Einführung in die Gesta Danorum des Saxo Grammaticus 9788778388247, 8778388244

Manch mittelalterlicher Verfasser versuchte, die Geschichte seines Landes älter zu machen, indem er die Fürstenreihe von

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Einführung in die Gesta Danorum des Saxo Grammaticus
 9788778388247, 8778388244

Table of contents :
Vorwort 7
Einleitung 9
Kapitel 1: Überlieferung und Verfasser 11
Die Überlieferung des Werkes 11
Wann entstanden die Gesta Danorum? 14
Wer war Saxo? 18
Kapitel 2: Die Komposition der Gesta Danorum 21
Die Interpretationen Kurt Johannessons und Inge Skovgaard-Petersens 23
Die Bucheinteilung 30
Ist die Einteilung in Bücher authentisch? 31
Die spätere Forschung 37
Kapitel 3: Saxos Quellen 41
Mündliche Tradition 41
Die Gedichte 44
Sagen 51
La matière d'Islande 58
Das Bråvallalied 60
Antike Vorbilder 62
Mittelalterliche Verfasser 73
Briefe 79
Kapitel 4: Die Königsideologie bei Saxo 95
Patria 95
Thronfolge und Widerstandsrecht 102
Fortuna 113
Betrachtung der Bücher I-XVI 125
Kapitel 5: Die offizielle Königsideologie 143
Die Arengae der Urkunden 143
Die nicht-schriftlichen Quellen 146
A: Die Siegel und Münzen 147
B: Die Kirche von Vä 149
C: Das Ripener Relief (Südportal des Querschiffes des Doms) 152
D: Reichswappen und Flagge 156
Die Knud Laward-Liturgie 157
Der Platz Saxos in der offiziellen Ideologie 159
Kapitel 6: Das Nachleben Saxos 163
Anhang: Möglicherweise durch Saxo erwähnte Urkunden 173
Quellen- und Literaturverzeichnis 195

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University o f Southern Denmark Studies in History and Social Sciences vol. 2 1 6

Einführung in die Gesta Danorum des Saxo Grammaticus

Thomas Riis

Einführung in die Gesta Danorum des Saxo Grammaticus

University Press of Southern Denmark

© D er Verfasser und U niversity Press o f Southern D enm ark 2 0 0 6 G edruckt von Special-Trykkeriet · Byens Tryk a-s IS B N 8 7 - 7 8 3 8 - 8 2 4 - 4 U m schlag: Klaus Bjerager, D esignC o M otiv: So stellte sich der dänische Künstler Poul Steffensen Saxo an der A rbeit vor. (Illustration in B.S. Ingem ann: Valdemar Sejr, Auflage von 1913). Publiziert m it U nterstützung von: D en H ielm stiern e-R osen cron esk e Stiftelse G .E .C . Gads Fond Konsul G eorge Jo rck og H ustru E m m a Jo rc k ’s Fond

Syddansk Universitetsforlag Cam pus vej 55 5 2 3 0 O dense M Tlf. 6 6 1 5 7 9 9 9 Fax 6 6 1 5 8 1 2 6 www. universi typress.dk

Inhaltsverzeichnis Vorwort ..................................................................................................... E in leitu n g ..................................................................................................

7 9

Kapitel 1: Ü berlieferung und V e r f a s s e r ..................................... Die Überlieferung des W e rk e s ............................................................. Wann entstanden die Gesta D a n o ru m ?............................................. Wer war S a x o ? ..........................................................................................

11 11 14 18

K apitel 2: D ie K om p osition der G esta D a n o r u m .................. Die Interpretationen Kurt Johannessons und Inge Skovgaard-Petersens.................................................................. Die Bucheinteilung ................................................................................ Ist die Einteilung in Bücher authentisch? Die spätere Forschung ..........................................................................

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Kapitel 3: Saxos Q u e lle n .................................................................. Mündliche T radition................................................................................ Die G ed ich te............................................................................................. S a g e n .......................................................................................................... La matiere d’Isla n d e ................................................................................ Das Brävallalied........................................................................................ Antike Vorbilder...........* .......................................................................... Mittelalterliche Verfasser ........................................................................ B r i e f e ..........................................................................................................

41 41 44 51 58 60 62 73 79

23 30 31 37

K apitel 4: D ie K önigsideologie bei Saxo ................................ 95 Patria .......................................................................................................... 95 Thronfolge und Widerstandsrecht...........................................................102 Fortu n a.......................................................................................................... 113 Betrachtung der Bücher I-X V I ............................................................. 125

5

Kapitel 5: D ie offizielle Königsideologie ................................143 Die Arengae der U rk u n d en ..................................................................... 143 Die nicht-schriftlichen Q u ellen ...............................................................146 A: Die Siegel und Münzen .................................................................. 147 B: Die Kirche von V ä ................................................................................149 C: Das Ripener R elief (Südportal des Querschiffes des Doms) . 152 D: Reichswappen und Flagge ................................................................156 Die Knud Laward-Liturgie ..................................................................... 157 Der Platz Saxos in der offiziellen Id e o lo g ie ........................................ 159 Kapitel 6: Das Nachleben S a x o s ..................................................... 163 Anhang: Möglicherweise durch Saxo erwähnte Urkunden . . . . 173 Quellen- und Literaturverzeichnis ........................................................195

6

Vorwort Als Kind las ich die klassischen Heldensagen Dänemarks, die vor allem davon berichteten, wie dänische Könige und Krieger — meistens erfolgreich - auf ihre Kollegen aus den Nachbarländern loshieben. Ob die spannenden Erzählungen reale Geschichten oder nur schöne Mär­ chen waren, das wußte ich natürlich noch nicht, vielleicht hatte ich den Eindruck, daß sie beides gleichzeitig waren. Später, während meines Studiums, lernte ich, daß Saxo als Quelle manchmal unzuverlässig ist und daß man sorgfältig jede Auskunft überprüfen muß, ehe man sie in der historischen Rekonstruktion ver­ wendet. Während der Arbeit an meiner Habilitation beschäftigte ich mich lange Zeit mit den Gesta Danorum und dabei beeindruckte mich der alte Verfasser sehr. Nicht nur schrieb er ein Riesenwerk von mehr als 500 Druckseiten in Quarto, sondern seine Verwendung be­ stimmter Schlüsselbegriffe wie z.B. patria oder fortuna ist das ganze Werk hindurch konsistent. Mit der Zeit stellte sich heraus, daß meine Ergebnisse in bezug auf Saxo von der Forschung wenig wahrgenommen wurden, und weil die Gesta Danorum eine Hauptquelle zur Geschichte Norddeutschlands im 12. Jahrhundert darstellten, hielt ich im Sommersemester 1996 an der Kieler Universität eine Vorlesungsreihe, die die Zuhörer in die Welt Saxos einfuhren sollte. Da die Überlieferung durch Saxo von angebli­ chen Briefen in Zusammenhang mit der Arbeit am Diplomatarium Danicum nur in Einzelfällen und nicht systematisch erörtert wurde, wurden im Anhang die fraglichen Briefe aufgelistet. Das Manuskript ist nochmals überarbeitet worden; für die Gestal­ tung des Manuskriptes bin ich meiner ehemaligen Mitarbeiterin am Lehrstuhl für schleswig-holsteinische Landesgeschichte Frau JuliaKathrin Büthe, M.A., sowie meinen ehemaligen und jetzigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Imke Hamann-Bock, Eva Heinzelmann, Markus Oddey, M.A. und vor allem Stefanie Robi, M.A. wegen ihres kompetenten und freundlichen Einsatzes bei der redaktionellen Betreuung sehr dankbar. Kiel, im Juni 2004 7

Einleitung In der dänischen Literatur stellen Saxos Gesta Danorum das große, na­ tionale Werk des Mittelalters dar. Man weiß über den Verfasser sehr we­ nig, und seine lateinische Sprache ist so schwierig, daß eine Zusam­ menfassung in einem leichteren Latein im 14. Jahrhundert ausgearbei­ tet wurde, und das 600 Jahre vor Readers’ Digest! Mit der ersten Drucklegung der Gesta Danorum (1514) konnte auch Dänemark den Beweis einer glorreichen Vergangenheit liefern, der dem Land einen Platz unter den europäischen Kulturnationen ver­ schaffen konnte. Mehrere lateinische Auflagen erschienen und noch im 16. Jahrhundert die erste dänische Übersetzung. Das nationale Erwachen im 19. Jahrhundert führte zu einem neu er­ weckten Interesse an dem alten Historiker, dessen Gesinnung sich mit den im 19. Jahrhundert herrschenden nationalen Ideen im Einklang befand. Die Erzählungen Saxos wurden weitgehend als zuverlässige Nachrichten über die älteste Geschichte Dänemarks angesehen. Die durch Leopold von Ranke eingeleitete quellenkritische Neu­ orientierung mußte früher oder später zu Kritik an dieser Auffassung fuhren. In zahlreichen Arbeiten konnten die schonischen Brüder Curt und Lauritz Weibull nachweisen, daß Saxo bei weitem kein zuverlässi­ ger, akribisch arbeitender Historiker war, sondern daß er seine Dar­ stellung ideologischen Zwecken unterordnete. Der Schock war großvund in den Jahren nach Curt Weibulls Habi­ litationsschrift über Saxo (1915) wagten es nur wenige Historiker, sich mit dem alten Verfasser zu beschäftigen. Aksel E. Christensen wies in einer Übersicht von 1945 über die Beziehungen zwischen Königtum und Aristokratie auf die Bedeutung Saxos als Überrest hin; so könne man quellenkritisch kaum seine Darstellung nutzen, um zu erfahren, wie es tatsächlich gewesen war, aber sein Werk ließe sich hervorragend als Quelle zur Ideologie der Zeit um 1200 benutzen. Diese Linie wur­ de vom Weibull-Schüler Niels Skyum-Nielsen, von Christensens Schülerin Inge Skovgaard-Petersen und von dem Verfasser dieses Bu­ ches weitergeführt, indem der Letztgenannte sich für das Mittelalter als Schüler Niels Skyum-Nielsens und Aksel E. Christensens betrachtet. 9

Einleitung

Niels Skyum-Nielsen hat nachgewiesen, daß Saxo sich - wenn auch mit Vorsicht — trotzdem als Quelle zur Ereignisgeschichte auswerten läßt, und seit den 1970er Jahren haben Altphilologen, vor allem Kar­ sten Friis-Jensen, die antiken Vorbilder Saxos untersucht. Es ist Zeit, Bestand aufzunehmen, um festzustellen, welche For­ schungsergebnisse als gesichert betrachtet werden dürfen, und den Le­ ser zur weiteren Beschäftigung mit dem alten Verfasser einzuladen. Das vorliegende Buch dient diesem doppelten Zweck.

10

K a p it e l 1

Überlieferung und Verfasser Die Überlieferung des Werkes Es ist heute keine vollständige Handschrift der Gesta Danorum vor­ handen. W ir wissen aber, daß im Jahre 1386 ein Roskilder Domherr seine Gesta Danorum dem Roskilder Kapitel vermachte.1 Ein schwedi­ scher Pfarrer, Martin Aschaneus, war um 1630 Besitzer einer SaxoHandschrift, die nach seinem Tod ins schwedische Reichsarchiv ge­ kommen sein soll, die dort aber nicht mehr aufzufinden ist. Auch der deutsche Philologe Caspar von Barth soll ein Saxo-Manuskript gehabt haben, das aber 1636 durch einen Brand zerstört wurde. Einige Handschriften sind erhalten — vor allem das berühmte Angersfragment in Quarto, das im 19. Jahrhundert in der französischen Stadt Angers gefunden wurde. Anhand der Schrift läßt es sich in die Zeit um 1200 datieren; da es große Intervalle zwischen den Zeilen gibt und da es ferner stilistische Varianten und Ergänzungen aufweist, die in die Druckfassung von 1514 aufgenommen wurden, liegt der Schluß nahe, daß das Angersfragment (jetzt in Kopenhagen) die Arbeitskopie des Verfassers war. Drei weitere Fragmente stammen aus den Jahrzehnten um 1300: Das eine wurde im Nachjaß des Bibliothekssekretärs Lassen 1860 ent­ deckt (Lassens Fragment), zwei weitere fand man im Geheimen Archiv und benannte sie nach den Entdeckern. Das eine der beiden, Kall-Rasmussens Fragment, gehörte zu derselben Handschrift wie Lassens Frag­ ment; nach Ellen Jørgensen wäre diese die Druckvorlage der Pariser Edition von 1514. Kall-Rasmussens Fragment war als Einbandmaterial für das Urbar des Schloßlehens Kronborg 1627-28 benutzt worden. Zu einem ähnlichen Zweck war Plesners Fragment flir die Steuerliste des Lehens Kristianstad

1

D ip l D an . IV 3, N r. 18. 11

Kapitel ί

1623 verwandt worden. Man hat aber nicht paläographisch untersucht, ob Plesners Fragment aus demselben Manuskript wie diejenigen Las­ sens und Kall-Rasmussens stammt. Ein weiteres Fragment wurde in den 1680er Jahren von Johannes Laverentzen im Rentekammerarchiv gefunden, das aber - wohl beim Stadtbrand Kopenhagens 1728 - ver­ nichtet wurde. Man darf sich jetzt zwei Fragen erlauben: Gehörten die vier Frag­ mente zu demselben Manuskript, und wäre es möglich, weitere Frag­ mente zu entdecken? Die Fragmente Kall-Rasmussens und Plesners wurden bei Archivalien gefunden, die von der Rentekammer revidiert wurden; auch Laverentzens Fragment wurde hier entdeckt. Lassen fand sein Fragment wohl in der königlichen Bibliothek, wo damals auch einige Archivalien aufbewahrt wurden. So sprechen die Indizien dafür, daß die Fragmente aus der Rentekammer stammen. Ob sie aber zu derselben Handschrift gehörten, können nur die Dimensionen und die Schriftanalyse entscheiden. Wenn die Steuerlisten und Urbare, die alle zu den Lehnsrechnungen gehörten, im örtlichen Verwaltungszentrum gebunden wurden, wäre es unmöglich, nach anderen Fragmenten zu suchen, aber eben der Umstand, daß mindestens zwei der Fragmente zu derselben Handschrift gehören, spricht für eine zentrale Bindung der Rechnungen, also anläßlich der Revision. Der Lehnsmann auf Kristianstad im Jahre 1623, Otte Marsvin, erhielt erst am 5. August 1642 die Generalquittung für seine Verwaltung des schonischen Lehens. Ent­ sprechend wurde erst am 24. Januar 1643 die Generalquittung für den Kronborger Lehnsmann in der Zeit von 1627 bis 1628, Frederik Urne, ausgestellt.2 Das heißt: Zwei Rechnungen, die im Sommer und Herbst 1642 revidiert wurden, enthielten Saxofragmente als Einbandmateria­ lien. Die Saxohandschrift muß um diese Zeit in der Rentekammer vorhanden gewesen sein, und so besteht die Möglichkeit, weitere Fragmente bei den zur selben Zeit in der Rentekammer revidierten Rechnungen zu finden. Neben den Fragmenten gibt es weitere Quellen zur Textkonstitu­ tion: die späteren Benutzer der Gesta Danorum. So bringt die Vetus Chronica Sialandiae (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts) längere Saxo-

2 K .E rslev 1 8 8 5 , S. 3 und 18. 12

Überlieferung und Verfasser

Zitate, während die Humanisten Albert Krantz (gest. 1517)2A und Pe­ trus Olai (gest. ca. 1570) auf unterschiedliche Weise auf Saxo bauen; der Verfasser der zu Beginn der 1340er Jahre vollendeten Chronica Jutensis setzte an deren Anfang einen Auszug aus den Gesta Danorum. Wichtig ist dabei, daß dieses sogenannte Compendium Saxonis uns zeigt, daß die Bücherzahl des Werkes — 16 —aus dem Mittelalter stammt. Den ersten vollständigen Text der Gesta Danorum bietet die Pariser Edition aus dem Jahre 1514. Wahrscheinlich stützte sie sich auf eine Handschrift, die der Erzbischof von Lund dem Herausgeber Christian Pedersen zur Verfügung stellte;3 hier wird ein weiteres Manuskript im Besitz des Karmeliters Anders Christensen erwähnt. In der Editio prin­ ceps findet man viele Fehler: Druckfehler, Lesefehler, sogar Hörfehler. Meines Erachtens sind die an zwei Stellen vorhandenen Varianten in der Pariser Edition durch Mißverständnisse der Vorlage zu erklären.4* So basiert die Pariser Edition nur auf einer Handschrift.3 Von den neueren Editionen müssen drei erwähnt werden: Saxonis Grammatici Historia Danica hrsg. P. E. Müller & J. M.Velschow I— II, Kph. 1839-58, Saxonis Grammatici Gesta Danorum hrsg. A. Holder, Straßburg 1886, und die eben zitierte Edition Olriks und Ræders, wozu ein zweiter Band mit einem Wörterbuch zu Saxo (von Franz Blatt) 1957 erschien. Vollständige Übersetzungen gibt es bislang nur im Dänischen; die ersten neun Bücher, die die legendäre Zeit darstellen, liegen aber so­ wohl auf Englisch, Französisch als auch auf Deutsch vor.6 Die neueste wissenschaftliche Edition, Olriks und Ræders, basierte auf älteren Vorarbeiten, darunter deren von C. Knabe. Dieser Forscher gehörte aber - wie viele,,Zeitgenossen — zu der wohlmeinenden und besserwissenden Schule, die besonders unter den Restauratoren mit­ telalterlicher Architektur vertreten war. So säuberte Viollet-le-Duc in 2A Friis-Jensen 1 9 8 9 B , S. 1 5 8 -1 6 0 . D ie Chronica regnorum aquilonarium entstand zwischen 1 4 9 8 und 1 5 0 4 , ebda., S. 153. 3

B rie f des Herausgebers vom 14. M ärz 1 5 1 4 in: Sa x o 1 , 1 9 3 1 , S. 5 5 5 -5 6 .

4

Vgl. Sa x o I, S. X X X I .

b

Siehe zur Ü berlieferung Sa x o I, S. X I-X L V II.

6

T h e first nine books o f the Danish H istory o f Saxo G ram maticus. Translated by

E lton 1894, Erläuterungen zu den ersten neun B ü ch ern der Dänischen G e­ Herrmann I-II, 1 9 0 1 -2 2 , H .E . David­ son & P. F isher 1 9 8 0 und T roadec 199 5 . O.

schichte des Saxo G ram m aticus von P.

13

Kapitel i

Paris Notre Dame von späteren Elementen, indem er die Kirche wie zur Blütezeit im 14. Jahrhundert rekonstruieren wollte, und im schonischen Lunder Dom wurden die beiden Westtürme im späten 19. Jahrhundert abgerissen und im reineren romanischen Stil — wie etwa dem des Speyrer Doms - wiedererbaut. Ähnlich verfuhren Olrik und Ræder, indem sie Knabe folgten. Die von Knabe vorgeschlagenen radikalen Änderungen in der legendären Gesetzgebung Frodes III.7 sind kaum notwendig, wenn man den Text sorgfältig und ohne Vorur­ teile liest.8 Für den scharfsinnigen, um die skandinavische Mediävistik hoch­ verdienten Lunder Historiker Lauritz Weibull waren diese radikalen Eingriffe zuviel. Weibull kannte sein Mittelalter, nicht nur die Jahr­ bücher und Urkunden, sondern auch die mittelalterliche Literatur, und eben deshalb fand er den Saxotext größtenteils auch ohne Korrektu­ ren verständlich. In drei kritischen Abhandlungen in der Zeitschrift ScandiaWII-IX (1934-36) fällte er ein vernichtendes Urteil: Die Edition Olriks und Ræders habe zwar den Vorzug, daß sie die Parallelstellen der anderen Verfasser aufführt, aber wegen ihrer zahlreichen Umgestal­ tungen sei die um ein Jahrhundert ältere Edition Müllers und Velschows vorzuziehen! Weibull hatte recht, aber trotzdem verwendet man - und auch ich aus praktischen Gründen die Edition Olriks und Ræders; jedoch muß man immer die im kritischen Apparat angeführten Änderungen über­ prüfen.

Wann entstanden die Gesta Danorum? Wie sein Kollege Sven Aggesen schließt Saxo sein Werk mit der Hul­ digung Knuds VI. durch den Pommern-Herzog im Jahre 1185 ab. Al­ lem Anschein nach war dieses Ereignis der von der dänischen R egie­ rung gewünschte Abschluß des Werkes, denn sowohl Saxo als auch Sven Aggesen müssen als offizielle Geschichtsschreiber betrachtet wer­ den. Für eine genauere Datierung sind wir auf die Gesta Danorum selbst angewiesen. 7

S a x o I 1 3 0 ZL 3 8 -3 9 und 133 ZI. 1 1 -3 6 .

8

V g l.T h .R n s 1 9 7 2 , S. 3 -7 .

14

Überlieferung und Verfasser

Saxo berichtet in der Vorrede, daß der 1201 verstorbene Lunder Erzbischof Absalon, der seit 1157/8 der führende Politiker neben den Königen war, ihm den Auftrag gegeben habe, die Geschichte Däne­ marks darzustellen. Erst unter Absalons Nachfolger, Andreas, der 1223 wegen Krankheit abdankte und fünf Jahre später starb, konnte unser Verfasser sein großes Werk vollenden. Zu dieser Zeit regierte Walde­ mar II. (seit 1202), der auch in der Vorrede erwähnt wird. So wird an­ hand dieser gesicherten Auskünfte die Datierung des Abschlusses in die Zeit zwischen 1202 und 1223 zu verlegen sein. Einen weiteren Anhaltspunkt für die Datierung hat man in der Er­ wähnung Saxos bei dessen Kollegen Sven Aggesen zu finden geglaubt. In seiner kurzen Geschichte Dänemarks9 berichtet dieser über die R e ­ gierung Sven Estridsens (1047-74) und daß nach ihm fünf seiner Söh­ ne den Thron bestiegen hätten, was durchaus der Wirklichkeit ent­ spricht. Aber, fügt der Verfasser hinzu: »Ich habe es für überflüssig an­ gesehen, deren Geschichte erschöpfend zu erzählen ..., denn wie Erz­ bischof Absalon mir erzählte, gab sich mein Kommilitone (contubernalis meus) Saxo viel Mühe, um deren Taten in einem eleganteren Stil dar­ zustellen (elegantiori stilo omnium gesta executurus ... insudabat).«10 Wie soll man dies nun verstehen? Sowohl Sven als Saxo schrieben in öf­ fentlichem Auftrag. Absalons Mitteilung an Sven bedeutet wohl, daß Saxo auch die Zeitgeschichte behandeln würde und daß Sven sie da­ her nur kurz darzustellen brauchte oder dürfte. Svens Vater hatte im Bürgerkrieg der 1150er Jahre auf der Seite Svens III. gegen Waldemar I. gekämpft, und die Regierung unter den Söhnen Waldemars wollte natürlich die richtige Darstellung der Zeitgeschichte - aus Sicht des Siegers - sehen. Svens Brevis Historia muß nach 1185 entstanden sein; ihr Abschluß läßt sich nur e silentio erschließen. So wird der Tod Knuds VI. 1202 ebensowenig erzählt wie der seiner Mutter Sophia im Jahre 1198, und Waldemar II. wird nicht als König erwähnt (was er 1202 wurde). Auch hören wir nichts vom Tode Absalons im Jahre 1201. Wenn wir hier e silentio argumentieren, was immer Unsicherheiten in sich birgt, hätte

9

Brevis Historia Regum D ade, hrsg. M . CL G e r t z 1 9 1 7 , S. 9 4 -1 4 1 .

10 SM I 12 4 Zl. 2 2 -2 6 , Kap. X (meine Ü bersetzung).

15

Kapitel ί

Sven also sein Werk zwischen 1185 und 1198 abgeschlossen. Innerhalb dieser Zeitspanne wäre es so, daß Saxo sich mit den Vorbereitungen (executurus) Mühe gab (insudabat). Dieses Ergebnis ist sehr vage und bringt uns nicht viel weiter, obwohl es nicht gegen ein Abschlußdatum zwischen 1201 und 1223 spricht. Nichtsdestoweniger hat die For­ schung die Geschichte des Jahrhunderts nach 1074 als den zuerst aus­ gearbeiteten Teil betrachtet.11 Der grand old man der Saxo-Forschung, Curt Weibull, der 1991 im Alter von fast 105 Jahren starb, war der Meinung, daß die einzigen si­ cheren Punkte die Teile seien, die Sven Aggesen als Quelle verwende­ te (die Sage vonVermund und Uffe und die Zeit zwischen dem 987 verstorbenen König Harald Blauzahn und Erik II., der 1137 ermordet wurde). Diese Teile müßten natürlich jünger als das Werk Svens sein, das — nach Curt Weibull — um 1185 abgeschlossen wurde.12 Mehrere Forscher haben schon bemerkt, daß die Darstellung der Regierung und des Todes Knuds des Heiligen (1080-86) vor 1202 verfaßt worden ist, denn der in diesem Jahr verstorbene Schwedenherzog Birger wird als noch am Leben (qui et nunc exstat) erwähnt.13 Weibull datiert den Abschluß des Werkes in die Jahre zwischen 1208 und 1219 - das letz­ te Jahr, weil Saxo die Eroberung Nord-Estlands in diesem Jahr nicht erwähnt, was aber wiederum ein Argument e silentio ist. Eine gewisse Bestätigung dieser Datierung bietet Saxo, wenn er sagt, daß jetzt die Esten und andere barbarische Völker die Region zwischen Schweden und dem Orient beherrschten.14 Es gibt aber in der Praefatio der Gesta eine Anspielung auf einen von Waldemar II. geführten Feldzug, bei dem er die Elbe überquerte; solche Feldzüge fanden 1208 und 1216 statt.15 Saxo lobt Waldemar dafür, daß er die dänische Macht auch auf dem Reichsterritorium gezeigt habe, was er eigentlich schon vor 1200 getan hatte. So bezieht sich die Anspielung Saxos wohl eher auf den

11 Ü bersicht über diese H ypothesen bezüglich der Entstehung des Werkes bei

Saxo I, S. X X X V I I - X L I I . C. W eibull 1 9 1 5 , S. 1 3 -1 7 . 13 Saxo I 3 2 8 ZI. 29. 14 Saxo I 151 ZI. 3 0 -3 2 . t2 Vgl.

15 Vgl. die offiziellen W aldem ar-Jahrbücher, die m an als dänische Reichsannalen betrachten darf, vgl. Annales D anici ed. Ellen J ørgensen, S.

16

9.

Überlieferung und Verfasser

Feldzug im Jahre 1216, denn 1214 trat Kaiser Friedrich IL das Land nördlich der Elbe und der Eide an Waldemar ab. Die Elbe wurde jetzt Grenzfluß zwischen dem Reich und Dänemark; Nordelbingen wurde Dänemark einverleibt. So müssen wir den Abschluß des Werkes in die Jahre 1216 bis 1219 datieren. Noch eine weitere Anspielung scheint uns ein Datierungselement zu bieten. In den beiden ersten Büchern hören wir von einem sagen­ haften R eich Hellespont, das vom König Anduanus, Handuanus oder Handwanus regiert wurde; letzterer suchte im Kampf gegen die Dänen Zuflucht in einer starken Burg (apud Dunam urbem). Untersucht man sämtliche Stellen in den Gesta, die Hellespont er­ wähnen, so ergibt sich, daß Hellespont mit dem Byzantinischen R eich zu identifizieren ist; in dieser Gegend müssen wir suchen. Einiges deutet daraufhin, daß der Königsname eigentlich Hadrianus zu lesen wäre, was dann wegen der Verwechslung von r rotonda und i mit u als Haduanus falsch gelesen wurde. Daß Hadrianus wahrscheinlich richtig ist, wird von dem in demselben Kontext befindlichen Namen Vespasius bestätigt. Von den Ortsnamen, in die Hadrian einging, und die im Mittelalter einige Bedeutung hatten, kann eigentlich nur Adrianopel, das heutige Edirne in der europäischen Türkei, in Betracht kommen. In der Schlacht bei Adrianopel im Jahre 1205, also während Saxo an seinem Werk arbeitete, wurde der lateinische Kaiser in Konstantinopel, Bal­ duin I., von den Bulgaren und den aufständischen Griechen gefangen genommen. Wenn Saxo sich bezüglich des Königs von der Schlacht bei Adria­ nopel inspirieren ließ, ist £s durchaus möglich, daß auch die starke Feste Duna in Thrakien zu suchen ist. Eine Handschrift des Saxo kom­ pendiums liest apud diniam urbem, aber theoretisch sind drei Lesarten möglich: apud dunam/diniam/dimam urbem. Da Saxo manchmal die Ortsnamen in ihren Bestandteilen übersetzt - so wird aus Kalundborg Kalunda urbs —darf man erwarten, einen Ortsnamen zu finden, dessen letzte Silbe Burg bedeutet. Eine solche Ortschaft gibt es tatsächlich in Thrakien, wo die Stadt Διδυμοτειχον etwa 50 Kilometer von Adria­ nopel entfernt ist und wo der Aufstand gegen den lateinischen Kaiser im Jahre 1205 ausbrach. Da τειχοζ »Feste« bedeutet, könnte der Stadt­ name sehr gut als Didima Urbs übersetzt werden, was durch eine feh­ lerhafte Haplographie zu Dima urbs geworden ist. Kann man meine 17

Kapitel ί

Ausführungen akzeptieren, so hat Saxo die beiden ersten Bücher der Gesta nach der Schlacht bei Adrianopel am 14. April 1205 abgeschlos­ sen. Versuchen wir jetzt, die Ergebnisse zusammenzufassen: Saxo arbeitete an der Geschichte Knuds des Heiligen vor 1202 und an den beiden er­ sten Büchern nach 1205, während die gesamte Arbeit zwischen 1216 und 1219 abgeschlossen wurde. So begann er mit der Geschichte des letzten Jahrhunderts, wahrscheinlich weil seinem Auftraggeber, dem Erzbischof Absalon, an einer politisch richtigen Darstellung der Zeit­ geschichte gelegen war. Man darf aber wohl kaum behaupten, daß Saxo die ältere Geschichte in chronologischer Reihenfolge ausarbeite­ te; so wissen wir z. B. nicht, ob das sechste Buch vor oder nach 1205 entstand; bei einem so großen Werk muß man sich eine mehrfache B e­ arbeitung vorstellen. Schon jetzt haben wir ein Beispiel der Arbeitsmethode Saxos gese­ hen: Aus verschiedenen, teilweise weit entfernten Gebieten stellt er seine Erzählung zusammen wie im Falle Adrianopel. Diese Technik, die auf einer soliden Gelehrsamkeit beruht, bereichert sein Werk um eine weitere Dimension. Zwar darf man es als eine spannende Geschichte lesen, aber je mehr der Leser seine Allusionen und Assoziationen ver­ steht (was auch eine gewisse Gelehrsamkeit voraussetzt), desto reicher wird das Erlebnis beim Lesen. Moderne Verfasser, die in einer ähnlichen Weise arbeiten, sind Umberto Eco und der französische Diplomat und Historiker Jean d’Ormesson.

W er war Saxo? In dem historischen Roman Valdemar Sejr (1826) (Waldemar der Sie­ ger) sieht man zu Beginn Saxo am Arbeitstisch im Sorøer Kloster, wo Absalon begraben liegt. Der Verfasser, B. S. Ingemann, konnte sich an­ scheinend nicht vorstellen, daß Absalons Mitarbeiter nicht Mönch im Hauskloster der Hvide-Sippe war (zu der Absalon gehörte).16 Aber in seinem Testament bestimmt der alte Erzbischof, daß sein Clericus Saxo 16 Z u r R o lle Sorøs als Hauskloster dieser Familie siehe T h .

18

H ill 1 9 9 2 , S. 2 0 6 -2 7 7 .

Überlieferung und Verfasser

die beiden Bücher, die ihm der Erzbischof überlassen hatte, dem Soröer Kloster zurückliefern solle.17 Dies spricht eher dagegen, daß Saxo in Sorö tätig war, denn wenn es so gewesen wäre, wäre die Bestimmung überflüssig. Auch stimmt die oben erörterte Chronologie der Gesta Danorum nicht mit der Hypothese überein, daß Saxo mit dem Roskilder Propst Saxo identisch sei, der wohl 1206 starb.18 Daß Saxo sich als den unbedeutendsten in der Umgebung Absalons bezeichnet (comitum suorum extremus),19 ist nur der wohlbekannte Topos der Bescheidenheit. Wichtiger ist, daß sowohl sein Vater als sein Großvater in der Gefolg­ schaft Waldemars des Großen (des Ersten 1157-1182) gedient haben.20 Saxo muß wohl 25 Jahre alt gewesen sein, als er im Jahre 1185 oder kurz danach den Auftrag für die Gesta Danorum erhielt, was bedeutet, daß er um 1160 geboren wurde. Rechnen wir 30 Jahre auf eine Ge­ neration, wäre sein Vater um 1130, sein Großvater um die Jahrhun­ dertwende geboren. Unser Verfasser stammte allem Anschein nach aus Seeland, wo Wal­ demar I. wegen der Unterstützung der Hvide-Sippe in der Zeit der Bürgerkriege seine Machtbasis hatte; es wird deutlich, daß er die loka­ le Topographie der Insel besser kennt als die anderer Landschaften. Fer­ ner sind es die Seeländer, die sich auf den Wendenzügen am eifrigsten zeigen und sich fast immer beteiligen, ohne aufzubegehren. Wie Sven Aggesen muß Saxo im Ausland studiert haben. Frankreich ist eine Möglichkeit, obwohl Italien nicht ganz auszuschließen ist. Auch über seine Griechischkenntnisse wissen wir nicht Bescheid. Sei­ ne Beispiele aus Adrianopel und Διδυμοτειχον setzen wohl kaum ei­ gene Sprachkenntnisse voraus, wohl aber, daß ein Griechischkundiger ihm den griechischen Namén erklären konnte. Unter den Mitarbeitern Waldemars in der königlichen Verwaltung Schonens war Anfang der 1180er Jahre ein gewisser Saxo. Dieser ist wahrscheinlich zu alt, um mit unserem Verfasser identisch zu sein; da­ hingegen war eine gute, gelehrte Ausbildung sehr wohl mit einer An-

17 D ip l D an . I 4 N r. 3 2 , 1201 vor 2 1 . M ärz. 18 Siehe S a x o I, S. X X X V I - X X X V I I für eine Diskussion der Identifikationsvor­ schläge.

19 Saxo I 3 ZI. 5-6. 20 Saxo I 5 ZI. 29-32.

19

Kapitel 1

Stellung in der Gefolgschaft des Königs vereinbar: Sven Aggesen ist ein glänzendes Beispiel. Saxo ist die einzige Quelle für die Aufstände in Schonen Anfang der 1180er Jahre; vielleicht stand er schon damals im Dienst des Erzbi­ schofs, jedenfalls kann Absalon ihm alle Einzelheiten berichtet haben. Obwohl sowohl Absalon wie auch Saxo Seeländer waren und obwohl Absalon bis 1191/92 neben der Erzdiözese sein Bistum Roskilde be­ hielt, deuten mehrere Umstände darauf hin, daß Saxo jedenfalls während der Ausarbeitung der Gesta in Schonen wohnte, wahrschein­ lich in der Kathedralstadt Lund. Er stand im Dienst des Erzbischofs, sowohl unter Absalon als auch un­ ter dessen Nachfolger Andreas Suneseh; Lund war im 12. und 13. Jahr­ hundert das bedeutendste Zentrum der Geschichtsschreibung im ganzen Reich. In ihrer scharfsinnigen Untersuchung der dänischen Annalistik des 12. und 13. Jahrhunderts deutet Anne K. G. Kristensen an, daß Saxo die Gesta in Lund verfaßt haben könnte;21 hierzu ist aber zu bemerken, daß er auch Materialien an anderen Orten gesucht haben muß. Vielleicht hat er Studienreisen gemacht, was seine feste Basis in Lund nicht ausschließt. Vor einigen Jahren hat Karsten Friis-Jensen in einem gründlichen Aufsatz versucht, Saxo geographisch einzuordnen. Er kommt zu dem Ergebnis, daß Saxo Domherr im Lunder Kapitel ge­ wesen sei.Vermag die Argumentation den endgültigen Beweis nicht zu erbringen, so sind die Quellen (und nicht Friis-Jensen) schuld daran.22 Zusammenfassend können wir also sagen, daß Saxo wahrscheinlich um 1160 auf Seeland geboren wurde; nach Studien im Ausland trat er in den Dienst Absalons, der ihn beauftragte, die Geschichte Dänemarks zu schreiben. Dafür erhielt er wohl ein Kanonikat im Lunder Domka­ pitel. Vor 1202 bearbeitete er die Geschichte Knuds des Heiligen, die ersten beiden Bücher wurden nicht früher als 1205 geschrieben und das gesamte Werk zwischen 1216 und 1219 abgeschlossen.23 21 A . K. G. K r is t e n s e n 1 9 6 9 , S. 119. 22 Vgl. K . F r ii s - J e n s e n 19 8 9 A , S. 3 3 1 -3 5 7 . 23 Einige Literaturhinweise im allgemeinen: Ein K om m entarband zu den ersten neun B ü ch ern gibt es in H . E . D a v id s o n & P. F i s h e r II, 1 9 8 0 . - E ine Ü bersicht über die Überlieferungsgeschichte findet sich bei E . K r o m a n 1 9 7 1 . Allgemeine Einführungen sieht man in A . Teilgård L a u g e s e n 1 9 7 2 , und vor allem in den Sammelbänden Saxostudier hrsg. I. B o s e r u p 1 9 7 5 und K. F r ii s - J e n s e n 1981.

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K a p it e l 2

Die Komposition der Gesta Danorum Mehrere Forscher haben versucht, ein übergeordnetes Prinzip im Werk Saxos zu entdecken, meistens anhand der Bucheinteilung. In der Theo­ logie betrachtet man Phänomene, die im Alten Testament erwähnt werden, als Vorläufer von Ereignissen im Neuen Testament, am be­ kanntesten sind hier die Prophezeiungen vom Erlöser Israels, die die christlichen Kirchen im Gegensatz zum jüdischen Glauben in Christus als erflillt sehen (anagogische Methode). W ie leicht zu ersehen ist, eig­ net sich die Zahl der Bücher Saxos - 16 - flir ähnliche Überlegungen besonders gut, denn nach Belieben kann man mit zwei Hälften oder mit vier Vierteln rechnen. Inge Skovgaard-Petersen, der schwedische Literaturforscher Kurt Johannesson, der Literaturhistoriker Sigurd Kværndrup24 und schließlich der Autor dieses Beitrags selbst haben sich mit dieser Problematik beschäftigt. Inge Skovgaard-Petersen schlug als erste mit ihrem 1969 veröffent­ lichten Aufsatz »Saxo - historian o f the Patria« einen neuen Weg ein.25 Sie glaubte, im Gegensatz zur früheren Forschung, in den Gesta Dano­ rum eine kirchliche Betrachtungsweise erkennen zu können. Dabei operierte sie mit einer Vierteilung des Werkes. Indem sie feststellt, daß im 5. Buch die Geburt Christi während der Regierung Frodes III. stattfand, ergibt es sich von selbst, daß die vier ersten Bücher sich mit der vorchristlichen Geschichte beschäftigen. Da wir im 9. Buch von

24 S. K v æ r n d r u p 1 9 9 9 . W ie Inge Skovgaard-Petersen und K u rt Johannesson b e­ trachtet Kvæ rndrup die B ucheinteilung der E ditio princeps als authentisch (S. 19 und 39). Ferner sieht er ein Prinzip in der Ordnung der Könige in Gruppen jeweils m it 12 H errschern. Dieses Prinzip läßt sich aber nur au f die ersten neun B ü ch er der Gesta D an oru m anwenden (S. 9 2 -9 3 ). M an darf aber als O rdnungs­ prinzip nur ein solches anerkennen, das sich au f das ganze W erk beziehen läßt. 25 Saxo - historian o f the Patria, Mediaeval Scandinavia II, S. 5 4 -7 7 .

21

Kapitel 2

Christenverfolgungen in Dänemark erfahren, werden so die Bücher 5-8 die Zeitspanne von Christi Geburt bis zur ersten Erwähnung des christlichen Glaubens in Dänemark umfassen. Im 13. Buch erwähnt Saxo die Errichtung des dänischen Erzbistums Anfang des 12. Jahr­ hunderts; das Jahr ist umstritten, es muß aber entweder 1103 oder 1104 sein. Der dritte Teil des Werkes stellt so die dänische Geschichte in der Zeit vom Auftreten des christlichen Glaubens bis zur Einsetzung des ersten Erzbischofs dar, während der letzte Teil die »erwachsene« Kirche unter dem Erzbistum behandelt. So wird z. B. die Errichtung des Erz­ bistums im 13. Buch eine typologische Parallele zur Geburt Christi im 5. Buch. Frau Skovgaard-Petersen sieht ferner eine Bestätigung ihrer Auffassung in der Tatsache, daß der Übergang vom 14. zum 15. Buch bei der Wahl Absalons zum Erzbischof liegt, anstatt wie gewöhnlich beim Thronwechsel. Wie verlockend diese Hypothese auch sein mag, sie setzt voraus, daß die Berechnungen wirklich klar und genau sind; kurz —man muß for­ dern, daß sie wie eine Jahresbilanz stimmen. Am schwerwiegendsten ist, daß die Errichtung des Erzbistums nicht im 13., sondern im 12. Buch stattfindet, weshalb sie keine typologische Parallele zu Chri­ sti Geburt bilden kann. Wenn man aber Parallelen zur Gründung des Erzbistums im 12. Buch sucht, finden wir leicht welche, die alle die Zurückdrängung fremden Einflusses repräsentieren: der Zweikampf, wohl auf der Eiderinsel im 4. Buch, die Regierung Gudfreds, des Geg­ ners Karls des Großen, im 8. Buch, schließlich die Unterwerfung Pom­ merns im 16. Buch als Ende der Wendenzüge. Einige Ungenauigkeiten in der Arbeit Frau Skovgaard-Petersens seien hier am Rande erwähnt. Sie schreibt, daß der Hl. Ansgar bei Saxo nicht vorkäme26 und daß Harald Blauzahn der erste christliche Dänenkönig gewesen sei. Aber unser Verfasser schreibt im 9. Buch, daß König Erich auf Aufforderung Ansgars seine Christenfeindlichkeit aufgegeben und danach die christliche Religion gefordert habe (in ex­ colenda religione). V ielleicht dürfen wir so in ihm den ersten christli­ chen König sehen. Jedenfalls: Ansgar wird erwähnt, und seine Aktion bei dem König spiegelt wohl die Tatsache wider, daß Ansgar von K ö-

26 S. K v æ r n d r u p 1 9 9 9 , S. 2 8 4 , w iederholt diesen Fehler.

22

Die Komposition der Gesta Danorum

nig Horik I. die Genehmigung erhielt, eine Kirche in Haithabu zu bauen. Wie schon erwähnt, wurde die Errichtung der dänischen Kirchen­ provinz im 12. Buch dargestellt, weshalb sie als Parallele zu Christi Ge­ burt im 5. Buch nicht in Frage kommt. Im 13. Buch aber wird ein an­ deres Ereignis erwähnt, nämlich die Geburt des späteren Königs Wal­ demar I., eine Woche nach der Ermordung seines Vaters. So stellt die Geburt des Wiederherstellers der Reichseinheit eine typologische Pa­ rallele zur Geburt Christi dar. W ir werden später noch darauf zurückkommen, daß die dänische Reichsideologie um 1200 Dänemark als R eich Gottes auf Erden an­ sah; und im eben erwähnten Beispiel haben wir ein erstes Indizium.

Die Interpretationen Kurt Johannessons und Inge Skovgaard-Petersens27 Im Jahre 1978 erschien das Buch des schwedischen Literaturwissen­ schaftlers Kurt Johannesson, Saxo Grammaticus. Komposition och världsbild i Gesta Danorum. Anhand seiner soliden Kenntnisse der mittelalter­ lichen Gelehrsamkeit ordnet er die Gesta Danorum in diesen Zusam­ menhang ein. Johannesson akzeptiert die Vierteilung der Gesta, die schon Inge Skovgaard-Petersen vorgeschlagen hatte, aber er bemerkt einige In­ konsistenzen und Unklarheiten. So ist die Geschichte Hamlets über zwei Bücher (3.-4.) verteilt, und die ruhmreiche Regierung Harald Hildetands wird im 7. Buch dargestellt, während das 8. Buch mit der Bråvallaschlacht und Haralds Tod im* Kampf beginnt. Der erste Erzbi­ schof, Asser, ist im 13. Buch keine Hauptfigur, das 14. Buch behandelt das Roskilder Episkopat Eskils und dessen erzbischöfliche Regierung in Lund, während die beiden letzten Bücher Absalons Archiepiskopat von seiner Wahl bis 1185 darstellen. Johannesson konkludiert, daß die

27 Z w ar hatte der A utor schon 1 9 7 7 neue Gedanken über die K om position Saxos veröffentlicht, aber als mein B u ch erschien, m uß die Abhandlung Johannessons schon im D ru ck gewesen sein; ferner sind die w eiteren Arbeiten Frau Skov­ gaard-Petersens eher als Vertiefungen und W eiterfiihrungen des schon erw ähn­ ten Artikels vom Jahre 1 9 6 9 anzusehen.

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Kapitel 2

Inkonsistenzen daraufhinweisen, daß das Ordnungsprinzip der Bücher nicht nur die Königs- oder Bischofsreihe ist; so muß man andere und profundere Kompositionsprinzipien suchen, die Johannesson in der antiken und mittelalterlichen Rhetorik findet. Er konstatiert, daß Saxo normalerweise die Ereignisse in logisch­ chronologischem Verlauf schildert, was man mit dem Fachausdruck ordo naturalis bezeichnen kann. In einigen Fällen geht er dramatischer medias in res, so am Anfang des 4. und des 8. Buches, was man als ordo artificialis beschreiben kann; eben diese Buchwechsel hatte Johannesson sonderbar gefunden. Der schwedische Forscher konstatiert weiter, daß am Anfang jedes Buches ein Begriff eingefiihrt wird, der im betreffen­ den Buch weiter entwickelt *wird. Bei Saxo sind Kompositionen auf mehreren Ebenen zu sehen, und eine solche Ebene ist die der Kardi­ naltugenden. Das Mittelalter kannte sieben Haupttugenden: die drei theologischen (Glaube, Hoffnung und Liebe = fides, spes et caritas) und die vier Kardinaltugenden, die eher ethisch als theologisch begründet sind, nämlich Umsicht (prudentia,Vorbild Odysseus), Mäßigung (tempe­ rantia, Vorbild Nestor), geistige Stärke (fortitudo, Vorbild Agamemnon) und iustitia (Gerechtigkeit,Vorbild Menelaos). Johannesson nimmt folgende Einteilung vor: 1. Buch fortitudo, 2. Buch nochmals fortitudo, aber mit Freigebigkeit —liberalitas, eigentlich eine Form der Gerechtigkeit - verbunden, im 3. Buch erkennen wir nochmals fortitudo, aber diesmal mit Umsicht, prudentia, verknüpft, und im 4. Buch zeigt Saxo, wie Hamlet wegen fehlender Mäßigung (tem­ perantia) zu Grunde geht. Das erste Viertel ist um den Begrifffortitudo aufgebaut, der im 1. Buch in reiner Form auftritt und uns in den an­ deren drei Büchern in Verbindung mit den drei weiteren Tugenden be­ gegnet. Das zweite Viertel gehört der Mäßigung oder temperantia, die im 5., 6. und 7. Buch allein auftritt. Im 8. Buch sehen wir sie in Verbindung mit der Frömmigkeit, pietas, die als eine Sondererscheinung der Ge­ rechtigkeit anzusehen ist und deren natürliche Form die Liebe zu Fa­ milie und Freunden ist. Dieser Begriff (pietas) beherrscht das dritte Viertel des Werkes, in dem verschiedene Formen als Beispiele, exempla, dargestellt werden. So ist im 9. Buch die Liebe zwischen Regner Lod­ brok und dessen Söhnen ein Beispiel der von der Natur eingegebenen pietas, während das Hirdgesetz im 10. Buch ein Beispiel von der Liebe 24

Die Komposition der Gesta Danorum

zur gesetzmäßigen Ordnung darstellt, also pietas auf einer anderen Ebe­ ne. Im 11. und 12. Buch erreichen wir die höchste Form von pietas, nämlich die Liebe zu Gott. Im 11. Buch haben wir die Exkommunizierung und Sündenvergebung des Königs sowie die Ermordung Knuds des Heiligen im Odenser Dom, im 12. Buch hören wir von der Wallfahrt Eriks I. als Buße, aber auch von der Errichtung des Erz­ bistums. Im letzten Viertel der Gesta Danorum sieht Johannesson die Umsicht, prudentia, als grundlegendes Prinzip, da dort die königlichen Ratgeber stärker als zuvor in den Vordergrund treten. In den einzelnen Büchern werden antithetische Begriffe einander gegenüber gestellt: im 13. Buch z. B. die Treue (fides) gegen die fehlende Treue, im 14. Buch bilden die Hoffnung (spes) und die Hoffnungslosigkeit den Gegensatz so wie die Barmherzigkeit und die Rachsucht im 15. Buch. Im letzten Buch wird die schnelle Vorwärtsbewegung der langsamen, fast stagnierenden ge­ genübergestellt. Wenn Johannesson mit seiner Feststellung darin recht hat, wenig­ stens in größeren Zügen in den Kardinaltugenden ein Ordnungsprin­ zip zu sehen, kann man fragen, ob es Vorbilder für diese Idee gibt. Und tatsächlich gibt es welche: Ciceros De officiis und das große Lehrgedicht Hexaemeron, das vom Erzbischof Anders Sunesen verfaßt wurde, dem Prälaten, dem Saxo in der Präfatio dankt. Im 7. Gesang spricht Anders von den Kardinaltugenden, die miteinander verknüpft sind und dazu dienen; den Menschen in den Himmel zu fuhren.28 Saxo war nicht nur mit der Grammatik und der Rhetorik vertraut, er zeigt auch solides kriegswissenschaftliches Wissen: Einerseits kennt er Militärverfasser wie Vegetius und Frontinus, andererseits hatten sein Großvater und Vater als Mitglieder der königlichen Gefolgschaft (Hird) manchen Feldzug mitgemacht. Daß Saxo auch im weltlichen und im kanonischen R echt juristische Kenntnisse hatte, sieht man an einigen Stellen des Werkes: So ist die Exkommunizierung Svend Estridsens im 11. Buch nach dem Kirchenrecht korrekt dargestellt, und auch in der

28 D ie neueste Edition Andreae Sunonis filii Hexaemeron wurde von St. E b b e s e n & L. B. M

o rten sen ,

Kopenhagen 198 5 betreut. Für die D änisch-Lesenden gibt es

eine m oderne Ü bersetzung von H . D. S c h e p e l e r n , Hexaemeron gengivet p å dan­

ske vers, K openhagen 1 9 8 5 .

25

Kapitel 2

Erzählung über die Erzbischofswahl Absalons zeigt unser Verfasser kanonistisches Wissen. Nach Johannesson gibt es zwei weitere Ordnungsprinzipien in den Gesta Danorum, da neben den Tugenden auch die sieben Todsünden auftreten. So begegnen uns im 1. Buch der Neid (invidia), im 2. Buch die Habgier (avaritia) und im 3. und 4. Buch die Trägheit (acedia, iner­ tia, imbecillitas). Das 5. Buch zeigt uns die Unkeuschheit (luxuria), das 6. Buch das Fressen (gula), während wir im 7. Buch den Zorn (ira) und im 8. Buch die übergreifende Sünde des Hochmuts (superbia) finden. So treten die Sünden vor allem in der ersten nicht-christlichen Hälfte des Werkes auf, in der zweiten Hälfte finden wir wiederum An­ spielungen auf die Tugenden. Im dritten Teil - den Büchern 9-12 - bil­ det die Gerechtigkeit (iustitia) das Leitmotiv. Es werden hier eine R e i­ he von Verletzungen der menschlichen und göttlichen Gerechtigkeit dargestellt. In den letzten vier Büchern finden wir die drei theologi­ schen Tugenden: im 13. Buch die feudale Treue Knud Lawards seinem Onkel, dem König, gegenüber, alsoßdes. Im 14. Buch werden die mei­ sten Wendenzüge dargestellt, was eine Hoffnung auf Befreiung von der Wendengefahr, also spes, bedeutet, während die Milde Absalons ge­ genüber den Aufständischen in Schonen die väterliche Liebe, also cari­ tas, repräsentiert. Meines Erachtens ist aber dieses Modell - so interessant es auch scheinen mag - nicht ganz überzeugend. Daß die sieben Todsünden in der ersten, nicht-christlichen Hälfte auftreten, ist durchaus akzeptabel, obwohl Johannesson eine Sünde auf zwei Bücher verteilen muß, da­ mit die Rechnung aufgeht. Dafür ist es auffällig, daß im dritten Viertel die Gerechtigkeit - oder eben das negative Bild derselben —zum Leit­ motiv wird, während im letzten Viertel die theologischen Tugenden das Ordnungsprinzip darstellen, ohne daß man ein Leitmotiv für das 16. Buch findet. Letzteres ist zwar eine Schwäche dieser Interpretati­ on, wie auch der Umstand, daß in der ersten Hälfte sieben Sünden auf acht Bücher verteilt werden sollten. Will man diese Interpretation ret­ ten, so muß man annehmen, daß die erste Hälfte von den Sünden ge­ prägt ist, was der vorchristlichen Geschichte Dänemarks entspricht. In der christlichen Zeit bis zur Errichtung des Erzbistums finden wir in den Büchern 9-12 den Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen - daher die zahlreichen Verletzungen der Gerechtigkeit - während 26

Die Komposition der Gesta Danorum

nach der Gründung der dänischen Kirchenprovinz die Zeit der theo­ logischen Tugenden gekommen ist. So verstanden macht das Modell Sinn, aber wie schon gesagt, die Sündenzahl stimmt nicht, und das 16. Buch bleibt ohne Leitmotiv. Ein weiteres Ordnungsprinzip findet Johannesson in der Philologie, deren Grundsätze in der ersten Hälfte des Werkes entwickelt werden. So finden wir im 1. Buch die Grammatik und im 2. Buch die Logik oder Dialektik, während die beiden nächsten Bücher der Rhetorik ge­ widmet sind. Das 5. Buch zeigt uns Beispiele guter und schlechter B e ­ redsamkeit, im 6. Buch finden wir sowohl Panegyrik als Satire, während im 7. Buch die sogenannte Abkürzung —Abbreviatio - auftritt, die durch »Verdichtung« des Ausdrucks eine größere Prägnanz erhält. Schließlich kulminiert diese Sprachlehre in der höchsten Gattung, dem episch-heroischen Gedicht. Im dritten Viertel der Gesta werden die literarischen Wirkungsmit­ tel dargestellt: im 9. Buch die Antithese (Gegenüberstellung), im 10. Buch das Unklare und Zweifelhafte (dubium), im 11. Buch das Staunen und im 12. Buch die anscheinend bedeutungslosen Ereignisse. Im letzten Viertel der Gesta erscheint die juristische Redekunst als Inspiration: im 13. Buch die Lehre vom Status, im 14. Buch die Knif­ fe, Indignation und Mitleid zu erregen, die Zurückweisung von An­ klagen im 15. Buch und schließlich im 16. Buch die sprachliche B e­ schleunigung festinatio. Die Schwierigkeit bei diesem Modell liegt insbesondere darin, daß ein Begriff über zwei Bücher (3. und 4.) ausgedehnt wird; auch ist die Beschleunigung im 16. Buch vielleicht nicht ganz überzeugend. Johannesson bietet daneben u.a. ein astronomisch-astrologisches und ein mathematisches Interpretationsmodell, die aber beide weniger wahrscheinlich erscheinen. Frau Skovgaard-Petersen erklärt sich in ihrer Rezension der Arbeit von Johannesson29 von dessen Erklärungsmodell nicht ganz überzeugt, worin ich ihr zustimmen kann. Johannesson gibt auf den Seiten 80-83 eine Übersicht der verschiedenen kompositorischen Ebenen: Staat, Kirche, Moral, Sprache, Natur, Symbole, aber mitunter enthüllen sich die verschiedenen Erklärungsversuche als reine Spekulationen. 29 Historisk Tidsskrift 14. R . I, 1 9 8 0 , S. 1 3 9 -1 4 4 .

27

Kapitel 2

Dafür macht Johannesson manche scharfsinnigen Beobachtungen, so weiß z. B.Waldemar I., daß einige Mitglieder seiner Gefolgschaft ihn zu verraten beabsichtigen. Diese Episode erinnert an das letzte Abend­ mahl, was wohl kein Zufall ist, denn die Geburten Christi und Walde­ mars sind typologische Parallelen. Johannesson hat aber recht mit seiner Feststellung, daß das Werk vom Anfang bis zum Ende konsistent ist. Ferner hat er auf Erklärungs­ modelle und -möglichkeiten hingewiesen, die von der bisherigen For­ schung wenig berücksichtigt worden sind, obwohl er nicht immer ei­ nen überzeugenden Beweis für deren Richtigkeit zu leisten vermag. Hier sind noch viele Fragen zu klären. Achtzehn Jahre nach der Veröffentlichung des schon erörterten Ar­ tikels von Inge Skovgaard-Petersen erschien schließlich ihr Buch über Saxos Geschichtsauffassung.30 Der etwas eigenartige Titel ist eine An­ spielung auf die lange Regierung des Friedens unter Frode III. (dem Friedfertigen), die chronologisch mit der Zeit Jesu auf Erden zusam­ menfällt. Frau Skovgaard-Petersen setzt in ihrem Buch ein Ordnungsprinzip voraus, das auf der dänischen Kirchengeschichte basiert, und wie auch Johannesson hält sie die Bucheinteilung für authentisch. Die Autorin bemerkt, daß für Saxo auch die Isländer als Vermittler von historischen Erzählungen von Bedeutung waren, und sie versucht deshalb, einige dieser Quellen zu identifizieren. Eine Schwierigkeit dabei ist, daß die isländischen Quellen manchmal schwer zu datieren sind. So kann man durchaus nicht ausschließen, daß in Wirklichkeit Saxo die Quelle der Isländer gewesen ist. Auch mag der Hinweis auf die Isländer ein litera­ rischer Topos gewesen sein, wie in der Artusdichtung der Hinweis auf la mattere de Bretagne. Frau Skovgaard-Petersen geht es in ihrem Buch um eine Untersu­ chung von Teilaspekten der Saxoproblematik. Sie bemerkt, daß in der klassischen Bucheinteilung die Zeit Eskils als Bischof und Erzbischof im 14. Buch erörtert wird, während die Tätigkeit Starkads im 6., 7. und 8. Buch erzählt wird. Nach einer längeren Untersuchung kommt sie zu der Konklusion, daß Starkad und Eskil typologische Parallelen bilden.

30 D a Tidernes Herre var nær. Studier i Saxos historiesyn , 1987.

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Die Komposition der Gesta Danorum

Beide treten als Hüter der Moralität auf, Starkad als Befürworter einer strafferen, anständigeren Hofordnung und Politik, Eskil als Anhänger der Gregorianischen Reformbewegung und Freund von Bernhard von Clairvaux. Starkad begegnet uns im 6., 7. und 8. Buch; er lebte so lange wie drei normale Leben, da Odin (Wotan) ihn als Werkzeug verwenden wollte. In jedem Leben beging er eine Schandtat, zuerst wollte Odin den nor­ wegischen König töten; also wurde Starkad Mitglied in dessen Ge­ folgschaft. Als die Norweger sich durch ein Menschenopfer mit den Göttern auszusöhnen wünschten, traf das Los den König, der sich pro forma hängen ließ. Starkad aber gab ihm mit dem Schwert den Gna­ denstoß, anstatt ihm zu helfen. Mehrere Jahre kämpfte Starkad danach im Ausland und kehrte selten nach Dänemark zurück. Besonders berühmt ist seine moralische Säuberung des Hofes. Der junge König Ingiald interessierte sich nicht für das Kriegshandwerk, sondern führte ein süßes Leben mit gutem Essen und gutem Trinken. W ie tief der Zustand der Moral gesunken war, wird aus der Liebesverbindung der Schwester des Königs mit einem Goldschmied - nicht mit einem fürstlichen Krieger —und aus deren Liebkosungen vor aller Augen ersichtlich. Starkad geriet in Zorn darüber und zog sein Schwert. Der Goldschmied versuchte zu fliehen. Der Schwester des Königs erwächst aus diesem Vorfall die Einsicht, sich künftig standes­ gemäß zu benehmen. Starkads Standesauffassung ersehen wir auch aus einer anderen Epi­ sode. Nach einem siegreichen Kampf saß er schwer verwundet am Rande des Schlachtfeldes.Vorbeigehende boten ihre Hilfe an. Starkad lehnte die Hilfe eines Justizbeamten ab, weil er die Ausübung eines sol­ chen Berufes als ungerecht empfand. Der nächste hatte eine Sklavin geheiratet und arbeitete, um ihre Freiheit zu erkaufen; auch dessen Hilfe nahm der alte Krieger nicht an. Dann kam eine Sklavin und bot ihre Hilfe an; Starkad schickte sie nach Hause, ihre neugeborene Toch­ ter zu stillen; erst die Hilfe eines Freibauern war Starkad recht. Später kehrte Starkad nach Dänemark zurück, und es gelang ihm, den König dazu zu bewegen, den Tod des Vaters zu rächen. Aber die Parallele mit Eskil überzeugt nicht: Starkad beging während seines Lebens drei Schandtaten: Er tötete wie erwähnt den König, unter dem er kämpfte, er floh einmal aus dem Kampf, und er 29

Kapitel 2

tötete schließlich fiir Geld seinen alten Bekannten, den König Oie, hü­ tete jedoch die öffentliche Moralität. Kann man akzeptieren, daß bei Saxo Dänemark das R eich Gottes auf Erden repräsentiert, so scheint die Rolle Starkads eher derjenigen des hl. Petrus in der Kirche ähnlich zu sein. Dies wird dadurch unterstützt, daß der hl. Petrus drei Schand­ taten beging, als er Jesus in der letzten Nacht vor dessen Tod dreimal verleugnete. Dafür kann Saxo Eskil nur eine Schandtat nachweisen, nämlich seine Auseinandersetzung mit Waldemar I. um 1161. Frau Skovgaard-Petersen versucht des weiteren den Umstand zu er­ klären, daß die Hamleterzählung sich über das dritte und vierte Buch erstreckt. Im dritten Buch soll Hamlet den nur auf sich bezogenen Menschen vertreten, indem er sich als blödsinnig ausgibt, um seine R a ­ che vorzubereiten; im 4. Buch läßt er sich ohne Genehmigung des Oberkönigs als König huldigen und verletzt so die Gesellschaftsord­ nung.31 Bringt Frau Skovgaard-Petersen im Buch Neues, so ist ihre Ab­ handlung von 1969 viel stringenter geschrieben, obwohl sich ihre Ideen meines Erachtens nur teilweise aufrechterhalten lassen. Gleich­ wohl stellt sie eine gute Übereinstimmung zwischen der in den Gesta Danorum dargestellten Königsideologie und derjenigen, die wir in an­ deren Quellen - besonders den Urkunden der Zeit um 1200 - finden fest. Dabei sind die nicht-schriftlichen Quellen nicht berücksichtigt worden, aber sie stimmen mit der aus den Urkunden und Saxo be­ kannten Ideologie gut überein. Von Bedeutung sind natürlich nur die offiziellen Quellen mit Siegeln, Münzen und den bildlichen Darstel­ lungen, die als offiziell betrachtet werden können.

Die Bucheinteilung Es gibt zwei Überlieferungstraditionen, die beide auf das Angersfrag­ ment A zurückgehen. Eine Überlieferung wird durch die jütische Chronica Jutensis von etwa 1340 vertreten. Der anderen Kette gehören die übrigen mittelalterlichen Fragmente an, die späteren Historiker, die Saxo benutzten, und die Erstausgabe a der Gesta Danorum. Die Texte 31 A u f ähnliche Weise erklärt S. KVÆRNDRUP 1 9 9 9 , S. 1 8 0 -1 8 1 die Aufteilung der H am let-Erzählung au f zwei Bücher.

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Die Komposition der Gesta Danorum

der Überlieferung, zu der die Pariser Edition gehört, weisen keine In­ dizien einer abweichenden Bucheinteilung auf, die wir hingegen in der Chronica Jutensis finden.

Ist die Einteilung in B ücher authentisch? W ir haben gesehen, daß die Einteilung in Bücher sich dazu verwen­ den läßt, ein oder mehrere Ordnungsprinzipien in den Gesta Danorum zu erkennen. W ir haben auch gesehen, daß einige Wechsel von einem Buch zum anderen nicht selbstverständlich sind, was schon Johannesson bemerkt hat. Eine Überprüfung der Bucheinteilung scheint daher angemessen. Natürlich ist nur die Überlieferung, die älter als die Edition von 1514 ist, zu berücksichtigen, wobei ich auf Ivan Boserups Stemma verweise.32 So ist das Angersfragment (A), das keinen Buchwechsel umfaßt, ohne Bedeutung für die Bucheinteilung. Lassens Fragment (B) besteht aus ei­ nem Blatt; auf dessen Rectoseite steht am Fuß eine Anmerkung, die von der Texthand stammt: .vij9., also septimus. Sie ist sowohl mit der Tinte der Textfarbe als auch mit roter Tinte geschrieben. In der mo­ dernen Edition entspricht das Blatt des Fragmentes 133 Zeilen, während der Text bis zum Anfang unseres Fragmentes 5597 Zeilen umfaßt. Durch eine einfache Division kommen wir zu dem Ergebnis, daß sich vor unserem Blatt 42 Blätter befanden. Obwohl das Fragment einen Teil des 6. Buches umfaßt, kommt es mir wahrscheinlicher vor, die Siebenzahl als die Hefteinteilung betreffend zu sehen. Tatsächlich lassen sich die 42 Blätter ohne Schwierigkeit auf drei Hefte von acht Blättern und auf drei von sechs Blättern aufteilen. Aber - die innere Kante des Fragmentblattes ist konkav statt konvex, was man vom er­ sten Blatt eines Heftes hätte erwarten sollen. Außerdem finden sich Leimspuren und ein Fragment eines Blattes, das mit zwei Fäden an­ genäht ist. Dieser Umstand ist wahrscheinlich so zu erklären, daß sich Lassens Fragment von den übrigen im Heft gelöst hat, weshalb man es an das vorhergehende Blatt angeleimt, vielleicht auch angenäht hatte. Schließlich beginnt das Fragment mitten im Satz, was auch gegen ei­ nen Buchwechsel an dieser Stelle spricht. 32 I. B oserup 1981, S. 10-11; siehe unten S. 35. 31

Kapitel 2

Laverentzens Fragment (C) ist wie bekannt verschollen, nach der Ab­ schrift Sperlings war der Buchwechsel vom 6. zum 7. Buch (an dersel­ ben Stelle wie in der Pariseredition von 1514) durch die mit roter T in­ te geschriebenen Worte gekennzeichnet: Explicit liber sextus. Incipit liber . -9

vn .

Kali-Rasmussens Fragment (D) gehörte zu derselben Handschrift wie Lassens Fragment. Mit roter Tinte liest man in der linken Spalte ... an9 X X X 9, was wohl als [Hald]anus xxx9 zu restituieren ist. Also war dieser Mann der dreißigste König Dänemarks: Im D-Manuskript des SaxoKompendiums ist an der entsprechenden Stelle Haidanus 319 rot un­ terstrichen geschrieben. Plesners Fragment (E) wird in der Forschung als aus einer anderen Handschrift als B und D stammend angesehen. Wir haben schon an­ gedeutet, daß es tatsächlich aus derselben Handschrift herrühren könn­ te; die Faksimile-Edition der Fragmente scheint dies zu bestätigen. Das Fragment enthält keine Auskünfte zur Bucheinteilung und ist in dieser Hinsicht uninteressant. Die Frage der Verwandtschaft mit den BD Fragmenten läßt sich nur durch eine Schriftanalyse klären. Wie wir alle wissen, sind die Ausformungen bestimmter Buchsta­ ben entscheidend für die Identifikation eines Schreibers, und selbst­ verständlich sind wegen der Variationsmöglichkeiten bestimmte Zei­ chen aufschlußreicher als andere, nicht nur die mittelalterlichen Abbreviaturen. Der hochverdiente Kopenhagener Mediävist Niels Skyum-Nielsen hatte die folgenden Zeichen besonders ergiebig gefunden: g, x, z (=et), -bz (=-bus), -4 (--rum ), qz (=que), con-, °° (-ur-), 9 (-us).33 Da die Fragmente Lassens (B) und Kall-Rasmussens (D) aus dersel­ ben Handschrift stammen, habe ich aus arbeitsökonomischen Gründen nur das kleinere D-Fragment mit Plesners E-Fragment verglichen.34 Das Ergebnis läßt sich folgendermaßen zusammenfassen:

33 V g l S k y u m - N

ie l s e n

1 9 4 8 -4 9 , S. 1 3 0 -1 3 3 .

34 Faksimiles in Apoteker Sibbernsens Saxobog, S. 6 5 , 6 7 , 6 9 , 7 1 , 7 5 und 77.

32

Die Komposition der Gesta Danorum

g

In beiden Fragmenten findet man einen Haupttypus mit einer bedeutungslosen Nebenform. Haupt- und Neben­ form sind in den Fragmenten identisch.

X

Fragment E: Haupttypus mit unbedeutender Variante; Fragment D: Haupttypus mit Variante (Querstrich). Von den Varianten abgesehen, ist die Hauptform in beiden Fragmenten dieselbe.

z (et)

Nur ein Auftreten in E; in D Haupttypus identisch mit E, ferner zwei weniger bedeutende Varianten.

- bz (-bus) Haupttypus mit Nebenform, identisch in beiden Frag­ menten. - 4 (-rum) Hauptform -orum mit unbedeutenden Varianten, Neben­ form -arum. Letztere findet sich im E-Fragment nicht; die Hauptform ist in beiden Fragmenten dieselbe. qz (-que)

Fragment E: Ein Typus in drei unbedeutenden Varianten. Fragment D: Haupttypus und Nebenform (zu letzterer eine unbedeutende Variante). Die Hauptform ist mit dem E-Typus identisch, die Nebenform findet sich nur im D Fragment.

(con-)

Fragment E: Ein Typus (2 Fälle) mit unbedeutender Vari­ ante (1 Fall). Fragment D: Zwei ebenbürtige Typen, A (7 Fälle) und B (6 Fälle nebst einer Variante). Die Form ist nicht mit deijenigen des E-Fragmentes identisch.

00 (-ur-)

Dieselbe Form in sämtlichen Fällen der beiden Fragmente.

9 (-us)

Fragment E: Ein Typus. Fragment D: Haupttypus mit be­ deutungslosen Varianten; in einem Fall ein anderer Typus. Dieser erscheint nur in den mit der roten Tinte geschrie­ benen Worten [Hald]an9xxx9, die wohl von einer anderen Hand hinzugefugt wurden. 33

Kapitel 2

Die Schriftanalyse hat nachweisen können, daß, obwohl die con- For­ men unterschiedlich sind, die acht anderen Buchstabtypen in den bei­ den Fragmenten übereinstimmen. Plesners Fragment (E) muß so zur selben Handschrift wie Kall-Rasmussens (D) und Lassens (B) Frag­ mente gehört haben. Die Seeländische Chronik (F) hat Saxo auch benutzt. Die Arbeit bringt Auszüge aus den Gesta Danorum. Keiner von diesen hat aber Bedeu­ tung für die Frage der Bucheinteilung. Verschiedene Historiker des Spätmittelalters und des 16. Jahrhunderts haben Saxo benutzt, so der Schwede Ericus Olai, der 1486 verstarb. Seine Darstellung der Zeit bis 1185 gibt aber keine Auskünfte über die Buch­ einteilung. Der Hamburger Theologe und Historiker Albert Krantz (um 1445-1517), der auch in Rostock tätig war, ist der Verfasser von vier Büchern über die Geschichte Nordeuropas, in denen er Saxo verwendet haben kann.Von diesen enthalten Metropolis (1548), Saxonia (1520) und Wandalia (1519) keine Auskünfte zur Frage der Bucheinteilung, während die im Jahre 1546 erschienene Chronica Regnorum Aquilonarium auf Seite 42 die Marginalnote Saxonis lib. Sexto trägt. Dieser Hinweis bezieht sich auf die Ereignisse der Regierung König Ingelds, die von Saxo im 6. Buch dargestellt werden, und hat so kaum Bedeutung für die Bucheintei­ lung. Ähnliches trifft aus chronologischen Gründen für den ehemaligen Franziskaner Peder Olsen (O) (gest. um 1570) zu, schließlich sind einige Bruchstücke der Übersetzung Christian Pedersens (gest. 1554), des Her­ ausgebers, überliefert, die aber keine Bedeutung für unsere Frage haben. Wie man aus dem Stemma ersehen kann, gehören die bis jetzt erör­ terten Handschriften und Arbeiten derselben Textgattung an, die auf den Archetyp X zurückgeht. Es gibt aber eine andere, unabhängige Überlieferung des Urtextes in A, nämlich die gekürzte Version im Compendium Saxonis als Einleitung zur jütischen Chronik (/), die wir jetzt betrachten werden. Das Compendium ist in einer lateinischen und zwei niederdeut­ schen Fassungen überliefert,35 aber da letztere auf der lateinischen ba35 Annales Danici Medii Æ vi hrsg. E . JØRGENSEN 1 9 2 0 , S. 2 8 A nm . 2; A. L. K n u d ­ sen

34

1 9 9 4 , S. 21.

Die Komposition der Gesta Danorum

Sigla: A

Angers fragment Paris edition, 1514

K k

Albert Krantz

a BD b C

Lassen + Kall-Rasmussen’s fragments

O

Peder Olsen

Codex o f Caspar Barth (lost)

Codex used by O (lost)

Laverentzens fragment (lost)

c

Collation of C

o p s

E F

Piesner s fragment Chronicon Sialandiae

t

f

Codex used by F (lost)

V

A.S.Vedel’s translation, 1575

X

Archetype o f the medieval vulgate

g

Codex of Birger Gunnersen (lost)

j

Compendium Saxonis

Codex used by K (lost)

Copy of g used for printing a (lost) Stephanius’ Saxo edition and com­ mentary, 1645 Christiern Pedersen’s translation (lost)

(lost)

Quelle: B oserup 1 9 8 1 , S. 1 0 -1 1 .

35

Kapitel 2

sieren, lassen wir sie hier außer Betracht. Den lateinischen Text kennen wir aus vier Handschriften, die alle feststellen, daß die Gesta Danorum aus 16 Büchern bestanden. Von den vier Handschriften bezieht sich nur D direkt auf die Bucheinteilung, aber auch die anderen lassen sich zu dieser Frage benutzen. Für genau die Hälfte der Buchwechsel finden wir eine vollständige Übereinstimmung zwischen dem Compendium und der Pariser Ausga­ be (Anfang des 1., 2., 3., 6., 10., 11., 12. und 13. Buches); flir den An­ fang des 4., 5., 7., 8. und 9. Buches gibt es keine Übereinstimmung, während im Manuskript D sich Lakunen finden, wo die Bücher 14., 15. und 16. hätten beginnen sollen. Für die nicht übereinstimmenden Fälle habe ich die Abschnittein­ teilungen der vier Handschriften berücksichtigt, wie Abschnittwechsel mit eingerücktem Zeilenanfang, große Anfangsbuchstaben und Kapi­ telüberschriften. Auf diese Weise ergibt sich, daß der Anfang des 5., 7., 8., 9. und 16. Buches als authentisch anzusehen ist, während das Ende Hamlets ins 3. Buch gehört; so begann wahrscheinlich das 4. Buch mit dem Regierungsantritt Wermunds, dessen Sohn im Zweikampf auf der Eiderinsel zwei deutsche Krieger besiegen sollte. Die Anfänge des 14. und 15. Buches sind problematischer, denn das 14. Buch ist das größte der ganzen Arbeit: Es umfaßt die Zeit zwischen 1134 und 1177. Die erhaltenen Handschriften des Compendiums schei­ nen am Ende des 14. Buches (Abdankung Eskils) keinen Einschnitt zu sehen, dafür finden sie —im Gegensatz zu der Pariser Ausgabe —einen in der Bischofswahl Absalons 1158 und in der Alleinherrschaft Walde­ mars I. seit Oktober 1157. Es scheint sinnvoll, hier das 15. Buch an­ fangen zu lassen. Übrig bleibt der Wechsel zwischen dem 13. und dem 14. Buch, für welchen uns die Handschriften vier Möglichkeiten bieten. Unter ihnen verdient die Wahl Erichs III. im Jahre 1137 besondere Aufmerk­ samkeit, denn bei dieser Gelegenheit wurde das Erbrecht des jungen Waldemar (des späteren Königs) anerkannt, und zur selben Zeit starb der erste Erzbischof. Diese Lösung wird besonders dann interessant, wenn der R egie­ rungsantritt Waldemars einen Buchanfang zu bedeuten scheint. So schlage ich die folgenden Einteilungsänderungen vor, indem ich auf die Olrik-Ræder-Edition verweise: 36

Die Komposition der Gesta Danorum

3. 4. 13. 14. 15.

Buch Buch Buch Buch Buch

Seite 63-S. 92 ZI. 18 Seite 92 ZI. 19-S. 103 Seite 342-S.371 ZI. 2 Seite 371 ZI. 3-S. 412 ZI. 13 Seite 412 ZI. 14-S. 536

statt statt statt statt statt

S. S. S. S. S.

63-84 85-103 342-366 367-520 521-536.

Diese Ausführungen basieren auf dem ersten Kapitel meiner Habilita­ tionsschrift.36 Damals dachte ich, die veränderte Bucheinteilung dem Herausgeber Christian Pedersen zuschreiben zu müssen, der somit eine kirchenfreundlichere Betrachtungsweise eingeführt hätte. In dem schon zitierten Aufsatz von Ivan Boserup, The Angers Fragment sieht dieser im Archetyp X eine spätere Bearbeitung des Manuskriptes A , wie wir es aus dem Angers-Fragment kennen. Er sieht Saxo selbst als Bearbeiter, was wohl mit der geänderten Bucheinteilung weniger wahrscheinlich ist. Vielleicht hat der Bearbeiter gar nicht die hochi­ deologische ursprüngliche Bucheinteilung verstanden, denn diese Ideologie gehört in die Zeit der Waldemaren, besonders vor dem Zu­ sammenbruch des Imperiums in den 1220er Jahren. So kommen wir beim Abschluß unserer Überlegung zu dem fol­ genden Ergebnis: Die vom Angers-Fragment vertretene Urfassung wurde vom Verfasser des Compendiums verwendet, während im Laufe des 13. Jahrhunderts die endgültige Fassung entstand, die zwischen den Varianten die Wahl vornahm und auch die Bucheinteilung in einigen Fällen änderte. Will man die zeitgenössische Ideologie Saxos ent­ decken, so muß man deshalb die von uns rekonstruierte Bucheintei­ lung verwenden.

Die spätere Forschung Wie schon gesagt, erschienen die obigen Ausführungen so spät, daß Kurt Johannesson in seiner im folgenden Jahre veröffentlichten Arbeit keine Stellung dazu nehmen konnte. Frau Skovgaard-Petersen erwähnt sie in ihrer Habilitationsschrift, ohne sie jedoch zu widerlegen, indem sie die herkömmliche Bucheinteilung akzeptiert.37 Dafür hat sie sie an­ 36 T h . R n s 1 9 7 7 , insbesondere S. 2 0 -2 8 . 37 S k o v g a a r d - P e t e r s e n 1 9 8 7 , S. 2 6 5 - 2 6 6 A nm . 5.

37

Kapitel 2

läßlich ihrer Besprechung von Johannessons Buch kurz erörtert. Ihre Konklusion ist, daß mein Vorschlag die Frage nicht beantwortet, wes­ halb die Zahl der Könige von Buch zu Buch so unterschiedlich ist.38 Aber ist dies wirklich ein Problem von Bedeutung? Obwohl sie ihre Auffassung nicht eindeutig beweisen kann, konkludiert Frau Skovgaard-Petersen, daß es sehr wichtig sei, die Bucheinteilung der Pariser Edition aufrecht zu erhalten. Je mehr man ihr vertrauen könne, auf desto festerem Boden stünden wir bei der Arbeit mit den Gesta Dan­ orum. Dagegen ist Birgit Strand (jetzt Sawyer) der Meinung, daß falls unsere Rekonstruktion der Bucheinteilung stichhaltig ist, einige der von Johannesson nachgewiesenen Widersprüche und Unklarheiten verschwinden würden.39 In seinem schon zitierten Buch argumentiert Anders Leegaard Knud­ sen gegen meinen Vorschlag zur Änderung der Bucheinteilung der Editio princeps.40 Zwar konstatiert er wie ich, daß der Archetypus der vier lateinischen Handschriften keine Markierung des Buchwechsels zwischen Buch III und IV wie in der Editio princeps hatte, aber er ist der Auffassung, daß die fehlende Markierung nicht notwendigerweise auf den Archetypus der vier Handschriften zurückgeht. Dies ist zwar richtig, aber genau dieselbe Argumentation kann gegen die aus ande­ ren Quellen nicht bestätigten Buchwechsel der Editio princeps ange­ führt werden. Ferner ist es richtig, daß die Handschrift D Lücken bei den Buchtrennungen nach Buch X III zeigt. Natürlich kann man dar­ aus nichts schließen. Wenn sämtliche vier Handschriften den von mir vorgeschlagenen Anfang von Buch X V hervorheben, hätte Leegaard Knudsen diese Tatsache nicht verschweigen sollen.41

38 Historisk Tidsskrift 14. R . I, 1 9 8 0 , S. 1 4 0 -1 4 1 . 39 B. S t r a n d 1 9 8 0 , S. 13. 40 A. L. K n u d s e n 1 9 9 4 , S. 3 9 -4 5 . Leegaard Knudsen hat Anhaltspunkte fiir die H y ­ pothese anfuhren können, daß die »dritte Hand« im Angers Fragm ent nicht die H and des Epitom ators ist. D adurch ist aber nicht bewiesen, daß das Compendi­

um Saxonis nicht au f die durch das Angers Fragm ent vertretenen Fassung zurückgeht. 41 Vgl. m eine Ü bersicht der Kapiteleinteilungen der vier H andschriften, R n s 1 9 7 7 , S. 24.

38

Die Komposition der Gesta Danorum

Daß die erste niederdeutsche Übersetzung eine Markierung des Buchwechsels III —IV wie in der Editio princeps zeigt, die sich in der lateinischen Fassung nicht findet, bedeutet dies nur, daß die lateinische Vorlage der Übersetzung auf einer anderen Überlieferung als der von D,V, A und S vertretenen basiert. Ich gestehe gern, daß meine Beweisführung sich nur auf Indizien stützen kann, aber dies trifft auch für die Argumentation Leegaard Knudsens zu. Einen weiteren Beleg findet er in der Tatsache, daß die durch die Editio princeps vertretene Bucheinteilung sinnvoll erscheint und deshalb beibehalten werden sollte.42 An und für sich macht die Bucheinteilung Sinn als Trennung zwi­ schen den verschiedenen Erzählungen. Nimmt man aber wie Frau Skovgaard-Petersen und Kurt Johannesson die vorhandene Buchein­ teilung als Basis für typologische Parallelisierungen, macht die Buch­ einteilung der Editio princeps keinen Sinn.43 Nach Frau Skovgaard-Pe­ tersen ist die Errichtung des Erzbistums die Parallele zur Geburt Chri­ sti in Buch V. Die Errichtung des Erzbistums wird aber in Buch X II und nicht in Buch X III erzählt, in dem wiederum die Geburt des spä­ teren Königs Waldemar des Großen erwähnt wird - eine durchaus sinnvolle Parallele zur Geburt Christi! Die Überlieferung allein erlaubt es nur, gewisse Indizien für die eine oder andere Bucheinteilung anzuführen; hinzu kommt aber, daß die Ideologie der anderen offiziellen Darstellungen - Arengen der Urkun­ den, Siegel, Münzen, bildliche Quellen - mit Saxos anhand der geän­ derten Bucheinteilung rekonstruierten Ideologie durchaus überein­ stimmt.44

42 A.L.

1994, S. 42-43. B. S t r a n d 1 9 8 0 , S. 1 3 . 44 Siehe T h . Rns 1977, S. 86-150. K n u d sen

43 V gl. a u ch

39

K a p it e l 3

Saxos Quellen Mündliche Tradition Es steht fest, daß Saxo in gewissem Umfang auf mündlicher Tradition basiert; so hat er z. B. fleißig die Erzählungen Absalons verwendet.45 Hier handelt Saxo wie der heutige Zeithistoriker, der ehemalige Teil­ nehmer am Geschehen interviewt. W ir dürfen uns wohl die damalige mündliche Tradition wirksamer als heute vorstellen. Heute besteht kein Zwang zur Erinnerung —mit Ausnahme der handwerksmäßigen Gebräuche. Dies war im Mittelalter anders. Noch um 1200 gab es Leu­ te, die das R echt sehr gut kannten, wohl aber eher in der Form der Rechtspraxis als in der Form von bestimmten Gesetzen. Diese Rechtsüberlieferungsart erscheint in der Niederschrift des schonischen Rechts durch Andreas Sunesen 1202-16,46 denn mehrmals werden di­ vergierende Auffassungen derselben Frage erwähnt. Auf diesem Gebiet müssen wir so die mündliche Überlieferung als zuverlässig anerken­ nen, weil sie für die Erhaltung der Gesellschaft notwendig war. Auf ähnliche Weise verhält es sich manchmal mit der Geschichte des Lan­ des oder des Stammes sowie mit dessen Religion, wenn die Schrift­ lichkeit nicht weit verbreitet ist. Ist das aber der Fall, so wird die Zu­ verlässigkeit der mündlichen Tradition schwächer und reicht selten über ein halbes Jahrhundert hinaus. So können wir annehmen, daß Saxo dort, wo er die Ereignisse aus ideologischen Gründen nicht ver­ dreht, für die Zeitgeschichte, also seit etwa 1160, brauchbar ist.

45

Saxo I,S . 5 ZI. 1 0 -1 3 .

46 Z u r Datierung: In § 4 5 wird W aldem ar II. als K ön ig erwähnt, was flir eine D a­ tierung nach 1 2 0 2 spricht. Das Gesetz kennt n och das G ottesurteil durch das heiße Eisen (§§ 5 7 -5 8 , 6 5 , 87, 9 2 , 9 7 , 9 9 , 1 10, 113, 127, 1 32, 135a), was 121 5 vom Laterankonzil verboten wurde. 1 2 1 6 oder kurz danach w urde das dänische R e c h t an das internationale K irchenrecht angepaßt, vgl. D ip l D an . I 5 N o. 9 6 und D gL I 2.

41

Kapitel 3

So wissen wir z. B. nicht, wer ihm von der Einnahme Arkonas auf R ü ­ gen erzählte, oder ob Saxo selbst an dem Feldzug teilnahm. Absalon war dabei und hat das Ereignis wahrscheinlich mit Saxo besprochen, aber unser Verfasser kann sich auch mit anderen Teilnehmern unter­ halten haben. Die Beschreibung der Statue Svantevits (des Hauptgot­ tes in Arkona) stimmt mit erhaltenen slawischen Götterstatuen über­ ein;47 bei dem Bekehrungsversuch Eriks II. in den 1130er Jahren wur­ de es den Arkonaern gestattet, das Svantevit-Standbild (eigentlich Svetovit) zu behalten, das nach Saxo falsch mit dem Namen des heiligen Vitus benannt wurde. Hier darf man erinnern, daß *sv’aty heilig be­ deutet; im Flußnamen Schwentine finden wir noch einmal das Wort: So ist die Schwentine der heilige Fluß.48 Die etymologische Erklärung Svantevits mit dem heiligen Vitus setzt einige Kenntnisse der wendi­ schen Sprache voraus - entweder bei Saxo oder bei dem, der ihm dar­ über erzählte. Andere mündliche Erzählungen sind mit bestimmten Gegenständen verknüpft: König Waldemar (wohl I.) konnte ein altes Rasiermesser zei­ gen, das angeblich im Besitz des im Jahre 1066 verstorbenen norwegi­ schen Königs Haralds des Harten gewesen war. Dieser sollte damit in Byzanz eine Schlange oder ein ähnliches Untier getötet haben.49 Eine ganz verwandte Überlieferungsart - eine auf Realien gestütz­ te mündliche Tradition —haben wir in der Erzählung50 von der verbo­ tenen Liebe Hagbards und Signes: Signe war die Tochter eines seelän­ dischen Königs namens Sigar, nach dem das D orf Sigersted seinen Na­ men erhielt. Es sei nebenbei erwähnt, daß wir hier im Herzen der Hei­ mat Absalons sind. Ein vornehmer junger Mann, Hagbard, verliebte sich in Signe, gab sich als Magd aus und wurde in den Dienst der Ge­ liebten genommen. Das junge Paar verbrachte die Nacht zusammen, und da beide wußten, daß ihre Liebe im höchsten Grade strafwürdig war, versprachen sie, sich gegenseitig nicht überleben zu wollen.

47 S a x o I 4 6 5 Z I. 5 - 2 0 . 48 S a x o I 3 6 8 Z I. 3 3 - 3 9 ; vgl. A . S c h m i t z 1 9 9 5 , S. 2 0 3 . 49 S a x o I 3 0 5 ZI. 1 1 -3 0 . Harald w ar in seiner Jugend Söldnerfiihrer in byzantini­

schen Diensten gewesen, vgl. Lexikon des M ittelalters IV, M ü nchen 1 9 8 7 -8 9 , Sp. 1 9 3 0 . 50 S a x o I 190 ZI. 2 6 -1 9 8 ZI. 27.

42

Saxos Quellen

Hagbard wurde verhaftet und sollte gehängt werden, aber er ließ zu­ erst seinen Mantel an den Galgen hängen. Signe sah es und zündete ihre Wohnung an, in der sie starb. Hagbard erkannte darin ihre Treue und ergab sich ruhig dem Henker. Heute, schreibt Saxo, ist vom K ö­ nigshof nichts als ein Wall zu sehen. Ein Mann habe Absalon einmal er­ zählt, daß er einen Balken gesehen habe, den ein Bauer beim Pflügen am Ort gefunden hätte; dieser wäre der letzte Überrest des Königsho­ fes gewesen, ferner wäre das D orf Havbyrd nach Hagbard benannt worden.51523 Wie sollen wir diese und die vorige Erzählung auffassen? Im Falle des königlichen Messers ist dieser Gegenstand der Ausgangspunkt, was wohl nicht verhindert, daß König Waldemar die Geschichte genau so wiedergibt, wie er sie gehört hat. Für die Liebesgeschichte liegen die Dinge vielleicht anders, denn ein in der Erde gefundener Balken zeigt nur, daß dort einmal ein Gebäude gestanden hat. Obwohl die ganze Erzählung eigentlich nur auf dem Balken und dem Ortsnamen ba­ siert, können wir nicht entscheiden, ob es Absalon war, der die Er­ zählung aus seiner Heimat kannte, oder ob Saxo (oder Absalon) sie erfand. Ein letztes Beispiel betrifft eine Periode mit Mißernten.D2 Man ver­ suchte, das Getreide zu rationieren, indem man das Bierbrauen verbot. Ein Schlemmer wollte sein Bier nicht aufgeben und umging das Ver­ bot, indem er sein Bier löffelte. Keine Maßnahmen halfen, bis man schließlich das Los entscheiden ließ, wer ins Ausland ziehen sollte, um den demographischen Druck daheim zu erleichtern. Dies sei die Wanderung der Langobarden ge­ wesen, die von Paulus Diaconus zur Zeit Karls des Großen in seiner Langobardengeschichte erzählt wurde, und Saxo konkludiert,^3 daß man an mehreren Orten noch sieht, wie der Wald sich auf ehemaligem Ackerland ausgebreitet habe. Geht diese Erklärung auf eine sich über 600 Jahre erstreckende mündliche Tradition zurück? Wohl kaum.54 Bei

51 S a x o I 198 ZI. 2 2 -2 7 , v g l. L. K o c h 1 9 9 4 , S. 3 7 -3 8 .

52 Sa x o I 2 3 6 ZI. 1 3 -2 3 8 ZI. 33. 53 S a x o I 2 3 8 ZI. 1 3 -3 3 .

54 Im S om m er 199 2 besuchte ich Estland und nahm an einer Exkursion teil, die von dem jetzigen Forstberater der estnischen R eg ieru n g geleitet wurde. An

43

Kapitel 3

Saxo handelt es sich wohl vielmehr um Wüstungen aus der Zeit der Bürgerkriege um die Mitte des 12. Jahrhunderts, was Saxo mit der langobardischen Wanderung in Verbindung setzt oder vielmehr: Was Saxo als Pflugspuren unter den Bäumen identifiziert, sind wohl eher die Rinnen zwischen den Einzelparzellen. In diesem Zusammenhang ist es ganz interessant, daß eine Paulus Diaconus Handschrift in Gotha nach einer Note dem König Waldemar von Dänemark, wohl Walde­ mar II., gehört hatte.55 Zeigen die erwähnten Beispiele, daß Saxo sich nicht notwendiger­ weise einer langen mündlichen Tradition bediente, so haben vor allem die älteren Forscher in den Gedichten lateinische Übersetzungen von nordischer, vorzugsweise mündlicher Skaldendichtung gesehen. B e­ kanntermaßen gebührt der Skaldendichtung Ansehen als historische Quelle, obwohl ihre Interpretation nicht immer ganz einfach ist. Die straffe poetische Form erleichtert die mündliche Überlieferung, genau wie die Alliteration (Buchstabenreime) in den Gesetzestexten. Ein Bei­ spiel: Ein Todesurteil kann durch den folgenden Satz gefällt werden: »til galge og gren, til høj og heden jord« ((wir verurteilen ihn) zu Galgen und zu Ast, zu Hügel und heidnischer Erde); d.h. der Verbrecher soll gehängt und außerhalb des Kirchhofs begraben werden. So spricht et­ was dafür, in den Gedichten lateinische Versionen nordischer Poesie zu sehen. Ob diese Hypothese der Wirklichkeit entspricht, werden wir im folgenden näher untersuchen.

Die Gedichte Zu diesem Thema liegen zwei Spezialarbeiten von Karsten Friis-Jensen vor.56 Die Edition durch Olrik und Ræder fuhrt Parallelstellen aus der antiken und der mittelalterlichen Literatur an; unter den am häu-*35 m anchen O rten zeigte dieser, w ie das Ackerland nach der russischen Besetzung aufgegeben w orden war und w ie der Wald sich ausgebreitet hatte. A ber in E st­ land war nur ein halbes Jahrhundert vergangen, nach einem Jahrhundert wäre vom Ackerland wahrscheinlich keine Spur m eh r zu erkennen. 35 Ms G otha N r. 139 aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert (Ms. G 5 a * der E di­ tion), Monumenta Germaniae Historica: Sciptores Rerum Langobardicarum et Italicarum V I -I X hrsg. G. W

a it z ,

H annover 1 8 7 8 , S. 3 9 .

56 K . F r ii s - J e n s e n 197 5 und seine Habilitationsschrift 1 987.

44

Saxos Quellen

figsten zitierten liegt Valerius Maximus souverän an der Spitze, es fol­ gen Justinus und Martianus Capella, und nach ihnen kommen Vergil und Curtius Rufus. Stichproben zeigen aber, daß die Zitatenwahl un­ zuverlässig und willkürlich ist. In der kleineren Abhandlung überprüft Friis-Jensen die als Anleihen aus Vergil zitierten Stellen bei O lrik-R æ der. Ihre Zahl wird dadurch stark reduziert, aber in einzelnen Fällen fugt der Hinweis aufVergil eine neue Dimension hinzu. W ir erinnern uns an den Goldschmied, in den sich die Königstochter wenig stan­ desgemäß verliebt hatte. Dies wurde von Starkad in einem satirischen Gedicht getadelt. Der Auftritt des Goldschmiedes enthält eine Anspie­ lung auf die Aeneis Gesang IV, auf die Beschreibung der Königin Dido von Karthago. Diese Anspielung unterstreicht so, wie weibisch und prachtliebend der Goldschmied war.57 Warum aber verwendet Saxo Gedichte? W ir dürfen nicht vergessen, daß unser Verfasser der Welt das hohe kulturelle Niveau des alten Däne­ marks zeigen wollte; so wird bei ihm auch die heidnische Zeit zu einer Blütezeit der Poesie. Die Gedichte findet man im 1. und 2. Buch, also noch in der Zeit, die der voraugusteischen Zeit in R om entspricht, sowie in dem 5.-8. Buch, die der römischen Kaiserzeit bis zur karolingischen Renais­ sance entsprechen. Betrachten wir nun die bedeutendsten Gedichte. Im 2. Buch wird das Leben in der Gefolgschaft Rolfs beschrieben. W ir können darin eine typologische Parallele zum Gefolgschaftsgesetz sehen, das angeblich von Knud dem Großen im 10. Buch eingefiihrt wurde.58 In der Nacht wurde der Königshof von dem Vizekönig in Schweden, dem Schwager Rolfs, überfallen, und alle griffen zu den Waffen. Nur der Krieger Bjarke erwachte nicht; dafür kehrte ein an­ derer Krieger, Hjalte, beim Kampfgeräusch von dem Besuch bei seiner Geliebten zurück. In einem langen Gedicht, das ein Gespräch zwi­ schen den beiden Helden repräsentiert, werden die kriegerischen Tu­ genden dargestellt sowie die Pflicht, flir den Herrn als Gegenleistung für dessen Geschenke zu kämpfen. Da Hjalte singt, um Bjarke zu wecken, wird das Gedicht Bjarkamál genannt.59

57 V gl. S a x o I 1 5 9 ZI. 9ff.

293-298. Z u r Ü berlieferung und zum Inhalt des Gefolgschaftsgesetzes, Rns 1977, S. 31-47. I 53-61.

Sa x o I

siehe T h . 59 S a x o

45

Kapitel 3

Auf die Frage nach den Vorlagen der Bjarkamal läßt sich keine ein­ deutige Antwort geben. Zwar gibt es einige altnordische Strophen, die bei Snorri Sturlason (gest. 1241) überliefert sind, aber der Beginn des nordischen Textes fehlt bei Saxo, und nur anderthalb Strophen sind mit den Gesta Danorum eindeutig verwandt. Übrigens schreibt Snorri fast eine Generation nach Saxo, der somit ebensowohl die Quelle Snorris gewesen sein mag. Jede sinnvolle Untersuchung der Bjarkamal muß auf dem lateini­ schen Text der Gesta Danorum basieren, denn 90-95% der nordischen Version fehlen —wenn wir überhaupt mit parallelen Versionen rechnen dürfen. Zwar sagt Saxo,60 daß sein Gedicht eine poetischeVersion ei­ nes kürzeren dänischen Gedichtes sei, aber man kann die Idee nicht völlig ablehnen, daß es sich hier um einen literarischen Topos handelt. Axel Olrik61 hat versucht, die vermutete, ursprüngliche nordische Ver­ sion zu bestimmen, und hat dabei herausgefunden, daß es sich um ein in Dänemark verfaßtes Gedicht aus dem frühen 10. Jahrhundert han­ delt. Friis-Jensen kritisiert allerdings mit Recht, daß Olrik von dem nordischen Charakter des Gedichtes so überzeugt sei, daß er sowohl die etwaige poetische Begabung Saxos wie auch den möglichen Ein­ fluß der klassischen lateinischen Literatur ausschließe. Nach Friis-Jensen kannte Saxo wahrscheinlich die Alexandreis von Gautier de Chatilion, der sein Werk um 1180 verfaßte; bezüglich der Bjarkamal findet Friis-Jensen eher die Inspiration von Gautier als direkt entlehnte Passagen. Ein klassisches Modell flir die Bjarkamal sieht FriisJensen im 2. Buch der Aeneis, das den Fall Trojas und den nächtlichen Kampf (die Nyktomachia) um die Stadt darstellt. So gab es sowohl ein antikes als auch ein mittelalterliches Vorbild fiir die Bjarkamal. Aber bei Saxo finden wir andere Anspielungen auf die­ ses heroische Gedicht: zum einen in der Verteidigung Knuds des Hei­ ligen durch die Gefolgschaft (1086) und zum anderen in der Darstel­ lung der blutigen Einladung in Roskilde im Sommer 1157, bei der König KnudV. getötet wurde und Waldemar I. entkommen konnte.

60 S a x o I 61 ZI. 8 -1 1 .

61 A . O lrik 19 0 3 I,S . 2 8 -1 1 4 .

46

Saxos Quellen

Nach der Chronologie Saxos lebte König R o lf 10 Generationen vor Christi Geburt, d.h. zur Zeit Alexanders des Großen. Gautier de Chåtillon benutzte Quellen in Prosa. Dagegen kann Saxo dänische Gedichte, angeblich aus der Zeit AJexanders, aufbieten. So konnte er die Ebenbürtigkeit der dänischen Kultur mit der klassischen zeigen. Wie schon gesagt, war König Frode der Friedfertige (Frode III.) der Zeitgenosse von Kaiser Augustus; die Ereignisse seiner Regierung er­ zählt Saxo im 5. Buch. Im 6. und 7. Buch kulminiert das poetische Ge­ präge, also gleichzeitig mit der römischen Kaiserzeit. Für Saxo waren poetische Begabung und militärische Tapferkeit keineswegs unverein­ bar - der alte Krieger Starkad ist ein ausgezeichneter Dichter - und Saxos Kollege Sven Aggesen vereinte in seiner Person den Soldaten und den Schriftsteller. Kann aber dieser Zug römisch sein? Hatte nicht Cicero in seinen Reden gegen Verres den eigenen Kunstverstand her­ untergespielt,62 da sich ein echter Röm er nicht mit ähnlich unnötigen Dingen beschäftigen sollte? Als Krieger und Dichter fällt Starkad eine Hauptrolle in der alten Ge­ schichte Dänemarks zu.63 Die Gestalt ist aus der altnordischen Litera­ tur bekannt, z. B. im isländischen Landnamabok, und nach Saxo hatte Starkad die Bråvallaschlacht in einem dänischsprachigen, mündlich überlieferten Gedicht erzählt.6465Saxo teilt uns drei lateinische Gedich­ te Starkads mit: das Helgalied, das Ingialdlied und sein eigenes Todes­ lied. Das Helgalied6b ist Starkads Ermahnung an das junge Mädchen nach der Bestrafung ihres Liebhabers, damit sie sich künftig gut benehme; metrisch gehört es einer wohlbekannten poetischen Gattung an, näm­ lich der Hexametersatire, die vor allem von Horaz und Juvenal gepflegt wurde. Eigentlich wiederholt das Helgalied die Prosadarstellung der Episode mit dem Goldschmied, aber eine solche Doppeldarstellung war nach der mittelalterlichen Literaturtheorie durchaus akzeptabel.

62 Vor allem im IV B u ch , z. B. Kap. 2 und 3, vgl. Kap. 44. 63 K . M a l o n e 1958, S. 9 5 -1 0 4 sieht ihn als den Aufrechterhalter alter Tugenden in der primitiven Gesellschaft der heidnischen Z eit. 64 Sa x o I 2 1 4 ZI. 2 -6 . 65 S a x o I 158 ZI. 3 7 -1 6 1 ZI. 10.

47

Kapitel 3

Daß Saxo sowohl Juvenal wie Horaz kannte, wird durch mehrere Anspielungen deutlich; z. B. verwendet Saxo den Ausdruck ciniflo,66 um den Goldschmied abwertend als Aschenbläser zu beschreiben; das un­ gewöhnliche Wort kommt auch bei Horaz vor. Ferner haben wir schon gesehen, daß Saxo in der Beschreibung des Goldschmieds auf diej enige Vergils der Königin Dido verweist, nur um so den weibischen Emporkömmling besser dem Gelächter preiszugeben. Die Quellen fiir das Helgalied sind schwer zu identifizieren. Axel Olrik stellte sich eine dänische Imitation des Ingialdliedes aus dem frühen 11. Jahrhundert vor, andere, unter ihnen Paul Herrmann, sahen im Helgalied eine Erweiterung einer fragmentarisch überlieferten is­ ländischen Erzählung aus dem 12. Jahrhundert.Vielleicht geht das Hel­ galied auf ein verlorenes dänisches satirisches Gedicht aus dem 12. Jahrhundert zurück? Friis-Jensen konstatiert, daß alle drei Hypo­ thesen nur schwer zu beweisen sind, und deutet an, daß Saxo selbst die ganze Geschichte erfunden haben mag,67 was wohl die logisch befrie­ digendste Erklärung ist. Das Ingialdlied68 erscheint nur in den Gesta Danorum, aber die Per­ sonen begegnen uns im angelsächsischen Beowufl wo Prinz Ingeld durch einen alten Krieger angestachelt wird, seinen Vater Frode zu rächen.Vielleicht gab es so eine ursprüngliche, jetzt verlorene dänische Fassung. Frühere Forscher —Axel Olrik, Knabe, Paul Herrmann und Gertz - waren sich darin einig, daß Saxo nur eine mittelmäßige Versi­ on eines hervorragenden volkssprachigen Gedichtes darbietet. FriisJensen schlägt hingegen vor, es unvoreingenommen zu betrachten.69 Der Vater Ingialds und Helgas, Frode, wurde vom Sachsenkönig Swerting ermordet: Um die Rache Ingialds zu verhindern, arrangieren Swertings Söhne die Heirat ihrer Schwester mit Ingiald. Als Starkad er­ fährt, daß Ingiald mit den Söhnen des Mörders seines Vaters verkehrt, reist er nach Dänemark, um den jungen König auf seine Pflicht auf­ merksam zu machen. Anfangs wird Starkad nicht standesgemäß emp­ fangen, Ingiald kehrt heim und erkennt ihn wieder, und die Königin

66 S a x o I 159 ZI. 21. 67 K . F r ii s - J e n s e n 1 9 8 7 , S. 120. 68 S a x o I 1 70 ZI. 1 1 -1 7 2 ZI. 2 4 und ZI. 2 9 -1 7 8 ZI. 8. 69 K . F r ii s - J e n s e n 1 9 8 1 , S. 6 6 -6 7 u n d id e m 1 9 8 7 , S. 1 2 0 -1 2 1 .

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versucht, seinen Zorn zu beschwichtigen, aber umsonst. Starkad spricht Ingiald an, indem er ihn wegen seines Wohllebens und seiner Illoyalität dem Andenken des Vaters gegenüber rügt. Nach dieser Pro­ saeinleitung kommt das eigentliche Gedicht, ein Selbstgespräch Starkads in Anwesenheit des Königspaares, der sächsischen Schwäger Ingialds und der Hofleute. Das Ingialdlied elaboriert manches, das wir schon aus der Prosaer­ zählung kennen, und Starkad bedauert, daß er einen Feldzug im fer­ nen Ausland führte, obwohl er ahnte, daß Frode in Gefahr war und tatsächlich ermordet wurde. Im Gedicht schont Starkad weder Königin noch König, denn mit Wohlleben im Essen und Trinken ist auch eine sexuelle Perversität ver­ knüpft. Ingiald wird getadelt, weil er Milch leckt (lacteum ... adipem li­ guris),70 aber »liguris« ist ein Schlüsselwort, das schon bei Horaz den Sklavenstatus und die Sklavensitten andeutet. Starkad erzählt von den guten, strengen Sitten an den Höfen, an denen er gedient hat, und im Crescendo fordert er Ingiald auf, den Vater zu rächen. Plötzlich nennt er einen der Schwäger als den kommenden König in Dänemark nach Ingiald. Ferner beruft Starkad sich auf Frode und bittet, ihn zu rächen. Ingiald hat jetzt keine Wahl: Er muß den Vater rächen, wobei Starkad ihm hilft. Nach getaner Arbeit grüßt Starkad in einem großen Ge­ dicht71 Ingiald, der sich jetzt auch in der Tat als König gezeigt hat, und rät ihm, die Königin wegzuschicken, um die Rache eines Kindes für den Tod der Onkel zu vermeiden. Inhaltsmäßig und kompositorisch ist das Ingialdlied hochinteressant, denn wir haben hier ein Beispiel für die Aufforderung zur Rache, ein schönes, literarisches Beispiel, das uns jedoch die Gattung ahnen läßt. W ir wissen, daß die Aufforderung zur Rache manchmal die Form eines Liedes annahm, das vor allem von einer Frau der Familie vorgetragen wurde. So war es auf Korsika im 19. Jahrhundert, und so war es in My­ kene - denken wir nur an Elektra, die den Orestes zur Tat anstachelte.72

70 Sa x o I 174 ZI. 21. 71 S a x o I 178 ZI. 3 1 -1 8 0 ZI. 13.

72 Vgl. A. K n u d s e n 1 9 8 9 , S. 1 9 8 -1 9 9 ; M ykene: Aischylos: ΧΟΗΦΟΡΟΙ hrsg. H ugh L l o y d - J o n e s (The Loeb Classical Library, C am bridge, Mass.-L o n d o n 1957) ZI.

2 3 5 -2 4 5 und 4 1 8 -5 0 9 .

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Im Ingialdlied verwendet Saxo die sapphische vierzeilige Strophe von drei elfsilbigen Zeilen und einer flinfsilbigen Zeile; ein im Mittelalter beliebtes Metrum für kürzere Gedichte. Wenige Parallelen aus dem Mittelalter finden sich für ein so langes Gedicht: Die sechs römi­ schen Oden des Horaz (im 3. Buch) könnten dafür Vorbild gewesen sein, denn wie das Ingialdlied bilden sie mehrere Teile, die als Einheit gesehen werden müssen. Auch gibt es im Ingialdlied wörtliche An­ spielungen auf Horaz, die diese Hypothese unterstreichen. Ferner klagt Horaz in den Oden über den sittlichen Verfall seiner Zeit, ganz wie Starkad. Somit soll das Ingialdlied ein dänisches Gegenstück zu den rö­ mischen Oden des Horaz bilden, beide bedauerten den kulturellen Einfluß von Deutschland bzw. Griechenland. Schon von F.C. Dahlmann wurde Ingiald im 6. Buch als typologische Parallele zu Svend III. im 14. Buch gesehen, denn auch dieser war von deutschen Sitten stark beeinflußt. Dahlmann hat mit seiner Auf­ fassung recht, daß in beiden Fällen die fremden Sitten als negativ an­ gesehen werden.73 Aber auch Knud Laward war vom deutschen Brauch tief beeinflußt, was Saxo ganz neutral erzählt.74 Saxos Meinungen sind anscheinend nicht ganz logisch und wider­ sprechen seinen eigenen Erfahrungen, denn sein Werk zeigt, wieviel er im Ausland gelernt hatte. Wir verstehen ihn vielleicht besser, wenn wir die heutige Frage nach der kulturellen Identität betrachten. Niemand bestreitet, daß wir Nützliches vom Nachbarn lernen können und daß wir es auch sollen. Aber die unkritische Nachahmung fremder Sitten empfinden wir meistens als lächerlich —Ludvig Holbergs Hans Frand­ sen, der in Frankreich studierte und deshalb seinen Namen in Jean de France ändern muß, ist nur ein Beispiel. Hätte Holberg (gest. 1754) heute geschrieben, hätte Hans Frandsen Politikwissenschaften in Ame­ rika studiert und den Namen John Francis angenommen. Wahrschein­ lich akzeptierte Saxo die durchdachte Annahme fremder Sitten, wenn diese zweckmäßig waren, während er das unkritische Nachahmen streng tadelte. Karsten Friis-Jensen beendet seine Analyse des Helga- und des In-

73 D a h l m a n n 1 8 2 2 , S. 2 7 7 -2 8 0 . 74 S a x o I 3 4 9 ZI. 3 7 - 3 5 0 ZI. 6.

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gialdlieds mit einigen Bemerkungen über Saxos Gebrauch von Paral­ lelen, was wir schon mehrmals erörtert haben. Wenn er aber konsta­ tiert, daß »unlike the Bible, the Gesta Danorum has no single, central, con­ temporary correlative corresponding to the life and person o f Christ«, muß man unterstreichen, daß die Geburt Christi nur im Vorbeigehen im 5. Buch erwähnt wird, wie im 13. Buch die Geburt Waldemars I.Wenn wir die­ se beiden Geburten als Parallelen betrachten dürfen, haben wir in der Gestalt Waldemars die zeitgenössische Parallele zu Christus.

Sagen Die ältere Forschung ging wie selbstverständlich davon aus, daß Saxo echte Sagen benutzt hatte. Sie rechnete bei Saxo mit einer langen mündlichen Tradition vor der Niederschrift, bei den Isländern und an­ derswo. Die Wende in der Forschung wurde vor einem halben Jahr­ hundert mit der Habilitationsschrift von Niels Lukman eingeläutet.75 Lukman betrachtet Saxo als Verfasser, der aus vorhandenen, meist schriftlichen Erzählungen die legendäre Geschichte Dänemarks in der vorschriftlichen Zeit konstruiert. Also eine Methode, die —wie anfangs erwähnt - heute vom französischen Verfasser Jean d’Ormesson76 ver­ wendet wird. Saxo erzählt z.B. vom Wikingerkönig Regnar Lodbrog;77 Lukman aber kann auf einen gewissen Reginar in Turholt verweisen, den wir aus den 840er Jahren kennen. Überhaupt basiert die Ge­ schichte Lodbrogs in weitem Umfang auf Quellen aus der Normandie und aus Flandern. Unter ihnen sind Hariulf, der um 1105 in St. R iquier bei Abbeville schrieb; von 1105-1143 war er Abt in Oudenburg in Flandern, 20 km westlich von Reginars Turholt. Unter Reginars Va­ ter hatte der Hl. Ansgar übrigens eine Missionsschule auf Turholt ge­ habt. Nach der normannischen Eroberung Englands wurde 1070-71 die Opposition von einem gewissen Hereward in Ely angeführt. In der Darstellung seiner Taten Gesta Herewardi erzählt der Verfasser von Ein­

75 N . L u k m a n 1 9 4 3 .

76 V.a. in »La gloire de l’Empire« (Paris 1 9 71). 77 S a x o I 251 ZI. 2 0 - 2 6 2 ZI. 25.

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wohnern des Küstenlandes um die Scheldemündung. Sie trugen Filz­ mäntel, die in Pech oder Harz getaucht waren. So ist Regnar Lodbrog in der Saga gekleidet, die sein Leben erzählt. Bei Saxo trägt er ein Pelzwams und Pelzhosen mit der Haarseite nach außen; um die Klei­ dung undurchdringlich fiir Waffen zu machen, tauchte er sie ins Was­ ser und ließ es zu Eis gefrieren! Also ein erzählerisches Element, das Saxo anderswo, in casu in den Gesta Herewardi, fand und umformte, während die Lodbrog-Saga es ohnehin übernimmt.78 Besonders wichtig ist Lukmans Nachweis, daß Saxo in manchen Fällen Ereignisse aus der Geschichte der Goten als Vorlagen für seine Erzählungen dienten. Dies hängt wahrscheinlich mit dem mittelalter­ lichen Landesnamen Dacia zusammen. Die dänische Kirchenprovinz hieß Dacia, und auch Sven Aggesen bezeichnet Dänemark als Dacia; ferner behaupteten seit Ende des 9. Jahrhunderts englische Verfasser, daß die Dänen Nachkommen der Goten wären, denn auch letztere hätten in Dacia, d.h. dem heutigen Rumänien gewohnt. Ob Saxo ein Opfer desselben Mißverständnisses war oder ob er sich bewußt der Fehlidentifikation bediente, muß dahingestellt bleiben. W ir sehen nur, daß für mehrere Erzählungen die gotische Geschichte seine Quelle ist.79 Ermanaric herrschte über die Goten und starb 375 nach Christi Ge­ burt. Die Darstellung der gotischen Geschichte in den 370er Jahren findet sich bei Jordanes, der in diesem Punkt Saxo als Quelle diente. Saxo aber veränderte den Ablauf der Ereignisse: Jordanes schildert zunächst a) die Eroberungen Ermanarics —die Rache für Sunilda, das Attentat auf Ermanaric, dann b) die Niederlage des Nachfolgers und Unterwerfung des Gotenreiches durch den König der Hunnen, es folgt c) die Regierung Humimunds und schließlich d) die Knechtschaft der westlichen Goten in Thrakien (Land Ismars), ferner das Fest, der Frei­ heitskampf, der Sieg über den Kaiser, dessen Tod durch Feuer, die Herrschaft der Goten in Dacia. Diese Ereignisse sollten nach Jordanes zwischen 375 und 378 stattgefunden haben.80 Die vier Hauptteile der Ermanaric (bei Saxo: Jar meric)-Erzählung

78 Lodbrog bedeutet »zottige Hosen«. Siehe hierzu N. L u k m a n 1 9 7 5 , S. 1 1 7 -1 2 7 . 79 Sieh e h ierzu N . L u k m a n 19 4 9 u nd d erselbe 198 1 .

80 Siehe im allgem einen C. B r a d y 1 9 4 3 .

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disponiert Saxo folgendermaßen:81 c) die Regierung Omunds, b) die Niederlage des Nachfolgers, die Regierung Budles (d.h. des Vaters At­ tilas), d) die Knechtschaft im Lande Ismars, das Fest, der Freiheits­ kampf, der Tod der königlichen Mannen, dessen Tod durch Feuer, Übernahme der Herrschaft in Dänemark, a) die Eroberungen Erm anarics, die Svanhilde-Episode, das Attentat auf Ermanaric/Jarmeric). Viele Erzählungen von Ermanaric sind sowohl in Deutschland, Eng­ land wie auch Skandinavien erhalten; in der süddeutschen Dichtung ist Ermenrich ein Gewaltherrscher; in der norddeutschen und altengli­ schen Dichtung ist die süddeutsche mit der altnordischen Tradition verknüpft. Die verschiedenen Ermanaric-Überlieferungen lassen sich auf zwei Haupttypen zurückfuhren: 1) die altnordische, die auf goti­ sche Quellen (Jordanes) zurückgeht, und 2) die süddeutsche, die viel­ leicht in einem von den Goten unterworfenen Volk entstand. Bei Saxo finden sich aber Einzelheiten, die weder in der altnordischen noch in der süddeutschen Tradition, wohl aber bei Jordanes erscheinen. Es stellt sich uns nun die Frage, ob Saxo weitere gotische Mitteilungen neben der Ermanaric-Überlieferung hatte. Lukmans Konklusion der Ermanaric-Untersuchung ist aber, daß Saxo — in allem wesentlichen von der deutschen und der altenglischen Literatur sowie von Jordanes unabhängig ist. Auch gehen die Sagen nicht auf die Goten des 4. Jahr­ hunderts zurück, sondern basieren auf den Erzählungen und Gedich­ ten, die unter römischem Einfluß während der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts am gotischen H of in Norditalien entstanden. Die Erzählung von Frode III. (dem Friedfertigen) im 5. Buch Saxos bedeutet, wie schon erwähnt, eine nordeuropäische Parallele zum römischen R eich unter Augustus. W ie dieser über die Länder um das Mittelmeer herrscht, regiertjener den Ostseeraum. Typologisch ist die Regierung Frodes bedeutsam, denn zu dieser Zeit wurde Christus geboren,82 was die Parallele zur Geburt Waldemars I. im 13. Buch bil­ det. Den Tod Frodes versuchte man vor dem Volk geheimzuhalten, in­ dem man die Leiche auf einem Wagen sitzend im Lande herumfuhr; so vergingen drei Jahre, bis man schließlich den König begraben

81 S a x o I 2 3 0 -2 3 5 . 82 Sa x o I 133 ZI. 9 -1 0 (H errschaftsbereich Frodes), 141 ZI. 3 8 - 1 4 2 ZI. 3 (G eburt

Christi).

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mußte.83 Hierin kann man wohl kaum Überreste eines Fruchtbar­ keitskultes sehen, sondern vielmehr eine Anleihe aus der skythischen Geschichte. Wir bemerken, daß nach Saxo Frode große Eroberungen in Osteuropa gemacht hatte, und schon Herodot (Mitte des 5. Jahr­ hunderts V. Christi Geburt) erzählte, daß die Leiche eines verstorbenen Skythenkönigs vor der Bestattung ein ganzes Jahr im Lande herumgefiihrt wurde.84 Ferner zeigt die gesamte Ermanaric-Erzählung, daß Saxo sich nicht scheute, in Südosteuropa nach Inspiration zu suchen, und wir dürfen jetzt mit Lukman fragen, ob wir Anhaltspunkte flir eine Parallelisierung zwischen der Frode-Erzählung und der südosteuropäi­ schen Geschichte finden können. Folgende Fragen wären so zu beja­ hen, die sich alle auf das gotische Gebiet (Dacia) beziehen: Gab es zur Gotenzeit eine historische Person, die man im Mittelalter als Frode an­ sehen könnte? Erinnerte man sich dessen als eines Fürsten des Frie­ dens? Stammte er aus Dacien? Kämpfte er gegen die Hunnen? War sei­ ne Zeit eine Blütezeit? Konnte eine ganze historische Periode nach ihm benannt werden? War er Zeitgenosse eines Augustus? Erstaunlicherweise gelingt es Lukman, auf die Fragen bejahend zu antworten, indem er die entsprechende Person im gotischen Fürsten Fravita/Fravitus (griechisch Frauithos) findet, der aus Dazien (Rumä­ nien) kam. Mit seinen Landsleuten überquerte er um 380 die Donau und ließ sich auf römischem Territorium nieder, wo der Kaiser —mit dem Titel Augustus - sie in seinen Dienst nahm. Sie waren an den Kämpfen beteiligt, die in den Jahren 380 und 386 den Vormarsch der Hunnen zum Stillstand brachten und so die Donaugrenze absicherten. 393 sorgte Fravita dafür, daß seine Stammesgenossen die Gesetze ein­ hielten; er tolerierte Friedensbrüche weder auf dem Balkan noch im Morgenland. Im Jahre 400 rettete er die Hauptstadt (Konstantinopel) vor einem gotischen Handstreich und wurde dafür zum Konsul für das folgende Jahr 401 ernannt. Schließlich wurden die Jahre 395-400 in der Dichtung am Hofe als eine Blütezeit dargestellt. Fravita blieb bis zu seinem Tod um 404 heidnisch. Der Kampf gegen die Hunnen fand 386 statt, als diese versuchten,

83 Sa x o I 142 ZI. 2 2 -3 7 . 84 V g l. K . S c h i e r II, 1 9 6 8 , S. 3 8 9 -4 0 9 .

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die Donau zu überqueren. Bei Saxo ist Frodes Sieg über dieses Volk seine denkwürdigste Tat.85 Nach dem ersten Tage lagen die Leichen so dicht, daß sie Brücken über drei der größten russischen Flüsse bilde­ ten, und die Schlacht dauerte eine Woche. Nach der Bestattung Frodes rezitierte der Dichter Hjarne ein Ge­ dächtnisgedicht auf den Verstorbenen und wurde dafür mit der K ö­ nigskrone belohnt. Frodes Sohn - man glaubte, er sei als der letzte Mann der Königssippe verstorben —kehrte nach Dänemark zurück und vertrieb Hjarne, der nach Jütland floh und dort getötet wurde.86 Hjarne ist in der altnordischen Literatur, aber auch außerhalb des Nordens bekannt, nämlich in Kudrun als Hörant und in Widsith als Heorrenda. Aber Hjarne ist vielleicht mit dem historischen Herennianus identisch, der den Tod Fravitas rächte und seine Provinz als Stellvertreter (vicari­ us) regierte; so war Hjarne eigentlich nur gekrönter Reichsverweser gewesen. Hjarne ist so eine typologische Parallele zu Erik III. im 14. Buch, der eigentlich nur ein gekrönter Reichsverweser an Stelle des unmündigen Waldemars wird. W ir wissen nicht, wie Fravita begra­ ben wurde, aber da die Goten in Dazien und Skythien gewohnt hat­ ten, könnte man sie auch Skythen nennen. Deren Grabsitten kennt man durch Herodot, und seine Erzählung wird durch die ausgegrabe­ nen Hügel sowie in begrenztem Maße durch die Beschreibung eines Wikingerbegräbnisses in Rußland durch Ibn Fadian (920er Jahre) be­ stätigt. Beim Tod des Königs wurde ein Grab ausgehoben und die Leiche konserviert. Danach wurde sie auf einem Wagen zu einem anderen Volk unter skythischer Herrschaft gefahren; diese Fahrt wurde fortge­ setzt, bis man das am entferntesten wohnende Volk erreicht hatte, wo sich das Grab findet. Eine der Konkubinen des Verstorbenen, seine per­ sönlichen Diener und Pferde wurden getötet und mit ihm begraben. Grabbeigaben wurden mitgegeben und ein Erdhügel wurde über dem Grab aufgeschüttet. Nach einem Jahr wurde eine Totenwache gebildet. Fünfzig Pferde und ungefähr die gleiche Zahl aus den Reihen der Diener des Verstor-

85 S a x o I 132 ZL 3 1 - 1 3 3 ZI. 10.

86 Sa x o I 1 4 3 -1 4 7 .

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benen wurden geopfert und um den Hügel herum aufgestellt. Auch für nicht-königliche Skythen war die Fahrt notwendig, dauerte aber nur 40 Tage.87 Die Fahrt mit der Leiche Frodes erinnert zwangsläufig an die skythischen (oder gotischen?) Grabzeremonien, und am H of Frodes fand sich ein Pferdeschädel auf einer Stange, mit dem man Zauber gegen Fremde treiben wollte —also ein weiteres südosteuropäisches Element bei Saxo. Die Untersuchungen Lukmans haben gezeigt, daß Saxo wahrschein­ lich Überlieferungen aus der gotischen Geschichte verwendet hat; er hat es mit umso besserem Gewissen tun können, als man Goten und Dänen wegen des gemeinsamen Landesnamens - Dacia - verknüpfte. Gotische Geschichte konnte so auch dänische Geschichte sein. Noch eine Sage müssen wir erwähnen, nicht nur, weil sie auf däni­ scher Seite eine Rolle im Nationalitätenkampf um Schleswig gespielt hat. König Wermund hatte Dänemark lange in Frieden regiert, als er als älterer Mann den Sohn Uffe zeugte. Dieser war zwar stark, schien aber unintelligent, spielte, sprach, lächelte niemals. Wermund verheira­ tete ihn mit der Tochter des Schleswiger Präfekts Frøvin, damit Uffe in dem Schwiegervater und beiden Schwägern gute Stützen für seine Regierung bekommen könnte. Der Schwedenkönig Adisl unternahm einen Feldzug nach Schles­ wig, wo Frøvin im Kampf fiel; Wermund überließ dessen beiden Söh­ nen die Präfektur über Schleswig. Adisl griff ein weiteres Mal Däne­ mark an, wurde zurückgeschlagen, konnte jedoch entkommen. Nach der Schlacht diskutierten die dänischen Führer die Flucht Adisls, denn sonst war er ja immer der erste im Kampf gewesen. Wermund erklärte die Ereignisse so: In jedem Heer gibt es vier Arten von Kriegern: 1) die erfahrenen Krieger, die hart kämpfen, solange sie aufWiderstand stoßen, aber die die Fliehenden nicht verfolgen wollen; 2) die jungen, künftigen Helden, die alles niederhauen —sei es mit R echt oder nicht; 3) die Zögernden, meistens aus berühmten Familien, ihnen fehlt der Mut, energisch zu kämpfen, aber trotzdem wagen sie es nicht, zu wei­ chen; 4) die Feiglinge, die hinten bleiben. So hatte die erste Kategorie

87 H e r o d o t IV 7 1 -7 3 .

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Adisl nicht verfolgen wollen, der dritten Kategorie fehlte der Mut und der zweiten Kategorie die Gelegenheit. Adisl prahlte damit, daß er den Präfekten Frøvin getötet hatte, wes­ halb dessen Söhne beschlossen, den Vater zu rächen. In den Zwei­ kampf, der den Tod Adisls herbeifiihrte, griff aber der andere Bruder ein, was gegen jeden ordentlichen Kampfgebrauch verstieß. Wermund wurde sehr alt und mit der Zeit blind. Der sächsische K ö­ nig forderte ihn deshalb auf (da er regierungsunfähig war), ihm das R eich zu überlassen, oder das Schicksal Dänemarks durch Zweikampf zwischen dem sächsischen Königssohn und einem etwaigen dänischen Königssohn entscheiden zu lassen. Wollte Wermund keine der Alterna­ tiven annehmen, käme es zu einem Krieg. Wermund bot sich selber als Krieger an, was der sächsische Botschafter ablehnte und den Zweikampf der Königssöhne vorschlug. Plötzlich ergriff Uffe das Wort, trat als Erbe des Reiches auf und erklärte sich bereit, gegen den Königssohn und den besten sächsischen Krieger zu kämpfen. Der Grund dafür war, daß Uffe den Makel am dänischen Namen wegen des Todes Adisls sühnen wollte. Uffe aber war so groß, daß man kein passendes Panzerhemd finden konnte; Wermund überließ ihm das seinige, das jedoch in der linken Seite aufgeschnitten wurde, wo er sich mit dem Schilde decken konn­ te. Uffe suchte nach einem Schwert, aber alle zersprangen, als er sie ausprobierte. Wermund ließ nach seinem alten, in der Erde versteckten Schwert Skræp suchen, aber es war so rostig, daß Uffe es vor dem Kampf nicht ausprobieren konnte. Der Tag des Kampfes kam, und wie vereinbart traf man sich auf der Eiderinsel, dort, wo jetzt Rendsburg liegt. Wermund hatte sich ans äußerste Ende der Brücke gesetzt, um sich nach Uffes voraussichtli­ chem Tod ins Wasser zu stürzen. Aber — es gelang Uffe mit einem Schlag, den Krieger quer durchzuhauen; Wermund erkannte den Klang seines alten Schwertes wieder, erfuhr das Ergebnis und rückte vom Brückenkopf zurück. Später konnte Uffe auch den Königssohn töten. »Jetzt klang Skræp zum zweiten Mal« war Wermunds Kommentar. Uffe unterwarf Sachsen und wurde nach dem Vater Herrscher über beide Länder.88

88 S a x o 1 9 2 - 1 0 0 .

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Uffe finden wir auch in anderen Sagen, z. B. in altenglischen Quel­ len; es ist aber die Frage, deren Beantwortung umfassende Forschun­ gen erfordern würde, ob Saxo sich nicht nochmals von den Goten hat inspirieren lassen. Adisl ist natürlich Attila (deutsch Etzel), und im spa­ nischen R eich gab es mehrere Könige namens Wermudo. Wermund Wermudo muß eigentlich derselbe Name sein, besonders wenn man bedenkt, daß das N als ein senkrechter Strich über dem Vokal ge­ schrieben wurde. Daß das Schwert einen Namen hat, ist in der däni­ schen Literatur nicht so gebräuchlich und könnte vielleicht auf das Ausland hinweisen, Tyrfing kennen wir aus der deutschen Dichtung, Excalibur aus der Arthurliteratur. Da ein Teil der Goten (die Westgo­ ten) sich in Spanien niedergelassen hatte, wäre es verständlich, wenn Saxo auch aus der spanischen Geschichte Elemente für die eigene Dar­ stellung schöpfte.

La matière d’Islande Diesen Ausdruck könnte man als Sammelbegriff in Analogie zur Ma­ tière de Bretagne in der Artusdichtung verwenden. W ie man darunter pauschal Sagen, mündliche Tradition, Gedichte u.s.w. aus dem kelti­ schen Kulturkreis versteht, betrachte ich meinen Ausdruck als einen Überbegriff, der sich auf die altnordischen Quellen bezieht. Die ältere Forschung sah darin eine Hauptquelle der Gesta Danorum (neben der einheimischen dänischen Überlieferung). Moderne Forscher sind vor­ sichtiger geworden und finden wie Karsten Friis-Jensen eine weitere Hauptquelle in der lateinischen klassischen Literatur. Auch hat man im Gegensatz zu der romantischen Auffassung, die in Island aufgrund sei­ ner insularen Rückständigkeit ein Reservat der altnordischen Kultur sah, entdeckt, daß die altnordische Literatur (norwegisch und islän­ disch) in der zeitgenössischen internationalen Literatur sehr wohl orien­ tiert war, und daß man sie sehr kurz nach dem Erscheinen kannte.89 Saxo erzählt, daß ein isländischer Skalde Arnald Absalon ins Feld be­ gleitete,90 der mit dem Skalden Waldemars I. Arnhallr Þorvaldzson iden89 Für das folgende sei au f den guten und w ohlerw ogenen Aufsatz von B. Guönason 1 9 8 1 S. 7 9 - 8 4 , vgl. F.

Graus 1 9 5 9 , S. 8 7 , verwiesen.

90 S a x o I 4 5 9 ZI. 3 4 - 4 6 0 ZI. 7.

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tisch sein muß.91 Ein anderer bekannter Skalde ist Markus Skeggjason, der sowohl flir Knud den Heiligen (gest. 1086) als auch für dessen Bru­ der Erik I. (gest. 1103) arbeitete. Überhaupt stellt es sich heraus, daß die meisten Könige Dänemarks im 12. und frühen 13. Jahrhundert Skalden in ihrem Dienst hatten, wie noch um 1500 James IV. von Schottland keltische Barden am Hofe auftreten ließ. Allerdings wissen wir nicht, ob die Skalden altnordische originale Gedichte oder Über­ setzungen aus dem Französischen und Lateinischen vorfuhrten. Mar­ kus Skeggjason schrieb ein Gedicht über seinen ehemaligen Herrn König Erik; Markus starb vier Jahre später, wodurch das Gedicht auf 1103-07 datiert werden kann. Es wurde vom Verfasser der Knytlingasaga (Mitte des 13. Jahrhunderts) benutzt, in der man aber nur Auszü­ ge findet.92 Saxo muß Markus’ Eriksdrapa gekannt haben, indirekt oder vielleicht eher direkt, denn er mißversteht Markus in der 9. Strophe, wo Markus die Kenning brynþings beiði (derjenige, der das Panzer­ hemd fordert — d.h. der Krieger) verwendet. Später in der Strophe heißt es »ungr nam hann á margar tungur« (d.h. als junger Mann lern­ te Erik viele Sprachen). Saxo entwickelt aus seinem Mißverständnis Eriks rhetorische Kunst.93 Vielleicht hat Saxo auch die altnordische Skjoldunga-Saga benutzt, denn hier wird die Friedensperiode unter Frode III. zeitgenössisch mit Kaiser Augustus und Christi Geburt aufgefaßt. Einige Forscher schrei­ ben die Skjoldunga-Saga dem Skálholter Bischof Pálljónsson zu. Die­ ser Mann hatte in England studiert, stammte vom Historiker Sæmundr Frode (dem Gelehrten) ab und wurde von Absalon im Jahre 1195 als Bischof konsekriert. Nach Guðnason hat Saxo andere altnordische Quellen verwendet, u.a. das Werk Hryggjarstykki (der weise Vogel) von Eirikr Oddson, das die norwegische Geschichte in den Jahren 1136-39 schildert. Die Hauptperson ist ein gewisser Sigurðr, der versucht, die Krone mit Ge­ walt an sich zu bringen, drei Jahre später aber besiegt und auf qualvol-

91 Vgl. Skáldatal (Listen über die Hofskalden der skandinavischen Fürsten) in: Edda

Snorra Sturlusonar III 1 8 8 0 , S. 2 5 1 -2 8 6 . 92 Das ganze G edicht ist in F.JÓNSSON A 1 , 1 9 1 2 , S. 4 4 4 -4 5 2 und B 1 , 1 9 1 2 , S. 4 1 4 4 2 0 ediert. 93 contiones non solum praestanti facundia

etc. etc. Saxo I 333 Zl. 18-21.

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le Weise umgebracht wurde. Die Schrift entstand wohl um 1150 an­ läßlich einer eventuellen Kanonisation Sigurðrs. Die Dänen waren des­ sen Verbündete, und unter den Quellen Eirikrs war der 1150 verstor­ bene Wiborger Propst Ketill/Kjeld - die Leiche Sigurðrs wurde in der Aalborger Marienkirche begraben. Saxo datiert nach Guðnason die Sigurör-Erzählung falsch, nämlich nicht in die 1130er Jahre, sondern in die 1160er Jahre.94 Sie dient ihm aber als Einleitung zu einem Überblick über die norwegische Geschichte von den 1130er Jahren bis in die 1160er Jahre, was eigentlich ganz logisch erscheint, denn eine norwegische Fraktion suchte damals Unterstützung in Dänemark. Wir konkludieren also, daß Saxo - wie auch zu erwarten war - altnordische Quellen benutzt hat, aber wahrscheinlich in geringerem Umfang als früher angenommen.

Das Bråvallalied Noch heute bedeutet eine Bråvallaschlacht auf Dänisch einen enor­ men und blutigen Kampf, was auf die mittelalterliche Beschreibung zurückgeht. Sie ist bei Saxo (Anfang des 8. Buches)95 und in einer is­ ländischen Handschrift von etwa 1300 überliefert, deren Titel Sögubrot affornkonungum oder Fragmente über alte Könige lautet. Unter den For­ schern gibt es Konsensus darüber, daß hinter den beiden Versionen ein verlorenes Gedicht (.Pula) steht. Aber damit hört die Einigkeit auf Der Norweger S. Bugge glaubte, daß das Gedicht zwischen dem 6. und 10. September 1066 entstanden sei, während König Harald der Harte die schottische Küste entlang segelte. Axel Olrik war der Meinung, daß das Gedicht wegen des Lobes auf die Einwohner Telemarkens in Nor­ wegen in dieser Gegend entstanden sei. D. A. Seip bestimmte die ver­ lorene Pula als südostnorwegisch, vielleicht in Tonsberg niederge­ schrieben, aber Guðnason (von dem ich diese historiographische Übersicht entlehne) warnte davor, daß nicht alle Namen bei Saxo berücksichtigt worden seien, was die Schlußfolgerungen schwächt. Ferner hat Kristian Hald für die südostnorwegische Entstehung der

94 95 60

S a x o I S. 4 4 5 - 4 4 6 . Sa x o I 2 1 4 - 2 1 7 .

Saxos Quellen

Þula plädiert, während Stefan Karlsson sie als isländisch ansah.96 Guðnason stellt fest, daß die Pula reine Unterhaltung sei und daß man darin keine Historizität erwarten dürfe. Daß einige isländische Namen sich bei Saxo finden, in Sögubrot aber fehlen, erklärt Guðnason damit, daß die Pula ursprünglich zur Unterhaltung bestimmt war, aber später — als sie niedergeschrieben wurde — als historisch betrachtet wurde, und deshalb diese Züge verschwanden. Dies ist durchaus möglich — wenn wir aber eine Lösung zu finden wünschen, die keine verlorenen Quellen voraussetzt (was methodisch besser ist), bleibt eigentlich nur eine Möglichkeit: Das Gedicht findet sich bei Saxo in der originalen Version, die die Vorlage für Sögubrot ist. Dies wurde vom verstorbenen Kopenhagener Historiker Svend Ellehøj im Jahre 1987 in seiner offi­ ziellen Opposition gegen die Habilitationsschrift Frau Skovgaard-Petersens vorgeschlagen. Diese Hypothese wurde in der Druckfassung der Opposition nicht beibehalten.97 Schließlich ist der schwedische Balladenforscher, Professor Bengt R . Jonsson zu der Auffassung ge­ langt, daß das ursprüngliche Vorbild des Bråvallalieds die Aeneis des Vergil sei. Das verlorene Gedicht - Archetyp für Saxo und für Sögu­ brot — sei durch einen isländischen Verfasser aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts entstanden und als Materialien für Saxos Gestaltung des Bråvallalieds benutzt worden.98 Wenden wir uns aber nun dem Gedicht zu, das eine Fülle von Krie­ gern aufzählt. Guðnason macht zu R echt darauf aufmerksam, daß es hier zahlreiche Krieger gibt, die niemals —und sei es nur aus chrono­ logischen Gründen — gegeneinander hätten kämpfen können. Nach

96 Beide Aufsätze in Saxostudier hrsg I. B oserup 1 9 7 5 . 97 Vgl. Historisk Tidsskrift L X X X V I I I , 1 9 8 8 , S. 1 2 1 -1 3 2 . 98 Freundliche M itteilung von Prof. B en gt R . Jonsson, 29. April 1 9 9 7 . D rei Teile der großen U ntersu ch u ng Prof. Jonssons sind schon erschienen, siehe B .R .

JONSSON 1 9 9 1 -9 9 ; der vierte Teil ist noch nicht veröffentlicht. E h er kurios ist der Versuch St. WiKANDERS 1 9 6 0 , S. 183 ff. nachzuweisen, daß die Bravalla­ schlacht und die Darstellung der Kurukshetra im indischen Epos Mahabharata die indoeuropäische G ötterdäm m erung widerspiegeln. In seiner K ritik weist Magnus W istrand 1 9 7 0 m it R e c h t auf die wenigen überzeugenden Ä hnlichkei­ ten und die wesentlichen Divergenzen hin und lehnt deshalb die H ypothese W ikanders ab.

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Kapitel 3

Saxo wäre die Schlacht Teil eines dänisch-schwedischen Krieges, und tatsächlich gibt es südlich von Stockholm die Förde Bråviken - auf La­ tein wird die Schlacht auch bellum Bravicum genannt. Der Kriegerkata­ log geht nach Saxo auf die mündliche dänische Erzählung Starkads zurück, die von Saxo auf Latein ergänzt wurde. Saxo erzählt zunächst, welche Krieger auf der dänischen Seite auf­ traten, aber recht schnell taucht ein verdächtiger Name auf - »Gardh, Stang oppidi cultor«, der tatsächlich auf das schonische D orf Gårdstanga hinweist.99 Aber nochmals: Aus dem oppidum Sie (^Schleswig) kom­ men Krieger, die von den weiblichen Offizieren Hetha und Wisna an­ geführt werden. Schon die Pariser Ausgabe von Saxo sah hier eine An­ spielung auf Haithabu (Hedeby), und wir dürfen vielleicht eine weite­ re, auf die Vis Harde (Umland von Flensburg) hinzufügen. Eine weite­ re Führerin ist Webiorg - Viborg ist die administrative Hauptstadt Jü t­ lands mit dem Landesthing; daß wir den Hinweis so verstehen sollen, ersieht man daraus, daß der Jüte Brat in ihrer Gefolgschaft erwähnt wird. Unter den Kriegern Hethas kämpfen Ger Livicus und Hama letzterer ist wohl der eponyme Held von Hamburg, und Gerwien ist eine Landschaft in Estland. Obwohl wir nur einige der dänischen Na­ men erörtert haben, zeigen schon diese Beispiele, wie Saxo seine Krie­ ger aus Ortsnamen entstehen läßt. Wahrscheinlich wird man auf ähn­ liche Weise mit den Kriegern auf der schwedischen Seite Vorgehen können. Unsere Sondierungen haben die Auffassung Ellehøjs bestätigt: Saxo muß der Verfasser des Kriegerkatalogs sein, und unser Schriftsteller verwendet vorhandene Ortsnamen als Quellen für seine Krieger.

Antike Vorbilder W ir haben mehrmals erwähnt, daß Saxo von Vergil beeinflußt wurde: So entsprechen die Bjarkamal im 2. Buch dem 2. Buch der Aeneis, das den Fall Trojas und den nächtlichen Kampf um die Stadt darstellt, fer­ ner ähnelt die Beschreibung des Goldschmiedes, dessen Liebesverbindung zur Prinzessin Starkad tadelt, derjenigen Didos im 4. Buch der

99 Sa x o I 2 1 4 ZI. 13.

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Saxos Quellen

Aeneis. Die gesamte Episode mit Helga und dem Goldschmied zeigt, daß Saxo nicht nur Vergil, sondern auch Iuvenal und Horaz kennt, wo­ bei Horaz wohl mit seinen römischen Oden das eigentliche Vorbild für Saxos Ingialdslied ist. Aber es gibt zwei weitere Berichte bei Saxo, die beide auf antike Erzählungen zurückgehen und die unser Verfasser im 8. Buch mitteilt. Die erste Reise100 wurde von König Gorm und von Thorkel als Führern unternommen. Reiseziel war die Residenz des Riesen Geirrød, wo große Reichtümer aufbewahrt wurden. Nach isländischen Berichten wäre sie jenseits des Weltmeeres zu finden, »sub Chao pe­ regrinandum«, in Gegenden, in denen die ewige Finsternis herrschte.101 Die Expedition - drei Schiffe mit je 100 Kriegern an Bord - verlor bei Haalogaland (Nordnorwegen) die Orientierung und wurde nach mehreren Tagen auf eine Insel verschlagen, wo die Seeleute viele O ch­ sen am Strand fanden. Thorkel verbot ihnen, mehr zu nehmen als sie dort verzehren konnten, was jedoch nicht eingehalten wurde. In der Nacht wurde die Expedition von Ungeheuern angegriffen, die den an dem heiligenVieh begangenen Frevel bestrafen wollten.Thorkel muß­ te einen Mann aus jedem Schiff als Buße opfern. Diese Episode verrät einen doppelten Ursprung: zum einen die einheimische Rechtsregel, daß der Reisende Früchte und Nüsse für denVerzehr am Ort pflücken und Holz zur Reparatur seines Wagens oder seines Schiffes fällen darf.102 Die andere Quelle ist letzten Endes die Odyssee: Odysseus kam zu einer Insel — vielleicht Sizilien — wo der Sonnengott Helios sein heiliges Vieh weiden ließ. Die Seeleute durften nicht davon essen, ta­ ten es trotzdem und wurden streng bestraft. Die Dänen konnten weitersegeln und gelangten nach Bjarmland (Byarmia ulterior), also der Gegend um das Weiße Meer. Frost und Schnee herrschen hier das ganze Jahr, und es ist zu kalt für den Ge­ treideanbau. Dafür gibt es viele andernorts unbekannte Tiere. Die Ex­ pedition war jetzt nicht weit von der Residenz Geirrøds entfernt und begegnete dessen Bruder, Gudmund, der die Dänen zu sich einlud.

100 S a x o I 2 3 8 -2 4 3 . 101 S a x o I 2 3 9 ZI. 3 -9 .

102 Z .B . Schonisches Gesetz § 193 und 2 0 7 = Paraphrase Andreas Sunesens § 1 1 5 (D gL I 1, S. 157, 1 6 7 -1 6 8 ; I 2, S. 6 3 0 -6 3 3 ).

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Kapitel 3

Thorkel rät seinen Landsleuten, nichts von dem angebotenen Essen und Trinken zu nehmen und sich mit den mitgebrachten Lebensmit­ teln zu begnügen, sonst würden sie für immer bei den Riesen bleiben, denn sie würden die Erinnerung verlieren. Auf ähnliche Weise bot Gudmund den Dänen Frauen an, einige Dänen akzeptierten, verloren die Erinnerung und mußten bei Gudmund bleiben. Auch diese Episode hat in der Odyssee mit dem Besuch der Grie­ chen bei den Lotofagen eine Parallele. Die dargebotene Speise hatte nämlich die Wirkung, daß man alles vergaß. Aber Saxo entwickelt die Sache und fugt eine erotische Dimension hinzu, vielleicht dürfen wir hierin Anspielungen auf den Aufenthalt des Odysseus bei der Zaube­ rerin Kirke und bei der Nymphe Kalypso sehen. Auf dem Wege zum H of Gudmunds erblickten die Dänen eine Au, über die eine goldene Brücke führte; Gudmund erzählte ihnen, daß der Strom die Welt der Menschen von deijenigen der Ungeheuer trennte und daß kein Sterblicher letztere betreten dürfe. Nach der Mahlzeit bei Gudmund fuhren die Dänen weiter nach Geirrøds Stadt, die als schmutzig und von Teufeln bewohnt dargestellt wird. Thorkel warnte, daß man nichts anrühren dürfe; aber selbst er hielt das Verbot nicht ein, und die Dänen wurden von Hexen ange­ griffen. Sie verteidigten sich, aber nur zwanzig Dänen gelang es zu ent­ kommen. Auf dem Heimweg hatten die Dänen ungünstigen Wind, und viele verhungerten. Man einigte sich darauf, die Götter (jeder seinen Gott) um günstigen Wind anzurufen; der König betete zu Utgarthiloke, der ihm auch den gewünschten Wind verschaffte. Nach dieser Reise blieb der König zu Hause, er heiratete und ver­ brachte seine Zeit in Frieden. Gegen Ende seines Lebens begann er, über das Jenseits nachzudenken und über die Frage, was geschehen würde, wenn der Geist sich vom Körper trennen würde, und wie ihn die Götter für seine Frömmigkeit belohnen würden?103 Der erfahrene Thorkel wird nochmals entsandt;104 sein Schiff fährt lange durch finstere Gegenden, bis er und seine Gefährten Land fin­

103 S a x o I 2 4 3 ZI. 3 5 - 2 4 4 ZI. 5.

104 D ie zweite R eise Thorkels wird bei S a x o I 2 4 4 - 2 4 7 dargestellt.

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Saxos Quellen

den. Hier gibt ihnen ein Riese Weisungen für die weitere Fahrt; sie se­ geln noch einige Tage und erreichen das Land des Utgarthiloke, des heidnischen Hauptgottes. Hier herrscht überall Finsternis, aber Thorkel und seine Gefährten treten in eine Höhle ein, von dieser überque­ ren sie einen Strom und kommen in eine andere, tiefer gelegene Höh­ le, wo sie den Gott in einem Loch gefesselt sitzen sehen. Saxo vertritt wohl hier dieselbe Auffassung über den Aufenthaltsort des Teufels wie Dante; bei dem Florentiner Dichter findet man Lucifer im Zentrum der Erde, also wie bei Saxo tiefer und erst hinter mehreren Hindernis­ sen.105 Auch bei Dante ist Lucifer immobilisiert, denn er sitzt bis zur Brust im Eis;106 bei Saxo ist Utgarthiloke gefesselt und wohnt in einer finsteren Gegend, was auf den hohen Norden ohne Wintersonne hin­ weist. Daß der Florentiner Schriftsteller Saxo beeinflußt hat, ist aus chronologischen Gründen unmöglich, denn er lebte von 1265 bis 1321 und arbeitete an seiner Divina Commedia seit 1307. Die Überein­ stimmungen könnten auf gemeineuropäische Auffassungen des Teufels zurückgehen, oder Dante könnte vielleicht diesen Zug dem dänischen Verfasser entlehnt haben, denn Lucifer assoziiert man meistens mit dem Feuer und nicht mit dem Eis. Am Ausgang der Höhle werden Thorkel und seine Gefährten von fliegenden Untieren überfallen, die sie mit Gift übersprühen; nur Thorkel und fünf andere entkommen. Die Seeleute bitten ihre Götter um Hilfe, aber umsonst; erst als Thorkel zu dem Gott der Welt (univer­ sitatis deum) betet und ihm ein Opfer darbringt, wird das Schiff geret­ tet. Ein günstigerer Wind kommt auf und man erreicht bald angeneh­ mere Gefilde. Das Schiff gelangt nach Deutschland, das gerade chri­ stianisiert worden ist, und hier lernen Thorkel und die beiden überle­ benden Seeleute die Grundzüge des christlichen Glaubens kennen. Nach seiner Heimkehr muß Thorkel dem König Bericht erstatten, aber dieser konnte es nicht ertragen zu erfahren, wie schmutzig, stin­ kend und mies sein Gott Utgarthiloke war. Er schämte sich so sehr, daß er während der Erzählung starb. Saxo fügt hinzu, daß der König, in­ dem er einen falschen Gott verehrte, lernte, wo die wahre Elendsgrot-

105 Vgl. D a n t e Inferno , Gesang X X X I V 106 D a n t e Inferno X X X I V 2 9 .

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Kapitel 3

te zu finden sei.107 So dienen bei Saxo diese Entdeckungsreisen dazu, den wahren Gott zu finden, sind aber auch eine Allegorie dafür, daß die eigentliche Hölle in der Seele des ungetauften Menschen zu fin­ den sei.108 Karsten Friis-Jensen stellt in diesem Abschnitt der Gesta Danorum ei­ nige Anspielungen aufVergil fest109 und kommt zu dem Schluß, daß die neutralen und assoziationsschaffenden Anleihen sich mit je sieben ver­ teilen. Unter den neutralen sei ein Ausdruck, mit dem Saxo den Ein­ gang zum Hofe Geirrøds beschreibt (»Postes longaeva fuligine illiti ...,« 110 d.h. die Türpfosten waren von uraltem R uß geschmiert.) Fuligo ist ein verhältnismäßig seltenes Wort, das bei Horaz, Ovid und Lucan ganz fehlt und bei Vergil wie bei Saxo nur einmal verwendet wird. Der The­ saurus Linguae Latinae kennt nur drei Beispiele von »postes illinare« - also »Türpfosten beschmieren«, die sich alle auf das jüdische Osterfest be­ ziehen, wo die Türpfosten mit dem Blut des Lammes beschmiert wer­ den. Statt dessen —Christussymbol par excellence —gibt es nur Dreck und Schmutz. Der religiöse Sinn der Entdeckungsreisen bei Saxo wird durch diese assoziationsschaffende Anspielung auf den Exodus deut­ lich, denn in der Heilsgeschichte des jüdischen Volkes spielt diese Epi­ sode eine überragende Rolle. Ähnlich ist es bei Saxo in der Heilsge­ schichte des dänischen Volkes, man kann fast von rites de passage im ei­ nen und anderen Fall sprechen. Frau Skovgaard-Petersen wies schon darauf hin, daß Aeneas im 6. Gesang der Aeneis eine ähnliche Reise, nämlich ins Totenreich, un­ ternahm, wie Odysseus es schon auf der Heimreise aus Troja gemacht hatte.111 Bei Vergil ist die Reise auch ein rite de passage, denn die Er­ zählung schließt mit der Ankündigung der Größe Roms. Obwohl einige Elemente sich auf ähnliche Weise bei Saxo und bei Vergil finden - so wird z.B. Charon als schmutzig dargestellt - gibt es eigentlich eher Übereinstimmungen zwischen Saxo und der Odyssee. Kannte aber

107 Saxo I 247 ZI. 1-3. 108 Siehe hierzu auch M . M a l m 1 9 9 0 , v. a. S. 9 4 -9 9 . 109 K . F r iis - J e n s e n 1 9 7 5 , S. 8 8 -9 1 .

110 Saxo I 242 ZI. 2-3. 111 I. S k o v g a a r d - P e t e r s e n 1 9 6 9 , S. 7 0 -7 1 .

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Saxos Quellen

Saxo überhaupt die homerischen Gedichte? Mit dieser Frage werden wir uns im folgenden beschäftigen. Im lateinischen Kulturkreis waren die homerischen Gedichte bevor sie 1360 ins Lateinische übersetzt wurden, kaum bekannt. Dafür gab es eine im ersten nachchristlichen Jahrhundert verfaßte Ilias Latina und ein paar spätantike Prosaerzählungen über den trojanischen Krieg. Aber im byzantinischen Kulturkreis blieb Homer der große nationale Dichter, dessen Werke man auf jeder Stufe der Ausbildung verwende­ te. Vor allem unter der Dynastie der Komnenen (1081-1185), also zur Kreuzzugszeit und zur Ritterzeit, war Homer beliebt. So nahm der Zeitgenosse Saxos, der 1217 verstorbene Niketas Choniates, den Odysseus als Vorbild für seinen vagierenden Helden Andro nikos Kom­ menos.112 Hatte Saxo Verbindungen nach Byzanz? Tatsächlich waren die Beziehungen enger, als sich die Historiker normalerweise vorstel­ len, obwohl unsicher ist, ob Saxo selber Griechisch konnte. Der um die Saxoforschung hochverdiente Altphilologe Franz Blatt glaubte anfangs, daß Saxo Griechisch konnte, was er aber später für unwahrscheinlich hielt. Eine Verbindung wäre über die königliche Familie möglich, denn im Jahre 1185 heiratete der byzantinische Kaiser die Tochter Belas III. von Ungarn - und der war der Vetter Waldemars I. von Dänemark. Wichtiger war es wahrscheinlich, daß es in Konstantinopel eine däni­ sche Kolonie gab. Neben den Nationen der Pisaner, Lombarden, Langobarden, Amalfitaner werden diejenigen der Dänen und der Engländer im Jahre 1208 in Konstantinopel erwähnt.113 Und Saxo be­ merkt, nachdem er die Seeschlacht Absalons am Pfingstmontag 1184 und dessen glänzenden Sieg erzählt hat, daß diese Nachricht schnell nach Konstantinopel gelangt sei, was einige der R itter Absalons, die da­ mals im kaiserlichen byzantinischen Dienst waren, ihm berichtet hät­ ten.114 Diese Männer haben Griechisch gekonnt, und wenn sie ebenso hochgebildet waren wie der Krieger Sven Aggesen, haben sie auch

112 Vgl. Lexikon des M ittelalters V Sp. 1 0 9 -1 1 0 , A rt. H o m er und II Sp. 1 8 7 5 -7 7 , Artikel C honiates, Niketas. 113 D ip l Danicum I 4, N r. 137. 114 S a x o I 5 4 5 ZI. 3 6 -3 8 .

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Kapitel 3

Homer gekannt. W ir dürfen es wohl für wahrscheinlich halten, daß Saxo Homer zumindest durch die Wiedererzählung dieser Krieger ge­ kannt hat. Von den antiken Dichtern ist Vergil ein wichtiges Vorbild fur Saxo, aber nicht das einzige, weil Karsten Friis-Jensen einen Einfluß von Horaz nachweisen konnte, und zwar in einem so zentralen Gedicht wie dem Ingialdlied.115 Unter den Prosaikern des Altertums hat nach dem Parallelapparat bei Olrik-RæderValerius Maximus bei weitem die Führung übernommen, nämlich 934 Stellen, die sich auf 1825 Saxostellen verteilen. Wohl sind die von Olrik und Ræder angeführten Par­ allelen manchmal Übereinstimmungen ohne Aussagekraft, aber wir ha­ ben leider keine Untersuchung über Saxo und seine klassischen Pro­ savorbilder. Nach Valerius Maximus folgen Justin, Martianus Capella und Curtius Rufus.116 Justin ist von besonderem Interesse, denn die von Saxo benutzte Handschrift ist in der Kopenhagener Königlichen Bibliothek noch vorhanden. Sie gehörte dem Kloster in Sorø und muß so eine der beiden Handschriften gewesen sein, die Saxo ans Kloster übergeben sollte, wie Absalon es in seinem Testament bestimmt hat­ te.117 In dieser Handschrift findet man an mehreren Stellen die Mar­ ginalnote N (= Nota), und zwar an Stellen, die Saxo in seiner Arbeit benutzte. Hier sehen wir unseren Verfasser allem Anschein nach bei der Arbeit.118 Mehrmals lesen wir Reden in den Gesta Danorum; natürlich dürfen wir sie nicht als korrekte Wiedergaben des Gesprochenen auffassen. Der Nordist Niels Haastrup hat darauf hingewiesen, daß Saxo wahr­ scheinlich die rhetorische Statuslehre, die man vor allem bei Quintili­ an findet, gekannt hat. Die Statuslehre bezieht sich besonders auf die

115 K. F r ii s - J e n s e n 1 9 8 1 , S. 6 8 -7 7 . 116 K. F r ii s - J e n s e n 1 9 7 5 , S. 10. N ach G. B e n d z war der Einfluß au f Saxo von Va­ lerius M axim us und Martianus Capella eher stilistisch als inhaltlich, vgl. »Saxos stilistiska fbrebilder, m etrik och prosarytm« Saxostudier, ed. I. B o s e r u p 1 9 7 5 , S. 9 5 -9 7 . 117 Dipl. Danicum I 4, K ph. 1 9 5 8 , N r. 3 2 , S. 6 2 ZI. 9 -1 1 . D ie M anuskripte waren 1) Justinus (heute Gl. Kgl. Saml. 4 5 0 in Folio; 2) Valerius M axim us (beim Brand Kopenhagens 1 7 2 8 zerstört), vgl. I. B o s e r u p 198 1 , S. 1 9 -2 0 und 26. 118 Siehe hierzu J. R

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aasted

in: I. B o s e r u p 1 9 7 5 , S. 1 0 4 -1 0 6 .

Saxos Quellen

rechtliche Rhetorik, da Status für den Verteidiger die Lage der Vertei­ digung, für den Richter die Hauptfragen des Streitpunktes bedeutet.119 Nach der Statuslehre kann eine Verteidigung vor dem Gericht folgen­ dermaßen aufgebaut werden: 1) Status contecturae (Status der Vermu­ tung). Hier steht die Frage im Vordergrund, ob der Angeklagte die Tat begangen hat, was bestritten oder eingeräumt werden kann. Im letzte­ ren Falle weicht der Verteidiger auf den zweiten Status aus: 2) den Status definitionis, wobei man davon ausgeht, daß der Angeklagte sich etwas hat zuschulden kommen lassen, was man jetzt definieren soll. Die Fra­ ge ist also: Was hat er getan? worauf dem Verteidiger zwei Antworten übrig bleiben: a) er hat etwas getan, aber etwas anderes, b) er hat dies getan. Im letzteren Falle weicht der Verteidiger auf den dritten Status, den 3) Status qualitatis oder Status der Eigenschaft (d.h. sowohl der Tat als des Täters) aus. Hier kann der Verteidiger das ganze juristische Ar­ senal verwenden sowie an die Gefühle appellieren. Man fragt, wie es ist oder wie er ist. Hierzu kann der Verteidiger antworten: »Ja, er hat es ge­ tan, aber mit Recht!,« und er mag ferner die Richter fragen: »Wenn mein Klient verurteilt wird, wie wäre dann Orestes behandelt wor­ den?«. W ir erinnern uns, daß Orestes auf Anregung seiner Schwester Elektra die Mutter und deren Liebhaber tötete, um den von letzterem ermordeten Vater Agamemnon zu rächen. Oder die Antwort kann sein: »Er tat es, aber die Tat war nützlich.« Man sieht, welche empfindsame Überschwenglichkeit ein geschickter Anwalt hier verwenden kann ...! 4) Der vierte Statustyp Status translationis wird nicht immer als ein ech­ ter Statustyp betrachtet, da er mehr oder weniger in den anderen vor­ handen ist. Als Beispiele können folgende Behauptungen erwähnt werden: a) Das Gericht ist für diesen Fall nicht zuständig; b) nicht der Klient des Verteidigers, sondern ein anderer sollte angeklagt werden, denn der Klient hat auf Befehl anderer agiert oder er hat es erzwun­ genermaßen wegen der Nachlässigkeit anderer getan; c) der Ankläger ist selbst ein Verbrecher; am besten ist es, wenn der Verteidiger ihm die­ selbe Anklage Vorhalten kann wie die, gegen die er seinen Klienten verteidigen soll! Betrachten wir mit diesen Vorkenntnissen die Verteidigungsrede

119 Vgl. N . H a a s t r u p in: I. B o s e r u p 1 9 7 5 , S. 1 0 7 -1 1 4 .

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Kapitel 3

Knud Lawards.120 Dieser war der Sohn des während einer Wallfahrt verstorbenen Königs Erich I.; beim Tod des Vaters war Knud zu jung, um ihm auf den Thron zu folgen. So wurde der Bruder Erichs, Niels, König und regierte insgesamt dreißig Jahre (1104-1134). Knud wurde am Hofe Lothars III. ausgebildet, kehrte zurück und wurde praefectus in Schleswig und dux Danorum. Normalerweise kombiniert man in der Forschung die beiden Ämter und sieht in Knud den ersten Herzog von Schleswig. Aber praefectus soll wohl als »Burggraf« übersetzt werden — andere gab es z.B. in Roskilde und Lund - und dux Danorum bedeu­ tet wahrscheinlich Oberbefehlshaber oder ähnliches.121 Knud verbes­ serte das Militärwesen um Schleswig, indem er Festen an mehreren Orten an der Schlei anlegen ließ. Durch seine Fähigkeit und seine Nachbarschaft wurde er in die westslawische Politik verwickelt und zum Herrscher (Knes) über die Abodriten gewählt. Die Ausgangslage für eine erfolgreiche Thronbewerbung Knuds nach dem Tod des O n­ kels konnte nicht günstiger sein. Der König hatte aber auch noch den Sohn Magnus, der neben dem glänzenden Knud blaß erscheint; auch ihm gelang es, im Ausland an­ erkannt zu werden, und zwar als König über einen Teil Schwedens. In­ nenpolitisch aber war die Stellung Knuds formal gesehen stärker, denn im Gegensatz zu Knud hatte Magnus keine dänischen Ämter inne. Die Machtbasen Knuds in Dänemark waren die Hvidefamilie auf Sjælland und die Einwohner von Schleswig, aber auch Magnus konnte bedeu­ tende Familien zu seinen Anhängern zählen. Nach Saxo gelang es der Königin Margarete Fredkulla (d.h. Friedensmädchen), einen offenen Konflikt zwischen den beiden Vettern zu verhindern. Nach ihrem Tod wurde die Opposition gegen Knud stärker, und man klagte ihn beim König wegen Hochverrats an, denn er habe bereits jetzt, während Niels noch am Leben war, den Königsnamen angenommen. Der Kö­ nig lud zur Gerichtsversammlung ein und befahl Knud, sich ebenfalls dort einzufmden. Der Herzog war der erste am angeführten Ort, und als der König heranritt, leistete Knud ihm den Marschalldienst, wie es

120 Z u seiner Biographie, T h . RllS 1991 B ; zu seiner Rivalität m it Magnus, H . P a lu d a n

121 T h .

70

1 9 6 6 -6 7 , S. 5 0 9 -5 2 0 .

Rns 2001, S. 7-8.

Saxos Quellen

deutsche Hofsitte war:122 Er ging ohne Mantel zum König und hielt den Steigbügel, um dem König beim Absteigen zu helfen. In der Versammlung, die wahrscheinlich eine Gefolgschaftsver­ sammlung war (nach Sven Aggesen war eine solche für Prozesse we­ gen Hochverrats zuständig123) erinnerte Niels daran, daß er und seine Brüder dem Alter nach einander auf den Thron gefolgt wären und daß er als der jüngste immer geduldig auf seine Chance gewartet habe. Aber, fuhr er fort, Knud verhalte sich nicht dementsprechend, denn er lasse sich von seinen Mannen mit dem Königsnamen anreden und warte nicht einmal bis zum Tode des regierenden Herrschers. In einer großen Verteidigungsrede wies Knud die Anklagen zurück und konn­ te den König überzeugen; in dieser Rede erkennt man deutlich den Aufbau nach den Regeln der Statuslehre. Nach einer Einleitung, in der Knud den König auffordert, den Ver­ leumdern kein Gehör zu schenken, weist er kategorisch die Anklage zurück, indem er Niels nur als Richter, nicht als den Urheber der An­ klage betrachtet ... ein geschickter Rechtskniff, denn so kann er die Anklage schärfer widerlegen. In der Ablehnung der Anklage —also sta­ tus contecturae —sagt Knud, daß er niemals seinen Mannen erlaubt habe, ihn als König zu bezeichnen und geht sofort zum status definitionis über (»herum me meiy non regem appellant«124), d.h. daß seine Leute ihn als den Feudalherrn betrachten. Daß die Slawen ihn Fürst nennen, sei eine an­ dere Sache, und im übrigen sei es wohl eher zum Vorteil des Königs, daß Knud über Slawen herrsche. Und schließlich verwendet er den sta­ tus translationis, indem er behauptet, daß die Kläger, nicht Knud, dem König Mangel an Respekt zeigen. So fordert er den Richter (den K ö­ nig) auf, daß er und Knud zusammen gegen die Kalumniatoren auftreten. Knud geht dann mit der Frage, wie es wäre, wenn man ihn als Kö­ nig betrachtete, zum status qualitatis über. Magnus sei ja vor kurzem König über einen Teil Schwedens geworden, und wenn Knud dasselbe Glück hätte, würde Niels Herr über zwei Könige sein. Hier finden wir

122 Siehe R . H o l t z m a n n 1 9 3 2 , S. 3 0 5 ,3 2 2 und 3 3 3 - 3 3 4 ; C . W

e ib u l l

1 9 1 5 , S. 153.

123 V g l.T h .R n s 1 9 7 7 , S. 2 3 5 .

124 Saxo I 351 ZI. 38-352 ZI. 1, II Sp. 371. 71

Kapitel 3

also die Rechtfertigung: Knud habe zwar etwas getan, aber dies mit Recht. Und er fahrt mit einer anderen, zum status qualitatis gehören­ den Verteidigung fort, indem er seine Taten als nützlich für Dänemark darstellt. Knud habe die Küstengebiete gesichert, auch könne der Kö­ nig ohne Furcht in Schleswig übernachten, was er wegen der sächsi­ schen Einfälle früher nicht gekonnt habe, und sei die dänische Herr­ schaft durch Knud auf andere Völker ausgedehnt worden. Knud appel­ liert an die Gefühle des Königs, ihm nicht undankbar zu sein und den Verleumdern kein Gehör zu schenken. Er schließt seine Rede mit ei­ ner klassischen dreigliedrigen Konstruktion: Erstens möge der König noch lange leben, zweitens möge dem Erbe des Königs ein ähnliches Glück beschieden sein, das seiner Natur entspräche, d.h. er ist schon von der Natur aus Erbe des Königs, und Knud wünscht, daß er ein ent­ sprechendes Glück haben werde, also daß er dem Vater auf den Thron folgen werde, und drittens versichert Knud dem König seine Loyalität! So verteidigte sich Knud nach Saxos Darstellung, und er konnte den König so beruhigen, daß dieser die Anklage zurückzog. Die Verleum­ der mußten es erneut versuchen, indem sie eine andere Linie wählten. Die Anklage gegen Knud wegen Hochverrats hatte sich als grundlos erwiesen, und man versuchte jetzt, den König durch politische Argu­ mente zu beeinflussen. Knud sei sehr ambitiös und strebe nach der K ö­ nigswürde, und das Ergebnis der Königswahl könne sich für Magnus negativ auswirken, denn Knud sei bei den nicht-adligen Wählern der bei weitem beliebtere. Es wäre klug, wenn der König Knud neutrali­ sieren würde, wozu Waffen sehr angemessen wären. Magnus konspirierte mit den Verleumdern; der H of verbrachte Weihnachten 1130 in Roskilde, danach besuchte Knud den praefectus von Falster. Magnus schickte einen sächsischen Sänger dorthin, um Knud zu bitten, Magnus im nahen Wald zu begegnen. Der Sänger versuchte, Knud zu warnen, indem er die Ballade von Kriemhildes Untreue gegenüber den Brüdern sang.125 Knud ging zum Treffen und

125 Diese Episode bedeutet nur, daß das Nibelungenlied zur Entstehungszeit der

Gesta Danorum in D änem ark bekannt w ar und nicht notwendigerweise, daß es eine ältere skandinavische Fassung gegeben habe, vgl. Das Nibelungenlied, S. 3 8 7 389.

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Saxos Quellen

wurde von Magnus getötet. Das war der Anlaß zu den Bürgerkriegen, die mit Unterbrechungen bis zum Sieg Waldemars I., also Knuds Sohn, im Oktober 1157 andauerten. Knud wurde im Jahre 1169 kanonisiert.

Mittelalterliche Verfasser Saxos Gesta Danorum gehören zu der literarischen Gattung der Origo gentis. In solchen Werken wird die Geschichte eines Volkes seit den U r­ sprüngen dargestellt. Beispiele gibt es aus dem römischen Altertum und dem lateinischen Mittelalter; das älteste Beispiel im mediterranen und europäischen Kulturkreis ist wohl das Alte Testament. Die römi­ sche Geschichte des Livius, die Gotengeschichte des Jordanes, die Langobardengeschichte des Paulus Diaconus sind alle solche Origo gen^-Darstellungen.126 Eine Arbeit ist für unsere Überlegungen beson­ ders interessant, weil Saxo bezüglich des Ursprungs der Dänen gegen sie polemisiert. Es handelt sich um die Geschichte der Normannenherzöge von Dudo von St. Quentin (um 960-1026) »De moribus et ac­ tis primorum Normanniae ducum«. Nach Dudo wurden die Dänen von ihren Landsleuten Danai oder Dani genannt, was den Namen der Griechen Danaer, Danai in Erinnerung bringt. Homer verwendet »Da­ naer«, um die Griechen vor Troja zu bezeichnen, und mehrere Origo gentis-Werke sehen in einem ehemaligen Troja-Helden den mythi­ schen Gründer des eigenen Volkes. Die Aeneis Vergils ist ein klassisches Beispiel dafür. Nach der Vorrede springt Saxo mit dem Anfang des ersten Buches in medias res: »Dan und Angul, von denen die Dänen stammen und de­ ren Vater Humble war, waren nicht nur Gründer unseres Volkes, son­ dern auch dessen Herrscher, obwohl Dudo,Verfasser einer Geschichte Frankreichs (Aquitaniens), meint, daß die Dänen von den Danaern stammen und nach ihnen benannt worden sind.«127 Saxo spricht von einer aquitanischen Geschichte Dudos, aber eine solche ist uns nicht

126 S ieh e h ierzu I. S k o v g a a r d - P e t e r s e n 1 9 6 9 , S. 5 8 -6 1 . 127 S a x o I 10 ZI. 2 -5 : ‘Dan igitur et Angul, a quibus Danorum coepit origo, patre Hum-

blo procreati non solum conditores gentis nostrae, verum etiam rectores fuere. Quamquam Dudo, rerum Aquitanicarum scriptor, Danos a Danais ortos nuncupatosque recenseat'. 73

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bekannt, und tatsächlich muß Saxo die Normannengeschichte Dudos meinen; Aquitanien ist das heutige Südwestfrankreich. Vielleicht be­ nutzt Saxo diesen Namen, um den ganzen englischen Besitz auf fran­ zösischem Territorium zu bezeichnen. Die Normandie aber war 1204 an Frankreich zurückgefallen, was Saxo hätte wissen müssen. Eher, denke ich, war die Normandie ihm nicht römisch genug, weshalb er mit Aquitanien auf die Heimat des Ausonius hinweisen wollte. So lehnt Saxo einen etwaigen trojanischen Ursprung der dänischen Königssippe ab,128 aber die Verfassung Dänemarks war anfangs dyarchisch, genau wie im alten Rom , das von zwei Konsuln regiert wur­ de.129 Humble war der Vater der beiden Dyarchen, und nach ihm war auch ein Enkelkind, der erste König, benannt. Übrigens ist Humble ein D orf auf Südlangeland, wo man ein monumentales Grab aus der Stein­ zeit gefunden hat - aber ob Saxo davon wußte, muß dahingestellt blei­ ben. Die beiden Herrscher, Dan und Angul, sind ‘eponyme’ Helden; nach solchen wurde eine Stadt oder wie hier ein Volk benannt. Ähn­ liche Gründungsmythen kennen wir sehr gut aus der Zeit der grie­ chischen Kolonisation im 8. bis 6. Jahrhundert. Und so ist es auch bei Saxo: Dan wurde Stammvater der dänischen Könige, während Angul zuerst die von ihm beherrschte Landschaft, d.h. Angeln, nach sich be­ nannt hatte; als später seine Nachkommen über die Nordsee nach England auswanderten, gaben sie ihrer neuen Heimat den Namen der früheren. Hier kann Saxo direkt auf die englische Kirchengeschichte des »ehrwürdigen Beda« (673/4-735) verweisen, denn nach ihm kom­ men die englischen Völker aus Angeln, »das sich bis heute verwüstet zwischen den Provinzen der Jütländer und der Sachsen findet«. Diese Einwanderung scheint im Laufe des 5. Jahrhunderts stattgefunden zu haben. 128 E rst nachdem ich die erste Fassung des Manuskriptes abgeschlossen hatte, ent­ deckte ich, daß L.B.M O RTENSEN schon 1 9 8 7 zu m selben Ergebnis gekom m en war, vgl. M o r t e n s e n 1 9 8 7 , S. 1 7 2 -1 7 4 . 129 W ich tig ist die Konstatierung Sigurd Kværndrups, daß die G eburt Christi

24

G enerationen nach dem B egin n der dänischen Geschichte stattfand. R e ch n e t m an drei G enerationen auf ein Jahrhundert, kom m t m an in die Z eit um 8 0 0 vor Christi G eburt, also vor der Gründung R o m s, vgl. S. KVÆRNDRUP S.

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75-76 und L. Koch 1994, S. 67.

1999,

Saxos Quellen

Fassen wir zusammen: Saxo will eine Origo-gentis-Darstellung der dänischen Geschichte schreiben, aber ganz bewußt stellt er Dänemark als autochthon dar - die trojanischen Helden braucht man nicht, denn man ist, wie es in Buch V deutlich wird, das Gegenstück zum römi­ schen R eich, denn Frode III. und Augustus hatten Europa unter sich geteilt. Wie es sich altrömisch gebührte, hatte auch Dänemark eine Dyarchie vor der Monarchie, der Alleinherrschaft eines Königs, gekannt, aber Saxo hat wohl einen weiteren Grund, sich damit zu beschäftigen, denn die Regierung Waldemars I. war ja eigentlich eine Dyarchie zwi­ schen dem König und dem Erzbischof Absalon. Also war eine Dyar­ chie nichts Außergewöhnliches, wohl aber etwas Römisches. Welche weiteren mittelalterlichen Quellen hat Saxo benutzt? In einer kurzen Analyse der Erzählungen von Gro-Sigtryg-Gram (im 1. Buch) und von Gro-Haldan-Gyritha (7. Buch) konnte Niels Lukman über­ zeugend darstellen, daß sie ursprünglich Teile derselben Erzählung wa­ ren und daß Saxo sich von der dänischen Reichsgeschichte seit Mitte des 9. bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts inspirieren ließ, wie er sie aus den schriftlichen Quellen wie Rimberts Ansgar-Biographie, aus den fränkischen Jahrbüchern, aus Adam von Bremen, aber auch aus den Runeninschriften der Haddeby- (früher Wellspang-)steinen kannte.130 Die Nachrichten sind zu dürftig, um eine nur einigermaßen historisch fundierte Darstellung zu erlauben; so bediente sich Saxo sehr frei die­ ser Namen, genau wie er den historischen Fravitha (um 400) als Inspi­ ration für sein Bild von Frotho III. benutzte. Über Jordanes haben wir schon gesprochen und auch Paulus Dia­ conus erwähnt; ferner hat Frau Skovgaard-Petersen nachweisen kön­ nen, daß Saxos Darstellung der Zeit Svend Gabelbarts auf Adam von Bremen basiert, indem er die Hamburgische Kirchengeschichte mit dem Chronicon Roskildense um 1140, mit Sven Aggesens Brevis Historia Regum Dacie und vielleicht mit altnordischem Traditionsstoff ver­ knüpft.131 Während Arnold von Lübeck der Zeitgenosse Saxos war, und unser Verfasser deshalb kaum das Werk seines Kollegen benutzen

130 N . L u k m a n 1 9 8 9 , passim .

131 I. S k o v g a a r d - P e t e r s e n 1 9 6 6 , passim.

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konnte, ist es nicht ganz klar, ob er die Slawenchronik Helmolds aus­ gewertet hat. Daß Saxo auf Sven Aggesen basiert, ist selbstverständlich; neben der schon erwähnten Brevis historia teilt er den Text des Gefolg­ schaftsrechts mit.132 Saxo hat natürlich auch weitere Quellen zur däni­ schen Geschichte gekannt wie z.B. die sogenannte Odense-Literatur, die mehrere Darstellungen des Lebens und des Todes Knuds des Hei­ ligen umfasst, oder das Ordinale Sancti Kanuti}33 W ir können nicht die Benutzung aller einheimischen Quellen nachweisen, was sich wegen Saxos Arbeitsweise schwierig gestalten würde; begnügen wir uns mit einer klassischen Untersuchung, die wir L. Weibull verdanken. Weibull zeigt in einem Artikel in der von ihm neubegründeten und herausgegebenen Zeitschrift Scandia, daß der Lunder Dom drei N ekrologien besaß; das erste erhaltene (.Memoriale Fratrum) wurde 1123 angelegt, ging aber auf ein älteres verschollenes, aus den 1080er Jahren stammendes zurück. 1145 wurde das dritte Nekrologium, der soge­ nannte Liber Daticus, angelegt, und auch hierbei wurden manche N o­ tizen aus dem älteren Nekrologium in das neue übernommen.134 Es ging dabei um keine mechanische Übernahme, denn manchmal wurden die Einschätzungen und die Charakteristika geändert, was bei den Königen und Fürsten besonders deutlich wird. So steht unter dem 4. Juni, daß im Jahre 1134 in der Schlacht bei Hammer unter anderen Magnus filius regis Nicolai (Memoriale Fratrum) fiel, was wortreicher im Liber Daticus erwähnt wird: Magnus Nicolai regis filius virtute et progenie inclitus ... peremptus, deo creatori suo reddidit animam. Also im Memoriale Fratrum eine neutrale Notiz und im Liber Daticus eine durchaus positi­ ve Einschätzung des gefallenen Prinzen. Ähnliches sieht man bei dem ermordeten Herzog Knud Laward. Das Memoriale schreibt unter dem 7. Januar: Gloriosus Sclavorum rex Canutus, Erici regis filius occisus est. Eine positive Einschätzung also, aber auch die Bestätigung des königlichen Klagepunktes, daß Knud als König be­ zeichnet wurde und daß Knese mit König übersetzt wurde. Im Liber Daticus wurde die Notiz über Knud nicht übernommen, was verwun­ dert, denn schon seit 1135 arbeiteten die Anhänger Knuds an seiner

132 Siehe hierzu T h . R n s 1 9 7 7 , S. 3 1 -4 7 . 133 Diese finden sich in V S D 1 9 0 8 -1 2 . 134 L. W

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1 9 2 8 , S. 8 4 -1 1 2 , vor allem S. 8 6 -8 7 .

Saxos Quellen

Kanonisierung, die 1169 genehmigt wurde.135 Sehen wir im Memoria­ le Fratrum die Anhänger Knud Lawards an der Arbeit, war der Liber Daticus das Werk seiner Widersacher. Weibull hält es für wahrscheinlich, daß die im Memoriale Fratrum vertretene Auffassung diejenige Erzbi­ schofs Assers ist, der 1137 starb, während Liber Daticus von seinem Nachfolger Eskil geprägt ist. Dieser verhinderte Mitte der 1140er Jah­ re die Elevatio der Gebeine Knuds. Er hatte als Roskilder Bischof einen Kampf mit dem König, Halbbruder und Anhänger Knuds, Erich II., wegen der kirchlichen Freiheit geführt, und er hatte es erreicht, den königlichen Kandidaten um das Erzbistum, den Schleswiger Bischof Riko, durch sich selbst zu verdrängen. Das Chronicon Roskildense wurde um 1140 verfaßt, und in ihm fin­ den wir eine weitere Entwicklung der im Liber Daticus aufgeführten Anschauungen. Allem Anschein nach gehen sie auf Eskil zurück, der 1138 das Erzbistum übernahm. So kann Weibull die Existenz zweier politischer Gruppierungen feststellen: einerseits Eskil, Befürworter der kirchlichen Freiheit und politisch gesehen gregorianisch-kirchlicher Internationalist, andererseits die Waldemaren und deren Vorgänger ne­ ben Absalon, dem Reinhold von Dassel des Nordens, wie Weibull ihn nennt. Das Programm dieser Gruppierung war national und deshalb enger. Mit der Resignation Eskils 1177 und der folgenden Übernah­ me des Erzbistums durch Absalon war die nationale Partei überall an der Macht. Deshalb mußte die in der Roskilder Chronik vertretene Auffassung widerlegt werden, womit Saxo sich beschäftigte. Zum Bei­ spiel war die Roskilder Chronik dem ältesten Sohn Sven Estridsens, Harald, gegenüber durchaus positiv gewesen; für Saxo ist seine R egie­ rung fast eine Katastrophe, und Harald bildet so die Antithese zum jün­ geren Bruder und Nachfolger Knud dem Heiligen. Ferner wurde der Liber Daticus Anfang des 13. Jahrhunderts mit den fehlenden Notizen, z.B. über Knud den Heiligen und Knud Laward, ergänzt. Die Bewälti­ gung der Vergangenheit war somit vorüber.136 Eine wichtige Frage ist, inwieweit Saxo die zeitgenössische auslän­ dische Literatur gekannt hat. Daß er Gautier de Chatilion benutzte, ist

135 Siehe hierzu T h . R n s 1 9 7 7 , S. 2 0 0 -2 0 5 . 136 Bezüglich der Beispiele zum Verhältnis der R oskilderchronik und Saxo verweist Lauritz Weibull au f die Arbeit seines Bruders C . W

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191 5 .

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klar; wahrscheinlich hat er sich auch von Pierre de Blois inspirieren lassen, denn nur der Franzose und Saxo erkennen an, daß es auch für die anderen ein Vaterland gibt, und in ihren Ausführungen sehen die beiden Verfasser diese Patria mit den Augen der anderen. Ähnliche Inspiration fand Saxo wahrscheinlich in der Historia R e­ gum Britanniae, die Geoffrey o f Monmouth urn 1136 verfaßte. Hier konnte der Däne sehen, wie man die Geschichte der Sagenzeit auf­ bauen konnte, und hier fand man einige Namen, die in den Stamm­ baum der Königin Ingeborg 1194 eingefugt wurden. Da die Urheber dieses Stammbaumes der Æbelholter Abt Wilhelm, Absalon und An­ dreas Sunesen waren, wäre es unwahrscheinlich, wenn Saxo das Werk seines englischen Kollegen nicht gekannt hätte.137 Ein weiteres Beispiel ist die Beschreibung der merkwürdigen Burg bei Roskilde, die dem Halbbruder Knud Lawards, Harald, gehörte und die 1133 zerstört wurde.138 Sie war aus Holz gebaut und konnte - wie eine Windmühle - um einen zentralen senkrechten Pfosten gedreht werden. Ein ähnliches Gebäude findet man in der Beschreibung der Residenz des byzantinischen Kaisers im halb skurrilen Epos Pelerinage de Charlemagne aus dem 12. Jahrhundert,139 jedoch gab es schon seit Ende des 11. Jahrhunderts eine Legende, nach der Karl der Große eine Pilgerfahrt in den Nahen Osten unternommen haben soll. W ir haben die Episode vom alten König Wermund und dessen Sohn Uffe schon erzählt und haben angedeutet, daß Wermund auf einen spa­ nischen König Wermudo (Bermudo oder Veremundo) zurückgehen könnte. Unter ihnen ist wohl der für uns interessanteste Bermudo III. (1028-37). Dieser war der letzte König der Dynastie Asturias y Leon — wie Wermund in der dänischen Geschichte, denn anscheinend war Uffe regierungsunfähig —und nach dem spanischen Bermudo ging das R eich auf den Schwager Fernando de Castilla über, der mit der Schwester Bermudos verheiratet war.140 Es gelang Uffe, Sachsen mit Dänemark zu vereinigen, wie jetzt Castilien und Leon unter einem

137 Siehe hierzu N . L u k m a n 1 9 4 2 -4 4 , S. 5 9 3 -6 0 7 . 138 S a x o I 361 Z I. 3 2 - 3 6 2 Z I 5.

139 Vgl. M .-R . J u n g 1 9 9 2 -9 3 , Sp. 186 4 . 140 Vgl. Pedro A guado B laye 1 9 6 7 , S. 501 und 5 9 4 .

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Saxos Quellen

Herrscher vereinigt waren. Dieses Ereignis ist flir die spanische Ge­ schichte als sehr wichtig zu betrachten, und Saxo wollte wohl gerne zeigen, daß man im Norden ähnliche bedeutende Ereignisse hatte. Aber kannte man in Dänemark die iberische Halbinsel? Die Frage muß bejaht werden. Pilger reisten nach Santiago de Compostela, wie die Funde von Pilgermuscheln zeigen.141 Übrigens besuchte der Grün­ der des Dominikanerordens, Domingo Guzman, Dänemark (wohl im Jahre 1203), und außerdem war Waldemar II. in zweiter Ehe mit einer portugiesischen Prinzessin verheiratet. Sollte die Wermund-Episode ihr zeigen, daß Dänemark den eigenen Bermudo hatte, wäre diese Stelle im 4. Buch nach dem Tod Dagmars, der ersten Gattin Waldemars, im Jahre 1213 zu datieren - aber diese Möglichkeit ist eigentlich zu unsicher, denn unter den Urkundenzeugen Heinrichs des Löwen fin­ det sich auch ein gewisser Wermundus de Nuzbach oder de Sulz­ bach.142

Briefe Normalerweise werden auch heute verschollene Urkunden im Diplo­ matarium Danicum verzeichnet und sei es nur als bloße Erwähnung. Man hat aber auf die systematische Auswertung Saxos diesbezüglich verzichtet, denn die bei anderen mittelalterlichen Historikern erwähn­ ten Briefe wurden im Diplomatarium Danicum angeführt. Nach meiner Zählung werden 127 mögliche Briefe (siehe Anhang) bei Saxo erwähnt, was aber als Maximum bezeichnet werden muß, denn in mehreren Fällen kann man die Existenz eines Briefes nur ver­ muten. Oftmals wird das Abschicken einer Botschaft erzählt; man kann sich hier vorstellen, daß letztere Briefe mitgebracht habe, aber eigent­ lich wissen wir es nicht. Noch im 12. Jahrhundert waren die Schrift­ kenntnisse wohl nicht so verbreitet, daß man die Mündlichkeit ganz ausschließen kann. Es ist manchmal zu bezweifeln, ob unser Verfasser einen von ihm er­ wähnten B rief auch gesehen hat; so schreibt Saxo z.B., daß die Frau

141 Vgl. M . M

ü l l e r - W il l e

1 9 9 5 , S. 7 3 -7 4 .

142 D ip l H eim ; Löwe N r. 7 2 , 9 8 , 1 00 aus 1 1 6 6 und 117 4 .

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Knud Lawards den abwesenden Gatten durch einen B rief vor den Plä­ nen des Magnus warnte: »... virum (KL) ... missis litteris monendum cu­ ravit .«143Wahrscheinlich hat schon Knud den B rief zerrissen, aber —Pa­ pier gab es zu dieser Zeit in Dänemark nicht und Pergament war teu­ er. Ob man wie in Rußland oder Norwegen Birkenrinde als Schreib­ material verwendete, ist unsicher, eine andere Möglichkeit wären Wachstafeln, worauf man mit einem Griffel schrieb. Obwohl man um 1130 das Papier in Dänemark nicht kannte, genügt dieser Umstand nicht, um Saxo den Quellenwert abzusprechen. Es ist aber durchaus möglich, daß Saxo entweder vom B rief nur durch mündliche Erzäh­ lung gehört hat oder daß der B rief eine Erfindung Saxos ist, weil Knud sich in Abwesenheit von seiner Frau befand. Saxo berichtet, wie nach dem Tod Gøtriks, des Gegners Karls des Großen, der Sohn O luf regierte; ihm folgte Hemming, dessen einzige bemerkenswerte Tat der Friedensschluß mit Kaiser Ludwig (»pacem cum Caesare Lodowico iurisiurandi firmitate composuit«144) war. Diese Nachricht ist aber völlig falsch, denn dem 810 ermordeten Gøtrik folgte der Nef­ fe Hemming, der mit dem Kaiser den Frieden schloß.Von einem dä­ nischen Herrscher O luf ist in den fränkischen Reichsannalen keine Rede, und da Hemming 811 oder spätestens 812 starb, muß der ge­ nannte Kaiser Karl der Große gewesen sein. Von beiden Seiten wur­ den, als der Frühling das Reisen wieder ermöglichte, zwölf vornehme Gesandte an die Grenze an der Eider entsandt. Obwohl die Reichsan­ nalen die Namen der meisten Botschafter (elf auf der fränkischen, zehn auf der dänischen Seite) erwähnen — was auf schriftliche Nachricht zurückgehen könnte, braucht dies nicht der Fall gewesen zu sein, denn der Friedensschluß wird bezeichnet als: »datis vicissim secundum ritum ac morem suum sacramentis pax confirmatur« (Annales 811); also bestätigte man den Frieden, nachdem jede Partei auf die für sie gängige Art den Eid geleistet hatte. Im 9. Buch erzählt Saxo, wie König Frotho, der sich in England hat­ te taufen lassen, Papst Agapit II. (946-55) um Missionare bat. Er starb aber, ehe die Angelegenheit erledigt worden war. Auch hier145 könnte I 354 ZI. 11-13 (Nr. 29); J. O lrik 1932-1934, S. 217. 144 Saxo I 250 ZI. 6-7 (Nr. 1), J. Olrik 1932-1934, S. 155. 145 S a x o I 265 ZI. 23-29 (Nr. 2); J. O lrik 1932-1934, S. 156-157. 143 S a x o

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Saxos Quellen

man sich einen Briefwechsel vorstellen, obwohl dieser nicht unbedingt notwendig war. Adam von Bremen referiert eine Urkunde von Papst Agapit, der der Hamburger Kirche die Oberhoheit über die Bischöfe der neulich bekehrten Völker des Nordens gab (II.3), woraus Saxo lo­ gisch (seiner nationalen Tendenz gemäß) die Mission auf eine königli­ che Initiative zurückgehen läßt. Auch hier ist das Ergebnis negativ: Saxo hat nur Adam benutzt, und der basiert auf der —übrigens falschen - Bulle Agapits II. vom 2. Januar 948.146 Die folgenden möglichen Briefe beziehen sich auf die Verhältnisse in England; so bestimmte der englische König Ethelred schriftlich, daß die Söhne seiner Tochter aus ihrer Ehe mit dem Dänenkönig die Herr­ schaft über England übernehmen sollten,147 wodurch Saxo wohl nur die dänischen Ansprüche auf England hervorheben wollte. Auf ähnli­ che Weise einigte sich Sven Gabelbart mit dem englischen König Adelstan (recte: Ethelred), nach dessen Tod die Herrschaft in England zu übernehmen,148 und der im Jahre 1016 nach dem dänischen Sieg bei Ashingdon geschlossene Friede zwischen Knud und Edmund Ironside wird bei Saxo als ein Vertrag zwischen Edward (recte: Edmund) und Knud dargestellt. Für die Lebenszeit Edmunds sollte der Däne Mitre­ gent über die Hälfte des Reiches sein — das R eich wurde tatsächlich geteilt -, und nach dem Tod Edmunds sollte Knud die Herrschaft über das ganze R eich übernehmen. So geschah es auch, als Edmund am 30. November 1016 starb, wonach Knud als König bestätigt wurde.149* Bei Saxo geht jedoch alles ordentlich vor sich, mit Abkommen und eingehaltenen Rechtsansprüchen, und zwar zur Wikingerzeit! Einige Briefe Knuds des Großen (gest. 1035) beziehen sich auf des­ sen Schwester Estrid und deren Gatten Ulf. Letzterer bittet Knud um ein mit dem Ringsignet Knuds versiegeltes Mandat, das der Schwester Gehorsam dem Gatten gegenüber auferlegen soll.130 Das Verhältnis der

146 D ip i Dan. I 1 Nr. 3 1 8 . 147 S a x o I 2 6 7 ZI. 3 0 -3 2 und 2 6 9 ZI. 8 -1 1 (Nr. 3).

148 Saxo I 284 ZI. 28-29 (Nr. 5);J. O lrik 1932-1934, S. 169-170. 149 Sa x o I 2 8 6 Z I. 2 3 - 2 7 (N r. 6 );J . O l r i k 1 9 3 2 -1 9 3 4 , S. 171.

289 Z I. 20-24 1910-1913, passim.

15υ S a x o I

(N r.

7); J.

O l r ik

1932-1934,

S.

173-174;

L. W

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Kapitel 3

Schwäger verschlechterte sich, und Knud ließ U lf im Roskilder Dom töten. Als Buße für den Totschlag überließ er der Schwester Grundbe­ sitz, den sie später dem Roskilder Dom schenkte.151 Diese Donation können wir nachprüfen, denn 1072-73 bestätigte sie der Roskilder B ischofWilhelm;152 sie umfaßte 50 mansos, was aber erheblich weniger als die zwei Harden bei Saxo ist. Das Gesetz für die Gefolgschaft, das Knud dem Großen zugeschrie­ ben wird, haben wir schon erörtert. Es ist allem Anschein nach Ende des 12. Jahrhunderts von Sven Aggesen verfaßt worden.153 —Wie in den englischen Angelegenheiten zitiert Saxo einen Sukzessionsvertrag zwi­ schen Svend Estridsen und Magnus dem Guten, wonach deqenige, der am längsten lebte, die Herrschaft über beide Länder, nämlich Norwe­ gen und Dänemark, übernehmen sollte. Saxo erwähnt nur ein eidliches Abkommen,154 und ein solches mag mündlich gewesen sein.Vor allem konnten so die dänischen Ansprüche auf Norwegen erhoben werden. Unser Verfasser erzählt, daß der älteste Sohn Svend Estridsens, Ha­ rald, dem Vater auf dem Thron folgte. Harald führte neue Prozeßregeln ein, indem man Eidesbeweis gegen Zeugen gelten lassen durfte,155 was Saxo tadelt. Aber der Begriff Haralds Gesetz bedeutete im frühen M it­ telalter vielleicht nur den gesamten Rechtszustand, wie wir es im spä­ teren Mittelalter vom Ausdruck Waldemars Gesetze kennen. Rechtshi­ storisch gesehen ist die Harald zugeschriebene Reform ganz unmög­ lich: Der Zeugenbeweis ist die neuere Beweisform, die man zur Zeit Saxos dem Eid gegenüberzustellen versuchte. Als Propaganda ist Saxos Erwähnung nicht schlecht, denn eine Reform könnte so als Wieder­ herstellung des alten Zeugenbeweises dargestellt werden.156 Übrigens gehört der Passus über die Gesetze Haralds in die schon erwähnte B e­ wältigung der Vergangenheit, die Lauritz Weibull glänzend dargestellt hat. Harald, dem die Roskilder Chronik eine allgemein nützliche R e -

151 S a x o I 2 9 3 ZI. 6 -9 (Nr. 8 -9 ).

152 D ip l Dan. I 2, Nr. 9. 153 N r.

10, T h . Rns 1977, S. 31-47.

154 S a x o I 3 0 0 Z I. 2 2 -2 5 (N r. 11); J. O

l r ik

1 9 3 2 -1 9 3 4 , S. 1 8 0 -1 8 1 .

155 S a x o I 3 1 8 ZI. 1 0 -1 4 (N r. 12). 156 S ieh e h ierzu J. O l r i k 1 8 9 9 -1 9 0 0 , S. 1 7 7 -1 9 9 .

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Saxos Quellen

gel zuschreibt, wird bei Saxo als das untaugliche Gegenstück zu Knud dem Heiligen dargestellt. Dieser König, Haralds jüngerer Bruder, trat nach Saxo auch als Ge­ setzgeber auf: Die Bischöfe wären als die vornehmsten der Großen des Reiches anzusehen, und er führte das geistliche Gerichtsprivilegium ein.157 Andere Quellen, vor allem die Urkunden, zeigen dagegen deut­ lich, daß noch im 12. Jahrhundert die Bischöfe nicht der Versammlung der Großen angehörten. So konnte Waldemar 1177 in seinem Privile­ gium für die Gotlandfahrer Kaufleute, Bauern und Krieger als die drei Stände erwähnen158 — Geistliche findet man als Stand noch nicht. Wahrscheinlich machte Saxo so Propaganda für eine Gleichstellung der Geistlichen mit den weltlichen Großen. Daß Knud der Heilige aber ein Edikt über die Einhaltung der kirchlichen Fastentage erließ, wird von Saxo anscheinend nicht erwähnt,159 dafür können wir seine Donationen an die Domkirchen von Roskilde und Lund teilweise mit seiner großen Urkunde von 1085 identifizieren.160 Die Darstellung der kirchlichen Verhältnisse um 1100 nimmt Saxo zum Anlaß, auf mehrere Briefe hinzu weisen, die alle verschollen sind. Nach dem Tod Eginos folgte ihm Asser als Bischof von Lund, schreibt Saxo, und fährt fort, daß der Hamburger Erzbischof Erich I. mit dem Bann bedrohte, den der König durch Appell nach R om abwehren konn­ te.161 Wenigstens drei Briefe müssen hier vorhanden gewesen sein: Die Erklärungen beider Seiten und die päpstliche Entscheidung. Aber etwas stimmt nicht: Bischof Egino starb am 19. Oktober 1072; neuer Bischof wurde der Paderborner Domherr Ricwal, der bis 1089 amtierte. Erst dann übernahm Asser das schonische Bistum. Ricwal war nach Däne­ mark gereist und war von dem Paderborner Bischof und vom Hambur­ ger ErzbischofAdalbert aus uns unbekannten Gründen exkommuniziert worden; nach Niels Skyum-Nielsen hätte er sich nicht in gebührender,

157 Sa x o I 3 1 9 ZI. 2 3 - 2 4 und 2 9 -3 5 (N r. 13); L. W

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1 9 3 4 , S. 2 9 3 , idem 1 9 3 5 ,

S. 2 6 5 , idem 1 9 3 6 , S. 2 7 2 . 158 D ip l Dan. I 3 N r. 63. 159 Dipl. Dan. I 2 N r. 22. 160 Vgl. S a x o I 3 2 2 ZI. 9 - 1 0 und 1 5 -2 4 (N r. 1 5 -1 7 ); Dipl. Dan. I 2 N r. 2 1 ;J . O

l r ik

1 9 3 2 -1 9 3 4 , S. 1 9 6 -1 9 7 . 161 S a x o I 3 3 5 ZI. 1 8 -2 2 (N r. 1 8 -2 0 ).

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Kapitel 3

korrekter Weise von seinen Paderborner Verpflichtungen gelöst. Einen B rief des Paderborner Bischofs an den Papst diesbezüglich kennen wir aus dem Jahre 1075,162 aber eine Banndrohung an den König ist nicht bekannt.Wahrscheinlich ist es die Exkommunizierung Ricwals, die Saxo auf den König übertrug. Das gibt unseremVerfasser die Gelegenheit, den König als den vom Hamburger Erzbischof unrechtmäßig angeklagten Herrscher darzustellen; so werden schon die Weichen für die Selbstän­ digkeit der dänischen Kirche von Hamburg gestellt. - Deshalb erlangte Erich auch leicht die päpstliche Genehmigung zur Errichtung des Erz­ bistums. Nach Saxo verhandelte Erich in R om direkt mit dem Papst, was durchaus möglich ist.163 Für die Gründung des norwegischen und des schwedischen Erzbistums sind die einschlägigen Bullen in Abschriften überliefert, nicht aber für Dänemark, was vielleicht mit dem Brand der Kopenhagener Universitätsbibliothek 1728 zusammenhängt. Saxo erwähnt weiter, daß Erich vor seiner Reise in den Nahen Osten eine Botschaft zum Papst schickte, vielleicht um das Pallium (Zeichen der Erzbischofswürde) zu erbitten.164165Der Gesandte muß dem Papst ein Bittschreiben überreicht haben, worauf ein päpstlicher Legat nach Dänemark geschickt wurde. Wahrscheinlich hat er die Sache vor Ort persönlich untersuchen sollen und Lund als künftigen Erzbi­ schofssitz vorgeschlagen, wonach die rechtsstiftende päpstliche Bulle erlassen werden konnte. Ähnlich ging man bei der Errichtung der nor­ wegischen und schwedischen Kirchenprovinzen 1154 bzw. 1164 vor.166 Die norwegischen und schwedischen Papstbullen sind im Aufbau ein­ ander sehr ähnlich und gehen so auf ein gemeinsames Modell zurück, aber man findet kein bedeutendes Wort aus den Papsturkunden bei Saxo. Solche müssen jedoch vorhanden gewesen sein. Zweifelhaft steht es um die durch eine Bulle besiegelten Echtheits­ erklärungen, die der byzantinische Kaiser den von Erich nach Hause geschickten Reliquien mitgab.166 Sie sind der Sache nach nicht un­

162 D ip l Dan. I 2 N r.1 4 , vgl. N . S k y u m - N 163 S a x o I 3 3 5 ZI. 2 5 -3 1 (N r. 2 1 );J . O

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l r ik

1 9 6 9 , S. 115.

1 9 3 2 -1 9 3 4 , S. 2 0 7 .

164 Sa x o Ϊ 3 3 7 ZI. 2 7 -2 8 (N r. 22).

165 Dipl. Dan. I 2 N r. 115 und 1 5 3 -1 5 4 , S a x o I 3 3 7 ZI. 2 9 - 3 6 (N r. 23 ). 166 S a x o I 3 3 9 ZI. 1 3 -1 6 (N r. 2 4 ); L . W

idem 1 9 3 6 , S. 2 8 0 .

84

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1 9 3 4 , S. 2 9 4 , idem 1 9 3 5 , S. 2 5 6 -2 5 7 ;

Saxos Quellen

wahrscheinlich, aber Saxo übertreibt die Ehren, die man dem König angeblich in Konstantinopel erwies: Saxo basiert hier auf einem islän­ dischen Lobgedicht des zeitgenössischen Skalden Markus Skeggjason (gest. 1107) auf Erich und auf den legendenhaften Berichten der Wallfahrt Karls des Großen nach Palästina. Vielleicht wird dafür die Bedeutung des königlichen Besuchs von Anna Komnena herunterge­ spielt. Sie war die Tochter des Kaisers Alexios I. und schrieb die Ge­ schichte seiner Regierung, ohne Erich auch nur einmal zu erwäh­ nen.167 Es verwundert ein wenig, daß keine Urkunden über die angeblichen Donationen der Königin Margarete, Gattin des Königs Niels, an die Kirchen erwähnt werden und so Saxos Nachricht bestätigen; allerdings sind aus der älteren Geschichte wenige Donationsurkunden erhal­ ten.168 Nach Saxo hatte Margarete Landbesitz und Ornamenta den Kir­ chen geschenkt, und aus dem Memoriale Fratrum, dem 1123 angelegten Lunder Necrologium, wissen wir, daß sie dem Lunder Dom einen Gold­ kelch mit Edelsteinen schenkte.169 Saxo erzählt weiter, daß der O bodritenfürst Heinrich Knud Laward als künftigen Fürsten einsetzte und daß jener seine Erbansprüche in Dänemark gegen Zahlung Knud überließ; Knud verkaufte die so erworbenen Ansprüche dem König und zahlte das Geld weiter an Heinrich.170 Die Quelle hierfür ist wahr­ scheinlich das Kapitel 49 von Helmolds Slawenchronik, in dem Hel­ mold erzählt, wie die Herrschaft über die Slawen vakant war und wie Knud sie von König Lothar kaufte, was die Frage beantwortet, ob Saxo Helmold benutzt hat. Bei Helmold wird diesbezüglich von regnum und rex gesprochen, was Saxo zu bagatellisieren versucht, vor allem in der Verteidigungsrede Knuds, aber auch hier zeigt sich Knud: Er überläßt König Niels die obodritischen Erbansprüche nicht (dafür aber die ei­ genen und viel besseren). Die ganze Episode soll bei Saxo die Loyalität Knuds dem König gegenüber darstellen. Nach der Ermordung Knuds schrieb sein Halbbruder Erik II. an

167 Vgl. C . W

e ib u l l

1 9 1 5 , S. 1 1 3 -1 2 9 ; J. O

l r ik

1 9 3 2 -1 9 3 4 , S. 2 0 9 -2 1 0 .

168 S a x o I 3 4 2 ZI. 3 4 - 3 6 (N r. 26).

169 Necrologium Lundense, S. 1 0 2 -1 0 3 . 170

Saxo I 3 4 7 ZI. 1 8 -2 1 (N r. 2 7 -2 8 ). 85

Kapitel 3

Lothar und bat ihn um Hilfe bei der Rache für den Tod Knuds.171 Lo­ thar intervenierte im Spätsommer 1131 auf der Seite Eriks, was auf die Richtigkeit der Nachricht bei Saxo hindeutet. Daß Erik Lothar um Hilfe gebeten hat, ist sehr wahrscheinlich, ob er es aber mündlich oder schriftlich tat, ist unsicher: Ein B rief wäre ein Beweis des Hochverrats gewesen. Die Rachemotive bei Lothar hat Saxo bei Helmold finden können, und nachträglich kann erwähnt werden, daß nach Helmold Knud sich wie ein Ebenbürtiger des Königs benahm, nicht wie bei Saxo als dessen Vasall.172 Überhaupt scheint Saxo den Gebrauch von Briefen etwas zu übertreiben, z.B. wenn der aufständische O luf um 1140 die Einwohner Schonens durch Edikt zur Versammlung einbe­ rief. Ein solches kann zwar auf den Hardesthingen vorgelesen worden sein, aber man hätte auch den Botenstab verwenden können.173W ie es schon anläßlich der Reise Eriks I. nach Konstantinopel der Fall war, so scheint unser Verfasser die Bedeutung Dänemarks nochmals zu über­ treiben, indem er die kirchliche Reaktion auf den Totschlag des R oskilder Bischofs 1139 beschreibt. Der Urheber, der Rebell Oluf, war natürlich durch die Tat automatisch gebannt worden; der Papst befahl den jütischen Bischöfen, dies einzuhalten, und gestattete den Bischö­ fen in ganz Europa, den Bann über Olaf zu verkündigen.174 Wohl hät­ te der Leiter der dänischen Kirchenprovinz als dafür Zuständiger den Bischöfen den Befehl geben können, andererseits aber war Eskil der ehemalige Widersacher des verstorbenen Bischofs und somit inhabil. Dahingegen hat Saxo wahrscheinlich eine päpstliche Encyclica mit der Aufforderung zum Kreuzzug gekannt, denn die an Frankreich ge­ gangenen Exemplare sind nachweisbar (vom 1.12.1145 und 1.3.1146). Dies wird durch den Umstand bestätigt, daß der Kreuzzug nicht not­ wendigerweise im Nahen Osten stattfinden sollte, denn Kriege gegen die Heiden im Ostseeraum und gegen die Sarazenen in Spanien und Portugal wären nach der Papstbulle vom 11.4.1147 gleichfalls akzep-

359 Z I. 17-19 (N r. 30); J. O l r i k 1932-1934, S. 221. Rns 2003, S.16. 173 Saxo I 372 ZI. 13-15 (N r. 32). Ähnliches Verfahren 1157, um die Einberufung der Flottenm annschaft durch Edikt, Saxo I 408 ZI. 7-9 (Nr. 46-47). 174 Saxo I 373 ZI. 38-40 (Nr. 34).

171 S a x o I

172 Vgl.

86

Saxos Quellen

tabel.173 Hat Saxo diese wahrscheinlich auch nach Dänemark gesand­ ten Briefe gekannt, faßt er sie in einem zusammen. Die Thronwirren der 1150er Jahre geben Saxo Gelegenheit, mehrmals Briefe und Abkommen zu referieren, die mitunter durch an­ dere Quellen bestätigt werden. So erwähnt eine Barbarossa-Urkunde vom 18.5. 1152,175176 daß Svend das R eich aus Barbarossas Hand emp­ fangen habe, während Knud Friedrich das R eich übergeben hätte. Auch nach Saxo hatte Barbarossa also das Abkommen vermittelt, aber ob die Tat urkundlich festgehalten worden ist, muß dahingestellt blei­ ben. Die Errichtung des norwegischen Erzbistums kennt Saxo natür­ lich,177 aber nach ihm war es der Legat, Kardinal Nikolaus, der das Erz­ bistum errichtete, während die eigentliche Gründungsurkunde vom Papst erlassen wurde.178 In dieser wird jedoch beschrieben, wie der Kardinal in der norwegischen Kirche alles regelte und den neuen Erz­ bischof weihte. Das kann Saxo aber auch auf eine andere Art erfahren haben, obwohl die Bulle in der erzbischöflichen Verwaltung in Lund bekannt gewesen sein mußte. Ähnliches trifft für die Erlaubnis für E skil zu, den künftigen schwedischen Erzbischof zu weihen; die ein­ schlägige Urkunde ist auf den 15.1.1157 datiert, weshalb Saxo logi­ scherweise das Ereignis im Zusammenhang mit der Errichtung der norwegischen Kirchenprovinz sieht.179 Hier scheint unser Verfasser auf Urkunden zu basieren. Die Roskilder Bischofswahl vom Jahre 1158, aus der Absalon als Sie­ ger hervorging, war nach Saxo schriftlich,180 aber die Stimmzettel oder was sonst dazu verwendet wurde, müssen nach der Wahl vernichtet worden sein - wie es heute bei der Papstwahl der Fall ist. Der Streit zwischen Waldemar I. und Erzbischof Eskil wird von Saxo erzählt, in-

175 S a x o I 3 7 6 ZI. 2 2 -2 6 (N r. 3 7 - 3 8 ) ; J a f f é 8 7 9 6 (= 6 1 7 7 ), 8 8 7 6 (= 6 2 1 8 ) und 9 0 1 7

(= 6 2 9 7 ) ; J . O l r i k 1 9 3 2 -1 9 3 4 , S. 2 3 6 . 176 D ip l D an . I 2 N r. 1 1 0 ; S a x o I 3 8 6 ZI. 2 5 -2 7 und 3 8 7 ZI. 4 -1 3 (N r. 3 9 ); J. O l ­ r ik

1 9 3 2 -1 9 3 4 , S. 2 4 0 -2 4 2 .

177 S a x o I 3 8 9 ZI. 3 - 4 (N r. 42 ).

178 D ip l D an . I 2 N r. 115 vom 30. 11. 1154. 179 S a x o I 3 8 9 ZI. 1 2 -2 3 (N r. 4 3 ); K o u d e l k a S. 1 2 5 -1 2 7 (nicht im D ip l D an .);]. O l r i k 1 9 3 2 -1 9 3 4 , S. 2 4 3 . 180 S a x o I 4 1 3 ZI. 1 9 -2 4 (Nr. 48).

87

Kapitel 3

dem unser Verfasser ihn in Verbindung mit dem Schisma seit 1159 sieht. Diese Erzählung ist bezüglich der Ereignisse in Dänemark wahr­ scheinlich nicht ganz zuverlässig.181 Einige Briefe lassen sich jedoch nachweisen, so entspricht der B rief Friedrich Barbarossas an Heinrich II. von England seinen Worten ge­ genüber dem dänischen Gesandten Radulf. Wahrscheinlich war der B rief ein Rundschreiben, das so nach England, Dänemark und wohl auch an andere Länder geschickt wurde.182 Auf ähnliche Weise referiert Saxo ein weiteres Rundschreiben, in dem der Kaiser die Beschlüsse des Paviakonzils mitteilte; wir kennen den Text des an den Salzburger Erz­ bischof geschickten Exemplares,183 und die dänische Kirchenprovinz hat wahrscheinlich ein entsprechendes Exemplar erhalten. W ir bemer­ ken aber, daß bei Saxo die beiden Briefe, die fast vier Monate ausein­ ander liegen, in die Audienz Radulfs beim Kaiser gehören. Das heißt: Saxo konstruiert einen Dialog anhand schriftlicher Quellen.184 Man braucht aber nicht bei jeder Nachricht Briefe anzunehmen, z. B. ist kein Heiratsvertrag zwischen Ingeborg, der Tochter Waldemars des Großen, und dem König von Frankreich überliefert, wohl aber die Schaffung eines Wittums für sie in Frankreich.185 Die Verschwörung des Buris um 1167 wird nach Saxo durch eine schriftliche Warnung von Heinrich dem Löwen und durch einen ab­ gefangenen B rief aus Norwegen entdeckt.186 Eine mündliche Warnung wäre sinnvoll gewesen, eine schriftliche risikoreich, wie das Schicksal des norwegischen Briefes zeigt. Vielleicht ist die Erklärung anderswo zu suchen. Im Laufe des 12. Jahrhunderts wurden Urkunden immer mehr als Beweismittel akzeptiert, andere wurden jedoch auch aner­

181 Vgl. C . W

e ib u l l

1915, S. 2 3 7 -2 5 9 (vernichtend schreibt er, daß, um zu ent­

decken, was wirklich geschah, die Wissenschaft von der Darstellung absehen

1975, S. 167-174 erö rtert worden; siehe Rns 1975, S. 156-166. Als B u rg in einer sumpfigen G egend unweit

muß). D ie Episode ist von I. B o s e r u p auch T h .

von Lejre kom m t eigentlich nur G am m el Lindholm (Kirchspiel G evninge,Vol-

1960, S. 1155-1156. I 2 N r. 134, 2 8 . O kt. 115 9 .

b org Harde) in B etrach t, vgLJ.P. T r a p 182 Vgl. Dipl. D an .

I2 I S 438 185 Dipl. Dan. I 3 186 S a x o I S. 4 5 6 183 Dipl. Dan.

N r. 137, 16. Febr. 1 1 6 0 (vgl. Nr. 58)

184 S a x o

ZI.

88

35 - S. 439 ZI. 29.

N r. 195. ZI. 38 - 4 5 7 ZI. 7 (N r. 6 6 -6 7 ).

Saxos Quellen

kannt. So schreibt Papst Honorius III. (1216-1227), daß Bistumsgren­ zen durch alte Bücher, adminicula (Stützargumente), Zeugen und mündliche Tradition (fama, eigentlich Gerücht) zu beweisen seien (X II 29 de probationibus c. 13). Man kann sich durchaus vorstellen, daß Saxo sich auf angebliche Briefe stützt, wenn er als besonders glaubhaft gelten will, z.B. in diesem Hochverratsfall; wahrscheinlich gab es Leu­ te, die das Verfahren gegen Buris als Unrecht gesehen hatten, und Saxo hoffte wohl, sie so widerlegen zu können. Umgekehrt verhält es sich in bezug auf das Schisma. Dänemark hat­ te aus politischen Gründen den kaiserfreundlichen Papst anerkannt, ging aber Mitte der 1160er Jahre zu Alexander III. über. Saxo erkann­ te an, daß dessen Wahl die korrektere war,187 und eben deshalb muß er als offizieller Apologet die Tatsache herunterspielen.188 Und hier wäre eine mündliche Unterhaltung zwischen dem Kaiser und dem däni­ schen Gesandten weniger belastend als Briefe. Die Kanonisationsbulle Knud Lawards vom 8. November 1169 kennt Saxo, und wir wissen aus der Bulle, daß die dänische Gesandt­ schaft dem Papst Supplikschreiben von Waldemar und den dänischen Prälaten überreichte.189 Saxo erwähnt zwar die Gesandtschaft, aber nur die eigentliche Kanonisationsbulle. Die Translatio Knuds sollte im folgenden Jahr in feierlicher Weise stattfinden: Hierzu wurde der ganze Adel (nobilitas) eingeladen. Ein kö­ nigliches Edikt erging, aber wie wir schon gesehen haben, versteht Saxo darunter oftmals den Aufgebotstock.190 Die Gründung des pommerschen Klosters Kolbacz durch den Stet­ tiner Befehlshaber Wartislaw fand nach dem dänischen Feldzug 1173 nach Stettin statt und wird von Saxo erzählt,191 der jedoch den Namen der Stiftung weglässt.192 Obwohl eine Gründungsurkunde vorhanden gewesen sein muß, und zwar wegen der Rechte auf Grundbesitz,

187 S a x o I S. 4 3 4 ZI. 1 8 -1 9 .

188 Siehe hierzu ausführlich C . W

e ib u l l

1 9 1 5 , S. 2 4 4 -2 5 8 ; vgl. auch J . F e c h t e r

1 9 7 8 , S. 4 2 1 -4 2 3 . 189 Dipl. Dan. I 2 Nr. 1 90; N r. 6 9 -7 0 . 190 S a x o I 4 7 7 ZI. 1 3 -1 8 ; N r. 71. 191 S a x o I 4 8 9 ZI. 1 7 -2 4 ; N r. 7 4 .

192 Vgl. S. M . S z a c h e r s k a 1 9 7 7 , S. 1 2 2 -1 5 5 , bes. S. 1 4 4 -1 4 6 .

89

Kapitel 3

scheint Saxo sie nicht gekannt zu haben. Aber die Verbindungen zwi­ schen Kolbacz und Lund waren sehr eng,193 und Saxo mag hier auf Lunder Tradition basieren. Wie bei der Verschwörung des Buris um 1167 tauchen mehrere Briefe anläßlich der Verschwörung 1176 auf. Der Børglumer Bischof Toke erkannte das Diktat des Sekretärs des Hauptkonspirators wie­ der.194 Er hatte am Hofe Erichs III. - des Vaters des Konspirators - ge­ arbeitet, und tatsächlich finden wir ihn als königlichen Notar im Jahre 1145.195 Die Existenz der Briefe ist vielleicht richtig, und die ganze Er­ zählung mag von Absalon stammen - aber Saxo kann wie bei der vo­ rigen Verschwörung Briefe erfunden haben, da die tatsächlichen N o­ tarkenntnisse Tokes den eigentlichen festen Haltepunkt bildeten. In seiner Habilitationsschrift hat Curt Weibull die Erzbischofswahl 1177 eingehend untersucht.196 Kurz zusammengefaßt erzählt Saxo fol­ gendes: Erzbischof Eskil habe dem König heimlich von seiner Absicht zu resignieren Nachricht gegeben sowie um die päpstliche Genehmi­ gung gebeten, selbst einen Nachfolger zu finden; danach habe er auf dem Landesthing von dem schonischen Volk Abschied genommen. Am folgenden Tag, in Anwesenheit des Königs und sämtlicher Bischöfe, habe er sein Amt niedergelegt und erklärt, daß er freiwillig abtrete, und er habe sein Ernennungsrecht dem Wahlgremium überlassen und auf dessen Bitte Absalon vorgeschlagen. Absalon habe die Wahl abgelehnt und die Frage durch den Papst entscheiden lassen wollen. Eskil habe vergeblich versucht, ihn zu überreden. Der König und das Lunder Domkapitel hätten eine Legation nach R om geschickt, um die Er­ nennung Absalons durchzusetzen, während Absalon und das Roskilder Domkapitel eine andere nach R om geschickt hätten, um sie zu ver­ hindern. Die päpstliche Entscheidung repräsentierte einen Kompro­ miß: Absalon wurde zum Erzbischof ernannt und durfte gleichzeitig Roskilde behalten.197

193 So kam das M anuskript der K olb aczer Annalen aus Lund, vgl. K r o m a n 1 9 8 0 , S. X I - X I I . 194 S a x o I 5 1 0 ZI. 9 -1 8 ; N r. 8 2 -8 3 .

195 Dipl. Dan. I 2 N r. 91. 196 C . W

e ib u l l

1 9 1 5 , S. 2 5 9 -2 8 6 .

197 S a x o I 5 1 2 ZI. 2 5 -5 1 7 ZI. 2, 5 1 9 ZI. 33 - 5 2 0 ZI. 11; N r. 8 4 -8 9 und 9 2 -9 5 .

90

Saxos Quellen

Nach Saxo hatte Eskil zwei verschiedene Zugeständnisse vom Papst erhalten: zum einen die Resignationsgenehmigung und zum anderen die Erlaubnis, den Nachfolger zu ernennen. In der Tat finden sich die beiden Genehmigungen in demselben Brief, der auf 1176-77 datiert werden muß.198 Diese Bulle erwähnt in der Narratio ein Bittschreiben Eskils, das Saxo aber unbeachtet läßt. Die verschiedenen Briefe nach R om , auf die Saxo in seiner Darstel­ lung hinweist, sind nicht erhalten. Ferner findet unser Verfasser, daß ein weiterer B rief vorhanden gewesen sei, nämlich daß Eskil als päpstlicher Legat eben den Transfer eines Bischofs ausführen dürfe.199 Der Inhalt dieses angeblichen zweiten Briefes widerspricht dem ersten päpstlichen Schreiben und muß - wie schon Curt Weibull nachweisen konnte - von Saxo erfunden worden sein. Dafür entspricht die Ablehnung Absalons, das erzbischöfliche Amt zu übernehmen, durchaus dem Kirchenrecht. Ein Bischof konnte zwar von den Wählern auf ein anderes Bistum po­ stuliert (d.h. vorgeschlagen) werden, die Ernennung aber konnte nur der Papst vornehmen. Übrigens sollte derVorgeschlagene seine Zustim­ mung geben, und nach Saxo sollte die Botschaft aus Roskilde den Transfer Absalons verhindern. Die Regelung, daß Absalon neben dem Erzbistum Roskilde behielt, war so eindeutig zu Gunsten Absalons, daß er daran nicht unbeteiligt gewesen sein konnte. So stellte Saxo den Prälaten als viel bescheidener dar, als er es in der Wirklichkeit war. Sehr interessant ist Saxos Bemerkung, daß Waldemar fürchtete, daß Eskil als seinen Nachfolger gerne seinen Neffen und Lunder Dom­ propst Asser sähe,200 denn das Manuskript der Koibaczer Jahrbücher, das ursprünglich aus Lund kam, enthält unter 1177 die wegradierte Notiz, daß Asser Erzbischof geworden war. Nach der Wahl Absalons ging Asser ins Exil und ist so 1180 und 1184-85 in der Umgebung des Magdeburger Erzbischofs nachweisbar.201 Es ist bekannt, daß Absalon am 21. März 1201 starb, nachdem er über 23 Jahre das erzbischöfliche Amt bekleidet hatte. Also ist er vor

198 D ip l D an . I 3 Nr. 61. 199

Saxo I 5 1 4 ZI. 1 6 -2 3 .

200 S a x o I 5 1 2 Z I. 3 7 - 3 8 .

201 D ip l D an . I 3 N r. 9 4 , 1 1 9 ,1 2 5 - 1 2 7 . L. W eibull 1 9 4 0 , S. 9 9 -1 0 7 hat sich übri­ gens m it der C h ronologie der Erzbischofswahl beschäftigt.

91

Kapitel 3

dem 21. März 1178 offiziell eingesetzt worden. Lauritz Weibull ist der Auffassung, daß eine Absalonsurkunde den Terminus post quem als 25. Februar 1178 gibt; die Urkunde ist fälschlich auf 1184 datiert, aber im Diplomatarium Danicum (I 3 Nr. 46) korrigiert man wohl mit R echt das Datum auf 1174. Entscheidend ist dabei meines Erachtens, daß Dompropst Asser aus Lund sich unter den Zeugen befindet, denn nach der Erzbischofswahl ging er ins Exil. Auch ist eine Korrektur von Ixxxiiij auf lxxiiij durchaus nachvollziehbar. Sind die meisten Briefe für die Darstellung dieser Wahl erfunden, so muß es doch neben der Genehmigung fur Eskil einige gegeben haben, nämlich den Bericht an den Papst und die Ernennung Absalons. Dafür ruft Waldemar wohl 1180 durch einen B rief Absalon zu sich nach Sam­ sø;202 Waldemar schreibt an das aufständische schonische Volk (wohl, wenn authentisch, ein Schreiben für das Landesthing), und wegen des Aufstandes und der Verweigerung, Zehnten zu zahlen, teilt Absalon sei­ nen Priestern schriftlich mit, daß Schonen unter Interdikt, also Got­ tesdienstverbot gestellt werden solle.203 Diese Schreiben sind durchaus möglich, können aber nicht nachgewiesen werden, denn für den schonischen Aufstand ist Saxo unsere einzige Quelle. Vor seinem Tod am 12. Mai 1182 übergab Waldemar den Klöstern die Hälfte seines Privatbesitzes, was eigenartig erscheint, da man nur ei­ nen halben »Hauptteil« des Besitzes der Kirche hinterlassen durfte. Das gesamte Vermögen wurde nach der Zahl der Kinder auf Hauptteile aufgeteilt. Ein Hauptteil war der Teil eines Sohnes, ein halber Haupt­ teil der einer Tochter, und die Kirche durfte wie eine Tochter erben.204 Also eine schöne Übertreibung, die die Frömmigkeit Waldemars un­ terstreichen sollte! Knud folgte seinem Vater auf dem Thron, und da Waldemar 1162 dem Kaiser den Mannseid (homagium) hatte leisten müssen, schickte Friedrich Barbarossa Botschaften nach Dänemark, um Knud um die Erneuerung des Eides zu bitten, was abgelehnt wurde. Mehrere Schreiben werden durch Saxo erwähnt, es ist aber eine offene Frage, ob die Verhandlungen

202 S a x o 1 5 2 7 Z I. 1 - 3 ; N r. 9 8 . 203 204

Saxo I 5 2 9 ZI. 2 1 -2 2 ; N r. 9 9 -1 0 0 . Saxo I 5 3 5 ZI. 2 4 -2 5 ; N r. 110, vgl. Schonisches R e c h t §38= A nd reas Sunesen § 15.

92

Saxos Quellen

nicht nur mündlich geführt worden sind.205 In seiner Antwort an einen kaiserlichen Gesandten, den Schwager Knuds, Siegfried von Orlamünde, hob Absalon hervor, daß Knud sein R eich mit demselben R echt re­ giere wie der Kaiser das seine:206 »rex imperator in regno suo« —der berühm­ te Grundsatz der nationalen Reiche dem Kaiser gegenüber.207 Unter den weiteren von Saxo erwähnten Briefen befinden sich viel­ leicht auch - uns unbekannte - neue Gesetze, denn 1184 wurde eine Versammlung der Großen nach Samsø einberufen, um neue Gesetze zu verabschieden.208 Schließlich rief Absalon in demselben Jahr die Flottenmannschaften aus den Landesteilen östlich des Kleinen Belts zusammen; Mittel dazu waren wie üblich Briefe oder Edikte.209 Unsere Untersuchung der Briefe als Quellen für die Gesta Danorum hat zu folgendem Ergebnis geführt: Saxo hat Briefe verwendet, die wir heute nicht mehr kennen, z.B. die Papstbullen bezüglich der Gründung des dänischen Erzbistums. Niels Skyum-Nielsen hat darauf hingewie­ sen, daß das von der Seeländischen Chronik benutzte Manuskript den Namen —Alberik —des Legaten kennt, der Asser das Pallium überreich­ te.210 In den meisten Fällen aber, in denen man Briefe vermuten darf, können wir keine nachweisen. So wird nach Saxo die Flottenmann­ schaft schriftlich einberufen, wir wissen aber, daß solches mit einem Objekt, einem geschnitzten Holzstab stattfand. Kann man aber einen solchen litterae oder Edikt nennen? Wohl kaum, aber Saxo tut es. Ferner ist auffällig, daß Briefe so oft in den Verschwörungen gegen Waldemar I. auftreten —so versteht man besser, warum sie keinen Erfolg hatten! W ie­ derum scheint Saxo »Beweise« erfunden zu haben. Kurz: In jedem Fall muß die Erwähnung von Briefen sorgfältig geprüft werden.211 205

Saxo I 5 3 9 ZI. 2 5 - 5 4 0 ZI. 3 0 ; N r. 1 1 2 -1 1 4 .

206 Sa x o

I

5 4 0 Z I. 1 3 - 1 5 .

207 Vgl. hierzu W. U llmann 1 9 7 4 , S. 1 6 0 ;T h . R u s 1 9 7 7 , S. 1 4 7 ;J. Gaudemet 1 9 8 0 , S. 1 8 -1 9 . 208 Saxo

I 541 ZI. 1 -3 ; N r. 119.

Saxo I 541 ZI. 2 9 -3 5 ; N r. 1 2 3 -1 2 6 . 210 N. Skyum -N ielsen 197 5 , S. 177. 211 Vgl J . O lrik 1 9 3 2 -3 4 , S. 1 4 9 -2 8 9 . Aus m einen Ausführungen geht schon hervor, 209

daß ich m it O lrik in m anchem nicht einer M einung bin, z.B. m ißt O lrik der m ündlichen Tradition eine übertrieben große R o lle zu. Abw eichungen von den schriftlichen Q uellen sind nicht nur durch m ündliche Ü berlieferungen, sondern auch durch poetische Freiheit oder politisches Engagem ent zu erklären.

93

K a p it e l 4

Die Königsideologie bei Saxo Patria In ihrem schon oftmals zitierten Aufsatz212 definiert Frau SkovgaardPetersen patria bei Saxo als »the mostfrequently used designation o f the chief actor in history« und sie findet in patria »a designation o f ethnic and politi­ cal unity«. Das ist natürlich richtig, aber man darf fragen, ob patria nicht genauer zu definieren ist, was wir jetzt untersuchen werden. In etwa zwei Dritteln der Beispiele bedeutet patria ein einer Herr­ schaft untergeordnetes Territorium und setzt so die Unabhängigkeit oder wenigstens eine weitreichende Autonomie voraus. Die Herrschaft kann göttlich, königlich, fürstlich oder eben kommunal sein, indem Stadtbewohner ihre Stadt als patria auffassen. In den meisten Fällen be­ zieht sich patria auf Dänemark, wird aber auch für andere Länder in ganz Nordeuropa verwendet. Hierbei benutzt Saxo patria, als wäre er ein gebürtiger Schwede, Norweger, Engländer usw., was für die Zeit sehr selten ist, denn diesen Zug findet man anscheinend nur bei Pier­ re de Blois.213 Wenn eine Person von einer Reise nach Hause zurückkehrt, läßt Saxo sie die patria suchen, und die Heimkehr aus dem Exil kann als die Wiederherstellung der patria für die Person betrachtet werden; wenn der Rückkehrer aber ein Herrscher ist, ist es die patria, die ihn zurückerhält. Also: Der Einwohner braucht die patria, während diese einen Herrscher braucht. Patria als Ursprungsland war im Mittelalter ein gängiger Begriff.214 Des öfteren erzählt unser Verfasser von Taten, die für die patria aus­ geführt wurden, wobei es sich um Ereignisse im militärischen Bereich

212 I. Skovgaard-P etersen 1969. 213 Vgl. H . Koht 194 7 . 214 Vgl. E . H . Kantorowicz 1 9 5 1 , S. 4 7 2 -4 9 2 ; G. D upont-F er r ier 1 9 4 0 , S. 8 9 104 und K. F. W ern er 1 9 7 0 , S. 2 8 5 -3 0 4 .

95

Kapitel 4

handelt. Ein paar Beispiele erlauben uns, Saxos Sichtweise näher zu be­ trachten. Vor der Bråvallaschlacht hielt der schwedische König eine Rede an die Schweden und deren Verbündete; in dieser unterstrich er, daß sie für die Freiheit, für die patria und für ihre Kinder kämpften und daß der Feind den Krieg durch Übermut und Frechheit angefangen habe.215 Der Krieg war somit gerechtfertigt, und tatsächlich: Der bis­ her unbesiegte König Harald fand durch göttliches Eingreifen den Tod in der Schlacht. Das andere Beispiel erzählt, wie der sächsische König Suerting sein Land von der dänischen Herrschaft zu befreien versuchte. Zu diesem Zweck lud er den dänischen König Frotho zu sich ein, um ihn in ei­ nem Brand umkommen zu lassen, jedoch kamen beide in den Flam­ men ums Leben. Saxo kommentiert das Ereignis so: Zwar sei es sehr nützlich, die Freiheit der patria anzustreben, aber man dürfe deswegen keinen Betrug oder Verrat begehen.216 Die erörterte Frage ist eigentlich diejenige der Prioritäten: Soll man das Gemeinwohl dem privaten Nutzen vorziehen? Im Laufe des 13. Jahrhunderts fand eine Klärung dieser Frage statt, und zwar zu­ gunsten des Gemeinwohls. Als einschlägige Beispiele wurden die Feindseligkeit eines Vasallen dem Herrn gegenüber oder der Kampf zwischen Vater und Sohn erwähnt, in beiden Fällen für das Wohl der patria.217 Demnach ist es gut, für die Freiheit der patria zu arbeiten, aber die zu diesem Zweck eingesetzten Mittel müssen moralisch ein­ wandfrei sein. Dagegen spricht jedoch auf den ersten Blick der Fall Amlet: Dieser tötete den Onkel, der den eigenen Bruder, Amlets Va­ ter, ums Leben hatte kommen lassen. Das Land hatte aber durch die Usurpation die eigene Moralität verloren, und diese mußte wieder­ hergestellt werden. W ir sehen also, daß Saxo die Verteidigung der patria als gerechtfer­ tigte Sache versteht, was man im Gedankengut des 12.-13. Jahrhun­ derts wiederfindet. Selbstverständlich wird patria manchmal als Synonym mit dem zeit­ genössischen Vaterland verwendet, mitunter wird dabei die kulturelle

215 Sa x o I 2 1 8 Z I. 1 2 - 1 3 . 216 S a x o I 1 5 6 Z I. 2 5 - 2 8 . 217 S ieh e h ierzu G. POST 1 9 5 3 .

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Die Königsideologie bei Saxo

Überlegenheit Dänemarks den Barbaren gegenüber hervorgehoben, und Saxo schafft aus Zusammensetzungen mit patria neue Begriffe: tu­ multus /furor / consternatio patriae bezeichnen alle eine Erhebung, während die Aufständischen der Patria gegenüber schuldig sind (rei patriae) .Vaterlandsliebe wird als caritas patriae bezeichnet, aber auch die pa­ tria kann lieben, z.B. den heiligen Herzog Knud Laward.218 Dafür zeigen Waldemar und Absalon in ihren Bemühungen, die Ver­ teidigung des Landes zu verbessern, pietas erga patriam,2'9 was mehr als Vaterlandsliebe ist, denn pietas bezeichnet die religiöse Verehrung. Die Sorge um das Vaterland —cura patriae —findet man bei dem mythischen, aber guten König Skjold und bei Erich I. Der Führer der Erhebung gegen den heiligen König Knud beschrieb dagegen den Aufständi­ schen die tyrannische Regierung Knuds; wenn der König getötet wür­ de, würden sie als Hüter der patriae (patriae tutores) und als pietatis mini­ stri (Diener der Religion) handeln, denn der König habe die öffentli­ chen Freiheiten verletzt.220 Zwei Begriffe sind in diesem Kontext besonders interessant: »parens patriae« (Vater der patria), der die Könige Niels, Waldemar I. (den Großen) und den Erzbischof Absalon bezeichnet, ferner »lux« oder »lu­ men patriae«, der für Knud Laward, Waldemar L, Waldemar II. und Ab­ salon verwendet wird. Die zusammengesetzten Begriffe erlauben uns, einen Teil der Ideo­ logie Saxos abzudecken: König Skjold vereinte in sich sowohl die cari­ tas patriae (Vaterlandsliebe) wie auch die cura patriae (Sorge um das Va­ terland), wie es sich für den mythischen Spitzenahn gehörte, denn die dänischen Könige werden mitunter als Skjoldunger - eigentlich Skjoldskinder - bezeichnet. Die Sorge um die patria zeigte auch Erich L, der Großvater Waldemars I. und Spitzenahn dieses Zweigs der Königs­ sippe. Durch ihre Verteidigungsmaßnahmen zeigen Waldemar I. und Absalon die Verehrung des Vaterlandes; diese beiden, aber auch König Waldemar II. und Knud Laward, werden als Licht des Vaterlandes (lu­ men /lux patriae) bezeichnet. Das heißt - mit Ausnahme des eponymen

218 219 220

Saxo I 3 5 6 ZI. 1 7 -1 9 . Saxo I 2 7 2 ZI. 8 -9 und 4 1 3 , ZI. 3 5 -3 7 . Saxo I 3 2 6 ZI. 2 5 -3 1 . 97

Kapitel 4

Königs Skjold, der Könige Knud des Heiligen und Niels, sowie Absa­ lons - erhält nur der in den Bürgerkriegen des 12. Jahrhunderts sieg­ reiche Zweig der Königssippe solche Auszeichnungen. Diese Ideologie scheint vom klassischen R om beeinflußt zu sein, denn dort verehrte man hervorragende Männer als einen neuen R o ­ mulus; unter denen, die diesen Titel erhielten, waren der Sieger über die Gallier, Camillus, Marius als Sieger über die Kimbern, Cicero nach der Entdeckung der Catilinarischen Verschwörung - ferner Cä­ sar und Augustus.221 Natürlich war Saxo ein zu guter Verfasser, um das römische Modell mechanisch zu kopieren; dies wäre auch seinen Bestrebungen, Däne­ mark als mit R om ebenbürtig, aber autochthon darzustellen, wie wir es schon in der Erzählung vom Ursprung des dänischen Königtums gesehen haben, abträglich gewesen. Dem Romulus entspricht so der dänische König Skjold, obwohl Dan eher als eponymer Herrscher dem ersten Römischen entspricht. Dan wurde im Gegensatz zu Romulus niemals König; Skjold war zwar der dritte König, aber der erste Ge­ setzgeber und der erste König, dessen Regierung erfolgreich war. Als Gesetzgeber darf man ihn mit dem römischen König Numa Pompili­ us vergleichen, der nach Vergil R om durch seine Gesetze gegründet hatte. Wenn Saxo von den Hütern des Vaterlandes (tutores patriae) spricht, knüpft er an Cicero an, der im Tutor den idealen Politiker sah; auch der Ausdruck »für das Vaterland sorgen« {patriae consulere) hat klassische Vor­ bilder. Der Thesaurus Linguae Latinae fuhrt nur zwei Stellen auf. Cice­ ro zitiert in seinem De Oratore II, 165 den um 120 v. Chr. tätigen Car­ bo mit dem Satz »si consul est, qui consulit patriae, quid aliud fecit Opimi­ us«, (wenn der Konsul deqenige ist, der fur das Vaterland sorgt, was an­ deres hat der Opimius getan?). Bei Venantius Fortunatus (6.Jahrhundert) finden wir den Ausdruck »consuleas patriae«, und zwar in einem Gedicht für den König Chilperic und seine Königin Fredegunde (Carmina IX , 2, 96). Allem Anschein nach hat Venantius Fortunatus sich von Cicero inspirieren lassen. W ir wissen, daß den römischen Senatoren der Ehrentitel pater ge­

221 Siehe hierzu A. AlföLDI 1971.

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Die Königsideologie bei Saxo

bührte, was man schon im Altertum mit deren Liebe, Verehrung und Sorge um den Staat (caritas, pietas, cura) begründete. Saxo steht mit dem römischen Gebrauch dieser drei Begriffe im Einklang, was uns zur Erörterung seines parens /pater patriae - Begriffes fuhrt. In der römischen Republik wurde dieser Ehrentitel denjenigen verlie­ hen, die den Staat gerettet hatten —entweder durch die Beseitigung ei­ nes Aufstandes oder durch den entscheidenden Sieg über einen äuße­ ren Feind. Als Saxo über die Maßnahmen zur Verteidigung Seelands berichtet, erklärt er, daß Absalon sich nicht weniger als parens patriae denn als Bischof benahm.222 Bei König Niels sind es wohl eher seine guten Taten der Vergangenheit insgesamt, die den Ehrentitel rechtferti­ gen; Waldemar I. dagegen erhielt ihn, als er 1162 zurück nach Däne­ mark kam, nachdem er Friedrich Barbarossa das homagium geleistet hatte. Vergleicht man diesen Passus mit dem zensorischen Sprachge­ brauch unseres Verfassers, als er die Leistung des Homagiums der pommerschen politischen Führer erwähnt —sie hätten die alte und ererbte Freiheit des Vaterlandes verkauft und hätten die Knechtschaft in das Va­ terland eingefiihrt223 —versteht man, daß die Verleihung des Ehrentitels an Waldemar und überhaupt die glänzende Darstellung von dessen Reise zum Kaiser die politisch notwendige, aber wenig ruhmreiche Unterordnungspolitik beschönigen sollten. Weshalb König Niels den Ehrentitel trug, läßt sich nicht eindeutig erklären. Saxo ist ihm gegenüber zwar positiver eingestellt, als man es hätte erwarten können - aber genügt das? —besonders da wir wissen, wie unser Verfasser den erschlagenen Herzog Knud Laward darstellt. Ironie scheint hier nicht in Frage zu kommen, aber Niels hätte den T i­ tel durch die Taten seines Untergebenen, Knud, erwerben können, wofür es eine antike Parallele gibt: So nahm der Kaiser Nerva den T i­ tel Germanicus an, als er von dem römischen Sieg in Pannonien er­ fuhr, obwohl er am Feldzug nicht teilgenommen hatte.224 Aber es gibt

222 S a x o I 4 1 3 ZI. 3 8 -3 9 : »non minus patriae parentem quam pontificem egit, militiae et

religionis sociato fulgore conspicuus«. 223 S a x o I 5 3 3 Zl. 4 2 und 5 3 4 ZI. 1 und 5.

224 T h .

Rus 1977, S. 94-95. 99

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vielleicht eine andere Erklärung, die wir allerdings nur als eine Hypo­ these betrachten dürfen. Jeder Leser der Geschichte des Königs Niels versteht, daß der Eh­ rentitel (den auch Waldemar I. und Absalon besaßen) eher dem Her­ zog Knud Laward als dem König oder dessen Sohn Magnus gebührte. W ir haben schon die Anklage gegen Knud wegen Hochverrats erör­ tert, und erinnern, daß dieser dem König den Marschalldienst leistete, wie es dem Vasallen gebührte. Diese Leistung besteht darin, daß der weniger Vornehme den Steigbügel des Vornehmeren hält und ihm so das Aufsitzen oder das Absteigen erleichtert, während beim Stratordienst der weniger Vornehme das Pferd mit dem Vornehmeren eine Strecke am Zügel fuhrt.225 So beschönigt Saxo den Vorfall, der - das wissen wir - schon bei Helmold anders aussah, denn Knud trat hier als dem König ebenbürtig auf.226 Selbstverständlich mußte Saxo Knud Laward als den R itter ohne Furcht und Tadel darstellen. Die Verleihung des Ehrentitels an den Kö­ nig unterstreicht die Vormachtstellung des Königs und spielt die tatsäch­ liche Rolle Knuds herunter. Dafür hätte die Verleihung des Titels an Knud einen Hinweis auf dessen wirkliche Ambitionen geben können. In diesem Fall wäre Knud nicht so unschuldig gewesen, und sein Tod wäre kein Martyrium gewesen — die politisch-ideologischen Folgen wären verhängnisvoll gewesen. Aber warum sollte Saxo sich, mehr als ein halbes Jahrhundert nach den Ereignissen, solche Sorgen machen? Es ist bekannt, daß König Niels der Vater von Magnus war, dessen Sohn KnudV. als Teilkönig in den 1150er Jahren auftrat. Zuletzt war er mit Waldemar I. gegen Svend III. verbündet, und Waldemar heiratete Knuds Halbschwester, die schöne Sophia. Knud wurde im Jahre 1157 erschlagen, sein Sohn Waldemar wurde später Bischof von Schleswig. Dieser hatte aber die Ambition eines Königssprößlings, was ihn dazu bewegte, seine Auffassung der königlichen Legitimität zugunsten des von Niels abstammenden Zweiges der Königssippe in einer, jetzt ver­ lorenen, Chronik darzustellen.227 Die politische Lage um 1190 aktua­ lisierte nochmals die Auseinandersetzungen aus der Zeit der Bürger­

225 Vgl. R . H o l t z m a n n 1 9 3 2 , S. 3 0 5 , 3 2 2 und 3 3 3 -3 3 4 . 226 Vgl. zur w irklichen Lage

H.

Paludan

1966-1967, S. 497-525; Rns 2003, S. 16.

227 Vgl. A. K . G a d e K r i s t e n s e n 1 9 6 8 -1 9 6 9 , passim.

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kriege, und Bischof Waldemar begnügte sich nicht mit der Ideologie, sondern führte einen Aufstand an, der mit seiner Gefangennahme im Jahre 1192 endete.228 Der Begriff lux /lumen patriae ist noch zu erörtern. Im Latein der Ka­ rolingerzeit und noch bei Thietmar von Merseburg kann »lumen« das Gesicht oder die Augen bezeichnen. In der Vorrede spricht Saxo von Waldemar II. als lux patriae, während Waldemar I. und Absalon die lu­ mina, also wahrscheinlich die Augen des Vaterlandes darstellen. Eine klare Parallele dazu haben wir in einer päpstlichen Urkunde aus dem Jahre 1117 für König Niels, denn hier werden die Priester als die Au­ gen der Kirche betrachtet.229 Dieser Sprachgebrauch weist auf eine Personifikation des Vaterlandes bei Saxo hin.230 So litt die Insel Fünen während der Bürgerkriege unter den wendischen Raubzügen, weshalb Saxo sie als ein schwaches Glied desVaterlandes bezeichnete. Ferner kann das Vaterland seinen guten R u f verlieren oder unter dem Makel der Schandtaten stehen; normalerweise wird das Vaterland von seinen politischen Führern gelenkt - Walde­ mar I. hält so die Zügel des Vaterlandes (patriae habenas) —aber mitunter handelt auch das Vaterland, was die Personifikation weiter hervorhebt. So genehmigte das Vaterland die Thronbesteigung des neuen K ö­ nigs, und es verbannte Magnus, den Mörder Knud Lawards. Wegen der Personifikation ist es nur natürlich, daß die Flotte als Waffe des Vater­ landes erwähnt wird, daß das Vaterland den Tod Knud Lawards bedau­ ert und daß es die Oberhoheit über die Wenden erringt. Es muß U n­ glück ertragen, es ist enttäuscht, aber mitunter auch undankbar. Es braucht Waffen und Gesetze, es kann reich oder arm sein, man kann es verletzen, was mit Hochverrat identisch ist, aber das Vaterland kann auch so handeln, daß es durch den König bestraft wird. Die Personifikation der patria oder des Vaterlandes erlaubt uns, einige Elemente einer politischen Theorie zu identifizieren. Für Saxo hat das politische System zwei Komponenten, nämlich das Vaterland und den König; normalerweise hat der König Handlungsfreiheit - unter der Vor­ aussetzung, daß er den R u f des Vaterlandes nicht verletzt. Das Vaterland

228 Ü b e r B is c h o f W ald em ar, siehe N . S k y u m - N

ie l s e n

1 9 7 1 , S. 2 3 3 -2 3 5 .

229 S a x o I 5 ZI. 15 und 5 3 6 ZI. 2 4 ; Dipl. Dan. I 2 N r. 41.

230 Z u r D okum entation im folgenden siehe T h .

Rns 1 9 7 7 , S. 9 7 -9 9 . 101

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wird durch den Hochverrat gekränkt; eine eigene Tätigkeit steht ihm im Bereich der Thronwechsel zu; vielleicht kann man sie als die Kontrolle der Regierungsfähigkeit, der idoneitas regnandi, definieren. Dieser Begriff wird von Saxo nicht direkt gebraucht, obwohl er einmal von idoneus regi­ mini spricht, aber er muß ihn gekannt haben. Für Innozenz III., also zu der Zeit, als Saxo schrieb, war der Begriff dafür entscheidend, wen er un­ terstützen würde —Otto IV. oder Philipp von Schwaben.231 Wir haben gesehen, daß Saxo die gängigen Theorien der gerechten Sache kennt und daß er die klassischen Begriffe parens patriae, pietas erga patriam, caritas patriae usw. auf gutrömische Weise verwenden kann. Da­ durch hebt er gewisse Herrscher hervor: den eponymen König Skjold, Knud den Heiligen, Erich I., Knud Laward,Waldemar I.,Waldemar II., König Niels (aus besonderen Gründen) und Absalon, Saxos Auftragge­ ber. Die Roskilder Chronik um 1140 sieht patria im Gegensatz zum Aus­ land, aber das Wort kann auch eine Region bezeichnen. Dafür verwen­ den die Grabschriften über Waldemar I. patria im Sinne Saxos, indem sie den König als Befreier des Vaterlandes sehen. Auch in den liturgischen Texten über Knud Laward finden wir eine ähnliche Verwendung von patria als Territorium einer Herrschaft mit der Nuance von Vaterland, und der Heilige wird als patronus patriae beschrieben. So verwenden die Grabschriften und die liturgischen Texte Knud Lawards patria in dersel­ ben Weise wie Saxo, was uns nicht verwundern darf: Alle drei vertreten dieselbe, vom klassischen R om stark beeinflußte offizielle Ideologie.

Thronfolge und Widerstandsrecht Schon Aksel E. Christensen bemerkte 1945, daß Saxo das dänische K ö­ nigtum nicht als ursprünglich erblich betrachtet; unser Verfasser gibt uns aber zu verstehen, daß er diese Regierungsform vorzieht.232

231 S a x o I 5 1 4 ZI. 2 9 ; vgl. Fr. K e m p f 1 9 5 4 , S. 1 5 6 -1 5 7 und W U

llm a n n

1 9 6 5 , S.

3 4 3 A nm . 2. 232 Ich weise hier auf das flir seine Z eit sehr innovative B u ch A .E . C h r i s t e n s e n s 1945 hin, das zwar flir die Z eit der W aldem aren, also bis 1241 überholt ist, aber für die beiden Jahrhunderte zwischen dem Tod W aldemars II.und der Absetzung Erichs von P om m ern im Jahre 1 4 3 9 n och viel W ertvolles zu bieten hat.

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Betrachten wir im einzelnen die vielen von Saxo erwähnten Thron­ besteigungen, so sehen wir, daß in den meisten Fällen der Sohn dem Vater folgte. Die übrigen Thronwechsel waren meistens zugunsten ver­ wandter Nachfolger, z.B. aus der weiblichen Linie. So gehörten nor­ malerweise die Herrscher der Königssippe an, entweder durch Ab­ stammung oder durch Heirat; aber die Verehrung des königlichen Blu­ tes reichte nicht dafür aus, daß man die Regierung einer Frau ohne Oberherrn oder Gatten akzeptierte: Statt Gurithas wurden neue K ö­ nige aus dem Volke erwählt. Nur in zwei anderen Fällen wurde der Herrscher außerhalb der Königssippe gefunden: Da man dachte, daß der Sohn Frothos III. in Rußland verstorben wäre, wurde Hiarnus als Verfasser des besten Gedichtes zum Gedächtnis des verstorbenen Kö­ nigs erwählt, und da der König Haidanus II. keine Kinder hinterließ, setzte er vor seinem Tod den Gotenkönig Unguinus als seinen Nach­ folger ein.233 Schon jetzt können wir Bilanz ziehen: Nach Saxo gehören die dä­ nischen Könige derselben königlichen Familie an. In den wenigen Fäl­ len, in denen es anders war, wurden die neuen Herrscher entweder vom bisherigen designiert oder sie wurden gewählt. Als regierungsfähig sieht Saxo nicht nur die Mitglieder der männlichen Linie, denn er lie­ fert mehrere Beispiele von Sukzessionen durch die weibliche Linie; je ­ doch kann eine Frau nicht allein herrschen. Dieses Prinzip wird durch die schottische Königin, die Amlet heiratete, sehr klar formuliert: Sie erzählt, daß sie Königin sei, und wenn ihr Geschlecht kein Hindernis wäre, könnte sie sich als Königin betrachten; jedoch wäre es korrekter zu sagen, daß degenige, den sie heiraten würde, auch König sein wür­ de, indem sie das R eich mit ihrer Liebe verschenken würde. Die Herr­ schaft würde so der Hochzeit und die Hochzeit der Herrschaft ent­ sprechen.234 Von einigen Ausnahmen abgesehen, ist die dynastische Kontinuität ein so wichtiger Zug bei unserem Verfasser, daß man hier einwenden darf, ob sie mit Guritha nicht unterbrochen wurde? Als Frau war sie regie­

233 D ie einzelnen Beispiele sind in T h . R lis 1 9 7 7 , S. 1 0 2 aufgelistet. 234 S a x o I 9 0 ZI. 5 -8 .

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rungsunfähig, weshalb man Herrscher aus dem Volk wählte, obwohl Guritha die einzige Erbin der Königssippe war. Ihr Gatte wurde nicht als König angesehen, obwohl er durch seine Großmutter väterlicher­ seits Urenkel des norwegischen Königs aus der alten dänischen Kö­ nigssippe war. Der Ehemann Gurithas ist eher als Reichs Verweser an­ zusehen, denn er führte die Herrschaft für seinen Sohn. Also kein Bruch - im Kind werden zwei Zweige der Königssippe vereinigt.235 W ir dürfen jetzt fragen, wie die Thronwechsel vor sich gingen: Wur­ den sie durch Wahl, durch Erbrecht, durch Designation oder durch Er­ oberung begründet, und unter welchen Bedingungen? Eine lange Reihe von Königen bestieg sowohl in der Sagenzeit als auch im 12. Jahrhundert den Thron durch eine Wahl. Interessant ist diejenige von 1137, als Erich III. (Erich Lamm) - Sohn der Tochter Erichs I., nur als Reichsverweser für den unmündigen Waldemar, Sohn Knud Lawards, gewählt wurde.236 In Wirklichkeit aber war Erich vollgültiger König, und eine Anerkennung Waldemars schon im Jahre 1137 läßt sich durch keine andere Quelle bestätigen. Während eines Feldzuges zur See gegen die Wenden wohl im Jahre 1166 schlugen die principes vor, Knud, den Sohn Waldemars I., als M it­ regenten für den Fall zu wählen, daß der König plötzlich ums Leben kam. Waldemar ging natürlich gern auf den Vorschlag ein, und in einer contio (politischer Versammlung/Thingversammlung) wählten die Großen (primates) Knud, der so gewählter König wurde. Daß die Wähler principes beziehungsweise primates genannt werden, ist nur eine stilistische Variation ohne juristische Bedeutung. Nur ein Wähler, der Königssprößling Buris, enthielt sich der Wahl, denn seiner Meinung nach sei es gefährlich, zwei Könige zur selben Zeit zu haben, denn man könnte mehrere Beispiele von Kriegen unter Verwandten, auch zwi­ schen Vater und Sohn, anfuhren. Nach der Wahl leisteten die Großen Knud den Eid, wohl das Homagium.237 Der Einwand des Buris war un­ angreifbar —die Bürgerkriege waren erst 1157 beendet worden - aber

235 S a x o I 2 0 6 Z I. 1 0 -1 1 u n d 1 9 -2 0 . 236 S a x o I 371 ZI. 2 0 -2 3 ; zu den übrigen W ahlen, siehe T h . R lis 1 9 7 7 , S. 1 0 3 -1 0 6 . 237 S a x o I 4 5 5 ZI. 1 0 -3 0 .

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hinter ihm vermochte sich die eigene Ambition des Buris kaum zu verbergen. Er begann zu konspirieren, wurde um 1167 entlarvt und bestraft. Die Wahl des kleinen Knud —er scheint 1162 oder 1163 geboren zu sein - hängt übrigens mit der päpstlichen Anerkennung des Erbrech­ tes Knuds zusammen. Es war eine Gegenleistung für die königliche Genehmigung, daß Erzbischof Eskil heimkehren durfte,238 und die Ini­ tiative zur Wahl Knuds ging wohl von der Regierung aus. Das wider­ spricht nicht notwendigerweise Saxos Nachricht, daß die Großen die Wahl Knuds vorschlugen - es gehört zur Kunst, eine Versammlung so zu manipulieren, daß zuverlässige Leute in der Versammlung im voraus dazu aufgefordert wurden, den Mitgliedern Vorschläge im Sinne der Regierung zu unterbreiten. Das zweite Thronfolgemodell ist jenes des Erbrechtes. W ir erinnern uns an die Erzählung vom alten König Wermund, dessen Sohn gegen die zwei Sachsen auf der Eiderinsel kämpfte - ohne Zweifel bereitete der Vater die künftige Regierung des Sohnes vor, und dieser betrach­ tete sich als Nachfolger des Vaters. Die Nachfolge Frothos III. war schwieriger, denn man glaubte in Dänemark, daß der Sohn im Ausland gestorben sei, weshalb ein neuer König gewählt wurde. Als sich her­ ausstellte, daß Frothos Sohn am Leben war, wurde die Königswürde zur Streitfrage: Man hatte zwar einen König — dieser war aber unter falschen Voraussetzungen gewählt worden, und es gab den Sohn und natürlichen Nachfolger des verstorbenen Königs. Schließlich einigte man sich, den Prinzen aufgrund der Taten des verstorbenen Königs und wegen der Legitimität zur Regierungsübernahme aufzufordern. Fridlev, wie der Prinz hieß, akzeptierte unter der Bedingung, daß die Gesandten dem Hiarnus die Wahl zwischen der Abdankung und dem Krieg gegen Fridlev lassen würden (hier darf man den Krieg wohl als Gottesurteil auffassen).239 Auch in einem anderen Fall spricht Saxo von Abdankung zugunsten des Sohnes des verstorbenen Königs, auch wenn diesem sein Bruder auf dem Thron gefolgt war.240

238 Dipl. Dan. I 2 N r. 1 67, zu datieren 1 1 6 5 -6 6 . 239 S a x o I 1 4 6 Z I. 8 - 2 5 . 240 S a x o I 2 3 2 ZI. 1 8 -1 9 .

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Während des 12. Jahrhunderts wurde das Erbrecht immer stärker hervorgehoben: Svend III. (1146-57) beklagte sich darüber, daß er kei­ ne Söhne hatte, deren Sukzession er vorbereiten sollte (quibus regnum parare debeat, also als Pflicht gesehen),241 und sowohl Knud VI. als auch Waldemar II. wurden als Erben des Vaters, Waldemars I., gesehen.242 So konstatieren wir eine Reihe von Thronbesteigungen kraft Erb­ rechts. Vielleicht ist es kein Zufall, daß wir sie sowohl in der sagenhaf­ ten Geschichte Dänemarks als in der Geschichte des 12. Jahrhunderts finden - die Thronfolge durch Erbrecht hatte sich wahrscheinlich durch die Bürgerkriege aktualisiert, denn die Fraktionsfiihrer gehörten alle derselben Königssippe an. Betrachten wir jetzt die Sukzessionen kraft Designation, das heißt, daß der neue Herrscher schon vom Vorgänger erwählt und eventuell von den einschlägigen Gremien anerkannt worden war. Mehrmals konnte eine Designation sich als eine Mitregentschaft des Sohnes zu Lebzei­ ten des Vaters gestalten; das älteste Beispiel einer solchen Lage finden wir bei dem eponymen König Skjold, der gegen Ende seines Lebens den Sohn Gram als Mitregenten nahm, indem er ihn so als den künf­ tigen König designierte.243 Mit diesem Beispiel zeigt Saxo, daß die De­ signation im dänischen Verfassungsleben uralt und daher durchaus ak­ zeptabel war. Die Wahl Knuds VI. im Jahre 1166 und seine Krönung vier Jahre später bedeuteten auch eine Designation. Ein Sonderfall war es, als der legendäre König Olav die beiden Söhne als Könige und Nachfolger designierte; die Angelegenheiten des Reiches zur See und zu Lande sollten von je einem Bruder gelenkt werden, jedes Jahr aber sollten die Brüder ihre Ressorts wechseln.244 Dies ist eine Anspielung auf die Dyarchie, wie man sie unter Waldemar I. und Absalon kannte.

241 Sa x o I 4 0 3 ZI. 2 -3 . 242 K nud wird als »paternae maiestatis futurus possessor« bezeichnet (S a x o I 4 5 5 ZI. 1 2 -1 3 ) und von W aldem ar II. schreibt Saxo: »Siquidem praeter paternae hereditatis amplitudinem conspicua regni incrementa finitimorum oppressione sortitus Albiaeque re­ ciprocos fluctus propagatae dominationis labore complexus, haud mediocre claritatis mo­

mentum celeberrimis laudis tuae titulis adiecisti« (S a x o I 5 Zl. 1 8 -2 2 ). 243 S a x o I 18 Z l. 2 6 -2 8 .

244 Sa x o I 181 Zl. 6 -9 ; ähnliches Beispiel ebda. I 47 Zl. 7 -8 .

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Die Königsideologie bei Saxo

Mitunter hatte die Designation die Gestalt eines Sukzessionsabkommens; nach dem Tod Knuds des Großen behielt sein Sohn England und Dänemark, während Norwegen einen eigenen König nahm. Folge­ richtig schlossen die beiden Herrscher das Abkommen, daß der länger lebende das Reich/die Reiche des anderen übernehmen solle. Auf ähnliche Weise einigten sich nach Saxo die Söhne Svend Estridsens, daß einer nach dem anderen den Thron besteigen sollte.24!5 Allem Anschein nach geht Saxo hier von der Tatsache aus, daß die fünf Brüder nacheinander den Thron bestiegen; jedoch wahrscheinlich nicht, weil sie es so verabredet hatten, sondern eher, weil keiner bei sei­ nem Tod mündige Söhne hinterließ. Mehrmals erörtert unser Verfasser die Grundsätze der Thronfolge, indem er die Geschichte zwischen dem Tod Svends II. im Jahre 1074 und dem Sieg Waldemars I. im Jahre 1157 erzählt. Die fünf Söhne Svends bestiegen den Thron entsprechend ihrem Alter, aber Saxo kann sich anscheinend nicht entscheiden, ob er das Primogeniturprinzip oder die Regierungsfähigkeit vorzieht.245246 Saxo gibt mehrere Beispiele der Kompetenz —wir erinnern an den Dichter, der wegen seines Grabgedichtes die Königswürde erhielt, so­ wie an die Kriegerin Hetha, die als Frau nicht allein regieren durfte. Die guten Taten des Vaters oder des Großvaters werden ferner als Qua­ lifikation angesehen, und Erich, der den gleichnamigen König abzu­ setzen versuchte, wird als des Königtums unwürdig betrachtet, und zwar wegen seines Kampfes gegen ein wehrloses Kind.247 Auch war es die wegen Alters und Blindheit fast verschwundene Regierungsfähig­ keit Wermunds, die die Sachsen zu ihren Prätentionen auf Dänemark anregte.248 Den Konflikt der beiden Sukzessionsprinzipien sehen wir deutlich in der Darstellung der Königswahl vom Jahre 1074. Die Thronpräten­ denten waren Harald und dessen jüngerer Bruder, der spätere Knud der Heilige. Unser Verfasser fand den letzteren regierungsfähiger als

245

Saxo I 3 4 0 ZI. 2 9 -3 1 und 351 ZI. 1 5 -2 1 .

246 F. K empf 1 9 5 4 , S. 1 5 6 -1 5 7 ; W. U llmann 1 9 6 5 , S. 3 4 3 A nm . 2 und ders. 1 9 7 4 , S. 6 8 -6 9 . 247 S a x o I 2 6 4 Z I. 1 9 - 2 6 . 248 S a x o I 9 7 Z I. 1 8 - 2 9 .

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Harald: Seine kriegerischen Taten waren so ruhmreich, daß sie an Knud den Großen erinnerten.249 Natürlich war Harald als der Altere Anhänger des Primogeniturprinzips, obwohl er sich als der Geeigne­ tere darzustellen versuchte: Knud habe durch seine kriegerischen U n­ ternehmen dem Volk nur Gefahr gebracht, und es wäre doch Unrecht, wenn die freundliche Gesinnung Haralds ihm den Weg zum Thron verbauen sollte. Harald versprach im übrigen, die harten und unge­ rechten Gesetze durch neue und mildere zu ersetzen. Nach seiner Wahl bot Harald dem Bruder die Mitherrschaft an, die Knud aber ablehn­ te.250251 Für die Zeit seiner Wallfahrt in den Nahen Osten setzte Erich I. zwei Reichsverweser ein: seinen ältesten Sohn Harald und den Lunder Bischof, und späteren Erzbischof, Asser. Saxo erwähnt nur Harald als Reichsverweser, was er wegen seines Alters wurde, aber durch seine Mißregierung und durch seinen schlechten R u f verspielte er seine Chance, dem Vater auf dem Thron zu folgen. Auch bei der Wahl nach Erich I. spielten sowohl das R echt des Älteren als auch die Fähigkeit eine große Rolle, und Knud Laward wurde wegen seiner Herrscher­ fähigkeit zum Obodritenflirsten designiert, wobei der regierende Fürst die eigenen, regierungsunfähigen Söhne überging.2^1 W ir haben die Anklage gegen Knud Laward und dessen Verteidi­ gungsrede ausführlich diskutiert, und im ganzen Vorgehen sehen wir den Konflikt mehrerer Prinzipien: Nach dem Urheber der Anklage hätte Magnus im Falle einer Wahl weniger Chancen gegen Knud, wes­ halb der König die Sukzession durch die Beseitigung Knuds sichern sollte. Also Erbrecht (Magnus) gegen Wahlrecht und Regierungsfähig­ keit (Knud). Die Thronfolge nach dem Tod Erichs II. (1137) erlaubt unserem Ver­ fasser, die Grundsätze zu erörtern. Da der Sohn des verstorbenen K ö­ nigs, Svend, minderjährig war wie auch die Söhne der beiden Rivalen und Vetter Magnus und Knud Laward, ergaben sich daraus gewisse Komplikationen. Ein Edelmann, Christian, fand den Sohn Knud Lawards, Waldemar, des Reiches für sehr würdig (regno dignissimum). Die

249 S a x o I 3 1 5 Z I. 1 4 - 2 0 . 250 S a x o I 3 1 7 Z I. 1 4 - 2 0 u n d 3 1 8 Z I. 3 - 6 .

251 Th.Riis 1977, S. 109.

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Die Königsideologie bet Saxo

Mutter des Kindes zog es vor, die Herrschaft anderen, und nicht dem Kind zu übertragen, aber Christian stellte den kleinen Waldemar der contio (Thingversammlung) vor, indem er die guten Taten Knud Lawards lobte, die man durch die Wahl seines Sohnes belohnen solle. Da dieser mindeijährig sei, müßte man einen Reichsverweser, nämlich sei­ nen Vetter Erich Lamm, wählen, und so geschah es nach Saxo. Hier zeigte sich die Regierungsfähigkeit als Prinzip stärker als das Erbrecht; Erich wurde auch wegen seines Mutes und wegen seiner militärischen Fähigkeiten gewählt.252 W ir müssen jetzt die vierte Thronfolgeart untersuchen, nämlich die des gewaltsamen Todes des regierenden Königs. Hier lassen wir die zahlreichen Fälle außer Betracht, in denen der König im Kampf gegen den auswärtigen Feind getötet, vertrieben oder tributpflichtig gemacht wurde. Saxo tadelt nicht immer die Machtübernahme durch Gewalt, zur wendischen Sagenzeit würde der Königstöter das Reich seines Opfers erben.253 Mitunter war der Königsmord eine Tat der Rache zu­ gunsten des Rächers, der seinem Opfer folgte. Für Saxo konnte die Rache Ehrenpflicht sein, und für seine Zeitgenossen war sie eine le­ bendige Wirklichkeit, deren Auswirkungen man um 1200 zu begren­ zen versuchte.254 Selbstverständlich gab es für den Königsmord Motive privater Na­ tur, zum Beispiel das der Rache, aber für uns sind in diesem Zusam­ menhang nur die öffentlichen Motive wie die Unzufriedenheit wegen einer schlechten und ungerechten Regierung von Interesse. Der Sa­ genkönig Olo herrschte hart und grausam, und es kam vielleicht des­ wegen zu einer Verschwörung gegen ihn; jedenfalls tadelt Saxo ihn, in­ dem er ihn als impius bezeichnet.255 Ein ähnliches Motiv spielte eine Rolle im Aufstand gegen den hei­ ligen König Knud; nach Saxo wurde die Bewegung durch den Kö­ nigsbruder O luf angeführt. Angeblich hätte der König mit zu harten Mitteln den Zehnten einzuführen versucht. In Odense hielt ein Auf­

252

Saxo I 3 7 0 ZI. 3 6 -3 7 1 ZI. 2 3 . In der Tat herrschte E rich III. nach eigenem R e c h t und nicht nur als Reichsverw eser.

253 S a x o I 2 3 2 Z I. 1 3 - 1 6 . 254 255

Saxo I 6 7 ZI. 2 3 -2 8 ; N . Skyum -N ielsen 1 9 7 1 , S. 7 7 , 2 5 1 - 2 5 2 und 3 2 2 . Saxo I 221 ZI. 8 -1 1 . 109

Kapitel 4

ständischer eine Rede an die Volksmenge, in der er die Aufständischen als Hüter des Vaterlandes (tutores patriae) und Diener der Religion (pietatis ministri) bezeichnet, während der König als Tyrann bezeichnet wurde. Ferner sei die Beseitigung des Herrschers kein privates Verbre­ chen, wenn die öffentliche Freiheit verteidigt werde.256 Interessanter­ weise bezeichneten nach der passio, die wahrscheinlich 1095-1096 ver­ faßt wurde, die Aufständischen den König als Tyrannen.257 Der Fall des Amlet ist komplizierter, denn die Motive des Königs­ mords sind sowohl privater als auch öffentlicher Art. Amlet muß den Tod des Vaters, des Idealkönigs, rächen, und der böse Onkel Fengo wird als der Gegensatz seines ermordeten Bruders beschrieben. Interessant ist, daß Saxo auch der patria ein R echt auf Rache zuspricht, denn der Frevler hat durch seine Taten dem Vaterland einen Makel zugefugt.258 Der gewaltsame Tod von Amlets Vater, die nach mittelalterlichem R echt inzestuöse Heirat der Witwe mit ihrem Schwager (der übrigens der Mörder war), schließlich die Rache Amlets —alle Umstände wei­ sen auf eine wirkliche Familientragödie hin. Durch den Mund Amlets beschreibt Saxo den toten Körper Fengos als impium, ein Wort, das er auch anderswo in ähnlichen Fällen verwendet.259 Mit diesem Ausdruck hebt unser Verfasser die erwähnten Ereignisse auf die religiös-morali­ sche Ebene. Dieser Gebrauch des Wortes impius war römischer Art, denn impius war derjenige, der seine von den di parentes der Familie aufgelegten Pflichten nicht erfüllte und der so ihrer Rache anheimfiel. Cicero be­ zeichnet diejenigen als impii, die Verbrechen gegen die patria begangen hatten,260 wo der römische Staatsmann sie mit den Vatermördern ver­ gleicht.261 Das römische Denken war nicht die einzige Quelle für Saxo. So forderte Amlet, den Leichnam Fengos zu verbrennen und die Asche zu verstreuen. Die posthume Strafe ist nicht die Einäscherung, sondern das Verstreuen der Asche, was an die Worte des alttestamentlichen Psal-

256 S a x o I 3 2 6 Z I. 2 6 - 3 1 .

257 Vgl. M . CI. Gertz 1 9 0 8 -1 9 1 2 , S. 6 8 ZI. 15. 258 S a x o I 8 5 Z I. 2 5 - 2 9 u n d 3 5 - 3 7 . 259

Saxo I 8 6 ZI. 8, vgl. 2 0 4 ZI. 14, 2 3 4 ZI. 3 - 5 und 2 5 9 ZI. 6.

26υ Philippica XIV , X II 32. 261 V gl.T h . U lrich 1 9 3 0 ; C. Koch in Pauly-Wissowa X X 1 ,1 9 4 1 , Sp. 1 2 2 1 -1 2 2 2 .

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Die Königsideologie bei Saxo

misten erinnert, wenn er von den impii spricht, denn ihr Schicksal wäre die des Staubs, den der Wind von der Oberfläche der Erde wegweht (Ps. 1,4). Amlet charakterisierte den Usurpator Fengo als Tyrannen und des­ sen Regierung als Tyrannis; hier müssen die Worte einen durchaus ne­ gativen Sinn haben. Aber auch die Königswürde des Vaters Amlets wird als Tyrannis bezeichnet, hier hat das Wort einen neutralen Sinn, was auch anderswo bei Saxo vorkommt. Vielleicht wollte unser Verfasser seine Gelehrsamkeit mit einem Hinweis auf die Tyrannen des klassi­ schen Altertums zeigen, denn ähnliches bemerken wir bei Otto von Freising.262 Daß schon im Altertum Tyrannus sowohl wertneutral als auch negativ aufgefaßt werden konnte, zeigt Seneca (De Clementia I, 12,1): Tyrannus a rege factis distat, non nomine (Der Tyrann unterscheidet sich vom König nicht durch den Namen, sondern durch die Taten). Die ganze Amletepisode ist ferner dadurch interessant, daß nach Am­ let auch der patria die Pflicht oblag, sich vom Tyrannen zu befreien.263 Es ist nicht ganz deutlich, ob dieVerschwörung gegen Olo wegen des­ sen Mißregierung angezettelt wurde; es ist daher sinnvoller, uns aufAm­ let und Knud den Heiligen zu beschränken. Da der eine im 4. Buch und der andere im 12. Buch behandelt wird, dürfen wir sie vielleicht als Spie­ gelbilder ansehen: Der Mord Fengos war gerecht, der Mord Knuds —ob­ wohl von seinen Widersachern als Tyrannenmord betrachtet — unge­ recht, was durch die Hungerperiode der 1090er Jahre bestraft wurde.264 Die Rede des Blacco in Odense zeigt einerseits einen deutlichen Unterschied zwischen dem König und dem Tyrannen, andererseits ein dem Volke zustehendes Widerstandsrecht; wie schon erwähnt, wird das Volk in diesem Zusammenhang als patriae tutores und pietatis ministros betrachtet. Es gibt in der Rede keine kirchlichen Anspielungen, was es wenig wahrscheinlich macht, daß unser Verfasser sich von John o f Sa­ lisbury hat inspirieren lassen (obwohl Sven Aggesen ihn benutzte).265

262 Vgl. H . W ieruszowski 1 9 6 3 , S. 55. 263 S a x o I 8 5 Z I. 3 5 - 3 7 . 264

Saxo I 3 3 0 ZI. 2 0 -3 3 1 ZI. 5.

265 Vgl. R . H . Sc M . A. R ouse 1 9 6 7 , S. 6 9 3 -7 0 9 . Siehe auch H . J. M assey 1967 (= 1 9 7 0 ), S. 3 5 7 -3 7 2 , der zwar die Frage des Tyrannenmordes erörtert, aber w e­ niger gründlich als die Abhandlung der R o u se.

Ill

Kapitel 4

W ir haben gesehen, daß im Falle Amiets Saxo das Widerstandsrecht ge­ gen den Tyrannen auf römische Sichtweise darstellte, und wir dürfen fra­ gen, ob auch die römischen Ideen vom Tyrannenmord im Falle des Hei­ ligen erscheinen. Cicero fragte, ob es ein Verbrechen sei, einen Tyrannen zu töten, was er mit »Nein« beantwortete, im Gegenteil wurde eine sol­ che Tat durch die Röm er als verdienstvoll betrachtet. Bedeutet es also, daß der Nutzen (utilitas) über die Moralität (honestas) siegt? Aber die M o­ ralität folgt immer dem Nutzen (De officiis III, 4,19). Ferner ist für Cicero derTutor der Gegensatz zum Tyrannen - wir erinnern, daß die künftigen Mörder Knuds sich als patriae tutores betrachteten.266Wahrscheinlich hat Saxo für die Erzählung über Knuds Tod aus den römischen Quellen ge­ schöpft. Hierfür hatte er zwei Motive: erstens seine Vorliebe für das Alter­ tum, also für die Interpretatio Romana der dänischen Geschichte, und zweitens wäre es unmöglich gewesen, die mittelalterliche Lehre vomTyrannenmord in einem Fall zu verwenden, wo der vermutliche Tyrann ein vomVerfasser selbst anerkannter Königsheiliger war. Darüber hinaus erzählt Saxo von anderen Aufständen, die er unter­ schiedlich motiviert. Deijenige des Knud Magnussen und Waldemars I. gegen Svend III. waren durch die Machenschaften Svends verursacht; so war er durchaus verständlich und gerechtfertigt.267 Dies war für den Aufstand Olufs gegen Erich III. nicht der Fall: O luf hatte den König um die Restitution des wegen väterlichen Hochverrats konfiszierten Besitzes gebeten, was der König abgelehnt hatte; so blieb O luf nur der Aufstand, der ihn zu immer grausameren Taten führte, bis er schließ­ lich den Roskilder Bischof töten ließ.268 Der Aufstand Svend Gabelbarts gegen seinen Vater ist vom morali­ schen Standpunkt aus komplizierter. Zwar hatte Harald seine Unterta­ nen zu streng behandelt, was die Empörung des Sohnes rechtfertigte. Seine Regierung war aber von Katastrophen geprägt bis zu dem M o­ ment, als er den christlichen Glauben annahm. Von jetzt an herrschte er erfolgreich und gewann noch England dazu. Die Erzählung des wechselnden Glücks ist von Valerius Maximus stark beeinflusst.269

266 Vgl. K. B üchner 1 9 5 2 , S. 3 4 3 -3 7 1 .

Saxo I 3 9 7 ZI. 5 -1 0 , vgl. 3 9 5 ZI. 3 7 - 3 9 7 ZI. 4. Saxo I 371 ZI. 3 6 -3 7 3 ZI. 34. 269 Vgl. I. Skovgaard-P etersen 1 9 6 6 , passim. 267

268

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Die Königsideologie bei Saxo

So waren die Aufstände Svend Gabelbarts, Knud Magnussens und Waldemars gerecht, weil Harald Blauzahn vom Volk zu viel forderte und weil Svend III. vor allem gegen Waldemar arbeitete. Nochmals fin­ den wir bei Saxo ein Widerstandsrecht, das dem römischen ähnlich ist, obwohl die Illoyalität des Herrn im Feudalrecht den Bruch von Seiten des Vasalls rechtfertigt.270 W ir können folgern, daß fast alle Könige Dänemarks derselben Kö­ nigssippe angehören. Der Thronwechsel findet normalerweise kraft Erbrechts oder kraft Wahl statt, während Designationen oder Sukzes­ sionsabkommen weniger häufig sind. Die idoneitas —Regierungsfähig­ keit - hat insofern Bedeutung, als eine ledige Frau als regierungsun­ fähig betrachtet wird und weil erfolgreiche militärische Taten als Qua­ lifikation anzusehen sind. W ir konstatieren ferner, daß die Primogeni­ tur für Saxo eine gewisse Rolle spielt, und daß ein römisch beeinfluß­ tes Widerstandsrecht mitunter als Prinzip erscheint.

Fortuna W ir kennen alle die bildlichen Darstellungen der fortuna oder des Glücks; im 16.-17. Jahrhundert erscheint sie oft als eine junge Frau, die auf einer Kugel steht. In der seeländischen Dorfkirche Slaglille hat man eine Freske aus der Zeit Saxos, wo man die Fortuna mit dem Symbol des wechselnden Glücks, dem Rad, sieht. Aus dem späteren Mittelalter kennen wir das Glücksrad der Ambitiösen: Ein Aufsteiger beginnt links in der »9-Uhr«-Position mit dem Wort »regnabo« (ich werde herr­ schen). In der »12-Uhr«-Position sitzt er oben, gekrönt, und kann stolz »regno« (ich herrsche) erklären. In der »3-Uhr«-Position ist sein Absturz so weit gekommen, daß er »regnavi« (ich habe geherrscht) sagt, und in der untersten »6-Uhr«-Position ist er vom Rad gefallen, liegt am B o ­ den und stellt traurig den Verlust seines Reiches fest (»sum sine regno« = ich bin ohne Reich) (Abb. 1). Diese Beispiele zeigen deutlich, wie sehr man sich im Mittelalter mit dem Glück, der fortuna, beschäftigte. Dies tun wir auch, aber während unser heutiger GlücksbegrifF sich entweder materiell definieren läßt

270 Vgl. F. L. Ganshof 1 9 5 2 , S. 8 9 -9 2 ; H . M itteis 1 9 3 3 /1 9 5 8 , S. 5 4 2 -5 5 6 .

113

Kapitel 4

(Lottogewinn) oder sich auf die romantische Liebe bezieht, hatte flir die Mittelaltermenschen die fortuna ihren Platz im Bereich der Ethik.271 Das Radmotiv kommt nur einmal bei Saxo vor, und überhaupt ver­ breitet es sich international erst im Laufe des 12. Jahrhunderts; Saxo scheint hier vom Anticlaudianus des Alanus de Insulis inspiriert zu sein. Bei Saxo erscheint fortuna sowohl als ein mehr oder weniger abstrak­ ter Begriff als auch als Personifikation. Die fortuna unseres Verfassers ist stabiler als sonst im Hochmittelalter, und sie erscheint nicht mit dem Rad, obwohl Saxo auf dieses Motiv anspielt. Uber Svend Gabelbart schreibt er, daß die fortuna Svends oftmals schlecht gewesen war, aber daß er jetzt wußte, daß sie sich zum Gipfel der Glückseligkeit gedreht habe (»in summo felicitatis cardine versatam noverat«) — vergleichen wir hiermit Alanus de Insulis »Sylla iacety surgit Marius, sed cardine uerso, Sylla redit, Marius premitur. «272 Wie jede Person zeigt die fortuna mitunter ihre Freundschaft oder ihre Feindseligkeit, und sie kann nicht nur widrig oder traurig, sondern auch gewaltsam und ungerecht sein. Zwar besiegte die fortuna die Truppen des Königs Niels - als Strafe für die Ermordung Knud Lawards; auch wollte sie Friedrich Barbarossa bei dessen Plänen zur U n­ terwerfung Dänemarks nicht helfen und gab ihm keine Gelegenheit, sich während eines Aufstandes in die dänische Politik einzumischen. Dafür griff sie ein, als sie Waldemar I. vor zahlreichen Verschwörungen schützte.273 Mehrmals ist die fortuna einer bestimmten Person gegenüber zwei-

271 Ü b er die Fortuna im M ittelalter gibt es eine um fangreiche Literatur: FL W ol ­ fram 1 9 6 4 , passim und I.

Skovgaard-P etersen 1 9 6 6 , vor allem S. 2 8 -3 7 . B e i­

de Verfasser beschränken sich au f die im S a x o -W ö rterb u ch angeführten B e i­ spiele, die aber unvollständig sind und m it der vollständigen K artei der S axo W ö rte r (in der K öniglichen Bibliothek, K openhagen) ergänzt werden müssen. W eitere Arbeiten von Interesse für unser T h em a sind K . F rancke 1 8 7 9 , N e u ­ druck 1 9 6 8 , die grundlegende Arbeit von H . A. Patch 1 9 2 7 , die m eh r kunst­ historische, aber w ichtige Abhandlung von A. D o r en , 1 9 2 2 -2 3 , und schließlich R . O rtiz 1 9 2 7 . 272 P L 2 1 0 , Sp. 5 6 0 ; Saxo I 2 8 0 ZI. 4 -8 . 273

Saxo I 3 6 4 ZI. 3 3 -3 5 , 5 0 4 ZI. 2 0 -2 4 , 511 ZI. 2 2 - 2 6 und 5 4 0 ZI. 2 4 -2 7 .

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Die Königsideologie bei Saxo

Das Glücksrad, ca. 1325-1350, Kirche von Birkerod. Nach Danmarks Kir­ ker II: Frederiksborg Amt 2, Kopenhagen 1967, S. 931 Abb. 11.

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Kapitel 4

deutig, so sagt Saxo deutlich, daß der Wikingerkönig Regnerus und Svend Gabelbart unter zwei fortunae geteilt waren, einer feindlichen und einer freundlichen.274 Ein paar Beispiele der freundlichen fortuna können wir erwähnen: Der alte Wermund bekommt einen Sohn als Geschenk der fortuna, und unser Verfasser reflektiert, welchen R u f die patria gehabt hätte, wenn die fortuna ihr die lateinische Sprache ge­ schenkt hätte.275 So ist die fortuna sowohl freundlich als auch feindlich, und überhaupt scheint sie einen großen Einfluß auf das Menschenleben zu haben, mitunter entscheidet sie über Leben und Tod: Sie schützt den alten Wermundus, der den Sohn nicht überleben wollte; in einem anderen Zweikampf, der die Zukunft Dänemarks entscheiden sollte, ließ sie die Niederlage Starkads nicht zu, aber lächelnd begünstigte sie die Wider­ sacher Haralds in der Bråvallaschlacht.276 In diesen Beispielen geht es immer um Leben und Tod im Krieg sowie in den Kämpfen, die über das Schicksal des Landes entscheiden. Zu demselben Bereich gehörend, aber weniger direkt ausgedrückt, sind einige weitere Fälle, in denen sie Ingeborg nicht half, den Gatten Knud Laward vor Magnus zu warnen,277 und sie rettete im Jahre 1157 Absalons Leben, damit die Hoffnung auf die Wiederherstellung Dänemarks den Einwohnern nicht entgleiten sollte (ne Danicae reparationis spes penitus elaberetur, fu ­ turum patriae columen fortuna servavit) ,278 Obwohl die fortuna mitunter die Sukzession auf dem Thron be­ stimmt, darf sie keineswegs die Sitten regeln, denn es gebührt sich, auf dieselbe Weise Gutes und Böses zu ertragen: nec mores fortuna regat, quia condecet aeque/ delicias ac dura pati . . . 279 Von der Herrschaft über Leben und Tod zu deqenigen über Sieg und Niederlage ist es nicht weit, was bei unserem Verfasser deutlich zu sehen ist. So ist es die fortuna, die in

274

Saxo I 2 6 2 ZI. 19: »Quem (Regnerus) quid aliud quam duas inter se fortunas parti­ tas esse dicemus?« und 2 8 5 ZI. 1 6 -2 2 : »Hunc (Svend) ... duae inter se diuiserefortu­ nae, quem uaria sors in ludibria ac decora alterna uice traiecit ...« .

275 276 277 278 279

Saxo Saxo Saxo Saxo Saxo

116

I 9 2 Zl. 2 1 - 2 3 ,1 0 0 Zl. 2 9 -3 1 . I 9 9 Zl. 3 6 , 1 5 6 Zl. 1 0 -1 1 und 2 1 9 Zl. 3 0 -3 1 . I 3 5 4 Zl. 1 5 -1 8 I 4 0 6 Zl. 1 8 -1 9 . I 5 4 Zl. 2 2 -2 4 .

Die Königsideologie bei Saxo

einem der zahlreichen Feldzüge gegen die slawischen Stämme die Dä­ nen gesund und unverwundet erhält.280 Mehrmals greift die fortuna ein, um ein Verbrechen zu bestrafen oder einen Mann zu rächen, z. B. R olf, der im Kampf gegen die Mannen seines verräterischen Schwagers fiel.281 Svend Gabelbart wurde von der fortuna wegen seiner Empörung gegen den Vater oder wegen seiner Aufgabe des christlichen Glaubens bestraft,282 und der Halbbruder Knud Lawards, Erich II., erhält den Sieg kampflos, indem die fortuna die Rache Gottes wegen der Ermor­ dung des Herzogs vollstreckt.283 Schließlich wird die Hungersnot in­ folge einer Reihe von Mißernten in den 1090er Jahren als die Rache Gottes für die Ermordung Knuds des Heiligen angesehen - hier be­ trachtet Saxo die fortuna wieder als ein Werkzeug Gottes.284 Dieselbe Hungersnot spürte man in den meisten Ländern Westeuropas, wegen des feuchten Getreides wurden manche von der von Pilzen verursach­ ten Krankheit Ergotismus betroffen. Auch im Ausland wurden diese Kalamitäten als die Strafe Gottes angesehen, was eine der Vorausset­ zungen für den ersten Kreuzzug war. Die fehlende Stabilität der fortuna verhindert die Verwirklichung eines Planes, und sie ist es, die das fehlende Einhalten des von Amlets Königin gemachten Versprechens herbeiführt. Statt den Gatten in der Schlacht nicht zu verlassen, heiratete diese den Sieger, nachdem Amlet den Tod im Kampf gefunden hatte.285 Die fortuna kann neutral sein, weshalb auch ein Gegenkönig als un­ bedeutend dargestellt wird, denn neben seiner königlichen Abstam­ mung hatte er weder in bezug auf die Natur noch mit Rücksicht auf die fortuna etwas, das ihn empfehlen konnte:286 Auf verschiedene Art griff die fortuna in die Angelegenheiten des Reiches ein: Durch ihr U r­ teil —das Los —entschied sie, wer ins Exil gehen sollte, um den Bevöl­ kerungsdruck zu mindern287 - das ist die »longobardische« Wanderung, 280 S a x o I 4 8 5 Z I. 3 7 - 3 8 . 281

Saxo I 6 2 ZI. 5 -6 .

282 S a x o I 2 7 8 Z I. 2 3 - 2 8 . 283 284 285 286

Saxo Saxo Saxo Saxo

I 3 6 4 ZI. 3 3 -3 5 und 3 6 5 ZI. 1 3 -1 4 . I 3 3 0 ZI. 1 4 -1 9 . I 9 2 ZI. 4 -1 4 . I 5 3 7 ZI. 3 4 -3 6 .

287 S a x o I 2 3 8 Z I. 3 - 6 .

Kapitel 4

von der wir schon früher gesprochen haben. Weniger krisenbedingt war es, daß die fortuna Erich I. eine wegen ihrer Schönheit und guten Sitten außergewöhnliche Frau als Gattin gab, die Mutter Knud Lawards und Großmutter Waldemars I. wurde.288 Der Einfluß der fortuna auf das Königtum tritt deutlich hervor, als sie Waldemar I. mehrmals vor Anschlägen rettet - ihr Eingreifen scheint göttlicher Natur zu sein — und sie verhinderte, daß Waldemar zu Beginn seiner Regierung ei­ nen für die Zukunft verhängnisvollen Fehler machte.289 Flier sehen wir die fortuna als die regulierende Kraft des Königtums, was vielleicht am deutlichsten in der Verteidigungsrede des Knud Laward ausgesprochen wird. Hier brachte Knud den Wunsch zum Ausdruck, daß die Majestät des Königs mit den fröhlichen Segeln der fortuna lange Zeit einen gün­ stigen Kurs halten würde.290 Das maritime Bild ist wahrscheinlich vom Altertum inspiriert, denn die fortuna mit dem Rad gehört dem Mittelalter an, während sie im Altertum manchmal mit maritimen Attributen dargestellt wurde, und zwar wegen ihrer Funktion als Kapitän des Schiffes unseres Lebens.291 Bisher haben wir die personifizierte fortuna betrachtet und müssen uns nun mit den anderen Erscheinungen des Begriffs beschäftigen. Auch hier begegnen wir der fortuna im militärischen Bereich, da das Ergebnis eines Krieges mit fortuna belli bezeichnet werden kann, wie auch der militärische Erfolg (oder sein Gegensatz) eines Königs, eines Heeres, eines Kriegers als fortuna beschrieben werden kann. Diese B e­ deutung ist von deqenigen des Lebens, der Verletzung oder des Todes wenig entfernt, da dic fortuna den sich aus dem Kampf ergebenden Zu­ stand beschreibt.292 Manchmal bezeichnet bei Saxo fortuna den Platz einer Person in der Gesellschaft; dies gehört zur Definition der fortuna von Franz Blatt, der sie als die Umstände (condicio), Würde (dignitas) oder Rang (status) der Person definierte.293 Saxo verwendet das Wort in dieser Bedeutung, als

Saxo I 3 3 4 ZI. Saxo I 4 1 4 ZI. 290 Saxo I 3 5 5 ZI. 291 Vgl. A. D oren

288

3 -5 .

289

37 - 4 1 5 ZI. 9, 511 ZI. 2 2 -2 6 . 2 7 -2 8 . 1 9 2 2 -2 3 , S. 7 4 , 7 9 -8 0 , Abb. 1 -3 ; H . F. H aefele 1 9 5 4 S. 6 3 .

292 Siehe die Beispiele bei T h . 293

Rns 1977, S. 124 A nm . 86.

Saxo II Sp. 3 4 1 , B ed eutu n g 3.

118

Die Königsideologie bei Saxo

er von der Würde sowohl fremder als auch dänischer Fürsten und Kö­ nige spricht; auch die Würde Odins, des obersten Gottes, kann so be­ zeichnet werden. Da fortuna ein Synonym von Status oder Rang ist, findet unser Ver­ fasser es natürlich, daß ein Mann ohne öffentlichen Auftrag in fortuna privata steht oder daß er »intra privatum fortunae habitum« (innerhalb des privaten Standes) war oder dergleichen.294 Manchmal gebraucht Saxo das Wort fortuna, um die Umstände und das Schicksal einer Person zu beschreiben; die Dänen, die die Frauen des Feindes heiraten, »beteiligten sich an der fortuna des Feindes kraft des gemeinsamen Heiratsbandes.«295 In diesem Sinn kann aber fortuna nicht nur für Personen verwendet werden, sondern bezieht sich auch auf Dänemark, auf die Roskilder Kirche, auf eine Ortschaft, auf ein Er­ eignis oder eine materielle Sache.296 Welche Elemente gehören zum Begrifffortuna? Selbstverständlich ist die An- oder Abwesenheit militärischer Taten von großer Bedeutung, denn ein König kann seine fortuna mit Kriegen nähren; aber er muß selbst gekämpft haben. Ein deutscher Edelmann warb durch einen an­ deren um die Hand einer dänischen Prinzessin, wurde aber verächtlich zurückgewiesen; denn ohne eigene Verdienste hatte er durch die Tu­ gend eines anderen dic fortuna für sich zu gewinnen versucht.297 Ein anderer Bestandteil der fortuna ist, wie schon Herwig Wolfram beobachtete, die Herkunft, wozu auch der Reichtum kommt.298 Die beiden Kriterien stehen oftmals in Konflikt miteinander —die alte, vor­ nehme Familie und der reiche Emporkömmling ist ein beliebtes The­ ma in der Literatur von Saxo bis Thomas Mann. Nochmals nimmt die Episode mit der Prinzessin Helga und dem Goldschmied eine zentra­ le Stellung ein, indem sie ihm den Anlaß bietet, diese Frage zu erör­ tern. Nach ihm, durch den Mund des Starkad, glaubt der Goldschmied, daß Reichtum dasselbe wie Verwandtschaft sei oder daß Geld der Sip-

294 295

Saxo I 3 1 6 ZI. 3 1 , 3 41 ZI. 3 -4 , 3 8 6 ZI. 3 4 und 5 0 3 ZI. 1 1 -1 2 . Saxo I 2 7 4 ZI. 1 2 -1 3 .

296 Th.Rns 1977, S. 125-126 m it A nm . 111-115. 297

Saxo I 192 ZI. 3 6 - 193 ZI. 2.

298 H . W olfram 1 9 6 4 , S. 4.

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Kapitel 4

pe gleichkomme, ferner, daß das Vermögen wichtiger als das Blut sei.299 Zu dieser Stelle schreibt Wolfram: »Man läßt, wie die Epik des Saxo Grammaticus, die noch ganz in der Archaik des Nordens verharrt, den Helden das Heil nach dem Blute einschätzen, fortunam sanguine pensa­ re,«300 Es ist offensichtlich, daß Wolfram unseren Verfasser ungenau zi­ tiert - wahrscheinlich weil er im voraus von der Archaik des Nordens überzeugt ist - denn bei Saxo können sowohl die Abstammung als das Vermögen Teile der Fortuna sein. So kann man diese Stelle kaum als Beleg flir eventuelle charismatische Kräfte der Mitglieder der Königs­ sippe betrachten. Für den Goldschmied ist der Reichtum wichtiger als die vornehme Herkunft, während Starkad dagegen letztere vorzieht. W ie schon erwähnt, kann Fortuna die Bedeutung von Ergebnis ha­ ben und somit von Erfolg,301 aber auch von Möglichkeit oder Gele­ genheit. Die Königswürde wird so als fortuna regnandi beschrieben, und man kann sich der Wohltat (beneficium) der Fortuna bedienen,302 was der Fortuna den Sinn des günstigen Augenblicks, des Kairos, gibt. Als anti­ ke Personifikation ist dieser ein junger Mann mit langen Haaren vorn am Kopf, aber mit rasiertem Hinterkopf, das heißt, man kann ihn nur packen, wenn er uns entgegenläuft, ist er schon vorbei, ist es zu spät. Wir sahen, daß eine Person mehrere fortunae haben konnte, so war Svend Gabelbart zwischen einer bösen und einer wohlwollenden fortuna geteilt; dieser Umstand gibt mitunter der fortuna einen recht konkreten Charakter. So konnte der englische König Amlet fragen, ob »Fengo viveret integrisque fortunis esset«, also ob er noch lebe und ob es ihm so gut wie früher gehe,303 die fortuna zweier Krieger war gleich groß; der junge König Knud hatte eine größere fortuna als sein Vater Waldemar I.304 Man konstatiert eine gebrochene fortuna, die man zu re­ parieren versucht, und überhaupt kann die fortuna nach der Menge de­ finiert werden. 299 SAXO

I 159 ZL 16-19:

» H in c adolev it iners an im i tu m or in gen iu m qu e , /d iv itia s g en u s

esse p u ta n s au t aera p a ren tes,/fo rtu n a m q u e m agis opib u s q u am san g u in e p e n s a n s ;/h in c su biit fa s tu s , h a b itu m q u e su perbia traxit . «

300 H. W

1964, S. 4. I 4 3 0 Z l. 3 2 - 3 3 . 302 Th. Rus 1977, S. 128. 303 S a x o I 8 8 Zl. 1 2 . 304 S a x o I 5 5 1 Zl. 2 0 - 2 3 .

301 S a x o

120

o lfr a m

Die Königsideologie bei Saxo

W ir kennen die fortuna als eine Person, die die Ereignisse beeinflus­ sen kann, aber ist sie darin selbständig oder gehorcht sie einer Auto­ rität, und wenn, welcher? In einigen, aber wenigen Fällen können Per­ sonen die fortuna lenken, was Saxo lobenswert findet, aber sonst wird sie durch die göttlichen Wesen bestimmt. So ist es, als Saxo die vor­ christliche Geschichte erzählt, aber auch der christliche Gott bedient sich der fortuna als Instrument in seinen Beziehungen zum dänischen Volk und dessen Königen.305 Der Abfall Svend Gabelbarts vom Chri­ stentum wird durch das traurige Wechseln der fortuna bestraft,306 dafür wird seine Rückkehr zum Glauben umgehend belohnt.307 Der Tod Knuds des Heiligen wird von Gott durch die fortuna bestraft, indem er die Hungersnot kommen läßt, auf ähnliche Weise wird der Tod Knud Lawards anläßlich einer Schlacht gerächt, und durch die fortuna schützt Gott das Leben Waldemars I. gegen zahlreiche Anschläge.308 Hier ver­ rät unser Verfasser vielleicht den Einfluß zeitgenössischer französischer Literatur (Chrestien de Troyes, Roman de Renart), wo man eine ge­ wisse Zusammenarbeit zwischen Gott und der fortuna angedeutet fin­ det.309 Für Kuno Francke war das fatum (Schicksal) eine Art Personifikation der von der Natur dirigierten Kräfte, und so war es stabil und unver­ änderlich. Dafür fand Howard A. Patch, daß es schon bei Boethius (gest. 524) eine Tendenz gab, dem fatum Eigenschaften zuzuschreiben, die normalerweise der fortuna gehörten; ferner, daß diese semantische Verschiebung sich während des Mittelalters fortsetzte. Jedoch ist diese Konfusion keineswegs mittelalterlichen Ursprungs, denn man findet sie schon bei Cäsar.310 Aber wie sieht Saxo diese Dinge? Balder wurde in einer Schlacht schwer verwundet, seine fortuna wurde von den Dänen mit Sorge wahrgenommen: »Qui cum indubitatum sibi fatum imminere

305 T h. R iis 1 9 7 7 , S. 1 2 8 -1 2 9 .

Saxo I 2 7 7 Zl. 1 7 -1 9 . Saxo I 2 8 0 Zl. 3 8 -3 9 . 308 Saxo I 5 0 4 Zl. 2 0 - 2 4 und 511 Zl. 2 2 -2 6 . 309 Vgl. H . A. Patch 1 9 2 7 , S. 2 7 -2 8 ; W Sanders 1 9 6 5 , S. 8 6 -8 7 ; W S. H eckscher

306

307

1 9 3 7 -1 9 3 8 , S. 2 0 9 . 310 K. F rancke 1 8 7 9 /1 9 6 8 , S. 4 0 - 4 1 , H . A. Patch 1 9 2 7 , S. 7 8 - 7 9 , vgl. H . E rkell 1 9 5 2 , S. 161.

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Kapitel 4

sentiret«, also: Balder fühlte, daß das sichere fatum ihm nah war, d.h. daß das fatum dem Bereich der Prädestination angehörte.311 Fortuna bedeu­ tet in diesem Zusammenhang das Ergebnis des Kampfes; anderswo bei Saxo (und wohl auch hier) bezeichnet fatum den Tod, denn wie die mittelalterlichen Testamente es sagen: Nichts ist sicherer als der Tod, und nichts ist unsicherer als dessen Stunde. Der alte König Gorm hatte die Todesstrafe für denjenigen verhängt, der ihm den Tod des Sohnes meldete; die Königin hatte ihn zuerst er­ fahren und suchte andeutungsweise dem König die Nachricht zu ge­ ben, daß ihr Sohn auf dem Feldzug nach Irland gestorben sei. »En mihi ... Kanuti fatum publicas?« fragte der König:Verkündest du mir den Tod (fatum) Knuds? und der König starb, als er die Antwort der Köni­ gin hörte (»dum uiro nati fortunam exprimit«, während sie dem Gatten die fortuna des Kindes erzählt).312 Hier hat fortuna fast denselben Sinn wie fatum. Aus der schönen Erzählung über die Freundschaft, die den R oskilder BischofWilhelm mit König Svend II. verband, erfahren wir, daß Wilhelm den königlichen Freund nicht überleben wollte und daß er beim Tod des Königs Gott bat, ihm den Tod zu schenken, was geschah. Saxo kommentiert den Fall: »Qua tam admirabili fati sorte potius se regis cultum caritati quam fortunae erogasse perdocuit« (Durch diesen so wunder­ baren Schlag des Schicksals lehrte er, daß er die Verehrung des Königs eher durch Liebe als durch fortuna zahlte).313 Fatum bedeutet hier den Tod, während sors die Umstände des Todes bezeichnet, aber anderswo bei Saxo sind die sors und die fortuna synonyme Begriffe.314 Mitunter können wir einen Gegensatz zwischen natura und fortuna feststellen - wenn Amlet dieselbe Gunst der Natur und der fortuna ge­ kannt hätte, würde er den Vorgängern ebenbürtig sein, und durch sei­ ne Tugenden würde er die Arbeiten des Herkules übertreffen.315 Sowohl die Natur als auch die fortuna waren Knud dem Heiligen gewogen,316

Saxo I 6 9 ZI. 1 9 -2 0 . S a x o I 2 6 8 Z I. 1 8 - 3 1 .

Saxo I 3 1 6 ZI. 8 -2 3 . In der Tat überlebte der K ön ig W ilhelm , vgl. D ip l Dan. I 2 N r. 9, siehe ferner K . E rslev 1 8 9 1 -1 8 9 2 , passim. S a x o II, Sp. 7 5 5 Bedeutungen 1 -2 .

Saxo I 9 2 ZI. 1 4 -1 6 . Saxo 1 3 1 5 ZI. 5 -6 . 122

Die Königsideologie bei Saxo

und Knud Laward beendet seine Verteidigungsrede mit dem Wunsch, daß der Erbe, den die Natur König Niels schenkte, auch durch die fortuna sein Erbe würde (»heredem tibi, quem natura dedit, fortuna conci­ liet«).317 So wird deutlich, daß natura und fortuna Personifikationen oder Begriffe mit parallelen Funktionen sind, was in der mittelalterlichen Literatur nicht ungewöhnlich ist. Schon die Kirchenväter hatten der Natur einen eigenen Bereich zuerkannt, und während des Mittelalters wurde die Trennung von Natur und fortuna aufrechterhalten. Die Untersuchung des Fortunabegriffes bei Saxo macht es erforder­ lich, daß man betrachtet, wie er einen anderen Begriff, nämlich felici­ tas, gebraucht. Im Altertum wurde felicitas als die Göttin des glückli­ chen Gelingens betrachtet, aber das Wort konnte auch den göttlichen Segen bezeichnen, besonders in Verbindung mit Kriegern oder mi­ litärischen Ereignissen. Kein Wunder, daß die meisten Beispiele, in de­ nen Saxo fortuna und die felic- Wurzel (felix, feliciter, felicitas usw.) ge­ braucht, sich auf den militärischen Bereich beziehen.318 Als Regner ins Mittelmeer segelt, hat er gute Fahrt »continuae felicitatis progressum nus­ quam interpellante fortuna« (während die fortuna niemals die stete glück­ liche Fahrt unterbrach).319 Die fortuna kann also in die Sphäre der feli­ citas eingreifen, vielleicht weil sie über Sieg und Niederlage im mi­ litärischen Bereich entscheidet. Im antiken Gedankengut sollte der Mensch gegen das Schicksal (τύχη) kämpfen, so auch bei Saxo. Unser Verfasser zeigt uns drei Wege dazu: Die Liebe (caritas), die Festigkeit (fortitudo) und die Tugend (vir­ tus).W egen seiner caritas wurde der alte König Wermund, der den Sohn nicht überleben wollte, geschützt,320 und Saxo unterstreicht, daß man die Freunde wegen der Freundschaft und nicht wegen ihrer iortuna lie­ ben soll.321 Auch die fortitudo kann auf die fortuna einwirken, besonders — aber nicht nur — im militärischen Bereich; die Tatsache, daß man Schmerzen ertragen kann, ist ein Nachweis der fortitudo und der con-

317 S a x o I 3 5 3 Z I. 2.

318 Beispiele bei T h . R 3 ,9

iis

1 9 7 7 , S. 131 A nm . 173.

Saxo I 261 ZI. 1 6 -1 8 .

320 Sa x o I 9 9 Z I. 3 6 . 321

Saxo I 168 ZI. 2 5 -2 6 .

123

Kapitel 4

stantia (moralische Stabilität).322 Schließlich kann virtus auf die fortuna einwirken, vor allem bezüglich militärischer Ereignisse. Krieger zeigen ihre virtus, fortitudo und constantia, indem sie die Folter ertragen, und durch seine tollkühnen Taten, also durch seine virtus, erzwingt Toko sich die Gunst der fortuna .323 Können caritas, fortitudo, constantia und virtus auf die fortuna einwir­ ken, formuliert Saxo das Prinzip, daß letztere den Sitten untergeordnet sein muß, denn man muß in gleicherweise Gutes und Böses ertragen. Saxo akzeptiert so die antike Regel, daß man durch caritas, fortitudo, con­ stantia und virtus gegen die fortuna kämpfen solle und daß man der fortuna keinen großen Glauben schenken dürfe.324 Nicht alle Mittel sind im Kampf gegen sie akzeptabel: Der norwegische Jarl Håkon er­ zwingt sich den Sieg durch das Opfer seiner beiden Söhne, was Saxo mit heftigen Worten tadelt.325 Unsere Untersuchung des fortuna-Begriffes bei Saxo hat gezeigt, daß die fortuna mehrmals mit Gott zusammenarbeitet; dafür finde ich in ihm keine Spur von »Königsheil« oder »Geblütsheiligkeit«, wovon vor allem Herwig Wolfram spricht. Das Beispiel dieses Forschers haben wir oben als ungenau abgelehnt, aber auch in einem anderen Zusammen­ hang sieht er den Geist des inneren Glanzes (genius interni fulgoris) als Ausdruck für das Königsheil.326 Das ist aber keine notwendige Er­ klärung, denn Saxo kannte wahrscheinlich die antike Physiognomie, wonach z.B. der blonde Held dem sanguinen Temperament entspricht, der dunkelhaarige Held dem cholerischen oder melancholischen Tem­ perament, während der scharfe Blick ein Zeichen des Helden ist.327 Schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts kannte man auf Island diese Lehre, und wir können so folgern, daß die fortuna bei Saxo sich ohne die Begriffe des Königsheils oder der Geblütsheiligkeit sehr gut er­ klären läßt.

322 S a x o I 2 6 3 ZI. 4 - 6 u nd 2 7 3 Z I. 2 3 - 2 9 . 323 S a x o I 2 7 5 Z I. 3 - 5 , cf. 1 3 - 1 6 u n d 3 5 - 3 9 .

324 Vgl. G. P fligersdorffer 1 9 6 1 , S. 5 -7 .

Saxo I 2 7 2 Z I. 3 0 - 2 7 3 Z I. 8 . Saxo I 4 0 Z I. 3 5 -4 1 Z I. 1. 327 Vgl. L. L önnroth 1 9 6 3 -1 9 6 4 (= 1 9 6 5 ), S. 4 0 -4 4 . 325

326

124

Die Königsideologie bei Saxo

Betrachtung der Bücher I-X V I W ie schon erwähnt, findet Frau Skovgaard-Petersen in der Gründung des dänischen Erzbistums die typologische Parallele zur Geburt Chri­ sti im 5. Buch.328 Dies ist meines Erachtens kaum überzeugend, denn die Errichtung des Erzbistums wird im 12. Buch, und nicht im 13. Buch erzählt.329 Dafür finden wir im 13. Buch ein Ereignis, das als Parallele angemessener erscheint, nämlich die Geburt Waldemars I.330 So wird auch die lange Periode des Friedens vor Christi Geburt eine Parallele zum Frieden, den Knud Laward, Waldemars Vater, geschaffen hatte. Auf ähnliche Weise haben die Siege Waldemars des Großen im 15. Buch (nach unserer Bucheinteilung) eine Parallele zu den Siegen Haralds im 7. Buch. Dieser König muß als typologischer Vorläufer für Waldemar I. gesehen werden. Harald konnte nur durch göttliches Ein­ greifen besiegt werden, indem Odin die Gestalt des Wagenlenkers Ha­ ralds annahm und während der Schlacht den König vom Wagen stieß. Da Harald sich unverletzbar wußte, ging er wenig militärisch gekleidet in die Schlacht, in Purpur und Gold, also in den römischen Triumpha­ torfarben. Ferner hatte Harald einen fünfzigjährigen Frieden geschaf­ fen, worin wir vielleicht einen Hinweis auf den inneren Frieden Dä­ nemarks nach dem Bürgerkriegsende 1157 sehen dürfen.331 Im folgenden werden wir einen Spaziergang durch das Werk Saxos machen, indem wir die Stellen, die für die Ideologie unseres Verfassers von besonderem Interesse sind, näher betrachten werden. Im 1. Buch begegnet uns Skjold, der eponyme König seiner Nachkommen und erster Gesetzgeber, sowie Dan, der eponyme Held Dänemarks. Es er­ staunt uns nicht zu sehen, daß Skjold die Macht mit seinem Sohn und Mitregenten teilt.332 Hier finden wir einen Präzedenzfall für das Kö-

328 I. S k o v g a a r d - P e t e r s e n 1 9 6 9 , S. 69. 329 S a x o I 3 3 5 ZI. 2 3 -3 1 . 330 Sa x o I 3 5 6 Z I. 2 4 - 2 7 . 331 S a x o I 2 0 6 ZI. 2 7 -3 1 (Unverletzbarkeit Haralds), 2 0 7 ZI. 9 - 1 2 (Purpur und

Goldkleidung), 2 0 9 ZI. 8 - 9 (fünfzigjähriger Friede), 2 1 9 ZI. 3 9 - 2 2 0 ZI. 7 (In­ tervention Odins). 332 SAXO I 10 ZI. 2 -3 und 1 7 -1 8 (D an); 11 ZI. 1 8 -2 1 und 2 4 - 1 2 ZI. 8, 18 ZI. 2 6 -

2 8 (Sk jold).

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Kapitel 4

nigtum der Waldemaren, und wir konstatieren, daß Danemark ur­ sprünglich von zwei gewählten rectores und nicht von einem König re­ giert wurde.333 So ging die Verfassungsentwicklung in Dänemark in der entgegengesetzten Richtung zu deqenigen Roms, wo man von der Monarchie zur Konsularverfassung überging, während Dänemark mit einer Dyarchie anfing. Von dieser spürt man beständig Reminiszenzen in den Gesta Danorum, bis sie in der Tat unter Waldemar I. und Absa­ lon wiederbelebt wurde. Im 2. Buch finden wir die Erzählung vom Kampf des Königs R o lf und dessen Mannen; Saxo kann in diesem Zusammenhang die Grundsätze für das Verhalten der Gefolgschaftsmitglieder in den Bjar­ kamal poetisch darstellen. So wird dieses Gedicht die typologische Par­ allele zum Gefolgschaftsgesetz, das angeblich aus der Zeit Knuds des Großen stammte und im 10. Buch mitgeteilt wird.334 In seiner sorgfältigen Analyse der BjarkamaP35 kann Karsten FriisJensen eine umfassende Parallelität zu einem anderen nächtlichen Kampf, der Einnahme Trojas im 2. Buch der Aeneis Vergils, nachweisen. Ein anderes Vorbild war die Alexandreis des Gautier de Chatilion, mit der es mehrere Verbalübereinstimmungen gibt.336 Als Quelle für die Bjarkamal benutzte Saxo angeblich ein kürzeres Gedicht auf Dä­ nisch, dessen Sinn er in seiner eigenen, umfangreicheren lateinischen Fassung wiedergab.337 König R o lf regierte nach Saxo zehn Generatio­ nen vor Christus oder ungefähr zur Zeit Alexanders des Großen, und so gelingt es Saxo zu zeigen, daß auch Dänemark eine beachtliche Li­ teratur von hohem Alter hatte.338 Sind die Bjarkamal im 2. Buch die typologische Parallele zum Ge­ folgschaftsgesetz im 10. Buch, so hatte Saxo den nächtlichen Kampf in Lejre in Gedanken, als er das Martyrium Knuds des Heiligen 1086 im

333 S a x o

I

1 0 Z I. 2 - 8 .

334 Z u r Ü berlieferung, siehe T h .

Rns 1977, S. 31-47.

335 K. F riis-J ensen 1 9 8 7 , S. 6 4 -1 0 1 . 336 Ebda., S. 1 9 6 -1 9 8 . 337

Saxo I 61 ZI. 8 - 1 1 : »Hanc maxime exhortationum seriem idcirco metrica ratione com­ pegerim, quod earundem sententiarum intellectus Danici cuiusdam carminis compendio digestus a compluribus antiquitatis peritis memoriter usurpatur«.

338 K. F riis-J ensen 1 9 8 7 , S. 100.

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Die Königsideologie bei Saxo

Odenser Dom darstellte. Dasselbe trifft für seine Erzählung vom R oskilder »Blutfest« 1157 zu, das mit dem Tod Knuds V. und der Verletzung Waldemars I. in einem nächtlichen Kampf endete.339 Das 3. Buch unserer Einteilung gibt uns das älteste Beispiel einer Kö­ nigswahl bei Isora,340 und hier finden wir auch die Amleterzählung, wor­ in Saxo seine Lehre vom Tyrannenmord darstellt, was er im 11 .Buch im Fall Knuds des Heiligen wiederholt. Im 4. Buch finden wir die R egie­ rung Wermunds und Uffes Sieg über die Sachsen auf der Eiderinsel, was als Parallele zur Errichtung des dänischen Erzbistums im 12.Buch341 und so zur kirchlichen Unabhängigkeit des Reiches gelten darf. Das 5. Buch erzählt uns von der Regierung Frodes des Friedfertigen, während der Christus geboren wurde. So enthält das erste Viertel des Werkes —die vier ersten Bücher - die Zeit vor Christi Geburt. Aber es gibt andere Hinweise auf den christlichen Glauben. Bei den Wenden werden Diebe und Zauberer gekreuzigt.342 Die Anfänge der Regierung Frodes waren wenig glänzend gewesen, aber dann kam der beredte nor­ wegische Krieger Erik nach Dänemark. In der Seeschlacht zwischen diesem und Frode ertrank der König fast - dreimal tauchte er unter wurde aber vom Widersacher gerettet. Dieser ermutigte den König, in dessen Dienst er trat, und seit diesem Ereignis wurde die Regierung Frodes deutlich besser; er hatte große militärische Erfolge und konnte schließlich als ein Idealkönig betrachtet werden. Der Schiffbruch be­ deutet so einen Wendepunkt im Leben Frodes und darf mit der Taufe verglichen werden. Wie noch heute in der orthodoxen Kirche das Kind im Taufbecken dreimal ganz untergetaucht wird, so auch im hochmit­ telalterlichen Taufzeremoniell. Daß man nur den Kopf dreimal begießt, ist eine neuere Veränderung des Zeremoniells.343 So gesehen erinnert Frode an Svend Gabelbart im 11. Buch, dessen Regierung erst nach der Bekehrung Svends zum christlichen Glauben erfolgreich war. Nach dieser Rettung beklagt sich der König, daß er seinen R u f

339 Ebda., S. 9 8 -1 0 0 . 340 S a x o I 6 7 ZI. 2 9 - 3 1 . 341 S a x o I 3 3 7 ZI. 2 6 - 3 3 8 ZI. 2.

342 Sa x o I 127 ZI. 1 4 -2 3 ; nur in diesem Zusam m enhang wird crux in der Darstel­ lung der vorchristlichen Z eit benutzt, vgl. Sa x o II Sp. 2 0 3 . 343 Lexikon flir T h eologie und Kirche, 2. Auflage I X , 1 9 6 4 , Sp. 1 3 1 9 -1 3 2 0 .

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Kapitel 4

nicht wiederherstellen könne: Nihil quod resartum est, integri splendorem habebit (Nichts, das mit der Nadel repariert worden ist, wird die ehe­ malige Schönheit wiederfmden).344 Man fragt sich, ob Saxo nicht auf die aus einem Stück gewebte Tunika Christi hinweist, die die Soldaten nicht unter sich zerteilen wollten, sondern das Los den künftigen B e­ sitzer finden ließen.345 Bei Saxo heißt es »Quis ad solidum laceratamfortu­ nae meae sortem resarciet casus?« (Welcher Zufall repariert die Umstände meiner an Land geworfenen fortuna?) und beim Evangelisten: »in vestam meam miserunt sortem« (sie warfen das Los um meine Kleider). Es ist deutlich, daß das Wort sors hier der gemeinsame Nenner ist. W ir erinnern nur, daß es Frode durch seine Kämpfe gelang, ein sehr ausgedehntes Reich in Nordeuropa zu schaffen, worin wir das Gegen­ stück zum Römischen R eich unter Augustus und dessen Nachfolgern sehen dürfen.346 So wird manchmal die Ebenbürtigkeit Dänemarks mit R om , aber unter eigenen Voraussetzungen, hervorgehoben. Im 6. Buch bemerken wir die scharfe Kritik Starkads an den Sitten des dänischen Hofes. Die Liebe der Königsschwester zum Gold­ schmied wird getadelt, und die moralische Schwäche am Hofe kontra­ stiert mit den Umständen, daß der König den Tod seines Vaters noch nicht gerächt hat und daß die Schwäger des Königs, die Söhne des Mörders seines Vaters, den H of völlig dominieren. Diese Aufforderung zur strengen Sittlichkeit hat zwei Parallelen: im 2. Buch mit den Bjarkamal und im 10. Buch mit dem Gefolgschaftsgesetz. Starkad hat bei Saxo eine Funktion als Lehrer der Sittlichkeit und der Pflicht inne, gleich der Kirche unter der Führung des Papstes oder des Nachfolgers Petri. Es ist wohl kein Zufall, daß Starkad - wie St. Peter Christus drei­ mal verleugnete - drei Schandtaten in seinem Leben beging.347 Starkad war kein Feinschmecker, jedenfalls tadelt er die verschiede­ nen gastronomischen Raffinements, die er am dänischen H of findet, heftig. Eine ähnliche Kritik ausländischer Neuheiten sehen wir im

344

Saxo I 120 ZI. 2 6 -2 7 , vgl. 2 4 -2 6 .

345 Johs. X I X , 2 3 -2 4 . 346 I. Skovgaard-P etersen 1 9 6 9 , S. 6 4 -6 5 . 347 Frau Skovgaard-P etersen 1 9 8 7 , S. 1 6 9 -1 7 8 , sieht Starkad als typologisches Vorbild flir den E rzb ischof von Lund Eskil (1 1 3 8 -1 1 7 7 ), kann aber diesem drei Schandtaten nicht nachweisen.

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Die Königsideologie bei Saxo

14. Buch, als Saxo von Svend III. spricht.348 Dafür entgeht Knud Laward der Kritik Saxos, obwohl auch er Neuheiten aus dem Ausland nach Dänemark einführte,349 was mit der hohen Wertschätzung Knuds durch unseren Verfasser zusammenhängt. Im 7. Buch konstatieren wir die Rolle des Idoneitätsprinzips, als Guritha ihren Gatten wählt;350 ihr Sohn Harald ist der typologische Vorläufer für Waldemar I., und ihr Mann zeichnete sich durch seine Regierungsfähigkeit aus, obwohl er den Königstitel nicht innehatte — Züge, die an den Vater Waldemars, Knud Laward, erinnern. Mit dem 8. Buch kommen wir in die Periode, in der der R eligi­ onswechsel vorbereitet wird. Der König denkt über die Unsterblich­ keit der Seele nach und läßt eine Reise unternehmen, um einen un­ bekannten Gott zu finden. Die Beschreibung des heidnischen Gottes ist so ekelhaft, daß der König aus Scham stirbt; nach Saxo hatte er nicht verstanden, wo die eigentliche Wohnung des Elends zu finden sei, nämlich im eigenen Geiste. Also ist dies wohl als eine indirekte Auf­ forderung zur Bekehrung zu verstehen; der Kapitän des Entdeckungsschiffes hatte auf dem Rückwege die Grundelemente des christlichen Glaubens kennengelernt.351 So behandeln die Bücher 5 bis 8 die Geschichte des heidnischen Dä­ nemarks seit Christi Geburt, während das dritte Viertel der Gesta D a­ norum, die Bücher 9 bis 12, die Geschichte Dänemarks vom Aufkommen des Christentums im Lande bis zur Errichtung des Erzbistums umfas­ sen. Selbstverständlich spielt das Thema des Gegensatzes zwischen dem Heidentum und dem neuen Glauben eine wichtige Rolle. Im 9. Buch lesen wir vom ersten christlichen König über ganz Dänemark352 - dem Enkelkind Regners. - Dieser bekämpfte das vom Rivalen Harald einge­ führte Christentum. Da Harald Mißerfolge hatte, kam er auf die R eligi­ on der Väter zurück.353Während eines Feldzuges wurde der Kriegerkö-

348

Saxo I 3 8 7 ZI. 3 9 - 3 3 8 ZI. 27.

349 S a x o I 3 4 9 Z I. 3 7 - 3 5 0 Z I. 6 .

350 Vgl. T h . R u s 1 9 7 7 , S. 1 0 2 -1 0 4 m it A nm erkungen 7 und 18. 351

Saxo I 2 4 3 ZI. 3 7 - 2 4 7 ZI. 3.

352 Frau S k o v g a a r d - P e t e r s e n 1 9 6 9 , S. 6 9 sieht Harald Blauzahn im 1 0 . B u ch als den ersten christlichen K önig, aber dagegen S a x o I 2 6 4 ZI. 3 9 - 2 6 5 ZI. 3 . 353 Saxo I 261 ZI. 1 9 - 2 6 2 ZI. 6.

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nig Regner gefangen und grausam hingerichtet, indem er den Gift­ schlangen preisgegeben wurde. Dies sieht Saxo als göttliche Rache für die Christenfeindlichkeit Regners, der sowohl eine gute als auch eine bös e fortuna besaß.354 Nochmals bemerken wir im 9. Buch das Eingrei­ fen Gottes, denn der rechtmäßige Erbe Dänemarks, Erik, das Enkelkind Regners, wurde noch als Kind abgesetzt. Der Usurpator wurde durch die göttliche Rache gestraft und verlor die Herrschaft. Anfangs zeigte sich der rechtmäßige König zwar christenfeindlich, wurde dann jedoch vom heiligen Ansgar bekehrt und wurde so der erste christliche K ö­ nig.355 Obwohl diese Erzählung in manchem sagenhafte Züge besitzt, spiegelt sie anscheinend die Förderung Ansgars durch Horik I. und Horik II. im 9. Jahrhundert wider, als die Könige dem Missionar erlaubten, Kirchen in Haithabu und Ripen zu gründen. W ie Regner wurde im 10. Buch Svend Gabelbart von der guten und von der bösen fortuna geteilt, aber sein Lebenslauf bildet die Anti­ these zu jenem Regners. Svend ist der Sohn eines christlichen Vaters und fuhrt sowohl einen Aufstand gegen den Vater als auch eine heid­ nische Reaktion an. Die Rache Gottes bleibt nicht aus, Svend wurde durch die traurigsten Wandlungen derfortuna (tristissimis fortunae vicibus) bestraft.356 Dreimal wurde er gefangengenommen, das erste Mal gelang es ihm, die erforderliche Lösesumme, einmal das eigene Gewicht in Gold und zweimal in Silber - zu zahlen; das nächste Mal stellten die principes ihre Kinder als Sicherheit für die Zahlung, aber um die nöti­ ge Summe zu bekommen, mußte er die Wälder der Krone verkaufen. So wurden in Schonen und auf Seeland die Wälder von den Gemein­ den, in Jütland von den Familien gekauft.357 Als der König sich zum

354 355 356

Saxo I 2 6 2 ZI. 7 -2 5 . Saxo I 2 6 4 ZI. 19 - 2 6 5 ZI. 3. Saxo I 2 7 6 ZI. 36 - 39 und 2 7 7 ZI. 1 3 -2 1 .

357 S a x o I 2 7 7 Z I. 3 1 - 3 6 . Das Schonische R e c h t sieht tatsächlich vor, daß ein Wald

Gemeindebesitz - Alminding, Allmende, Common — sein kann (D gL I 4 5 , 1 6 8 , 5 0 2 - 5 0 5 , 6 3 6 - 6 3 9 [§§ 7 1 und 2 0 8 ; A. Sunesens R ed ak tio n §§ 3 2 und 1 2 0 - 1 2 1 ] ,

aber W äld er können auch Privatbesitz sein (D gL I 1 5 4 - 1 6 0 , 1 6 2 - 1 6 3 , 1 6 5 - 1 6 9 , 6 2 8 - 6 3 7 [§§ 1 9 1 - 1 9 8 , 2 0 1 - 2 0 2 , 2 0 6 - 2 0 7 , 2 1 0 ; A. Sunesens R ed ak tio n §§ 1 1 4 1 1 9 ]) aber auch im jütischen R ech tsb ereich kennt m an sowohl Privatwälder als

auch W äld er im öffentlichen Besitz; in diesem Fall gehörte der B o d en dem K ö ­ nig und der Wald der Gemeinde.

130

Die Königsideologie bei Saxo

dritten Mal loskaufen mußte, halfen ihm die Frauen, indem sie ihm ihre Schmucksachen zur Verfügung stellten. Dafür erhielten sie das Erbrecht.358 Also die klassische dreifache Erscheinung eines Phäno­ mens, und die Forderungen und Leistungen werden immer schwieri­ ger - wie in allen guten Märchen. W ir haben anhand der Wälder ver­ sucht, die Glaubhaftigkeit Saxos nachzuprüfen und müssen konstatie­ ren, daß die nach Saxo wegen des Lösegelds angeblich eingeführten Rechtsregeln nicht für bare Münze genommen werden können. Solange aber Svend dem Heidentum verbunden blieb, ging es ihm schlecht, obwohl er in Dänemark immer sehr beliebt war. Endlich ver­ stand er, was er tun mußte, er ließ sich bekehren, und konnte aus dem Exil nach Dänemark zurückkehren. Sein religiöser Eifer nach der B e­ kehrung war so groß, daß er die majores, also die Großen des Reiches, in der christlichen Lehre zu unterrichten versuchte, jedoch ohne größere Erfolge. Gott schickte ihm den Priester Poppo, der auf der Thingversammlung zu Isora die Anwesenden durch die Eisenprobe von der Wahrheit des christlichen Glaubens überzeugte. Der übrige Teil der Regierung Svends war erfolgreich - nachdem er die Herr­ schaft über England gewonnen hatte (was den Tatsachen entspricht), starb er wie ein Christ.359 Die Poppo-Erzählung kennen wir auch aus anderen Quellen, z.B. aus der Darstellung auf den goldenen R elief­ platten aus Tamdrup westlich von Horsens. Hier aber war es die Ei­ senprobe Poppos, die den König zur Bekehrung führte - bei Saxo da­ gegen ist er schon Christ, als Poppo erscheint - und in den anderen Quellen ist der König Harald Blauzahn und nicht dessen Sohn Svend Gabelbart. Auf einer der Tamdruper Platten (jetzt im Kopenhagener Nationalmuseum) sieht man den König in einer Tonne sitzen, was sei­ ne Taufe darstellen soll. Die Arbeit ist auf das erste Viertel des 13. Jahr­ hunderts datiert; man darf daraus schließen, daß noch um diese Zeit der moderne Ritus des ausschließlichen Kopfbegießens in Dänemark wenig bekannt war, wenn überhaupt.360 Im 10. Buch finden wir ferner das Gefolgschaftsgesetz, das, wie be­

358 S a x o I 2 7 8 ZI. 32 - 2 7 9 ZI. 20. 359 S a x o I 2 8 0 ZI. 3 0 - 2 8 2 ZI. 5 u n d 2 8 5 ZI. 1 3 -2 2 . S ieh e fe rn e r I. S k o v g a a r d P e t e r s e n 1 9 6 6 , passim .

360 Z u den Tam druper Reliefplatten: T .E . CHRISTIANSEN 1 9 6 8 , S. 1 7 4 -1 9 6 .

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kannt, die typologische Parallele zu den Bjarkamal im 2. Buch bildet. Was war aber diese Gefolgschaft?361 Nach Saxo bestand sie aus 6000 Kriegern, nach Svend Aggesen, auf dem Saxo basiert, zählte sie nach der angeblichen Aristokratisierung unter Knud dem Großen 3000 aus­ erwählte Krieger. Aber Vorsicht! Im Alten Testament lesen wir, daß der Prototypus eines Königs, Saul, mitunter von 3000 auserwählten Man­ nen begleitet wurde, was sich auch auf Judas Makkabäus bezieht. Fer­ ner hatte nach einer Quelle aus den Jahren um 1080, der Nota Emiliense, Karl der Große immer 3000 voll ausgerüstete R eiter bei sich. W ir wissen, daß König Niels die Gefolgschaft reduzierte, um sie auf eine Leibwache zu begrenzen, und auch das Gefolgschaftsgesetz läßt uns eine eher kleine Gesellschaft sehen. Die Zahlen 3000 oder bei Saxo 6000 müssen als propagandistische Übertreibungen betrachtet werden. Dieser Umstand schließt aber nicht aus, daß die Großgrund­ besitzer spätestens unter Niels in die Gefolgschaft eintraten. Vielleicht erhielten so unter Niels die meisten Gefolgschaftsmitglieder Aufträge in der lokalen Verwaltung, während die täglich beim König Anwesen­ den seine Leibwache darstellten. Nach Annahme des Gesetzes wurde König Knud der Große wegen Totschlags der erste Gesetzesbrecher. Bei Svend Aggesen waren sich die Gefolgschaftsleute über die Strafe uneinig, einige wollten sogar die To­ desstrafe. Man beschloß, daß der König kniend das Urteil empfangen sollte —weil es ein Sonderfall war, wurde er begnadigt. Bei Saxo zog der König es vor - obwohl er seine Majestät hätte be­ anspruchen können — das Urteil der Gefolgschaft anzunehmen. Man einigte sich nach einer Diskussion, das Urteil dem König zu überlas­ sen, und so mußte dieser eine Geldstrafe zahlen wie auch spätere Ge­ setzesbrecher. So ist bei Sven Aggesen der König ein Gefolgschaftsmit­ glied wie die anderen, die das Urteilsrecht besitzen, obwohl sie den König begnadigen. Saxo dagegen ist davon überzeugt, daß das Straf­ recht dem König gehört. Dieser delegiert aber seine Urteilsrechte an die übrigen Gefolgschaftsmitglieder, die sich weigern, sie auszuüben; so steht bei Saxo der König fast über dem Gesetz - jedenfalls findet es auf seine Person kaum Anwendung.362 361 Z u m folgenden T h . R

iis

1 9 7 7 , S. 2 3 0 -2 3 5 .

362 SM I S. 7 8 - 8 0 ; Saxo I 2 9 7 ZI. 9 - 2 9 8 ZI. 8.

132

Die Königsideologie bet Saxo

Merkwürdigerweise verschweigt Sven Aggesen einen anderen berühmten königlichen Gesetzesbruch, nämlich den Totschlag durch Erich I. Saxo dagegen erwähnt diesen,363 denn das Verbrechen ist die direkte Ursache der Wallfahrt des Königs, während dieser er auf Zy­ pern starb, und zwar auf eine Weise, die eines Bekenners würdig ge­ wesen wäre.364 Im 11. Buch sehen wir, daß die Könige eine doppelte Bindung an Roskilde hatten, denn sie residierten dort und wurden dort begra­ ben.365 Für das 11. Jahrhundert trifft dies nur teilweise zu, obwohl wir dabei kaum von einer Hauptstadt sprechen dürfen; die Könige hatten mehrere Residenzen, unter denen Roskilde eine der wichtigsten war. Auch im kirchlichen Bereich war Roskilde im 11. Jahrhundert früher ausgebaut als Lund, und man hätte sich vorstellen können, daß das Erz­ bistum mit Roskilde verknüpft würde, aber als skandinavische Metro­ pole war Lund besser gelegen.366 Übrigens ist im 11. Buch besonders die Geschichte Knuds des Hei­ ligen von Interesse. Sein älterer Bruder Harald und er werden in zwei­ erlei Hinsicht verglichen: bezüglich ihres Verhältnisses zur Kirche und bezüglich der inneren Sicherheit des Landes. Harald wird als frommer und schwacher Herrscher dargestellt, aber nach Saxo kann ein König mitunter Gott durch die Rechtsprechung besser als durch die eigene Teilnahme an der Messe dienen.367 Knud war ein unerbittlicher, aber gerechter Richter, und er forderte gleichzeitig die Kirche. W ir haben aber schon gesehen, daß eine seiner Reform en zugunsten der Kirche reine Propaganda Absalons war, der wünschte, daß die Prälaten und die principes denselben Rang innehätten. Knud hatte die Flottenmannschaften zum Sommer 1085 einberufen, mußte sich aber wegen der unsicheren politischen Lage in Deutsch­ land in Schleswig aufhalten, während sein Bruder O luf bei der Flotte

363 S a x o I 3 3 6 ZI. 2 3 .

364 Vgl. T h . Rus 1 9 7 7 , S. 1 9 8 -2 0 0 ; R J .R iis 2 0 0 0 , S. 1 4 7 -1 5 2 . 365

Saxo I 3 1 5 ZI. 2 3 -2 7 .

366 Siehe h ierzu N . S k y u m - N 367

ie l s e n

1969.

Saxo I 3 1 8 ZI. 3 1 -3 2 : »Quamquam . .. regum maiestas rite religioni intendere debe­ at , aliquando tamen speciosius interdum tribunalia quam aras excolere potest.«.

133

Kapitel 4

verblieb und schließlich nach Schleswig reiste, um die Genehmigung zum Urlaub vom König zu erbitten.368 Bei Saxo sieht die Lage ganz anders aus: O luf hatte die wichtige Stelle als Leiter der Schleswiger Lo­ kalverwaltung inne, wohl als Präfekt, wie die Stelle später hieß, und sollte sich selbstverständlich mit seiner Truppe bei der Flotte einfinden. Er strebte schon nach der Krone und fand darin Unterstützung bei vielen Großen, die die Reformen Knuds als Übergriffe auffaßten. Oluf kam nicht, und schließlich reiste Knud nach Schleswig, fand Oluf und klagte ihn wegen Hochverrats an. O luf konnte die Anklage nicht wi­ derlegen und sollte verhaftet werden, aber aus Verehrung des königli­ chen Blutes wagte es kein Mitglied der Gefolgschaft, ihn zu fesseln; nur der Bruder Olufs und Knuds, Erik, hatte diese Bedenken nicht. O luf wurde gefesselt und nach Flandern geschickt, wo Knuds Schwiegerva­ ter ihn in Verwahrung nahm.369 Das Verhalten Knuds wird hier als sinn­ voll dargestellt, während O luf als hinterlistiger Verräter erscheint. Im folgenden Jahr — 1086 - kam es zum Aufstand gegen Knud; er begann in Nordjütland, Knud floh, wurde in Odense eingeholt und im dorti­ gen Dom mit seinen Mannen getötet. Bei Saxo deuten die Umstände des Todes Knuds auf eine Parallelität mit dem Tode Christi hin: Vor dem Altar lag er mit ausgestreckten Armen, also in Kreuzform; die töd­ liche Wunde erhielt er von einem durch das Fenster geschleuderten Speer, der den König in der Seite getroffen haben muß.370 Erinnern wir uns schließlich daran, daß Knud der Heilige im 11. Buch eine typologische Parallele zu Waldemar L im 15. Buch (nach unserer Buch­ einteilung) sein könnte - beide erscheinen im dritten Buch einesViertels der Gesta Danorum. Das 12. Buch umfaßt die Regierungen Olufs und Erichs L; unter dem Letzteren wurde das Erzbistum errichtet.371 O luf wurde als Nach­ folger Knuds zum König gewählt; seine Regierung war von den großen Mißernten der 1090er Jahre geprägt, was als Strafe für den Tod Knuds angesehen wurde. Oluf verstand, daß seine Person eine Besserung der Lage verhinderte, er bat Gott um den Tod, und Gott erhörte ihn. Saxo

Zu den historischen Ereignissen, siehe N. Skyum -N ielsen 1 9 7 1 , S. 1 0 -1 1 . Vgl. Saxo I 3 2 2 ZI. 2 6 - 3 5 4 ZI. 2 2 . 370 Saxo I 3 2 8 ZI. 1 4 -2 0 . 371 Sa x o I 3 3 7 ZI. 2 6 - 3 3 8 ZI. 2.

368

369

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Die Königsideologie bei Saxo

lobt ihn, weil er durch diesen Gestus Liebe zum Volke gezeigt habe.372 Die Tat —der Herrscher opfert sich für dasVolk - ist in vielen primitiven Gesellschaften wohlbekannt, findet aber auch in der christlichen Tradi­ tion eine Parallele, denn nach dem Heiligen Johannes hat niemand mehr Liebe als derjenige, der anstelle der Freunde stirbt.373 Auf O luf folgte Erich I., von dem die Waldemaren abstammen; nach den Jahren der Not kam nun eine glückliche Zeit, auch im wirtschaft­ lichen Sinne.374375Von seiner zweifelhaften ehelichen Treue abgesehen wird Erich als Idealkönig dargestellt. Wenn Saxo ihn als größer als alle anderen beschreibt, knüpft er an die biblische Beschreibung Sauls an, also an den Prototypus eines Königs.3715 Ein weiterer Zug muß erwähnt werden: In seiner Geburtsstadt Slangerup ließ Erik eine Kirche bauen, deren Altar genau über seinem Geburtsort stand. Dieses Phänomen kennt man aus Ungarn bezüglich des heiligen Königs Stefan, aber selbstverständlich ist der Prototypus die Geburtskirche in Bethlehem. Im letzteren Gotteshaus findet man übrigens eine Freske aus dem 12. Jahrhundert, die Knud den Heiligen darstellt.376 Auch die Gattin Erichs wird sehr positiv dargestellt: Sie war schön, sittsam und tolerant gegenüber den Seitensprüngen Erichs, nahm die Geliebten des Mannes als ihre eigenen Zofen an und zeigte sich im­ mer freundlich ihnen gegenüber. Jedoch dürfen wir nicht vergessen, daß sie Mutter Knud Lawards war, und daß Knud das einzige eheliche Kind Erichs war.377 Das 13. Buch erzählt unter anderem, wie drei Fastentage eingefiihrt wurden: Die Dänen wurden militärisch bedrängt und legten das Gelübde ab, im Falle eines Sieges diese Festtage einzuhalten. Es han­ delt sich um den Karfreitag, der Fastentag in der gesamten Kirche ist, um den Vorabend des Laurentitages und um den Vorabend von Aller­ heiligen.378 Vielleicht repräsentieren die beiden Vorabende einen son­

372

Saxo I 3 3 0 ZI. 1 4 - 3 3 1 ZI. 1 4 und 3 3 - 3 3 2 ZI. 2 2 .

XV, 13. I 3 3 2 Z I. 2 4 - 3 1 . 375 Saxo I 333 ZL 2-3; 1. K önige X, 23. 376 N. Skyum -N ielsen 1971, S. 83 und 123; T h . Rns 1977, S. 199. 377 Saxo I 334 ZI. 3-22.

373 Johs.

374 S a x o

378 S a x o I 3 4 4 ZI. 6 - 1 7 .

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Kapitel 4

derdänischen Brauch, vor allem in der Erzdiözese Lund, deren Dom ­ kirche dem heiligen Laurentius geweiht ist. Die ganze Episode knüpft an eine Erzählung des Alten Testaments an, in der Saul dem Volk während eines ganzen Tages das Essen untersagt, denn er will sich an seinen Feinden rächen.379 Die zentrale Gestalt des 13. Buches ist natürlich Knud Laward,Vater Waldemars I. Er stellt die innere Sicherheit im Schleswiger Land her das Herzogtum entstand erst um 1200380 - und er tadelt ungerechte Ta­ ten, z. B. wurde ein Wendenfiirst, der Zutritt zum König suchte, um einen Waffenstillstand einzugehen, mit Gewalt zurückgehalten. Knud beschwerte sich darüber, und die contio, wohl hier die Versammlung der Flottenmannschaft, stimmte ihm zu. Knud argumentierte, daß das ver­ sprochene freie Geleit eingehalten werden müsse, sonst würde Däne­ mark in der Zukunft kaum glaubwürdig erscheinen. Dieses Ereignis fand beim heutigen Stralsund statt.381 Die Verteidigungsrede Knuds haben wir schon erörtert, ferner ist zu bemerken, daß man ihm das Begräbnis in der königlichen Grabkirche, dem Roskilder Dom, verweigerte. Der verstorbene Herzog erhielt sein Grab in der Klosterkirche zu Ringsted; diese wurde so Grabkirche der Waldemaren.382 Gott griff in den Lauf der Geschichte ein, indem er das Blut des er­ mordeten Herzogs erhielt, denn Waldemar wurde eine Woche nach dem Tod des Vaters geboren.383 Die göttliche Intervention unterstreicht hier die Parallele der Geburt Christi mit derjenigen Waldemars. Die Brüder Knuds eröffneten einen Mordprozeß, die Stimmung war gereizt, und König Niels, der aus Furcht von der contio (hierThing, Ge­ richtsversammlung) abwesend war, bat ErzbischofAsser, das Volk zu be­ ruhigen. Als er Knuds Halbbruder Erich, den späteren Erich II. Ermi­ ne, wiedererkannte, ging er auf ihn zu und leistete ihm den Stratordienst, indem er dessen Pferd bei den Zügeln führte.384 Hierdurch er­

379 1. K önige XIV , 2 4 . 380 T h . R u s 2 0 0 1 , S. 5 7 -5 8 . 381 S a x o I 3 4 9 Z I. 2 2 - 3 4 .

382 Siehe T h . H ill 1 9 9 2 , S. 1 2 5 -1 3 9 . 383

Saxo I 3 5 6 ZI. 2 4 -2 7 .

384 Vgl. R . H oltzmann 1 9 3 2 , S. 3 0 5 -3 1 0 .

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Die Königsideologie bei Saxo

kannte er Erich als seinen Oberherrn an.385 Im allgemeinen ist Saxo gegenüber Erich sehr positiv, er beschönigt seine militärischen Mißer­ folge und verschweigt ebenso die Ermordung desViborger Bischofs im Jahre 1132.386 Erstens war es Erich, der als König mit der Klostergrün­ dung 1135 die Grundlagen der RingstederVerehrung Knud Lawards legte,387 und zweitens belebte Erich die ursprünglichen Regeln wieder und regierte zur Zufriedenheit des Volkes, obwohl sich eine gewisse Opposition von Seiten der Großen spüren ließ.388 In seiner retablierten Gestalt ist das 14. Buch nicht das längste des ganzen Werkes; es beginnt mit der Thronbesteigung Erichs III. 1137, der nach Saxo nur als Reichsverweser anstelle des unmündigen Wal­ demars fungierte,389 und endet mit dem Sieg des Letzteren auf der Grathe Heide. So umfaßt das 14. Buch die Zeitspanne von der Desi­ gnation Waldemars bis zu seiner Erlangung der Alleinherrschaft im Oktober 1157. Der Vorgänger Absalons als Roskilder Bischof, Asser, tritt infolge sei­ nes fehlenden Mutes gegenüber den Wenden kaum hervor, wodurch der Nachfolger deutlich hervorgehoben wird.390 König Svend III. hatte mehrere Auseinandersetzungen mit dem Erzbischof Eskil, ferner werden die im Ausland angenommenen Sitten des Königs negativ eingeschätzt, was eine typologische Parallele zum H of Ingialds im 6. Buch bildet. Glücklicherweise griff die fortuna ein, um das Leben der Guten zu erhalten: Absalon wurde beim Roskilder Blutbad nicht getötet, und obwohl Saxo es nicht ausdrücklich sagt, stand auch Waldemar unter Schutz. Auch er entkam dem Blutbad, und trotz des Sturms gelang es ihm, mit seinem Schiff Jütland zu erreichen, während durch das U n­ wetter eine wendische Flotte von 1500 Schiffen an der Küste Hallands vernichtet wurde, wo die Überlebenden den Tod fanden.391 Nach unserer Restitution der Bucheinteilung ist das 15. Buch das größte der 16; es beschreibt die Regierung Waldemars, in der Absalon 385 T h . R n s 1 9 7 7 , S. 142. 386

C .W eibull 1 9 1 5 , S. 1 7 1 -1 7 2 .

387

Dipl. Dan. I 2 Nr. 6 5 ;T h . H ill 1 9 9 2 , S. 1 2 6 -1 2 7 .

388 S a x o I 3 6 9 Z I. 2 2 - 2 9 . 389 S a x o I 3 7 1 Z I. 3 - 2 3 .

I 3 7 7 Z I. 5 - 9 . Saxo I 4 0 7 ZI. 1 9 -3 4 .

390 S a x o 391

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Kapitel 4

eine so große Rolle spielte, daß man fast von einer Dyarchie sprechen darf. Im ersten Regierungsjahr Waldemars mußte ein neuer Roskilder Bischof gewählt werden; drei Personen wurden vorgeschlagen, zu de­ nen Absalon ob virtutem (wegen der Tugend) hinzukam. Dieser wurde einstimmig gewählt, was sehr selten ist. Kirchenrechtlich wird eine sol­ che Wahl als quasi per inspirationem definiert,392 das heißt durch die In­ spiration des Heiligen Geistes; nochmals sehen wir das göttliche Ein­ greifen, diesmal zugunsten Absalons. Unser Verfasser beschreibt kurz die Tätigkeiten Absalons, der als positives Gegenstück zum frommen, schwachen Harald im 11. Buch dargestellt wird. So begnügt er sich nicht mit der Sakramentverwaltung, er kämpft gegen die Wenden und schützt so den Besitz seiner Herde, kurz, er übt sowohl bischöfliche als auch königliche Funktionen aus.393 Das südliche Dänemark war den Einfällen der Wenden besonders ausgesetzt; obwohl die Inseln Møn und Rügen etwa 50 Kilometer voneinander entfernt liegen, dienen die Kreidefelsen am Ostende Møns und bei Arkona auf Rügen als Seezeichen, die über diese große Entfernung hin gesichtet werden können.394395Nach Saxo litt vor allem die Insel Falster unter den wendischen Raubzügen, weshalb die Ein­ wohner den Frieden durch die Weiterleitung militärischer Nachrich­ ten erkauften. Das war für die Regierung nicht hinnehmbar, und Wal­ demar plante schon eine exemplarische Strafexpedition, als die fortuna ihn gefährlich erkranken ließ. So zeigte Gott dem König, daß er kei­ nen Krieg gegen das eigene Volk fuhren dürfe, denn seine Aufgabe sei dessen Befreiung von dem auswärtigen Feind. Der Zustand Waldemars verschlechterte sich, und Absalon hielt eine Votivmesse für seine Ge­ nesung: Nachdem Waldemar die Sakramente empfangen hatte, nahm die Krankheit allmählich ab. Auch Absalon erkrankte; als die beiden Freunde wieder gesund waren, dankten sie Gott für ihre Strafe, denn sie hatten jetzt verstanden, daß sie ihre Landsleute nicht militärisch be­ strafen durften.393

392 Ü b er diese A rt Wahl, siehe N . Skyum -N ielsen 1 9 6 3 , S. 2 7 7 . 393 S a x o I 4 1 3 Z I. 2 5 - 3 9 .

394 Z u m H intergrund, siehe N . Skyum -N ielsen 1 9 7 1 , S. 1 4 8 -1 5 1 ; T h . Rus 2 0 0 3 , S. 2 1 . 395

Saxo I 4 1 4 ZI. 3 7 -4 1 5 ZI. 2 8 .

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Die Königsideologie bei Saxo

Auch in diesem Buch gibt es eine Auseinandersetzung Erzbischof Eskils mit dem König, die wir schon erörtert haben. Zur selben Zeit (1162) mußte Waldemar aus politischen Gründen nach Dole (heute in Ostfrankreich) fahren, wo Friedrich Barbarossa residierte, und ihm das Homagium leisten. Saxos Bericht über die Reise ist besonders interes­ sant, denn hier finden wir das einzige Beispiel, wo Saxo einem nicht kanonisierten dänischen König wundertätige Kräfte zuschreibt. Als Waldemar durch Deutschland reiste, reichten ihm die Mütter ihre Kin­ der, damit er sie berühre; sie glaubten, daß sie dadurch gesund und er­ folgreich würden. Auf ähnliche Weise baten ihn die Bauern, eine Handvoll Getreide auszusäen, damit es besser wachse.396 Die Interpre­ tation dieser Episode fällt bei den Forschern sehr unterschiedlich aus. Marc Bloch, der als erster die internationale Bedeutung des Beispiels anerkannte, war der Überzeugung, daß Saxo ein in Dänemark wohlbekanntes Phänomen wegen seiner chauvinistischen Optik ins Ausland verlegt habe,397 während Aksel E. Christensen hier die Anfänge einer Legende sah, vielleicht aber auch das Vertrauen auf die heilende Kraft des Königs wie im kapetingischen Frankreich.398 Da die Episode nicht nur bei Saxo, sondern überhaupt in der hochmittelalterlichen Ge­ schichte Dänemarks allein steht, handelt es sich nicht um ein ur­ sprünglich dänisches Phänomen, sondern eher um eine Entlehnung aus Frankreich oder England. Die Absicht Saxos ist klar: Zwar mußte Waldemar dem Kaiser den Eid leisten, aber der König wurde (auch an­ derswo) als der Würdigere der beiden angesehen. Beim Treffen der bei­ den Herrscher bei Lübeck im Jahre 1181 wurde Waldemar wegen sei­ ner Größe und Gestalt viel mehr bewundert als der Kaiser,399 und die Episode vom Jahre 1162 zeigt, daß Waldemar wie die Könige Frank­ reichs und Englands wundertätige Kraft besaß, daß diese aber dem Kai­ ser fehlte.400 Ferner wurde Waldemar auch von den deutschen Fürsten 396 Sa x o I 4 4 2 ZL 3 -9 . 397 M . B loch 1 9 2 4 , N eu druck 1 9 6 1 , S. 58 m it A nm . 1. 398 A .E . C hristensen 1 9 4 5 , S. 45. 399 Sa x o I 5 3 3 ZI. 4 -9 . 400 V ielleicht wollte m an dem französischen H o f Philipp Augusts zeigen, daß sein Schw iegervater W aldem ar eine ähnliche w undertätige Kraft besaß. Im August 119 3 heiratete Philipp August die T och ter W aldemars, Ingeborg, vgl. T h . R n s 1991 A.

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Kapitel 4

gelobt, als er auf den kaiserlichen Vorschlag nicht eingehen wollte, die nötigen Lebensmittel ganz einfach ohne Zahlung von den Bauern zu nehmen.401 W ir haben schon mehrere Beispiele des göttlichen Eingreifens ge­ sehen - so entging Waldemar mehreren Anschlägen kraft der fortuna. Waldemar war zwar die typologische Parallele des unverletzlichen Kö­ nigs Harald im 7. Buch - aber Gott griff auch zugunsten Absalons ein. Die Wenden führten einen Angriff gegen Dänemark und zerstörten ein Kreuz, das am Strand des Grønsunds zwischen den Inseln Møn und Falster stand. Die Tat war natürlich ein Sakrileg und mußte bestraft werden. Absalon versuchte, die wendischen Schiffe einzuholen, wurde aber von einem Sturm daran gehindert, der die Schiffe der Feinde zum Kentern brachte. Das Ereignis fand am Nikolaustag statt, der Feier des Patrons der Seeleute, und seither wagten die Wenden es nicht mehr, Dänemark anzugreifen.402 Mehrmals hebt Saxo hervor, daß Dänemark ehrlich und ohne List kämpfen solle, aber die Ehrlichkeit ging nicht so weit, daß man den Wenden das Getreide zahlte, das man den Pferden als Futter gegeben hatte.403 Wahrscheinlich fühlte man sich Heiden gegenüber weniger gebunden. Ein kleiner Zug erlaubt uns ferner, das elende Ende Svends III. zu verstehen; denn er hatte dem heidnischen Heiligtum auf Rügen einen schönen Becher geschenkt und somit ein Sakrileg begangen.404 Rügen wurde im Sommer 1169405 eingenommen und vom Papst unter das Roskilder Bistum gestellt,406 ein paar Tage später erließ Alex­ ander III. die Kanonisationsbulle Knud Lawards. Seine Feier sollte nicht wie sonst üblich der Todestag,407 sondern sein Geburtstag sein.408 W ir kennen seinen Geburtstag nicht, aber sein Festtag, der 25. Juni,

401 Sa x o I 4 4 4 ZI. 7 - 1 9 . 402 403 404

Saxo I 493 ZI. 13-494 ZI. 6. Saxo I 483 ZI. 17-18. Saxo I 466 ZI. 23-27.

405 N ic h t

1168, v g l. T h . Rns 2003, S. 28.

406 D ip l Dan. I 2 N r. 1 8 9 , [1 1 6 9 ] 4 / 1 1 . 407 7 . Jan u ar.

408 Dipl. Dan.

I2

N r.

das Iulii celebretis.«

140

190, [1169] 8/11: »statuentes, ut diem natalis sui septimo kålen -

Die Königsideologie bei Saxo

könnte als sein himmlischer Geburtstag betrachtet werden. Die Kir­ chenfeier am 25. Juni 1170 in Ringsted bedeutete einen Triumph der Regierung. Der Vater des Königs Waldemar war jetzt ein in der ganzen Kirche anerkannter Heiliger, und der Sohn des Königs wurde ge­ krönt.409 Obwohl der greise Erzbischof Eskil mit über siebzig Jahren an den Wendenzügen teilnahm und hier seine altersbedingte Schwäche ver­ barg, was Saxo sehr lobenswert fand,410 wollte sich der Prälat aus sei­ nem Amt zurückziehen, um seine Tage in Clairvaux zu beenden. W ir haben schon die Wahl oder eher Postulation Absalons erörtert, hier sollten wir nur daran erinnern, daß dieser einstimmig postuliert wur­ de, so wie er schon 1158 einstimmig quasi per inspirationem gewählt worden war. Waldemar starb am 12. Mai 1182 und wurde in Ringsted begraben; alle Einwohner trauerten um den verstorbenen König, aber obwohl die patria mit Waldemar das eine Auge verloren hatte, blieb in Absalon das Andere erhalten.411 Das 16. und letzte Buch umfaßt die drei Jahre von der Thronbestei­ gung Knuds bis zum dänischen Sieg über die Wenden. Zunächst muß­ te man aber die heikle Frage der Beziehungen zum Kaiser lösen. Knud hatte, ungleich dem Vater, dem Kaiser keinen Eid geschworen, weshalb Friedrich Barbarossa eine Gesandtschaft nach Dänemark schickte, um Knud zur Eidesleistung aufzufordern. Dies wurde mit der Begründung abgelehnt, Knud habe in Dänemark dieselben Rechte wie der Kaiser im R eich.412 Nach diesem Mißerfolg versuchte Friedrich die indirek­ te Intervention, indem er den Herzog von Pommern zum Krieg ge­ gen Dänemark veranlaßte. Zuerst griff dieser den Fürsten von Rügen Jarimar an, der mit Dänemark verbündet war; dieser benachrichtigte Absalon von großen Militärkonzentrationen — 500 Schiffen —, die wahrscheinlich der Invasion von Rügen dienen sollten. Absalon, der 409 410 411

Saxo I 4 7 7 ZI. 1 1 -2 0 und 4 8 0 ZI. 1 9 -2 3 . Saxo I 4 9 5 ZI. 2 3 -2 9 . Saxo I 5 3 6 . Eine ähnliche Personifikation des Vaterlandes hat sich bis au f unse­ re Z eit erhalten. N ach dem Tode des Staatspräsidenten Charles de Gaulle (1 9 7 0 ) erklärte sein N achfolger, Georges Pom pidou, daß Frankreich jetzt verw itw et sei.

412

Saxo I 5 3 9 ZI. 2 5 - 5 4 0 ZI. 22.

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Kapitel 4

die Nachricht auf Seeland empfing, befahl die sofortige Mobil­ machung der schonischen, seeländischen und funischen Flottenmann­ schaft, denn die Zeit reichte nicht aus, um die Ankunft der Jüten ab­ zuwarten. Die Flottenmannschaften segelten wie vereinbart am Sonnabend vor Pfingsten 1184 ab und erreichten am selbenTag Hiddensee. Im Laufe des Sonntags wurden Nachrichten über die Bewegungen des Feindes ge­ sammelt; man brachte so in Erfahrung, daß Bogislaw (der Pommernher­ zog) über den Strelasund Rügen angreifen würde. Wegen der schwieri­ gen Fahrwasser lichtete die Flotte erst am folgenden Morgen den Anker, kam in den Strelasund, wo man im Nebel den Feind nicht erblicken konnte. Absalon wollte die Wartezeit nutzen, um am Strand die Messe zu lesen und segelte ans Land, als plötzlich die Nachricht kam, daß der Feind eingetroffen sei. Noch konnte man ihn nicht sehen, aber bald ver­ schwand der Nebel, und es kam zur Schlacht im Strelasund. Die Wenden konnten im engen Fahrwasser nicht entkommen; dies gelang nur 35 der 500 Schiffe, die übrigen wurden von den Dänen er­ obert. Diesen glänzenden Sieg vergleicht Saxo indirekt mit dem Got­ tesdienst, denn Absalon unterbrach die Vorbereitungen zur Messe und »classem obviam hosti in altum direxit« — er führte also die Flotte auf das hohe Meer und gegen den Feind. Altus bedeutet wie bekannt sowohl tief als auch hoch, und in der Messe hebt der Priester die konsekrierte Hostie empor, also in altum direxit,413 Friedrich Barbarossa verzich­ tete jetzt auf seine gegen Dänemark gerichteten Pläne. Die letzten Seiten der Gesta Danorum erzählen von den dänischen Feldzügen in Pommern bis zur Unterwerfung des Bogislaw, der Knud huldigen und dessen Oberherrschaft anerkennen mußte (1185). Unser Verfasser stellt fest, daß sich mit der Zeit herausstellte, daß Bogislaw Vorteile aus der loyalen Zusammenarbeit mit Dänemark zog, was er auch anerkannte.414 So bedeutete die Huldigung Bogislaws, daß Däne­ mark sowohl von der Wendengefahr als auch von den kaiserlichen H o­ heitsansprüchen befreit wurde, und so versteht man, warum Absalon die offizielle Darstellung der dänischen Geschichte mit diesen Ereig­ nissen enden lassen wollte. 413 Sa x o I 5 4 0 -5 4 5 ; das Zitat S. 5 4 3 ZI. 9 -1 0 . 414 Sa x o I 5 5 0 -5 5 2 .

K a p it e l 5

Die offizielle Königsideologie Die Arengae der Urkunden Die offizielle Königsideologie läßt sich anhand mehrerer Quellengat­ tungen nachzeichnen, unter denen Saxo nur eine ist. Auf der restitu­ ierten Bucheinteilung Saxos basierend, haben wir eine weltliche, offi­ zielle Ideologie nachweisen können. Um dieses Ergebnis nachzuprü­ fen, soll jetzt die offizielle Königsideologie, wie wir sie aus anderen Quellengattungen kennen, kurz dargestellt werden. Die Arengae der königlichen Urkunden sind wie bekannt beliebte Stellen für Propa­ ganda, da sie eine Anspielung auf das Thema der Urkunde umfassen: So weist z.B. ein königliches Privilegium für eine kirchliche Institution manchmal in der Arenga auf die königliche Pflicht hin, die Kirche zu fördern.415 Manchmal erwähnen die Arengae allgemeine Grundsätze, deren praktische Anwendung in der Dispositio der betreffenden U r­ kunde stattfindet.Von geringerem Interesse ist in unserem Zusammen­ hang z.B. die Sorge eines Königs um sein Seelenheil, denn hier wird eine generelle, nicht spezifisch königliche Frage angedeutet. Eine Reihe von Urkunden aus der Waldemarischen Zeit bis etwa 1220 hebt die Pflicht des Königs hervor, die Untertanen zu schützen. So heißt es in einer Urkunde Waldemars I. für das Kloster Esrom416 aus einem der Jahre 1157-60: »Da es unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, daß diejenigen, die in unserem R eich sind, in Ruhe und Frieden le­ ben können«; unter seinen Söhnen war aus dieser Aufgabe sogar ein

415 Ü b er die Arengae gibt es eine umfassende Literatur, die in der Bibliographie zum Artikel Arenga im Lexikon des M ittelalters I Sp. 9 1 7 -9 1 8 (H einrich Fich ­ tenau) zu finden ist. A ußerdem m uß aber das B u ch von H . H unger 1 9 6 4 er­ wähnt werden, nicht nur, weil man für Dänem ark Byzanz als m ögliche E in ­ flußquelle nicht ausschließen darf. 416 D ip i Dan. I 2 N r. 122: »Quoniam nostrum est prouidere. quomodo hii qui in regno

nostro sunt, in pace et quiete uiuant ...«

143

Kapitel 5

Amt von Gott (Waldemar II. flir R ibe 1202-14417) oder ein göttlicher Auftrag (ministerium, Knud VI., Blutrachegesetz für Schonen 1200418) geworden. Ein anderes Thema der Arengen ist die Förderung der R e ­ ligion. In seiner Urkunde fur Ringsted anläßlich der Ringsteder Kir­ chenfeier 1170 erkennt Waldemar I. sie ausdrücklich an: »Da wir an vielen Orten den Stand (ordo) der heiligen Religion fordern und lie­ ben müssen ...,«419 und KnudVI. reiht die Förderung der Kirche un­ ter den Aufgaben der Regierung ein (1183, für das Odenser Knuds­ kloster420). Weitere Arengae der 1180er Jahre beziehen sich direkt auf das Königtum, so Waldemar I. 1180 für dieselbe Institution: »Da der König der Könige - nach dessen Plan unsere Gesellschaft eingerichtet ist - geruht hat, die zeptertragende Macht über das R eich der Dänen unserer Regierung zu überlassen, damit wir uns verdient machen, den Preis des ewigen Reichs zu empfangen ,..«421 Der Gedanke wird in der Urkunde Knuds VI. für BischofWaldemar von Schleswig 1187 ent­ wickelt: »Da wir durch den allmächtigen Schöpfer als Lenker (proviso­ res) des ganzen Reiches eingesetzt worden sind ... (und ferner) ... der­ jenige (=Gott), der uns das Zepter der königlichen Majestät gab, uns auch den Stab der Herrschaft (virga regni) gab, den Stab der Gerechtig­ keit zur Bestrafung der Bösen und zur Belohnung der Guten .. .«.Wei­ ter werden in der Arenga die Themen Lohn und Strafe entwickelt — wahrscheinlich war die Regierung von der Loyalität des erwählten B i­ schofs Waldemar nicht ganz überzeugt, was sich fünf Jahre später als korrekte Einschätzung erweisen sollte.422 Der Umstand, daß die Vorgänger eines Königs Spenden an be­ stimmte Klöster verschenkt hatten, scheint für den regierenden König

417 Dipl. Dan. I 4 N r. 54. 418 Dipl. Dan. I 4 N r. 2 4 . 419 Dipl. Dan. I 3 N r. 15: »Cum san(c)tce religionis ordinem in multis lo [cis] fouere et di­

ligere debeamus ...« . 420 Dipl. Dan. I 3 N r. 111. 421 Dipl. Dan. I 3 N r. 8 9 : »Quoniam rex regum omnium, in cuius disposicione universitas

nostra consistit sceptrigeram regni Danorum censuram nostro regimine, gubernari compla­ cuit. uti premium eterni regni mereremur recipere ...« 422 Dipl. Dan. I 3 N r. 143: »C]um tocius regni provisores [cun]ctipotente cr[e]at[o]re simus

in[stituti] ... [qui] nobis ceptr[um re]gie conce[ssi]t magestatis (!) uirgam [commisit] reg­ ni uirg[am direcjtionis ad [uindictam] malefactorum laudem uero bonorum ...«

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Die offizielle Königsideologie

eine gewisse Pflicht zur Förderung dieser Institutionen bedeutet zu ha­ ben, und als die Einwohner einer halländischen Harde den Besitz des Esromer Klosters nicht beachteten, las Waldemar I. ihnen die Leviten: »Ihr, die Ihr nicht furchtet, die Kirche Gottes ärmer zu machen ... ihr häufet Euch Sünden auf. Zu Eurer Verdammnis habt Ihr versucht, den Wald abzutragen. Da wir dafür zuständig sind und uns wünschen, für Euer Heil zu sorgen, befehlen wir Euch, bei der königlichen Majestät, die wir aus Gott haben ,..«423 Also gehörte die Sorge um das Seelen­ heil der Untertanen zu den Aufgaben des Königs, wie sie in Byzanz zu denen des Kaisers gehörte.424 Auch die Grundthemen des Schutzes der Untertanen und der För­ derung der Religion ließen sich wie in der königlichen Bestätigung eines Abkommens zwischen den königlichen Pächtern und dem Klo­ ster Æbelholt verbinden: »Denn so leisten wir Gott einen ersehnten und schuldigen Dienst, daß durch die verdienstvollen Taten sich eine hervorragendere Ehre für die königliche Krone ergibt«, und ferner wird im folgenden Teil die Pflicht, die Klosterinsassen besonders zu schützen, unterstrichen.425 Zitate aus der Bibel bieten manchmal wertvolle Anspielungen, die das Thema weiter entwickeln. Im schon erwähnten Mandat an die halländische Harde um 1177 spricht der Diktant des Briefes zweimal vom »spiritus timoris Domini«, also vom Geist der Furcht Gottes. Dies ist ein Hinweis auf die Weissagung des Isaias (XI 3-4), als er vom Messias spricht, denn den werde der Geist der Furcht Gottes füllen; er werde über die Armen gerecht urteilen. In diesem Fall will Waldemar unge­ rechte Taten wiedergutmachen, der König übt die Rechtsprechungen aus, und so ist der Vergleich mit dem Messias durchaus angemessen. Aus den 1180er Jahren stammen zwei Königsurkunden von höch-

423 Dipl. Dan. I 3 N r. 6 6 , um 1 1 7 7 : » ... Qui ecclesiam dei non timetis depauperate ...

uos nostra accumulatis peccata. Siluam ... uos in uestram dampnacionem auferre co­ namini. Saluti igitur uestre quia et hoc nobis attinet consulere cupientes, ea quam a deo habemus regia maiestate uobis precipimus ...« . 424

H. H unger 1 9 6 4 , S. 2 0 6 - 2 0 7 Nr. 23.

425 Dipl. Dan. I 3 N r. 1 7 9 ,1 1 9 2 -1 2 0 1 , D iktator A bt W ilhelm von Æ belholt: » ... Sic

enim deo gratum et debitum persoluemus obsequium et corone regali proueniet bonorum excellenciorgloria meritorum ...«

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Kapitel 5

stem ideologischem Interesse. Die erste, für das Lunder Domkapitel, erwähnt, daß Knud VI. in der dänischen Metropolis »in solio« sitze, um die Provinzen zu regieren, was an den Perserkönig Assuerus im Buch Esthers (I 1-2) erinnert, der über 127 Provinzen von Indien bis nach Äthiopien regierte. Ferner sagt Knud, daß er auf den Thron seiner Vor­ fahren gestiegen sei, worin wir eine Anspielung auf den biblischen Kö­ nig Salomon finden (3. Könige II 12, vgl. II 24). So unterstreichen die Bibelzitate sowohl die Legitimität Knuds als auch die Größe seiner königlichen Macht.426 Die schon erwähnte Urkunde aus dem Jahre 1187 für den auserwählten Schleswiger Bischof Waldemar enthält mehrere Bibelstellen. Der König soll die Untertanen so führen, daß sie weder nach links noch nach rechts vom Königsweg abirren. Den Aus­ druck Königsweg {via regia) finden wir im 4. Buch Mose (»Numeri«), wo das Volk Israel die Amoriten um freien Durchmarsch bittet, indem man verspricht, nur den Königsweg zu gehen (X X I 22). So wird das von Knud regierte dänische Volk zu dem von Moses geführten jüdi­ schen Volk auf dem Weg in das Gelobte Land. Wie Gott selbst wird Knud die Sünder nicht schonen, denn Gott hatte die sündigen Engel auch nicht geschont. Hier sehen wir Knud als Abbild Gottes, als imago dei, obwohl diese Idee nicht erwähnt wird, im Gegensatz zur byzanti­ nischen Nachahmung Gottes (μίμησιζ θεοΰ). In den mit Saxo zeitgenössischen Arengae lesen wir, daß der König die Untertanen und die Religion schützen soll. Vor allem unter Wal­ demar I. und KnudVI. wird er mit Moses, mit Salomon, eben mit dem Messias verglichen; ferner erhält er seine Macht direkt von Gott, den er wie das Abbild Gottes (imago dei) vertritt.

Die nicht-schriftlichen Quellen Es ist kein Herrschaftszeichen aus dem mittelalterlichen Dänemark er­ halten, und daher wäre es tollkühn, eine Rekonstruktion zu versuchen, denn sie müßte auf Quellen unterschiedlichsten Wertes basieren: zufäl­ ligen Erwähnungen in Urkunden und erzählenden Quellen, bildlichen Darstellungen, deren offizieller oder nicht-offizieller Charakter schwer

426 D ip l D an . I 3 N r. 134, 118 6 .

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Die offizielle Königsideologie

festzustellen ist. So müssen wir uns damit begnügen zu sehen, welche Herrschaftszeichen die offizielle Ikonographie einem König der Dä­ nen zuschrieb. Im allgemeinen sei hier auf das monumentale, von Per­ cy Ernst Schramm herausgegebene Standardwerk »Herrschaftszeichen und Staatssymbolik« hingewiesen. Wenn sich ein dänischer König z. B. mit einer Bügelkrone darstellen läßt, ist es zwar keineswegs sicher, daß die dänische Krone so aussah, aber daß der König, indem er den Kai­ ser nachahmte, sich als ihm ebenbürtig ansah.

A. Die Siegel und Münzen 427 Das Siegel Knuds des Heiligen ist nur durch Zeichnungen aus dem 17. Jahrhundert bekannt, aber seine Echtheit ist umstritten;428 so lassen wir es hier zum einen wegen der Echtheitsfrage außer Betracht, zum anderen, weil es nicht mit Saxo zeitgenössisch ist. Kein Siegel Walde­ mars I. ist erhalten, aber wir kennen Siegel Knuds VI. und Walde­ mars II. sowie —aus Zeichnungen aus dem 18. Jahrhundert —ein Siegel Erich Lamms, das 1140 gebraucht wurde. W ir stellen fest, daß die Kro­ ne Erich Lamms Infula-ähnliche Pendilia hatte (der obere Teil der Kro­ ne ist wegen einer Beschädigung des Siegels schwer erkennbar), daß Knud VI. eine durch zwei Bügel geschlossene Krone mit Pendilia (wie der byzantinische Kaiser) trug und daß Waldemar II. sich sowohl mit einer offenen als auch mit einer durch zwei Bügel geschlossenen Kro­ ne, aber ohne Pendilia, darstellen ließ. Alle drei Könige trugen den Reichsapfel oder Globus mit Kreuz in der linken Hand, während die rechte Hand das Zepter hielt. Unter Erich III. (Lamm) war es ein kur­ zes Zepter, während Waldemar II. ein langes Zepter hatte. Wegen der Beschädigung des Siegels kann man nicht entscheiden, ob KnudVI. ein kurzes oder langes Zepter besaß. Der Königssitz ist bei Erich III. nicht zu identifizieren, bei KnudVI. und in den älteren Siegeln Waldemars II. ist der Sitz ein richtiger Thron oder solium wie in der Urkunde Knuds VI. von 1186 — cum sederem in solio. Die Tracht war bei Erich III. ein Kleid mit Halbärmeln und Gür-

427 D ieser Abschnitt ist eine Zusam menfassung von T h . 428

Rns 1977, S. 152-169.

T. H ejlskov L arsen 19 8 5 und 1 9 8 7 ; J. L ind 198 6 .

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Kapitel 5

tel, bei Knud VI. ein Kleid mit Gürtel und darüber ein offener Mantel, der an der rechten Schulter befestigt war. Waldemar II. trug mit unbe­ deutenden Unterschieden eine ähnliche Tracht. Zwei Rücksiegeltypen stammen aus unserer Zeit: Erich III. hatte ein Reitersiegel, auf dem der Reiter ein Schwert in der rechten und einen Schild in der linken Hand hält. Die Rücksiegel Knuds und Walde­ mars II. zeigen ein Wappenschild, worin drei Löwen in einem mit Herzen bestreuten Felde zu sehen sind: das heutige Reichswappen Dänemarks. Die Münzbilder erlauben uns aufgrund ihrer größeren Zahl, mehr Nachrichten zu erhalten, als es für die Siegel möglich war. Indem wir die Zeit zwischen 1140 und 1220 als für die offizielle Ideologie be­ sonders interessant betrachten, konstatieren wir, daß die mit einem oder zwei Bügeln geschlossene Krone bei fast allen Herrschern er­ scheint, während die offene Krone zuerst unter Waldemar I. und Wal­ demar II. nachweisbar ist. Den Kreuzglobus und das Zepter (in einem Kreuz oder einer Lilienblüte endend) finden wir unter Svend III. und den drei »Waldemaren« (Waldemar I. und seinen beiden Söhnen und Nachfolgern Knud VI. und Waldemar II.). Die Münzen zeigen ferner die Könige mit dem Schwert, das in den Siegeln nicht erscheint. Münzen aus der Zeit des Königs Niels und der drei Waldemaren zeigen eine Fahne; das älteste Beispiel hat die Form einer Fahnenlan­ ze, eines Herrschaftsymbols, mit dem der Kaiser die großen Vasallen mit Reichslehen belehnte. Hier muß man sie als eine Nachahmung des Kaisers sehen, um zu zeigen, daß der dänische König sich als ebenbür­ tig betrachtete. Unter Waldemar I. sehen wir einen Palmenzweig, der im 12. Jahrhundert ein Kreuzfahrersymbol war, und unter demselben König erscheint eine sehr charakteristische Münzreihe. Zwischen ei­ nem gekrönten Paar - wohl Waldemar und Sophia, Schwester Knuds V. —sieht man folgende Symbole: Palmenzweig, Schwert, langes Zepter und Fahnenlanze. Schwert und langes Zepter sind wohlbe­ kannte Insignien, die Fahnenlanze soll hier wohl die Unabhängigkeit und Gleichberechtigung in bezug auf den Kaiser bedeuten (obwohl Waldemar Friedrich Barbarossa das Homagium hatte leisten müssen), während der Palmenzweig auf den Kreuzzug hinweist. Königswürde und Mission also, Themen, denen wir in anderen Quellen zur königli­ chen Ideologie begegnen werden. 148

Die offizielle Königsideologie

B. Die Kirche von Vä In diesem Zusammenhang werden wir selbstverständlich nur die nicht-schriftlichen Quellen betrachten, die mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit als offiziell betrachtet werden können und die in die Zeit zwischen 1140 und 1220 gehören. Die Kirche von Vä in Nordostschonen ist eine Marienkirche, die ne­ ben ausgedehntem Landbesitz spätestens 1170 von Waldemar I. und Königin Sophia dem Odenser Bischof Simon übertragen wurde, damit dieser hier ein Kloster gründe.429 Was die Kirche besonders interessant macht, ist das Bildprogramm im Chor. In der Apsis findet man einen thronenden Christus, eine Majestasdarstellung, und im Chor ist das Kirchenlied Te Deum dargestellt. Daneben sind zwei Stifterbilder zu se­ hen: Ein König hält einen Schrein, während eine Frau ein Kirchen­ modell trägt. Obwohl die Kirche (datiert nach einem Pergamentzettel bei den Reliquien im Altar) in den 1120er Jahren erbaut wurde, schei­ nen die Fresken in die Zeit zwischen 1157 und 1170 datiert werden zu müssen.430 Die Kirche scheint dem Zweig der Königssippe gehört zu haben, dem KnudV. entstammte, und wenn der Bau auf die 1120er Jahre zurückgeht, muß der Bauherr entweder König Niels oder dessen Sohn Magnus gewesen sein. Königin Sophia war die Schwester Knuds V , und so werden wahrscheinlich sie und Waldemar I. als Stifter dargestellt. Daß die Bilder kaum in der Zeit nach der Übertragung im Jahre 1170 entstanden sein können, erklärt sich aus einer besonderen Einrichtung im Westen der Kirche.431 Hier findet sich eine Galerie, die sich zum Kirchenraum öffnet; ursprünglich hatte sie rechts und links kleinere Doppelarkaden mit einer Säule in der Mitte (Abb. 2). Die zen­ trale Arkade war größer und hat heute einen Altar in sekundärer Lage; vor ihm gibt es eine Art Fundament, und über dem Altar sind Spuren eines Säulenbaldachins nachweisbar. Wenn wir uns den Altar wegden­ ken, bleibt die sinnvolle Lösung, daß es sich um eine Herrscherlaube, nicht um eine gewöhnliche Galerie für den Kirchenpatron und dessen

429 D ip l Dan. I 3 N r. 12. 430 H . Græbe 1 9 7 1 , S. 4 5 - 5 0 und 7 6 -9 1 ; N. Skyum -N ielsen 1 9 5 1 -5 2 , S. 1 3 -1 4

Anm. 4. 431 H ierzu T h .

Rus

1 9 7 7 , S. 1 7 2 -1 7 4 m it Fo to S. 189.

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Westgalerie der Marienkirche in Vä (Schonen), 1120er Jahre (?). Nach Hen­ rik Grœbe, Kyrkorna i Vä. Sveriges Kyrkor. Konsthistoriskt Inventarium 139 = Gärds Härad, Skåne III 1, Stockholm 1971 , S. 61,Abb. 63.

F a m ilie g e h a n d e lt hat. In e in e r so lc h e n G a le r ie w äre n w e d e r das P o d i­ u m n o c h d e r B a ld a c h in sin n v o ll zu e rk lä re n , sie w ü rd e n a b e r zu e in e r K ö n ig s la u b e g u t p assen . H ie r w ü rd e d e r H e r r sc h e r in v o lle m O r n a t a u f d e m T h r o n m itte n in d e r zen trale n Ö ffn u n g , sic h tb a r fü r d ie b e im G o tte s d ie n st A n w e se n d e n , e r sc h e in e n .432 D ie K ö n ig s la u b e sc h e in t v o r

432 Vgl. R E. Schramm 1954-56 I, S. 354-367.

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Die offizielle Königsideologie

Klosterkirche Corvey, Westgalerie 873-885 vom Kirchenschiff gesehen. Nach R olf Toman hrsg., Romansk kunst. Arkitektur. Skulptur. Malerkunst. Köln 1995 , S. 37 unten links.

a lle m im R e i c h a u fz u tre te n , w o d ie A a c h e n e r P fa lz k a p e lle u n d d ie C o r v e y e r K lo ste r k ir c h e als B e is p ie le d ie n e n (A b b . 3 ). W en n w ir d ie A rk a d e in V ä als e in e K ö n ig s la u b e in te rp re tie re n d ü r ­ fe n , u n d a n d ere s e rsc h e in t m ir k a u m sin n v o ll, w ird so d e r K ö n i g im W esten zu e in e m A b b ild des C h r istu s in M a je s tä t im O s te n . B e id e w äre n a u f e in e r h ö h e re n E b e n e als ihre U n te r ta n e n p la z ie rt; d ie Te

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Deum-Darstellung in den Fresken erhält eine besondere Bedeutung, denn im Ausland wurde diese Hymne manchmal bei Krönungen, bei Huldigungen oder bei anderen politisch-theologischen Manifestatio­ nen verwendet.433

C. Das R ipener R elief (Südportal des QuerschifFes des Doms ) 434 Das sehr große dreieckige R elief hat im Zentrum die Inschrift Civitas Hierusalem (Abb. 4), was neben der Komposition zeigt, daß man eine Interpretation suchen muß, die sowohl das himmlische Jerusalem als auch das Jüngste Gericht umfasst;435 das 21. Kapitel der Apokalypse scheint beide Forderungen erfüllen zu können. Ganz oben sieht man eine segnende Hand436 und unter ihr, auf verschiedenen Ebenen, En­ gel; zwischen ihnen zeigt die Inschrift den Platz der himmlischen Stadt. Dieser obere Teil, der ungefähr der Hälfte der Gesamthöhe des Reliefs entspricht, repräsentiert wahrscheinlich die Vision des Johannes: »... vidi sanctam civitatem Ierusalem novam descendentem de caelo a Deo ...« (ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel von Gott heruntersteigen ...«).437 Unten sehen wir Christus beim Jüngsten Gericht, wie Johannes ihn beschreibt.438 Das Kreuz wird als Passionsinstrument durch Christus gezeigt, was manchmal bei diesem ikonographischen Thema vor­ kommt.439 Die große Anzahl von Personen, die sich unter dem Niveau Mariens und Christi befinden, sind wahrscheinlich die Völker und Kö­ nige der Erde, wie Johannes sie darstellt: »... die Völker werden im Licht des Lammes gehen, und die Könige der Erde werden ihre Herr-

433 Vgl. E . H . Kantorowicz 1 9 5 8 , S. 79. 434 Beste Beschreibung in Danmarks Kirker X I X : R ib e A m t 1, S. 2 2 2 -2 2 7 , vgl. S. 2 1 5 -2 1 8 . 435 Vgl. T h . R u s 1 9 7 7 , S. 174. 436 N ich t erw ähnt in der Beschreibung in Danmarks Kirker, aber erkennbar in der Vermessung Theophilus H ansens 1 8 3 6 -3 7 , ebenda S. 2 1 6 -2 1 7 , und im F o to bei T h . R iis 1 9 7 7 , S. 175. 437 A poc. X X I 2 , vgl. X X I 10. 438 A poc. X X I 3 -8 . 439 Vgl. K ünstle 1 9 2 6 -1 9 2 8 I, S. 541 und 5 4 3 -5 4 4 .

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Das Relief über dem Südportal des Ripener Domes, Vermessung von Theophi­ lus Hansen Í8 3 6 -Í8 3 7.

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lichkeit und Ehre nach ihr (das himmlische Jerusalem) fuhren. Und ihre Tore werden des Tages nicht geschlossen, denn es wird dort keine Nacht geben. Und sie werden die Herrlichkeit und Ehre der Völker nach ihr fuhren«.440 Zwei Schriftbänder gehen durch die Menge der niederen Reihen; der Text links lautet: »Selig sind die Armen, denn sie werden [das R eich Gottes] besitzen«441 und (rechts, auf dem anderen Band) »kommt, laßt uns zum Berg Gottes emporsteigen.«442 Im Bibeltext sind die durch den letzteren Spruch zum Emporsteigen Eingeladenen die Heidenvöl­ ker, die so zur Bekehrung aufgefordert werden, und wir sehen, daß tatsächlich mehrere emporklettern. Die andere Inschrift ist schwieriger zu erklären, denn die Armen, die das R eich Gottes besitzen werden, sind ja die Jünger. Eben weil sie arm

440 (A poc. X X I 2 4 -2 6 ): » ... et ambulabunt gentes in lumine eius (=des Lammes), et re­

ges terrae afferent gloriam suam et honorem in illam (das neue Jerusalem). E t portae eius non claudentur per diem; nox enim non erit illic. Et afferent gloriam et honorem genti­ um in illam ...« 441 Band links: »+ B E A T I P A U P E R E S E R V (= E R U N T ) Q U O N IA M . .. P O S S I­ D E B IT IS «. In Danmarks Kirker X I X 1, S. 2 2 4 wird diese Inschrift so aufgelöst: B E A T I P A V P E R E S SP(T?) V Q U O N IA M X X X X X X ( ? ) D (E ?)I P O S S ID E ­ B IT IS und das fehlende W ort als P T G N V M vorgeschlagen. Daß die fehlenden Teile als R E G N V M D E I zu ergänzen sind, erscheint m ir eindeutig richtig, aber die Identifikation des dritten W ortes als S P IR IT V ist kaum m öglich. D er Strich ü b e rV kann entw eder ein Nasal- oder ein K ontraktionsstrich sein, aber ist in keinem Fall m it der Lesart S P IR IT V vereinbar: Ü brigens ist in Danmarks K ir­

ker das einleitende K reuz als invocatio in signo weggelassen. D er linke Inschrift­ band m uß so gelesen werden: + B E A T I P A V P E R E S E R V (N T ) Q U O N IA M [R E G N V M ] D E I P O S S ID E B IT IS ; dieser Spruch weist au f M ath. V 3 hin:

»Beati pauperes spiritu, quoniam ipsorum est regnum caelorum« und L u k .VI 20: » ... »Beati pauperes, quia vestrum est regnum Dei«. 442 Band rechts: » + V E N I T E A S C E N D A M 9 AD M O N T E M D EI«. A uch hier wird das einleitende K reuz ( invocatio in signo) in Danmarks Kirker X I X 1, S. 2 2 4 nicht berücksichtigt, und das zweite W o rt wird als A S C E N D A M w ieder gegeben. Das über die Zeile geschriebene Z eich en 9 ist das Standardkürzel für -us; daß unse­ re Lesart die richtige ist, ersieht m an eindeutig aus Danmarks Kirker X I X 1, S. 2 2 5 Fig. 117. D ie rechte Inschrift muß also gelesen werden: + V E N I T E A S­ C E N D A M U S ) A D M O N T E M D EI«; sie weist au f Is. II 3 hin: » ... Venite et as­

cendamus ad montem Domini ...« , vgl. M ich. 4 ,2 : »Venite, ascendamus ad montem Domini«.

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Die offizielle Königsideologie

sind, werden sie das Königreich Gottes besitzen und daher Könige werden; übrigens schreibt ja Johannes (oder eher: der Verfasser der Of­ fenbarung), daß die Könige der Erde ihre Reichtümer in die heilige Stadt bringen werden.443 So konzentriert sich der untere Teil des Reliefs auf zwei Themen: die königliche Herrschaft und die Bekehrung der Heiden. Diese The­ men haben wir schon in den Arengen nachweisen können, und wie wir bald sehen werden, finden wir sie wieder in der Knud-Laward-Liturgie.Wir können jetzt eine Identifikation der drei Personen unmit­ telbar unter Maria und Christus im Zentrum wagen. Der König und die Königin sind wahrscheinlich das dänische Königspaar, während der Mann mit der kreuzgeschmückten Haube Knud Laward ist. Die ge­ naue Datierung des Reliefs basiert ausschließlich auf dem Stil und auf den Buchstabenformen; die Forscher haben verschiedene Personen­ identifikationen versucht. Erik Moltke sah im Mann mit der Kreuz­ haube den 1231 verstorbenen Sohn Waldemars II., das Königspaar wäre so Waldemar II. mit seiner zweiten Gattin. Dagegen hat T.E. Christiansen gewichtige Argumente für eine Datierung auf spätestens die 1170er Jahre angeführt, der wir hier beipflichten.444 So wird der Mann mit der Kreuzhaube Knud Laward sein, während das Königspaar Waldemar I. und Sophia darstellen muß. Das Kreuz, das Christus und Maria halten, könnte als Passionsinstrument aufgefaßt wer­ den, während das Kreuz, das Maria - Patronin des Ripener Domes - und der König halten, wahrscheinlich auf die dänischen Kreuzzüge hinweist, was den Heiligen der Dynastie, Knud Laward, Patron der dänischen E x-

443 A p o c .X X I 2 4 - 2 6 v g l.A p o c.V 9 -1 0 . 444 Siehe E . M oltke 1 9 7 2 . M oltke war vor allem Epigraphiker, und seine A rgu­ m ente waren die Buchstabenform en, während Tage E . C hristiansen auch kunsthistorisch argum entierte. Christiansen fand die D atierung M okkes viel zu spät und datierte das R e lie f spätestens auf die 1 1 7 0 e r Jahre, siehe T. E . C hri ­ stiansen 19 7 4 (= 1 9 7 6 ), S. 1 6 1 -1 7 1 . D a die offizielle K önigsideologie unter

W aldem ar II. weniger deutlich zum A usdruck kom m t als unter den beiden früheren W aldem aren, und da die Ideologie des Reliefs m it derjenigen der spä­ testens 117 0 verfaßten Knud Lawards-Liturgie übereinstim m t, scheint m ir die D atierung Christiansens die richtigere zu sein, nicht nur, weil W aldem ar II. nach 1221 bis zu seinem Tod W itw er war. Danmarks Kirker X I X 1, S. 2 2 7 zieht die späte D atierung vor.

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pansion, verherrlicht. Kurz gesagt zeigt das Relief, daß sowohl die U n­ tertanen des dänischen Königs als auch die durch die dänische Herr­ schaft zu bekehrenden Heiden voller Vertrauen sein können: Im kom­ menden Leben werden sie alle im himmlischen Jerusalem wohnen.445

D. Reichswappen und Flagge Bekanntermaßen wurde Estland 1219 von Dänemark erobert, 1238 wurde die dänische Herrschaft international anerkannt, bis das Land 1346 vom Deutschen Orden gekauft wurde. Die ganze Zeit war Est­ land keine Kolonie, sondern eine dänische Provinz wie Fünen oder Schonen. Estlands Staatswappen ist vom dänischen abgeleitet, die Her­ zen fehlen, nur die drei Löwen sind im Schild. Das Wappen Revals ist die heutige dänische Flagge, die somit älter als 1346 sein muß.446 Tatsächlich kennt man eine Münze aus der Zeit Waldemars L, auf der man eine Kreuzfahne sieht; so könnte man sich vorstellen, daß die je t­ zige Flagge von Waldemar angenommen worden ist. Diese Flagge wird auch vom Johanniterorden geführt, und in der Tat scheint Dänemark den symbolischen Schutz des Ordens genossen zu haben. Aus einer Urkunde aus dem Jahre 1244 erfahren wir, daß Waldemar I. mit Zu­ stimmung der Großen dem um 1170 gegründeten Johanniterkloster Antvorskov einen Pfennig aus jeder Familie gegeben hatte.447 Der Hauspfennig wäre so eine Parallele zum Peterspfennig, der als Symbol des päpstlichen Schutzes an den Papst gezahlt wurde. Das Löwen- und Herzenwappen ist seit Knud VI. um 1194 nachweis­ bar, aber warum hat man Löwen und Herzen gewählt, besonders wenn der Löwe als Symbol zweideutig ist? Wie so oft findet man die Lösung in der Bibel. Im Buch der Sprichwörter gibt es drei Stellen von Interesse: »Wie das Knurren des Löwen ist der Zorn des Königs, und wie der Tau 445 O h n e die M öglichkeit, die Hauptpersonen des Reliefs m it historischen Perso­ nen zu identifizieren, abzulehnen, plädiert Niels Haastrup für eine allegorische Interpretation im bernhardinischen Sinne, nach der das Kloster oder die K irche 446

als das N eu e Jerusalem gesehen werden, vgl. H aastrup 2 0 0 3 , S. 2 8 8 - 2 9 1 . Th. Rns 1 9 7 7 , S. 3 3 3 - 3 3 4 , N. Skyum -N ielsen 1 9 8 1 , passim.

447 Dipl. D an . I 7 N r. 1 5 6 ; vgl. J.S. J e n s e n 2 0 0 3 , S. 2 0 3 - 2 0 6 . Jø rg en Steen Jensen erinnert zu R e c h t daran, daß die M ünze au f die Kreuzzüge gegen die W enden hinweisen könnte.

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auf dem Gras ist seine Fröhlichkeit,«448 ferner: »Wie das Gebrüll des Löwen ist die Drohung des Königs, wer die auslöst, sündigt gegen seine Seele,«449 und zuletzt: »Der Unfromme (impius) flieht, von niemandem verfolgt; aber der Gerechte wird wie ein vertrauensvoller Löwe ohne Furcht sein.450 Die drei Stellen machen es durchaus wahrscheinlich, daß die drei Löwen im Wappen die Königsmacht symbolisieren mit dem weiteren Hinweis, daß das Nichteinhalten der königlichen Befehle eine Sünde wäre. Diese Interpretation ist mit Nils G. Bartholdys Hypothese vereinbar, nach der die Annahme des Löwenwappens die dänische Ei­ genständigkeit dem Kaiser gegenüber symbolisieren sollte, beide Motive können eine Rolle gespielt haben.451 Für die Herzen ist ein Vers aus dem Psalter Davids von Belang: »Die Gerechtigkeit des Herrn ist recht und freut die Herzen; der Befehl des Herrn ist klar und erhellt die Augen.«452 So dürfen wir wohl in diesem Wappen (und Rücksiegel) eine Allegorie auf die königliche Macht als Abbild der göttlichen Macht sehen.

Die Knud Laward-Liturgie Sie entstand allem Anschein nach in Anknüpfung an die Translatio des Herzogs am 25. Juni 1170. Da die Kanonisationsbulle vom 8. Novem­ ber 1169 wohl erst gegen Ende des Jahres nach Dänemark gelangte, darf man vielleicht wagen, die Liturgie auf das Frühjahr 1170 zu da­ tieren, jedenfalls für die Translationsfeier. Für die Passionsfeier am 7. Ja­ nuar heißt es im Vespergebet: »Selig ist der, auf dessen Haupt Gott die Krone setzte, er umzingelte ihn mit der Mauer der Erlösung, stattete ihn mit dem Schild des Glaubens und mit einem Schwert aus, damit er die Heiden {gentes) und alle Feinde bekämpfte« und weiter: »Dieser ist wirklich ein Zeuge (martyr) Christi, der Ritter Knud, den Gott als 448 Prov. X I X 12: »Sicut fremitus leonis ita et regis ira, et sicut ros super herbam ita et hi­

laritas eius.« 449 Prov. X X 2: »Sicut rugitus leonis, ita et terror regis; qui provocat eum peccat in animam

suam.« 450 Prov. X X V I I I 1: »Fugit impius, nemine persequente; iustus autem quasi leo confidens

absque terrore erit.« 451 N .G . B artholdy 1 9 8 3 , S. 1 6 -2 0 ; ders. 1 9 8 4 , S. 2 3 -3 0 .

4d2 P s. X V III

9: »Iustitiae Domini rectae, laetificantes corda; praeceptum Domini lucidum, illuminans oculos.«

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Führer seines Volkes einsetzte, der nicht erhoben werden wollte. Er war aber unter ihnen wie einer von ihnen. Der Herzog war ein gerechter Richter, ein Löwe den Harten und ein Lamm den Friedfertigen ge­ genüber.«453 Knud wird später mit einer Purpurblume verglichen,454 wodurch seine königliche Abstammung unterstrichen wird. Die politische Theologie wird in den Messetexten weiter ent­ wickelt: Gott hat eine Krone aus Edelsteinen auf Knuds Haupt gesetzt, und Knud wird aufgefordert, an den Thron Christi zu treten und das himmlische R eich für die Demütigen und die eigenen Diener (d.h. seine Verehrer) zu verlangen.4·*5 Ferner erfahren wir, daß Knud aufgrund seines Verhaltens König hätte sein sollen;456 er ist ferner unser Führer auf dem Wege nach dem himmlischen Jerusalem.457458Für die Passionsfeier erzählt das Evangelium den Einzug Jesu in Jerusalem am Palmsonntag und für die Translati­ onsfeier am 25. Juni berichtet das Evangelium, wie Jesus die Weisun­ gen an die Apostel gibt.4158 So unterstreichen die Evangelien die kö­ nigliche Würde und die Mission, ferner wird Knud als Hirte und Füh­ rer des auserwählten Volkes dargestellt. 453 »Beatus vir cuius capiti dominus coronam imposuit muro salutis circumdedit, scuto fid ei

et gladio muniuit ad expugnandas gentes et omnes inimicos«, ferner » ... Hic est uere martyr Cristi miles Kanutus quem dominus constituit ducem populi sui qui extolli no­ luit. Set fu it inter illos quasi unus ex illis. D ux iudex iustus. seuis leo mitibus agnus.« Diese Teile der liturgischen Texte finden sich in T h . R n s 1 9 7 7 , S. 2 0 2 -2 0 3 . 454 V SD 2 2 3 ZI. 16. 455 T h . R n s 1 9 7 7 , S. 2 0 4 (nicht in V SD ): In passione In translatione Graduale Posuisti, domine, super capud eius Domine, preuenisti eum in benedictionibus corondm de lapide precioso. dulcedinis, posuisti in capite eius coronam de V. Desiderium anime eius tribuisti lapide precioso. ei, non fraudasti eum. V. Uitam peciit, et tribuisti ei longitudinem dierum in seculum seculi. Alleluia Alleluia. Ueni, alme Kanute, ad Alleluia. Egregie martyr Christi Kanute, Christi solium sanctum, humilibus implora pro nobis ad dominum Iesum et tuis deposce famulis regnum celeste. Christum. 456 V SD 2 2 6 Zl. 9 -1 2 . 4:>7 V SD 2 2 8 Zl. 3 1 -3 5 : »Ductor noster, dux Kanute, nos transire cum uirtute/Facper tem­

poralia!/Te ductore, cum te duce perfruamur uera luce/Et eterna gloria/In Ierusalem su­ perna!« (in translatione). 458 Johs. X II 2 4 - 2 6 (in passione ), M ath. X 2 6 -3 2 (in translatione).

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Die offizielle Königsideologie

W ir wissen, daß der 25. Juni und nicht wie sonst der Todestag als Feiertag Knuds festgelegt wurde. Zwei Motive scheinen dabei von B e­ deutung gewesen zu sein. König Niels wurde am 25. Juni 1134 getö­ tet, und man könnte gefürchtet haben, daß eine antiwaldemarische Li­ nie für seine Kanonisation arbeiten würde. Knud konnte so diese Möglichkeit schwächen, gleichwohl nicht ganz eliminieren, denn auch für Niels hätte man einen anderen Tag als den Todestag wählen kön­ nen. Wichtiger war vielleicht die zweite Überlegung: Am 24. Juni fei­ ert man Johannes den Täufer, und seine Feier ist so groß, daß man auch den Vorabend, am 23. Juni, feiert. Die Translation Knuds würde so der dritte in einer Reihe von Feiertagen sein, die den Vorläufern gewidmet war: am 23. und 24. Juni dem Vorläufer Christi und am 25. Juni dem Vorläufer Waldemars. Daß Knud als Patron der dänischen Expansion im Baltikum zu betrachten ist, geht aus der Gründung der Kauf­ mannsgilde, die mit Gotland und Rußland Handel trieb, deutlich her­ vor,4b9 ferner zogen die Mönche am 25. Juni 1172 ins Darguner Klo­ ster ein, das eine dänisch inspirierte Gründung war.

D er Platz Saxos in der offiziellen Ideologie W ir haben verschiedene Quellengattungen betrachtet und können feststellen, daß die Siegel und Münzen die Gleichstellung des däni­ schen Königs mit dem Kaiser unterstreichen; daneben wurden zwei Themen, nämlich die königliche Würde und die Mission, hervorgeho­ ben. Dieselben finden wir in der Knud-Laward-Liturgie, im Ripener Relief, aber auch bei Saxo, denn wir dürfen in den Wendenkämpfen das missionarische Element nicht ganz vergessen. Die Arengae der U r­ kunden und die Kirche in Vä fügen eine neue Dimension hinzu, in­ dem der dänische König als Abbild Gottes dargestellt wird, was wir mehrmals bei Saxo konstatiert haben (die Geburt Christi ist typologische Parallele zur Geburt Waldemars I. usw.). So paßt Saxo ganz deut­ lich in die offizielle Königsideologie hinein, und wir müssen jetzt fra­ gen, ob sie neu ist und wer sie eingeführt hat. In ihren beiden Arbeiten hat Birgit Strand/Sawyer versucht zu zei­ gen, daß Saxo zwar einen offiziellen Auftrag von Absalon erhalten hat-459 459 D ip i Dan. I 3 Nr. 6 3 , 1177.

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Kapitel 5

te, daß es ihm aber dennoch gelungen sei, indirekt und zwischen den Zeilen die eigene kritische Auffassung darzulegen.460 Zum Beispiel wäre unser Verfasser mit den waldemarischen Bestrebungen, das Erb­ königtum einzuflihren, nicht einverstanden. Birgit Sawyer sieht in Sa­ xos Darstellung Knud Lawards zwar eine mögliche Glorifikation des Waldemarischen Zweiges der Königsfamilie, aber auch eine Kritik sei­ ner politischen Naivität, da er Magnus als seinen Freund behandelte.461 Gewiß, aber hier geht es nicht um die objektive Bewertung einer hi­ storischen Person, sondern um die Rechtfertigung ihrer Kanonisation und hier ist die Arglosigkeit Knuds durchaus eine Qualifikation, indem er —wie Christus - durch den Verrat eines angeblichen Freundes getö­ tet wurde. Es ist auch richtig, daß Saxo die Kanonisation Knud Lawards sehr kurz beschreibt, wie übrigens auch die Krönung Knuds V I.462 Dafür werden die Designation Knuds durch die Großen, der ihm geleisteten Eid sowie die Argumente der Opposition ausführlich dargestellt.463 So hatte auch der Anführer der Aufständischen gegen Knud den Heiligen ihr Handeln im Widerstandsrecht begründet.464 Daß Saxo die Auffas­ sung der Gegner nicht verschweigt, erlaubt uns nicht, hierin - ohne weitere Beweisführung - eine Kritik des Verfassers zu entdecken. Viel­ mehr erreicht er eine Spannung in der Darstellung, die den Leser fes­ selt. Für Frau Strand/Sawyer spielt die Erzählung von Thyras anschei­ nender Keuschheit eine große Rolle, indem sie in ihr eine Kritik des Erbkönigtums sieht.465 So wäre Harald Blauzahn der einzige König ge­ wesen, der nicht gewählt wurde. Dieses trifft nicht zu, denn auch Ha­ rald Hildetan übernahm das R eich nach dem Tod seiner Mutter Gyri-

460 B . Strand 1 9 8 0 , S. 2 5 5 -2 5 8 ; B. Sawyer (geb. Strand) 1 9 8 5 , S. 4 8 . O bw ohl die Verfasserin m eine A rbeit über die politischen R eichsinstitutionen zitiert (Th. RllS 1977) hat sie anscheinend m eine U ntersu ch u ng über die Ideologie Saxos (ebda, S. 8 6 -1 5 0 ) nicht benutzt. 461 B. S a w y e r 1 9 8 5 , S. 4 4 . 462 S a x o I 4 8 0 Z I. 1 9 - 2 2 .

Saxo I 4 5 5 ZI. 10 - 4 5 6 ZI. 9. Saxo I 3 2 6 ZI. 2 5 -3 8 . 465 B. Strand 1 9 8 0 , S. 2 5 5 -2 5 7 ; B. Sawyer 1 9 8 5 , S. 4 7 -4 9 .

463 464

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Die offizielle Königsideologie

tha.466Vielleicht hat Frau Strand/Sawyer recht in ihrer sonstigen Inter­ pretation der Thyra-Erzählung, nur läßt sich diese kaum als Kritik des Erbkönigtums lesen. Ferner bleibt es ein Postulat, daß die Hochzeit Knuds VI. mit der Tochter Heinrichs des Löwen einen Wechsel der königlichen Ratge­ ber bewirkte.467 Auch diese Behauptung läßt sich in der Tat nicht be­ stätigen. Knud und Gertrud heirateten im Jahre 1177, was zeitlich mit dem Erzbischofswechsel zusammenfiel. Es ist richtig, daß Absalon da­ nach seltener als früher als Briefzeuge erscheint, aber daraus läßt sich kein verminderter Einfluß schließen. Vielmehr behielt der greise Poli­ tiker den Überblick, indem er die nächste Generation —vor allem die Neffen Andreas und Peder Sunesen — auf den Dienst in Kirche und Staat vorbereitete.468 Können wir der Hypothese Birgit Strands/Sawyers nicht beipflich­ ten, so hat sie doch eindeutig recht, wenn sie die Gesta Danorum als ei­ nen Königsspiegel betrachtet.469470Die Ideologie Saxos muß jedoch als offiziell angesehen werden, weil wir dieselbe in anderen als eindeutig offiziell zu betrachtenden Quellengattungen finden. Im Laufe des 12. Jahrhunderts gab es Ansätze zu einer energischeren Königsideologie, z.B. legt sich König Niels die Devotionsformel dei gratiam zu. In den anderen Bereichen kommt man aber über die Nach­ ahmung des Kaisers nicht weiter hinaus. Das Neue in der Waldemarischen Ideologie ist das Erscheinen der Nachahmung Christi neben der Nachahmung des Kaisers, worin man vielleicht zum Teil einen byzan­ tinischen Einfluß erkennen kann. Die sehr ausgeprägte königliche Ideologie tritt vor allem unter Wal­ demar I. und Knud VI., weniger unter Waldemar II. auf. Mit der zu­ nehmenden Sachlichkeit nach 1200 wurden ähnliche Ausführungen allmählich überholt; es ist naheliegend, sich vorzustellen, daß es Absa­ lon war, der diese offizielle Ideologie gestaltete. Er hatte wohl in

466

Saxo I 2 0 6 -2 0 7 .

467 B. Strand 1 9 8 0 , S. 2 3 7 -2 4 1 . 468 Vgl. Dipl. Dan. I 3 N r. 1 2 8 -1 3 3 ; spätestens 1 1 9 6 erscheint Andreas Sunesen als Kanzler, ebda. N r. 2 1 5 -2 1 6 . 469 B. Sawyer 1 9 8 5 , S. 34. 470 Dipl. Dan. I 2 N r. 3 2 [1 1 0 4 -1 1 1 7 ] und 3 5 [1 1 0 4 -1 1 3 4 ].

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Frankreich studiert, er kannte junge Aristokraten, die sich in Byzanz hatten ausbilden lassen, und obwohl er die Gestaltung der Ideologie nicht in allen Einzelheiten überwachen konnte, war er es wohl, der die Richtlinien setzte. Im Fall Saxos haben wir seinen Einfluß einschätzen können: Absalon lieferte dem Verfasser einen Teil seiner Quellenunter­ lagen, bestimmte das Schlußjahr der Darstellung und hat wohl manch­ mal bestimmte Abschnitte oder Episoden mit dem Verfasser erörtert. Der alte Erzbischof erlebte die Vollendung des Werkes nicht. Saxo hat es aber auf eine solche Weise abschließen können, daß es heute vom Anfang bis zum Schluß eine innere Konsistenz darbietet. Am Rande sei hier bemerkt, daß die Herrschaft Frodes des Friedfertigen im 5. Buch über fast das gesamte nicht-römische Europa - er war ja Zeit­ genosse des Augustus - eine Parallele in der Kreuzzugsrede des Esbern Snare (Bruder Absalons) um Weihnachten 1187 hat, als man am däni­ schen Hofe die päpstliche Aufforderung zum Kreuzzug empfing: In der Vergangenheit haben die Dänen die Normandie, England, Norwe­ gen und fast den ganzen Ostseeraum beherrscht, sie haben in Byzanz gekämpft und haben sowohl Röm er als auch Langobarden geschla­ gen.471 Die Rede wird in einem wohl in Dänemark vor 1202 entstan­ denen Werk mitgeteilt.472

471 D e profectione Danorum in Hierosolymam, in: SM II 4 6 5 -4 6 7 Kap. 5; die päpstliche Bulle: Dipl. Dan. I 3 N r. 1 4 4 /S M II 4 6 3 -4 6 4 . 472

Skånland 1 9 6 8 , Sp. 4 7 6 .

K a p it e l 6

Das Nachleben Saxos Saxos Latein ist sehr schwierig - so schwierig, daß man im 14. Jahr­ hundert, vor 1340, eine gekürzte und vereinfachteVersion, das soge­ nannte Compendium Saxonis anfertigte.473 Die Originalfassung der G e­ sta Danorum wurde im Laufe des Mittelalters allmählich vergessen, bis der alte Verfasser Anfang des 16. Jahrhunderts neue Aktualität erhielt. Die dänische Geschichte in der Interpretatio Romana —ein solches The­ ma wußten die internationalen Humanisten richtig einzuschätzen, und durch die Veröffentlichung des Werkes konnten die Gelehrten über dieses nordische Land erfahren, daß es immer ein eigenständiges, un­ abhängiges Gegenstück zu R om gewesen war. Die Darstellung der ruhmreichen dänischen Vergangenheit erschien in Paris im selben Jahr, als König Christian II. die Enkeltochter Kaiser Maximilians heiratete. Noch dreihundert Jahre nach dem Entstehen waren die Gesta Danorum propagandistisch wirksam.474 Erasmus von Rotterdam war begeistert, und das Buch wurde im Lau­ fe des 16. Jahrhunderts zweimal gedruckt. Für die internationale For­ schung hat Saxo ein erneutes Interesse bekommen, aber leider nur be­ züglich der legendären Zeit. Sagenforscher und Religionshistoriker finden in den ersten neun Büchern vieles zum Studieren, und Über­ setzungen davon existieren auf Deutsch, Englisch und Französisch.475 Hierdurch sind aber die letzten Bücher vernachlässigt worden. Für die meisten dänischen Leser war der lateinische Text zu schwie­ rig; schon der Herausgeber des lateinischen Pariser Druckes Christian Pedersen bastelte an einer dänischen Übersetzung, die - falls sie über­ haupt vollendet wurde - beim Brand der Kopenhagener Universitäts-

473 474

Vgl. A . Leegaard K nudsen 1 9 9 4 , passim. F riis-J ensen 19 8 9 B , S. 1 4 9 -1 5 3 .

475 N eben den in Saxo I 561 aufgefiihrten Ü bersetzungen au f Englisch und Fran­ zösisch: H. E . Davidson & P. F isher 1 9 8 0 ; J.-P . T roadec 1 9 9 5 .

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bibliothek 1728 verloren ging. Für die wechselnden Regierungen Dä­ nemarks im 16. Jahrhundert war es wichtig, die Geschichte Dänemarks nach 1185 darstellen zu lassen, daher wurden königliche Historiogra­ phen ernannt, denen dies jedoch nicht gelang. Einem unter ihnen, An­ ders Sørensen Vedel, verdanken wir die erste dänische Fassung der G e­ sta Danorum (1575), die eher eine Nachdichtung als eine eigentliche Übersetzung ist. Wer es aber schaffte, war der Justitiar und Reichsrat Arild Huitfeldt, der im Laufe von etwa zehn Jahren - von 1595 bis 1604 —eine Geschichte Dänemarks bis zum Tod Christians III. (1559) veröffentlichte.476 Wichtig bei Huitfeldt ist die häufige Verwendung von Urkunden, die er vereinzelt ins Dänische übersetzt. Zweifelsohne hatte Huitfeldt durch seine Tätigkeit als Justitiar die Bedeutung von Dokumenten kennengelernt. Das Interesse für den alten Historiker war nicht erloschen, denn im Jahre 1644 veröffentlichte Stephan Hansen Stephanius eine philolo­ gisch durchgearbeitete Edition mit mehreren wertvollen Konjekturen, der im folgenden Jahr ein wissenschaftlicher Kommentar folgte. Es sollte zwei Jahrhunderte dauern, ehe eine ähnliche Veröffentlichung mit der von P.E. Müller und J.M.Velschow erarbeiteten Edition (183958) erschien. Im 20. Jahrhundert erschien so diejenige von J. Olrik und H. Ræder (1931) mit dem von Franz Blatt zusammengestellten W ör­ terbuch zu Saxo (1957), während jetzt (2004) eine neue Edition vor­ bereitet wird. Stephanius Werk hinterließ auch in der Vermittlungsarbeit ihre Spu­ ren, denn im Jahre 1752 erschien eine Neuübersetzung (durch Sejer Schousbølle & L. Thura) mit Erläuterungen.477 War der alte Verfasser somit nicht vergessen, erlebte sein Werk im 19. Jahrhundert eine veritable Renaissance, was nicht nur mit der ro­ mantischen Bewegung zusammenhing. Hier muß man aber daran er­ innern, daß es in der Romantik zwei Richtungen gibt, eine heidnische und eine christliche. Die heidnische geht letzten Endes aufJames Macpherson zurück, der die angeblich vom vorchristlichen Dichter Ossian verfaßten Gedichte seit 1760 veröffentlichte, obwohl sie in der Tat von 476 Siehe hierzu E. J ørgensen 1 9 6 0 , S. 1 0 6 -1 1 6 . 477 Ü bersicht der E ditionen und Ü bersetzungen in S a x o I 5 5 5 -5 6 1 , hier S. 5 5 8 559.

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Das Nachleben Saxos

Macpherson selbst waren. Die vorchristliche Literatur und die wilde, unberührte Natur wurden zum Kennzeichen dieser Richtung der R o ­ mantik; Island und Norwegen konnten später ohne Schwierigkeiten in diesen Zusammenhang eingebracht werden. Als romantisches Denk­ mal par excellence muß man the Hermitage in Schottland zwischen Perth und Pitlochry erwähnen. Hier wurden Ende des 18. Jahrhun­ derts in einem Wald romantische Sehenswürdigkeiten wie die Hütte Ossians oder eine Waldkapelle über einem Fluß eingerichtet. Die frühe schottische Romantik mußte notwendigerweise heidnisch sein, denn nach dem letzten großen Aufstand, der mit der Schlacht bei Culloden (1746) endete, waren Manifestationen der schottischen Kultur (z.B. das Tragen von Tartans) verboten worden; erst Ende des 18. Jahrhunderts wurden sie wieder erlaubt.478 Neben der heidnischen Richtung gab es eine andere, christlich ori­ entierte, die sich naturgemäß für das Mittelalter interessierte. Diese Richtung findet man in Frankreich, wo man seit der ägyptischen Ex­ pedition Bonapartes 1798-99 ein gewisses Interesse für die Kultur und Geschichte der Levante hegte. Chateaubriands Itinéraire de Paris ä Jeru­ salem (1811) und von Victor Hugo Les Orientales (1829) sind nur zwei Beispiele; in Schottland schrieb Sir Walter Scott seine zahlreichen R o ­ mane mit Themen aus der schottischen Geschichte, blieb aber in der historischen Zeit. In Deutschland wie in Dänemark waren beide R ich ­ tungen vertreten, und was wir jetzt über Saxo wissen, erlaubt uns fest­ zustellen, daß er für beide Richtungen von Belang war. Nach dem ruhmreichen Kampf 1801 gegen die britische Flotte - auf Admiral Nelsons Grabdenkmal in der St Pauls Cathedral in London stehen die Namen seiner drei größten Schlachten: Abukir, Copenhagen, Trafalgar - kam die Stunde der Wahrheit: Die dänische Regierung ließ sich nicht in ein Bündnis mit Großbritannien drängen, Kopenhagen wurde bombardiert und die Flotte, eine der größten der damaligen Welt, wurde erobert.479 Das Engagement auf der Seite Frankreichs in den Napoleonischen Kriegen erwies sich als verhängnisvoll: Norwegen ging verloren (1814), und Dänemark ging bankrott (1813).

478 V g l.T Q Smout 1 9 7 2 , S. 3 2 1 . 479 Z u m H intergrund der britischen Angriffe au f Kopenhagen 1801 und 1 8 0 7 , siehe T h . R u s 1 9 9 6 , S. 7 9 5 -7 9 6 .

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Kurz danach erschienen neue Übersetzungen Saxos und des seelen­ verwandten Isländers Snorre Sturlason, alle beide durch N.F.S. Grundt­ vig vorbereitet (1818-22). Grundtvig ist überhaupt eine eigenartige Gestalt im 19. Jahrhundert: Maniodepressiv und langlebig (1783-1872) leistete er unglaublich viel, als Dichter entdeckte er mittelalterliche griechische und lateinische Kirchenlieder wieder und übersetzte sie, worin er von einer ähnlichen Richtung in der anglikanischen Kirche beeinflußt war. Diese führte schließlich die Konversion J. H. Newmans zum Katholizismus herbei sowie die Wiederherstellung der schotti­ schen Abtei Pluscarden als katholisches Kloster durch den Marquess of Bute. Grundtvig selbst dichtete neue Kirchenlieder, war politisch aktiv und führte übrigens seit dem Besuch des Gymnasiums einen Kreuzzug gegen die klassische Bildung - ohne die er das, was er tat, nicht hätte erreichen können.480 In einem als Einleitung zur Saxo-Übersetzung dienenden Gedicht erfand Grundtvig einen neuen Namen für Saxo, er durfte auf dänisch Grammaticus nicht heißen, so wurde er zu Saxe Runemester. Da wir ge­ sehen haben, wie sehr Saxo von der lateinischen Kultur beeinflußt war, mutet dieser neue Name merkwürdig an. Ein paar Strophen übersetze ich als Probe:481 »Saxe Däne, alter Freund Däne auch in den Fesseln des Lateins, Runenmeister ist nur der, der schreiben kann, wie er denkt,

»Saxe Dansker! gamle Ven, Dansk selv i Latinens Lænker! Runemester er kun den, Der kan skrive, som han tænker,

480 Z u Grundtvigs Biographie, siehe K .E . B ugge & P. E ller 1 9 8 0 , passim. 481 G rundtvig huldigte Saxo schon 1 8 2 2 in einem G edicht, das er im dritten Band seiner Ü bersetzung drucken ließ. H ier sieht er das W erk Saxos als eine Lehre flir die eigene Zeit: D änem ark kann niemals durch die Gewalt der Feinde, durch Katastrophen, sondern nur durch innere Konflikte zugrunde gehen, sie­ he Grundtvigs Udvalgte Skrifter IV, S. 1 8 3 -1 8 8 . D ie zitierten Strophen stammen aus dem Einleitungsgedicht zur zweiten Auflage (1 8 5 5 ) der Ü bersetzung, ebda., S. 1 9 6 -1 9 9 . Aus einer anderen Strophe geht hervor, daß »Runenm eister« eine bew ußte U m b enen n un g durch G rundtvig war, anstatt des von ihm verhaßten lateinischen »Grammaticus«. D ie beiden Huldigungen Saxos zeigen, wie anti­ klassisch G rundtvig im Verlauf einer G eneration geworden war.

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Das Nachleben Saxos

der frei und offen482 denken kann, der Licht und Schatten zeichnen kann, der weiß und schwarz zeichnen kann zeichnen alles, was Worte ausdrücken können.

Der kan tænke frit og fort, Der kan tegne Lys og Skygger, Der kan tegne Hvidt og Sort, Tegne alt, hvad Ord udtrykker!

Jetzt fragen wir mit Fleiß alle unsere deutschen Gäste ob sie aus der Zeit des Rotbarts unseres Runenmeisters gleichen haben, der obwohl in römischen Fesseln Runensteine setzen konnte jedem Helden im nordischen Geiste, jedem Vogel in der Krone der Buche.«

Nu udfritter vi med Flid Alle vore tyske Giæster, Om de har fra »Rødskiægs« Tid Mage til vor Runemester, Som, i romersk Bast og Baand, Reise kunde Runestene For hver Helt i Nordens Aand, For hver Fugl paa Bøgens Grene!«

Grundtvigs Übersetzung erlebte vier Auflagen nach der ersten, die von 1855 bis 1924 erschienen. Dazu trug wahrscheinlich die von Grundt­ vig inspirierte Volkshochschulbewegung bei, in der die Übersetzung des Meisters natürlich vorzuziehen war. Spätere Übersetzungen wur­ den 1898 von F. Winkel Horn und von 1909 bis 1912 von Jørgen O lrik veröffentlicht;483 flir den wissenschaftlichen Gebrauch, d.h. zur schnellen Orientierung, werden beide benutzt. Ein weiterer Aufschwung des Interesses für das dänische Mittelalter kam mit den historischen Romanen B.S. Ingemanns (1789-1862).484 Ingemann war 1822 zum Lehrer der dänischen Sprache und Literatur an der Sorøer Akademie ernannt worden, die eine höhere, univer­ sitätsvorbereitende Schule war und ist. Für den von Walter Scott be­ einflußten Verfasser führte die Übersiedlung nach Sorø notwendiger­ weise zur Beschäftigung mit der mittelalterlichen Geschichte Däne­ marks und vor allem mit der Glanzzeit unter den Waldemaren, beson­ ders weil die Zeitgeschichte nicht besonders ermutigend war: Staats­ bankrott 1813,Verlust Norwegens 1814, Wirtschaftskrise ab 1818 mit

482 »Frit og fort« — eine bew ußte Alliteration. 483

Saxo I 5 6 0 -5 6 1 . E ine neue Ü bersetzung von Peter Z eeb erg, Saxos Danmarks Historie I—II, erschien in K openhagen 2 0 0 0 .

484 Z u seinem Lebenslauf, siehe R ubow

1981

, passim.

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Kapitel 6

dem Konkurs mehrerer bekannter Handelshäuser Kopenhagens (1820). Die Sorøer Akademie war und ist die physische Nachfolgerin des Sorøer Klosters, und als die Gebäude 1813 niederbrannten, wurde die Kirche nicht betroffen. Hier, in der mittelalterlichen Klosterkirche, wurde Absalon begraben, und generell muß Sorø als Hauskloster der »Hvide«-Sippe betrachtet werden.485 Von der Umgebung (die Grabkirche der Waldemaren, Ringsted, ist 15 Kilometer von Sorø entfernt), aber auch von der Saxo-Übersetzung des befreundeten Grundtvigs beeinflußt, träumte Ingemann von der Wiedergeburt Dänemarks. Daß eine solche möglich war, zeigte ihm gerade die Geschichte der Waldemaren. Das erste seiner historischen Werke, das epische Gedicht Valdemar den Store og hans Mænd (1824) enthält ein Programm,486 das ich hier frei übersetze: »Steh auf aus dem Grab, du verstorbenes Geschlecht erzähle uns deinen Sturz und beschreibe uns deine Sünde warn uns vor dem Urteil der Vernichtung und zeige uns, woher deine Erlösung kam

»... Stig op af Graven, du Slægt, som døde! Forkynd dit Fald og afmal din Brøde! Advar os for Udslettelsens Dom, Og viis os hvorfra din Frelse kom!

Was Dänemark war, kann es wieder werden noch lebt der Geist der Alten hier auf Erden.«

Hvad Danmark var, kan det atter blive: Endnu er Fædrenes Aand ilive.«

DemVersroman folgten mehrere Prosawerke: Valdemar Seier (1826), des­ sen Einleitungskapitel Saxo bei der Arbeit darstellt, Erik Menveds Barn­ dom (1828), Kong Erik og defredløse (1833), das sich mit dem Königsmord

485 T h . H ill 1 9 9 2 , S. 2 2 4 -2 4 5 . 486 D ie acht ersten Zeilen finden sich im Prolog, die vier Letzten im Epilog, Inge-

manns Samlede Skrifter 2. Afd. I, S. 3 und 2 9 6 . D ie fünfte bis achte der hier zitierten Zeilen werden im Epilog kurz nach den hier zitierten Zeilen 9 -1 2 w iederholt (S. 2 9 6 ).

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Das Nachleben Saxos

1286, mit dem Kirchenkampf der 1290er Jahre und mit den wegen des Königsmords gebannten Politikern beschäftigt. Prinds Otto a f Danmark og hans Samtid (1835) erzählt vom unglücklichen Restaurationsversuch des Bruders des späteren Waldemar Atterdags, und die Reihe wurde nochmals mit einemVersroman, Dronning Margrete (1836),abgeschlossen. Besonders die Prosaromane hatten einen Riesenerfolg, und ihre B e­ deutung für die nationale Erweckung kann kaum überbewertet wer­ den. Für die frühe Volkshochschulbewegung, besonders für den Orga­ nisator Christen Kold, hatten die Romane Ingemanns sich als beliebte Lektüre zum Vorlesen bewährt. Für den Kulturkampf im Grenzland waren sie hochwichtig und wurden als für die dänischen Bibliotheken in Schleswig passend angesehen. Heimkehrende Soldaten aus dem er­ sten schleswigschen Krieg 1848-50 machten in Sorø Station, um In­ gemann zu huldigen.487 Die erste Volkshochschule wurde 1844 im nordschleswigschen R ød ­ ding eröffnet, und im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden immer mehr gegründet. Als Institutionen der Lehre sind sie ganz eigenartig, denn Prüfungen, Zeugnisse und andere Beweise der Kenntnisse sind streng untersagt. Es ging um die unteren Schichten, das heißt vor allem um die Bauern, die zur Teilnahme am politischen Leben erzogen werden sollten, denn 1849 hatte Dänemark eine demokratische Verfassung erhalten. Didaktisch konzentrierte man sich auf den freien Vortrag, dänische Sprache und Literatur sowie Geschichte waren die Unterrichtsfächer par excellence. Neben diesen konnten praktische Fächer gelehrt werden: z.B. Methoden zur Verbesserung der Landwirt­ schaft. Besonders berühmt war der Physiker Poul la Cour, der als Lehrer an derVolkshochschule in Askov nördlich der Königsau eine Windmüh­ le konstruierte, die den Elektrizitätsbedarf eines Bauernhofes decken konnte. Anfang dieses Jahrhunderts wurden überall Windmühlen er­ richtet, und zwar nach dem la Courschen Modell.488 So zielten die Volkshochschulen vor allem auf die bäuerliche Jugend; charakteristisch ist es, daß die Veranstaltungen in den Monaten von November bis März, also während der landwirtschaftlich toten Zeit, stattfanden, auch daß der Unterricht weniger auf den Erwerb realer 487 L. Pjerup 1 9 9 1 , S. 3 4 1 -3 4 4 . 488 J. Arnfred 1 9 8 1 , S. 4 4 8 .

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Kenntnisse als auf die geistige Erweckung hinzielte, und hierbei dien­ te Saxo als Mittel. Aber gegen Ende des 19 Jahrhunderts entstand eine pazifistische B e­ wegung, die sich 1905 in einer eigenen linksliberalen Parteienbildung, derjenigen der Radikalen Linken (»Radikale Venstre«), herauskristalli­ sierte. Die Anhänger der Partei gehörten zwei Hauptgruppen an, der fortschrittlichen Intelligenz und den Kätnern.Vor allem die radikale In­ telligenz stimmte ganz der radikalen Saxokritik der Weibull-Brüder zu, und wohl nicht ausschließlich aus geschichtswissenschaftlichen Ursa­ chen. Saxo hatte dem Nationalismus im 19.Jahrhundert, direkt oder in­ direkt, Munition geliefert; der Nationalismus hatte zur Niederlage 1864 und zum Verlust Schleswigs geführt, und die pazifistische radikale B e­ wegung war als Reaktion darauf, zur Bewältigung dessen, entstanden. Die nationale Bewegung hatte die Nachrichten Saxos, vor allem die zeitgenössischen, unkritisch akzeptiert, und jetzt zeigte die Wissen­ schaft, daß er die Wahrheit manipuliert hatte und ein Propagandist war. Die Weibullsche Kritik traf hart und präzise, und alle, auch die kon­ servativsten Historiker, mußten sie akzeptieren. Aber leider wurde die Weibullsche Kritik als eine totale Ablehnung angesehen, während sie sich richtig gelesen nur auf die Glaubwürdigkeit Saxos als historische Quelle zur Ereignisgeschichte bezieht. Beide Brüder waren durchaus bereit, die dichterische Qualität des alten Verfassers und seinen Wert als Quelle zur Ideologie und Propaganda seiner Zeit anzuerkennen. Lei­ der sollte es fast zwei Generationen dauern, ehe die Forscher began­ nen, sich mit Saxo als Überrest, als literarischem Werk der Zeit um 1200, zu beschäftigen. Ob die geplante Neuedition und Neuüberset­ zung zu einem neuen Interesse an den Gesta Danorum als Literatur fuhren werden, bleibt abzuwarten. Einiges von Saxo ist den heutigen Dänen direkt oder indirekt ge­ blieben, obwohl er in den Kampagnen vor den Volksabstimmungen über Europa (1972, 1986, 1992-1993) meines Wissens wenig oder überhaupt nicht gebraucht wurde.489 In der anti-europäischen, weitge­

489 D ahingegen m ahnten im Jahre 1 9 9 4 die schwedischen E U -G e g n e r, die durch den K am p f Gustav Vasas gegen die D änen (1 5 2 1 -2 3 ) erreichte Freiheit nicht w ieder rückgängig zu m achen, wie ich es bei einem Besuch im Septem ber des­ selben Jahres in Stockholm feststellen konnte.

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Das Nachleben Saxos

hend von Grundtvig inspirierten Argumentation werden antirömische Töne gespielt, was direkt auf Saxo zurückgeht. W ir sahen ja, daß er die Dänen als autochthon betrachtete, indem er ihre etwaige römische oder trojanische Abstammung ablehnte. In der kulturkritischen Gei­ stesrichtung wird der christliche, besonders der katholische Glaube, als unnordisch aufgefaßt, der die ursprüngliche, freie Denkweise verdor­ ben hat. So wird das Heidentum als echt und das Christentum als un­ echt dargestellt. Daß Saxo diesen Gedanken durchaus nicht hätte ak­ zeptieren können, ist selbstverständlich, aber die reservierte Haltung R om gegenüber basiert letzten Endes auf ihm sowie auf dem Sieg der Reformation. Und wer im Juni 1992 nach dem Votum gegen den Maastrichter Vertrag den dänischen Sieg über Deutschland im Endspiel um die Europameisterschaft im Fußball erlebte, fand im Jubel auch einige wenig harmonische Töne des Nationalhasses. Unser alter Verfasser ist aber so vielseitig, daß er sich auch als eu­ ropäische Leistung, als ein Werk der europäischen Literatur lesen läßt, und so hat er im vereinten Europa auch eine Zukunft als Beweis dafür, daß Zeugnisse der Kultur eines kleinen Landes sehr gut im vereinten Europa überleben können, wenn ihre Qualität gut genug ist.

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Anhang Möglicherweise durch Saxo erwähnte Urkunden 1. Friedensvertrag zwischen dem Kaiser und dem König von Däne­ mark: 'Huic [Gøtrik/Gudfreds Sohn Olav] succedit Hemmingus, cuius dignum memoratu opus non reperi, nisi quod pacem cum Ccesare Lodowico [I, 814— 43] iurisiurandi firmitate composuit’ (Saxo I 250 Zl. 6-7). 2. Der König von Dänemark bittet den Papst Agapit (II., 946-55) um Missionare (der König war in England getauft worden, Saxo I 265 ZI. 23-24; aber er starb bevor die päpstliche Botschaft ihn erreichte): 'Ceterum privatam salutem suam in publicam exuberare cupiens, ab Agapito, qui tunc civitatis Romance sacris præerat, Daniam divinitus erudiri peti­ vit. Quod antequam votis exsequeretur; absumptus est; nam fatis suis Romanœ legationis præcucurrit adventum, animo certe quam effectu superior tantumque supernæ compensationis ob pietatis propositum assecutus, quan­ tum ceteris præstatur ex opere’. (Saxo I 265 Zl. 24-29). 3. Durch schriftliches Vermächtnis setzt Ethelred die Söhne seiner Tochter Thyra mit Gorm von Dänemark als Erben von England ein. 'Adeo autem iniurias officiis anteposuit, ut, præterita filia, Angliam iisdem testamento legaret, avitum nomen paterno præferre non dubitans ... \ .. 'Si­ quidem Hedelradi filius Adelstenus, patris testamento præteritus, indignatio­ nem suam litteris, quibus Haraldus heres scribebatur, opposuit, rescissoque parentis arbitrio, proprium æmulatus est’ (SAXO I 267 Zl. 30-32 und 269 Zl. 8-11). 4. Abkommen Svend Gabelbarts mit Adelstan (==Ethelred) über die Übernahme der Königsmacht in England: 'Nec Norvagiam sibi subiecisse contentus, petita Anglia, pactum cum Adelstano habuit, ut eo decedente regis bonis ac nomine frueretur’ (SAXO I 284 Zl. 28-29).

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5. Odinkar Hvide schenkt den jütischen Kirchen Landbesitz: .. amplissimum patrimonium necessariis templorum usibus erogavit cellas­ que ante id reifamiliaris inopes uberrimis agris ac latifundiis locupletes effecit, adeo ut excellentissimae totius lutice ecclesiae, quicquidpæne praediorum possi­ dent, a religiosa eius donatione perceperint' (Saxo I 284 ZL 33-285 ZI. 1). 6. Friedensvertrag zwischen Edward (=Edmund) und Knud 1016: Igitur Eduardus (sic), contusis suorum animis intolerabilem Danici exerci­ tus spiritum animadvertens, quia manum non poterat, pactum cum hoste con­ seruit, ut, quoad ipse viveret, Kanutum dimidii regni consortem haberet, ex­ stinctus omnium bonorum heredem relinqueret. Ita victor a victo extudit, ut is sibi consortionem imperii vivens cederet, totum moriens testamento legaret' (SAXO I 286 Zl. 23-27). 7. U lf bittet Knud, die Verteidigung Schonens leiten zu dürfen und bit­ tet ihn in einem B rief an Estrid ihr Gehorsam gegen U lf aufzuerlegen: fSuetis enim assidue Scaniam irrumpentibus, primus ad constringendam rem proficisci poposcit, impetratisque petiti ministerii partibus, Estritham, quaecumque imperasset, exsequi litteris signatorio anulo impressis iuberi petivit. Quibus acceptis, continuo matrimonium eius postulare aggressus, rei bellicce mandatum ad nuptiarum partes transtulit...' (SAXO I 289 ZL 20-24). 8. -9. Knud gibt Estrid (die Einkünfte von?) zwei Harden als Buße für den Tod Ulfs, sie überträgt später diesen Besitz an den Roskilder Dom: (Kanutus violatae necessitudinis iniuriam ac sororis viduitatem duarum pro­ vinciarum attributione pensavit, quas eadem postmodum sacrosanctae Trini­ tatis cedi, praecipua apud Roskildiam veneratione cultae, decimarum nomine partiendas curavit' (SAXO I 293 Zl. 6-9). 10. Das Gesetz fur die Gefolgschaft (Hird), siehe Saxo I 293 Zl. 10298 Zl. 26, vgl. K roman 1971 Nr. 1-3 und Rus 1977, S. 31-47. 11. Thronfolgeabkommen zwischen Svend Estridsen und Magnus dem Guten (1042-47): .. iureiurando pactus eius, qui prior decederet, supersti ti regnum esse cessurum, ne priscam regnandi consuetudinem nova regnorum partitio laceraret rerumque quondam iunctarum dividuam efficeret summam (SAXO 1300 Zl. 22-25). 174

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12. Gesetz Harald Hens (1074-80): .. in primis adversum provocationem restipulandi tus edidit prioresque de­ fensionis partes quam accusationis instrumenta constituit. Reo siquidem ac­ toris ius in refellenda accusatione concessit, quam antea testium fide sub­ nixam defensionis prœsidio repellere non licebat1 (SAXO I 318 Zl. 1014). 13. Gesetz Knuds des Heiligen (1080-86): \.. decreti circumspectioris industria principum iis [=den Bischöfen] consor­ tionem indulsit ipsisque primum inter proceres locum perinde ac ducibus as­ signavit' ... "... quo cumulatiorem iis honorem redderet, litteratorum contro­ versias vulgaris fori condicione exemptas ad eiusdem professionis iudicium re­ legabat. Iisdem religionis reos obiecta repellere nequeuntes pecuniaria multa puniendos permisit. Quibus etiam in omnia} quce adversum divina commit­ terentur; animadversionis arbitrium tradidit cunctasque huiusce generis actio­ nes sacerdotali indicio destinatas a publico foro secrevit, ne honore impares (iuris) condicio æquaret1 (SAXO I 319 Zl. 23-24 und 29-35). 14. Gründung des Roskilder Marienklosters durch den Landpropst Isak (frühestens 1164): ‘in æde Mariæ magno rei familiaris impendio sacrarum virginum convictum instituit iisque, quoad vixit, pudicitiæ disciplinam ingeneravit1 (SAXO I 321 Zl. 30-31, vgl. D ipl Dan. I 2 Nr. 163). 1 5 . - 1 7 . Donationen Knud des Heiligen an den Roskilder Dom, an

den Lunder Dom und an die Sänger des Lunder Domes, durch den König und den Bischof gemeinsam zu zahlen (S a x o I 3 2 2 Zl. 3 - 2 4 , vgl. Dipl. Dan. I 2 Nr. 21 von 1 0 8 5 ). 18.-20. Berufung Eriks I. (1095-1103) gegen die Bedrohung durch den Hamburger Erzbischof mit dem Bann; mindestens drei Akten­ stücke: die Erklärung der Parteien und die Entscheidung der Kurie: *Hamburgensis antistes ob inanes et falsas suspiciones Ericum exsecratione multandum censuerat. Quod veritus rex appellatione sententiam prœcucurrit Romam e vestigio petivit; ubi, causæ suœ examine diligentius habito, ponti­ ficis accusationem potenter repulit cunctisque defensionis partibus actore su­ perior rediit1 (SAXO I 335 Zl. 18-22). 175

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21. Antrag Eriks I. (1095-1103) an die Kurie um Einrichtung eines Erzbistums für Dänemark; mindestens ein Dokument (dänischer Antrag): ‘Romam regressus tum se, tum etiam patriam ac domestica sacra Saxonica praelatione liberari petivit, ne religionis ratione exteris admodum obsequi co­ geretur aut eius disciplinam ab alienigenis petere necesse haberet. Nec diffici­ lem curiae consensum habuit. Quae ne clarissimum virum repulsa afficeret, tum dignitatis, tum etiam fatigationis eius intuitu mota, petitioni annuit se­ que regnum ipsius summi sacerdotii insignibus adornaturam spopondit atque ea promissorum spe regem a se exhilaratum dimisit’ (SAXO I 335 Zl. 2531). 22. Vor seiner Reise ins Morgenland schickt Erik I. Gesandte an die Kurie mit der Bitte um Zurücksendung des Palliums (1102?): ‘missis ad curiam legatis, in ornamentum domesticae religionis maximi sacer­ dotii insigne expetendum curavit’ (SAXO I 337 Zl. 27-28). 23. Der päpstliche Legat wählt Lund als Sitz des nordischen Erz­ bistums: ‘Profectus enim a curia legatus, qui sacri insignis praerogativa nostrae gentis sa­ cerdotium adornaret, cum, celeberrimis Danorum urbibus inspectis, cuncta cu­ riosissime collustrando non minorem personarum quam civitatum respectum egisset, Lundiae ob egregios Asceri mores, tum quod ad eam efinitimis regioni­ bus terra marique transitus abunde pateat, hunc potissimum honorem deferen­ dum existimavit. Nec solum eam Saxonica ditione eruit, sed etiam Suetice Norvagiceque religionis titulo magistram effecit’ (SAXO I 337 ZL 29-36). 24. Erik I. schickt Reliquien aus Byzanz nach Lund und Roskilde mit der schriftlichen Garantie des Kaisers über die Echtheit (1102-03): '... sacros potissimum cineres exoptare cognosceret (— der Kaiser), honoran­ dis ossium reliquiis donat. Ille religiosum munus cupide amplexatus, id ip­ sum imperatoria bulla obsignatum Lundiam Roskyldiamque deportandum curavit’ (SAXO I 339 ZL 13-16). 25. Erik I. schickt Reliquien aus Bari nach Slangerup (1102-03): ‘Slangathorpiam cum Nicolai sacratissimis ossibus divini patibuli particulam transtulit’ (SAXO I 339 ZL 17-18). 176

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26. Donationen von Land an die Kirche durch Margarete (in den 1130er Jahren verstorben): ‘Margareta non solum divinarum cedium opes latifundiis auxit, sed et totis vi­ ribus ad augendum earum splendorem incubuit sacerdotalisque cultus inopiam exquisito ornamentorum genere permutavit* (SAXO I 342 Zl. 34-36). 27. -28. Heinrich überträgt seinen Erbschaftsanspruch an Knud Laward, der diesen gegen Geld an König Niels weitergibt; Knud zahlt Heinrich das Geld (vor 1127): 'Hernicus rem maternam ... pretii pactione interposita, Kanuto in posses­ sionem ascripsit, eandemque Kanutus ad regem condicione, qua acceperat, transtulit ac deinde receptam ab eo pecuniam Henrico numeravit* (SAXO I 347 Zl. 18-21). 29. Die Frau Knud Lawards schreibt dem Gatten, um ihn vor der ge­ gen ihn gerichteten Verschwörung zu warnen (Ende Dezember 1130 bis 7. Januar 1131): ‘Ingiburga consilii cognitionem consciorum indiciis apprehenderat statimque virum, ut præparatas capiti suo vitaret insidias, missis litteris monendum cu­ ravit* (SAXO I 354 Zl. 11-13). 30. Erik II. Emune bittet König Lothar um Hilfe bei der Rache von Knud Lawards Tod (1131): 'Inde litteras ad Lotharium facit, amici necem ulciscatur orat, parricidii a Ma­ gno poenas expetat, eumque in societatem belli tum precibus, tum etiam prœmii pactione sollicitat* (SAXO I 359 Zl. 17-19). 31. Abkommen Lothars mit Magnus: 1Ericum itaque, cui integerrimam opis stabilitatem spoponderat, aversatus, pactum cum adversœ partis principibus habuit, ut obsidioni ipse parceret Magnusque Romani imperii militem ageret* (SAXO I 359 Zl. 31-33). 32. Der Anführer des Aufstandes O luf ruft durch Edikt zum Treffen bei Arnedal auf: 'Olavus perinde ac suo proposito vacuus in Suetiam contendit, sed mox, Erico Scania excedente, revertit contionemque in valle Arnensi sub edicto con­ tractam liberioris vitæ promissis aggressus, regium sibi nomen, illecto popula­ rium favore, conscivit* (SAXO I 372 Zl. 13-15). 177

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33. Donation Eriks III. (1137-46) von Land an den Erzbischof Eskil: ‘Cuius [Eskils] affectum atque constantiam rex ad se in Syalandiam veni­ entis amplissimi ruris vicorumque complurium datione pensavit' (SAXO I 372 Zl. 21-23). 34. Päpstliches Rundschreiben an sämtliche Bischöfe in Europa we­ gen der Verkündigung des päpstlichen Bannes/Personalinterdiktes über den Führer der Aufstandes O luf als den für den Tod des Bischofs Rike Verantwortlichen (Anfang 1140): ‘Quo cognito (— den Tod Rikes), Romanus antistes, acerbissima adversus eum exsecratione usus, ceteris per Europam pontificibus similiter in ipsum pronuntiandi detulit potestatem' (SAXO I 373 Zl. 38-40). 35. Päpstliche Bulle an die jütischen Bischöfe in derselben Angele­ genheit (Anfang 1140): ‘Mandatum quoque ad universos Iutiœ pontifices dedit, ut sententias adver­ sum sacrilegam eius impietatem debita animadversione destringendas cura­ rent, indignum usu sacrorum existimans, qui celebrem eorum ministrum op­ presserit' (SAXO I 373 Zl. 40-374 Zl. 3). 36. Donation Svends III. (1146-57) von Land an den Erzbischof E skil: "... exsecrationis ... censuram metuens [Svend], non solum eum captione eruit, sed etiam agresti vico magnaque Burgundce insulae parte, quo sinceri­ orem eius favorem impetraret, donavit' (SAXO I 376 Zl. 16-18). 37. Päpstliches Rundschreiben mit Aufforderung zur Teilnahme am Kreuzzug; der Text der an Frankreich gerichteten Schreiben ist erhal­ ten: J affé 8796 (=6177) und 8876 (=6218) vom 1. 12. 1145 und 1.3. 1146: ‘Romanus antistes, barbaricae tempestatis procella rem divinam paene obru­ tam eversamque conspiciens, datis per Europam epistolis, universos Christianae credulitatis hostes ab eius cultoribus oppugnari praecepit' (SAXO I 376 Zl. 22-24). 38. Päpstliche Genehmigung, ein Versprechen zum Kampf gegen die Nichtgläubigen im Morgenland durch den Kampf gegen die slawi178

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sehen Heiden oder die Sarazenen auf der iberischen Halbinsel zu er­ setzen, vgl. J affé 9017 (=6297) vom 11.4.1147: 'Singulae, autem Catholicorum provincice confinem sibi barbariem incessere iubebantur’ (SAXO I 376 Zl. 25-26). 39. Das in Merseburg durch Friedrich Barbarossa vermittelte Abkom­ men zwischen Svend III. und Knud, vgl. Dipl. Dan. I 2 Nr. 110 vom 18.5.1152: ‘Kanutus apud Germaniam Fridericum, Romano recenter imperio functum, auxilii imploratione sollicitat, promittens se patrice procurationem in eius be­ neficio repositurum' und .. condiciones huiuscemodi proferuntur, ut impe­ ratoris ipse, eius vero Kanutus, renuntiata regni affectatione, militem ageret, beneficii iure Sialandiam recepturus. Alioqui imperatoris vires Kanuto obten­ tui fore expeditamque cum eo manum in Daniam esse mittendam, quee vel Suenonis praecurreret reditum vel confestim impugnaret adventum. Sueno, in re tam anxia aut periclitandum sibi aut parendum fore cognoscens, simulata assensione, paterna bona, quibus in Sialandia abundabat, tamquam pecu­ liaria a condicionis tenore sublegit, ne violandae pactionis omnis domi deesset occasio. Quod quia Germanico iuri familiare erat, admissu facile fu it’ (SAXO I 386 Zl. 25-27 und 387 Zl. 4-13). 40. Kündigungsbrief der Treue Svends III. an Friedrich Barbarossa: Reversus in regnum Sueno deque aemulo comitem nactus, remissis e vestigio litteris, fidem Caesaris aperta fraudis exprobratione damnavit initasque cum eo pactiones obsequii negatione subvertit, in eas se condiciones fallaciter ad­ ductum affirmans, in quas Danicorum adhuc regum nemo concesserit’ (SAXO I 387 Zl. 21-24). 41. Errichtung des dreigeteilten »Herzogtums« Knuds: Assensus condicioni rex tripertitam Kanuto praefecturam constituit eique in Iutia, Sialandia ac Scania peculiare beneficium tradit’ (SAXO 1387 Zl. 32-33). 42. Errichtung des norwegischen Erzbistums, vgl. Dipl. Dan. I 2 Nr. 115 vom 30.11.1154: 'Nicolaus, urbis Romae cardinalis, Britannicum permensus Oceanum, Norvagiam, Lundensium adhuc dicioni parentem, immunitate concessa, maximi pontificatus titulis insignivit’ (SAXO I 389 Zl. 3-5). 179

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43. Päpstliche Genehmigung an Erzbischof Eskil, den künftigen Erz­ bischof von Schweden zu konsekrieren und ihm das Pallium zu über­ tragen sowie Bestätigung des Primats Lunds über Schweden, vgl. K ou D ELK A 1960, S. 125-127, nicht im Dipl. Dan. (1157): Eskillum igitur mandatis aggressus [Kardinal Nicolaus], plus novæ digni­ tatis, quam veteris amiserit, recepturum promittit, definiens se ereptae Norvagice damna Suetici primatus munere pensaturum. Rapuit promissum Eskillus cupideque legati copiam flagitat. Qui veniens apud ipsum futurum Sue­ tici sacerdotii insigne deposuit, dandum ei, in quem concors Sueonum Gothorumque suffragium convenisset. Statuit quoque, ut, quicumque maximi Sueonum pontifices creandi essent, pallio a curia dato per Lundensem insi­ gnirentur antistem eamque sedem perpetuo vererentur obsequio. In hoc privi­ legio dato confirmationem a curia asciscendam promittit; quod effectu perfa­ cile fuit. Siquidem Romam reversus, decedente Eugenio, maximus pontifex subrogatus est peregitque publicce religionis præsul, quod privatæ legationis minister annuerat’ (SAXO I 389 Zl. 12-23). 44. Svend III. legt eine Brieffálschung vor, die denVerrat Knuds und Waldemars beweisen soll: ‘Neganti confictas a se litteras tradit tamquam ab amicis porrectas, sed titulo de industria vacantes, quœ eius ac Kanuti initam cum Suercone concordiam nuntiarent’ (SAXO I 393 Zl. 27-29). 45. Brief(e) an Waldemar von dessen Freunden wegen des Verrats Svends III. gegen Waldemar: ‘Quem dolum Waldemarus, amicorum sibi complurium litteris indicatum, ve­ nienti Sleswicum regi, memoratis, quæ pro eo fideliter ac strenue gesserat, cum exprobratione perfidiæ palam obiecit. Neganti in eum a se crudeliter esse con­ sultum susceptos apices, abscisis indicum vocabulis, ostendit! (SAXO I 396 Zl. 4-8). 46. -47. Aufgebot des Militärs durch Edikt an Seeland und Schonen: "... in Sialandiam se contulit [Svend HL], eiusque et Scaniœ populo per edictum contracto, privatis armis publica miscet auxiliay (SAXO I 408 Zl. 7-9).

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48. Schriftliche Bischofswahl in Roskilde 1158: 1Cumque tres spectatæ opinionis viros, quibus quartus ob virtutem Absalon adiciebatur, circumspexissent, ut ex eorum numero potissimus assumeretur, Waldemarus tacita singulorum suffragia in unius tabulæ segregata volumina referri iussit, sinceriorem electionis habitum ratus, si uniuscuiusque voluntas ante manu quam lingua proderetur. Evenitque, ut, omnium scripto in unam coeunte sententiam, honoris culmen Absaloni decerneretur (SAXO I 413 Zl. 19-24). 49. -50. Aufforderung Waldemars an Heinrich den Löwen, einen ge­ meinsamen Feldzug gegen die Wenden zu fuhren; Antwort des Her­ zogs (1159-60): ‘Rex ... Saxoniœ satrapam in armorum militiœque collegium ingentis præmii pollicitatione sollicitat. Ille, tum amplissimæ mercedis captura, tum etiam potiendorum finitimorum spe invitatus, expeditionis societatem spopondit’ (SAXO I 427 Zl. 14-18). 51. Ein Brief, angeblich von dem Herrn der Burg, dem Erzbischof Eskil, wird dem Esromer Abt Gerhard gegeben zur Weitergabe an die in der Burg Belagerten: ‘luvenis ... litteras adulterinis notis obsignatas, tamquam ab Eskillo trans­ missas, Gerardo obtulit, iubens, ut per eum obsessis porrigerentur (SAXO I 437 Zl. 5-7). 52. Erzbischof Eskil schenkt dem König Land: ‘Siquidem beneficia, quæ superiores reges sacris ædibus religiosa liberalitate detulerant, regiæ potestati præter fas potienda restituit’ (SAXO I 437 Zl. 30-31). 53. Schismatische Botschaft nach Dänemark (Herbst 1159): ‘Eodem tempore Christiarnus quidam ... antequam Maguntiœ pontifex creatus esset, Daniam legationis titulo petivit, qui eam exhortationibus suis ad societatem Octavianæ factionis impelleret’ (SAXO I 437 Zl. 35-37, vgl. G elting 1980, S. 328).

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54. Nach dem Tod Bischof Esberns von Schleswig wird der Schisma­ tiker Okko sein Nachfolger (Frühling 1160): ‘Quod audiens Occo sedem, quam olim falso antistitis titulo occupaverat, Octaviani nixus auctoritate recuperat (SAXO I 438 Zl. 6-8, vgl. G el ­ ting 1980, S. 328). 55. Schismatische Botschaft nach Dänemark (Frühjahr 1162): ‘Per idem tempus schismaticorum legatio confictis iustitice argumentis D a­ norum suffragia pertentabat’ (SAXO I 438 Zl. 31-32, vgl. Gelting 1980, S. 328). 56. Waldemar schickt Radulf zum Kaiser (Frühjahr/Sommer 1162): ‘Quorum [=schismaticorum] rex assertionis dubius cognoscendæ veritatis gratia scribam suum Radulfum, origine Britannum . . . ad Caesarem desti­ nat1 (SAXO I 438 Zl. 33-35, vgl. G elting 1980, S. 328). 57. Victor IV. gestattet Radulf das Tragen des Rings während des Gottesdienstes (Frühjahr/Sommer 1162): '... in re divina agenda anuli usum ei [=Radulf] indulsit [=Octavian, ais Gegenpapst Victor IV], pontificalis ordinis insigne aliquanto obscuriori gradui tribuens9 (SAXO I 439 Zl. 3-5, vgl. Gelting 1980, S. 328-329; wahrscheinlich wurde Radulf vom Gegenpapst 1162 zum Bischof von Ripen geweiht). 58. B rief Friedrich Barbarossas mit Aufforderung zur dänischen Aner­ kennung Victors IV. (1160): ‘Talibus Radulfum Cæsar hortamentis [d.h. zur Anerkennung des Gegen­ papstes] aggressus, non pauciora litteris, quas per eum in Daniam destinarat, complexus esf (SAXO I 439 Zl. 24-25, vgl. Zl. 6-23; zur Chronolo­ gie Gelting 1980, S. 326-329). 59. Der Legat des schismatischen Papstes lädt schriftlich zur Provinzi­ alsynode ein (Frühjahr/Sommer 1162): ‘Bernardus quidam ab Octaviano legatus, in Daniam profectus, pontificum suffragiis inhiabat. Verum paucorum favore exceptus, ut universos ascisceret, datis per provinciam epistolis, concilium simulat 9 (SAXO I 439 Zl. 30-32, vgl. Gelting 1980, S. 328). 182

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60. Waldemar leistet Friedrich Barbarossa das Homagium (1162): ‘Ceterum ei non curiam communi principum more petere, non in Romani imperii præsidium copias ductare solaque specie, non re Cæsari parere con­ cessum. Filio vero post eum proxime regnaturo liberum fore paternas condi­ ciones abicere, ne ad omnem Danorum gentem hereditarium manaret obse­ quium' (SAXO I 443 Zl. 1-5). 61. Privilegium Victors IV wegen der Jurisdiktion der Bischöfe (1162): ‘Prœterea ad conciliandos sibi pontificum animos eorum dignitatem benignis decretorum sanctionibus adornavit, haud prius Romanam ad sedem provo­ candum constituens, quam si lis ipsorum pronuntiatione finiri non posset' (SAXO I 443 Zl. 12-15). 62. Norwegische Botschaft nach Dänemark (1162-63): ‘Per idem forte tempus Norvagiensium legati regem petiverant obsecrantes, ut Norvagiæ regimen, tot civilibus bellis corruptum ac tæterrima tyrannorum dominatione distractum iamque exsangue et ruinæ propinquum, eius occupatores incessendo tentaret' (SAXO I 444 Zl. 38-445 Zl. 2). 63. Sächsisch-dänisches offensives Bündnis sowie Heiratsvertrag (1163): ‘Postea rex, orientalium Sclavorum sibi virium fiducia rebellantium defectio­ nem expertus, cum Henrico Saxoniæ satrapa belli societate condicta, quo firmius amicitiæ necterentur, filiam eius ex coniuge postmodum repudiata susceptam adhuc incunabulis utentem filio Kanuto primum ætatis annum agenti sponsam ascivit' (SAXO I 449 Zl. 29-33). 64. Heinrich der Löwe gibt Schwerin ein Stadtrecht: ‘Interea Hernicus Holsatiorum principem Adolfum cum Henrico Razaburgensi præfectumque Suerini oppidi Guncellinum, quod nuper a Saxonibus in potestatem redactum ius et formam civitatis acceperat ...' (SAXO I 450 Zl. 17-19; vgl. Urk. Heinrichs des Löwen, S. 66 Nr. 46). 65. Sächsisch-wendisch-dänisches Abkommen (1164): \.. pactum cum hostibus habuit, ut Walogasti dominio trifariam diviso, pars una Tetiszlavo, reliqua Kazimaro, tertia Nucleti filio Priszlavo vindicaretur, 183

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piratisque prædam Danicam appetere solitis Peni fluminis ostia clauderen­ tur; Henrico quoque munitionum, quas apud Sclaviam obtinuisset, incolumis possessio permaneret’ (SAXO 452 Zl. 7-11). 66.-67. Die Verschwörung des Buris mit Norwegen wird Waldemar von Heinrich dem Löwen brieflich mitgeteilt und durch einen abge­ fangenen B rief aus Norwegen bestätigt (um 1167): .. dum Leutitios peteret, ab Henrico missæ litteræ superveniunt, admo­ nentes, ut rex insidias propinqui perinde ac regnum affectantis caveret, indicantesque Burisium cum Norvagiensibus opprimendi eius consilium habuis­ se, iisdemque, cum expeditio reverteretur, occursum pollicitis, aut ipsum regem aut regium nomen occupandum duxisse. Cuius rei certissimum experimen­ tum fore, si revertentem a Sclavis expeditionem Norvagica classis exciperet. Eodem pæne momento suscepta Norvagiensium epistola per proditionis in­ dicium edidit (SAXO I 456 Zl. 38-457 Zl. 7). 68. Die Botschafter (die Bischöfe von Ratzeburg und Lübeck) Hein­ richs des Löwen an Waldemar wegen des Heiratsvertrags; Begegnung der beiden Fürsten (1171): ‘Hernicus, ut repudiatam regis amicitiam recuperaret, sine qua Sclavos arce­ re non posset, Hernicum Razaburgensem et antistitem Lubecensem legatio­ ne onerat, filiam suam minorem filio eius in matrimonium offerens; nam maior natu, quæ prius ei desponsa fuerat, morbo occiderat. Per eosdem confirmandæ oblationis gratia apud Bramnensem provinciam tempestivus ducis occursus promittitur. Quo rex legatorum adhortatione profectus, Guncellinum obvium habuit, qui sub impedimento adversæ valetudinis ducis absentiam excusaret eumque apud Eydoram celeriter adventurum promitteret. Eo cum ventum esset, et ducis promissa complentur et militia adversum Sclavos pa­ ribus votis condicitur’ (Saxo I 461 Zl. 32-462 Zl. 2). 69. -70. Kanonisationsbulle Knud Lawards (—Dipl. Dan. I 2 Nr. 190 vom 8.11. [1169], Saxo I 477 Zl. 11-13); das dänische Supplikschrei­ ben, erwähnt Dipl. Dan. I 2 S. 347 Zl. 5, ist verschollen. 71. Durch Edikt wird der Adel zum Treffen am 24. Juni 1170 nach Ringsted einberufen: .. rex, omni Danica nobilitate sub edicto Ryngstadium evocata, circa so184

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lemne Ioannis . . . e t parenti ccelestes honores et filio regios celebrare consti­ tuit, maxima claritatis incrementa accepturum se ratus, si una eademque luce ex iis alterum ara, alterum corona donasset} ut et huius infantia regnum re­ ciperet et illius spiritum publica religio consecraret’ (SAXO I 477 Zl. 1318). 72. Norwegisch-dänischer Ausgleich (1170?): '... cunctis Normgiensium magnatibus in eandem sacramenti formam ob­ strictis, iureiurando pollicitus est, se filium regis Waldemarum admodum par­ vulum educationis officiis prosecuturum, eundemque prius Norvagice ducem, deinde regni heredem futurum, sifilius suus Magnus absque liberis iusto ma­ trimonio susceptis decederet. Quin etiam miles regis effectus, quotiescumque res posceret, sexaginta Norvagiensium naves in eius comitatum expediendas promisit. Cuius pactionis tenorem, Danorumfide laudata, domi postmodum in contione vulgavit.’ (SAXO I 481 Zl. 4-11). 73. Pommern wird ein Lehen von Heinrich dem Löwen (1173?): Interea Kazymarus et Bugiszlavus Danicarum virium metu Henrico se subdunt regnumque suum hucusque liberum Saxonici muneris faciunt’ (SAXO I 488 Zl. 27-29). 74. Klostergründung (Kotbaz 1174?) mit eingeladenen dänischen Mönchen: 'Wartyszlavus . . . u t patriam superstitioni deditam ab errore cultus revoca­ ret exemplumque ei corrigendae credulitatis proponeret, monachalis vitee viris e Dania accitis in latifundio suo cellam exstruxit eamque multis et magnis stipendiis locupletavit’ (SAXO I 489 Zl. 17-24). 75. Zweijähriger Waffenstillstand zwischen den Wenden und Däne­ mark (1173?): ‘In quorum præparatam classem incidens, oblatæ pecuniæ pactione non so­ lum profectionem prohibuit, sed etiam pacem in biennium taxavit’ (SAXO I 502 Zl. 9-10). 76. Botschaft Heinrichs des Löwen nach Dänemark, Begegnung mit Waldemar (1173?): ‘Per idem tempus Hernicus ... quia Sclavis adversum Danos adesse non po185

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terat, amicitiam Waidemari, prius per internuntios petitam, mox apud Eidoram colloquio obtentam, callidius quam verius amplexatus est’ (SAXO I 502 Zl. 15-18). 77.-78. Bent benachrichtigt Magnus sowie Knud und Karl in Ripen von der entdeckten Verschwörung (1176?): ‘Benedictus, coniurationem a consciis regi proditam ratus eumque his, quos incautos opprimere cuperet, callidis simulationibus ambagibus veniam polli­ ceri, plerisque militiae insignibus relictis, Iutiam, qua potuit celeritate, petivit, detectae factionis nuntio ad Magnum dimisso. Ita perfidum eius animum mordax conscientiae crimen regiae mansuetudinis promissis fidem habere ve­ tuit. Quae res Magno proxima nocte navigio Lubecam proficiscendi indeque Henrici contubernium expetendi causam praestitit. Eodem nuntio Kanutus et Carolus per Benedictum accepto, tacite Ripensium urbe egressi, conscensa apud Randrusium nave, praefectum Gothiae Birgerum propinquitatis fiducia petivere' (SAXO I 507 Zl. 13-22). 79. Heinrich der Löwe empfiehlt die Aussöhnung Magnus mit Wal­ demar (1176?): ‘Magnus, facinoris pudore, quam exsilii causam haberet, Henrico pandere ve­ ritus, reconciliationis ab ipso dumtaxat remedia postulabat. Ille, exsulis vota aversari impium ratus, epistola ad Waldemarum transmissa, conceptae erga Magnum offensae remissionem efflagitat' (SAXO I 507 Zl. 38-41). 80. -81. Waldemars B rief an Heinrich den Löwen wegen freien Ge­ leits für Magnus; Waldemars B rief an Absalon wegen der Ankunft des Magnus (1176?): ‘Quae cum rex ex legato cognosset, epistola duci redditur, qua Magno sub Absalonis obtentu veniendi discedendique potestas promittitur. Quo evenit, ut Absalon prius Magnum hospitio exciperet, quam ullum adventus eius nuntium a rege sumpsisset, litteras, quae pro eiusdem receptione destinaban­ tur, nimio festinationis studio praecurrentem' (SAXO I 508 Zl. 27-31). 82.-83. Zwei verräterische Briefe von Magnus an Schonen und an die Mitverschwörer Knud und Karl vom Schreiber Magnus’ mit dessen üblichem Diktat geschrieben (1176?): \.. binas eius epistolas, proditionis mandata gestantes, a publicorum itine186

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rum observatoribus intercipi contigit. Quas cum regi allatas ab intermeanti­ bus expertus fuisset, formulam, qua signatoria utebatur, proprii scribce negle­ gentia amissam confingit, idque non solum inter suos, sed etiam apud Absalonem simulatione prosequi curavit, opinionem serere cupiens adulterinas epi­ stolas a formulce repertoribus odio sui fuisse compositas. ... Præterea fortui­ tam sigilli sui amissionem causatus, aemulorum commento, occasionem ex eiusdem inventione nactorum, inimicas regi litteras suo nomine confictas asse­ verabat. ... Contra rex hoc eum ingratiorem, quo meritorum suorum neglegentiorem, astruere et in perfidiae argumentum supradictas ipsius epistolas, quarum altera clausa, altera aperta obsignabatur, in commune proferre; quas etiam per præsentes pontifices circumferri et, an vero Magni signaculo obsignatœ essent, curiosius annotari præcepit. Quod inspectantibus cunctis adulterinumque esse negantibus, recitari eas in publico iubet. ... Magnus atque ad spem labefactandæ accusationis erectus, acceptis consultationis indutiis, AbsaIonem cum Tokone Wendilensium antistite sevocat. Is Toko patri eius Erico diaconatus obsequiis percarus habitus deque eius clientela ad pontificatum ac­ citus fuerat. Cuius rei grata recordatione Magni caritatem propensius animo insitam habebat. Quem multum diuque ob cogitati sceleris immanitatem pro­ fectis a dolore conviciis insecutus, respondente eo epistolas aliena fraude con­ textas, supervacuum id purgationis genus astruxit, non solum scripturæ, sed et stili modum, quo scriba ipsius Lambertus in dictandis epistolis uti soleat, certissme recognoscere præfatusy (Saxo I 508 Zl. 38-509 Zl. 4 ,1 0 -1 2 ,2 7 32; 510 Zl. 9-18). 84. Päpstliche Genehmigung fur den Erzbischof Eskil 1) zurückzutre­ ten 2) seinen Nachfolger zu ernennen = Dipl. Danicum I 3 Nr. 61 (1176-77); diese Urkunde enthält die beiden erwähnten Genehmi­ gungen (Saxo I 512 Zl. 33-36, 514 Zl. 6-11 und 16-23). 85. -87. Anträge an den Papst vom Lunder Domkapitel und von Wal­ demar wegen der Postulation Absalons; Eskils B rief an den Papst in derselben Angelegenheit, 1177: ‘Post hæc regis legati cum Lundensibus cogendi Absalonis gratia Romam mittuntur. Qui primum Claravallem profecti, reperti illic Eskilli epistolam, cuius ea tempestate non mediocris apud curiam favor vigebat, in adiumentum suæ petitionis accipiunt’ (SAXO I 516 Zl. 37-40).

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88.-89. Anträge an den Papst von Absalon und dem Roskilder Dom­ kapitel, daß Absalon Bischof von Roskilde bleiben darf, 1177: ‘Nec minus Absalon ac Roskildenses legationibus curiam fatigant, electioni, quam Lundenses confirmatum pergebant, plenis reclamationis sententiis obnitentesy (SAXO I 516 Zl. 40-517 Zl. 2). 90. Bündnis Waldemars mit Heinrich dem Löwen gegen die Wenden (1177): ‘Qua iniuria Waldemarus, ut par erat, accensus, Henricum in societatem ul­ tionis sollicitat. . . ' (SAXO I 517 ZL 36-37). 91. Waldemars Botschaft an Heinrich den Löwen (1177): ‘Legatione deinde ad Henricum missa, praesenti militiae finem imponere iubetur, illo obsidionem, quam frustra gesserit, ocius soluturo’ (SAXO I 519 Zl. 9-10). 92. -95. Päpstliche Bullen an die Botschafter des Lunder Domkapitels, Absalons, Waldemars und des Roskilder Domkapitels wegen Absalons Ernennung zum Erzbischof von Lund sowie die Erlaubnis, Bischof von Roskilde zu bleiben (1177-78): ‘Quo in tempore regis Lundensiumque nec non Absalonis legati, Roma re­ gressi, læto patriam nuntio compleverunt. Qui tametsi diversas atque contra­ rias res petitione complexi viderentur; ea tamen Romani pontificis industria sunt excepti, ut pars utraque sibi pro votis consultum gauderet. Nam et A b­ salom Lundensem pontificatum assumere iussum et Roskildensem admini­ strare permissum. ... Veniens siquidem Romanorum legatus Galandus, Lundensi clero Roskildiam evocato, præsentem Absalonem non solum litte­ rarum recitatione, quæ eum electioni parere iubebant, sed etiam anathematis comminatione, quo se adversum eum, si repugnare perseverasset, usurum di­ cebat, electoribus assentiri fidemque oboeditionis sollemniter ab iisdem reci­ pere coegit’ (Saxo I 519 Zl. 33-38; 520 ZL 3-8). 96. Befehl, daß das nordjütische Aufgebot zu Hause bleiben solle (1179): "... septentrionalibus lutis supersedere iussis . . . ’ (SAXO I 521 ZL 3-4).

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97. Heinrich der Löwe bittet Waldemar um eine Begegnung und um Hilfe (1179-80): .. Henricus ... Waläemarum sibi obviam crebris nuntiis evocatum ... per summam mutuce ßxdei exhortationem obnixa auxilii petitione sollicitat' (SAXO I 523 Zl. 15-19). 98. Waldemar bittet Absalon durch einen Brief, sich auf Samsø mit ihm zu treffen (1180?): ‘Sialandiam ingressus [Absalon], Waldemarum apud insulam Samsam ve­ nandi studio inservientem, recepta ab ipso epistola, petere iubetur, necessariis patrice usibus vacaturus' (SAXO I 527 Zl. 1-3). 99. Waldemars B rief an die aufständische Provinz Schonen (1180?): ‘Quorum instinctu rex plebem Scanicam plenis minarum litteris aggressus, non parum nutrimenti publici furoris incendio addidit' (SAXO I 527 Zl. 22-23). 100. Absalons Hirtenbrief an die schonischen Priester, wodurch das Interdikt über Schonen verhängt wird (1180?): ‘Quorum infandam sacrilegamque pertinaciam Absalon, proximo sacerdotali concilio per epistolam visitato, cunctarum Scanice ecclesiarum obseratione pu­ niri praecepit' (SAXO I 529 Zl. 21-23). 101. Schonische Botschafter bitten Absalon, die Bestrafung zu ver­ schieben (1180?): ‘Tam pia tamque religiosa cleri constantia evictum vulgus, precibus minas mutando, quoad Absalon conveniri posset, sententiae dilationem poscebat; ci­ vile siquidem bellum se excitaturum timebat, si in sacerdotes sibi nobilitate pares animadvertere studuisset. Nam cum in Scania alienigenœ indigenis permixti sacerdotia gererent, amplior tamen digniorque domesticis reverentia praestabatur' (Saxo I 529 Zl. 36-41). 102. -104. Kaiserliche Botschaft an Waldemar, deren Schreiben an den Kaiser und dessen Antwort (1181?): ‘Siquidem binas eius [Waldemar] filias totidem filiis suis [des Kaisers], quorum alterum successioni imperii destinarat, alterum Sueviae satrapam con­ stituerat, per legatos in matrimonium postulabat... Quaerente rege, quan­ 189

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tum ab eo dotis nomine exigeretur; legati se ignorare dixere remque ad Caesa­ ris arbitrium retulere. A quo rescriptum est curandum regi Lubecam petere, cuncta secum illic commodius definituro* (SAXO I 531 Zl. 23-25 und 3335). 105.-106. Kaiserliche Botschaft an die Herzoge von Pommern und deren Antwort (1181): ‘Qui cum oppidum Lubecum obsidere coepisset Bugyszlavique et Kazymari fratrum vires admodum suspectas haberet, utrique se potentice et claritatis incrementa daturum subornata legatione promittit, provincias, quas hactenus obscure et sine honorum insignibus gesserint, satraparum nomine recepturis. Iucunda Caesaris toties ab Henrico læsis promissio exstitit, non intellegenti­ bus sibi sub specie beneficii deforme servitutis iugum intendi’ (Saxo I 532 Zl. 18-23). 107. Abkommen Waldemars mit dem Kaiser über die Heirat zwischen Waldemars Töchtern und den Söhnen des Kaisers (1181): Interea filios regiam navem petere inque ea sub specie lusitandi morari præcepit, carissimorum pignorum familiari conversatione, in quanto regis adven­ tum poneret, ostendere cupiens. De quorum nuptiis condicto in loco mentio­ nem orsus, maiori triginta millia talentum, minori octo in matrimonii condi­ cionem deposcit. Quæ res suspecta Danorum maioribus fuit, virgines non­ dum ad nubendi ætatem provectas fraudulenter ab eo postulari credentibus. Sed Waldemarus, maiorem summam suis opibus imparem arbitratus, mi­ norem Ungariœ regis, arta sibi propinquitate coniuncti, fiducia pollicetur. Huic pactioni iureiurando firmitas adiecta est, desponsionisque vinculum sacramenti religione constrictum> (SAXO I 533 Zl. 17-26). 108. -109. Wendische Botschaft an Friedrich Barbarossa; Belehnung der Fürsten mit Pommern (1181): ‘Quo tempore Sclavorum ad ipsum regiæ classis metu navigiis progredi non audentium legatis receptis, diluculo navigium regis, parvo militum numero co­ mitante, eiusdem cymba advectus, cunctis inopinatus ascendit. Igitur rege exercitus sui primores participandi colloquii gratia contrahente, solum Rugiæ principem Iarimarum, quem pridie compluribus venerationis officiis, insuper regio nomine adulatus fuerat, quod eum Danis perquam fidum non ignora­ ret, vocari passus non est. Habere deinde se dixit, quod ad regem secreto re­ 190

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ferre cupiat, quem ob futurum mutui sanguinis contractum non amicum modo, verum etiam unanimem habeat. Sclavos siquidem enervandi Henrici gratia a se promissionibus allectos esse, quas eodem expugnato minime exse­ qui velit, memor, quid olim sibi de subigenda Sclavia pollicitus fuerit. Orare deinde, patiatur se eam ad præsens sui muneris facere, binis fratribus gemino præfecturœ titulo speciosius quam diuturnius tribuendam. Eandem quippe se ei, profligato Henrico, subicere curaturum. Annuente rege posteroque die con­ tionem petente, Bugiszlavum et Kazimarum, datis sollemniter aquilis, Sclaviæ duces appellat, veterem atque hereditariam patriæ libertatem vanis atque fucosis dignitatum nominibus venditantes. Qui si scissent, quanto oneri se exigui panni receptione substernerent, mortem beneficio prætulissent aut pri­ vati in omne vitæ tempus degere maluissent’ (Saxo I 533 Zl. 27-534 ZL 4). 110. Waldemars Donationen an Klöster laut Vermächtnis (1182, vor dem 12. Mai): ‘Prœterea locis monastica religione sacratis dimidium patrimonii sui, quæ ad fiscum regium pertinebant exceptis, testamento legavit’ (Saxo 535 Zl. 2425). 111. Die schonischen Führer laden Harald als ihren König ein (1182— 83): .. seditionis principes ... Haraldum quendam, regii sanguinis, sed obtusi cordis impeditique sermonis, e Suetia asciscunt. . . ’ (Saxo I 537 Zl. 3234). 112. -114. Botschaften Friedrich Barbarossas an Danemark; schrift­ liche Drohungen des Kaisers, um Knud VI. zur Leistung des Homagiums zu bewegen; schriftliche Ablehnung Knuds (1183?): ‘Compluribus enim Cæsaris legationibus curiam adire paternæque amicitiœ successionem expetere iussus, intercedente amicorum consilio, quam modestis­ sime rescripsit, excusationis verbis a regnandi novitate quæsitis. Siquidem ar­ bitris eius excussa atque explorata Cæsaris calliditas erat, iisdem perfldiæ la­ queis filii simplicitatem circumvenire studentis, quibus olim patris credulita­ tem implicatam habuerat. Cui cum Cæsar erepturum se regnum aliique da­ turum plena minarum epistola respondisset, solum hoc rescribere contentus fuit, quærendum videlicet Cæsari esse, priusquam sibi regnum adimat, qui 191

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Daniam in eius beneficio reponere cupiat. Qua responsi libertate non solum minantem elusit, verum etiam plurimum a se fiducice in civium animis re­ poni docuit' (SAXO I 539 Zl. 26-36). 115. Demarche des Kaisers gegenüber Bogislav, den er als Herzog von Pommern anerkannt hatte (1183-84): ‘Sclaviæ satrapam Bugiszlavum, quem nuper Kazimari fratris decedentis or­ bitas heredem effecerat, crebris muneribus amplissimisque promissionibus in Danica bella sollicitat' (SAXO I 540 ZL 27-30). 116. -118. Jaromar von Rügen benachrichtigt Knud VI. über den An­ griff Bogislavs; Knuds Frage nach dem Grund und Antwort Bogislavs (1183-84): ‘Bugyszlavus pronius quam prudentius obsecutus, sed bellum adversum D a­ niam palam atque aperte profiteri non ausus, primum avunculi sui Iarimari, Rugice praefecti, quaesitis simultatum causis, hostem agere coepit, Caesari­ anae militiae respectum artissimis affinitatis vinculis praeferendo. Qua de re Kanutus per larimarum certior factus, mitti curavit, qui causam a Bugiszlavo tam subitae læsionis inquirerent. Ille non regem, non Daniam a se lædi, sed iniuriam a Iarimaro illatam repelli testatus, communem controversiam per utriusque legatos, armis interim depositis, ad regis cognitionem referri depos­ cit eundemque pacis inter se faciendæ auctorem flagitat, verbis benevolentiam simulantibus simplicitatis fidem prætendere cupiens' (Saxo I 540 Zl. 3140). 119.-120. Ausgleich auf Samsø zwischen Jaromar und Bogislav, der sich vertreten läßt; Verabschiedung neuer Gesetze (1184): .. rege nihil insidiarum aut perfidiæ metuente, causæ dictionis dies locus­ que decernitur. Apud insulam deinde Samsam non solum huius negotii ex­ plicandi, sed etiam iuris civilis emendandi gratia ingenti nobilitate contracta, amborum legatos excepit. Quorum altercatione sollemniter audita, cum in larimarum complura loquacius quam verius obiectarentur, ac propter princi­ palium personarum absentiam sententia impediretur; a Bugiszlavi legatis ul­ tro iureiurando promissum est eum, cum primum regi placitum foret, in rem præsentem venturum' (Sa xo I 540 Zl. 41-541 Zl. 7).

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121.-122. Botschaft Bogislavs an den Kaiser und dessen Botschaft an Bogislav (1184): ‘Bugiszlavus, hortante Ccesare, non solum patriis ac domesticis viribus in­ structus, sed etiam a finitimis late præsidia mutuatus, adversum Rugiam quingentarum navium classem ingenti belli apparatu refertam contraxerat. Quibus copiis nihil hostilium virium obstaturum ratus, Bugiszlavum quendam legati nomine Cæsarem petere iubet, qui tantum a se exercitum adver­ sum Daniam contractum nuntiaret, ut dubitari non posset, quin Kanutus, resistendi fiducia defectus, quam citissime Romano se foret imperio traditu­ rus. Delectatus promisso Cæsar, laudato Bugiszlavo, legatum imperatoriis do­ nis prosequitur' (Saxo I 541 Zl. 17-25). 123.-126. Einberufung der Flotte durch Absalon aus Seeland, LollandFalster, Fünen und Schonen (Mai 1184): \.. missis per Sialandiam epistolis, omnem ætatem armis habilem in clas­ sem confluere iussit. Minores rates maioribus, onerarias piraticis sociavit ple­ bique demum ac nobilitati promiscuum corripiendarum navium usum con­ cessit. Eodem edicti genere coniunctis Sialandiæ insulis imperatum. At Fioniensibus Scanisque sextum intra diem præfixum portum petere, alioqui su­ persedere iussum; neque enim ulteriores apparatui indutias convenire’ (SAXO I 541 ZL 29-35). 127.-128. Botschaft Absalons an Bogislav und dessen Antwort (Mai 1184): 'Quid deinde Sclavis consilii foret, cognosse cupiens, callidum speculationis genus amplexus, Bugiszlavum sub simulatione benignæ et veteris amicitiæ perfidiæ per legatos arguendum curat nimiamque regis offensam obnixo pla­ cationis studio præcurri postulat. Ad hæc Bugiszlavus tantam receptæ cladis dissimulationem agere sustinuit, ut, laudata monitoris benevolentia, facturum se, quod ab ipso suadebatur, promitteret. Tantum autem timoris Sclavorum vulgus ob pristinam fugam animis insitum habebat, ut etiam novam, visa rate, quæ legatos vehebat, edere non erubesceret’ (Saxo I 545 Zl. 15-22). 129. Bogislav bittet Absalon um eine Begegnung (1184-1185): ‘Bugiszlavus ... Absalonis colloquium simulata pacis affectatione per legatos poscendo, cum ingenti equitatu destinatum conventui locum petivit’ (SAXO I 546 Zl. 35-37), 193

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130. Bogislav erkennt KnudVI. als seinen Lehnsherrn an (1185): 'Bugiszlavus prœsentium periculorum impulsu promissum revertendi tempo­ re sectatus, Absalone et larimaro dextras praebentibus, ad regem perducitur; ingentisque summae pecunia multae nomine pacta, non alias pacis condiciones assequi potuit, quam ut procurationem hactenus patrimonii titulo admini­ stratam e manu regis beneßcii iure susciperet libertatemque servitute mutaret, Rugiance gentis tributum obsequiis aequaturus. Hanc pactionem obsidibus firmandam pollicitus discedit, redeundi comitibus utendo, quos adveniendi duces habuerat’ (Saxo I 550 Zl. 29-36).

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