123

Tab. 6.9 ANOVA-Tabelle eines 23 -Experiments für die Wartezeit an einer Supermarktkasse Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

A

34503

1

34503

16.915

B

3452

1

3452

1.692

C

16965

1

16965

8.317

AB

3

1

3

0.002

AC

1073

1

1073

0.526

BC

11936

1

11936

5.851 2.317

ABC

4727

1

4727

Rest

16319

8

2040

Gesamt

88978

15

Bei einem 23 -Experiment testen wir zuerst die Signifikanz von E ABC . Ist E ABC signifikant, so ist es nicht sinnvoll, nach den Interaktionseffekten zwischen zwei Faktoren oder den Effekten der Faktoren zu fragen. Beispiel 6.1 (fortgesetzt) Bei allen Tests ist der kritische Wert F1,8;0.95 = 5.32. Wir testen H0 : E ABC = 0. Wegen FABC = 2.317 < 5.32 lehnen wir H0 nicht ab.



Ist E ABC nicht signifikant, so testen wir auf Signifikanz von E AB , E AC und E BC . Beispiel 6.1 (fortgesetzt) Wir testen H0 : E AB = 0. Wegen FAB = 0.002 < 5.32 lehnen wir H0 nicht ab. Wir testen H0 : E AC = 0. Wegen FAC = 0.526 < 5.32 lehnen wir H0 nicht ab. Wir testen H0 : E BC = 0. Wegen FBC = 5.851 > 5.32 lehnen wir H0 ab. Es liegt also eine signifikante Interaktion zwischen der Einkaufszeit und der Filiale vor.

124

6 k-faktorielle Experimente

Dafür gilt y¯·11 = 290 y¯·21 = 374 y¯·12 = 409.75 y¯·22 = 384.5. In den stadtnahen Filialen wartet man im Mittel am Mittag 84 s länger als am Vormittag. In den Filialen, die außerhalb liegen, warten die Kunden am Mittag im Mittel 25.25 s weniger als am Vormittag. Wir können abschließend noch auf Signifikanz des Faktors A testen: H0 : E A = 0 Der kritische Wert ist F1,8;0.95 = 5.32. Wegen FA = 16.915 lehnen wir H0 ab. Der Einkaufstag hat somit ebenfalls einen signifikanten Einfluss auf die Wartezeit, wobei die Wartezeit am Samstag im Mittel um rund 93 s kürzer ist als am Mittwoch.  Wir überprüfen die Annahmen für die Varianzanalyse. Wir erstellen für die Annahme der Normalverteilung zunächst einen Normal-Quantil-Plot und führen anschließend den Shapiro-Wilk-Test durch. Zur Überprüfung der Homoskedastizität erstellen wir Boxplots der Beobachtungen auf den jeweiligen Faktorstufenkombinationen. Für den Fall n > 2 können wir abschließend den Levene- bzw. Brown-Forsythe-Test durchführen. Beispiel 6.1 (fortgesetzt) Wir erhalten für die Residuen εˆ 1111 εˆ 2111 εˆ 1211 εˆ 2211 εˆ 1121 εˆ 2121 εˆ 1221 εˆ 2221

= 54.5 = 43.5 = −24 =2 = −26 = −15.5 = −39.5 = −15.5

εˆ 1112 εˆ 2112 εˆ 1212 εˆ 2212 εˆ 1121 εˆ 2122 εˆ 1222 εˆ 2222

= −54.5 = −43.5 = 24 = −2 = 26 = 15.5 = 39.5 = 15.5

und für die geordneten Residuen εˆ (1) , . . . , εˆ (16) die Werte −54.5 −43.5 −39.5 −26.0 −24.0 −15.5 −15.5 −2.0 2.0 15.5 15.5 24.0 26.0 39.5 43.5 54.5. Für die erwarteten Quantile der Standardnormalverteilung erhalten wir −1.86 −1.32 −1.01 −0.78 −0.58 −0.40 −0.24 −0.08 0.08 0.24 0.40 0.58 0.78 1.01 1.32 1.86.

6.5

Sonderfall n = 1

125

Abb. 6.3 Normal-Quantil-Plot

empirische Quantile

40

20

0

-20

-40

-2

-1

0

1

2

theoretische Quantile

Das untere Quartil der Residuen ist −25 und das obere 25. Das untere Quartil der Quantile der Normalverteilung ist −0.68 und das obere 0.68. Wir legen die Gerade also durch die Punkte (−25, − 0.68) und (25,0.68). Abb. 6.3 zeigt den Normal-Quantil-Plot mit der Geraden. Die Annahme der Normalverteilung ist somit gerechtfertigt. Wir erhalten für den Shapiro-Wilk-Test den Wert von SW = 0.96842. Mit N = 16 und für ein Signifikanzniveau von α = 0.05 erhalten wir als kritischen Wert aus Tab. C.6 SW ∗ = 0.887. Die Annahme normalverteilter Störgrößen ist somit gerechtfertigt. Wir überprüfen die Annahme der Varianzhomogenität mit Hilfe der Boxplots für die Beobachtungen auf den Faktorstufenkombinationen. Abb. 6.4 lässt unterschiedliche Streuungen erkennen. Allerdings können wir die Annahme mit n = 2 erneut nicht mit Hilfe statistischer Tests überprüfen. 

6.5

Sonderfall n = 1

Wir haben bereits in Abschn. 5.3 den Fall analysiert, dass nur eine Beobachtung auf jeder Faktorstufenkombination vorliegt. Für n = 1 gilt dann SS R = 0. Somit können wir nicht alle Effekte testen. Beispiel 6.2 Es soll mit Hilfe eines Experiments analysiert werden, welche Faktoren einen Einfluss auf die Zeit haben, die man benötigt, um ein Puzzle zu vollenden. Dabei werden folgende Faktoren betrachtet:

126

6 k-faktorielle Experimente

250

300

350

400

450

500

Abb. 6.4 Boxplots für ein 23 -Experiment

A: Geschlecht mit den Faktorstufen männlich (−) und weiblich (+), B: Nationalität mit den Faktorstufen deutsch (−) und chinesisch (+), C: Vorlage mit den Faktorstufen kurzfristig (−) und permanent (+). Dabei wurde die Zeit in Sekunden gemessen, die eine Person benötigt, um das Puzzle zu vollenden. Die Durchführung des Experiments auf jeder Faktorstufenkombination ist hier sehr aufwendig. Daher wurde auf jeder Faktorstufenkombination nur jeweils eine Zeit gemessen. Die Daten zeigt Tab. 6.10. Wir wenden für die Auswertung den Algorithmus von Yates an und erhalten die nachfolgende Tabelle: Tab. 6.10 Daten eines 23 -Experiments mit n = 1

A

B

C

Anzahl

-

-

-

535

+

-

-

360

-

+

-

758

+

+

-

1497

-

-

+

592

+

-

+

316

-

+

+

1163

+

+

+

1646

6.5 (1) a b ab c ac bc abc

Sonderfall n = 1 535 360 758 1497 592 316 1163 1646

127 895 2255 908 2809 −175 739 −276 483

3150 3717 564 207 1360 1901 914 759

6867 771 3261 1673 567 −357 541 −155

Somit ergeben sich die geschätzten Effekte als eA = eB = eC = e AB = e AC = e BC = e ABC =

771 = 192.75 4 3261 = 815.25 4 567 = 141.75 4 1673 = 418.25 4 −357 = −89.25 4 541 = 135.25 4 −155 = −38.75. 4

Für die Quadratsummen erhalten wir entsprechend SS A = SS B = SSC = SS AB = SS AC = SS BC = SS ABC =

7712 = 74305.13 8 32612 = 1329265 8 5672 = 40186.13 8 16732 = 349866.1 8 (−357)2 = 15931.13 8 5412 = 36585.13 8 (−155)2 = 3003.125. 8 

128

6 k-faktorielle Experimente

Es fehlt jedoch die Quadratsumme SS R für die unerklärte Reststreuung. Es gibt jedoch zwei Möglichkeiten, mit denen man überprüfen kann, ob Effekte signifikant sind. 1. Wir können annehmen, dass bestimmte Interaktionseffekte nicht im Modell auftreten. Somit können wir deren Quadratsummen als SS R auffassen. Beispiel 6.2 (fortgesetzt) Wir unterstellen zunächst, dass E ABC gleich null ist. Dann verwenden wir SS ABC = 3003.125 als unerklärte Reststreuung SS R . Wir erhalten folgende ANOVA-Tabelle: Quelle der Variation A B C AB AC BC Rest Gesamt

Quadratsummen 74305.1 1329265.0 40186.1 349866.1 15931.1 36585.1 3003.1 1849142.0

Freiheitsgrade 1 1 1 1 1 1 1 7

Mittlere Quadratsummen 74305.1 1329265.0 40186.1 349866.1 15931.1 36585.1 3003.1

F 24.74 442.63 13.38 116.50 5.30 12.18

Es gilt F1,1;0.95 = 161.45. Somit ist der Effekt von B signifikant: Chinesische Teilnehmer benötigen durchschnittlich 815.25 s länger als deutsche zur Vollendung des Puzzles. Wir können aber auch unterstellen, dass alle Interaktionseffekte gleich null sind. Dann gilt SS R = SS AB + SS AC + SS BC + SS ABC , und wir erhalten folgende ANOVA-Tabelle: Quelle der Variation A B C Rest Gesamt

Quadratsummen 74305.1 1329265.0 40186.1 405386 1849142.0

Freiheitsgrade 1 1 1 4 7

Mittlere Quadratsummen 74305.1 1329265.0 40186.1 101346

F 0.73 13.12 0.40

Es gilt F1,4;0.95 = 7.71. Somit ist auch hier nur der Effekt von B signifikant von null verschieden. Wir sehen, dass beide Vorgehensweisen das gleiche Ergebnis liefern. Dies muss aber nicht immer so sein.  2. Der Amerikaner Russel V. Lenth hat 1989 ein Verfahren vorgeschlagen, mit dem wir für den Fall n = 1 alle Effekte auf Signifikanz überprüfen können (s. Lenth 1989).

6.5

Sonderfall n = 1

129

Bei einem 2k -Experiment werden die m = 2k − 1 – Effekte E 1 , . . . , E m durch e1 , . . . , em geschätzt. Um zu überprüfen, welche der Effekte signifikant sind, sollte man nach Lenth folgendermaßen vorgehen. a) Bestimme den Median M1 der Absolutbeträge |e1 |, . . . , |em | der geschätzten Effekte e1 , . . . , em . b) Berechne s0 = 1.5 · M1 .

(6.8)

c) Bestimme den Median M2 der |ei |, die kleiner als 2.5 · s0 sind. d) Berechne P S E = 1.5 · M2 .

(6.9)

Lenth bezeichnet PSE als pseudo standard error. e) Bilde M E = t1 · P S E.

(6.10)

Lenth bezeichnet ME als margin of error. Die Werte von t1 in Abhängigkeit von k zeigt Tab. 6.11. f) Bilde S M E = t2 · P S E.

(6.11)

Lenth bezeichnet SME als simultaneous margin of error. Die Werte von t2 in Abhängigkeit von k zeigt ebenfalls Tab. 6.11. Ursprünglich hat Lenth für t1 und t2 Werte der Dichtefunktion der t-Verteilung vorgeschlagen. Simulationsstudien haben jedoch gezeigt, dass die Werte in Tab. 6.11 in Abhängigkeit von k die Teststärke des Verfahrens verbessern. Bei der Überprüfung auf Signifikanz gibt es zwei Möglichkeiten:

Tab. 6.11 Werte von t1 und t2 in Abhängigkeit von k, nach Montgomery (2017) k

t1

t2

3

2.295

4.891

4

2.140

4.163

5

2.082

4.030

130

6 k-faktorielle Experimente

1. Will man überprüfen, ob ein spezieller Effekt E i signifikant von 0 verschieden ist, so verwendet man M E. Wir lehnen die Hypothese H0 : E i = 0 ab, wenn gilt |ei | > M E. 2. Will man überprüfen, ob mindestens ein Effekt von 0 verschieden ist, verwenden wir S M E. Alle Effekte werden als signifikant angesehen, bei denen der Absolutbetrag des geschätzten Effekts größer als S M E ist. Beispiel 6.2 (fortgesetzt) Wir führen das Verfahren von Lenth durch: a) Die sortierten Absolutbeträge der Effekte sind |e ABC | |e AC | |e BC | |eC | |e A | |e AB | |e B | 38.75 89.25 135.25 141.75 192.75 418.25 815.25

Somit gilt M1 = 141.75. b) Es gilt s0 = 1.5 · M1 = 1.5 · 141.75 = 212.625. c) Die sechs kleinsten |ei | sind kleiner als 2.5 · 212.625 = 531.5625. Ihr Median ist 138.5. Also gilt M2 = 138.5. d) Es gilt P S E = 1.5 · M2 = 1.5 · 138.5 = 207.75. e) Bilde M E = t1 · P S E = 2.295 · 207.75 = 476.79. f) Wir erhalten für S M E S M E = t2 · P S E = 4.891 · 207.75 = 1016.1. Mit der Verwendung von M E gilt |e B | = 815.25 > 476.79. Somit entscheiden wir uns dafür, dass der Effekt von B signifikant ist. Bei der Verwendung S M E wäre kein Effekt signifikant. 

6.6

6.6

k-faktorielle Varianzanalyse in R

131

k-faktorielle Varianzanalyse in R

Wir wollen zunächst Beispiel 6.1 in R nachvollziehen. Tab. 6.12 zeigt erneut die Daten. Wir geben die beobachteten Wartezeiten mit den jeweils zwei Beobachtungen je Faktorstufenkombination ein: > Kasse Tag Tag [1] - + - + - + - + - + - + - + - + Levels: - +

Für die Uhrzeit benötigen wir > Uhrzeit Uhrzeit [1] - - + + - - + + - - + + - - + + Levels: - +

Für Faktor C können wir > Filiale Filiale [1] - - - - + + + + - - - - + + + + Levels: - +

Tab. 6.12 Daten eines 23 -Experiments mit n = 2 Anzahl

A

B

C

-

-

-

366

257

+

-

-

312

225

-

+

-

405

453

+

+

-

321

317

-

-

+

456

508

+

-

+

322

353

-

+

+

382

461

+

+

+

332

363

132

6 k-faktorielle Experimente

eingeben. Mit steigender Anzahl k von Faktoren im Modell kann diese Art der Eingabe jedoch sehr unübersichtlich und fehleranfällig werden. Im Paket AlgDesign von Wheeler (2014) steht die Funktion gen.factorial zur Erstellung von Experimenten zur Verfügung. > install.packages(’AlgDesign’) > library(AlgDesign)

Die Funktion gen.factorial generiert ein faktorielles Experiment und hat fünf Argumente, von denen vier für unsere Anwendungen relevant sind. Das erste Argument levels benötigt die Anzahl der Faktorstufen der Faktoren. Das zweite Argument nVars greift die Anzahl der Faktoren auf. Das Argument factors setzt man auf den Wert all, um alle Faktoren im Modell zu berücksichtigen. Mit dem Argument varNames kann man den Faktoren Namen geben. Durch die Eingabe von m m Tag Uhrzeit Filiale 1 1 1 1 2 2 1 1 3 1 2 1 4 2 2 1 5 1 1 2 6 2 1 2 7 1 2 2 8 2 2 2

Wir sehen, dass die Faktorstufen mit 1 und 2 bezeichnet werden. In unserem Beispiel gilt n = 2, und wir haben die Beobachtungen der Zielvariable aus Tab. 6.12 zeilenweise in den Vektor Kasse eingegeben. Wir müssen nun jede Zeile der Matrix m verdoppeln. Dafür nutzen wir die Funktionen rep und nrow. Wir geben also ein: > m m Tag Uhrzeit Filiale 1 1 1 1 1.1 1 1 1 2 2 1 1 2.1 2 1 1 3 1 2 1

6.6 3.1 4 4.1 5 5.1 6 6.1 7 7.1 8 8.1

k-faktorielle Varianzanalyse in R 1 2 2 1 1 2 2 1 1 2 2

2 2 2 1 1 1 1 2 2 2 2

133

1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2

Wir fügen die benötigten Daten zu einer Datentabelle zusammen: > m$Kasse m Tag Uhrzeit Filiale Kasse 1 1 1 1 366 1.1 1 1 1 257 2 2 1 1 312 2.1 2 1 1 225 3 1 2 1 405 3.1 1 2 1 453 4 2 2 1 321 4.1 2 2 1 317 5 1 1 2 456 5.1 1 1 2 508 6 2 1 2 322 6.1 2 1 2 353 7 1 2 2 382 7.1 1 2 2 61 8 2 2 2 332 8.1 2 2 2 363

Wurden die Beobachtungen aus Tab. 6.12 jedoch spaltenweise eingegeben, müssen wir die Matrix m verdoppeln. Hierzu benutzen wir die Funktion rbind, mit der Zeilen zu einer vorhandenen Matrix hinzugefügt werden können. > m_doppelt m_doppelt Tag Uhrzeit Filiale 1 1 1 1 2 2 1 1 3 1 2 1 4 2 2 1 5 1 1 2 6 2 1 2

134 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

6 k-faktorielle Experimente 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2

2 2 1 1 2 2 1 1 2 2

2 2 1 1 1 1 2 2 2 2

Zur Erstellung der ANOVA-Tabelle verwenden wir erneut die Funktion aov. > e summary(e) Df Sum Sq Mean Sq F value Pr(>F) Tag 1 34503 34503 16.915 0.00338 ** Uhrzeit 1 3452 3452 1.692 0.22954 Filiale 1 16965 16965 8.317 0.02039 * Tag:Uhrzeit 1 3 3 0.002 0.97004 Tag:Filiale 1 1073 1073 0.526 0.48904 Uhrzeit:Filiale 1 11936 11936 5.851 0.04192 * Tag:Uhrzeit:Filiale 1 4727 4727 2.317 0.16645 Residuals 8 16319 2040 --Signif. codes: 0 ‘***’ 0.001 ‘**’ 0.01 ‘*’ 0.05 ‘.’ 0.1 ‘ ’ 1

Wir erkennen den signifikanten Interaktionseffekt zwischen der Uhrzeit und der Filiale sowie den signifikanten Haupteffekt des Wochentages. Wir führen zusätzlich den Algorithmus von Yates mit der Funktion yates durch. Hierzu müssen wir den Vektor Kasse in eine Matrix transformieren und die Zeilensummen bilden. > Kasse_Summe yates(Kasse_Summe,n=2,k=3,alles=TRUE) h v v v [1,] 623 1160 2656 5833 [2,] 537 1496 3177 -743 [3,] 858 1639 -306 235 [4,] 638 1538 -437 7 [5,] 964 -86 336 521 [6,] 675 -220 -101 -131 [7,] 843 -289 -134 -437 [8,] 695 -148 141 275

6.6

k-faktorielle Varianzanalyse in R

135

Die geschätzten Effekte erhalten wir mit > yates(Kasse_Summe,n=2,k=3,alles=FALSE,Effekte=TRUE) [1] -92.875 29.375 0.875 65.125 -16.375 -54.625 34.375

Den Normal-Quantil-Plot erhalten wir mit > par(las=1) > qqnorm(e$residuals,main=’Normal-Quantil-Plot’, + xlab=’theoretische Quantile’,ylab=’empirische Quantile’,pch=16) > qqline(e$residuals,lwd=2)

Der Aufruf von > shapiro.test(e$residuals) Shapiro-Wilk normality test data: e$residuals W = 0.96842, p-value = 0.8125

bestätigt unsere Annahme der Normalverteilung. Die Boxplots zur Überprüfung der Varianzhomogenität erhalten wir mit > boxplot(Kasse~Tag*Uhrzeit*Filiale,horizontal=TRUE)

Für das Verfahren von Lenth schreiben wir uns eine Funktion, die den vorgeschlagenen Algorithmus umsetzt. Die Funktion ist in Anhang A.2 definiert. Die Funktion lenth kann das Verfahren von Lenth für Versuchspläne mit k = 3, 4, 5 umsetzen und besitzt drei Argumente. Das erste Argument e ist der Vektor mit den geschätzten Effekten. Das Argument k gibt an, wie viele Faktoren im Modell berücksichtigt werden. Wird die Funktion mit dem Argument M E = T RU E aufgerufen, wird mit Hilfe von M E überprüft, welcher Effekt signifikant ist. Wird die Funktion hingegen mit dem Argument M E = F AL S E aufgerufen, wird mit Hilfe von S M E überprüft, welcher Effekt signifikant ist. Betrachten wir das Vorgehen für Beispiel 6.2. Wir geben zunächst die Daten mit n = 1 ein: > Puzzle eff eff [1] 192.75 815.25 418.25 141.75 -89.25 135.25 -38.75

Mit diesen geschätzten Effekten führen wir das Verfahren von Lenth mit der Funktion lenth zunächst auf Basis des SME-Kriteriums durch: > lenth(eff,k=3,ME=FALSE) sortierte Effekte: ABC 38.75 AC 89.25 BC 135.25 C 141.75 A 192.75 AB 418.25 B 815.25 M1 = 141.75 s0 = 212.625 M2 = 138.5 PSE = 207.75

SME = 1016.10525 Signifikante Faktoren: B

Wir sehen, dass hier kein Faktor bzw. keine Faktorkombination signifikant ist. > lenth(eff,k=3,ME=TRUE) sortierte Effekte: ABC 38.75 AC 89.25 BC 135.25 C 141.75 A 192.75 AB 418.25 B 815.25 M1 = 141.75 s0 = 212.625 M2 = 138.5 PSE = 207.75

6.7

Übungsaufgaben

137

ME = 476.78625 Signifikante Faktoren: B

Mit Hilfe des ME-Kriteriums ist hingegen Faktor B nach dem Verfahren von Lenth signifikant.

6.7

Übungsaufgaben

Übung 6.1 Das Pizza-Experiment wird erneut um einen Faktor C erweitert. Es stehen zusätzlich zwei Arten von Tomatensauce zur Verfügung. Insgesamt 24 Testesser gaben folgende Beurteilungen des Geschmacks ab:

a) Überprüfen Sie die Annahmen der Varianzanalyse für die Daten. b) Werten Sie das Experiment aus. c) Überprüfen Sie die Ergebnisse mit Hilfe von R. Übung 6.2 Führen Sie Auswertungen aus Aufgabe 6.1 für folgende Daten durch:

138

6 k-faktorielle Experimente

Übung 6.3 Führen Sie Auswertungen aus Aufgabe 6.1 für folgende Daten durch:

Übung 6.4 In einem Experiment soll mit dem sog. d2-Test analysiert werden, welche Faktoren einen Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit haben. Beim d2-Test liegt den Teilnehmern ein Testbogen vor, der aus 14 Zeilen mit jeweils 47 Zeichen besteht. In einer Zeile steht eine Folge, die aus den Buchstaben d und p, über oder unter denen bis zu vier Striche sind. Es müssen alle d mit zwei Strichen durchgestrichen werden. Dabei soll die Wirkung folgender Faktoren analysiert werden: A: Musik mit den Faktorstufen ohne (−) und mit (+), B: Geschlecht mit den Faktorstufen männlich (−) und weiblich (+), C: Papierfarbe mit den Faktorstufen weiß (−) und gelb (+). Auf jeder Faktorstufenkombination wurde eine Beobachtung mit der benötigten Zeit in Sekunden gemacht. Die Daten zeigt Tab. 6.13. Wenden Sie das Verfahren von Lenth an, um signifikante Effekte von Faktoren bzw. Faktorkombinationen zu finden.

Tab. 6.13 Daten eines 23 -Experiments mit n = 1

A

B

C

Anzahl

-

-

-

369

+

-

-

407

-

+

-

443

+

+

-

463

-

-

+

359

+

-

+

484

-

+

+

397

+

+

+

515

7

Fraktionelle faktorielle Experimente

Inhaltsverzeichnis 7.1 7.2 7.3 7.4

7.1

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24−1 -Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fraktionelle faktorielle Varianzanalyse in R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139 147 152 155

Grundlagen

Bei einem 2k -Experiment steigt mit wachsendem k die Anzahl der Versuche exponentiell an. So muss man bei sechs Faktoren schon 26 = 64 und bei zehn Faktoren bereits 210 = 1024 Versuche durchführen. Mit jedem zusätzlichen Faktor in einem 2k -Experiment verdoppelt sich die Anzahl der notwendigen Versuche. Ein fraktionelles Experiment bietet nun die Möglichkeit, mit einer geringen Anzahl von Versuchen die Haupteffekte und zumindest einige der Interaktionseffekte zu schätzen. Hierfür müssen wir jedoch bereits bei der Planung der Versuche für das Experiment einige Annahmen treffen. Wir wollen an kleinen Beispielen die Grundidee fraktioneller faktorieller Experimente veranschaulichen. Wir beginnen mit einem 23 -Experiment, wie wir es in Kap. 6 kennengelernt haben. Tab. 7.1 enthält alle Faktoren und Interaktionen zwischen Faktoren in der Reihenfolge, wie sie auch vom Algorithmus von Yates benötigt wird. Wir wollen nur die Hälfte der Versuche durchführen. Hierbei haben wir sehr viele Möglichkeiten. Wir wählen z. B. die Versuche aus, bei denen ABC auf + steht. Es bleiben so vier von acht Versuchen übrig, die Tab. 7.2 zeigt. Beispiel 7.1 Es soll erneut analysiert werden, welche Faktoren einen Einfluss auf die Zeit haben, die man benötigt, um ein Puzzle zu vollenden. Dabei werden folgende Faktoren berücksichtigt: © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Kuhlenkasper und A. Handl, Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59054-6_7

139

140

7 Fraktionelle faktorielle Experimente

Tab. 7.1 Alle Effekte eines 23 -Experiments A

B

C

AB

AC

BC

ABC

(1)

-

-

-

+

+

+

-

a

+

-

-

-

-

+

+

b

-

+

-

-

+

-

+

ab

+

+

-

+

-

-

-

c

-

-

+

+

-

-

+

ac

+

-

+

-

+

-

-

bc

-

+

+

-

-

+

-

abc

+

+

+

+

+

+

+

Tab. 7.2 Teilplan eines 23 -Experiments A

B

C

AB

AC

BC

ABC

a

+

-

-

-

-

+

+

b

-

+

-

-

+

-

+

c

-

-

+

+

-

-

+

abc

+

+

+

+

+

+

+

A: Geschlecht mit den Faktorstufen männlich (-) und weiblich (+), B: Nationalität mit den Faktorstufen deutsch (-) und chinesisch (+), C: Vorlage mit den Faktorstufen kurzfristig (-) und permanent (+). Gemessen in Sekunden. Auf jeder Faktorstufenkombination gilt n = 1. Die Daten zeigt Tab. 7.3. Tab. 7.3 Daten eines 23 -Experiments mit n = 1 A

B

C

AB

AC

BC

ABC

Anzahl

(1)

-

-

-

+

+

+

-

535

a

+

-

-

-

-

+

+

360

b

-

+

-

-

+

-

+

758

ab

+

+

-

+

-

-

-

1497

c

-

-

+

+

-

-

+

592

ac

+

-

+

-

+

-

-

316

bc

-

+

+

-

-

+

-

1163

abc

+

+

+

+

+

+

+

1646

7.1

Grundlagen

141

Tab. 7.4 Daten des Teilplans eines 23 -Experiments A

B

C

Anzahl

a

+

-

-

360

b

-

+

-

758

c

-

-

+

592

abc

+

+

+

1646

Es sollen nur vier Versuche durchgeführt werden. Wir führen dafür nur die Versuche durch, bei denen ABC auf + steht. 1. Eine deutsche Frau vollendet das Puzzle mit kurzfristiger Vorlage. (Faktor A: +, Faktor B: -, Faktor C: -) 2. Ein chinesischer Mann vollendet das Puzzle mit kurzfristiger Vorlage. (Faktor A: -, Faktor B: +, Faktor C: -) 3. Ein deutscher Mann vollendet das Puzzle mit permanenter Vorlage. (Faktor A: -, Faktor B: -, Faktor C: +) 4. Eine chinesische Frau vollendet das Puzzle mit permanenter Vorlage. (Faktor A: +, Faktor B: +, Faktor C: +) Die Versuche und die Daten fasst Tab. 7.4 zusammen.  Betrachten wir die Spalten von Tab. 7.2 genauer: In sechs Spalten von A, B, C sowie AB, AC und BC stehen jeweils zwei Plus- und zwei Minuszeichen. Wir können also die Effekte der entsprechenden Faktoren bzw. Interaktionen schätzen. So ist der Schätzer e A des Effekts von A gleich eA =

a + abc − b − c . 2

Entsprechend erhalten wir als Schätzer für E B eB =

b + abc − a − c 2

eC =

c + abc − a − b . 2

und für E C

Beispiel 7.1 (fortgesetzt) Wir erhalten als Schätzwert für den Haupteffekt von Faktor A eA =

a + abc − b − c 360 + 1646 − 758 − 592 = = 328. 2 2

142

7 Fraktionelle faktorielle Experimente

Entsprechend erhalten wir als Schätzer für E B eB =

b + abc − a − c 758 + 1646 − 360 − 592 = = 726 2 2

eC =

c + abc − a − b 592 + 1646 − 360 − 758 = = 560. 2 2

und für E C

 Wenn wir Tab. 7.2 genauer betrachten, stellen wir fest, dass jeweils zwei der sechs Spalten identisch sind. So sind z. B. die Spalten A und BC mit ihrer Vorzeichenstruktur identisch. Mit dem Effekt von A schätzen wir also gleichzeitig auch den Effekt von BC. Genauer gesagt schätzen wir A + BC. Die beiden Effekte sind dann vermischt. Wir sehen, dass auch die Effekte B und AC und die Effekte C und AB vermischt sind. Wenn wir annehmen, dass alle Interaktionen zwischen zwei Faktoren vernachlässigt werden können, können wir die drei Haupteffekte schätzen. Dies ist aber nicht immer der Fall. Hätten wir die Versuche z. B. so durchgeführt, dass AB in Tab. 7.1 auf + steht, so hätten wir Tab. 7.5 erhalten. Wir sehen, dass hier A und B vermischt sind. Wir können die Effekte dieser beiden Hauptfaktoren nicht getrennt voneinander schätzen. Es ist nur möglich den Effekt von A + B zu schätzen. Außerdem sind noch C und ABC und AC und BC vermischt. Man spricht von einem fraktionellen faktoriellen Experiment und bezeichnet dieses als 2k−1 -Experiment. Wir werden im Folgenden nur 2k−1 -Experimente betrachten. Diese werden aus einem 2k -Experiment dadurch gewonnen, dass man nur die Hälfte der Versuche durchführt. Für k > 3 muss man dabei im Prinzip so wie bei einem 23−1 -Experiment vorgehen. Da man für k > 3 aber leicht die Übersicht verliert, benötigt man eine Sprache, mit der man Teilpläne übersichtlich und schnell erstellen kann. Wir veranschaulichen das Vorgehen zunächst am Beispiel des 23 -Experiments. Dazu betrachten wir die Spalten, die unter den jeweiligen Faktoren stehen, und fassen diese als Spaltenvektoren auf, die aus + und - bestehen. So gilt in Tab. 7.2 Tab. 7.5 Teilplan eines 23 -Experiments A

B

C

AB

AC

BC

ABC

(1)

-

-

-

+

+

+

-

ab

+

+

-

+

-

-

-

c

-

-

+

+

-

-

+

abc

+

+

+

+

+

+

+

7.1

Grundlagen

143

⎛ ⎞ + ⎜ −⎟ ⎟ A=⎜ ⎝ −⎠ . + Wir definieren die Multiplikation der Vektoren A und B komponentenweise, wobei die aus der Schule bekannten Rechenregeln für Vorzeichen gelten: + · + = + (plus mal plus ergibt plus) − · + = − (minus mal plus ergibt minus) + · − = − (plus mal minus ergibt minus) − · − = + (minus mal minus ergibt plus) So gilt für

⎛ ⎞ ⎛ ⎞ − + ⎜+⎟ ⎜ −⎟ ⎜ ⎟ ⎟ A=⎜ ⎝−⎠ und B = ⎝−⎠ + + ⎛ ⎞ − ⎜ −⎟ ⎟ A·B =⎜ ⎝ +⎠ . +

Wir sehen, dass man in Tab. 7.2 sowie in Tab. 7.5 die Vorzeichenstruktur der Interaktionseffekte durch die Multiplikation der Vorzeichenstruktur der jeweiligen Haupteffekte erhält. Besteht ein Vektor nur aus Pluszeichen, so bezeichnen wir ihn mit I . Die Multiplikation mit I verändert einen Vektor nicht: AI = I A = A Multiplizieren wir einen Vektor mit sich selbst, so gibt es für die einzelnen Komponenten zwei Möglichkeiten. Entweder steht in der Komponente ein +. Dann steht in der entsprechenden Komponente des Produkts wegen + · + = + auch ein +. Oder in der Komponente steht ein -. Dann steht in der entsprechenden Komponente des Produkts wegen − · − = + ein +. Für A gilt also AA = I. Um ein fraktionelles faktorielles 2k−1 -Experiment aus einem 2k -Experiment zu gewinnen, benötigen wir einen Faktor oder eine Interaktion des 2k -Experiments, den wir Generator G nennen. Wir wählen aus dem 2k -Experiment alle Versuche aus, bei denen der Generator entweder vollständig auf + oder vollständig auf - steht.

144

7 Fraktionelle faktorielle Experimente

Beispiel 7.2 Wir verwenden ein 23 -Experiment, aus dem wir ein 23−1 -Experiment gewinnen wollen. Wir wählen ABC als Generator G.  Da alle Komponenten des Generators entweder auf - oder + stehen, gilt entweder I = G oder I = −G. Beispiel 7.2 (fortgesetzt) Es gilt I = ABC.



Nun können wir durch einfache Algebra feststellen, welche Faktoren und Interaktionen miteinander vermischt sind, und welche Versuche im Experiment durchgeführt werden müssen. Beispiel 7.2 (fortgesetzt) Wir multiplizieren I = ABC mit A und erhalten A = A ABC = BC. Wir multiplizieren I = ABC mit B und erhalten B = AB BC = AC. Wir multiplizieren I = ABC mit C und erhalten C = ABCC = AB. Wählen wir hingegen als Generator I = AB, so gilt A = B, C = ABC und AC = BC. Die Haupteffekte A und B sind dann vermischt. Dies ist in praktischen Anwendungen jedoch nicht wünschenswert.  Mit Hilfe des Generators ist es möglich, ein 2k−1 -Experiment aufzustellen, ohne die Teilversuche aus der Vorzeichenstruktur des 2k -Experiments auszuwählen. Wir wollen dies am Beispiel eines 23−1 -Experiments mit Generator I = ABC veranschaulichen. Wir notieren zunächst die Grundstruktur eines 22 -Experiments für die Faktoren A und B (Tab. 7.6). Nun müssen wir Faktor C und seine Vorzeichenstruktur hinzufügen. Diese wird nun generiert: Multiplizieren wir I = ABC mit C, so erhalten wir C = AB. Die Vorzeichenstruktur Tab. 7.6 Erster Schritt bei der Erstellung eines 23−1 -Experiments

A

B

(1)

-

-

a

+

-

c

-

+

ab

+

+

7.1

Grundlagen

145

von C stimmt also mit der von AB überein. Wir können also die Spalte für C hinzufügen und wissen genau, welche Versuche des Experiments wir durchführen müssen. Da wir beim 23−1 -Experiment die Struktur eines 22 -Experiments gewählt haben, können wir den Algorithmus von Yates anwenden. Wir müssen uns nur genau überlegen, zu welchen Faktoren bzw. Faktorstufenkombinationen die Kontraste gehören. In der zweiten Zeile von Tab. 7.7 steht der Kontrast von A. Da A und BC vermischt sind, steht hier auch A + BC. In der dritten Zeile steht der Kontrast von B. Da B und AC vermischt sind, steht hier also auch B + AC. Und in der letzten Zeile finden wir den Kontrast von AB. Da dieser mit C vermischt ist, erhalten wir auch C + AB. Das folgende Beispiel illustriert die Vorgehensweise. Beispiel 7.1 (fortgesetzt) Wir notieren die Beobachtungen in der richtigen Reihenfolge und führen den Algorithmus von Yates durch (Tab. 7.8). Wir haben die Symbolik des 22 -Experiments gewählt. Wir erhalten also mit K A = 656 eA =

656 = 328. 1 · 21

Für den geschätzten Effekt von B erhalten wir mit K B = 1452 eB =

1452 = 726. 1 · 21

Da AB und C vermischt sind, erhalten wir mit der letzten Zeile den geschätzten Effekt von C mit K C = 1120 als eC =

1120 = 560. 1 · 21 

Tab. 7.7 Zweiter Schritt bei der Erstellung eines 23−1 -Experiments

Tab. 7.8 Algorithmus von Yates bei einem 23−1 -Experiment

A

B

C

c

-

-

+

a

+

-

-

b

-

+

-

abc

+

+

+

592

952

3356

360

2404

656

758

−232

1452

1646

888

1120

146

7 Fraktionelle faktorielle Experimente

Wir wollen nun die Signifikanz der Effekte überprüfen. Dabei unterstellen wir, dass die Quadratsummen der vernachlässigten Effekte die unerklärte Reststreuung SS R bilden. Wir berechnen also mit Hilfe der Kontraste SS F =

K F2 . n 2k

(7.1)

Beispiel 7.1 (fortgesetzt) Wir erhalten mit K A = 656 SS A =

6562 = 107584. 1 · 22

Für die Quadratsumme von Faktor B erhalten wir mit K B = 1452 SS B =

14522 = 527076 1 · 22

sowie für Faktor C mit K C = 1120 SSC =

11202 = 313600. 1 · 22 

Wir haben in dem Beispiel ein 23 -Experiment in ein 22 -Experiment überführt. Da wir mit n = 1 jedoch nur eine Beobachtung auf jeder durchgeführten Faktorstufenkombination haben, erhalten wir SS R = 0. Wenn wir auf den Test für mindestens einen Faktor jedoch verzichten, können wir die Quadratsumme dieses Faktors als SS R auffassen und die restlichen Effekte der Faktoren auf Signifikanz überprüfen. Beispiel 7.1 (fortgesetzt) Wir verzichten darauf, den Effekt der Vorlage zur Vollendung des Puzzles auf Signifikanz zu testen. Es gilt dann SS R = SSC = 313600. Da Faktor C zwei Faktorstufen hat, erhalten wir einen Freiheitsgrad, und es gilt hier M SS R = SS R . Außerdem gilt für die Faktoren A und B mit jeweils zwei Faktorstufen analog M SS A = SS A sowie M SS B = SS B . Tab. 7.9 fasst die Ergebnisse des 23−1 -Experiments zusammen. Aus Tab. C.1 entnehmen wir den kritischen Wert von F1;1;0.95 = 161.45. Somit hat keiner der beiden überprüften Faktoren einen signifikanten Einfluss auf die Zeit zur Vollendung des Puzzles. 

24−1 -Experiment

7.2

147

Tab. 7.9 ANOVA-Tabelle eines 23−1 -Experiments Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

A

107584

1

107584

0.343 0.418

B

527076

1

527076

Rest

313600

1

313600

Gesamt

948260

3

7.2

24−1 -Experiment

Betrachten wir abschließend ein 24−1 -Experiment. Als Generator wählen wir I = ABC D und betrachten nur Versuche des Experiments, in dem ABC D auf + steht. Als Nächstes bestimmen wir die Versuche, die durchgeführt werden müssen: • • • • • • •

Multiplizieren wir Multiplizieren wir Multiplizieren wir Multiplizieren wir Multiplizieren wir Multiplizieren wir Multiplizieren wir

I = ABC D mit A, so erhalten wir A = BC D. I = ABC D mit B, so erhalten wir B = AC D. I = ABC D mit C, so erhalten wir C = AB D. I = ABC D mit D, so erhalten wir D = ABC. A = BC D mit B, so erhalten wir AB = C D. A = BC D mit C, so erhalten wir AC = B D. A = BC D mit D, so erhalten wir AD = BC.

Hier sind die vier Haupteffekte mit den vier Dreifachinteraktionen vermischt. Außerdem sind die Zweifachinteraktionen untereinander vermengt. Das folgende Beispiel zeigt, wie man einen fraktionellen faktoriellen Versuchsplan auswertet. Beispiel 7.2 Zur Messung der Konzentrationsfähigkeit sollten 16 Teilnehmer eines Experiments den PRESS-Test durchführen. Bei diesem müssen die Teilnehmer in drei Minuten möglichst viele Aufgaben vom Typ 3 − 5 + 1 lösen. Die Auswertung des Experiments mit einem 22 -Experiment ist in Abschn. 5.4 beschrieben. Das Experiment wurde um zwei Faktoren erweitert: Zum einen soll überprüft werden, ob die Tageszeit einen Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit ausübt. Dafür wurde der Test am frühen Vormittag (Stufe -) und am späten Nachmittag (Stufe +) durchgeführt. Zusätzlich sollte herausgefunden werden, ob das Trinken von Mineralwasser fünf Minuten vor Beginn des Tests einen Einfluss auf die

148

7 Fraktionelle faktorielle Experimente

Rechenleistung hat. Die Zielvariable ist erneut die Anzahl der richtig gelösten Aufgaben. Es werden also folgende vier Faktoren mit jeweils zwei Faktorstufen betrachtet: A: B: C: D:

Tageszeit mit den Faktorstufen früh (-) und spät (+), Musik mit den Faktorstufen ohne (-) und mit (+), Schriftgröße mit den Faktorstufen klein (-) und groß (+), Wasser mit den Faktorstufen ohne (-) und mit (+).

Bei einem vollständigen 24 -Experiment mit n = 1 muss man 16 Versuche durchführen. Es ist allerdings nur Zeit für acht Versuche. Also erstellen wir ein 24−1 -Experiment. Als Generator wählen wir I = ABC D. Es gilt also I D = D = ABC D D = ABC. Den Teilplan erhalten wir, indem wir die Versuche eines 23 -Experiments notieren und eine Spalte mit der Vorzeichenstruktur von D = ABC generieren. Dies zeigt zusammen mit den Daten Tab. 7.10. Wir wenden nun den Algorithmus von Yates an. Das Ergebnis zeigt Tab. 7.11. Tab. 7.10 Teilplan eines 24 -Experiments A

B

C

D = ABC

Anzahl

(1)

-

-

-

-

42

ad

+

-

-

+

39

bd

-

+

-

+

51

ab

+

+

-

-

53

cd

-

-

+

+

48

ac

+

-

+

-

43

bc

-

+

+

-

87

abcd

+

+

+

+

73

Tab. 7.11 Der Algorithmus von Yates (1)

42

81

185

436

ad

39

104

251

−20

bd

51

91

−1

92

ab

53

160

−19

−4

cd

48

−3

23

66

ac

43

2

69

−18

bc

87

−5

5

46

abc

73

−14

−9

−14

7.2

24−1 -Experiment

149

Wir haben in Tab. 7.11 die Symbolik eines 23 -Experiments gewählt. Somit können wir schnell die Kontraste ablesen. Es gilt K A = −20 K B = 92 K C = 66.

und wegen D = ABC erhalten wir K D = −14. Außerdem erhalten wir K AB = −4 K AC = −18 und wegen AD = BC K AD = 46. Wir wissen außerdem, dass folgende Faktoren und Interaktionen miteinander vermengt sind: • • • • • • •

A und BC D, B und AC D, C und AB D, D und ABC, AB und C D, AC und B D, AD und BC.

Wir können also nur A+ BC D, B + AC D, C + AB D, D + ABC sowie AB +C D, AC + B D und AD + BC schätzen. Wenn wir unterstellen, dass die Dreifachinteraktionen vernachlässigt werden können, so können wir die Haupteffekte entsprechend eines 23 -Experiments schätzen. Dabei gilt erneut eF =

KF . n 2k−1

(7.2)

150

7 Fraktionelle faktorielle Experimente

Mit n = 1 erhalten wir somit −20 1 · 22 92 eB = 1 · 22 66 eC = 1 · 22 −14 eD = 1 · 22 eA =

= −5 = 23 = 16.5 = −3.5.

Um die Signifikanz der Effekte zu schätzen, können wir zum einen unterstellen, dass alle Zweifachinteraktionen vernachlässigt werden können. In diesem Fall ist die Summe von deren Quadratsummen gleich SS R . Für die ANOVA-Tabelle benötigen wir erneut die Quadratsummen mit SS F =

K F2 . n 2k

(7.3)

Wir erhalten SS A =

−202 = 50 1 · 23

SS B =

922 = 1058 1 · 23

SSC =

662 = 544.5 1 · 23

SS D =

−142 = 24.5 1 · 23

SS AB =

−42 =2 1 · 23

SS AC =

−182 = 40.5 1 · 23

SS AD =

462 = 264.5. 1 · 23

Da wir unterstellen, dass alle Zweifachinteraktionen vernachlässigt werden können, gilt SS R = SS AB + SS AC + SS AD = 307. Die ANOVA-Tab. 7.12 fasst die Ergebnisse zusammen.

7.2

24−1 -Experiment

151

Tab. 7.12 ANOVA-Tabelle eines 24−1 -Experiments Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

Mittlere Quadratsummen

F

A

50

1

50

0.489

B

1058

1

1058

10.342

C

544.5

1

544.5

5.323

D

24.5

1

24.5

0.240

102.3

Rest

307

3

Gesamt

1984

7

Wegen F1,3,0.95 = 10.13 ist nur der Faktor B signifikant. Somit hat nur die Musik einen Einfluss. Es werden also durchschnittlich 23 Aufgaben im PRESS-Test mehr gelöst, wenn Musik im Hintergrund zu hören ist.  Wir könnten hier auch alternativ das Verfahren von Lenth anwenden. Dazu benötigen wir neben den geschätzten Effekten e A , e B , eC und e D noch weitere drei geschätzte Effekte. In Tab. 7.11 wurden neben den Kontrasten für die Haupteffekte auch noch die Kontraste K AB = −4 K AC = −18 K AD = 46 bestimmt. Wir erhalten somit für die noch fehlenden geschätzten Effekte −4 = −1 1 · 22 −18 = − 4.5 1 · 22 46 = = 11.5. 1 · 22

e AB = e AC e AD

a) Die sortierten Absolutbeträge der Effekte ergeben sich als |e AB | 1

|e D | 3.5

|e AC | 4.5

|e A | 5

|e BC | 11.5

Somit erhalten wir für den Median M1 = 5. b) Es gilt weiter s0 = 1.5 · M1 = 1.5 · 5 = 7.5.

|eC | 16.5

e| B | 23

152

7 Fraktionelle faktorielle Experimente

c) Die sechs kleinsten |ei | sind kleiner als 2.5 · 7.5 = 18.75. Wir erhalten für deren Median den Wert 4.75. Also gilt für M2 = 4.75. d) Es gilt dann P S E = 1.5 · M2 = 1.5 · 4.75 = 7.125. e) Wir bilden M E = t1 · P S E = 2.295 · 7.125 = 16.35. f) Wir bestimmen S M E = t2 · P S E = 4.891 · 7.125 = 34.85. Da |eC | = 16.5 > 16.35 und |e B | = 23 > 16.35 gilt, entscheiden wir uns mit der Verwendung von M E dafür, dass die Haupteffekte von C und B signifikant sind. Mit eC = 16.5 werden durchschnittlich 16.5 Aufgaben mehr gelöst, wenn die Aufgaben in einer großen Schrift präsentiert werden. Mit e B = 23 werden durchschnittlich 23 Rechenaufgaben mehr gelöst, wenn Musik im Hintergrund zu hören ist. Diese Ergebnisse stimmen mit der Auswertung des 22 -Experiments in Abschn. 5.4 überein. Allerdings ist bei der Anwendung des Verfahrens von Lenth hier in dem 24−1 -Experiment der in Abschn. 5.4 gefundene Interaktionseffekt zwischen diesen beiden Faktoren nicht signifikant. Hätten wir den auf S M E beruhenden Test angewendet, so wäre kein Effekt signifikant.

7.3

Fraktionelle faktorielle Varianzanalyse in R

Wir wollen Beispiel 7.2 in R nachrechnen. Dazu benötigen wir zunächst den Versuchsplan, der uns anzeigt, welche Versuche in dem Experiment durchgeführt werden müssen. Dazu verwenden wir die Funktion FrF2. Diese Funktion ist im Paket FrF2 von Grömping (2014) enthalten. > install.packages(’FrF2’) > library(FrF2)

Die Funktion FrF2 hat sehr viele Argumente, von denen wir jedoch nicht alle benötigen. Das erste Argument nruns gibt an, wie viele Faktorstufenkombinationen umgesetzt werden können. Bei einem 24−1 = 23 = 8 rufen wir die Funktion also mit nruns=8 auf. Das Argument nfactors gibt die Anzahl an untersuchten Faktoren k an. Bei einem ursprünglichen 24 -Experiment setzen wir nfactors=4. Mit dem Argument default.levels können wir für Faktoren mit jeweils zwei Faktorstufen die Bezeichnungen für die erste und die zweite Faktorstufe angeben. Für unsere Notation mit den Zeichen + und - geben wir

7.3

Fraktionelle faktorielle Varianzanalyse in R

153

default.levels=c(’-’,’+’) ein. Wird das Argument randomize auf FALSE gesetzt, wird der Versuchsplan in der Reihenfolge ausgegeben, wie wir ihn auch für den Algorithmus von Yates verwenden. Mit dem Argument generators steuern wir den Generator für den fraktionellen Versuchsplan. In Beispiel 7.2 haben wir als Generator I = ABC D gewählt. Daraus haben wir den Faktor D = ABC generiert. Wir rufen die Funktion hier also mit generators = ’ABC’ auf. Für Experimente mit n > 1 kann die Anzahl an Beobachtungen je Faktorstufenkombination mit dem Argument replications gesteuert werden. Für Beispiel 7.2 geben wir also ein: > plan plan A B C D 1 - - - 2 + - - + 3 - + - + 4 + + - 5 - - + + 6 + - + 7 - + + 8 + + + + class=design, type= FrF2.generators

Wir überführen als Nächstes den Versuchsplan in eine Datentabelle und erstellen die Faktoren mit der Funktion factor: > plan plan plan A B C D 1 - - - 2 + - - + 3 - + - + 4 + + - 5 - - + + 6 + - + 7 - + + 8 + + + +

Nun fügen wir der Tabelle mit dem Versuchsplan die Werte der Zielvariablen des Experiments als Spaltenvektor hinzu: > press plan$press plan

154

1 2 3 4 5 6 7 8

A + + + +

7 Fraktionelle faktorielle Experimente B + + + +

C + + + +

D press 42 + 39 + 51 53 + 48 43 87 + 73

Wir haben in Beispiel 7.2 zunächst nur die Haupteffekte der Faktoren A, B, C und D ausgewertet. Dafür nutzen wir erneut die Funktion aov: > erg summary(erg) Df Sum Sq Mean Sq F value Pr(>F) A 1 50.0 50.0 0.489 0.5349 B 1 1058.0 1058.0 10.339 0.0488 * C 1 544.5 544.5 5.321 0.1043 D 1 24.5 24.5 0.239 0.6582 Residuals 3 307.0 102.3 --Signif. codes: 0 ’***’ 0.001 ’**’ 0.01 ’*’ 0.05 ’.’ 0.1 ’ ’ 1

Wir erkennen, dass bei dieser Auswertung nur das Abspielen von Musik einen signifikanten Effekt auf die Anzahl der gelösten PRESS-Aufgaben hat. Um das Verfahren von Lenth anwenden zu können, führen wir zunächst den Algorithmus von Yates mit der Funktion yates durch und berechnen die geschätzten Effekte der insgesamt sieben Effekte: > eff eff [1] -5.0 23.0 -1.0 16.5 -4.5 11.5 -3.5

Diese geschätzten Effekte übergeben wir der Funktion lenth und führen die Überprüfung der Effekte mit M E durch: > lenth(eff,k=3,ME=TRUE) sortierte Effekte: AB 1 ABC 3.5 AC 4.5 A 5 BC 11.5 C 16.5

7.4

Übungsaufgaben

155

B 23 M1 = 5 s0 = 7.5 M2 = 4.75 PSE = 7.125 ME = 16.351875 Signifikante Faktoren: B C

Wir sehen, dass wir nach dem Verfahren von Lenth davon ausgehen können, dass sowohl die Musik im Hintergrund (B) als auch die Schriftgröße (C) einen signifikanten Einfluss auf die Rechenleistung ausüben.

7.4

Übungsaufgaben

Übung 7.1 Das Pizza-Experiment wird erneut um einen Faktor D erweitert. Es gibt zusätzlich zwei Arten des Pizzateigs. Für das Experiment stehen allerdings nur insgesamt acht Testesser zur Verfügung. Es muss also auf einen fraktionellen faktoriellen Versuchsplan zurückgegriffen werden. Dabei werden nur Versuche durchgeführt, bei denen ABC D auf + steht. Es gilt: A (Käse): Stufe 1 (-): Mozzarella und Stufe 2 (+): Parmesan, B (Belag): Stufe 1 (-): Funghi und Stufe 2 (+): Prosciutto, C (Sauce): Stufe 1 (-): scharfe Tomatensauce und Stufe 2 (+): milde Tomatensauce, D (Teig): Stufe 1 (-): dünner Teig und Stufe 2 (+): dicker Teig. a) Werten Sie das Experiment mit folgenden Bewertungen von acht Testessern aus: Käse Parmesan Mozzarella Parmesan Parmesan Mozzarella Parmesan Mozzarella Mozzarella

Belag Prosciutto Funghi Prosciutto Funghi Prosciutto Funghi Prosciutto Funghi

Sauce Mild Scharf Scharf Mild Scharf Scharf Mild Mild

Teig Dick Dünn Dünn Dünn Dick Dick Dünn Dick

b) Überprüfen Sie das Ergebnis aus Teil a) mit Hilfe von R.

Bewertung 6 1 6 2 6 4 7 3

8

Alternative Auswertungsmethoden

Inhaltsverzeichnis 8.1 8.2 8.3 8.4

Welch-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mann-Whitney-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kruskal-Wallis-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Varianzanalyse mit Rängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 163 177 186

In Kap. 4 haben wir Methoden kennengelernt, mit denen wir die Voraussetzungen der Varianzanalyse überprüfen können. Mit dem Normal-Quantil-Plot und dem Shapiro-Wilk-Test aus Abschn. 4.1 können wir die Annahme der Normalverteilung überprüfen. In Abschn. 4.2 haben wir mithilfe von Boxplots und zwei Tests die Annahme der Varianzhomogenität überprüft. Im vorliegenden Kapitel wollen wir Methoden kennenlernen, mit denen wir Experimente auch dann auswerten können, wenn eine oder beide Voraussetzungen verletzt sind. Wie aber schon bei der Varianzanalyse gehen wir auch in diesem Kapitel bei allen Experimenten davon aus, dass die Beobachtungen auf den Faktorstufen unabhängig sind.

8.1

Welch-Test

In Abschn. 3.2.2 haben wir gezeigt, dass für Experimente mit einem Faktor und zwei Faktorstufen der t-Test das gleiche Ergebnis liefert wie der F-Test. Beide Tests setzen allerdings die Normalverteilung der Residuen bzw. Daten voraus. Außerdem gehen beide Tests davon aus, dass die Varianzen auf beiden Faktorstufen identisch sind. Wir wollen nun den Fall betrachten, dass wir bei zwei Faktorstufen zwar von Normalverteilung ausgehen können, allerdings die Annahme der Varianzhomogenität verletzt ist. Beispiel 8.1 Ein Statistiker in Bielefeld besucht regelmäßig sein Lieblingsrestaurant. Er wohnt im Stadtteil Brackwede im Süden der Stadt. Das Restaurant befindet sich im Stadtteil © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Kuhlenkasper und A. Handl, Einführung in die statistische Auswertung von Experimenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59054-6_8

157

158

8 Alternative Auswertungsmethoden

Tab. 8.1 Fahrzeiten eines Bielefelders zum Lieblingsrestaurant Verkehrsmittel

Fahrzeit

ÖPNV

53

56

55

56

54

56

Pkw

26

40

65

51

29

31

Jöllenbeck im Norden. Er kann entweder mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder mit dem eigenen Pkw zu dem Restaurant gelangen. Er besucht das Restaurant insgesamt an zwölf Abenden und notiert die benötigte Reisezeit in Minuten. Die Art des Verkehrsmittels hat die beiden Faktorstufen ÖPNV (−) und Pkw(+). Tab. 8.1 zeigt die Beobachtungen für die Zielvariable. Wir erhalten y¯1 = 55.17 und y¯2 = 40.33. Wir sehen, dass sich die Mittelwerte zwischen den beiden Faktorstufen deutlich voneinander unterscheiden. Wir überprüfen zunächst die Annahme der Normalverteilung. Die Teststatistik des Shapiro-Wilk-Tests liefert den Wert SW = 0.88457. Aus Tab. C.6 erhalten wir für α = 0.05 und mit N = 12 den kritischen ∗ = 0.859. Da 0.88457  ≤ 0.859, lehnen wir H0 nicht ab und gehen von Wert SW12;0.05 Normalverteilung der Störgrößen aus. Zur Überprüfung der Varianzhomogenität betrachten wir zunächst die Boxplots. Die Boxplots in Abb. 8.1 deuten darauf hin, dass die Streuung der beobachteten Reisezeiten auf den beiden Faktorstufen unterschiedlich ist und die Annahme der Varianzhomogenität verletzt ist. Wir erkennen, dass die Fahrzeiten mit dem Pkw deutlich stärker schwanken Abb. 8.1 Zwei Boxplots

30

40

50

60

8.1 Welch-Test

159

als die benötigten Zeiten mit dem ÖPNV. Wir verwenden zusätzlich den Levene-Test und erhalten als Teststatistik L ∗ = 10.768. Tab. C.1 entnehmen wir für α = 0.05 den kritischen Wert F1,10,0.95 = 4.96. Da 10.768 > 4.96, lehnen wir die Hypothese identischer Varianzen ab. Für den Browne-Forsythe-Test verwenden wir y˜1 = 55.5 und y˜2 = 35.5. Somit erhalten wir als Teststatistik L ∗∗ = 7.03. Auch mit diesem Test lehnen wir die Annahme der Varianzhomogenität ab.  Wenn wir also von zwei unterschiedlichen Varianzen der Beobachtungen auf den Faktorstufen ausgehen müssen, sollten wir die Varianzen der beiden Grundgesamtheiten getrennt voneinander schätzen. Wir gehen weiter davon aus, dass auf den beiden Faktorstufen die gleiche Anzahl an Beobachtungen vorliegt und somit n 1 = n 2 = n gilt. Die Teststatistik aus Gl. (3.20) ändert sich zu t=

y¯1 − y¯2 σˆ Y21 n

+

σˆ Y22

.

(8.1)

n

Dabei ist σˆ Y2i die geschätzte Varianz der Zielvariable Y für die i-te Faktorstufe. Wir verwenden als Schätzer für σY21 die Stichprobenvarianz auf der ersten Faktorstufe der Zielvariablen. Für diese gilt n 2 1  y1 j − y¯1 . σˆ Y21 = s y21 = n−1 j=1

Analog erhalten wir als Schätzer für σY22 die Stichprobenvarianz auf der zweiten Faktorstufe: σˆ Y22 = s y22 =

n 2 1  y2 j − y¯2 n−1 j=1

Wir erhalten dann durch Einsetzen in Gl. 8.1 als Teststatistik t = 

y¯1 − y¯2 s y21 n

+

s y22

.

(8.2)

n

Beispiel 8.1 (fortgesetzt) Wir erhalten s y21 = 2.167 und s y22 = 228.667. Für die Teststatistik erhalten wir somit

160

8 Alternative Auswertungsmethoden

t = 

55.17 − 40.33 2.167 228.667 + 6 6

= 2.3915. 

Der britische Statistiker Bernhard Lewis Welch hat jedoch gezeigt, dass die Teststatistik t 

in Gl. (8.2) unter H0 nicht t-verteilt ist (s. Welch 1947). Er hat vorgeschlagen, die Freiheitsgrade der t-Verteilung so zu korrigieren, dass die Teststatistik t  des sog. Welch-Tests unter H0 zumindest approximativ t-verteilt ist. Die korrigierten Freiheitsgrade sollten folgendermaßen bestimmt werden:  ν=

s y21

⎛

n

1 ⎝ s y21 n−1 n

+

s y22

2

n

2

 +

s y22 n

2 ⎞

(8.3)



Beispiel 8.1 (fortgesetzt) Wir erhalten für die korrigierten Freiheitsgrade

 2.167 228.667 2 + 1480.12 6 6 ν =  2 2  = 290.52 = 5.09. 2.167 228.667 1 + 5 6 6  Die Entscheidungsregel ist analog zum t-Test aus Abschn. 3.2.2. Allerdings müssen wir nun beim kritischen Wert der t-Verteilung die korrigierten Freiheitsgrade berücksichtigen. Wir lehnen somit H0 ab, falls |t| > tν,1−α/2 gilt. Dabei ist tν, p das p-Quantil der t-Verteilung mit den korrigierten ν Freiheitsgraden. Beim Welch-Test erhalten wir für diese Freiheitsgrade in vielen Anwendungsfällen keine ganzzahligen Werte. Die Quantile können dann nur mithilfe des Computers bestimmt werden und sind nicht tabelliert. Beispiel 8.1 (fortgesetzt) Wir können mit ν = 5.09 ≈ 5 den kritischen Wert für α = 0.05 aus der Tab. C.2 zumindest in diesem Beispiel approximieren: t5;0.975 = 2.5706. Als exakten kritischen Wert erhalten wir t5.09;0.975 = 2.5563. Da 2.3915  > 2.56, lehnen wir H0 nicht ab. Wir können also nicht davon ausgehen, dass es einen signifikanten Unterschied in der Fahrzeit zum Restaurant zwischen dem ÖPNV und dem eigenen Pkw gibt. Die beobachtete Streuung der Fahrzeiten mit dem Pkw ist hier zu groß für einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Verkehrsmitteln.

8.1 Welch-Test

161

Bei Anwendung des klassischen t-Tests aus Abschn. 3.2.2 für unverbundene Stichproben erhalten wir als Teststatistik hier ebenfalls t = 2.3915. Mit N = 12 Beobachtungen erhalten wir jedoch t10;0.975 = 2.2281 als kritischen Wert aus Tab. C.2. Somit führt der Welch-Test zu einer anderen Testentscheidung mit α = 0.05.  Die Korrektur der Freiheitsgrade mit Gl. (8.3) führt in nahezu allen Anwendungen dazu, dass die Anzahl der Freiheitsgrade verringert wird. Dadurch wird der kritische Wert der t-Verteilung mit bekanntem α größer. Der Welch-Test ist somit konservativer als der klassische t-Test ohne Korrektur der Freiheitsgrade. Der Welch-Test führt daher seltener zu einer Ablehnung der Nullhypothese.

8.1.1

Welch-Test mit R

Wir wollen das Beispiel des Restaurantbesuchs in R nachvollziehen. Dafür geben wir zunächst die Daten ein: > Fahrzeit Verkehrsmittel Verkehrsmittel erg shapiro.test(erg$residuals) Shapiro-Wilk normality test data:

erg$residuals W = 0.88457, p-value = 0.1003

Für den Levene-Test und den Browne-Forsythe-Test verwenden wir jeweils die Funktion leveneTest aus dem Paket car von Fox und Weisberg (2011). > leveneTest(Fahrzeit˜Verkehrsmittel,center=’mean’) Levene’s Test for Homogeneity of Variance (center = "mean") Df F value Pr(>F) group 1 10.768 0.008269 ** 10 --Signif. codes: 0 ’***’ 0.001 ’**’ 0.01 ’*’ 0.05 ’.’ 0.1 ’ ’ 1

162

8 Alternative Auswertungsmethoden

> leveneTest(Fahrzeit˜Verkehrsmittel,center=’median’) Levene’s Test for Homogeneity of Variance (center = "median") Df F value Pr(>F) group 1 7.0347 0.02422 * 10 --Signif. codes: 0 ’***’ 0.001 ’**’ 0.01 ’*’ 0.05 ’.’ 0.1 ’ ’ 1

Wir sehen, dass beide Tests die Annahme der Varianzhomogenität ablehnen. Für den Welch-Test verwenden wir die bereits bekannte Funktion t.test aus Abschn. 3.3. Mit dem Argument var.equal=FALSE wird der Welch-Test durchgeführt. > t.test(Fahrzeit˜Verkehrsmittel,var.equal=FALSE) Welch Two Sample t-test data: Fahrzeit by Verkehrsmittel t = 2.3915, df = 5.0947, p-value = 0.06133 alternative hypothesis: true difference in means is not equal to 0 95 percent confidence interval: -1.022182 30.688848 sample estimates: mean in group OEPNV mean in group PKW 55.16667 40.33333

Wir lehnen die Hypothese gleicher Erfahrungswerte der Zielvariablen zum Niveau α = 0.05 also nicht ab. Mit dem Aufruf var.equal=TRUE und angenommener Varianzhomogenität kommen wir zu einer anderen Entscheidung. > t.test(Fahrzeit˜Verkehrsmittel,var.equal=TRUE) Two Sample t-test data: Fahrzeit by Verkehrsmittel t = 2.3915, df = 10, p-value = 0.03786 alternative hypothesis: true difference in means is not equal to 0 95 percent confidence interval: 1.013084 28.653583 sample estimates: mean in group OEPNV mean in group PKW 55.16667 40.33333

8.1.2

Übungsaufgabe

Übung 8.1 Das Verkehrsministerium eines deutschen Bundeslandes möchte herausfinden, ob die Farbe des Asphalts auf Autobahnen einen Einfluss auf die Geschwindigkeit der Pkw hat. Dazu wurde ein 5 km langes Autobahnstück mit einem dunkelroten Asphalt versehen. Auf einem vergleichbaren Autobahnstück wurde der Asphalt anthrazit belassen. Auf beiden

8.2

Mann-Whitney-Test

163

Tab. 8.2 Geschwindigkeiten von Pkw Asphaltfarbe Geschwindigkeit in km/h Anthrazit

123

147

146

155

151

149

Dunkelrot

116

209

98

124

188

199

5 km langen Abschnitten wurde mit einem sog. Streckenradar von zufällig ausgewählten Pkw die durchschnittliche Geschwindigkeit gemessen. Der Faktor Farbe hat somit die beiden Stufen anthrazit(-) und dunkelrot(+). Die Ergebnisse zeigt Tab. 8.2. a) Überprüfen Sie die Annahmen für eine Varianzanalyse. b) Werten Sie das Experiment mit einem geeigneten Verfahren aus.

8.2

Mann-Whitney-Test

In allen vorangegangenen Kapiteln sind wir davon ausgegangen, dass die Residuen der Zielvariablen – und somit auch die Daten – auf allen Faktorstufen normalverteilt sind. Wenn diese Annahme der Varianzanalyse verletzt ist, sollten wir nichtparametrisch vorgehen. Dabei kommen Tests zum Einsatz, die keine Normalverteilung voraussetzen. Beispiel 8.2 Es soll untersucht werden, ob ein aktives Einüben des Gehreflexes und des Platzierungsreflexes bei Neugeborenen dazu führt, dass Kinder früher anfangen zu laufen. Dazu werden acht Neugeborene zufällig auf zwei gleich große Gruppen aufgeteilt. Der Faktor Einüben hat also die beiden Stufen nein(−) und ja (+). Wir erhalten als Zielvariable das Alter in Monaten, in dem die Kinder zu laufen begannen (Tab. 8.3). Wir überprüfen mit Hilfe des Shapiro-Wilk-Tests die Annahme der Normalverteilung. Wir erhalten als Teststatistik SW = 0.81183. Tab. C.6 entnehmen wir für N = 8 den kritischen Wert SW ∗ = 0.818. Wir lehnen also H0 zu Niveau α = 0.05 ab und können nicht von Normalverteilung der Residuen ausgehen. Der Normal-Quantil-Plot in Abb. 8.2 veranschaulicht die Verletzung der Normalverteilungsannahme. Wir können die Methoden der klassischen Varianzanalyse anwenden, würden dann jedoch ein verfälschtes Ergebnis erhalten. Wir sollten stattdessen zur Auswertung des Experiments nichtparametrisch vorgehen.  Tab. 8.3 Alter in Monaten bei Beginn des Laufens Einüben

Alter in Monaten

Nein

14.00

14.50

9.50

15.25

Ja

10.50

7.50

11.00

11.75

164

8 Alternative Auswertungsmethoden Normal−Quantil−Plot 2

empirische Quantile

1

0

-1

-2

-3

-4 -1.0

-1.5

-0.5

0.0

0.5

1.0

1.5

theoretische Quantile

Abb. 8.2 Normal-Quantil-Plot

Für den Fall einfaktorieller Experimente mit genau zwei Faktorstufen ist der bekannteste nichtparametrische Test der sog. Wilcoxon-Rangsummentest bzw. der äquivalente MannWhitney-Test. Beide Tests gehen auf einen Vorschlag von Frank Wilcoxon aus dem Jahr 1945 zurück (s. Wilcoxon 1945). Die nichtparametrische Auswertung von Experimenten unterscheidet sich im Vorgehen von den Methoden der Varianzanalyse. Wir gehen auch weiterhin davon aus, dass der Stichprobenumfang bei beiden Faktorstufen identisch ist. Das Vorgehen von Wilcoxon kann jedoch auch mit unterschiedlichen Stichprobengrößen auf den Faktorstufen verwendet werden. Der Wilcoxon-Rangsummentest beruht auf folgenden Annahmen: Die Zielvariablen auf der ersten Faktorstufe Y11 , . . . , Y1n seien unabhängig und identisch mit stetiger Verteilungsfunktion VY1 (y1 ) verteilt. Auch die Zielvariablen auf der zweiten Faktorstufe Y21 , . . . , Y2n seien unabhängig und identisch mit stetiger Verteilungsfunktion VY2 (y2 ) verteilt. Um einen Unterschied zwischen den Faktorstufen überprüfen zu können, lautet des zweiseitige Testproblem: H0 : VY1 (z) = VY2 (z) f¨ur alle z ∈ R gegen H1 : VY1 (z) = VY2 (z − Δ) mit Δ  = 0.

8.2

Mann-Whitney-Test

165

Unter der Nullhypothese kommen alle Beobachtungen von beiden Faktorstufen aus einer gemeinsamen Grundgesamtheit. Dies sollte sich in der gemeinsamen Stichprobe dadurch zeigen, dass die Beobachtungen von beiden Stichproben gut gemischt sind. In diesem Fall könnten wir keinen Unterschied zwischen den Faktorstufen erkennen. Es sollten also nicht alle Beobachtungen der einen Faktorstufe an einem Ende und alle Beobachtungen der anderen Faktorstufe am anderen Ende der gemeinsamen geordneten Stichprobe liegen. Betrachten wir zur Veranschaulichung allgemein einen Fall für n = 3. Die Konfiguration y1 y2 y2 y1 y1 y2 deutet darauf hin, dass die Beobachtungen der Zielvariablen von beiden Faktorstufen aus einer Grundgesamtheit kommen. Wir können keinen Unterschied in der Verteilung von y1 und y2 erkennen. Die Konfiguration y1 y1 y1 y2 y2 y2 und die Konfiguration y2 y2 y2 y1 y1 y1 deuten hingegen darauf hin, dass sich die beiden Grundgesamtheiten hinsichtlich der Lage unterscheiden und es somit einen Unterschied zwischen den Faktorstufen gibt. Der Wilcoxon-Rangsummentest basiert auf diesen Mustern und benutzt die Ränge R(Y1i ) der Y1i in der gemeinsamen Stichprobe Y11 , . . . , Y1n , Y21 , . . . , Y2n . Der Rang R(Y1i ) von Y1i gibt an, wie viele von allen Beobachtungen kleiner oder gleich Y1i sind. Wir gehen zunächst davon aus, dass es keine identischen Beobachtungen der Zielvariablen auf den beiden Faktorstufen gibt. Beispiel 8.2 (fortgesetzt) Es gilt y11 = 14.00 y12 = 14.50 y13 = 9.50 y14 = 15.25 y21 = 10.50 y22 = 7.50 y23 = 11.00 y24 = 11.75.

166

8 Alternative Auswertungsmethoden

Daraus erhalten wir R(y11 ) = 6, denn sechs der Beobachtungen sind kleiner oder gleich dem Wert y11 = 14.00. Entsprechend erhalten wir für die Ränge auf der ersten Faktorstufe: R(y12 ) = 7 R(y13 ) = 2 R(y14 ) = 8 Die verbleibenden Ränge müssen für die Werte auf der zweiten Faktorstufe vergeben werden: R(y21 ) = 3 R(y22 ) = 1 R(y23 ) = 4 R(y24 ) = 5  Wir wollen nun die Ränge verwenden, um einen Lageunterschied in der Verteilung der Zielvariablen auf beiden Faktorstufen aufzudecken. Betrachten wir dafür erneut das allgemeine Vorgehen für n = 3. Für y1 y2 y2 y1 y1 y2 erhalten wir für die Ränge von Y1 1 4 5. Für y1 y1 y1 y2 y2 y2 erhalten wir für die Ränge von Y1 1 2 3, und für y2 y2 y2 y1 y1 y1

8.2

Mann-Whitney-Test

167

erhalten wir für die Ränge von Y1 4 5 6. Wir verwenden für die Teststatistik die Rangsumme der Zielvariablen auf einer Faktorstufe. Für die erste Konfiguration ergibt sich für die erste Faktorstufe ein Wert von 1 + 4 + 5 = 10. Für den zweiten Fall erhalten wir 1 + 2 + 3 = 6 und für den dritten Fall 4 + 5 + 6 = 15. Sehr kleine oder sehr große Werte der Rangsummen deuten also darauf hin, dass die Beobachtungen aus unterschiedlichen Verteilungen kommen und sich die Faktorstufen mit der Wirkung auf die Zielvariablen unterscheiden. Auf dieser Idee basiert der Wilcoxon-Rangsummentest. Wir verwenden als Teststatistik W+ =

n 

R(Y1i ).

(8.4)

i=1

Die vorgestellten Methoden der Varianzanalyse in Kap. 3 bis 7 sowie der Welch-Test in Abschn. 8.1 setzten eine metrische Zielvariable Y voraus. Für den Wilcoxon-Rangsummentest werden die Beobachtungen auf den einzelnen Faktorstufen durch ihre Ränge in der gemeinsamen Stichprobe ersetzt. Ränge haben allgemein ein ordinales Skalenniveau. Somit können wir den Wilcoxon-Rangsummentest auch für Zielvariablen anwenden, die nur ein ordinales Skalenniveau besitzen. Die Werte fallen dann bereits als Ränge in den Experimenten an oder können leicht umgerechnet werden. Beispiel 8.2 (fortgesetzt) Wir erhalten als Wert der Teststatistik W + = 6 + 7 + 2 + 8 = 23. Alternativ können wir auch die Rangsummen auf der zweiten Faktorstufe bestimmen. Dann gilt W + = 3 + 1 + 4 + 5 = 13.  W+

für kleine StichUnter der Annahme der Nullhypothese kann die exakte Verteilung von probenumfänge leicht veranschaulicht werden: Es werden als Ränge die natürlichen Zahlen 1, 2, . . . , 2n vergeben. Wenn H0 zutrifft, stammen alle Beobachtungen der Zielvariablen aus der gleichen Grundgesamtheit, und jede Aufteilung der Ränge auf die beiden Faktorstufen ist gleich wahrscheinlich. Für jede dieser Rangaufteilungen bestimmen wir den Wert von W + . Wir wollen das Vorgehen zunächst für den Fall n = 3 durchführen. Mit N = 6 gibt es insgesamt

 6 = 20 3

168 Tab. 8.4 Rangkonfigurationen und Rangsummen für n = 3

8 Alternative Auswertungsmethoden Rangkonfiguration

Wert von W +

1,2,3

6

1,2,4

7

1,2,5

8

1,2,6

9

1,3,4

8

1,3,5

9

1,3,6

10

1,4,5

10

1,4,6

11

1,5,6

12

2,3,4

9

2,3,5

10

2,3,6

11

2,4,5

11

2,4,6

12

2,5,6

13

3,4,5

12

3,4,6

13

3,5,6

14

4,5,6

15

Möglichkeiten, aus der Menge der Ränge {1, 2, 3, 4, 5, 6} drei Ränge für die erste Stichprobe auszuwählen. Da jeder Rang nur einmal vergeben wird und wir nur an der Summe der Ränge interessiert sind, entspricht die Aufteilung einem Urnenmodell ohne Zurücklegen und ohne Beachtung der Reihenfolge. So führen beispielsweise die Ranganordnungen {1, 5, 6} zur gleichen Rangsumme wie die Anordnung {6, 5, 1}. Alle möglichen Fälle für n = 3 mit den zugehörigen Rangsummen W + zeigt Tab. 8.4 Wir können die Verteilung von W + für n = 3 durch einfaches Auszählen bestimmen und erhalten Tab. 8.5. Für n = 3 gilt also w0.05 = 6 und w0.10 = 7. Um den Fall n = 3 verallgemeinern zu können, benötigen wir für die Stichprobenumfänge n 1 und n 2 den kleinsten und den größten Wert, den die Teststatistik annehmen kann. Der kleinste Wert von W + wird angenommen, wenn die kleinsten n 1 Beobachtungen aus der gemeinsamen Stichprobe alle auf der ersten Faktorstufe vorgenommen wurden. In diesem Fall nimmt W + den Wert + Wmin =

n1  i=1

an.

i=

n 1 (n 1 + 1) 2

(8.5)

8.2

Mann-Whitney-Test

169

Tab. 8.5 Verteilung der Rangsummen für n = 3

w

P(W + = w)

P(W + ≤ w)

6

0.05

0.05

7

0.05

0.10

8

0.10

0.20

9

0.15

0.35

10

0.15

0.50

11

0.15

0.65

12

0.15

0.80

13

0.10

0.90

14

0.05

0.95

15

0.05

1

Der größte Wert von W + wird angenommen, wenn die größten Beobachtungen aus der gemeinsamen Stichprobe alle auf der ersten Faktorstufe beobachtet wurden. In diesem Fall nimmt W + den Wert + Wmax =

n 1 +n 2

i=

i=n 1 +1

n 1 (n 1 + 2n 2 + 1) 2

(8.6)

an. Den Beweis zeigt Anhang B. Für kleine Stichprobenumfänge lehnen wir H0 ab, wenn gilt: W + ≤ wα/2 oder W + ≥

n 1 (n 1 + n 2 + 1) − wα/2 2

In vielen Lehrbüchern und auch in R ist eine alternative Teststatistik für den WilcoxonRangsummentest umgesetzt, die zu äquivalenten Ergebnissen führt. Diese Alternative wurde von Henry Mann und Donald Whitney 1947 vorgeschlagen (s. Mann und Whitney (1947)). Der sog. Mann-Whitney-Test greift den Wert W + auf und verwendet als Teststatistik stattdessen U+ = W+ −

n 1 (n 1 + 1) . 2

(8.7)

Bei der Teststatistik U + wird vom Wert W + das mögliche Minimum aus Gl. (8.5) subtrahiert. Somit beträgt der kleinste Wert, den U + annehmen kann, null. Wurden die größten Beobachtungen aus der gemeinsamen Stichprobe alle auf der ersten Faktorstufe beobachtet, so nimmt U + den maximalen Wert + Umax = n1n2

an. Den Beweis zeigt Anhang B.

(8.8)

170

8 Alternative Auswertungsmethoden

Beispiel 8.2 (fortgesetzt) Wir erhalten mit W + = 23 als Wert der Teststatistik für den Mann-Whitney-Test U + = 23 −

4(4 + 1) = 13. 2

Alternativ können wir auch den Wert der Teststatistik für die zweite Faktorstufe bestimmen: U + = 13 −

4(4 + 1) =3 2 

Somit erhalten wir für den Fall n 1 = n 2 = 3 und mit Gl. (8.7) die möglichen Werte der Teststatistik für U + in Tab. 8.6. Auch hier bestimmen wir die Verteilung von U + für n = 3 durch einfaches Auszählen und erhalten Tab. 8.7. Wir sehen, dass die Verteilungsfunktion für U + in Tab. 8.7 den gleichen Verlauf hat wie die Verteilungsfunktion für W + in Tab. 8.5. Außerdem können wir erkennen, dass beide Tab. 8.6 Rangkonfigurationen und Werte für U + mit n = 3

Rangkonfiguration

Wert von U +

1,2,3

0

1,2,4

1

1,2,5

2

1,2,6

3

1,3,4

2

1,3,5

3

1,3,6

4

1,4,5

4

1,4,6

5

1,5,6

6

2,3,4

3

2,3,5

4

2,3,6

5

2,4,5

5

2,4,6

6

2,5,6

7

3,4,5

6

3,4,6

7

3,5,6

8

4,5,6

9

8.2

Mann-Whitney-Test

Tab. 8.7 Verteilung der Werte von U + für n = 3

171 u

P(U + = u)

P(U + ≤ u)

0

0.05

0.05

1

0.05

0.10

2

0.10

0.20

3

0.15

0.35

4

0.15

0.50

5

0.15

0.65

6

0.15

0.80

7

0.10

0.90

8

0.05

0.95

9

0.05

1.00

Wahrscheinlichkeitsfunktionen P(U + = u) und P(W + = w) symmetrisch um ihren Erwartungswert sind. Büning und Trenkler (1994) zeigen, dass diese Eigenschaft allgemein gilt. Mit der Annahme, dass alle Rangkonfigurationen aus einer gemeinsamen Grundgesamtheit kommen, gilt E(W + ) = und somit

n 1 (N + 1) 2

(8.9)

n1 · n2 . 2

(8.10)

E(U + ) =

Den Beweis zeigt Anhang B. Analog zur Entscheidung mit der Teststatistik W + lehnen wir H0 somit ab, wenn gilt U + ≤ u α/2 oder U + ≥ n 1 n 2 − u α/2 . Beispiel 8.2 (fortgesetzt) Für den Fall n 1 = n 2 = 4 mit N = 8 gibt es insgesamt

 8 = 70 4 Möglichkeiten, vier Ränge für die Beobachtungen auf eine der beiden Faktorstufen zu verteilen. Die kleinste Rangsumme erhalten wir mit W + = 1 + 2 + 3 + 4 = 10, und somit gilt 1 ≈ 0.0143. dann P(U + = 0) = 70 Wir bestimmen die Verteilung von U + für n 1 = n 2 = 4 erneut durch einfaches Auszählen und erhalten Tab. 8.8.  Für α = 0.05 erhalten wir als unteren kritischen Wert u 0.014 = 0 und als oberen kritischen Wert 4·4−0 = 16. Mit U + = 13 oder U + = 3 kommen wir zu dem Ergebnis, dass der Faktor

172

8 Alternative Auswertungsmethoden

Tab. 8.8 Verteilung der Werte von U für n = 4

u

P(U + = u)

P(U + ≤ u)

0

0.014

0.014

1

0.014

0.028

2

0.029

0.057

3

0.043

0.100

4

0.071

0.171

5

0.071

0.242

6

0.100

0.342

7

0.100

0.442

8

0.114

0.556

9

0.100

0.657

10

0.100

0.757

11

0.071

0.828

12

0.071

0.900

13

0.043

0.942

14

0.029

0.971

15

0.014

0.986

16

0.014

1.000

des Einübens keinen signifikanten Einfluss auf den Beginn des Laufens bei Neugeborenen hat. Wir können hier auch direkt die Überschreitungswahrscheinlichkeit ausrechnen. Wegen der Symmetrie erhalten wir mit den Werten aus Tab. 8.8   2 · P(U + ≥ 13) = 2 · P(U + = 13) + P(U + = 14) + P(U + = 15) + P(U + = 16) = 2 · [0.043 + 0.029 + 0.014 + 0.014] = 0.2. Für ein gegebenes Signifikanzniveau von α = 0.05 zeigt Tab. C.8 die kritischen Werte u 0.025 für n 1 und n 2 mit n 1 ≤ 20 und n 2 ≤ 20. Für große Stichprobenumfänge kann mit Hilfe des Zentralen Grenzwertsatzes unter H0 die Teststatistik des Mann-Whitney-Tests durch eine standardnormalverteilte Teststatistik approximiert werden. Wir geben bei Handl und Kuhlenkasper (2018) in Abschnitt 12.1.5 eine Einführung zum Zentralen Grenzwertsatz. Wir verwenden dann als Teststatistik U + − E(U + ) . Z=  V ar (U + )

(8.11)

8.2

Mann-Whitney-Test

173

Für den Erwartungswert der Teststatistik U + verwenden wir Gl. (8.10). Für die Varianz gilt V ar (U + ) =

n 1 n 2 (N + 1) . 12

(8.12)

Den Beweis zeigt Anhang B. Wir lehnen die Hypothese, dass die beiden Faktorstufen sich nicht unterscheiden, ab, wenn |Z | ≥ z 1−α/2 gilt. Dabei ist z 1−α/2 das 1−α/2-Quantil der Standardnormalverteilung.

8.2.1

Bindungen

In vielen praktischen Anwendungen nimmt die Zielvariable Y identische Beobachtungen an. Vor allem bei ganzzahligen Werten von Y können sich beobachtete Werte in den Stichproben auf den Faktorstufen wiederholen. Man spricht von Bindungen in der Stichprobe. Bei Bindungen können die Ränge der Beobachtungen in der gemeinsamen Stichprobe nicht eindeutig vergeben werden. Es werden dann für die wiederholt vorkommenden Beobachtungen Durchschnittsränge berechnet. Beispiel 8.3 In einem Krankenhaus soll untersucht werden, ob eine psychologische Betreuung von Patienten nach einem chirurgischen Eingriff am Herzen Einfluss auf die Zeit der Genesung hat. Der Faktor Betreuung steht also auf der Stufe nein (−), wenn nach dem Eingriff keine psychologische Betreuung erfolgt ist. Die Stufe ja (+) zeigt an, dass die Patienten nach der Operation psychologisch betreut wurden. Mit der Zielvariablen wurde gemessen, wie viele Wochen bis zur vollständigen Genesung vergangen sind. Tab. 8.9 zeigt die beobachteten Werte mit n 1 = n 2 = 16. Wir überprüfen zunächst die Annahme der Normalverteilung. Der Shapiro-Wilk-Test liefert den Wert von SW = 0.91644 für die Teststatistik. Wir erhalten mit N = 32 aus Tab. C.7 den kritischen Wert SW ∗ = 0.930. Wir lehnen die Annahme der Normalverteilung somit ab. Wir sehen in Tab. 8.9, dass verschiedene Werte der Zielvariablen mehrfach beobachtet wurden. So sind in der gemeinsamen Stichprobe insgesamt drei Patienten nach jeweils einer Woche vollständig genesen. Für diese drei kleinsten Beobachtungen in der Stichprobe sollten wir die Ränge von 1 bis 3 vergeben. Da die Beobachtungen identisch sind, verwenden wir

Tab. 8.9 Zeit in Wochen bis zur Genesung Betreuung

Zeit in Wochen

Nein

1

3

6

9

10

11

13

14

15

16

17

20

21

29

34

35

Ja

1

1

2

3

4

5

6

8

9

10

11

11

13

16

27

33

174

8 Alternative Auswertungsmethoden

Tab. 8.10 Ränge für die Zeit in Wochen bis zur Genesung Betreuung

Zeit in Wochen

Nein

2.0

5.5

9.5

12.5 14.5 17

19.5 21.0 22.0 23.5 25.0 26.0 27.0 29.0 31.0 32.0

Ja

2.0

2.0

4.0

5.5

9.5

7.0

8.0

11.0 12.5 14.5 17.0 17.0 19.5 23.5 28.0 30.0

für jede dieser drei Beobachtungen den durchschnittlichen Rang 1+2+3 = 2. Es gilt also 3 r11 = r21 = r22 = 2. Der zweitkleinste Wert ist y23 = 2. Er wurde nur einmal in der Stichprobe beobachtet. Da drei Beobachtungen mit einem Wert von 1 kleiner sind, erhalten wir r23 = 4. Tab. 8.10 zeigt die Ränge aller Beobachtungen aus der gemeinsamen Stichprobe mit N = 32 für die beiden Faktorstufen.  Wir verwenden als Teststatistik erneut U+ = W+ − mit W + =

n 

n 1 (n 1 + 1) 2

R(Y1i ).

i=1

Beispiel 8.3 (fortgesetzt) Wir erhalten mit n 1 = 16 als Wert der Teststatistik U + = 181.  Bei vorliegenden Bindungen mit Durchschnittsrängen verwenden wir die approximativ standardnormalverteilte Teststatistik aus Gl. (8.11). Die Streuung der Teststatistik ändert sich jedoch, wenn zur Bestimmung von U + Durchschnittsränge verwendet werden. Je mehr Durchschnittsränge für die Beobachtungen notwendig sind, desto geringer ist die Streuung von U + . In diesem Fall müssen wir V ar (U + ) aus Gl. (8.12) anpassen. Es gilt dann für die korrigierte Varianz   g  ba3 − ba n1n2 (N + 1) − . V arkorr (U ) = 12 N (N − 1) +

(8.13)

a=1

Dabei ist g die Anzahl der Gruppen mit Bindungen und ba die Anzahl der gebundenen Beobachtungen in der a-ten Bindungsgruppe. Beispiel 8.3 (fortgesetzt) Tab. 8.11 zeigt die acht Bindungsgruppen und die absoluten Häufigkeiten in der gemeinsamen Stichprobe von beiden Faktorstufen. Setzen wir die Werte aus Tab. 8.11 in Gl. (8.13) ein, erhalten wir V arkorr (U + ) =

16 · 16 [(32 + 1) − 0.0847] = 702.1935. 12

8.2

Mann-Whitney-Test

Tab. 8.11 Bindungsgruppen

Mit

175 a

1

2

3

4

5

6

7

8

ri j

2.0

5.5

9.5

12.5

14.5

17

19.5

23.5

ba

3

2

2

2

2

3

2

2

√ 702.1935 = 26.5 und E(U + ) = 128 erhalten wir Z=

181 − 128 = 2. 26.5

Tab. C.1 entnehmen wir für α = 0.05 den kritischen Wert z 0.975 = 1.96. Da 2 > 1.96 ist, lehnen wir H0 ab. Mit U + = 181 > E(U + ) = 128 können wir davon ausgehen, dass Patienten ohne eine psychologische Betreuung (−) nach einem chirurgischen Eingriff signifikant mehr Zeit für eine vollständige Genesung benötigen als Patienten mit einer psychologischen Betreuung. 

8.2.2

Mann-Whitney-Test mit R

Wir wollen beide Beispiele aus Abschn. 8.2 in R nachvollziehen. Für Beispiel 8.2 geben wir zunächst die Daten ein: > Laufen Einueben Einueben e shapiro.test(e$residuals) Shapiro-Wilk normality test data: e$residuals W = 0.81183, p-value = 0.03826

Wir lehnen die Annahme der Normalverteilung ab und führen für zwei Faktorstufen den Mann-Whitney-Test durch. Für den Mann-Whitney-Test steht in R die Funktion wilcox.test zur Verfügung. Der Funktionsname deutet zwar auf den Wilcoxon-Rangsummentest mit der Teststatistik W + hin, allerdings wird der äquivalente Mann-Whitney-Test mit U + als Teststatistik durchgeführt. Neben dem bekannten formula-Argument können wir bei Datensätzen ohne

176

8 Alternative Auswertungsmethoden

Bindungen mit dem Argument exact=TRUE den Mann-Whitney-Test mit der exakten Verteilung von U + unter H0 durchführen. Der Aufruf > wilcox.test(Laufen˜Einueben,exact=TRUE) Wilcoxon rank sum test data: Laufen by Einueben W = 3, p-value = 0.2 alternative hypothesis: true location shift is not equal to 0

liefert eine Überschreitungswahrscheinlichkeit von 0.2, und wir lehnen H0 nicht ab. Wir sehen, dass als Wert der Teststatistik hier U + = 3 ausgegeben wird. Dabei hat R die Rangsummen auf der Faktorstufe mit dem kleinsten Rang summiert. Das ist in dem Beispiel die zweite Faktorstufe. Für diese gilt W + = 13 und somit U + = 3. Aufgrund der Symmetrie des Mann-Whitney-Tests erhalten wir in beiden Fällen die gleiche Überschreitungswahrscheinlichkeit. Für Beispiel 8.3 geben wir ebenfalls die Daten ein und überprüfen die Annahme der Normalverteilung: > Genesung Betreuung Betreuung e shapiro.test(e$residuals) Shapiro-Wilk normality test data: e$residuals W = 0.91644, p-value = 0.01666

Auch hier können wir nicht von Normalverteilung ausgehen. Die Funktion wilcox.test verwendet bei Bindungen im Datensatz automatisch die approximative Teststatistik Z . Dabei kann eine Stetigkeitskorrektur verwendet werden. Diese wird mit dem Argument correct=TRUE aktiviert. Mit correct=FALSE wird die Teststatistik aus Gl. (8.11) verwendet. > wilcox.test(Genesung˜Betreuung,correct=FALSE) Wilcoxon rank sum test data: Genesung by Betreuung W = 75, p-value = 0.04549

8.3

Kruskal-Wallis-Test

177

alternative hypothesis: true location shift is not equal to 0 Warning message: In wilcox.test.default(x = c(1, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, cannot compute exact p-value with ties

:

Auch hier bestimmt R die Teststatistik für die zweite Faktorstufe. R zeigt außerdem eine Warnmeldung an. Aufgrund von Bindungen in den Datensätzen kann die Überschreitungswahrscheinlichkeit nur approximativ bestimmt werden. Wir lehnen hier H0 mit α = 0.05 ab.

8.2.3

Übungsaufgaben

Übung 8.2 Werten Sie die Experimente aus Aufgabe 5.1 nichtparametrisch aus. Übung 8.3 Werten Sie die Experimente aus Aufgabe 5.2 nichtparametrisch aus.

8.3

Kruskal-Wallis-Test

Der Wilcoxon-Rangsummentest und der äquivalente Mann-Whitney-Test aus Abschn. 8.2 ermöglichen die Auswertung von einfaktoriellen Experimenten mit zwei Faktorstufen. Bei mehr als zwei Faktorstufen ist die bekannteste Alternative zur einfaktoriellen Varianzanalyse der Kruskal-Wallis-Test. Er wurde von William Kruskal und Wilson Allen Wallis 1952 vorgeschlagen (s. Kruskal und Wallis 1952). Wie auch der Mann-Whitney-Test setzt er keine Normalverteilung der Residuen voraus. Auch wenn die Annahme gleicher Varianzen auf den untersuchten Faktorstufen verletzt ist, sollte man nichtparametrisch vorgehen. Der Test beruht, wie der Mann-Whitney-Test, auf der Annahme, dass die Beobachtungen der Zielvariablen yi j mit i = 1, . . . , I , j = 1, . . . , n i Realisationen von unabhängigen Zufallsvariablen Yi j , i = 1, . . . , I , j = 1, . . . , n i mit stetiger Verteilungsfunktion sind. Dabei soll getestet werden: H0 : Die Verteilungen auf allen Faktorstufen sind identisch

(8.14)

gegen H1 : mindestens zwei Faktorstufen unterscheiden sich hinsichtlich der Lage. Der Kruskal-Wallis-Test kann als Weiterentwicklung des Mann-Whitney-Tests für I > 2 Faktorstufen aufgefasst werden. Er verwendet anstelle der eigentlichen beobachteten Werte der Zielvariable ebenfalls die Ränge Ri j der yi j , i = 1, . . . , I , j = 1 . . . , n i , unter allen

178

8 Alternative Auswertungsmethoden

Beobachtungen. Dabei ist der Rang Ri j erneut gleich der Anzahl der Beobachtungen, die kleiner oder gleich yi j in der gemeinsamen Stichprobe aller N Beobachtungen der Faktorstufen des Experiments sind. Beispiel 8.4 Auf der Oberstufe eines Gymnasiums nehmen insgesamt N = 12 Schülerinnen und Schüler an einem Experiment zur Unterrichtsmethode teil. Für das Fach Mathematik stehen drei unterschiedliche Methoden zur Auswahl. Die Schülerinnen und Schüler werden zufällig auf eine der Methoden aufgeteilt und schreiben nach acht Wochen eine identische Klausur. Bei der ersten Stufe (i = 1) des Faktors Methode erfolgt ein rein digitaler Unterricht, in dem die Unterrichtsinhalte ausschließlich über Videos vermittelt werden. Eine Lehrkraft der Schule hat die Videos angefertigt. Bei der zweiten Stufe (i = 2) erfolgt ein klassischer Mathematikunterricht mit der gleichen Lehrkraft wie auf Faktorstufe 1. Nun allerdings offline in einem Klassenraum. Auf der dritten Stufe (i = 3) erfolgt eine duale Wissensvermittlung. Hier werden die Inhalte mit Videos gezeigt. An einem Tag der Woche gibt es jedoch die Möglichkeit, bei der Lehrkraft Fragen zu stellen. Die Zielvariable Yi j misst die erreichte Punktezahl von 200 möglichen Punkten in der gemeinsamen Klausur. Tab. 8.12 zeigt die Klausurergebnisse nach acht Wochen. Der Shapiro-Wilk-Test liefert zur Überprüfung der Normalverteilungsannahme einen Wert von SW = 0.85214. Aus Tab. C.6 erhalten wir für N = 12 den kritischen Wert SW ∗ = 0.859. Somit lehnen wir die Annahme der Normalverteilung ab und sollten nichtparametrisch bei der Auswertung des Experiments vorgehen. Dazu erstellen wir die Ränge in der gemeinsamen Stichprobe. Wir erhalten Tab. 8.13. Die kleinste Beobachtung von allen N = 12 Beobachtungen ist 119. Diese ist bei der ersten Faktorstufe die vierte Beobachtung. Somit erhalten wir r14 = 1. Die zweitkleinste Beobachtung im Datensatz ist 120. Diese gehört ebenfalls zur ersten Faktorstufe und ist dort die erste Beobachtung. Wir erhalten somit r11 = 2 und so weiter. Wir sehen, dass es in dem Datensatz keine Bindungen gibt.  Tab. 8.12 Punktezahlen in der Mathematikklausur

Tab. 8.13 Ränge der Punktezahlen in der Mathematikklausur

Methode

Erreichte Punktezahl

Digital

120

124

152

119

Klassisch

158

165

198

166

Dual

128

144

151

139

Methode

Rang der Punktezahl

Digital

2

3

8

1

Klassisch

9

10

12

11

Dual

4

6

7

5

8.3

Kruskal-Wallis-Test

179

Beim Kruskal-Wallis-Test werden nun für i = 1, . . . , I die Rangsummen Ri auf den einzelnen Faktorstufen bestimmt: Ri =

ni 

Ri j

j=1

Beispiel 8.4 (fortgesetzt) Es gilt R1 = 14,

R2 = 42,

R3 = 22.

 Diese Rangsummen werden mit ihren Erwartungswerten E(Ri ) unter der Annahme verglichen, dass alle Beobachtungen aus einer gemeinsamen Grundgesamtheit stammen und es somit keinen Unterschied zwischen den Faktorstufen gibt. Wenn keine Bindungen vorliegen, werden bei N Beobachtungen die Ränge 1, . . . , N vergeben. Trifft (8.14) zu, so ist für eine Beobachtung jeder Rang gleichwahrscheinlich. Es gilt dann P(Ri j = k) =

1 N

für k = 1, . . . , N , i = 1, . . . , I und j = 1, . . . , n i . Daraus erhalten wir die erwartete Rangsumme der i-ten Faktorstufe mit E(Ri ) =

n i (N + 1) . 2

(8.15)

Der Erwartungswert ist gleich zum Vorgehen beim Wilcoxon-Rangsummentest. Den Beweis zeigt Anhang B. Beispiel 8.4 (fortgesetzt) Mit N = 12 und n 1 = n 2 = n 3 = 4 gilt E(R1 ) = 26,

E(R2 ) = 26,

E(R3 ) = 26. 

Die Teststatistik des Kruskal-Wallis-Tests vergleicht die Rangsummen Ri mit ihren Erwartungswerten E(Ri ):

H=



I  n i (N + 1) 2 1 12 Ri − N (N + 1) ni 2 i=1

(8.16)

180

8 Alternative Auswertungsmethoden

Beispiel 8.4 (fortgesetzt) Es gilt   (14 − 26)2 (42 − 26)2 (22 − 26)2 12 + + H = 12 · 13 4 4 4 = 8.  Wir lehnen die Hypothese (8.14) ab, wenn gilt H ≥ h 1−α . Dabei ist h 1−α das 1−α-Quantil der Verteilung von H unter der Annahme, dass die Beobachtungen aus einer gemeinsamen Grundgesamtheit stammen und es somit keinen Effekt des Faktors gibt. Wenn keine Bindungen im Datensatz vorliegen, kann diese Verteilung ähnlich wie beim Mann-Whitney-Test aus Abschn. 8.2 bestimmt werden: Es stehen für alle N Beobachtungen die Ränge von 1 bis N zur Verfügung. Somit gibt es N ! Möglichkeiten, alle Ränge in der gemeinsamen Stichprobe zu verteilen. Für die Rangsummen auf den einzelnen Faktorstufen ist jedoch die Reihenfolge der Ränge ohne Bedeutung. So können innerhalb der i-ten Faktorstufe n i Ränge verteilt werden. Somit gibt es insgesamt N! N! = I n1! · n2! · . . . n I !  ni ! i=1

mögliche Ranganordnungen. Analog zum Wilcoxon-Rangsummentest und Mann-Whitney-Test sind unter H0 alle Ränge der I Faktorstufen vollständig vermischt. Dann ist jede Möglichkeit der Ranganordnungen gleichwahrscheinlich, und es gilt 

P R11 = r11 , R12 = r12 , . . . , R1n 1 , . . . , R I n I =r I n I



I 

=

ni !

i=1

N!

.

(8.17)

Wir wollen die Verteilung der Teststatistik H unter H0 anhand eines kleinen Beispiels aus Büning und Trenkler (1994) veranschaulichen. Wir gehen von I = 3 Faktorstufen aus. Außerdem haben wir insgesamt N = 5 Beobachtungen in einem Datensatz ohne Bindungen. Dabei gilt n 1 = 1, n 2 = 2 und n 3 = 2. Wir betrachten somit den Fall eines unbalancierten 5! Experiments. Dabei gibt es insgesamt 1!·2!·2! = 30 Möglichkeiten, die Ränge von 1 bis 5 auf die drei Faktorstufen aufzuteilen. Außerdem gilt mit Gl. (8.15) E(R1 ) = 3,

E(R2 ) = 6,

E(R3 ) = 6.

Tab. 8.14 zeigt die Ränge auf den drei Faktorstufen mit dem entsprechenden Wert h der Teststatistik aus Gl. (8.16). Wir bestimmen die Verteilung von H erneut durch einfaches Auszählen und erhalten Tab. 8.15.

8.3

Kruskal-Wallis-Test

181

Tab. 8.14 ri j und h für n 1 = 1, n 2 = 2, n 3 = 2 Faktorstufe i =1 i =2

i =3

Faktorstufe i =1 i =2

i =3

1

23

45

1

24

35

3.6

4

12

35

3.0

2.4

4

13

25

1.4

1

25

1

34

34

2.0

4

15

23

0.6

25

2.0

4

23

15

0.6

1 1

35

24

2.4

4

25

13

1.4

45

23

3.6

4

35

12

3.0

2

13

45

3.0

5

12

34

3.6

2

14

35

1.4

5

13

24

2.4

2

15

34

0.6

5

14

23

2.0

2

34

15

0.6

5

23

14

2.0

2

35

14

1.4

5

24

13

2.4

2

45

13

3.0

5

34

12

3.6

3

12

45

3.6

3

14

25

0.4

3

15

24

0.0

3

24

15

0.0

3

25

14

0.4

3

45

12

3.6

h

h

Tab. 8.15 Verteilung von H für n 1 = 1, n 2 = 2, n 3 = 2 h

P(H = h)

P(H ≤ h)

0.0

2 30 2 30 4 30 4 30 4 30 4 30 4 30 6 30

2 30 4 30 8 30 12 30 16 30 20 30 24 30 30 30

0.4 0.6 1.4 2.0 2.4 3.0 3.6

= 0.067 = 0.133 = 0.267 = 0.400 = 0.533 = 0.667 = 0.800 =1

182

8 Alternative Auswertungsmethoden

Der Rechenaufwand zur Bestimmung der exakten Verteilung von H steigt sehr schnell an. Für Experimente mit I = 3 und I = 4 und identischer Anzahl n an Beobachtungen auf jeder Faktorstufe zeigen Tab. C.9 und C.10 kritische Werte für H mit n ≤ 5. In Abschn. 8.3.2 lernen wir eine Funktion in R kennen, mit der auch für n i  = n j die exakten kritischen Werte bestimmt werden können. Beispiel 8.4 (fortgesetzt) Wir betrachten drei Faktorstufen mit je vier Beobachtungen. Somit gibt es 12! = 6652800 4! · 4! · 4! Möglichkeiten, die Ränge von 1 bis 12 auf die Faktorstufen zu verteilen. Aus Tab. C.9 entnehmen wir für den kritischen Wert h 0.95 = 5.6923. Mit dem Wert der Teststatistik H = 8 lehnen wir H0 ab und gehen von einem signifikanten Einfluss der Unterrichtsmethode auf die Punktezahl in der Klausur aus. Mit R1 = 14, R2 = 42 und R3 = 22 erreichen die Teilnehmer mit einer klassischen Unterrichtsmethode am meisten und mit einer rein digitalen Wissensvermittlung am wenigsten Punkte in der Klausur.  Wenn jede Faktorstufe mindestens fünf Beobachtungen enthält, kann H mit Hilfe einer χ 2 -Verteilung mit I − 1 Freiheitsgraden approximiert werden. Wir lehnen dann (8.14) ab, wenn gilt H ≥ χ I2−1,1−α . Dabei ist χ I2−1,1−α das 1 − α-Quantil der χ 2 -Verteilung mit I − 1 Freiheitsgraden. Die Quantile der χ 2 -Verteilung zeigt Tab. C.3.

8.3.1

Bindungen

In Abschn. 8.2.1 haben wir für zwei Faktorstufen das Vorgehen bei Bindungen vorgestellt. Auch beim Kruskal-Wallis-Test werden bei mehrfach beobachteten Werten der Zielvariablen Yi j die Durchschnittsränge vergeben und ebenfalls die Rangsummen auf den einzelnen Faktorstufen bestimmt. Beispiel 8.5 Nach einer Podiumsdiskussion zum Thema Digitalisierung im Alltag wurden N = 15 Zuhörer gefragt, wie sehr sie ausgewählten Aussagen zum Thema Digitalisierung zustimmen. Dafür wurde jeweils eine Skala von 1 bis 8 verwendet. Der Endwert 1 bedeutet dabei, dass die Person der Aussage gar nicht zustimmt. Der Endwert 8 bedeutet, dass die Person der Aussage voll und ganz zustimmt. Die Punkte zwischen den Endwerten entsprechen Abstufungen dieser beiden Arten der Zustimmung. Bei der Verwendung solcher Likert-Skalen sind Bindungen sehr häufig zu beobachten. Wenn die Anzahl der Skalenpunkte kleiner ist als die Anzahl der Befragten, müssen einzelne Werte mehrfach ausgewählt werden.

8.3

Kruskal-Wallis-Test

183

Die Zuhörer sollten angeben, wie sehr sie folgendem Satz zustimmen: Die Digitalisierung erleichtert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Fünf Zuhörer der Umfrage sind Arbeitnehmer in Vollzeit. Fünf weitere Zuhörer sind Studenten und weitere fünf Personen der Befragten sind selbstständig. In diesem Fall hat der Faktor Arbeitsstatus drei Stufen, mit denen verschiedene Berufsgruppen bezeichnet werden. Es soll untersucht werden, ob der berufliche Status einer Person Einfluss auf die Einstellung zur Digitalisierung hat. Tab. 8.16 zeigt die Ergebnisse der Umfrage. Der Shapiro-Wilk-Test liefert hier einen Wert von SW = 0.88497. Mit N = 15 erhalten wir aus Tab. C.6 den kritischen Wert SW ∗ = 0.881. Die Annahme der Normalverteilung ist somit für α = 0.05 nicht gerechtfertigt, und wir verwenden den Kruskal-Wallis-Test. Wir bilden die Ränge der einzelnen Beobachtungen aus der gemeinsamen Stichprobe und erhalten Tab. 8.17. Anschließend bilden wir die Rangsummen für die drei Faktorstufen. Wir erhalten  R1 = 44, R2 = 57.5 und R3 = 18.5. Mit Bindungen im Datensatz wird die Teststatistik H in Gl. (8.16) modifiziert. Hierfür gilt H∗ =

H . κ

(8.18)

Dabei berücksichtigt in Gl. (8.18) der Korrekturfaktor κ die Anzahl und Häufigkeiten der Bindungen auf den Faktorstufen. Analog zum Mann-Whitney-Test mit Bindungen in Abschn. 8.2.1 verringert sich die Varianz der Teststatistik mit der Verwendung von Durchschnittsrängen. Es gilt für den Korrekturfaktor Tab. 8.16 Likert-Werte einer Umfrage

Tab. 8.17 Ränge der Likert-Werte einer Umfrage

Arbeitsstatus

Likert-Wert

Arbeitnehmer

3

3

3

4

6

Student

6

7

8

2

8

Selbstständig

2

1

3

1

2

7.5

7.5

10.0

11.5

Arbeitsstatus

Rang

Arbeitnehmer

7.5

Student

11.5

13.0

14.5

4.0

14.5

Selbstständig

4.0

1.5

7.5

1.5

4.0

184

8 Alternative Auswertungsmethoden

Tab.8.18 Bindungsgruppen

a

1

2

3

4

5

ri j

1.5

4.0

7.5

11.5

14.5

ba

2

3

4

2

2

g   3  1 ba − ba . κ = 1− 3 N −N

(8.19)

a=1

Analog zum Mann-Whitney-Test ist dabei g die Anzahl der Gruppen mit Bindungen und ba die Anzahl der Beobachtungen in der a-ten Bindungsgruppe. Beispiel 8.5 (fortgesetzt) Tab. 8.18 zeigt die fünf Bindungsgruppen und die absoluten Häufigkeiten in der gemeinsamen Stichprobe der drei Faktorstufen. Wir erhalten zunächst E(R1 ) = E(R2 ) = E(R3 ) = 40. Somit gilt H = 7.845. Außerdem erhalten wir für den Korrekturfaktor  3  1 (2 − 2) + (33 − 3) + (43 − 4) + (23 − 2) + (23 − 2) − 15 = 0.9696429.

κ = 1−

153

Somit ergibt sich für die korrigierte Teststatistik H∗ =

7.845 = 8.0906. 0.9696429 

Bei Bindungen im Datensatz kann die Verteilung der Teststatistik H ∗ unter der Nullhypothese nicht exakt bestimmt werden. H ∗ kann jedoch mit Hilfe einer χ 2 -Verteilung mit I − 1 Freiheitsgraden approximiert werden. Wir lehnen dann (8.14) ab, wenn gilt H ∗ ≥ χ I2−1,1−α . Dabei ist χ I2−1,1−α erneut das 1 − α-Quantil der χ 2 -Verteilung mit I − 1 Freiheitsgraden. Beispiel 8.5 (fortgesetzt) Für α = 0.05 und I = 3 entnehmen wir Tab. C.3 den kritischen 2 = 5.9915. Somit lehnen wir H0 ab und können von signifikanten Unterschieden Wert χ2,0.95 zwischen den Faktorstufen ausgehen. Mit R1 = 44, R2 = 57.5 und R3 = 18.5 stimmen Studierende der Aussage nach der Podiumsdiskussion deutlich stärker zu als Arbeitnehmer und Selbstständige. 

8.3

Kruskal-Wallis-Test

8.3.2

185

Kruskal-Wallis-Test mit R

Wir wollen Beispiel 8.4 nachvollziehen und geben zunächst die Daten ein: > Punkte Methode Methode e shapiro.test(e$residuals) Shapiro-Wilk normality test data: e$residuals W = 0.85214, p-value = 0.03902

Zur Standardinstallation von R gehört die Funktion kruskal.test. Wir können der Funktion direkt das bekannte formula-Argument zur Beschreibung des Experiments übergeben. Der Aufruf der Funktion kruskal.test liefert als Ergebnis: > kruskal.test(Punkte˜Methode) Kruskal-Wallis rank sum test data: Punkte by Methode Kruskal-Wallis chi-squared = 8, df = 2, p-value = 0.01832

Die Überschreitungswahrscheinlichkeit beträgt 0.01832. Somit gehen wir von einem signifikanten Effekt der Unterrichtsmethode auf die erreichte Punktezahl aus. Die Funktion kruskal.test verwendet zur Berechnung der Überschreitungswahrscheinlichkeit die Approximation der Teststatistik H durch die χ 2 -Verteilung. Die Funktion cKW aus dem Paket NSM3 von Schneider et al. (2018) ermöglicht es, für kleine Stichprobenumfänge die exakten kritischen Werte und Überschreitungswahrscheinlichkeiten zu bestimmen. Die Funktion cKW benötigt als Argument alpha den gewünschten Wert von α. Das zweite Argument n ist ein Vektor. Das i-te Element des Vektors gibt die Anzahl Beobachtungen n i auf der i-ten Faktorstufe an. Rufen wir die Funktion mit dem Argument method=’Exact’ auf, wird die (sehr rechenaufwendige) exakte Verteilungsfunktion von H bestimmt. Alternativ gibt es die Möglichkeit, mit method=’Asymptotic’ eine asymptotische Verteilung der Teststatistik zu bestimmen.

186

8 Alternative Auswertungsmethoden

Der Aufruf method=’Monte Carlo’ führt eine Simulation zur Bestimmung der Verteilung durch. Wir erhalten somit den kritischen Wert für Beispiel 8.4 durch den Aufruf von > library(NSM3) > cKW(0.05,rep(4,3),method=’Exact’) Group sizes: 4 4 4 For the given alpha=0.05, the upper cutoff value is Kruskal-Wallis H=5.69230769, with true alpha level=0.0487

Für den kritischen Wert von 5.69230769 erhalten wir eine Überschreitungswahrscheinlichkeit von 0.0487.

8.3.3

Übungsaufgaben

Übung 8.4 Werten Sie die Experimente aus Aufgabe 3.1 nichtparametrisch aus. Übung 8.5 Werten Sie die Experimente aus Aufgabe 3.2 nichtparametrisch aus. Übung 8.6 Werten Sie die Experimente aus Aufgabe 3.3 nichtparametrisch aus.

8.4

Varianzanalyse mit Rängen

Beim Kruskal-Wallis-Test werden für einfaktorielle Experimente die beobachteten Werte der Zielvariablen durch ihre Ränge in der gemeinsamen Stichprobe ersetzt. Bei mehr als zwei Faktoren gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, nichtparametrisch vorzugehen. Einen Überblick und Vergleich verschiedener nichtparametrischer Methoden gibt Lüpsen (2016). Wir wollen eine Vorgehensweise für mehrfaktorielle Experimente kennenlernen, bei der die Idee der Ränge aus Abschn. 8.2 und 8.3 mit dem Prinzip der Streuungszerlegung aus Kap. 3, 5 und 6 zusammengeführt wird. Madan Lal Puri und Pranab Kumar Sen haben 1969 eine Methode vorgeschlagen, mit der mehrfaktorielle Experimente nichtparametrisch ausgewertet werden können (s. Puri und Sen 1969, 1985). Dabei werden zunächst die Beobachtungen Yi j der Zielvariablen erneut durch die Ränge der Beobachtungen in der gemeinsamen Stichprobe aller Faktorstufenkombinationen bestimmt. Beispiel 8.6 Zwei Studenten ließen in einem Experiment erneut insgesamt 16 Studenten den sog. PRESS-Test durchführen. Die Zielvariable ist die Anzahl der richtig gelösten Aufgaben. Es wurden dabei drei Faktoren A, B und C betrachtet.

8.4 Varianzanalyse mit Rängen

187

Der Einflussfaktor A gibt das Geschlecht der Teilnehmer mit den Stufen männlich (-) und weiblich (+) an. Der Faktor B steht auf -, wenn vor dem Test ein Getränk ohne Koffein getrunken wurde. Steht B auf +, haben die Teilnehmer vorher ein stark koffeinhaltiges Getränk zu sich genommen. Der Faktor C gibt an, ob der Test in einem stark beleuchteten Raum (-) oder in einem unbeleuchteten Raum (+) stattgefunden hat. Die Daten zeigt Tab. 8.19. Der Shapiro-Wilk-Test liefert als Teststatistik SW = 0.86424. Tab. C.6 entnehmen wir SW ∗ = 0.887. Wir können somit nicht von Normalverteilung ausgehen. Wir ersetzen die beobachtete Anzahl von gelösten Aufgaben mit den jeweiligen Rängen aus der gemeinsamen Stichprobe aller 16 Beobachtungen. Die Ränge zeigt Tab. 8.20.  Puri und Sen haben als zweiten Schritt vorgeschlagen, mit den Rängen eine Varianzanalyse durchzuführen. Wir wenden dafür also die Methoden und Formeln aus den Kap. 5 bis 7 auf die Ränge der Beobachtungen in der gemeinsamen Stichprobe an. Wir erhalten so die Quadratsummen der Ränge. Als Teststatistik verwenden wir für den Faktor bzw. die Tab. 8.19 Daten eines dreifaktoriellen Experiments

Tab. 8.20 Ränge der Daten eines dreifaktoriellen Experiments

A

B

C

Aufgaben

-

-

-

55

45

+

-

-

38

32

-

+

-

22

19

+

+

-

24

37

-

-

+

46

31

+

-

+

20

11

-

+

+

62

72

+

+

+

67

58

A

B

C

Ränge

-

-

-

12

10

+

-

-

9

7

-

+

-

3

5

+

+

-

4

8

-

-

+

11

6

+

-

+

2

1

-

+

+

14

16

+

+

+

15

13

188

8 Alternative Auswertungsmethoden

Faktorkombination F mit insgesamt N Beobachtungen

L F = (N − 1)

SS F∗ . SST∗

(8.20)

Dabei ist SS F∗ die Quadratsumme für die erklärte Streuung der Ränge von Faktor F. SST∗ ist die Quadratsumme für die gesamte beobachtete Streuung der Rangwerte. Unter der Nullhypothese ist L F approximativ χ 2 -verteilt mit d f F Freiheitsgraden. Dabei ist d f F die Anzahl der Freiheitsgrade des Faktors bzw. der Faktorkombination F. Wir lehnen somit ab, dass F einen signifikanten Einfluss auf die Zielvariable des Experiments ausübt, wenn L F > χd2 f F ,1−α . Dabei ist χd2 f F ,1−α das 1 − α-Quantil der χ 2 -Verteilung mit d f F Freiheitsgraden. Wir fassen die Ergebnisse in einer ANOVA-Tabelle für die Rangberechnungen zusammen. Dabei bezeichnen wir eine ANOVA-Tabelle für Rangdaten als RANOVA-Tabelle. Den allgemeinen Aufbau für ein 23 -Experiment zeigt Tab. 8.21. Beispiel 8.6 (fortgesetzt) Es gilt n 1 = n 2 = n 3 = 2. Somit können wir mit den Rangsummen auf den Faktorstufenkombinationen den Algorithmus von Yates anwenden. Wir erhalten mit den Rängen aus Tab. 8.20 folgende Tabelle: Wir verwenden die Kontraste in der letzten Spalte für die Bestimmung der Quadratsummen SS F∗ analog zu Gl. (6.5): Tab. 8.21 Allgemeiner Aufbau der RANOVA-Tabelle eines 23 -Experiments Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

L

A

SS ∗A

1

(8n − 1) SS ∗A

B

SS ∗B

1

(8n − 1) SS B∗

C

SSC∗

1

(8n − 1) SSC∗

AB

SS ∗AB

1

(8n − 1) SSAB ∗ T

AC

SS ∗AC

1

(8n − 1) SSAC ∗ T

BC

SS ∗BC

1

(8n − 1) SSABC ∗ T

ABC

SS ∗ABC

1

(8n − 1) SSABC ∗ T

Rest

SS ∗R

8n − 8

Gesamt

SST∗

8n − 1

SS ∗ T

SS ∗ T

SS ∗ T

SS ∗ SS ∗ SS ∗ SS ∗

8.4 Varianzanalyse mit Rängen

189 (1) a b ab c ac bc abc

22 16 8 12 17 3 30 28

SS ∗A = SS B∗ = SSC∗ = SS ∗AB = SS ∗AC = ∗ = SS BC

SS ∗ABC =

38 20 20 58 −6 4 −14 −2

58 78 −2 −16 −18 38 10 12

136 −18 20 22 20 −14 56 2

(−18)2 = 20.25 16 202 = 25 16 222 = 25 16 202 = 30.25 16 (−14)2 = 12.25 16 562 = 196 16 22 = 0.25 16

Mit den Rangmittelwerten auf jeder Faktorstufenkombination erhalten wir die unerklärte Reststreuung der Ränge SS ∗R . Hier gilt SS ∗R = (12 − 11)2 + (10 − 11)2 + (9 − 8)2 + (7 − 8)2 + (3 − 4)2 + (5 − 4)2 + (4 − 6)2 + (8 − 6)2 + (11 − 8.5)2 + (6 − 8.5)2 + (2 − 1.5)2 + (1 − 1.5)2 + (14 − 15)2 + (16 − 15)2 + (15 − 14)2 + (13 − 14)2 = 31. Im Gegensatz zur Teststatistik FF einer Varianzanalyse benötigen wir für L F die gesamte Streuung der Ränge. Wir erhalten

190

8 Alternative Auswertungsmethoden

Tab. 8.22 RANOVA-Tabelle eines 23 -Experiments Quelle der Variation

Quadratsummen

Freiheitsgrade

L

A

20.25

1

1.067

B

25

1

1.641

C

25

1

1.370

AB

30.25

1

1.125

AC

12.25

1

0.232

BC

196

1

8.286

ABC

0.25

1

0.002

Rest

31

8

Gesamt

340

15

SST∗ = 20.25 + 25 + 25 + 30.25 + 12.25 + 196 + 0.25 + 31 = 340. Wir fassen die Informationen in der RANOVA-Tab. 8.22 zusammen. 2 Wir entnehmen Tab. C.3 für α = 0.05 den kritischen Wert χ1,0.95 = 3.8415. Wir gehen somit von einem signifikanten Interaktionseffekt zwischen dem Koffeinkonsum und den Lichtverhältnissen aus. Die Interpretation dieses Interaktionseffekts sollte nun aber mit den beobachteten Werten Yi jk erfolgen. Aus Tab. 8.19 bestimmen wir y¯·11 = 42.5, y¯·21 = 25.5, y¯·12 = 27 und y¯·22 = 64.75. Für Personen, die kein koffeinhaltiges Getränk zu sich genommen haben, sinkt die Anzahl richtig gelöster Aufgaben durchschnittlich um 15.5 Aufgaben, wenn sie von einem stark beleuchteten in einen unbeleuchteten Raum wechseln (27 − 42.5 = −15.5). Bei Personen, die Koffein zu sich genommen haben, steigt hingegen die Anzahl der richtig gelösten Aufgaben um durchschnittlich 39.25 Aufgaben, wenn sie von einem hellen in einen dunkleren Raum wechseln (64.75 − 25.5 = 39.25). 

8.4.1

Varianzanalyse mit Rängen in R

Wir wollen Beispiel 8.6 in R nachvollziehen. Wir geben zunächst die Daten aus Tab. 8.19 ein und erstellen ein 23 -Versuchsplan mit der Funktion gen.factorial aus dem Paket AlgDesign. Anschließend überprüfen wir die Annahme der Normalverteilung mit der Funktion shapiro.test. > + > + > >

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