Eine Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen von Schönheit und Tugend. Über moralisch Gutes und Schlechtes: Herausgegeben:Leidhold, Wolfgang;Mitarbeit:Leidhold, Wolfgang 9783787306329, 9783787331734, 3787306323

Francis Hutchesons 1725 erschienener Inquiry into the Origin of Our Ideas of Beauty and Virtue besteht aus zwei Teilen,

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German Pages 282 Year 1986

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Eine Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen von Schönheit und Tugend. Über moralisch Gutes und Schlechtes: Herausgegeben:Leidhold, Wolfgang;Mitarbeit:Leidhold, Wolfgang
 9783787306329, 9783787331734, 3787306323

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FRANCIS HUTCHESON

Eine Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen von Schönheit und Tugend Über moralisch Gutes und Schlechtes Übersetzt und mit einer Einleitung herausgegeben von

WOLFGANG LEIDHOLD

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG



INHALT

Einleitung. Liebe, Moralsinn, Glück und Civil Government. Anmerkungen zu einigen Zentralbegriffen bei Francis Hutcheson. Von Wolfgang Leidhold .................. I. Überblick über Leben und Werk von Francis Hutcheson ............................................................... Il. Zur Rezeption Hutchesons ...................................... ID. Zur Interpretation des vorliegenden Werkes ............ 1. Zur Problemstellung (XV) - 2. Zum Liebesbegriff Hutchesons (XXII) - 3. Die moralische Wahrnehmung und der Moralsinn (XXXVIl) - 4. Die Maxime vom größten Glück (XLVI) - 5. Prinzipien der Politik (XLVill). IV. Anmerkungen zur Einleitung ..................................

VII VII XI XV

LV

Zur Textgestaltung und Übersetzung ............................. LXXVII Literaturverzeichnis ........................................................

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FRANCIS HUTCHESON Eine Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen von Schönheit und Tugend Titelblatt der Auflage von 1726 ...........................................

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Vorwort ..............................................................................

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Zweite Abhandlung.

Das ist: Eine Untersuchung betreffs des Ursprungs unserer Ideen von Tugend und vom moralisch Guten ..........................................................................

Einleitung..................................................................................

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Kapitel L Vom Moralsinn, durch den wir Tugend und Laster wahrnehmen und sie bei anderen billigen oder mißbilligen.....................................................................

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Inhalt

Kapitel II. Über die unmittelbaren Beweggründe zu tugendhaften Handlungen ........ „ ...••.. „ ...• „.„ ...••..• „ ..• „.„.. Kapitel III. Der Sinn für Tugend und die verschiedenen Auffassungen über ihn sind auf eine allgemeine Grundlage zurückführbar. Das Verfahren zur Berechnung der Moralität von Handlungen „„.„.„„„„„„„.„„„.„„„„„„ Kapitel IV. Die ganze Menschheit stimmt in der allgemeinen Grundlage ihrer Billigung moralischer Handlungen überein. Die Ursachen der verschiedenen Meinungen über Moral „ „ „ „ „„.„„„„„„„.„„„„. „ „ „ „ „ „. „„. „. „„ Kapitel V. Eine weitere Bestätigung dafür, daß wir praktische Dispositionen zur Tugend in unsere Natur eingepflanzt haben; mit einer weiteren Erklärung unseres Instinktes für Wohlwollen in seinen verschiedenen Graden; mit zusätzlichen Interessenmotiven, nämlich der Ehre, der Scham und des Mitleids „ „ „ „ „ „„ „ „ „ „ „„. Kapitel VI. Über die Bedeutung dieses Moralsinns für das gegenwärtige Glück der Menschheit und seinen Einfluß auf die menschlichen Angelegenheiten „„„„„.„„„. Kapitel VII. Ableitung einiger komplexer moralischer Ideen aus dem Moralsinn, nämlich der Pflicht, der vollkommenen und unvollkommenen, veräußerlichen unveräußerlichen Rechte „„„„„„.„„„„„„.„.„„„„.„„„„ Anmerkungen des Herausgebers

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Sachregister .„ .. „. „. „. „ „. „„„. „ „ „ „. „. „ „ .. „. „. „. „. „. „„ „ „ „ .. „

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Personenregister

EINLEITUNG Liebe, Moralsinn, Glück und Civil Government Anmerkungen zu einigen Zentralbegriffen bei Francis Hutecheson

Als Yen Yüan nach der Bedeutung von Jen (Tugend) fragte, antwortete der Meister: •Jen bedeutet die Verneinung des Selbst und Übereinstimmung mit dem Rechten und Sittlichen ... « Als einst Fan Ch'ih nach der Bedeutung von Jen fragte, erwiderte der Meister: •Es bedeutet: Deine Mitmenschen zu lieben.« Konfuzius

/. Überblick über Leben und Werk von Francis Hutecheson Francis Hutcheson wurde am 8. August 1694 im Norden von Irland geboren und zwar in Drumalig, einem Ort in der Nähe von Armagh. Seine Familie, die aus dem Ayr-shire in Schottland stammte, war in der Generation seines Großvaters Alexander nach Irland ausgewandert. Hutchesons Leben spielte sich im Horizont dieser beiden Länder, Irland und Schottland, ab: er wächst in der Obhut seines Großvaters in Drumalig auf, anschließend studiert er Theologie in Glasgow ( 1711-1717), zurückgekehrt nach Irland baut er eine Privatakademie für die presbyterianischen Dissenter in Dublin auf und publiziert seine ersten Schriften (bis 1728/29), schließlich beruft man ihn auf den Lehrstuhl für Moralphilosophie in Glasgow und dort verbringt er den Rest seines Lebens. Auf seiner letzten Reise, die ihn wie schon einige Male zuvor von Glasgow nach Irland führte, verstarb er an seinem 52. Geburtstag 1746 in Dublin, wo er auf dem St. Mary's Friedhof begraben liegt. 1 Für die europäische Gelehrtenrepublik der Neuzeit war Schottland bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts terra incognita - unter der Ägide der presbyterianischen Orthodoxie wurde es gegen die geistige Bewegtheit Englands und des Kontinents weitgehend abgeschottet. Doch spätestens um die Mitte des neuen Jahrhunderts

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war die Szene völlig verändert: durch Namen wie beispielsweise David Hume und Adam Smith, Adam Ferguson und Thomas Reid war die schottische Philosophie zu einem Begriff geworden. 2 Hegel resümierte diese Situation in den Worten: „Das englische Philosophieren ist auf Edinburgh und Glasgow (in Schottland) beschränkt, wo eine Menge von Professoren aufeinander gefolgt sind ... von englischer Philosophie kann nicht mehr die Rede sein.«3 Worin auch immer die Ursachen für diese Veränderungen und ihren Verlauf gelegen haben mögen und welche Person auch immer .eigentlicher Begründer« der schottischen Philosophie war, Tatsache ist: Francis Hutcheson war der erste, der sich mit seinen Arbeiten zur Ethik und zur Politik über die Grenzen seiner engeren Heimat hinaus in Europa wie in Amerika einen Namen erworben hat. Für seine akademischen Lehrer in Glasgow gilt dies nicht, man kann sie kaum als schöpferische Denker ansprechen, doch waren sie für Hutcheson wichtige Vermittler und Förderer. 4 Zu nennen ist hier einmal der Altphilologe Alexander Dunlop (1684-1747), bei dem Hutcheson Latein und Griechisch gelernt hat. Dunlop war ein philosophisch interessierter Mann und Hutcheson hat wohl durch ihn die Klassiker kennengelernt und seine Vorliebe für die griechische Antike erworben. Seine Bezugnahmen auf Plato, Aristoteles und Cicero belegen dies ebenso wie eine Übersetzung Aurels, die Hutcheson 1742 veröffentlichte. Dunlop stand er nicht nur in seinen philosophischen Interessen nahe (er hat später als Professor in Glasgow mit ihm zusammen Seminare über antike Ethik gehalten), er war ihm auch familiär - Dunlop heiratete eine Cousine Hutchesons - und universitätspolitisch verbunden (im Kampf gegen den Einfluß der konservativen calvinistischen Orthodoxie). Von Dunlop besitzen wir keine Schriften, die es gestatteten, seine Auffassungen näher zu beleuchten. Als nächster ist Professor John Simson (1668?-1740) zu erwähnen ein umstrittener Theologe, dessen Universitätslaufbahn im Jahre 1728 auf Betreiben der calvinistischen Orthodoxie nach zwei Häresieverfahren mit dem vorzeitigen Ruhestand endete. Er war Hutchesons Theologielehrer; auch gegen Hutcheson ist später ein - allerdings nie zustandegekommenes - Häresieverfahren angestrengt worden. Die „Kirk of Scotland« war damals, vereinfachend

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gesagt, in zwei Lager gespalten, die Orthodoxie auf der einen Seite - von ihren Gegnern „zealots«, »Eiferer« genannt - und die »moderates«, die »Gemäßigten« auf der anderen. Die Stichworte des theologischen Konfliktes waren »Arianismus«, »Arminianismus« und »Socinianismus«, also Probleme der Trinitätsdogmatik und Christologie, der Prädestinationslehre und Pneumatologie und der Rechtfertigungslehre. 5 Hutcheson ist der Partei der Moderates zugerechnet worden, auch wenn er sich hütete, schriftlich zu allen Details der theologischen Auseinandersetzung Stellung zu nehmen. 6 Politisch hat er diese Richtung nach Kräften gefördert: im Verein mit Dunlop gelang es ihm, seinen Freund und ersten Biographen William Leechman gegen den Einfluß der Orthodoxen im Jahren 1743 zum Professor für Theologie in Glasgow zu machen. Aus Simsons Feder liegen uns als einzige Schriften seine Stellungnahmen aus den beiden Häresieprozessen vor. Scott überlieferte in seiner Hutchesons-Biographie eine Anekdote, die den nachhaltigen Einfluß Simsons auf Hutcheson dokumentiert. 7 Als dritter unter Hutchesons Lehrern ist Gershom Carmichael (1672-1729) zu erwähnen, der seit 1694 in Glasgow lehrte und 1727 bis 1729 Hutchesons unmittelöarer Vorläufer auf dem damals neugeschaffenen Lehrstuhl für Moralphilosophie war. Carmichaels Bedeutung liegt, jedenfalls im uns hier interessierenden Zusammenhang, in erster Linie darin, daß er seinen Glasgower Studenten die Werke von John Locke und Samuel Pufendorf nahe gebracht hat. Von ihm stammt unter anderem eine kommentierte Ausgabe von Pufendorfs »De Officio hominis et civis«, zu der Hutcheson einmal anmerkt, sie sei wertvoller als das Original für sich allein. 8 Detailliertere Arbeiten zu Carmichaels Auffassungen und Wirkungen fehlen bislang ebenso wie zu dem vorgenannten John Simson. 9 Hutcheson hat auf Lockes und Pufendorfs Theorien häufig explizit wie implizit Bezug genommen; seine Anlehnung an den letzteren reicht soweit, daß er den gesamten systematischen Aufbau mehrerer Werke aus Pufendorfs Schrift über das Natur-und Völkerrecht übernimmt. 10 Hutchesons Kenntnis Shaftesburys hat vermutlich eine andere, spätere Quelle, und fällt wohl zusammen mit der Entwicklung seines politischen Denkens. Hutcheson kehrte nach dem Studium

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aus Schottland nach Irland zurück. Zuerst beabsichtigte er, wie sein Vater und Großvater auch, Geistlicher zu werden, doch man forderte ihn auf, in Dublin eine jener privaten Akademien aufzubauen, die die Dissenter unterhielten, da ihnen der Zugang zu den staatlichen Universitäten außerhalb Schottlands weitgehend versperrt war. In Dublin nun machte er die Bekanntschaft von Lord Molesworth, der einer der führenden radikalen Whigs dieser Epoche und ein Freund und politischer Lehrer von Shaftesbury war. Durch ihn lernte Hutcheson die Schriften Harringtons, des großen Vordenkers und Praktikers dieser „real whigs« oder -commonwealthmen« und die Werke Shaftesburys kennen. Es bildete sich ein intellektueller Freundeskreis um Molesworth, der auch die schriftstellerischen Ambitionen seiner Mitglieder förderte. 11 Hutcheson hat sein erstes Buch, die „Jnquiry into the Original of our Ideas of Beauty and Virtue, in Two Treatises« (London 1725), in Dublin verfaßt und veröffentlicht. Durch dieses Werk, von dem bald eine zweite Auflage notwendig wurde (1726) und dem rasch weitere Arbeiten folgten, 12 wurde er weithin bekannt. Schließlich erhielt er im Jahre 1729 den Ruf auf den Lehrstuhl für Moralphilosophie an der Universität Glasgow. Dort verbrachte er, von einzelnen Irland-Reisen abgesehen, den Rest seines Lebens und scheint seine akademischen Aufgaben mit großem Erfolg bewältigt zu haben, jedenfalls war es nicht zuletzt Hutcheson, der zahlreiche neue Studenten nach Glasgow zog. Seine pädagogischen Qualitäten und die liebevolle Sorge für seine Studenten werden einmütig immer wieder bezeugt. 13 Er widmete sich vor allem der Lehre und der Universitätspolitik, und abgesehen von seiner Antrittsvorlesung (1730) und einem kleineren tagespolitischen Pamphlet hat er lange Zeit nichts mehr veröffentlicht. 14 In den letzten Jahren seines Lebens erschienen einige Bücher, die in erster Linie den Charakter von Kompendien haben und auf der Ausarbeitung seiner Vorlesungen beruhen. Ein geplantes „Magnum Opus« - das „System of Moral Philosophy« - gelangte nicht mehr zu seinen Lebzeiten in Druck, da Hutcheson mit dieser systematischen und umfassenden Darlegung seiner Philosophie, die die Prinzipien der Ethik und der Theologie, des Rechtes, der Ökonomie und der Politik behandelt, niemals hinlänglich zufrieden

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war. So wurde es erst neun Jahre nach seinem Tod durch seinen Sohn herausgegeben. u

IL Zur Rezeption Hutcheson_s Hutchesons Schriften konzentrieren sich in ihrer Thematik vornehmlich auf drei Bereiche: Ethik, politische Philosophie und Ästhetik. Letzteres soll hier außer Betracht bleiben. 16 Seine Wirkung als Theologe war auf Schottland begrenzt und in erster Linie mündlich vermittelt.17 Vermutlich wollte er Konflikte mit den orthodoxen Calvinisten, wie sie sein Theologielehrer Simson durchzustehen hatte, vermeiden. Ansonsten hat man Hutcheson in Europa als Ethiker und als Ästhetiker geschätzt. Nur in Amerika wurde auch seine politische Philosophie studiert, denn dort bereitete sich eine neue politische Ordnung vor, Nutzen und Nachteil des Bisherigen und die Gestalt des Zukünftigen wurden eindringlich erörtert. 18 Aber betrachten wir zuerst Britannien. Hutcheson hatte zu seiner Zeit auf den Britischen Inseln zahlreiche gelehrte Leser und Nachfolger, deren Namen heute nicht mehr viel bedeuten. Aufschlußreicher als der bloße Umfang seiner Leserschaft ist die Bedeutung, die man ihm in der sogenannten „Schottischen Schule« zugemessen hat. Er ist oft als ihr Begründer bezeichnet worden; dies allein sagt jedoch wenig, da solche „Schulen« für gewöhnlich Erfindungen der Nachwelt sind. Sachlich aber ist festzustellen, daß Hutcheson einen großen Einfluß auf zahlreiche Zeitgenossen hatte. Dies gilt z.B. für David Hume. In seiner Moralphilosophie machte er nicht nur Anleihen bei Hutcheson, er hat auch, nach der Publikation seines „Treatise«, den Kontakt mit Hutcheson aufgenommen, um von ihm ein kompetentes Urteil über seine Erstschrift zu hören. 19 Die Bekanntschaft beider war durch Henry Horne, Lord Kames (1696-1782), der ebenfalls ein Schüler und Verehrer Hutchesons war, vermittelt worden. 20 Adam Smith (1723-1790) war auch einer von Hutchesons Schülern und wurde 1752 als sein Nachfolger auf den Lehrstuhl in Glasgow berufen. 21 Noch 1787 schrieb er anläßlich seiner Ernen-

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nung zum Rektor der Universität Glasgow über seinen Lehrer als dem »never to be forgotten Hutcheson«. 22 Wie Thomas Reids (1710-1796} erste Veröffentlichung - »An Essay on Quantity occasioned by reading a Treatise in which simple and compound Ratios are applied to Virtue and Merit« (1748} - belegt, ist auch er von Hutcheson zumindest angeregt worden, denn um Hutchesons »lnquiry« geht es in Reids »Essay«.23 Als Anhänger oder Schüler Hutchesons sind weiter noch Alexander Gerard (1728-1795) und Thomas Brand Hollis (1719-1804} zu erwähnen, denn über sie knüpfte sich, neben Hutchesons eigenen Kontakten, die Verbindung mit Amerika: Ein Schüler Gerards, William Small, war Lehrer von Thomas Jefferson in Williamsburg; Hollis war mit Adams befreundet. 24 Hier sei sogleich hinzugefügt, daß Benjamin Franklin seit seiner Schottlandreise von 1759 mit Henry Horne, David Hume, Adam Smith und anderen Schotten befreundet war. Anlaß dieser Reise war die Verleihung des Doktors der Rechte durch die Universität St. Andrews. 25 Eine weitere Persönlichkeit, die Hutcheson in Amerika bekanntgemacht hat, war John Witherspoon (1722-1794}. Witherspoon wanderte 1768 nach Amerika aus und wurde Präsident des College of New Jersey (Princeton). In Princeton dominierte damals Berkeleys Philosophie die Lehre und der Berkeleyanismus wurde neues Ziel des Witherspoonschen Unwillens. Darüber scheint er seine Gegnerschaft zu Hutcheson hintangestellt zu haben, jedenfalls griff er in seinen Ethikvorlesungen nun in starkem Maß auf Hutcheson zurück.26 Von Hutcheson wird zwar erst 1788 eines seiner Werke in Amerika gedruckt, doch waren schon zuvor Auszüge veröffentlicht und Bücher aus dem Mutterland importiert worden. 27 Die ersten Mittler, die schon vor Witherspoon Hutchesons Philosophie an die Amerikaner weitergegeben haben, waren Francis Alison (17051779), der ebenfalls schottischer Auswanderer war, 28 Jonathan Edwards (1702-1758) 29 und Samuel Johnson (aus Connecticut, 16961772).30 (Alison und Johnson waren beide gut mit Benjamin Franklin bekannt.) Wie Norton gezeigt hat, finden sich besonders im Kreis von Alisons Schülern viele Personen, die in der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung eine beachtliche Rolle gespielt

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haben.31 Betrachtet man die Bedeutung, die Hutcheson bei Benjamin Franklin {1706-1790)32 und John Adams {1735-1826)33 , bei Thomas Jefferson {1743-1826)34 und James Wilson {1742-1798)35 hatte, ist es erwägenswert, die traditionelle Annahme von der Dominanz Lackes im politischen Denken Amerikas 36 neu zu prüfen, wie dies Wills, White und Parks - nicht unwidersprochen - vorgeschlagen haben. 37 Noch im neunzehnten Jahrhundert hat sich Ralph Waldo Emerson {1803-1882) ausführlich mit dem Begriff des Moralsinns auseinandergesetzt, doch es scheint, als habe er ihn nicht mehr direkt aus Hutchesons Schriften kennengelernt, sondern aus einer späteren Quelle (vielleicht Richard Price). 38 In Deutschland findet sich unter denen, die Hutcheson übersetzt haben, kein geringerer als Lessing. Von ihm stammt die Übertragung des »System«, welches das erste seiner Werke in deutscher Veröffentlichung war. 39 Niemand geringeres als Kant hat sich in seiner Moralphilosophie beständig mit Hutcheson auseinandergesetzt.40 Zahlreiche andere deutsche Autoren haben Hutcheson gelesen und benutzt; 41 und auch für Jacobi42 und Herder43 war er kein Unbekannter, wenngleich er bei ihnen nicht derart wichtig wie bei Kant gewesen sein dürfte. Ein bedeutender Mittler war hier für Jacobi, Herder und die Kreise der deutschen Romantik der niederländische Philosoph Franz Hemsterhuis {1721-1790)44 , der von Hutcheson viele Züge übernimmt und unter anderem an Novalis - der von Hemsterhuis stark angeregt worden ist - weitergibt. Hutchesons Rezeption in Frankreich 4s ist bislang nur wenig untersucht worden. Neben Diderot 46 haben ihn Burlamaqui {16941748)47 und Robinet (1735-1820)48 gelesen und verarbeitet. Holbach hat zumindest einige Werke von ihm besessen. 49 Es ist auch vermutet worden, daß Rousseau ihn gekannt hat.so Schließlich wäre hier noch zu verzeichnen, daß die schwedische Philosophie des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts und zu Beginn des neunzehnten Hutcheson zur Kenntnis genommen hat, und zwar in durchaus beträchtlichem Ausmaß.s 1 In Italien hat ihn möglicherweise Beccaria, vielleicht in einer französischen Übersetzung, rezipiert. Jedenfalls weist er in seiner Schrift »Dei Delitti e delle Pene« (1764) einleitend darauf hin, daß er die Maxime vom größten

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Glück der größten Zahl einem ungenannten Autor verdanke. Da angesichts des Zeitpunktes der Publikation von Beccarias Schrift Bentham als Quelle ausscheidet, kommt wohl nur Hutcheson in Betracht. Mit dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts hat das Interesse an Hutcheson deutlich nachgelassen. Man liest ihn nicht mehr um seiner Auffassungen und Argumente willen, sondern er wird mehr und mehr zum Inventar der Philosophiegeschichte. Symptomatisch ist beispielsweise die folgende Bemerkung Hegels, mit der er in seinen „Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie« das Kapitel über die »Schottische Philosophie« abschließt. Hutcheson wird zusammen mit Dugald Stewart, Edward Search, Ferguson und Adam Smith kurz erwähnt und Hegel bemerkt summarisch: »Alles spekulative Philosophieren hört damit auf. Es ist Popularphilosophie ... Das ist nun schon gut, um bis zu einem gewissen Grad der Bildung zu wissen, was so ungefähr die allgemeinen Gedanken seien, um sie historisch zu erzählen, sich auf Beispiele zu berufen und si~ zu erläutern.«' 2 Die Philosophiegeschichten räumen ihm zwar regelmäßig einen Platz ein, allerdings befindet sich dieser zumeist im zweiten Rang. So taucht er etwa bei Victor Cousin auf, bei Wundt und Windelbrand, in Leslie Stephens »History of English Thought in the Eighteenth Century« und James McCosh's „The Scottish Philosophy« (die beiden Letzten erkennen ihm allerdings eine vergleichsweise bedeutende Position zu).' 3 Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts erscheint dann mit Thomas Fowlers »Shaftesbury and Hutcheson« (London 1882) die erste umfassende Darstellung, bald darauf gefolgt von der großen, biographischen und interpretativen Studie von William Robert Scott: »Francis Hutcheson, His Life, Teaching and Position in the History of Philosophy« (Cambridge 1900). Dieses Buch ist vor allem als historisch-biographische Arbeit nach wie vor wertvoll (eine Biographie neueren Datums gibt es nicht).' 4 Von der Jahrhundertwende bis auf den heutigen Tag sind über 50 Titel erschienen, die sich monographisch, teils auch vergleichend mit Hutchesons Philosophie auseinandersetzen (darunter 29 Zeitschriftenaufsätze und 14 Dissertationen)."

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IIL Zur Interpretation des wrliegenden Werkes 1.

Zur Problemstellung

Das Titelblatt der Erstauflage der •lnquiry into the Original of our Ideas of Beauty and Virtue« informiert uns darüber, daß Hutcheson die Prinzipien Shaftesburys (1671-1713) gegen den Autor der Bienenfabel, also gegen Bernard de Mandeville (1670-1733} erläutern und verteidigen will. In dieser Kontroverse ging es um das Problem, ob der Mensch moralische Prinzipien von Natur besäße (Shaftesbury) oder ob diese Prinzipien nicht vielmehr ein künstliches Erzeugnis seien (Mandeville). Diese Auseinandersetzung betraf nicht in erster Linie die moralischen Maximen, also die Regeln oder Vorschriften der Moral, sondern deren Prinzipien und Ursprung. Mandeville behauptete, das Prinzip aller Moral sei in der menschlichen Natur die Eigenliebe oder das Selbstinteresse (selflove, self-interest) und die Moral sei um ihrer politischen Nützlichkeit willen erfunden worden. Für Shaftesbury dagegen waren die sozialen Affekte (social affections) das Prinzip der Moral und der Moralsinn (moral sense) der Ursprung unserer Moralbegriffe. Die Frage nach den Prinzipien der Moral beginnt also mit einer Frage nach der Natur des Menschen.'6 Dies steht auch für Hutcheson am Anfang: Das Vorwort zur •lnquiry« eröffnet mit der Feststellung, daß kein Teil der Philosophie von höherem Nutzen sei, als die genaue Erkenntnis der menschlichen Natur und ihrer verschiedenen Kräfte und Dispositionen. Diese Kontroverse war allerdings nicht neu: sie war beispielsweise schon zwischen Richard Cumberland (1631-1718) und Thomas Hobbes (1588-1679) geführt worden." Hutcheson nimmt auch auf diese Kontrahenten immer wieder Bezug. Es scheint sogar, daß ihm in gewisser Hinsicht die Position Cumberlands, des Bischofs von Peterborough, näher stand als die Shaftesburys: seit der zweiten Auflage der •lnquiry« (1726) fehlen einerseits die Hinweise des Titelblatts auf die Shaftesbury-Mandeville-Debatte, andererseits nimmt er in das Vorwort einen Passus auf, der eine vorsichtige Distanzierung von Shaftesbury ausdrückt. Dort attestiert ihm Hutcheson gewisse Vorurteile gegen das Christentum (•some prejudi-

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ces he had received against christianity«58 ). Hutcheson hatte demgemäß also die »social affections« von Shaftesbury durch die Liebe (love) oder das Wohlwollen (benevolence) ersetzt, die wir auch bei Cumberland als Prinzip der Moral finden. 59 Sie sind für Hutcheson der Inbegriff der christlichen Idee der Tugend: »... das Christentum ... (gibt) uns die wahrste Idee der Tugend ... und (empfiehlt uns) die Liebe zu Gott und der Menschheit als den Inbegriff aller wahren Religion ... «. 60 Mit Blick auf dieses Prinzip seiner Ethik kann man Hutcheson also einen Agapisten nennen. Das Titelblatt der »Inquity« gibt noch einen zweiten Hinweis auf den philosophischen Hintergrund des Werkes - das Zitat aus Cicero, das sich im übrigen in allen Auflagen findet. Cicero schreibt hier, daß sich für uns das Ehrenhafte (honestum) aufgrund von Wahrnehmungen bilde und entwickle, daß man die Gestalt selbst und gleichsam das Antlitz des Wertvollen sähe. Dies ist eine jener Passagen, die Hutcheson im Auge hat, wenn er im Schlußsatz des Vorwortes schreibt, er habe die ersten Hinweise zu seinen eigenen Auffassungen einigen der größten Autoren der Antike entnommen. Diese »Auffassungen« betreffen das auch von Cicero angesprochene Thema der moralischen Wahrnehmungen, der »moral perceptions« bei Hutcheson. Ähnliche Passagen finden sich auch bei Aristoteles, den Hutcheson an anderer Stelle zitiert.6 1 Cicero vergleicht das Wahrnehmen des Ehrenhaften mit dem Sehen einer Gestalt oder eines Antlitzes. Diese Analogie hatte schon Shaftesbury veranlaßt, für die moralische Wahrnehmung ein Pendant zum Gesichtssinn anzunehmen: den Moralsinn (moral sense). 62 Diesen Ausdruck übernimmt Hutcheson von ihm. Die moralischen Wahrnehmungen und der Moralsinn sind gemeint, wenn der Titel der Schrift vom Ursprung unserer Ideen von Tugend (» ... Original of our Ideas of ... Viture«) spricht; sie sind der Gegenstand der zweiten Abhandlung. Auch hier liegt eine zeitgenössische Kontroverse vor: jene zwischen den Empiristen und den Rationalisten. Während sich die Grenze zwischen dem »selfish system« von Hobbes und Mandeville und dem »benevolent system« (Cumberland, Hutcheson) anhand der Frage nach der moralischen Natur des Menschen ziehen läßt, scheiden sich die Auffassungen von Empiristen und Rationa-

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BEAUTY and VIRTUE; In Two TREATI SES. IN

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With an Attempt to introduce a Mathematical Ca!culation in Subjefü of Moralir~.

ltaquc eorum ipforum qu:i: afpeltu fentiuntur, nullum aliud animal pukhritudinem, venull:atem, convenientiam panium femit : Quam fimilitudinem natura ratioque ab oculis ad anirnum transferens, multo etiam magis pulchrirudinem, confiantiam, ordinem in confiliis, faföfgue confervandum putat : Q!Jibus ex rebus conllarur & efficitur id quod qurerimus honeftum : Q!Jod etiamfi nobilitatum non fit, tarnen honellum fit : quodque etiamfi nullo laudetur, natura e!l lJudabile. Formam quidem ipfam & faciem hondl:i vides, qure fi oculis cernerctur, rnirabilcs amores excitaret fapicntia:. Cic. de Ojf. lib. 1. c. 4.

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LONDON:

Printcd by DA lt B T in Barrh,/vmr..v-Cloft, for W' r LL. and J o H N SM I TH on thc Blind Kry in Dublin ; and fold by. W. and J. INN T s at the Wefr-End of St. Paul's Churchyard, J. 0 s B 0 ll N and T. L 0 N G ,1 AN in Par.r-NoffrrR.ow, and S. CH·' ND L ER i.n the Po;,/try. M. occ. xxv,

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listen am problem des Ursprungs unserer Begriffe von Tugend, von Gut und Schlecht im moralischen Sinn. Die Empiristen behaupten, daß sich moralische Begriffe aufgrund von Erfahrung konstituieren, während sie für die Rationalisten - auch wenn sie erst apropos einer Erfahrung gedacht werden - der Vernunft entstammen. Die Empiristen spalten sich allerdings in verschiedene Lager auf, je nachdem welche Art von Erfahrung als konstitutiv gilt. Für einen Hedonisten bilden Empfindungen von Lust und Freude den Grund der Begriffe des moralisch Guten {Aristipp von Kyrene, Hobbes, Mandeville, Helvetius, Lamettrie, de Sade). Für einen Konventionalisten wären Gewohnheiten oder Erziehung Quelle der Moralbegriffe {beispielsweise bei Nietzsche). Demgegenüber nimmt die Gefühlsethik eine spezifisch moralische Erfahrung an: Hume nennt sie das »moralische Gefühl«, Adam Smith »Sympathie« und Schopenhauer »Mitleid«. Man hat auch Hutcheson dieser Tradition zugerechnet, obschon er nur selten von »Gefühlen « (feeling, sentiment), zumeist vielmehr von »moralischen Wahrnehmungen« {moral perceptions) spricht. 63 Mit der Untersuchung der soeben angesprochenen Erfahrungskategorie ist in der Regel die Frage verknüpft, auf welche Weise der Mensch diese Erfahrung erwirbt. Lustempfindungen oder Lernvorgänge können bei unterschiedlichen sinnlichen Erfahrungen oder in der Reflexion auftreten. Das empirische Material ist für den Hedonisten oder den Konventionalisten einerseits reichhaltig, andererseits bezüglich der vermittelnden Erfahrungsquelle - Sinne oder Vorstellungen - aber auch unspezifisch. Wenn man wie in der Gefühlsethik eine spezifische moralische Erfahrung annimmt, liegen die Dinge anders. Zu Hutchesons Zeit war die philosophische Diskussion dieser erkenntnistheoretischen Fragen stark von Lockes Auffassungen geprägt. Zwei Gedanken waren bei ihm besonders wichtig: erstens, daß alle Erfahrung, sinnliche wie reflexive, entweder aus einfachen oder zusammengesetzten Ideen besteht, und daß alle »complex ideas« sich letztlich in »simple ideas« auflösen lassen. 64 Das bedeutet für die Analyse der moralischen Erfahrung, daß die Frage beantwortet werden muß, aus welchen einfachen Ideen sie sich zusammensetzt oder welche einfache Vorstellung ihren spezifisch moralischen Charakter konsti-

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tuiert. Zweitens, die Vernunft kann von sich aus keine einfachen Ideen hervorbringen, sie kann sie allerdings verknüpfen, wiederholen, vergleichen und so fort, sofern ihr Sinneswahrnehmung und Reflexion das Material geliefert haben. Das bedeutet: die Vernunft kann nicht die Quelle der moralischen Erfahrung sein. 65 Wie zahlreiche Passagen belegen, schließt auch Hutcheson sich dem Empirismus Lockes in den Grundzügen an. 66 Diese Übernahme ist nicht ohne Veränderungen möglich, denn Hutcheson will seinen Liebesbegriff als Prinzip der Moral mit dem Lockeschen Empirismuskonzept als Ursprung der moralischen Begriffe verknüpfen. Doch Locke war in der Ethik kein Agapist, zumindest kannte er keinen genuin nicht-egoistischen Liebesbegriff, da für ihn „Liebe« als »komplexe Idee« in -einfache Ideen« analytisch zu zerlegen war und diese Analyse auf die »simple idea« von Lust bzw. Schmerz anscheinend nicht verzichten konnte.6 7 Kurz, sein Liebesbegriff war immer in der Selbstliebe fundiert. Hutcheson behält hier zwar das Grundkonzept Lockes bei, nämlich die Analyse komplexer in einfache Ideen und deren empirisches Gegebensein - aber er fügt einige Neuerungen hinzu: das Streben oder Verlangen (desire) ist für ihn eine einfache Idee; die Liebe ist dann das Streben nach dem Guten für eine oder mehrere andere Personen. Diese Liebe ist Gegenstand der moralischen Wahrnehmung und der Grund der moralischen Billigung. Als Fähigkeit dieser Wahrnehmung (und der Billigung) nimmt er einen Moralsinn (moral sense) an, der damit der Ursprung (original) unserer moralischen Begriffe ist. Zu diesen zwei ethischen Kontroversen gesellt sich von Anfang an eine dritte, nämlich die politische. Man darf hier nicht aus dem Auge verlieren, daß der Kreis um Molesworth in eben diesem Mann (genauso wie in Shaftesbury als philosophischem Vorbild) den praxiserfahrenen Politiker zum Mittelpunkt hatte. (Im Vorwort weist Hutcheson auf Molesworth' Anteil am Zustandekommen dieses Werkes hin. 68) Die zahlreichen einander befehdenden theoretischen Lager präsentieren sich uns beispielsweise in den Kontroversen zwischen Hobbes und Harrington, zwischen Filmer und Locke, zwischen Mandeville und Shaftesbury oder Molesworth. Hutcheson befür-

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wartet eine politische Ordnung nach liberalem republikanischem Vorbild, deren Konzept ihm vornehmlich Harrington liefert. Die politischen Prinzipien dieser Ordnung - Glück, Gerechtigkeit und Freiheit beispielsweise - formuliert Hutcheson zwar im Rahmen der naturrechtlichen Konzeption Pufendorfs und Lackes, aber die Begründung dieser Prinzipien leistet er aus seiner eigenen Ethik. Dieser entsprechend ist für ihn der Mensch von Natur ein geselliges Wesen und sein Naturzustand ist, anders als bei Hobbes und gegen ihn gewendet, kein Kriegszustand. 69 Während aber bei Locke die »Verpflichtung zu gegenseitiger Liebe« ihren vernunftgemäßen Grund in der natürlichen Gleichheit der Menschen hat und diese Verpflichtung auf die Beachtung des Naturrechts geht, ist bei Hutcheson die Liebe das Fundament des Naturrechts und diese Liebe will, da sie eine christliche Liebe ist, das Gute ohne Frage nach Gleichheit oder Verdienst. Die Klammer zwischen der Ethik und der politischen Philosophie Hutchesons ist das Bewußtsein von der ambivalenten und unvollkommenen Natur des Menschen. Dem Prinzip des Wohlwollens steht konkurrierend die Selbstliebe gegenüber, dadurch sind die Menschen korrumpierbar. Die moralische Billigung durch den Moralsinn kann ihre wegweisende Aufgabe verfehlen, wenn unsere Vorstellungen bezüglich der Situation, der Handlungen und ihrer Konsequenzen unzulänglich oder falsch sind; mangelhafte Erfahrung und unzureichende Überlegung sind das Kennzeichen einer unvollkommenen Natur. Die politische Ordnung verkörpert die moralischen Prinzipien und sichert durch die aufgestellten Gesetze und ihre Sanktionsmacht die Existenz der Menschen in Gesellschaft gegen die möglichen schlechten Konsequenzen aus deren Unvollkommenheit. Da die Politik aber die moralische Vortrefflichkeit von Intentionen nicht überprüfen kann, beschränkt sie sich auf die Kontrolle des effektiven Handelns und auf die Erziehung. Da die Ordnung selbst von unvollkommenen Menschen ausgefüllt wird, muß sie - republikanisch - auch gegen deren eigene mögliche Defekte abgesichert werden. Man kann an der theoretisch-systematischen Konzeption einer Ethik somit vier Komponenten unterscheiden. Hierzu gehört einmal die Maxime oder der oberste Grundsatz einer Ethik, wie er bei-

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spielsweise in Form der »goldenen Regel« oder verwandten Formulierung~n' vorliegt: »Wie Ihr wollt, daß Euch die Leute tun sollen, also tut Ihnen auch.« (Lukas VI, 31). Pufendorf etwa, derbedeutende Naturrechtstheoretiker und Rechtssystematiker, dessen Werk »De Jure Naturae et Gentium« in ganz Europa seit seinem ersten Erscheinen bis weit ins 18. Jahrhundert hinein das Handbuch aller Rechtsgelehrten, Moralphilosophen und Politikwissenschaftler war, Pufendorf formuliert, es sei notwendig, daß der Mensch gesellig (sociabile) ist, und "· .. das heißt, daß er sich mit seinesgleichen zusammentut, und sich jenen gegenüber so verhält, daß sie keinen Anlaß haben, ihm zu schaden, sondern vielmehr einen Grund, seinen Nutzen zu wahren und zu fördern.« 70 .Hutcheson spricht einen solchen Grundsatz als »Prinzip«, »Regel« oder „Maxime« an. Seine Formulierung dieser Maxime lautet: »Diejenige Handlung ist die beste, die das größte Glück der größten Zahl zeitigt.«71 Als Antwort auf die Frage „warum sollten wir so handeln?« wird dieser Maxime ein Grundprinzip oder - wie Hutcheson sagt - eine »foundation« unterlegt. 72 Bei Pufendorf ist dieses Grundprinzip die Selbstliebe und Schwäche des Menschen. 73 Bei Hutcheson, der sich gegen die Tradition dieser Fundierung im Selbstinteresse wendet, besteht es in der »uneigennützigen Liebe« oder (synonym damit) im »uneigennützigen Wohlwollen«. 74 Eine ähnliche Konzeption finden wir im übrigen bei Cumberland und Thomasius. 75 Während die Frage nach dem Grundsatz weitgehend einmütig beantwortet wird, findet man die zentralen Auseinandersetzungen der Ethik hier, bei der Frage nach dem Grundprinzip. Dem Grundsatz und dem Grundprinzip steht unmittelbar zur Seite die Frage danach, was die Quelle unserer moralischen Vorstellungen, Begriffe oder Prinzipien ist, insofern wir um sie wissen und über sie reflektieren. Diese Quelle bezeichnet Hutcheson als das »Original«, den Ursprung unserer Ideen von Tugend und moralisch Gutem. Während dieser Ursprung bei Pufendorf- wie auch bei anderen Rationalisten - die Vernunft ist 76 , nennt Hutcheson hier die moralische Wahrnehmung, die wir durch unseren Moralsinn haben. 77 Dieser erkenntnistheoretischen Seite seiner Ethik hat in den letzten Jahren weitgehend die Aufmerksamkeit der

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Hutcheson-Literatur gegolten. 78 Der Ausdruck „moral sense« ist von Shaftesbury benützt und durch ihn verbreitet worden, doch findet er sich wohl zum ersten Mal bei Thomas Burnet, einem Schüler von Ralph Cudworth. 79 Die vierte Komponente schließlich ist der zuerst genannten Maxime untergeordnet und umfaßt die Gesamtheit der mehr oder weniger speziellen, aus ihr abgeleiteten Moralregeln, die bei Hutcheson - wie bei Pufendorf und vielen anderen - häufig unter dem Ausdruck »Naturrecht« (als Sammelbegriff für derlei Regeln) angesprochen, oder einfach die »Moralregeln« (moral rules) genannt werden. 80 Diese vier Komponenten und die Prinzipien der Politik sollen im folgenden etwas näher erörtert werden.

2. Zum Liebesbegriff Hutchesons Im ersten Kapitel der vorliegenden Schrift - „Vom Moralsinn, durch den wir Tugend und Laster wahrnehmen und sie bei anderen billigen oder mißbilligen« - beginnt Hutcheson mit der Unterscheidung des moralisch Guten und Schlechten vom natürlich Guten und Schlechten. Unmittelbar anschließend erörtert er die moralische Wahrnehmung und Billigung. Diese Passagen kreisen in ihrem Kern um die Frage, ob »die Liebe und Achtung oder die Wahrnehmung moralischer Vortrefflichkeit«, ob die „Billigung« des moralisch Guten, etwa beim Handeln von Personen, „aus der Erwartung eines Vorteils käme«, das heißt, ob ihr Grund die Selbstliebe sei. 81 Schon im Zusammenhang des ersten Kapitels wird die Antwort einige Male angedeutet: Der Grund der Billigung des moralisch Guten und seiner Wahrnehmung als moralische Vortrefflichkeit ist die Liebe (oder das Wohlwollen), insofern sie Beweggrund, Motiv oder Intention des Handelnden ist. 82 Zum Hauptthema wird die Liebe als »die allgemeine Grundlage des Moralsinns«s3 dann im zweiten und im dritten Kapitel: „über die unmittelbaren Beweggründe zu tugendhaften Handlungen«, und: »Der Sinn für Tugend ... zurückführbar auf eine allgemeine Grundlage ... «. Jede Handlung, so heißt es einleitend im zweiten Kapitel, ent-

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springe einem Affekt. 84 Von größter Bedeutung in der Moral seien jedoch die beiden Affekte Liebe und Haß; alle übrigen stellen nach Hutcheson nichts als Modifikationen dieser beiden ursprünglichen Affekte (original affections) dar. Diese beiden Affekte nennt Hutcheson auch die »uneigennützigen Affekte« (disinterested affections). Er stellt sie der Selbstliebe entgegen und formuliert als eine Aufgabe der folgenden Abschnitte zu zeigen, daß die tugendhaften Handlungen nicht der »Selbstliebe oder dem Streben für Privatinteressen«, sondern den »uneigennützigen Affekten« entspringen. 85 Bei der Liebe (und ähnlich beim Haß) unterscheidet er sodann zwei Arten, die in seiner Ethik zwei systematisch klar getrennte Aufgaben innehaben. Die eine Art der »Liebe zu vernünftigen Wesen« ist bei ihm die Liebe, verstanden als Wohlgefallen oder als Hochachtung86 ; in einem Zusatz zur dritten Auflage wird noch präzisiert, daß dieses „Wohlgefallen« identisch ist mit der »Billigung (approbation) irgendeiner Person durch unseren Moralsinn«.87 Die andere Art von Liebe ist das Wohlwollen.ss Auch hierzu heißt es in der dritten Auflage genauer, dieses »Wohlwollen« sei ein Streben (desire) nach dem Glück eines anderen. 89 Betrachten wir im folgenden also Hutchesons Liebesbegriff näher. Wenn Hutcheson die Liebe der Selbstliebe entgegensetzt, dann will er zeigen, daß die Liebe nicht, wie im »selfish-system« behauptet, auf die Selbstliebe oder das Eigeninteresse reduzierbar ist, sondern daß sie eine eigenständige, genuin moralische Kategorie eines ursprünglichen und uneigennützigen Affektes darstellt. Diese These bedarf der Argumentation. Hutcheson schreibt zuerst, das Wohlgefallen scheine schon „auf den ersten Blick uneigennützig zu sein«, denn - so die Begründung - es werde »einzig durch gewisse moralische Qualitäten ... , die man sich als in den Objekten seiend vorstellt« hervorgerufen, nicht jedoch durch Belohnungen oder Strafen, durch Bestechung oder sonstige Vorteile.90 Anschließend bekräftigt er seine These der Uneigennützigkeit bezüglich des Wohlwollens. Hier heißt es, schon die Bezeichnung schließe das Eigeninteresse aus, und es folgt eine Prüfung der Fälle, in denen man den Ausdruck „wohlwollend« auf Personen anwendet. Hutcheson kommt zu dem Schluß, daß bei der Verwendung des Aus-

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druckes immer vorausgesetzt wird, der Betreffende habe nicht ausschließlich aus Selbstliebe oder aus Eigeninteresse gehandelt, sondern das uneigennützige Wohlwollen sei zumindest eine Komponente seiner Motive gewesen.9 1 Doch scheint diese Argumentation Hutcheson selbst oder seine Leser nicht befriedigt zu haben, denn mit der dritten Auflage wird gleich anschließend das Problem in einem Zusatz neuerlich aufgerollt. Diese Ergänzung, im Text der dritten Auflage von Seite 137 bis Seite 153 reichend, ist im übrigen die längste neu hinzugekommene Passage. Hutcheson formuliert zuerst zwei Einwände gegen seine Auffassungen, von denen er anzunehmen scheint, daß es sich um die zwei einzig möglichen Gegenargumente handelt. Das erste behauptet, wir würden das Wohlwollen willentlich hervorrufen, wenn wir meinen, diesen Affekt zu haben sei zu unserem Nutzen, d.h. er sei erfreulich oder vermittele Belohnungen. Das zweite Argument besagt, daß wir das Glück anderer Personen aufgrund unserer natürlichen Verfassung notwendig als Anlaß und als Mittel zu unserem persönlichen Glück ansehen, und daß wir das Glück anderer Menschen folglich als Mittel zu unserem eigenen Glück anstreben. 92 Gegen das erste Argument präsentiert Hutcheson drei Überlegungen, die in der Hauptsache folgendes beinhalten: (1) Wenn es möglich ist, einen Affekt oder ein Streben unmittelbar durch den Willen aufgrund einer Nutzenerwägung hervorzurufen, dann muß es möglich sein, das Wohlwollen aufgrund einer Bestechung hervorzurufen. Wir wissen jedoch aufgrund eigener Beobachtung, daß dies unmöglich ist. 93 (2) Dieser Affekt wird auch nicht aufgrund der Erwartung eines ihn begleitenden Vergnügens hervorgebracht, denn oftmals ist das Wohlwollen eben nicht von Vergnügen sondern von Schmerzen begleitet. 94 (3) Das Wohlwollen wird schließlich auch nicht durch die Absicht hervorgerufen, die späteren Vergnügen der Selbstbilligung durch unseren Moralsinn zu erlangen, denn dann würden wir uns vorrangig anderen Affekten zuwenden, die - wie Reichtum oder sinnliches Vergnügen - viele Gemüter stärker anziehen als diese Selbstbilligung.95 Gegen das zweite Argument macht Hutcheson geltend, daß wir das Wohlwollen, also das Streben nach dem Glück anderer, gerade

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dann nicht billigen, wenn es ausschließlich ein Mittel eigenen Reichtums oder sinnlichen Vergnügens ist. Dazu führt er das Beispiel einer Wette an: Eine Person A schließt mit einer anderen Person B eine Wette auf das Glück eines dritten (C) ab, dergestalt, daß A gewinnt, wenn C glücklich ist. Um die Wette zu gewinnen, also aus Eigennutz, fördert A das Glück von C. Gleichwohl wird man dieses Handeln von A nicht als tugendhaft billigen, denn das Interesse von A hängt allein und direkt von der Höhe des Wettbetrages ab. Damit will Hutcheson sagen, daß A solange ein Interesse an der Förderung von C hat, wie seine Ausgaben für C nicht den zu erwartenden Gewinnbetrag aus der Wette mit B übersteigen. Die Auseinandersetzung mit gegnerischen Einwänden wird auch in späteren Absätzen dieses Kapitels fortgeführt. 96 Hutchesons Widerlegungen beruhen in jedem Fall auf Aussagen, deren Wahrheit nur durch eine Selbstbeobachtung zu entscheiden ist. Wie er selbst immer wieder betont, ist dies sein Hauptargument: »Doch was uns von der Wahrheit in diesem Punkt am wirksamsten überzeugen wird, ist eine Betrachtung unserer eigenen Herzen ... «97 oder unseres eigenen Geistes98 • Hutcheson hat selbst gewußt, daß er seinen Gegnern nicht durch die Prüfung der Logik ihrer Argumente beikommen konnte. So resümiert er in den „Illustrations on the Moral Sense«, seine eigenen Auffassungen mit den gegnerischen vergleichend, beide seien „intelligible, each consistent with itself«. Die Auffassung seiner Gegner scheine jedoch die menschliche Natur nicht so, wie sie ist, zu repräsentieren, während seine eigene dies zu tun scheine. 99 Zum gleichen Problemkreis heißt es im „System of Moral Philosophy«, dies werde durch die Erfahrung evident. 100 Die Erfahrung, um die es sich hier dreht, ist die moralische Wahrnehmung (moral perception), deren reflexiver Erhellung für Hutcheson die Aufgabe der Letztbegründung in der Differenzierung eines spezifisch moralischen Erfahrungsanlasses zufällt. Hierzu heißt es schon eingangs des ersten Kapitels der vorliegenden Schrift: „That the Perceptions of moral Good and Evil, are perfectly different from those of natural Good, or Advantage, every one must convince himself, by reflecting upon the different Manner in which he finds himself affected when these Objects occur to him.«101

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Der Liebesbegriff Hutchesons war im zweiten Kapitel, wie gerade ausgeführt, zuerst als ein Affekt thematisiert worden. Doch der schon zitierte Zusatz der dritten Auflage 102 macht deutlich, daß die zwei Arten von Liebe, Wohlgefallen und Wohlwollen, auf zwei verschiedene „fähigkeiten des menschlichen Geistes« verweisen. Beim Wohlgefallen oder der Billigung »handelt es sich eher um eine Wahrnehmung als um einen Affekt des guten Willens«, d.h. es handelt sich um die moralische Wahrnehmung vermittels des Moralsinnes: demgegenüber ist das Wohlwollen ein Streben nach dem Guten für andere und als Streben zum Willen des Menschen und nicht zu seinen Wahrnehmungsfähigkeiten zu rechnen. Den Begriff der Billigung werde ich im Abschnitt über die moralische Wahrnehmung und den Moralsinn noch näher erörtern und mich hier vorerst auf die Liebe als Wohlwollen konzentrieren. In der ersten Auflage der vorliegenden Schrift trifft der Leser auf eine verwirrende Zahl verschiedener Oberbegriffe in der näheren Bestimmung der Liebe. Sie begegnet ihm nicht nur als „Affekt«, sondern auch als „intention«, »Sentiment«, »design•, »disposition«, „inclination«, »motivc, »determination«, „instinct«, und manchmal als „passionc. 103 Erst im „Essay on the Passions and Affections« (1726) und in den späteren Auflagen der „Jnquiry« von 1726 und 1729 werden die begrifflichen Zusammenhänge klarer. Schon der Einleitungssatz zum zweiten Kapitel der „Jnquiry« hatte auf den „Essay« hingewiesen mit den Worten, man könnte die Beweggründe oder unmittelbaren Ursachen menschlicher Handlungen am besten nach einer Erörterung der Leidenschaften und Affekte verstehen. 104 Im „Essay« konnte man dann erstmals lesen, daß »Liebe« als „Streben (desire) nach Glück für einen anderen« definiert wurde. 105 In derselben Schrift führte Hutcheson zudem aus, daß das »desire« eine •simple idea«, eine einfache Idee ist. Der Terminus „simple idea« verweist auf Lockes Erkenntnistheorie; nach Lockes Auffasung waren ja alle einfachen Ideen auch Ideen von etwas Wirklichem, das heißt originär. 106 Hiermit glaubt Hutcheson offenbar den in das empiristische System passenden, formalen Ausdruck für die Wirklichkeit und Originalität der Liebe gefunden zu haben. Dazu gehört auch, daß das „desire« und die Billigung („approbation«) als •simple idea« auch durch ein spezifisches

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Vermögen, den Moralsinn nämlich, wahrgenommen werden müssen.101 Locke allerdings kannte in seiner Doktrin keinen Moralsinn und betrachtete das .desire« auch nicht als einfache Idee - führte es vielmehr auf die einfache Idee von Schmerz zurück. Er schrieb: „Jede Art von körperlichem Schmerz, jede Beunruhigung des Geistes ist ein Unbehagen, und mit diesem ist immer ein Begehren (desire) verbunden, das ebenso stark ist wie die Empfindung von Schmerz oder Unbehagen und davon kaum zu unterscheiden ist. Denn da das Begehren nichts anderes ist als ein Unbehagen über den Mangel eines abwesenden Gutes inbezug auf einen gefühlten Schmerz; so ist die Linderung des Schmerzes das abwesende Gut. Solange diese Linderung nicht erreicht ist, können wir sie als Begehren bezeichnen; denn niemand empfindet Schmerz, der nicht mit einem Begehren, das diesem Schmerz gleichkommt und von ihm untrennbar ist, wünscht, davon befreit zu werden.«1os Hutcheson wendet sich direkt gegen diese Stelle, wenn er im „Essay« bemerkt: „Der Grund für die angebliche Schwierigkeit, sich uneigennützige Bestrebungen vorzustellen (in conceiving disinterested Desires), liegt wahrscheinlich darin, daß man versucht hat, die einfache Idee des Strebens zu definieren. Man nennt es eine unbehagliche Wahrnehmung bei der Abwesenheit eines Gutes. Wohingegen doch das Streben von einer Wahrnehmung so verschieden ist, wie der Wille vom Verstandc. 109 Die Unterscheidung zwischen dem Streben und „jeglicher Art Schmerz oder einer sonstigen Empfindung« wiederholt Hutcheson im „Essay« immer wieder. 110 Diese Abgrenzung ist grundlegend. Mit der dritten Auflage wird diese Argumentation auch annähernd wörtlich in die „lnquiry« übernommen. 111 Die dritte Auflage des „Essay« enthält darüber hinaus einen Zusatz, der die Unterscheidungen noch präziser ausarbeitet. Schon Cumberland hatte mit der bewußten Betonung der Liebe als „bene-volentia« die Liebe als einen Akt des Willens gekennzeichnet. Locke dagegen hatte das .desire« ausdrücklich vom Willen gesondert. 112 Hutcheson sprach noch in der ersten Auflage des „Essay« nur beiläufig vom .desire« als einem Willensakt. 113 Die folgende Anmerkung der dritten Auflage des „Essay« gehört zu der Textstelle, in der die

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»calm desires« von den Leidenschaften abgegrenzt werden und macht die Zuordnung des »desire« zum Willen deutlich: »Die Schulphilosophen drücken diese Unterscheidung durch, die Ausdrücke 'Appetitus Rationalis' und 'Appetitus Sensitivus' aus. Allen Lebewesen gemeinsam sind die äußerlichen Sinne, die ihnen Begriffe von den Dingen als lustvoll oder schmerzlich vermitteln: und genauso haben sie den 'Appetitus Sensitivus' oder gewisse instinktive Bestrebungen und Abneigungen. Vernünftige Wesen haben zusätzlich zu diesen zwei höhere, analoge Kräfte: nämlich den Verstand oder die Vernunft, die ihnen weitere Begriffe präsentieren und von einer höheren Art von Wahrnehmungen begleitet sind; und sie haben den 'Appetitus Rationalis'. Dieser letztere ist eine 'konstante, natürliche Disposition der Seele zu erstreben, was der Verstand oder jene feineren Wahrnehmungen als gut repräsentieren, und das zu verabscheuen, was sie als Übel repräsentieren, und dies sowohl dann, wenn es uns selbst als auch dann, wenn es andere berührt.' Viele nennen dies den Willen im Unterschied zu den Leidenschaften. Einige neuere Schriftsteller scheinen es vergessen zu haben, denn sie schreiben dem Verstand nicht nur Ideen, Begriffe und Wissen zu, sondern auch Handlungen, Neigungen, Strebungen, Absichten und deren Gegenteile.« 114 Es scheint also nicht angemessen zu sein, wenn man bei Hutcheson die Beweggründe des menschlichen Handelns als »Gefühle« oder »emotions« interpretiert, wie dies die bisherige Literatur vornehmlich gemacht hat. 11 s Eine explizite Verwendung von »feeling« kommt bei Hutcheson in diesen Zusammenhängen erst im »System« auf. Dort sagt er, man könne »joy and sorrow« als „feelings or state of the soul« ansprechen, da sie eher Sinneseindrücken als Willensakten glichen (»more resembling sensations than volitions«). Doch es heißt weiter, die »desires« seien »motions of the soul«, seien »acts of the will« oder »determinations of the will«, und als solche von Empfindung, Wahrnehmung oder Beurteilung zu unterscheiden. Auch hier benutzt Hutcheson als Synonyme die Ausdrücke »impulse«, »instinct« und „affection«, und betont dabei ausdrücklich, daß »instinct« dem lateinischen Wortgebrauch gemäß auf die »highest powers« angewendet werden soll. 116 In der »Synopsis Metaphysicae« spricht Hutcheson wie im obigen Zitat

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aus der dritten Auflage des »Essay« vom "Appetitus Sensitivus« und »Appetitus Rationalis«; letzteren nennt er einen ruhigen, der im Gegensatz zum sinnlichen die Vernunft zu Rate zieht und Umstände abwägt, welche durch höhere Sirtne wahrgenommen würden. Aus diesem Grunde würde er als »rationalis« oder als Wille schlechthin angesprochen. In einer Anmerkung, die der vierten Auflage der »lnquiry« hinzugefügt wurde, erläutert er »Affections, or Desire of the Good of Others« als »orexis bouleutike« und als »Settled Disposition of the Will, or a constant Determination, or desire to act ... , or a fixed Affection toward a certain Manner of Conduct«; und er spricht in diesem Sinne von »instinct« als »Essential or Natural Disposition of the Will, an Affectionate Determination«.117 Es scheint also, daß Hutchesons Affektbegriff in der Liebe als Wohlwollen oder als Streben für das Gute eher als Willensäußerung und nicht, gemäß der neueren Bedeutungsverschiebung von »Affekt«, als Gefühl oder Emotion aufzufassen ist. Die Einschränkung des »eher« gründet darauf, daß Hutchesons Liebesbegriff als einen Teilaspekt den Affektbegriff im Sinne von Shaftesburys neostoischem Naturalismus enthält, denn von ihm übernimmt er den Gedanken von der Natürlichkeit der Disposition zur Tugend. Diese These richtet sich nicht allein gegen die Moralphilosophie des Egoismus, sondern auch gegen ihr Pendant in Form der in Schottland noch weitgehend dominanten calvinistischen Orthodoxie. Für den Calvinisten ist ja die menschliche Natur aufgrund des Sündenfalls und der Erbsünde so korrumpiert, daß sie nicht aus eigener Kraft das Gute erkennen oder wollen kann; eine Ethik gemäß der stoischen Maxime des »naturae convenienter vivere« ist für ihn eine Absurdität. Eine korrupte Natur vermag sich nicht an sich selbst zu orientieren, sondern bedarf der göttlichen Gnade und der Erlösung durch Jesus Christus. 118 Calvin betonte beispielsweise, daß die spirituellen Gaben des Menschen - „fides, amor Dei, caritas erga proximos, sanctitatis et iustitiae studium« erst durch Christus wiederhergestellt worden seien und als etwas Hinzugekommenes (»adventitia«}, als etwas nach der Natur (»praeter naturam«} betrachtet werden müssen. Darum muß uns Gott durch Verheißungen und Drohungen (»promissiones ac minas«}

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die Liebe zur Gerechtigkeit wieder ins Herz senken. 119 Hingegen sagt uns Hutcheson dazu im Vorwort zur »lnquiry«, der Schöpfer der Natur habe uns für ein tugendsames Verhalten viel besser ausgestattet, als sich unsere Moralisten vorzustellen scheinen, indem er dem Menschen starke Affekte als Quell jeder tugendhaften Handlung gegeben habe. 120 Bei Hutcheson tritt der Gnadenakt der göttlichen Erwählung in den Hintergrund, und das Streben nach der Tugend wird zu einem Prozeß menschlicher Selbstvervollkommnung (dieser Prozeß ist das durchgängige Thema des »Essay on the Passions and Affections«). Liebe und Selbstliebe werden zu zwei in ihrer Kraft annähernd gleichen Prinzipien, deren Widerspiel die Problematik der Tugend ausmacht. 121 Daher stellt er dann die »Axioms, or natural laws of calm desire« in »Analogy to the Laws of Motion« auf. Das moralisch-physikalische Problem der Tugend in diesem Widerspiel der Kräfte lautet dann, »to keep a just balance« 122 . Diese Analogisierung zur Mechanik führt Hutcheson schon in der »lnquiry« dazu, die Liebe mit der Gravitation zu vergleichen«: so wie die Gravitation im Verein mit der Fliehkraft das Universum ordnet, so ordnet die Liebe im Kräftespiel mit der Selbstliebe die menschliche Welt. 123 Andererseits darf man nicht übersehen, daß er auch in der »lnquiry« vom Lieben immer wieder als von einer Intention spricht; der Ausdruck »Intention« bezeichnet aber immer einen Bewußtseinsakt, und es gibt keinen Anlaß, ihm bei Hutcheson eine andere Bedeutung zu unterstellen. Im »System« findet man zwar die mechanistischen Ausdrücke nicht mehr, aber auch dort spricht Hutcheson immer noch von den »natural causes of love«.124 Der Begriff der Liebe oszilliert also vor allem in der »lnquiry« zwischen dem christlichen Voluntarismus und dem neo-stoischen Naturalismus. In der »lnquiry« begegnet uns auf der einen Seite die Auffassung der Liebe als Streben im Sinne eines Willensaktes, Affekt bedeutet dann ein Bewegtsein; auf der anderen Seite taucht die Liebe hier als ein notwendig erweckter Instinkt und als natürliche Neigung auf. 12s Im »Essay« dominiert explizit die Auslegung als Streben und als willentlicher Akt. Dem folgt Hutcheson ebenfalls im »System of Moral Philosophy«, wo zudem die Ausdrücke »instinct« und »appetit« noch näher erläutert werden: Sie bezögen

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sich dem lateinischen Sprachgebrauch gemäß nicht allein auf niedere, sondern auch auf unsere höchsten Kräfte. 126 Im „System« versucht Hutcheson schließlich die natürlichen Grundlagen der Liebe und ihren willentlichen Aspekt in einer Konzeption zu vereinen. Die Affekte sind - wie im »Essay« - Willensbewegungen oder Willensakte 127 , doch der Wille könnte die Affekte nicht erzeugen, ein »desire« brächte sie nicht hervor, wenn sie ihren Grund nicht in der Verfassung der menschlichen Natur besäßen dies ist die Bedingung ihrer Möglichkeit. Wäre der Mensch ausschließlich selbstbezogen, dann gäbe es kein wirkliches Wohlwollen: »der natürliche Grund muß vorhanden sein, bevor irgendein Affekt hervorgebracht werden kann«. 128 Die Ambivalenz des Affektbegriffs wird also nicht aufgehoben. Die voluntaristische Komponente des Liebesbegriffes steht, wie schon angemerkt, in der christlichen Tradition des Neuen Testamentes. Diese Tatsache ist bislang unbeachtet geblieben, obwohl Hutcheson selbst immer wieder an die christliche Tradition anknüpft und sich gerade in diesem Punkt gegen Shaftesbury wendet.129 Er schreibt unter anderem: »Jeder, der sich an die allgemeine Grundrichtung der christlichen Ermahnungen hält, wird finden, daß uns nichts anderes so sehr wie die uneigennützige Liebe eingeprägt „. [wird].« 130 Und das Christentum ist für ihn diejenige Religion, die »Uns die wahrste Vorstellung der Tugend gibt und die Liebe zu Gott und der Menschheit als den Inbegriff aller wahren Religion empfiehlt.« 131 Der Zentralbegriff in der griechischen Version des Neuen Testamentes ist die »Agape«, die sich aufgrund einer Reihe spezifischer Bestimmungen markant vom heidnischen, antiken Begriff der »Philia« unterscheidet. Hierher gehören: Die Abkehr vom Ethos der Gegenseitigkeit; die rigorose Zentrierung im Nächsten anstelle jeder Ichbezogenheit und Selbstliebe; nicht ein Gefühl - etwa der Sympathie - zu sein, sondern ein nüchterner Wille zum Tun des Guten; eine radikale Universalität; die Betonung der Innerlichkeit, des Herzens als der Quelle des guten Wollens; die Überordnung der Liebe über die bloß äußerliche Beachtung eines Gesetzes, und die Einheit von Liebe und Gehorsam.132 Hutchesons Liebesbegriff ist an diesem christlichen Vorbild orientiert.

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Für Shaftesbury dagegen ist das christliche Gebot der Nächstenliebe fundiert im egoistischen Streben nach dem persönlichen Seelenheil, und Uneigennützigkeit ist diesem Begriff ganz fremd.m Diese Liebe ist nach seiner Auffassung der belohnenden und bestrafenden Gerechtigkeit Gottes untergeordnet, aber sie schließt „Privat Friendship and Zeal for the Public and our Country« nicht ein, diese Dinge sind "Virtues purely voluntary in a Christian.«13 4 In diesem Zusammenhang berührt Shaftesbury auch eine wesentliche Differenz zwischen seiner „Philia« und der „Agape«. Die Freundschaftsbeziehung besteht für ihn in Einmütigkeit (consent) und im Einklang (harmony) der Geister, in gegenseitiger (mutual) Hochachtung und wechselseitiger (reciprocal) Zärtlichkeit. 135 Die „philia« - so wird hierin deutlich - ist ein Verhältnis der Gegenseitigkeit. Uneigennützig ist für Shaftesbury diese Beziehung, insofern die Partner in ihr nicht auf einen Nutzen spekulieren; aber die „Philia« fordert die moralische Qualität des Geliebten. Die •Agape« demgegenüber bemißt und begründet sich nicht durch die Reziprozität. Dies akzentuiert auch Hutcheson, wenn er in der „Jnquiry« schreibt, daß das „Wohlwollen für die schlechteste Persönlichkeit ... genauso liebenswert (sein kann) wie jedes andere ... , ja oft liebenswerter als das für die Guten, denn es beweist einen so starken Grad von Wohlwollen, daß es das größte, das moralisch Schlechte an seinem Objekt, überwinden kann.« 136 In der überwindenden Kraft der Nächstenliebe erweist sich also gerade ein spezifischer Zug der christlichen „Agape«. Schon oben wurde angeführt, daß Hutcheson in der „Jnquiry« gegen Shaftesburys Interpretation auch betont, daß die christliche Auffassung gerade die uneigennützige Liebe beinhalte und empfehle.131 Diese Uneigennützigkeit bedeutet für ihn, daß bei moralisch gutem Wollen und Handeln nicht die Kalkulation gegenwärtiger oder zukünftiger, diesseitiger oder jenseitiger Vorteile im Mittelpunkt steht. Das Motiv ist zentral vom Aspekt des Guten für den Nächsten bestimmt. Zusammen mit der Wendung gegen die Reziprozität legt diese Zentrierung im Anderen den Grund für die spezifische Universalität der christlichen Liebe. Diese ist sofern eigentümlich, als sie an die Stelle der egozentrischen Perspektive der Selbstliebe nicht etwa einen - ja immer noch vom Ego als Zen-

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trum het gedachten - allumfassenden Horizont der Menschenliebe treten läßt, sondern, wie im Gleichnis vom Samariter, die Nächstenliebe, die vom Nächsten als Zentrum her gedacht wird. Sie fordert keine weltumspannenden Sympathiegefühle, sondern den nüchternen Willen zum Tun des Guten, wo immer es notwendig wird. In der Erzählung vom barmherzigen Samariter beispielsweise bleibt völlig außer Acht, ob der Hilfsbedürftige liebenswert sei oder ob der Hilfeleistende zu ihm in irgendeiner Beziehung stünde. Es geht nicht darum, für wen der Hilfsbedürftige der Nächste ist, sondern wer für ihn zum Nächsten wird: Ein Priester und ein Levit gehen tatenlos an dem beraubten und geschundenen Opfer eines Überfalls vorbei; der Samariter, der mit ihm genauso wenig oder weniger zu schaffen hat, hilh, er wird zu seinem Nächsten. An die Stelle der Frage aus der egozentrischen Perspektive: Wer ist mein Nächster? - tritt bei Jesus die aus der Perspektive des Nächsten: »Welcher dünkt dich, der unter diesen dreien der Nächste sei gewesen dem, der unter die Räuber gefallen war?« 138 Diese Universalität vertritt auch Hutcheson, wenngleich sein Wohlwollen sich in immer weiteren, konzentrischen Horizonten um den Handelnden ausbreitet. Hier treffen wir auch wieder auf ein Beispiel seiner mechanistischen Auffassungen, denn er vergleicht die mit der Ferne abnehmende Krah der Liebe mit Gravitation und Fliehkrah. 139 Als nächstes ist darauf hinzuweisen, daß die »Agape« keine Gefühlsregung oder Emotion meint, sonst könnte sie ja - wie im Gebot der Nächstenliebe - nicht vom Menschen gefordert werden. John Milton, den Hutcheson häufig zitiert, schreibt über die Liebe als Wohlwollen, dies hätten die Apostel in ihrer Sprache als »Eunoia« bezeichnet, »and the Latines Benevolence, intimating the original thereof tobe in the understanding and will«. 140 Daß auch Hutchesons Liebesbegriff über die Explikation von »desire« an diesem christlichen Voluntarismus orientiert ist, habe ich bereits hervorgehoben. Hierin steht er im übrigen auch Calvin nahe, der seinen Affektbegriff (»affectus«) als ein Planen, Erwägen, Wollen und Trachten erläutert (»... concipimus, deliberamus, volumus, meditamur . „«). 141 Bei Shahesbury dagegen scheinen die Affekte, wie Grean schreibt 142, natürliche emotionale Antriebe, Gefühle zu

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sein, deren Widerpart der Intellekt ist. Bei ihm heißt es zum Beispiel: »For Appetite, which is the elder brother to Reason, being the lad of stronger growth, is sure, on every contest, to take the advantage of drawing all to his own side. And Will, so highly boasted, is at best merely a top or football between these youngsters.«143 Diese Fundierung in den natürlichen Antrieben und die Unterordnung des Willens ist auch der Grund für eine Pervertierbarkeit der »social affections«, die der »Agape« fremd ist. Shaftesbury selbst stellt fest, daß das Band der Freundschaft seltsamerweise - »Strange to imagine« - sich am festesten im Kriege knüpft. Heldentum und Philantropie seien »almost one and the same«, doch aufgrund einer geringen Irreführung der Affekte könne der Liebhaber der Menschheit zu einem Zerstörer (»ravager«) werden - und gleichwohl bleibt der nämliche Affekt die Wurzel des Handelns.144 Während also Shaftesbury seine Tugend in natürlichen Antrieben fundiert, ist das Prinzip der »Agape« ausdrücklich die Intentionalität, die bewußt gewollte Absicht. So ist darum nach Calvin nicht schon dann die Forderung nach Nächstenliebe erfüllt, wenn ihre Werke getan wurden, selbst wenn man keines unterläßt - »non qui omnibus caritatis officiis solummodo defungitur, etiamsi nullum praetermittat« - sondern erst dann, wenn sie aus dem aufrichtigen Beweggrund der Liebe ausgeführt werden: »ex sincero amoris affectu«. 145 Zentrum und Symbol dieser Intentionalität ist im christlichen Denken das Herz, das nicht Ursprung sentimentaler Regungen, sodnern der »Seinsgrund« (Warnach) im Menschen ist. Dieser Intentionalität und ihrem Symbol, dem Herzen, begegnen wir natürlich auch bei Hutcheson immer wieder. 146 Während allerdings Calvin die Liebe dem Gesetz unterordnet, finden wir bei Hutcheson das Umgekehrte. Im letzten Kapitel der »lnquiry« diskutiert er anläßlich der Klärung des Unterschiedes von Pflicht und Zwang das Verhältnis von Gesetz und Wohlwollen. Die Ausgangsfrage lautet dort: kann man in irgendeinem Sinn seine Pflicht ohne Bezugnahme auf ein übergeordnetes Gesetz kennen? Die Antwort lautet: wir wissen aufgrund der Liebe als Wohlwollen und der Liebe als Billigung (durch den Moralsinn) davon, was moralisch gut oder schlecht ist, und zwar »ohne Bezug auf ein Gesetz«. Umgekehrt aber unterliegt jedes Gesetz, ob

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menschlich oder göttlich, unserer „fortwährenden Untersuchung hinsichtlich seiner Gerechtigkeit«. Die Tatsache, daß eine solche Untersuchung stattfindet, und die Tatsache, daß wir zu dem Urteil kommen, Gottes Gesetze seien gerecht, heilig und gut, setzt voraus - so folgert Hutcheson - daß der Begriff des Guten unabhängig von dem des Gesetzes ist, denn sonst würde es sich nur um eine bedeutungslose „Tautologie« handeln, nämlich, .daß Gott will, was er will«. 147 Diese Veränderung gegenüber Calvin findet man auch bei manchen von Hutchesons zeitgenössischen Theologen. 148 Ein Bezugspunkt dieser Interpretation ist die bekannte Passage des MatthäusEvangeliums, wo es zu dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe heißt: •In diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten« (Matth. XXII, 40). In seiner Auslegung dieser Verse hatte es Calvin immer strikt abgelehnt, darin eine Unterordnung des Gesetzes unter die Liebe zu sehen und erklärt es für falsch •Zu behaupten, im Gesetz und in den Propheten sei nichts Höheres zu finden«.149 Einen weiteren Anknüpfungspunkt von Hutchesons Auffassung findet man im vierzehnten Kapitel des Johannesevangeliums, wo Jesus die Liebe als Grund des Haltens seiner Gebote, des Gehorsams nennt: •Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.«150 Ob Hutcheson diese Auslegung schon in seinem Theologiestudium bei Simson kenengelernt hat, wissen wir nicht, aber auf jeden Fall ist sie ihm bei John Milton im •Paradise Lost« begegnet. Auch für Milton ist die Liebe der Grund des Gehorsams, denn •wir gehorchen frei, weil frei wir lieben«. Die entsprechenden Verse, aus dem Munde des Erzengels Raphael, lauten dort (V, 529 540)151 :

•Üur voluntary service he requires, Not our necessitated. Such with him Finds no acceptance, nor can find; for how Can hearts not free be tried whether they serve Willing or no, who will but what they must By destiny, and can no other choose? Myself, and all th'Angelic Host, that stand

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In sight of God enthroned, our happy state Hold, as you yours, while our obedience holds. On other surety none; freely we serve, Because we freely love, as in our will To love or not; in this we stand or fall.« Während also der christliche Liebesbegriff beispielsweise bei Cumberland, Calvin und Milton als Handlungsgrund einen Willensakt beinhaltet, steht er bei Hutcheson in der Brechung durch den neo-stoischen Naturalismus, vermittelt über Shaftesbury; wie schon oben herausgestellt, prägt ihn daher die Ambivalenz eines von Natur vorhandenen, unwillkürlichen lqipulses einerseits und des absichtsvollen, willentlichen Aktes andererseits. Gleichwohl ist Hutchesons Liebesbegriff in seinen übrigen Charakteristika der christlichen Tradition verpflichtet, und als solcher auch von Hutcheson dieser Tradition explizit zugeordnet worden. Hier eröffnen sich für die weitere Interpretation eine Reihe von Fragen: Ist dieser Zwiespalt in Hutchesons Liebesbegriff ein unaufgelöster (oder ein unauflösbarer) begrifflicher Widerspruch, der allein auf eine unsachgemäße Verknüpfung zweier begrifflicher Traditionen beruht? Oder wird hier, in freilich unzureichender Begrifflichkeit, versucht, einen zentralen Erfahrungsbereich bezüglich der Motive moralischen Handelns zum Ausdruck zu bringen? Oder anders gefragt: ist der Widerspruch vielleicht in der Sache selbst begründet, insofern es beide Arten von Handlungsgründen in der Liebe gibt? Und schließlich stellt sich des weiteren auch noch das Problem, ob Hutchesons Versuch als gelungen anzusehen ist, seine zentralen Begriffe mit Hilfe der Lockeschen erkenntnistheoretischen Terminologie auszuarbeiten. Bei Hutcheson hat die Liebe einen Doppelaspekt, den des Wohlwollens und den der Billigung, und eben jene moralische Billigung, die durch den „inneren Sinn«, den Moralsinn geschieht, ist der Grund der Verpflichtung und des Gehorsams. Betrachten wir also jetzt die moralische Wahrnehmung und den Moralsinn näher.

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3. Die moralische Wahrnehmung und der Moralsinn

Dem Moralsinn und seiner Art und Weise der Wahrnehmung galt bevorzugt die Aufmerksamkeit der Interpreten. Dabei wird manchmal der Blick für die systematische Konzeption verstellt. So schreibt etwas Leslie Stephen, es sei hinreichend, vom Moralsinn zu handeln, dem er die zentrale Rolle zuspricht; demzufolge erscheint ihm der Zusammenhang von Moralsinn, Wohlwollen und dem Gemeinwohl-Prinzip des größten Glücks für die größte Zahl als eine »curious .„ confusion«. 152 Eine ähnliche Interpretation trägt David D. Raphael vor, der dem Moralsinn neben der Wahrnehmung auch die motivierende Disposition zuschreibt und ihn als einen »instinct« bezeichnet. 153 Auch Frankena läßt in seiner einflußreichen Interpretation von »Hutcheson's Moral Sense Theory« die Liebe und ihre Funktion im Zusammenspiel der Komponenten beiseite. Daher bleibt außer acht, daß sowohl das Wohlwollen als Motiv zum Handeln wie auch die Billigung von moralisch guten Handlungen in der moralischen Wahrnehmung des Moralsinns ein Lieben sind. Demzufolge behauptet er, Hutcheson stelle der Selbstliebe den Moralsinn als Prinzip der Billigung gegenüber, und dies sei eine »confusion«, die Hutcheson in späteren Werken durch die schärfere Trennung von Moralsinn und Wohlwollen beseitigt habe. Aufgrund dessen attestiert Frankena der Billigung eine gewisse »ambiguity«, die aus der Kombination von »identifying approval« mit der »emotional reaction« herrühre. 154 Diese Probleme lassen sich nur unter Einbezug des Liebesbegriffs lösen. Dann nämlich wird deutlich, daß schon in der »lnquiry« nicht der Moralsinn, sondern die Liebe das Prinzip der Billigung ist, insofern der Moralsinn eben die Intention der uneigennützigen Liebe eines (moralisch gut) Handelnden billigt; und daß die Selbstliebe das mit der Liebe konkurrierende Handlungsmotiv ist. 155 Wenn man den Moralsinn näher untersucht, ist zuerst einmal festzuhalten, daß Hutcheson von ihm nirgends behauptet, er sei eine Erfahrungstatsache, sondern ihn vielmehr als einen »geheimen Sinn« und als »Verborgene Qualität« bezeichnet.156 In den „Illustrations upon the moral sense«, die sich diesem Problem näher widmen, stellt er als die Absicht dieser Schrift vor, zu untersu-

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chen, »welche Sinne „. man notwendigerweise annehmen (!) muß, um unsere•Billigung oder Wahl zu erklären«.m Dieser anzunehmende Sinn ist natürlich der Moralsinn. 158 Er wird aus der Tatsache der moralischen Wahrnehmung unter Zuhilfenahme einiger (erkenntnistheoretischer) Prämissen erschlossen. Dieser Schluß - eine regressive Synthesis - setzt sich aus drei Schritten der Argumentation zusammen: (1) Von der Erfahrungstatsache der Billigung bzw. Ablehnung als einer Wahrnehmung wird auf eine Wahrnehmungsfähigkeit (»Power of perception«, »Determination of the mind«) als Bedingung der Möglichkeit solcher Wahrnehmungen geschlossen; (2) aufgrund eines Analogieschlusses wird behauptet, daß es sich dabei um einen Sinn handeln müsse; (3) durch Prüfung und Verwerfung möglicher Alternativen, nämlich in Form anderer Sinne, der Vernunft oder äußerlicher Gründe (Erziehung, Herkommen, Vorbild), wird dargelegt, daß es sich bei diesem Sinn um einen eigenen Sinn handelt, der die letzte und hinreichende Instanz für das Zustandekommen moralischer Ideen ist. Die Hypothese des Moralsinns setzt also im ersten Schritt voraus, daß die Existenz einer spezifisch moralischen Wahrnehmung anerkannt wird. Betrachten wir also zuerst diese Wahrnehmung. Schon im Abschnitt über den Liebesbegriff wurde gesagt, daß es sich bei dieser Wahrnehmung um die Billigung handelt. Wie bei der Verteidigung der Originalität der Liebe als Wohlwollen beruft sich Hutcheson auch hier auf die Selbstbeobachtung. 159 Ein kritischer Punkt der Interpretation ist hier die Frage, ob es sich bei der Billigung um ein Gefühl des moralischen Vergnügens oder um eine kognitive Wahrnehmung handelt, und ob dieser im Verständnis Hutchesons ein gegenständlicher Charakter zukommt. Frankena beispielsweise hat die Billigung als „feeJing a unique sort of pleasure« interpretiert und ist der Auffassung, es handele sich um einen ausschließlich emotionalen Zustand. Dem hat Norton widersprochen, doch auch für ihn ist die Billigung eine »subjektiver moralischer Affekt«, dessen Gegenständlichkeit nur in »eoncomitant ideas of actions, or of things objective and external« begründet ist.160 Die gängige Interpretation der Billigung als (spezifisches) Ver-

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gnügen kann sich auf zahlreiche Textstellen - zumal in der vorliegenden Schrift - berufen. 16 1 So lesen wir am Ende der Einleitung, man nehme durch den Moralsinn ein Vergnügen (pleasure) bei der Betrachtung der moralisch guten Taten anderer Personen wahr, und das gleiche gelte für unsere eigenen Taten. 162 In der Regel wird hier der Leser annehmen, die sogenannten moralischen Wahrnehmungen seien eine Art von Lustempfindungen. Dies scheinen schon mehrere von Hutchesons Zeitgenossen und Gesprächspartnern so aufgefaßt zu haben, denn offenbar als Reaktion auf derlei Mißverständnisse sind mit der dritten Auflage von 1729 die entsprechenden Satzteile gestrichen und durch andere Formulierungen ersetzt. Der Begriff dieser moralischen Wahrnehmung läßt sich anhand der Unterscheidung von »natürlichen« und »moralischen« Gütern präzisieren. Von Vergnügen spricht nämlich Hutcheson in der vorliegenden Schrift nur bezüglich der Wahrnehmung von natürlichen Gütern. Sie sind die Dinge, die Vergnügen bereiten können, und sie werden immer, ob mittel- oder unmittelbar Vergnügen bereitend, aus dem Motiv der Selbstliebe oder des Interesses erstrebt. 163 Den natürlichen werden die moralischen Güter gegenübergestellt und Hutcheson sagt, es gäbe zwischen beiden einen „allgemein anerkannten Unterschied«, der darin bestünde, daß wir von moralisch guten Personen ganz anders bewegt würden (»differently ... affected«) als von natürlichen Gütern. Die Wahrnehmung von moralischen Qualitäten führe dazu, daß wir ihre Inhaber lieben und ihr Tun billigen - wohingegen die Wahrnehmung oder die Ideen von natürlichen Gütern nicht Billigung sondern die Intention hervorrufe, diese Vergnügen aus Selbstliebe genießen zu wollen. 164 In den sich an den »Essays« anschließenden »Illustrations on the Moral Sense« hat Hutcheson die Billigung erstmals ausdrücklich eine »simple idea« genannt. 165 Im hier vorliegenden Kontext der Erkenntnistheorie Lockes ist demzufolge anzunehmen, daß für ihn »Billigung« nicht in andere Ideen, insbesondere auch nicht in die von Vergnügen und Schmerz auflösbar ist. Diese in den »Illustrations« erstmals vorgetragene Klärung der Zusammenhänge hat zur Folge, daß in der dritten Auflage der »Inquiry« einige Ände-

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rungen ~ingearbeitet werden. Bei der Definition des Moralsinns heißt es nun nicht mehr, daß wir durch ihn „vergnügen bei der Betrachtung solcher Handlungen« wahrnehmen, sondern daß wir durch den Moralsinn »die Handlungen anderer billigen und wahrnehmen, daß sie ihre Vollkommenheit und Würde ausmachen«. An anderer Stelle lautete die Bestimmung des Moralsinns, daß man durch ihn •liebenswerte oder unangenehme Ideen von Handlungen« empfange; dies wird in der dritten Auflage ersetzt durch die Feststellung, der Moralsinn empfange »die einfachen Ideen von Billigung oder Verdammung anläßlich beobachteter Handlungen«.166 Der zuletzt zitierten Passage folgt in der dritten Auflage ein mehrseitiger Zusatz, in dem diese Unterscheidung von moralischer Wahrnehmung und Vergnügen nochmals nachdrücklich hervorgehoben wird. Es heißt dort: „die Wahrnehmung des Billigenden stellt, auch wenn von Vergnügen begleitet, ganz klar etwas von diesem Vergnügen völlig verschiedenes dar, genauso wie die Wahrnehmung äußerer Formen zwar von Vergnügen begleitet ist, aber gleichwohl etwas von diesen Vergnügen verschiedenes darstellt.«167 Damit sind also die Konsequenzen aus der Trennung von »natural good« und „moral good« gezogen, Konsequenzen, die in der ersten Auflage »lnquiry« entweder nicht deutlich herausgearbeitet wurden, oder vielleicht auch Hutcheson selbst noch nicht so klar waren. Seit der Bestimmung der Billigung als »simple idea« in den »illustrations« (1728) ist jedoch feststellbar: diese Billigung ist für Hutcheson kein Gefühl der Vergnügens, wenngleich die Wahrnehmung des moralisch Guten einen angenehmen Beigeschmack behält. Wenn aber die moralische Wahrnehmung als solche keine von Vergnügen, anders gesagt also kein Lustgefühl ist, was ist sie dann? Hierauf scheint uns Hutcheson in der vorliegenden Schrift keine befriedigende Antwort zu geben. Man könnte vermuten, daß die Billigung und Mißbilligung jene moralische Wahrnehmung sei. Doch die Billigung ist als einfache Vorstellung nur ein Inhalt diese Wahrnehmung. Ist sie damit schon die Wahrnehmung selbst? Wären wir etwa zufrieden, wenn man uns auf die Frage, was akustische Wahrnehmung sei, als Antwort gäbe, sie sei jene Art von Wahrnehmung, deren Inhalt bestimmte Töne seien? Allerdings

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hat Hutcheson die Relation von moralischer Wahrnehmung und Billigung an keiner Stelle so dargestellt, als handele es sich, ähnlich dem Hören eines Tones, um eine Relation von Wahrnehmung und ihrem spezifischen Gegenstand. Denn der Gegenstand der moralischen Wahrnehmung ist immer die Idee eines moralischen Handelns und zwar insbesondere die Idee einer wohlwollenden Intention des Handelnden. Diese moralische Qualität ist es, die (in verschiedenen Graden) eine Billigung als moralisch gut oder eine Mißbilligung als moralisch schlecht hervorruft. Dann aber könnte man die moralische Wahrnehmung als das Bewußtsein von einer spezifischen Reaktion auf eine spezifische Qualität auffassen; diese Reaktion wäre dann das notwendige und unwillkürliche Auftreten der einfachen Ideen von Billigung und Mißbilligung, sobald wir die Idee einer moralisch guten bzw. schlechten Handlung haben. Dem steht jedoch entgegen, daß Hutcheson »Bewußtsein« (consciousness, conscious), obwohl es in anderen Zusammenhängen durchaus auftaucht, niemals als Synonym für »moral perception «verwendet. Das Problem bleibt offen. Den Texten läßt sich, soweit ich sehe, nur die Tatsache entnehmen, daß bei Hutcheson von moralischer Wahrnehmung immer und ausschließlich im Falle des Auftretens von Billigung oder Mißbilligung die Rede ist. Der Gegenstand der moralischen Wahrnehmung ist also das Wohlwollen, das die betreffende Person zu einer tugendhaften Handlung motiviert. Mit anderen Worten: die spezifisch moralische Wahrnehmung besteht in einer Wahrnehmung von Liebe als Billigung, die sich auf die Liebe im Sinne des Wohlwollens als eines Motivs des Handelnden bezieht, kurz, die Liebe als »moral perception« bezieht sich auf die Liebe als „moral quality«. Von dieser Qualität heißt es zu Beginn des zuvor angeführten Zusatzes 168 , »wir denken ... , daß sie sich in der betreffenden Person befindet und ihre Vollkommenheit und Würde ausmacht.« In diesem Zusammenhang taucht nun das Problem der Gegenständlichkeit der moralischen Wahrnehmung auf; denn Menschen können, wie Hutcheson sagt, einander nicht ins Herz schauen und darum nicht wissen, von welchen Motiven eine andere Person bewegt wird. 169 Was aber ist dann eigentlich der Gegenstand der Billigung? Die Frage wird erst in den „ruustrations on the Moral

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Sense« detailliert erörtert und soll hier nur angedeutet werden. In der genannten Schrift handelt eine ausführliche, erkenntnistheoretische Passage von diesem Thema, und Hutchesons Antwort beinhaltet, kurz gesagt, diese Auffassung: Die sinnliche Wahrnehmung liefert uns die Erkenntnis äußerlicher Handlungen und ihrer Auswirkungen auf Glück oder Unglück des Betroffenen; die Vernunft liefert uns eine Meinung über die Affekte, die den betreffenden Handelnden bewegen; die Billigung oder Mißbilligung hat diese Meinung zum Gegenstand, sie ist als solche kein „Bild von etwas Äußerlichem«, gleichwohl vermindert dies nicht ihren Wirklichkeitsgehalt („does not diminish their reality«). 110 Wenden wir uns nun als nächstes dem Moralsinn als Sinn zu. Er ist jene Einrichtung des menschlichen Geistes, die ihn zur moralischen Wahrnehmung befähigt. Diese Fähigkeit ist jedoch im Gegensatz zur moralischen Wahrnehmung selbst und dem Bewußtsein dieser Wahrnehmung nicht als Erfahrung zugänglich, sondern wird erschlossen, .da die Definition« - nämlich der Begriff des Sinnes oder der Wahrnehmungsfähigkeit - „auf ihn zutrifft«. 171 Der Schluß von der Erfahrung auf den hypothetischen Sinn ruht auf zwei Prämissen: dem Begriff des Sinnes oder der Wahrnehmungsfähigkeit (sense, power/faculty of perception) und der Annahme, immer dann, wenn wir eine spezifische Art von Wahrnehmung (Hören, Sehen, moralische Wahrnehmung) machen, besäßen wir auch einen spezifischen Sinn, der uns zu dieser Wahrnehmung befähigt (Ohr, Auge, Moralsinn). Als dritte Prämisse ist die implizite gemachte Voraussetzung hinzuzurechnen, daß sich die moralische Wahrnehmung keinem anderen Vermögen zurechnen läßt, das - wie zum Beispiel die Vernunft - keine Wahrnehmungsfähigkeit nach dem Begriff eines Sinnes ist. Hutchesons Vernunftbegriff ist der Locke's: Die Vernunft ist ein ausschließlich instrumentelles Vermögen der Verknüpfung und Vervielfältigung, der Analyse und des Vergleiches gegebener einfacher und komplexer Vorstellungen. 112 Hutcheson charakterisiert den Sinnesbegriff im Vorwort erst anhand der äußeren Sinne: ihre Wahrnehmungen hängen nicht unmittelbar vom Willen ab, sondern die Gegenwart der Dinge ruft notwendigerweise Vergnügen oder Schmerz hervor. 173 Diese wil-

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lensunabhängige Notwendigkeit ist ein zentrales Kennzeichen, das auch im Kontext der moralischen Wahrnehmung durchgehend auftaucht. Hutcheson verdeutlicht hieran unter anderem, daß die moralische Billigung oder Mißbilligung kein Produkt der Selbstliebe - diese ist ja eine Willensäußerung - sein kann. 174 Das zweite Kennzeichen aller Sinne, auf das Hutcheson hier hinweist, ist die Wahrnehmung von Vergnügen oder Schmerz. Seiner Auffassung nach sind alle Arten von Wahrnehmung, wie unterschiedlich sie auch untereinander sein mögen, von Vergnügen- oder Schmerzerfahrung begleitet; was nicht heißt, daß diese jeweiligen Erfahrungen der spezifische Wahrnehmungsinhalt selbst sind. Vergnügen oder Schmerz sind ein unspezifisches Begleitphänomen aller Wahrnehmung - hierin ist Hutcheson oft mißinterpretiert worden, nicht zuletzt aufgrund seiner nicht immer sehr deutlichen Ausdrucksweise.175 In einer späteren Definition im selben Text heißt es dann, daß der Moralsinn »liebenswerte oder unangenehme Ideen von Handlungen«, oder, in der geänderten Ausdrucksweise der dritten Auflage „die einfachen Ideen von Billigung oder Verdammung anläßlich beobachteter Handlungen« empfängt, und zwar, »unabhängig von irgendeiner Auffassung von Vorteil oder Verlust«. 176 Diese Unabhängigkeit von solch einer Auffassung bringt etwas unpräzise ein allgemeines Kennzeichen von Wahrnehmungen zum Ausdruck, das im ersten Teil der »Inquiry« deutlicher herausgearbeitet wird. Dabei geht es um die Unmittelbarkeit von Sinneswahrnehmungen. 177 Hutcheson will hiermit, scheint es, herausstellen, daß die zuvor erwähnte Notwendigkeit nicht im Sinne einer logisch zwingenden Schlußfolgerung aus gewissen Prämissen (nämlich des Nutzenkalküles) aufzufassen ist, sondern als eine vom Willen und von Meinungen unbeeinflußbare Unmittelbarkeit der Wahrnehmung. - Neben diesen drei Übereinstimmungen zwischen Sinnen im gewöhnlichen Wortgebrauch und dem Moralsinn, bzw. dem Schönheitssinn (der Verknüpfung der Wahrnehmung mit Vergnügen/Schmerz, der Unmittelbarkeit, der Notwendigkeit) lassen sich, wie schon Norton gezeigt hat, noch weiter gemeinsame Merkmale aufzeigen. Da alle Menschen gut und schlecht unterscheiden und das eine billigen, das andere mißbilligen, ist der Moralsinn universal; und da der Billigung im-

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mer die Wahrnehmung von »kind affections« (d.h. der »benevolence«) zugrunde liegt, ist er gleichförmig (»uniform«); er gehört wie die anderen Sinne zur menschlichen Natur. 178 Die Existenz eines physischen Sinnesorgans gehört im übrigen nicht zur Definition des Sinnesbegriffes.179 Die zweite Prämisse arbeitet Hutcheson weniger klar heraus. Die im ersten Teil der »Inquiry« vorgetragenen Überlegungen lassen erkennen, daß sich für Hutcheson ein Sinn (als eine je eigene Wahrnehmungsfähigkeit aufgrund der spezifischen Einheit) in einer jeweils besonderen Art von Wahrnehmungen konstituiert. Er schreibt dazu: »Wenn zwei Wahrnehmungen völlig verschieden voneinander sind und in nichts anderem als dem allgemeinen Begriff der Sinneswahrnehmung übereinstimmen, dann bezeichnen wir die Fähigkeiten, solche verschiedenen Wahrnehmungen zu empfangen, als verschiedene Sinne. »Gesicht« und »Gehör« benennen beispielsweise die verschiedenen Fähigkeiten, Ideen von Farben und Klängen zu empfangen«. 180 Wenn man also voraussetzen darf, daß es sich überhaupt um eine Wahrnehmung handelt, dann entscheidet die Differenz der Wahrnehmungen zueinander darüber, ob sie einer oder verschiedenen Wahrnehmungsfähigkeiten zugeordnet werden müssen. Die Frage, wie sich diese Differenz feststellen läßt, erörtert Hutcheson nicht; vielmehr scheint er anzunehmen, daß die Feststellung der Ähnlichkeit oder Verschiedenheit der Ausdruck einer unmittelbaren Erfahrungstatsache ist. So heißt es im selben Abschnitt an späterer Stelle: »Es ist aus Erfahrung klar, daß die meisten Menschen in der gewöhnlichen Bedeutung die Sinne des Sehens und Hörens in hinreichender Vollkommenheit besitzen; sie nehmen all die einfachen Ideen je für sich wahr und haben ihre jeweiligen Vergnügen; man unterscheidet sie voneinander - so z.B. die eine Farbe von der anderen entweder als völlig verschieden oder als stärkere oder blassere Variante derselben Farbe - indem man sie nebeneinander hält, obwohl man ihre Bezeichnungen des öfteren dann verwechseln kann, wenn sie unabhängig voneinander auftauchen, so wie es manchen Leuten bei den Bezeichnungen von grün und blau geht (... ).« 181 Farben also kann man beispielsweise nebeneinander halten; sie haben gewissermaßen einen gemeinsamen Raum des Vergleichens. Farben und

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Töne aber kann man so nicht miteinander vergleichen; darum, so scheint mir, spricht Hutcheson davon, daß sie »Völlig verschieden voneinander« sind. Die Problematik dieses Rückschlusses von der Erfahrung auf den hypothetischen Sinn wird beispielsweise an Hutchesons Verwendung des Ausdruckes »Sinn« (sense) deutlich, der als einzelner (sense) oder in diversen Zusammensetzungen auftaucht (moral sense, sense for moral good, sense of virtue, sense of moral actions etc). Der Wortgebrauch schwankt zwischen den folgenden Bedeutungen: (a) Sinn/Wahrnehmungsvermögen - (b) Wahrnehmung - (c) Auffassung, Meinung - (d) Bedeutung - (e) Idee. 182 Der Interpret steht damit vor der Tatsache, daß der Gebrauch des Audrucks »Sense« eine andere, weitere und vagere Extension hat, als die Grenzen, die Hutchesons Begriffsbestimmungen ziehen. Ist diese Differenz lediglich das Ergebnis einer unzureichend strengen Terminologie? Oder liegt ihr ein systematisches Problem zugrunde - nämlich der Versuch, den von Shaftesbury nur unscharf skizzierten Begriff »moral sense« in der Lockeschen erkenntnistheoretischen Terminologie zu formulieren, ohne jedoch zugleich den Horizont des Begriffsgebrauches Shaftesburys einzuengen. Gleichwohl ist Hutcheson hier insofern präziser als Shaftesbury, als für ihn der systematische Kern der Überlegungen die »moral perceptions« sind. Das führt uns zu der nächsten Frage: ob nämlich der Moralsinn überhaupt ein unverzichtbarer Bestandteil von Hutchesons Theorie ist? Der Moralsinn ist eine Folgerung aus der Prämisse, daß es spezifische moralische Wahrnehmungen gibt, und aus erkenntnistheoretischen Argumenten, die den Zusammenhang von Wahrnehmungen und entsprechenden Wahrnehmungsfähigkeiten betreffen. Ein Verzicht auf die Folgerung würde die behauptete Wahrheit der Prämissen und Argumente nicht einschränken. Warum jedoch sollte man dann auf die Folgerung verzichten? Weil im Rahmen der Lockeschen Erkenntnistheorie der Rückschluß von der moralischen Wahrnehmung auf einen entsprechenden Sinn nicht zwingend ist. Denn auch wenn die Analyse der moralischen Ideen auf die »simple idea« der »approbation« führt, müssen diese nicht der »Sensation« vermittels eines spezifischen Sinnes entstammen; sie könnten auch derjenigen Klasse einfacher Ideen angehö-

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ren, die der »reflexion« zuzuordnen sind. Das hat offenbar auch Hutcheson späterhin so gesehen, denn er schreibt im »System of Moral Philosophy« (Buch I, Kapitel IV, IV), der Moralsinn sei vielleicht nichts anderes als eine »constant settled determination in the soul itself as much as our power of judging and reasoning.« Auch wenn Hutcheson im »System« den Ausdruck »moral sense« beibehält, hat er mit der eben zitierten Passage die Antwort auf die Frage offen gelassen, welcher Art die Fähigkeit ist, die der moralischen Wahrnehmung zugrunde liegt.

4. Die Maxime vom größten Glück

Das dritte Problem, das die »Untersuchung betreffs des moralisch Guten und Schlechten« behandelt, ist das der obersten Maxime oder Regel des moralischen Handelns. Diese Maxime ist im Liebesprinzip und im Erfahrungsprinzip fundiert und formuliert den Begriff des moralisch Guten als ein Kriterium zur Beurteilung von Handlungen. Hier prägt Hutcheson im dritten Abschnitt jenen Satz, der als utilitaristische Formel weite Verbreitung finden sollte: »... diejenige Handlung ist die beste, die das größte Glück der größten Zahl zeitigt, die schlechteste ist die, welche in gleicher Weise Unglück verursacht«. Von dieser Formel ausgehend entwirft Hutcheson im XI. Absatz dieses Kapitels ein Verfahren, »die Moralität der Handlungen ... zu berechnen«. Die hier präsentierten mathematischen Gleichungen sind jedoch von Hutcheson seit der 4. Auflage fortgelassen worden, da »sie sich bei näherem Hinsehen als nutzlos herausgestellt haben und bei einigen Lesern auf Mißbilligung gestoßen waren.«183 Die genannte Maxime ist, genau besehen, eine superlativische Verallgemeinerung des Begriffs des Wohlwollens. Dies wurde definiert als »das Streben nach dem Glück eines anderen«. In der Maxime wird »Glück« ersetzt durch »größtes Glück« und der »andere« durch die »größte Zahl«. Das nimmt nicht weiter Wunder, denn die superlativische Maxime antwortet in der »Inquiry« auf die Frage: Was ist der höchste Grad des moralisch guten Handelns? Im dortigen Zusammenhang weist Hutcheson jedoch sogleich darauf

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hin, daß dies ein relativer Maßstab ist, denn um eine Handlung zu beurteilen, m~ß auch die Fähigkeit des Handelnden in Rechnung gestellt werden. Wenn jemand das seinen Möglichkeiten entsprechende Höchstmaß des Guten tut, verdient seine Tugend die höchste Anerkennung; daher sind alle Menschen, relativ zu ihren näheren Umständen, fähig zur »heroistischen Tugend«. 184 Den Begriff des Glücks bestimmt Hutcheson erstmals im Zusammenhang mit »Interesse, Vorteil«. Dort heißt es: »Das Vergnügen in unseren verschiedenartigen, sinnlichen Wahrnehmungen gibt uns unsere erste Idee von einem natürlichen Gut oder von Glück«.m Vergnügen gibt es aber nicht nur bei sinnlichen, sondern auch beispielsweise bei ästhetischen und moralischen Wahrnehmungen. Das »größte Glück« ist, wie es später heißt, »dieses Wohlwollen«, denn der »Besitz guter moralischer Eigenschaften« ist »über alle anderen Freuden erhaben.« 186 Diese Überlegenheit der moralischen Vergnügen thematisieren die ersten beiden Artikel des sechsten Kapitels dieses Werkes, deren Resümee lautet: »dies beweist klar, daß die Tugend nach dem Urteil der ganzen Menschheit das höchste Glück ist.« 187 Gleichwohl gibt es neben diesem systematisch entwickelten Begriff eine große Palette von Glücksvorstellungen, in denen sich die verschiedenen Regionen der Welt und ihre Kulturen stark unterscheiden können. Diese empirischen Differenzen sind für Hutcheson einer der Erklärungsgründe dafür, daß die »Sitten« und Handlungsorientierungen trotz des universalen Moralsinns voneinander abweichen können. Die empirischen Wertsysteme besitzen ganz unterschiedliche Charakteristiken, je nachdem ob nun Ziele wie Freiheit oder innere Ruhe, Tapferkeit oder Besitz zentral sind.18 8 Hatten wir oben gesehen, daß das Wohlwollen aus dem Kontext der christlichen Liebe zu interpretieren ist, so ist hier festzuhalten, daß das Ziel dieses Wohlwollens, also das Glück, in den Zusammenhang eines durchaus diesseitigen Eudaimonismus gehört. Aufgrund der Verknüpfung mit dem Vergnügen steht auch die Tugend als höchstes Glück im Kontinuum des »natürlichen Guten«: obwohl die Billigung (als moralische Wahrnehmung) als solche keine Wahrnehmung von Vergnügen ist, ist sie doch wie alle Wahrnehmungen von Vergnügen bzw. Schmerz begleitet, und die Tugend

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gewinnt dadurch quasi einen angenehmen Beigeschmack. Da für Hutcheson Vergnügen und Schmerz im Gefolge Lockes einfache Vorstellungen sind, kann er die Hierarchie der Vergnügen nur durch quantitative Unterschiede, nämlich durch ihre Intensität aufstellen. Demgemäß heißt es im »Essay on the Passions and Affections«, daß der »Moralsinn . . . die Quelle des intensivsten Vergnügens ist«. 189 Folglich zielt auch die Maxime vom größten Glück selbst wieder auf die Tugendhaftigkeit: »Da unser Moralsinn uns die Tugend als das größte Glück der Person, die sie besitzt, vorstellt, lassen uns unsere Affekte für das Gemeinwohl natürlicherweise die Tugend der anderen anstreben.« 190

5. Prinzipien der Politik Wenn man die Explikation von Hutchesons Begriff des moralisch Guten verfolgt, also der Frage nachgeht, in welchen Handlungen und an welchen Gegenständen sich tugendhaftes Handeln entfaltet, trifft man nicht nur auf die abstrakte Definition als Wohlwollen gegenüber anderen, oder auf die Maxime vom größten Glück für die größte Zahl. Der ganze Text ist von Beginn an zudem nämlich auch von einer politischen Perspektive geprägt: von der Orientierung am Gemeinwohl oder am öffentlichen lnteresse. 191 Den Gegensatz von privaten Interessen und Tugend, und die Einheit von Tugend und »interest of mankind« oder »interest of the whole« finden wir auch bei Shaftesbury und schon beim Meistertheoretiker, der Whigs, bei James Harrington. 192 Hutcheson scheint diese politisch orientierte Tradition im Kreis um Lord Molesworth kennengelernt zu haben; die Debatten dieses Kreises fanden ihren Ausdruck vornehmlich in den Schriften James Arbuckles (1700/1703 - 1747?) und Hutchesons. Arbuckle hatte, nach einer Anregung von Molesworth, mit dem 5. April 1925 begonnen, im »Dublin Journal« eine Folge von Essays unter dem Titel »Hibernicus' Letters« zu veröffentlichen. An diesen hat sich auch Hutcheson beteiligt. In seinem einleitenden programmatischen Entwurf zu diesen Briefen umreißt Arbuckle,

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ganz im Sinne von Molesworth - ihr Leitmotiv: » ••. the true way to reform a State is to begin at home, and reform ourselves first. Corruption in an Administration has always its Rise from Corruption of Manners. Tyranny itself is but the Offspring of Fear begot upon Lust. No Man ever made an ill Governor, that was not an ill Man first ... the Appearance of a Country in its Oeconomy, Administrations, and Orders, will be ever in the Tincture of those Qualities whether virtuous or vitious, which its Inhabitants have imbibed.« 193 Die Bestimmung der Tyrannis als Erzeugnis aus Furcht und Lust ist natürlich eine Anspielung auf Mandevilles Bestimmung der Tugend als »offspring which flattery begot upon pride«. Die Kontroverse mit Mandeville - und mit Hobbes - wurde also auch unter politischer Perspektive geführt; schließlich hatte der Autor der Bienenfabel sich in seiner Schrift „The Mischieves that ought Justly tobe apprehended from a Whig-Government« (London 1714) polemisch gegen die Whigs gewandt, 194 und also nicht nur die ethischen Positionen angegriffen, die in der Tradition Ciceros, Cumberlands und Shaftesburys standen. Mit Blick auf das Gemeinwohl nennt Hutcheson die Liebe oder das Wohlwollen manchmal einen „Affekt für die Allgemeinheit«, der für ihn auch ein »natürlicher Affekt« ist, und ein Handeln im Verfolg dieses Motives heißt »soziale Tugend«. 195 Dies ist die Sprache Shaftesburys, der schrieb: „There is no real Love of Virtue, without the Knowledge of Public Good.« Das Motiv zum Streben nach diesem »Public Good« nennt er »Love of one's Country«, »friendly or social Affection« und »natural Affection to a Country«.196 Solch eine »Liebe zur Nation« findet sich auch bei Hutcheson, ja das Streben nach dem Guten für andere ist, ebenso wie bei Shaftesbury, nicht darauf beschränkt und kann sich auch als »universales Wohlwollen« auf das »natürliche Wohl der Menschheit« richten. 197 Hier stellt sich das Problem, ob die sozialen Tugenden ihre Gegenstände und Horizonte zufällig finden, oder ob es für sie ein Prinzip der Ordnung gibt. Dies hat Hutcheson klar formuliert: angesichts der »ungeheuren Zahl von Menschen« und der »Vielzahl von Gegenständen«, die Anspruch auf unsere Tugend anmel-

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den, könnte »unser Wohlwollen . . . gänzlich verwirrt, oder ... nutzlos« werden. Damit dies nicht.geschieht, hat »die Natur« uns eine Ordnung und Orientierung auf die Personen gegeben, »die uns erreichen« und »uns selbst Wohltaten erweisen«; das Prinzip dieser Ordnung ist die Dankbarkeit (ein Gedanke, den wir auch bei Cicero, Polybios und Machiavelli antreffen). 198 Daraus erwächst eine Art von konzentrischen Horizonten, innerhalb derer sich die sozialen Affekte mit abnehmender Intensität betätigen. Diese Ordnung der gegenseitigen Liebe und Dankbarkeit vergleicht Hutcheson mit dem Gravitationsprinzip; das »sich vielleicht auf alle Körper des Universums erstreckt, aber ebenso wie die Liebe aus Wohlwollen mit abnehmender Entfernung zunimmt und am stärksten ist, wenn die Körper einander berühren.« 199 Die verschiedenen Horizonte dieser Liebe beginnen mit der stärksten Intensität bei der Liebe der Eltern zu ihren Kindern, um über den Kreis der Blutsverwandten, der Freunde, Bekannten, Nachbarn, über Partnerschaften, das Heimatland und die Nation sich in abnehmenden Graden bis zum »universalen ruhigen Wohlwollen für alle empfindenden Wesen« auszudehnen. 200 Dieser Orientierung auf das Wohl anderer und auf das Gemeinwohl steht als zweite ordnende Kraft die Selbstliebe - auch »Eigeninteresse«, »privates« oder »persönliches Interesse« genannt entgegen, und Hutcheson vergleicht hier den handelnden Menschen mit einem Körper, der von zwei Kräften in Bewegung gesetzt wird; an anderer Stelle setzt er die Selbstliebe dem Prinzip der Kohäsion analog. 201 Das Prinzip der Selbstliebe wirkt nun am effektivsten dort, wo die entgegenstehende Kraft der Liebe am schwächsten ist, nämlich bei den entfernteren Horizonten des Wohlwollens, das in seiner universalsten Ausdehnung auf alle Menschen oder gar alle empfindenden Wesen die geringste Intensität besitzt. Wenn also die Tugend nicht mehr durch starke Instinkte gegen die Kraft der Selbstliebe verteidigt wird, dann zählt sie eben darum um so mehr. Eben diese Relationen zwischen den Graden von Liebe, Selbstliebe und moralischer Billigung hat Hutcheson versucht in seinen mathematischen Moralkalkülen zu formalisieren. 20 2 Wie im folgenden noch weiter deutlich wird, ist also auch in

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Hutchesons politischer Philosophie die Liebe, in der diese Orientierung auf das Gemeinwohl gründet, das zentrale Ordnungsprinzip. Gleichwohl zieht er zwischen Ethik und Politik eine klare Grenze. Die moralische Billigung bezieht sich auf Tun oder Charakter von Personen und vor allem auf ihre Intentionen, auf das Streben etwas Gutes zu tun; fehlt diese Absicht, gilt keine Tat und kein Charakterzug als tugendhaft; die Intention ist eine notwendige Voraussetzung einer moralischen Billigung, selbst dann, wenn die angenommene Absicht zu unrecht vermutet wird. Allerdings können in der Regel •menschliche Gesetze oder Herrscher ... die Absichten der Menschen nicht erforschen und ihre geheimen Pläne nicht wissen«. Folglich beurteilt die politische Klugheit den erwirkten Nutzen oder die Effizienz des Handelns, und man belohnt in der Politik •ZU Recht Taten ... , die.zum Allgemeinwohl beitragen, auch wenn der Handelnde zu diesen Taten nur aus eigennützigen Gesichtspunkten bewogen wurde und . . . keine tugendhafte Einstellung besaß«. 203 Der Maßstab für diese Belohnung des politisch Nützlichen ist jedoch nach wie vor das Allgemeinwohl, gewissermaßen unter der praxisbedingten Ausklammerung der Prüfung der Motive seiner Förderer. Der konkretere Inhalt dieses Allgemeinwohls wird in den Rechten expliziert, die damit vermittels der moralischen Billigung dieses Allgemeinwohls durch den Moralsinn auch auf die Prinzipien der Ethik gegründet werden: •Aus diesem Sinn gewinnen wir auch unsere Vorstellungen der Rechte«. Ebenso hängen auch »unsere ersten Ideen von moralisch Gutem nicht von (positiven, WL.) Gesetzen ab«, sondern umgekehrt: •Der Moralsinn beurteilt Gesetze«.204 Die schon •vor der Einrichtung politischer Herrschaft ... im Naturzustand« geltenden Rechte werden einmal unterschieden in vollkommene, unvollkommene und äußerliche Rechte, und unter einem anderen Gesichtspunkt in veräußerliche und in unveräußerliche Rechte. Vollkommene Rechte sind z.B. die auf Leib und Leben, auf die Früchte der Arbeit, auf Vertragstreue, auf die Verfolgung harmloser Eigeninteressen; unvollkommene Rechte sind beispielsweise die auf humanitäre Hilfe und auf Dankbarkeit; veräußerliche Rechte sind solche, deren Abtreten nicht nur möglich ist, sondern auch »einem guten Zweck« dient. Diese Bereiche des

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Rechts hat Hutcheson an anderer Stelle ausführlicher behandelt, ich möchte mich darum hier auf die politischen Aspekte beschränken. 2os Für Hutcheson gehört »das Recht auf ein Zivilregime« (civil government) unter diese von Natur bestehenden Rechte, denn der Nutzen solcher Herrschaft besteht in der Förderung des Gemeinwohls. Dieser Nutzen umfaßt die „Verteidigung gegen innere und äußere Bedrohung«, die Beilegung von Streitigkeiten und den Respekt im Ausland. »Diese Vorteile ... zeigen hinreichend, daß die Menschen das Recht haben, ein Ziviliregime zu errichten und ihre veräußerlichen Rechte der Verfügungsgewalt ihrer Regierung in den Grenzen zu unterstellen, die ihnen ihre Klugheit rät. Und so weit wie das Volk seine Rechte der Regierung übertragen hat, so weit hat diese zumindest ein äußerliches Recht, über das Volk zu befehlen, wie es ihre Klugheit ihr zur Erreichung der Zwecke ihrer Institution gebietet - und nicht weiter.«206 Eine absolute Regierung kann es also nicht geben, sie findet ihre Grenzen spätestens in den unveräußerlichen Rechten und bleibt an das Allgemeinwohl gebunden.201 Der politischen Ordnung des »civil government« steht der Despotismus der Tyrannis gegenüber. Während erstere an die Stelle der Gewalt, die im Naturzustand erlaubt ist, das Handeln gemäß den Gesetzen und die Orientierung am Gemeinwohl setzt, orientiert sich der Tyrann einzig am eigenen Wohl und ersetzt die Herrschaft der Gesetze wieder durch Gewalt und Willkür: »In diesem Sinne ist die despotische Gewalt geradewegs unvereinbar mit dem Begriff des Zivilregimes.«201 Hutcheson begründet das Naturrecht aus den Prinzipien seiner Ethik; der vom Naturrecht zu ordnende Naturzustand ist durchherrscht vom Widerstreit zweier Prinzipien: der Selbstliebe und dem uninteressierten Wohlwollen. Diese beiden Prinzipien werden durch den Moralsinn in eine unsichere, immere gefährdete Ordnung der Vorherrschaft des Wohlwollens gebracht. Diesen prekären Zustand hat Kant später treffend die ungesellige Geselligkeit des Menschen genannt. Bei Hutcheson entspringt diese Ambivalenz zum Teil aus der unausgereiften Verknüpfung seiner Ethik mit den Argumentationen des rationalen Naturrechts. Anderen-

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teils stammt dieser Zwiespalt daher, daß Hutcheson den Menschen als ein zwiespältiges Wesen ansieht. Er betont zwar gegen Hobbes immerfort die natürliche Tugendhaftigkeit des Menschen, aber letztlich verläßt er sich für das wirkliche Leben nicht darauf; er ist, so könnte man sagen, ein skeptischer Philantrop, denn er rechnet mit der Korrumpierbarkeit der natürlichen Tugenddisposition. Dies ist bei ihm auch der Grund dafür, daß ein Zustand politischer Ordnung an die Stelle des Naturzustandes tritt. 209 Ob etwas moralisch gut oder schlecht ist, entscheidet sich wie gesagt an den erkannten oder vermuteten guten Intentionen von konkret vorhandenen Personen oder Handlungen. Was jedoch politisch klug ist oder nicht, bezieht sich auch auf das Zukünftige, seien dies nun die zukünftigen Wirkungen jetziger Handlungen, oder Dinge, die in Zukunft passieren könnten. Wenn also ein Herrscher eingesetzt oder eine politische Ordnung institutionalisiert wird, hat der kluge und vorausschauende Bürger Vorsorge für zukünftige Gefährdungen zu treffen. Da es keine Sicherheit hinsichtlich der guten Absichten von Menschen gibt, können die entsprechend zweifelhaften moralischen Qualitäten von Güte und Weisheit nicht Grund von politischer Macht sein. Legitimität entsteht nur durch Konsens. Da weiterhin immer mit der Täuschung durch einen verdorbenen Menschen, oder mit der Korrumpierung eines vordem tugendhaften Herrschers gerechnet werden muß, ist die Politie möglichst so zu ordnen, daß sie mit diesen Gefahren kraft ihrer Institutionen fertig werden kann. Daher muß man die verschiedenen Ordnungsformen sorgfältig prüfen und die beste Politie auswählen. Für den Fall aber, daß selbst ausgeklügelte Vorsichtsmaßregeln nicht hinreichen, verbleibt als ultima ratio der Politik das Widerstandsrecht. Diese Rechtfertigung des Widerstands ist ein Kernstück in der Auseinandersetzung mit den revolutionären Ereignissen des 17. Jahrhunderts in Großbritannien und ein Kernstück der WhigInterpretation, die sich als einzige in maßgebender Weise, zumindest bis weit ins 18. Jahrhundert hinein, mit der Rechtfertigung des Widerstandes auseinandersetzte, wie er vor allem in der »Grand Rebellion« und in der „Glorious Revolution« praktiziert worden war.2 10

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Der Impetus dieser revolutionären politischen Tradition sicherte Hutcheson die oben skizzierte Resonanz im Amerika der U nabhängigkeitsbewegung. Es war unter·anderem Hutchesons ethisch fundierte Theorie, die die Ziele dieser Bewegung rechtfertigte, indem er zeigte „When it is that colonies may turn independentc, also wann der Moment einer (gerechtfertigten) Unabhängigkeitserklärung von Kolonien gekommen ist. 211 Und gibt nicht die „Virginia Bill of Rights« vom 6. Juni 1776 in ihrem dritten Abschnitt ein deutliches Zeugnis auch vom Einfluß Hutchesons? Es heißt dort: „Section 3. That government is or ought to be instituted for the common benefit, protection and security of the people, nation or community; of all the various modes and forms of government, that is best which is capable of producing the greatest degree of happiness and safety and is most effectually secured against the danger of maladministration; and that when any government shall be found inadequate or contrary to these purposes, a majority of the community has an indubitable, inalienable and indefeasible right to reform, alter, or abolish it, insuch manner as shall be judged most conducive to the public weal.« Mit Hutcheson wäre also nicht allein ein Moralphilosoph - im engeren Sinne des Wortes - zu entdecken, sondern ebenso ein politischer Denker. Hier hat die Geschichte der politischen Ideen noch einige Morgen Brachland zu verzeichnen.

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IV. Anmerkungen zur Einleitung 1. Ausführliche Biographie in: William Robert Scott, Francis Hutche-

son, His Life, Teaching and Position in the History of Philosophy, Cambridge 1900; Reprint: New York 1966. 2. Zur bibliographischen Orientierung: T. E. Jessop, Bibliography of David Hume and of Scottish Philosophy, London 1938. Als Überblick zur schottischen Philosophie nach wie vor nützlich: James McCosh, The Scottish Philosophy, biographical, expository, critical, from Hutcheson to Hamilton, London 1875; Reprint: Hildesheim 1966. 3. G. W. F. Hegel, Werke, Bd. 20, Frankfurt 1978, S. 28lf. 4. Zu Situation und Entwicklung der schottischen Intellektuellen und der Universität Glasgow vgl.: Jane Rendall (Hg.), The Origins of the Scottish Enlightenment, New York 1978; Roy H. Campbell, Andrew S. Skinner (Hg.), The Origins and Nature of the Scottish Enlightenment, Edinburg 1982; James Coutts, History of the University of Glasgow, 1451-1909, Glasgow 1909; John R. R. Christie, The origins and development of the Scottish scientific community, 1680-1760, in: History of Science, 12 (1974) 2/16, S. 122-141. 5. Überblick zu diesen Kontroversen und weitere Literatur in: Ciancarlo Carabelli, Hume e la retorica dell'ideologia, Uno studio dei »Dialoghi sulla religione naturale«, Firenze 1972, bes. Kap. IX (La religione de! progresso) S. 184-212. 6. Eine Untersuchung der theologischen Auffassungen Hutchesons fehlt bislang. 7. Vgl. Scott, op. cit., S. 20f., Literatur zu Simson in Carabelli, op. cit., S. 184ff. 8. Hutcheson über Carmichael, in: ders., Short Introduction to Moral Philosophy, Glasgow 1747, S. 1. Zu Carmichael vgl.: Hans Medick, Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft, Göttingen 1973 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 5), S. 181, 298, 299-305. Zu Carmichael und Locke vgl.: John Dunn, The Politics of John Locke in England and America in the Eighteenth Century, S. 62, in: J. W. Yolton (Hg.), John Locke, Problemsand Perspectives, Cambridge 1969. 9. Vgl. neben Medick (Anm. 8), McCosh, op. cit., S. 36-42, 51-52, 59. 10. Vgl. Hutcheson, System of Moral Philosophy, 2 Bde. London 1755 (ab hier zitiert als: Hutcheson, System) und Samuel Pufendorf: De Jure Naturae et Gentium, Libri Octo, 2 Bde., Oxford, London 1934 (Classics of Internation at Law, 17). Eine Gegenüberstellung der Kapi-

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telüberschriften und Marginalien vermittelt bereits ein gutes Bild der Parallelitär. 11. Zum Whiggismus im allgemeinen und zu Hutcheson diesbezüglich im besonderen vgl.: Caroline Robbins, The Eighteenth-Century Commonwelthman, Cambridge, Mass„ 1959; dies„ »When lt Is That Colonies May Turn Independent«; An Analysis of the Environment and Politics of Francis Hutcheson (1694-1746), in: William and Mary Quarterly, 3rd. ser. 11 (1954), S. 214-251. 12. Reflections upon Laughter, in: Dublin Weekly Journal, Nr. X, XI und XII (5„ 12. und 19. Juni 1725); Remarks on the Fable of the Bees. loc, cit„ Nr. XLV, XLVI und XLVII (4„ 12. und 19. Februar 1726); Essay on the Nature and Conduct of the Passions and Affections, with Illustrations on the Moral Sense, London 1728. Reprint in: Collected Works, Bd. II, Hildesheim 1971, und Bd. VII, Hildesheim 1971. 13. Vgl. Scott, op. cit„ S. 57-77; als Quelle z.B.: Alexander Carlyle, Anecdotes and Characters of the Times, James Kinsley (Hg.), London, New York, Toronto 1973, S. 35f„ 52. 14. De naturali hominum Socialitate, Oratio Inauguralis, Glasgoviae 1730; Considerations on Patronages, Addressed to the Gentlemen of Scotland, London 1735. Reprint in: Collected Works, Bd. VII, Hildesheim 1971. 15. Philosophiae Moralis Institutio Compendiaria, Libris III, Ethices et Jurisprudentiae Naturalis Elementa continens, Glasguae 1742; Synopsis Methapysicae, Ontologiam et Pneumatologiam complectens, Glasgow 1742; A System of Moral Philosophy, In Three Books, London 1755. Reprint in: Collected Works, (seriatim:) Bde. V und VI, Hildesheim 1969. 16. Vgl. zur Aesthetik u.a.: Peter Kivy, The Seventh Sense, A Study of Francis Hutchesons Aesthetics, New York 1976. 17. Dazu Alexander Carlyle: »lt was no Doubt owing to Leechman and his Friend and Colleague Mr. Hutchison Proffr. of Moral Philosophy, That a Better Taste and Greater Liberality of Sentiment, was lntroduc' d among the Clergy in the Western Provinces of Scotland«, op. cit„ S. 35f. 18. Erste öffentliche und gedruckte Reaktion auf die »lnquiry« ist der Briefwechsel von Gilbert Burnet (1690-1726) (Zweiter Sohn von Bischof Burnet (1643-1715) mit Hutcheson, erschienen im London Journal zwischen dem 27.3.1725 (Nr. 296) und dem 25.12.1725 (Nr. 335), nähere bibliographische Angaben hierzu in: Opera Minora, Collected Works of Francis Hutcheson, Vol. VI, Hildesheim 1971, S. VI*ff. Abgedruckt in: Opera Minora, op. cit„ S. 1-96. - John Clark (aus Hull)

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(1687-1734), Foundation of Morality in Theory and Practice considered in an Examination of Dr. Samuel Clark's opinion concerning the Original of Moral Obligation as also the notion of Virtue advanced in a late book entitled an Enquiry concerning our ldeas of Beauty and Virtue, York (o.J., vermutlich zwischen 1726 und 1728); Auszüge davon in: Selby-Bigge, British Moralists, Vol. II, S. 221-246. - Le Clerc, Bibliotheque Ancienne et Modeme, 26 (1726) S. 102-115. John Balguy (1686-1748), Foundation of Moral Goodness or A Further Inquiry into the Original of our ldea of Virtue, London 1728; Auszüge davon in: Selby-Bigge, op. cit., S. 57-101. -Archibald Campbell, 'Ap&'tft A.oy{a or an Enquiry into the Original of Moral Virtue ... , Edinburgh 1733 (zuerst als Plagiat von Alexander lnnes, unter dem gen. Titel, Westminster 1727, veröffentlicht). - John Gay, A Dissertation concerning the Fundamental Principle of Virtue or Morality, beigedruckt in: King, Essay on the Origin of Evil, Dublin 1731; Auszüge in: Selby-Bigge, op. cit., S. 267-285. - David Fordyce, der in Aberdeen lehrte, hat sich an Hutcheson orientiert; vgl.: Elements of Moral Philosophy. Die Drucker der Universität Glasgow, Robert Foulis (1707-1776) und sein Bruder Andrew (1712-1775) waren Freunde Hutchesons und wurden von ihm gefördert; ebenso wie William Leechmann (1706-1785), der durch Hutchesons Einfluß 1743 Theologieprofessor in Glasgow wird. Er verfaßte Hutchesons erste Biographie (Hutcheson, System, S. 1-XLVII). Als ein weiteres Beispiel für Hutchesons intellektuellen Einfluß vgl. man etwa: Alexander Gerard (1728-1795), An Essay on Taste, 1780, bes. S. 69, 72ff., 90ff., 189ff., 192. 19. Zur Bedeutung Hutchesons für Hume vgl.: A. N. Prior, Logic and the Basic of Ethics, Oxford 1949, S. 31. N. Kemp Smith, The Philosophy of David Hume, London 1941, S. 14-20. W. L. Taylor, Francis Hutcheson and David Hume as Predecessors of Adam Smith, Durham (N. C.) 1965. - Zur persönlichen Bekanntschaft beider, bes. der gemeinsamen wissenschaftlichen Diskussion, vgl.: J. H. Burton, Life and Correspondence of David Hume, Edinburg 1846 (Repr. Aalen 1969), S. 2f., 105f., 146ff. Ian Ross, Hutcheson on Hume's Treatise: An Unnoticed letter, in: Journal of the History of Philosophy, 4 (1966), S. 69-72. Scott, Hutcheson, S. 119ff. Brief Humes vom 10.1.1743 (in: J. Y. T. Greig (Hg.), The Letters of David Hume, Oxford 1932, 1, S. 4548). Hume an William Mure of Caldwell, Brief vom 4.8.1744 (in: Burton, Life and Correspondence of David Hume ... , S. 165-168, hier: 167f.). Sowie auch: David Hume, Philosophical Works, Green/Grose (Hg.), London 1874-1875, Vol. IV, S. 10, Fußnote.

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20. Zu Beziehung Hume, Horne und Hutcheson vgl.: Burton, op. cit., S. 105f. and Ian Ross, op. cit., S. 69-72 (siehe oben). Zu Horne - Hutcheson vgl.: Henry Horne, Lord Kames, Essays on the Principles of Morality and Natural Religion, Edinburgh 1751, bes. Essay II, Kapitel II, III und V. 21. E. C. Mossner, T. S. Ross (Hg.), Correspondence of Adam Smith, Oxford 1977, S. 309. Vgl. auch: Adam Smith, Theorie der ethischen Gefühle, Hamburg 1977, S. 501f. (Teil VII, 2. Abschnitt, 3. Kapitel). Smith war schon 1740 an der Diskussion mit Hume (dessen Freund er später wurde) und Hutcheson beteiligt worden, siehe dazu: Burton, Life and Correspondence of David Hume, S. 116f. Scott, op. cit., S. 120f. John Rae, Life of Adam Smith, London 1895 (Repr. New York 1965), S. 15. Daß es sich hierbei um Adam Smith gehandelt haben könnte, wird von Jacob Viner üacob Viner, Guide to John Rae's Life of Adam Smith, in: John Rae, op. cit., Repr. New York 1965, S. 49ff.) angezweifelt. Zu Smith und Hutcheson vgl.: Scott, op. cit., S. 120-243. W. L. Taylor, Francis Hutcheson and David Hume as Predecessors of Adam Smith, Durham (N. C.) 1965. Weiteres in der Bibliographie von G. Gawlick, in: Adam Smith, Theorie der ethischen Gefühle, Hamburg 1977, S. LXXII-LXXXI. 22. Siehe in: E. C. Mossner, T. S. Ross (Hg.), Correspondence of Adam Smith, Oxford 1977, S. 309. 23. Thomas Reids •Essay ... « erschien zuerst in: Philosophical Transactions of the Royal Society, 45 (1748) S. 505ff. Vgl. zu Reid-Hutcheson auch die unveröffentlichten Manuskripte von Reid in der King's College Library, Aberdeen (Birkwood Papers). Siehe dazu näher in: David Fate Norton, Reid's Abstract of the •Inquiry into the Human Mind«, in: Stephen F. Barker, Tom L. Beauchamp (Hg.), Thomas Reid: Critical Interpretations, Philadelphia 1976. 24. Zu Gerard vgl.: McCosh, op. cit., S. 191f. A. Gerard, An Essay on Taste, 1780, Repr. Gainsville, Flor„ 1963, vgl. hierin über den •Moral Sense« bes.: S. 69, 72f„ 90ff., 189f., 192. Zu Hume und Gerard vgl.: E. C. Mossner, The Life of David Hume, Edinburgh und Austin 1954, S. 283 und 396. - Und zu Hollis vgl.: John Disney, Memoirs of Thomas Brand Hollis, London 1808, S. 27, 30-33. C. Robbins, •When lt Is That Colonies May Turn Independent«, in: William and Mary Quarterly, New Ser„ 11 (1954), S. 222. Charles Francis Adams (Hg.), The Works of John Adams, Vol. III, Boston 1865, S. 401-406. 25. Vgl. hierzu: Carl van Doren, Benjamin Franklin, Cleveland, New York 1948, bes. S. 282, 292, 301, 305, 324f„ 332, 362ff., 423. Sowie: J. Bennett Nolan, Benjamin Franklin in Scotland and Ireland 1759 and

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1771, Philadelphia 1956 (1. Auflage 1938). Alfred Owen Aldrige, Benjamin Franklin, Philosopher and Man, Philadelphia, New York 1965, s. 58 u.ö. 26. Zu Witherspoons früherer Gegnerschaft zu Hutcheson vgl. seine Polemik in seinen •Ecclesiastical Characteristics, or, the Arcana of Church Policy, being an humble attempt to open the mystery of Moderation«, Glasgow, 2. Aufl. 1754. Vgl. zu Witherspoon auch: Douglas Sloan, The Scottish Enlightenment and the American College Ideal, New York 1971 (bes. das Kap. 'The Scottish Enlightenment comes to Princeton'); George E. Rich, John Witherspoon: His Scottish lntellectual Background, Ph. D., Syracuse Univ. 1964; Jack A. Scott, A Critical Edition of John Witherspoon's Lectures On Moral Philosophy, Ph. D., Claremont Graduate School 1970; Roger Fechner, John Witherspoon's Moral Philosophy and the Scottish American Enlightenment, Ph. D., University of Iowa 1974. 27. Francis Hutcheson, Short lntroduction to Moral Philosophy, Philadelphia Goseph Cruikshank) 1788; Auszüge aus dem System (Book III, Ch. VII) in: Massachusetts Spy Nr. 5 (13. Februar 1772); vgl. C. Robbins, • When lt Is That Colonies May Turn Independent«, op. cit., S. 246; weitere Auszüge aus Hutcheson (System, Vol. II, S. 84f. und 209f.) in: Anthony Benezet (1713-1784) (ein emigrierter Hugenotte), Short Account of the Part of Africa inhabited by Negroes ... , 2. Aufl. 1762, und in: ders., Some Historical Account of Guinea, 1771; vgl. hierüber weiter: D. F. Norton, Francis Hutcheson in Amerika, in: Studies on Voltaire and the Eighteenth Century, 154 (1976), S. 1561. 28. Zu Francis Alison, vgl. D. F. Norton, Francis Hutcheson in America, loc. cit., S. 1552f. (Das., Anm. 10: weitere Literaturhinweise). Den Kontakt zwischen Alison und Hutcheson referiert: C. Robbins, »When lt Is That Colonies May Turn Independent«, loc. cit., S. 229. Robbins (op. cit„ S. 216) und Norton (op. cit„ S. 1554) merken an, daß Nachschriften von Alisons Vorlesungen existieren, die die enge Orientierung an Hutcheson belegen. Nach Robbins (op. cit„ S. 215, 238) war Hutcheson am College of Philadelphia, einer Initiative von B. Franklin, Pflichtlektüre. Zu Hutchesons Verbreitung an anderen Colleges vgl.: allgemein - C. Meriwether, Our Colonial Curriculum 1607-1776, Washington 1907, S. 52-128. G. P. Schmidt, The Liberal Arts College: A Chapter in American Cultural History, New Brunswick 1957, S. 47f„ 108ff. L. A. Cremin, American Education, The Colonial Experience, New York 1970, S. 300, 380ff., 462ff. Zu Princeton vgl.: Th. J. Wertenbaker, Princeton 1746-1898, Princeton 1946. J. MacLean, History of the College ofNew Jersey 1746-1854, New York

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Wolfgang Leidhold 1969, S. 292-295. Fr. L. Broderich, Pulpit, Physics, and Politics: Curriculum ol the College of New Jersey, 1746-1794, William and Mary Quarterly, 3d Ser., VI (1949), S. 42-68 - zu Yale: Robbins, a.a.O., S. 219. - zum College of W. & M.: W. Parks, The Influence of Scottish Sentimentalist Ethical Theorie on Thomas J efferson' s Philosophy of Human Nature. Ph. D. (College of William and Mary) 1975, S. 45f. - Zu Brown: W. C. Bronson, The History of Brown University 1764-1914, Providence 1914, S. 167, 509. Zu Jonathan Edwards, vgl. D. F. Norton, Hutcheson in America, loc. cit., S. 155 of. Sowie: Douglas Sloan, The Scottish Enlightenment and the American College Ideal, New York 1971, bes. S. 99f; A. 0. Aldrige, Edwards and Hutcheson, in: The Harvard Theological Review, 44 (1951) 1, S. 35-53; ders., Jonathan Edwards, New York 1966, passim. Siehe: Samuel Johnson, Elementa Philosophica ... ,Philadelphia 1752 (Repr. New York 1969), vgl. bes. den II. Teil (Ethica) dort zahlreiche Anleihen von Hutcheson, expliziter Verweis z.B. op. cit., 6 (II. Teil). Die jetzt im Reprint vorliegende Ausgabe von Johnson hat Benjamin Franklin in seinem Verlag besorgt. Franklin und Johnson waren, wie Franklins Korrespondenz ausgiebig belegt, langjährige, enge Bekannte. Vgl. auch: Joseph Ellis, The New England Mind in Transition, Samuel Johnson of Connecticut 1696-1772, New Haven, London 1973 (dort auch Bibliographie, S. 271-286). Zu Alisons Schülern vgl. D. F. Norton, Hutcheson in America, loc. cit., S. 1563ff., bes. 1568. Von diesen Schülern gehörten später fünf zu den Unterzeichnern der Unabhängigkeitserklärung. Insgesamt sind von den identifizierten 46 Schülern Alisons 15 zwischen 1776 und 1783 Mitglieder des Continental Congress gewesen; 25 haben in der Revolutionsarmee Dienst getan, davon zumindest vier als Generäle; 16 haben Ämter in den unabhängig gewordenen Staaten innegehabt und fünf arbeiteten auf wichtigen Posten in der Verwaltung des Continental Congress. Zu B. Franklin, vgl.: die oben genannte Lit. (Anm. 39) sowie: B. Franklin, Proposals for the Education of Youth, Philadelphia 1749 (Repr. Ann Arbor 1927). Zu John Adams vgl. als erste Erwähnung Hutchesons: John Adams, Diary and Autobiography of John Adams, L. H. Butterfield (Hg.), Vol. 1, Diary 1755-1770, Cambridge (Mass.) 1961 (The Adams Papers, Series 1, Diaries), S. 2. - In Adams' Bibliothek fanden sich zahlreiche Werke von Hutcheson, siehe dazu: Catalogue of the Adams Library in the Public Library of the City of Boston, Boston 1917. - Weitere Erwähnungen Hutchesons bei J. Adams: ders., The Earliest Diary of

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John Adams, L. H. Butterfield (ed.), Juni 1753 bis April 1754, September 1758 bis Januar 1759, Cambridge (Mass.) 1966 (The Adams Papers, Series 1, Diaries), S. 53-55. I ders., Diary and Autobiography, L. H. Butterfield (ed.) Vol. 1, op. cit., S. 106. I ders., op. cit., Vol. 3, Diary 1782-1804, Autobiography, Part One To October 1776, Cambridge (Mass.) 1961, S. 198 / ders., The Works of John Adams, Second President of the United States, Vol. IV, Boston 1851, S. 14 I ders., Works ... , loc. cit., Vol. VI, S. 449 / L. J. Cappon (Hg.), The Adams-Jefferson Letters, Vol. II, Champel Hili 1959, S. 492, 494, 534. - Demgegenüber taucht etwa Locke in Adams' Tagebüchern siebenmal auf (I, S. 47, 133, 177, 186, 243, III, 272, 358). Doch aus diesen Stellen allein ließe sich nicht folgern, daß Locke für ihn der relevantere Autor für Politik war. Eher scheint das Gegenteil der Fall, wenn man etwa eine Stelle wie aus der •Defence of the Constitution of Government of the United States of America ... «denkt, an der Locke denkbar schlecht als politischer Denker wegkommt (The Works of John Adams ... Vol. VI, Boston 1851, S. 463). 34. Für Jeffersons Entwicklung und sein Bekanntwerden mit Hutchesons Schriften vgl.: William Parks, The Influence of Scottish Sentimentalist Ethical Theory on Thomas Jefferson's Philosophy of Human Nature, Ph.D., College of William and Mary, Virginia, 1975, bes. S. 41ff und passim. Dort weitere Literaturhinweise. Daneben auch die weiter unten gen. Arbeiten von Wills und White. 35. Zu Wilson vgl.: James Wilson, The Works of James Wilson, 2 Vois. Cambridge (Mass.) 1967, darin: Lectures on Law, S. 67-707, bes.: 132147, 232f., 375-379. 36. Hierzu etwa: Howard L. Becker, The Declaration of Independence, A Study in the History of Political Ideas, New York 1922 (u.ö.), passim. 37. Morton White, The Philosophy of the American Revolution, New York 1978. Gary Wills, Inventing America: Jefferson's Declaration of Independence, Garden City, New York 1978. (Beide zitieren die Arbeit von Parks übrigens nicht!) Zu Wills vgl. die Rezension von Ronald Hamowy, Jefferson and the Scottish Enlightenment: A Critique of ... ,in: William and Mary Quarterly, New Ser., 26 (1979) 4, S. 503523. Zu Wills und White auch die Rezension von A. J. Beitzinger, Revolutionary Thought Revistited and Revised, in: Review of Politics, 41 (1979) 3, S. 428-436. 38. Man vgl. hierzu: Robert Toole, The mysterious fountain: Emerson on the moral sense and reason, in: Dialogue, Journal of Phi Sigma Tau (Milwaukee), 21 (1978) 1, S. 14-24. Dort zahlreiche Quellenhinweise und weitere Literatur; Jonathan Bishop, Emerson on the Soul, Cam-

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bridge, Mass., 1964; Merell R. Davis, Emerson's 'Reason' and the Scottish Philosophers, New England Quarterly, 17 (1944), verweist (S. 212) auf Dugald Stewart als möglichem Mittler; siehe auch in: J oel Porte, Emerson and Thoreau, Middletown, Conn., 1965, S. 74. 39. Franz Hutchesons, ... Sittenlehre der Vernunft ... , 2 Bde., Leipzig 1756 (wie nur ist die Vernunft in den Titel geraten? .Moral sense« beispielsweise gibt er notorisch mit •moralisches Gefühl« wieder. Dies hat in der Hutcheson-Rezeption in Deutschland nicht wenig Verwirrung angerichtet.) Weitere dt. Übers. v. Hutehesan: Franz Hutcheson, Abhandlung über die Natur und Beherrschung der Leidenschaften und Neigungen und über das moralische Gefühl insonderheit ... , Leipzig 1760 (übers. v. Johann Gottfried Gellius, 1732-1781, nach: Meusel, Lexicon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, Bd. IV, Leipzig 1804, S. 79). Franz Hutehesan, Untersuchungen unserer Begriffe von Schönheit und Tugend ... , Frankfurt und Leipzig 1762 (übers. v. Johann Heinrich Merk, 1741-1791, vgl. ebda. Merks Vorwort, S. 1). 40. Die früheste belegte Erwähnung Hutchesons gegenüber Kant findet sich in einem Brief von Hamann an Kant vom 27. Juni 1759 (Kants Briefwechsel, Bd. 1, Berlin u. Leipzig, 2. Aufl. 1922, S. 9). Das Verhältnis Kants zu Hutcheson untersucht: J. Schmucker, Die Ursprünge der Ethik Kants, Meisenheim am Glan 1961. Auch Dieter Henrich, Hutehesan und Kant, in: Kant-Studien, 49 (1957-58) 1, S. 49-69; ders., Über Kants früheste Ethik, in: Kant-Studien, 54 (1963), S. 404-431. In Kants handschr. Nachlaß finden sich in großer Zahl Bezüge auf Hutehesan und seine Zentralbegriffe, vgl. in Kants gesammelten Schriften (Akademie Ausg.) Bd. XI, Handschriftlicher Nachlaß, Bd. VI, Berlin 1934 folgende Nummern: 6560, 6577, 6581, 6586, 6598, 6599, 6623, 6626, 6631, 6634, 6635, 6648, 6677, 6690, 6691, 6693, 6696, 6705, 6707, 6741, 6754, 6755, 6757, 6760, 6793, 6796, 6798, 6803, 6804, 6841, 6854, 6863, 6865, 6881, 6894, 6901, 6902, 6916, 6921,6964,6974,6983,7042,7181,7236,7255,7277, 541, 1010, 1028, 1160, 1165, 1167, 1168, 1173, 1193, 1410, 1430. - Vgl. Kants EthikVorlesungen: Kant Ges. Sehr., Bd. XXVII, Kants Vorlesungen, Bd. IV, Vor!. über Moralphilosophie, 1. Halbband, Berlin 1974, S. 1-89 (Praktische Philosphie Herder, Niederschrift zw. 1762 und 1764), bes. S. 3-5, llf., 42ff. / a.a.O., S. 91-235 (Praktische Philosophie Powalski, unsichere Datierung, etwa 1776-1779), bes. S. 107f., 118f. / a.a.O., S. 237-473 (praktische Philosophie Collins, Wintersem. 1784/85), bes. S. 253, 340. /Schließlich noch: a.a.O., 2. Hälfte 1. Teil, Berlin 1975, S. 475-732 (Metaphysik der Sitten Vigilantius, 1793/94) z.B. S. 580.

Einleitung

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Schließlich weiter in: Kant, Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral, (1762) Werke, Bd. 1 (Akad. Ausgb.), S. 273-302, bes. 298ff. - ders., Versuch den Begriff der negativen Größe in die Weltweisheit einzuführen (1763), loc. cit., S. 165-204, bes. S. 182ff. - ders., Betrachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen (1764), loc. cit., S. 205-256, passim. ders., Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbjahre von 1765-1766, loc. cit., S. 303-314, Les. S. 311. - ders., Träume eines Geistersehers (1766), S. 315-384, bes. S. 334ff. und 372ff. - ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, loc. cit., Bd. IV, etwa: S. 442f. - ders., Kritik der praktischen Vernunft, loc. cit., Bd. V, S. 38-40. - ders., Metaphysik der Sitten, loc. cit., Bd. VI, S. 399. 41. Vgl. hierzu die Hinweise in G. Zart, Einfluß der englischen Philosophie seit Bacon auf die deutsche Philosophie des 18. Jahrhunderts, Berlin 1881. Der große Fleiß dieser Arbeit und die Mitteilungen ihres kenntnisreichen Autors werden dadurch geschmälert, daß der Großteil der angeführten Belegstellen unzureichend ist, oder die Quellenangabe des öfteren ganz fehlt. Zart verweist auf einen Einfluß Hutchesons bei: Johann Anton Sulzer (1752-1828) - Moses Mendelsohn (1729-1786) - Johann August Eberhard (1739-1809) - Johann Georg Heinrich Feder (1740-1821) - Christoph Meiners (1748-1810) - Johann Christian Lossius (1743-1813) - Johann Nikolaus Tetens (17361807) - Johann Gebhard Ehrenreich Maaß (1766-1823) - Marcus Herz (1747-1803) - Christian Garve (1742-1798) - Ernst Platner (1744-1818). 42. Einen Hinweis auf Jacobi fand ich in: G. Baum, F. H. Jacobis Philosophie in der Zeit von 1774-1794, S. 90, in: Veränderungen 1774: 1794, Goethe, Jacobi und der Kreis von Münster, Eine Ausstellung des Goethemuseums Düsseldorf ... Jörn Göres (Hg.), Düsseldorf o.J. ( 1974?), s. 87-96. 43. Zu Herder vgl.: Herders sämtliche Werke, B. Suphan (Hg.), Bd. 4, Berlin 1878, (i.e. »Viertes Wäldchen«, S. 3-198), S. 5, 148f. Von Herder stammte auch eine Nachschrift von einer Kantschen Ethikvorlesung (s. dort), die mit Hutcheson anhub. Weiter vgl. loc. cit., Bd. 6, Berlin 1892 (Denkmal Johann Winkelmann) (1778), S. 461, und loc. cit. Bd. 11, Berlin 1879 (Briefe an Theophron, Briefe, das Studium der Theologie betreffend, Fünfter Teil, 1781, S. 155-211), S. 205; loc. cit., Bd. 22, Berlin 1880 (Vorrede der 'Metakritik zur Kritik der Urtheilskraft', 'Kalliphron', 1799), S. 339. 44. Erste Gesamtausgabe v. Hemsterhuis erschien als: »CEuvres Philosophiques de M. F. Hemsterhius«, H. J. Jensen (Hg.), 2 Bde., Paris 1792.

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Wolfgang Leidhold

Greifb:1;rer ist heute: Francis Hemsterhius,