Eigenverwaltung [2 ed.] 9783814557717

Die Eigenverwaltung, die bis 2012 ein Schattendasein führte, ist seit Inkrafttreten des ESUG – gleich, ob als „einfache“

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Eigenverwaltung [2 ed.]
 9783814557717

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Hofmann Eigenverwaltung

ZIP Praxisbuch 1

Eigenverwaltung 2. Auflage 2016

von RA FAInsR Dr. Matthias Hofmann, München

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH ˜ Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2016 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das Werk oder Teile daraus in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) zu vervielfältigen. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln

Vorwort zur 2. Auflage Sowohl die Nachfrage nach der Erstauflage des ZIP-Praxisbuchs „Eigenverwaltung“ als auch die zwischenzeitliche weitere Rechtsentwicklung hat Bedarf für eine Neuauflage begründet. Diesem Bedarf komme ich mit dieser Zweitauflage gerne nach. Das Praxisbuch hatte – und hat – das Ziel, der Insolvenzpraxis einen grundlegenden Überblick über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung und über die Aufgaben von Schuldner und Sachwalter in der Eigenverwaltung zu geben. Viele positive Stimmen lassen mich glauben, dieses Ziel bereits mit der Erstauflage weitgehend erreicht zu haben. Gleichwohl habe ich mit der vorliegenden Neuauflage die Gelegenheit zu einer Erweiterung des Buchs ergriffen. Zum einen habe ich das Werk um die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung zur Eigenverwaltung und um aktuelle Diskussionen in Literatur und Praxis ergänzt und das Buch so auf den Stand von Dezember 2015 gebracht. Zum anderen habe ich dem Praxisbuch für die Zweitauflage einen rund 30seitigen Muster-Teil angefügt, um der Praxis – sei es, auf Seiten des Sanierungsberaters, auf Seiten des Sachwalters oder auch auf Seiten des Gerichts – Vorlagen an die Hand zu geben. Das Praxisbuch soll damit in neuer Auflage noch attraktiver für den insolvenzrechtlichen Praktiker sein, der – sei es erstmals oder bereits routiniert – mit Fragen der Eigenverwaltung zu tun hat. Den Lesern wie auch den Rezensenten der Erstauflage danke ich für wertvolle Diskussionen und Anmerkungen, die auch hinsichtlich dieser Zweitauflage jederzeit willkommen erscheinen. Dem RWS-Verlag, allen voran Frau Ute Sandbrink und Herrn Markus Sauerwald, gilt mein Dank für die zügige und wie immer sehr professionelle Umsetzung des Manuskripts.

München/Augsburg, im Februar 2016

Matthias Hofmann

V

Vorwort Am 1.3.2012 traten aufgrund des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) umfassende Änderungen des Unternehmensinsolvenzrechts in Kraft. Insbesondere zielt das ESUG auf eine Stärkung der mit der InsO seit dem Jahr 1999 geschaffenen Möglichkeit der Eigenverwaltung des Schuldners (§§ 270 ff. InsO) ab, die in der Praxis bislang ein Schattendasein geführt hat. Die Rechtsentwicklung im ersten Jahr seit Inkrafttreten des ESUG hat gezeigt, dass die Eigenverwaltung – auch in der besonderen Spielart des Schutzschirmverfahrens – nunmehr als Sanierungsinstrument wahrgenommen wird und gerade in der Insolvenz mittlerer und größerer Unternehmen zum Einsatz kommt. Im Detail der täglichen Arbeit sind hierbei jedoch noch viele Fragen ungelöst. Das vorliegende ZIP Praxisbuch richtet sich daher insbesondere an die insolvenzrechtliche Praxis, d. h. an mit der Beratung von insolventen Unternehmen und von Gläubigern befasste Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, an (vorläufige) Insolvenzverwalter bzw. – im Fall der Eigenverwaltung – (vorläufige) Sachwalter, an Mitarbeiter insolvenzrechtlich tätiger Kanzleien und nicht zuletzt an die an den Insolvenzgerichten tätigen Richter und Rechtspfleger, die ebenfalls mit den Fragen der Eigenverwaltung in der Praxis befasst sind. Das ZIP Praxisbuch soll einen grundlegenden Überblick über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung und insbesondere über die Aufgabenverteilung zwischen den Beteiligten in der Eigenverwaltung und im Schutzschirmverfahren geben. Hierbei sollen auch die Neuregelungen des ESUG unter Berücksichtigung der hierzu bislang ergangenen Rechtsprechung dargestellt werden. Für interessante Diskussionen sowie für Anregungen und Kritik, die ich gerne für eine Zweitauflage aufgreifen werde, möchte ich den Lesern und Nutzern des ZIP Praxisbuchs bereits an dieser Stelle danken.

München/Augsburg, im September 2013

Matthias Hofmann

VII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

Vorwort zur 2. Auflage .................................................................................. V Vorwort ......................................................................................................... VII Literaturverzeichnis .................................................................................... XXI A. Einführung ................................................................................... 1 ........ 1 I.

Grundgedanken und Vorbilder der Eigenverwaltung ................ 2 ........ 1

II. Aufbau des ZIP Praxisbuchs ........................................................ 4 ........ 1 B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren und Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung ................................................................... 5 ........ 3 I.

Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO ......................................................................... 6 ........ 3 1. Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO ................................................................. 7 ........ 3 a) Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO) ............................................. 9 ........ 3 b) Nachteilsprognose (§ 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO) .......... 12 ........ 5 aa) Inhalt der gerichtlichen Prognose ...................... 13 ........ 5 bb) Beurteilungsgrundlage und Erkenntnisquellen des Insolvenzgerichts ......................................... 18 ........ 8 cc) Auswirkung verbleibender Zweifel bzw. Unklarheiten ....................................................... 21 ........ 9 dd) Mitwirkung des vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 270 Abs. 3 InsO) ....................... 22 ........ 9 ee) Fallgruppen zu erwartender Nachteile .............. 25 ...... 10 (1) Fehlendes insolvenzrechtliches Know-how bzw. fehlende insolvenzrechtliche Beratung ..................................... 26 ...... 11 (2) Offensichtliche Verletzung gesetzlicher Pflichten durch die verantwortlichen Personen ...................................................... 28 ...... 12 (3) Verlust des Vertrauens wesentlicher Gläubiger und Geschäftspartner ................ 32 ...... 13 (4) Fehlende Mitwirkung des Schuldners und nicht hinreichend transparente Verfahrensabwicklung durch den Schuldner ..... 34 ....... 14 (5) Kostennachteile einer Eigenverwaltung? ..... 35 ....... 15 IX

Inhaltsverzeichnis Rz.

2. 3.

4. 5.

Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO ....... Bestellung eines Sachwalters gemäß § 270c InsO ............. a) Anforderungen an die Person des Sachwalters .......... b) Auswahl des Sachwalters ............................................. aa) Berücksichtigung von Vorschlägen des Schuldners oder einzelner Gläubiger ........... bb) Einbindung des vorläufigen Gläubigerausschusses .......................................... Ablehnung des Eigenverwaltungsantrags .......................... Rechtsbehelfe gegen die gerichtliche Entscheidung über den Eigenverwaltungsantrag ......................................

II. Nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 271 InsO ....................................................................... 1. Voraussetzungen der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung ........................................................... 2. Auswahl des zu bestellenden Sachwalters .......................... 3. Verfahren ............................................................................. 4. Rechtsfolgen der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung .................................................................. 5. Rechtsmittel ........................................................................

38 43 44 50

Seite

...... ...... ...... ......

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51 ...... 20 54 ...... 21 58 ...... 22 61 ...... 23 63 ...... 24 64 ...... 24 68 ...... 26 71 ...... 27 75 ...... 28 79 ...... 29

III. Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 272 InsO ................................................................................... 82 1. Aufhebung auf Antrag der Gläubigerversammlung (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO) .................................................. 84 2. Aufhebung auf Antrag eines Gläubigers (§ 272 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 InsO) ...................................... 87 a) Antragsrecht ................................................................ 88 b) Materielle Voraussetzungen ........................................ 92 c) Antragstellung, Glaubhaftmachung, Verfahrensbesonderheiten .......................................... 95 3. Aufhebung auf Antrag des Schuldners (§ 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO) .................................................. 98 4. Verfahren ........................................................................... 101 5. Rechtsfolgen der Aufhebung ........................................... 109 6. Rechtsmittel ...................................................................... 114

...... 30 ...... 30 ...... 31 ...... 31 ...... 33 ...... 33 ...... ...... ...... ......

33 34 36 38

C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren ................................................................. 117 ...... 39 I.

X

Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners .... 1. Grundlage der Verfügungsmacht des eigenverwaltenden Schuldners ....................................................... 2. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, einschließlich Geschäftsführungs-/Betriebsfortführungsbefugnis ........ a) Verwaltung der Insolvenzmasse ...............................

119 ...... 39 120 ...... 39 123 ...... 40 124 ...... 40

Inhaltsverzeichnis Rz.

3.

b) Betriebsfortführung ................................................... c) Begründung von Masseverbindlichkeiten ................ d) Beschränkung der Verfügungsmacht des eigenverwaltenden Schuldners .................................. Insolvenzspezifische Sonderrechte des Schuldners in der Eigenverwaltung ..................................................... a) Insolvenzrechtliche Befugnisse bei gegenseitigen Verträgen .................................................................... aa) Grundsätzliches ................................................ bb) Wesentliche Sonderrechte ................................ (1) Wahlrecht gemäß § 103 Abs. 1 InsO ....... (2) Sonderkündigungsrecht bei Mietverhältnissen gemäß § 109 Abs. 1 InsO ........ (3) Erlöschen von Aufträgen, Geschäftsbesorgungsverträgen und Vollmachten (§§ 115 bis 117 InsO) ............................... (4) Insolvenzarbeitsrechtliche Sonderrechte .............................................. (a) Arbeitgeberstellung des eigenverwaltenden Schuldners ........ (b) Sonderkündigungsrecht gemäß § 113 InsO ....................................... (c) Behandlung und Kündigung von massebelastenden Betriebsverein barungen .......................................... (d) Betriebsänderungen ......................... b) Verwertung und Nutzung von Absonderungsgut ..... (aa) Verwertung belasteter unbeweglicher Gegenstände ...................................................... (1) Absonderungsrechte an Immobilien ........ (2) Verwertung durch die Absonderungsberechtigten ............................................... (3) Verwertung durch den eigenverwaltenden Schuldner, insbesondere freihändige Verwertung ................................................ bb) Verwertung von beweglichem Absonderungsgut .............................................. cc) Einziehung sicherungsabgetretener Forderungen ...................................................... dd) Verteilung des Verwertungserlöses in den Fällen des § 166 InsO ............................ ee) Sonstige Verwendung von beweglichem Absonderungsgut zugunsten der Insolvenzmasse .................................................

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127 ...... 41 133 ...... 43 135 ...... 43 140 ...... 45 141 141 143 143

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177 ...... 54 180 ...... 55 183 ...... 57 184 ...... 57

189 ...... 59

XI

Inhaltsverzeichnis Rz.

4.

Überlassung der Verwertung an den Gläubiger ............................................... gg) Einvernehmen mit dem Sachwalter ................. c) Prozessführungsbefugnis und Aufnahme von unterbrochenen Rechtsstreiten (§§ 85, 86 InsO) ...... Insolvenzverfahrensrechtliche Aufgaben und Rechte des Schuldners in der Eigenverwaltung ........................... a) Aufstellung von Verzeichnissen ............................... b) Berichterstattung gegenüber Gläubigerorganen und Insolvenzgericht ................................................. c) Insolvenzrechtliche Rechnungslegung sowie Schluss- und Zwischenberichterstattung ................. d) Befugnisse des Schuldners im Zusammenhang mit der Durchführung von Gläubigerversammlungen ..........................................................

Seite

ff)

II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters ...... 1. Rechtsstellung des Sachwalters ........................................ 2. Aufgaben des Sachwalters ................................................. a) Aufsicht über Geschäftsführung des Schuldners ..... b) Mitwirkung an Rechtsgeschäften des Schuldners ...... aa) Mitwirkung gemäß § 275 Abs. 1 InsO ............ bb) Zustimmungsbedürftigkeit aufgrund gerichtlicher Anordnung gemäß § 277 InsO .... (1) Gegenstand der Zustimmungsbedürftigkeit .............................................. (2) Anordnungsvoraussetzungen ................... (3) Verfahren ................................................... (4) Rechtsfolgen der Anordnung ................... (5) Aufhebung des Zustimmungsvorbehalts gemäß § 277 Abs. 1, Abs. 2 InsO ............. cc) Einvernehmen im Rahmen insolvenzrechtlicher Sonderrechte des Schuldners ................. dd) Mitwirkung des Sachwalters an Änderungen in der Besetzung des Geschäftsleitungsorgans einer juristischen Person (§ 276a Satz 2 InsO) ......................................... c) Konten- und Kassenführungsrecht (§ 275 Abs. 2 InsO) ................................................... aa) Inanspruchnahme der Kassenführung ............. bb) Rechtliche Konsequenzen ................................ cc) Modifizierte Kassenführung ............................ d) Insolvenzanfechtung und Haftung (§ 280 InsO) ...... aa) Gegenständlicher Aufgabenbereich ................. (1) Gesamtschäden (§ 92 InsO) und Gesellschafterhaftung (§ 93 InsO) .......... XII

192 ...... 60 193 ...... 60 196 ....... 61 202 ...... 63 203 ...... 63 208 ...... 64 210 ...... 65

213 ...... 66 215 ....... 216 ...... 218 ...... 218 ...... 225 ....... 226 ......

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233 ....... 71 234 238 241 243

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253 ...... 76 257 ...... 258 ...... 260 ...... 262 ...... 266 ....... 267 ......

76 77 78 79 80 80

267 ...... 80

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

(a) (b)

3.

Gesamtschaden (§ 92 InsO) ........... 268 ...... 81 Gesellschafterhaftung (§ 93 InsO) ...................................... 271 ...... 82 (2) Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) ..... 272 ....... 82 (3) Analoge Anwendung des § 280 InsO auf originäre gesellschaftsrechtliche Ansprüche gegen Gesellschafter und Gesellschaftsorgane in der Insolvenz juristischer Personen ................................. 274 ...... 82 bb) Kompetenzen des Sachwalters im Rahmen von § 280 InsO ................................................. 276 ...... 83 cc) Pflichten des Schuldners im Zusammenhang mit § 280 InsO .................................................. 279 ...... 84 e) Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 285 InsO) ...... 282 ....... 84 aa) Verfahren bei Masseunzulänglichkeit .............. 283 ...... 85 bb) Einstellung bei Massearmut gemäß § 207 InsO ......................................................... 284 ...... 85 f) Rederechte und Redepflichten des Sachwalters ....... 285 ...... 86 aa) Stellungnahmen zu Verzeichnissen und Berichten des Schuldners .................................. 286 ...... 86 bb) Nachteilsanzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO .... 288 ...... 86 cc) Berichterstattung durch Sachwalter ................. 293 ...... 88 g) Rechte des Sachwalters im Zusammenhang mit der Gläubigerversammlung ................................ 295 ...... 89 Forderungsanmeldungsverfahren, Forderungsprüfung und Verteilungen in der Eigenverwaltung ....................... 298 ...... 90 a) Zustellung des Eröffnungsbeschlusses ..................... 299 ...... 90 b) Anmeldung der Forderungen beim Sachwalter und Tabellenführung ................................................. 300 ...... 90 c) Forderungsprüfung ................................................... 303 ...... 91 d) Rücknahme des Widerspruchs und Feststellungsrechtsstreit ........................................... 305 ...... 91 e) Durchführung der Verteilungen durch den Schuldner ............................................................. 309 ...... 93 f) Praktische Handhabung der Abstimmung zwischen Sachwalter und Schuldner im Bereich der Forderungsprüfung und Verteilung ..... 314 ...... 94

D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO) ......................... 316 ...... 95 I.

Bedeutung des Eröffnungsverfahrens ..................................... 316 ...... 95

II. Wesen der vorläufigen Eigenverwaltung ................................. 318 ...... 95 III. Voraussetzungen der vorläufigen Eigenverwaltung ............... 320 ...... 96 1. Summarische Prüfung der Voraussetzungen der Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO ................... 321 ...... 96 XIII

Inhaltsverzeichnis Rz.

2. 3.

4.

Seite

Erkenntnisquellen des Insolvenzgerichts im Rahmen des § 270a Abs. 1 InsO ................................. 325 ...... 97 Laufende Überprüfung des Eintritts der offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Eigenverwaltungsantrags i. S. v. § 270a Abs. 1 InsO ................................................. 327 ...... 97 Klare Fälle offensichtlicher Aussichtslosigkeit gemäß § 270a Abs. 1 InsO ................................................ 329 ...... 98

IV. Verfahren gemäß § 270a Abs. 1 InsO ..................................... 332 .... 100 V. Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung ......................... 1. Rechtsstellung des Schuldners im Eröffnungsverfahren ......................................................... a) Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwaltung ....... b) Pflichten des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwaltung ........................................................ c) Keine Einschränkung des Einflusses der Gesellschaftsorgane im Eröffnungsverfahren .......... d) Anfechtbarkeit der Rechtshandlungen des Schuldners während der vorläufigen Eigenverwaltung ........................................................ 2. Aufgaben und Rechte des vorläufigen Sachwalters gemäß § 270a InsO ........................................................... a) Aufsicht über den Schuldner .................................... b) Mitwirkung an der Begründung von Verbindlichkeiten gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 1 InsO ......................................................... c) Konten- und Kassenführungsrecht gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 2 InsO .................... d) Informationsrechte des vorläufigen Sachwalters und Auskunftspflichten des Schuldners ................... e) (Keine) Mitwirkung an Abberufung und Bestellung von Geschäftsleitern analog § 276a Satz 2 InsO ..................................................... f) Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte im Rahmen eines besonderen Zustimmungsvorbehalts gemäß § 21 Abs. 1 InsO ........................................................ g) Rederechte und Redepflichten in der vorläufigen Eigenverwaltung ..................................... aa) Anzeigepflicht bei Nachteilen (§§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 3 InsO) ........ bb) Berichterstattung des vorläufigen Sachwalters ........................................................

XIV

337 .... 102 338 .... 102 339 .... 102 340 .... 103 346 .... 105

347 .... 105 353 .... 107 354 .... 107

356 .... 108 360 .... 108 365 .... 109

366 .... 110

368 .... 111 374 .... 113 375 .... 113 378 .... 113

Inhaltsverzeichnis Rz.

3.

Begründung von Masseverbindlichkeiten in der vorläufigen Eigenverwaltung ................................. a) Einzelermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten .......... b) Voraussetzungen der Einzelermächtigung ............... c) „Starke“ vorläufige Eigenverwaltung? ...................... d) Verfahren .................................................................... e) Inhaltliche Anforderungen an (Einzel-) Ermächtigungen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten .............................................

VI. Sonstige Sicherungsmaßnahmen im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung .................................................... 1. Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO) ...................................... 2. Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO) ....................................... 3. Vorläufige Postsperre (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 InsO) ..... 4. Verwertungs- und Einziehungsverbot hinsichtlich Aus- und Absonderungsgut (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO) ....................................... 5. Sonstige Maßnahmen auf Grundlage vom § 21 Abs. 1 InsO ...............................................................

Seite

379 .... 114 380 386 388 389

.... .... .... ....

114 117 118 118

392 .... 119 393 .... 120 394 .... 120 396 .... 121 399 ..... 121

400 .... 122 403 .... 122

E.

Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) .................................. 404 .... 123

I.

Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens (§ 270b Abs. 1 InsO) ................................................................ 407 1. Formelle Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens .......................................................................... 408 a) Erforderliche Anträge ............................................... 408 b) Bescheinigung ............................................................ 410 aa) Anforderungen an die Person des Bescheinigungsausstellers ................................. 412 bb) Unabhängigkeit des Bescheinigers ................... 414 cc) Inhaltliche Anforderungen an die Bescheinigung gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO ........................................................ 416 dd) Haftung des Bescheinigungsausstellers ........... 418 2. Materielle Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens und Prüfungsumfang des Insolvenzgerichts ................... 419

.... 124 .... 124 .... 124 .... 124 .... 125 .... 126

.... 127 .... 127 .... 128

II. Anordnungen des Gerichts im Schutzschirmverfahren ......... 422 .... 129 1. Bestimmung einer Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans ................................................................... 423 .... 129 2. Bestellung eines vorläufigen Sachwalters unter Bindung an den Vorschlag des Schuldners ............ 426 .... 130 XV

Inhaltsverzeichnis Rz.

3.

Personenverschiedenheit des vorläufigen Sachwalters vom Aussteller der Bescheinigung ....... b) Bindung des Gerichts an Vorschlag des Schuldners ............................................................ c) Ausnahme: Offensichtliche Nichteignung .............. Sonstige Anordnungen .....................................................

Seite

a)

427 .... 130 428 .... 130 430 .... 131 432 .... 131

III. Ablehnung des Schutzschirmantrags ...................................... 433 .... 132 IV. Aufhebung des Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b Abs. 4 InsO und Ablauf der bestimmten Frist ........... 435 .... 132 F.

Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung in der (vorläufigen) Eigenverwaltung .................................. 439 .... 135

I.

Vorbereitung der Antragstellung durch das insolvente Unternehmen .......................................................... 1. Erarbeitung eines vorläufigen Sanierungskonzepts ........ 2. Liquiditätsplanung und Vorbereitung der Fortführungsfinanzierung im Vorfeld des Antrags ........ 3. Einbindung unverzichtbarer Vertragspartner und wesentlicher Gläubiger .............................................. 4. Auswahl eines bzw. mehrerer vorzuschlagender (vorläufiger) Sachwalter .................................................... 5. Antragstellung ...................................................................

II. Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren ........................ 1. Erste Maßnahmen nach Bestellung des vorläufigen Sachwalters ..................................................... 2. Zusammenarbeit zwischen Schuldner und vorläufigem Sachwalter ..................................................... 3. Insolvenzgeldvorfinanzierung und Fortführungsfinanzierung ................................................ 4. Umgang mit Eigentumsvorbehaltsrechten und sonstigen Drittrechten .............................................. 5. Befriedigung und Sicherung der Vertragspartner für Lieferungen und Leistungen aus der vorläufigen Eigenverwaltung ................................................................ 6. Begleichung öffentlich-rechtlicher Forderungen aus der vorläufigen Eigenverwaltung ............................... a) Anfechtungslösung: Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern in anfechtbarer Weise .................................................... b) Kassenführungslösung .............................................. c) Zustimmungsvorbehaltslösung: Besonderer Zustimmungsvorbehalt hinsichtlich Zahlungen an Sozialversicherungsträger und Fiskus ................. d) Handhabung in der Praxis ......................................... XVI

443 .... 135 445 .... 136 449 .... 137 456 .... 139 460 .... 139 462 .... 140 465 .... 141 466 .... 141 469 .... 142 473 .... 143 476 .... 144

481 .... 146 484 .... 148

486 .... 149 491 .... 151

496 .... 154 498 .... 155

Inhaltsverzeichnis Rz.

III. Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren ......... 1. Berücksichtigung der rechtlichen Auswirkungen der Verfahrenseröffnung .................................................. a) Umsetzung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes ................................................................ b) Fortsetzung bzw. Nichtfortsetzung von Vertragsverhältnissen für Rechnung der Insolvenzmasse .......................................................... 2. Verwertungsmaßnahmen und Drittrechte ...................... a) Verwertung nicht betriebsnotwendigen Vermögens ................................................................. b) Berücksichtigung von Absonderungsrechten .......... 3. Umsetzung leistungswirtschaftlicher Sanierungsmaßnahmen .....................................................

Seite

499 .... 155 500 .... 155 501 .... 156

504 .... 157 507 .... 158 509 .... 159 512 .... 159 513 .... 161

G. Haftung in der (vorläufigen) Eigenverwaltung .................. 515 .... 163 I.

Keine Haftung des Schuldners ................................................. 516 .... 163

II. Haftung der Geschäftsleiter ..................................................... 1. Haftung in der vorläufigen Eigenverwaltung .................. 2. Masseschmälerungshaftung .............................................. 3. Haftung im eröffneten Insolvenzverfahren .....................

517 518 519 521

.... .... .... ....

163 163 164 166

III. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters ................................... 525 .... 167 H. Eigenverwaltung und Insolvenzplan .................................... 530 .... 169 I.

Angestrebter Insolvenzplan als Hauptanwendungsfall der Eigenverwaltung ................................................................. 531 .... 169

II. Planinitiativrecht in der Eigenverwaltung ............................... 533 .... 169 III. Pflichten des (vorläufigen) Sachwalters im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Insolvenzplans durch den Schuldner ........................................................................... 1. Beratende Mitwirkung gemäß § 284 Abs. 1 Satz 2 InsO .................................................. 2. Beaufsichtigung der Planvorbereitung gemäß § 274 Abs. 2 InsO ............................................................. 3. Hinwirken auf transparenten M&A-Prozess als Grundlage der Planvergleichsrechnung ......................

535 .... 170 536 .... 170 537 .... 170 538 .... 171

IV. Stellungnahme des Sachwalters zu Schuldnerinsolvenzplan ...... 542 ..... 172 I.

Kommunikation ...................................................................... 543 .... 173

I.

Bedeutung und Grundlagen der Kommunikation in der Eigenverwaltung ............................................................. 544 .... 173

XVII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

II. Kommunikation vor dem Insolvenzantrag ............................. 547 .... 174 III. Kommunikation im Stadium der vorläufigen Eigenverwaltung ....................................................................... 551 .... 175 IV. Kommunikation nach Verfahrenseröffnung ........................... 556 .... 176 V. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ............................................ 559 .... 177 J.

Steuerrechtliche Fragen der Eigenverwaltung .................... 561 .... 179

I.

Einfluss der vorläufigen Eigenverwaltung auf steuerliche Belange ................................................................... 563 .... 179

II. Steuern im eröffneten Insolvenzverfahren nach Anordnung der Eigenverwaltung ............................................ 567 .... 181 K. Eigenverwaltung im Konzern und in Unternehmensgruppen .......................................................... 571 .... 183 I.

Grundsatz: Einzelverfahrensabwicklung ................................. 572 .... 183

II. Vorteile der Eigenverwaltung in Gruppeninsolvenzen .......... 573 .... 184 L.

Vergütung und Kosten in der Eigenverwaltung ................. 577 .... 187

I.

Vergütung und Auslagen des Sachwalters ............................... 1. Regelsatz und Berechnungsgrundlage ............................. 2. Zuschläge ........................................................................... 3. Auslagen des Sachwalters .................................................

II. Vergütung und Auslagen des vorläufigen Sachwalters ........... 1. Regelsatz der Vergütung des vorläufigen Sachwalters ....... 2. Zu- und Abschläge ............................................................ 3. Berechnungsgrundlage ...................................................... 4. Auslagen des vorläufigen Sachwalters .............................. III. Kosten der Beratung und Geschäftsleitung des Schuldners ........................................................................... 1. Beratungskosten ................................................................ a) Gegenstand der Beratung .......................................... b) Belastung der Insolvenzmasse .................................. c) Inhaltliche Abgrenzung der Beratung des Schuldners zur Beratung der Geschäftsleiter und der Gesellschafter ............................................... 2. Vergütung der Geschäftsleiter ......................................... 3. Abstimmung der Beratungs- und Geschäftsleitungskosten mit dem Sachwalter und dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss ...........................................................

XVIII

578 579 581 583

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187 187 187 188

584 .... 188 585 ..... 189 590 .... 190 594 .... 191 598 .... 192 599 600 600 601

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193 193 193 193

604 .... 194 608 .... 195

612 .... 196

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung ................ 616 .... 199 I.

Insolvenzantragstellung ........................................................... 617 .... 199 1. Insolvenzantrag einer GmbH mit Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung ..................................... 617 .... 199 2. Schutzschrift eines Gläubigervertreters gegen eine Anordnung der Eigenverwaltung ............................. 618 .... 205

II. Vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO ........ 1. Beschluss gemäß § 270a Abs. 1 InsO ............................... 2. Beschluss gemäß § 270b InsO .......................................... 3. Stellungnahme des vorläufigen Sachwalters zur Anregung eines beschränkten Zustimmungsvorbehalts ...... 4. Beschluss zur Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts gemäß § 21 Abs. 1 InsO betreffend Zahlungen an Sozialversicherungsträger und Fiskus ......................................................................... 5. Anregung der Anordnung einer Einzelermächtigung durch die Berater der Schuldnerin .................................... 6. Lieferanteninformationsschreiben im Eröffnungsverfahren ............................................................................ III. Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren .............. 1. Eröffnungsbeschluss unter Anordnung der Eigenverwaltung ................................................................ 2. Aufhebungsbeschluss gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO ......................................................................... 3. Verwertungsvereinbarung .................................................

619 .... 208 619 .... 208 620 .... 209 621 .... 210

622 .... 212 623 .... 212 624 .... 214 625 .... 217 625 .... 217 626 .... 219 627 .... 220

Stichwortverzeichnis ................................................................................... 225

XIX

Literaturverzeichnis Kommentare, Handbücher, Monographien Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwalts-Kommentar Insolvenzrecht, 2. Aufl., 2014 (zit.: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Bearbeiter, InsO) Andres/Leithaus Insolvenzordnung (InsO), Kommentar, 3. Aufl., 2014 Baumbach/Hueck GmbHG, Kommentar, 20. Aufl., 2013 (zit.: Baumbach/Hueck-Bearbeiter, GmbHG) Braun Insolvenzordnung, Kommentar, 6. Aufl., 2014 (zit.: Braun-Bearbeiter, InsO) Gottwald Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl., 2015 (zit.: Bearbeiter, in: Gottwald, InsR-Hdb.) Graf-Schlicker Kommentar zur InsO, 4. Aufl., 2014 (zit.: Graf-Schlicker-Bearbeiter, InsO) Hofmann Eigenverwaltung in der Insolvenz. Darstellung eines Rechtsinstituts unter besonderer Berücksichtigung der Gesellschaftsinsolvenz, 2006 Hölzle Praxisleitfaden ESUG, 2. Aufl., 2013 Kolmann Schutzschirmverfahren, ZIP Praxisbuch 2, 2014 Kübler (Hrsg.) Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz, Eigenverwaltung und Insolvenzplan, 2. Aufl., 2015 (zit.: Bearbeiter, in: Kübler, HRI) Kübler/Prütting/Bork (Hrsg.) InsO, Kommentar zur Insolvenzordnung, 66. Lieferung 11/15 (zit.: Kübler/Prütting/Bork/Bearbeiter, InsO) Mönning Betriebsfortführung in der Insolvenz, 2. Aufl., 2014

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Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung hrsg. von Kirchhof/Lwowski/Stürner, Bd. 1, 3. Aufl., 2013, Bd. 2, 3. Aufl., 2013, Bd. 3, 3. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: MünchKomm-InsO) Rattunde/Stark Der Sachwalter, 2015 Rendels/Zabel Insolvenzplan, ZIP-Praxisbuch 3, 2. Aufl., 2015 Roth/Altmeppen GmbHG, Kommentar, 8. Aufl., 2015 (zit.: Roth/Altmeppen-Bearbeiter, GmbHG) Schlegel Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, 1999 Schmidt, Andreas Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, InsO, EUInsVO, InsVV, VbrInsVV, Insolvenzstrafrecht, 5. Aufl., 2015 (zit.: Bearbeiter, in: HambK-InsO) Schmidt, Karsten Insolvenzordnung (InsO), 19. Aufl., 2016 (zit.: K. Schmidt-Bearbeiter, InsO) Uhlenbruck Insolvenzordnung (InsO), Kommentar, 14. Aufl., 2015 (zit.: Uhlenbruck-Bearbeiter, InsO) Wimmer Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl., 2015 (zit.: Bearbeiter, in: FK-InsO) Aufsätze Bachmann Organhaftung in der Eigenverwaltung, ZIP 2015, 101 Bilgery Die Eigenverwaltung in der Konzerninsolvenz, ZInsO 2014, 1694 Brinkmann Haftungsrisiken im Schutzschirmverfahren und in der Eigenverwaltung, DB 2012, 1313 (Teil I), 1369 (Teil II) Buchalik/Kraus Die Bescheinigung nach § 270b InsO als Eintrittsvoraussetzung in das neue Schutzschirmverfahren, KSI 2012, 60

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Literaturverzeichnis

Buchalik/Kraus Endlich Klarheit – Nur der Schuldner darf Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren gem. § 270a InsO begründen!, ZInsO 2012, 2330 Buchalik/Kraus Zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den eigenverwaltenden Schuldner im Verfahren nach § 270a InsO, ZInsO 2013, 815 Buchalik/Kraus Die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen im Eigenverwaltungseröffnungsverfahren, ZInsO 2014, 2354 Budnik Zur Regelvergütung des vorläufigen Sachwalters, NZI 2014, 247 Desch Schutzschirmverfahren nach dem RegE-ESUG in der Praxis, BB 2011, 841 Deutschbein Ist der Streit um die Vergütung des vorläufigen Sachwalters ein Stolperstein für die vorläufige Eigenverwaltung?, ZInsO 2015, 1957 Ehricke Sicherungsmaßnahmen bei Antrag auf Anordnung einer Eigenverwaltung, insbesondere zur Person des vorläufigen Sachwalters, ZIP 2002, 782 Frind Die Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eigenverwaltungseröffnungsverfahren“ – Eine Chance für das Eigenverwaltungsverfahren durch strikte Anwendung der neuen gesetzlichen Regelungen, ZInsO 2012, 1099 Frind Umgang mit sanktionsbewehrten öffentlich-rechtlichen Forderungen in der vorläufigen Eigenverwaltung, ZInsO 2015, 22 Frind Die Sicherstellung eines nachhaltigen Sanierungsergebnisses im Insolvenzverfahren – Möglichkeiten der Insolvenzgerichte bei den verschiedenen Sanierungsvarianten – Teil 3, ZInsO 2015, 2358 Gravenbrucher Kreis ESUG – Erfahrungen, Probleme, Änderungsnotwendigkeiten, Thesenpapier, Stand Juni 2014, ZIP 2014, 1262 Henkel Die Voraussetzungen für die Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltung, ZIP 2015, 562 Hofmann Die Eigenverwaltung insolventer Kapitalgesellschaften im Konflikt zwischen Gesetzeszweck und Insolvenzpraxis, ZIP 2007, 260

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Hofmann Die Vorschläge des DiskE-ESUG zur Eigenverwaltung und Auswahl des Sachwalters – Wege und Irrwege zur Erleichterung von Unternehmenssanierungen, NZI 2010, 798 Hölzle Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren nach ESUG – Herausforderungen für die Praxis, ZIP 2012, 158 Hörmann/Yildiz Anmerkung zum Urteil des LG Hamburg vom 19.9.2014 (303 O 29/14) – Zur Anfechtung geleisteter Zahlungen an die Krankenkasse bei Eigenverwaltung mit Schutzschirm, NZI 2015, 229 Horstkotte Öffentliche Bekanntmachung der vorläufigen Sachwalterschaft nach ESUG durch das Insolvenzgericht, ZInsO 2012, 1161 Hunsalzer Haftung für Sozialversicherungsbeiträge und deren Insolvenzanfechtung im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO, ZInsO 2014, 1748 Jung/Wienberg ESUG: grundlegende Verbesserung der Insolvenzordnung für Gläubiger, Kreditwesen 2011, 610 Klöhn Gesellschaftsrecht in der Eigenverwaltung: Die Grenzen des Einflusses auf die Geschäftsführung gemäß § 276a Satz 1 InsO, NZG 2013, 81 Lambrecht/Michelsen Die Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO – Ruf nach dem Gesetzgeber!, ZInsO 2015, 2520 Laroche Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter, NZI 2010, 965 Mock Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters, ZInsO 2014, 67 Obermüller Das ESUG und seine Auswirkungen auf das Bankgeschäft, ZInsO 2011, 1809 Pape Das janusköpfige Insolvenzeröffnungsverfahren bei der Eigenverwaltung, ZInsO 2013, 2077 Pape Entwicklungstendenzen bei der Eigenverwaltung, ZIP 2013, 2285 Riggert Der Lieferantenpool im neuen Insolvenzrecht, NZI 2000, 525 XXIV

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Schelo Der neue § 270b InsO – Wie stabil ist das Schutzschirmverfahren in der Praxis? Oder: Schutzschirmverfahren versus vorläufige Eigenverwaltung, ZIP 2012, 712 Schmidt, K. Verbotene Zahlungen in der Krise von Handelsgesellschaften und die daraus resultierenden Ersatzpflichten – Insolvenzrechtliche Brotvermehrung durch Klagen nach § 64 Abs. 2 GmbHG (§§ 92 AktG, 103a, 177a HGB, 99 GenG), ZHR 168 [2004], 637 Schmidt/Linker Ablauf des sog. Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO, ZIP 2012, 963 Schmittmann/Dannemann Massesicherungs- versus Steuerzahlungspflicht im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO – Einen Tod muss der Geschäftsführer sterben?!, ZIP 2014, 1405 Schur Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters – Regelvergütung, Berechnungsgrundlage, Zuschläge, ZIP 2014, 757 Siemon Das Geschäftsmodell und die Fortführung des Unternehmens in der Insolvenz, ZInsO 2014, 625 Siemon Fragebogen zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, ZInsO 2014, 938 Siemon/Frind Der Konzern in der Insolvenz, NZI 2013, 1 Sinz/Hiebert § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO – Nutzung ohne Gegenleistung zulässig?, ZInsO 2011, 798 Staufenbiel/Karlstedt Der Liquiditätsplan im Insolvenzverfahren, ZInsO 2010, 2059 Ströhmann/Längsfeld Die Geschäftsführungsbefugnis in der GmbH im Rahmen der Eigenverwaltung, NZI 2013, 271 Undritz Restrukturierung in der Insolvenz, ZGR 2010, 201 Vill Kann ein Rechtsanwalt, der zum vorläufigen Sachwalter bestellt wurde, mit dem Schuldner des Insolvenzverfahrens rechtswirksam Verträge zur rechtlichen Beratung im Insolvenzeröffnungsverfahren schließen?, ZInsO 2015, 2245

XXV

Literaturverzeichnis

Zimmer Probleme des Vergütungsrechts (bei Nicht-Eröffnung des Insolvenzverfahrens) vor und nach ESUG – Plädoyer für das Eröffnungsverfahren als notwendige Vorstufe eines Insolvenzverfahrens im Sinne einer Vorgesellschaft, ZInsO 2012, 1658 Zipperer Die Einflussnahme der Aufsichtsorgane auf die Geschäftsleitung in der Eigenverwaltung – eine Chimäre vom Gesetzgeber, Trugbild oder Mischwesen?, ZIP 2012, 1492 Zipperer Das Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5.12.2012 und seine Auswirkungen auf die Insolvenzrechtspraxis, NZI 2013, 865

XXVI

A. Einführung Die grundlegende Beschreibung der Rechtsfolgen der Eigenverwaltung nennt 1 bereits § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO: „Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht […] die Eigenverwaltung anordnet.“ I. Grundgedanken und Vorbilder der Eigenverwaltung Die InsO bietet insolventen Unternehmen mit der Eigenverwaltung gemäß 2 §§ 270 ff. InsO damit in geeigneten Fällen die Möglichkeit, das Insolvenzverfahren eigenständig unter der Aufsicht eines Sachwalters abzuwickeln. Die Eigenverwaltung stellt insbesondere in Kombination mit dem Insolvenzplan gemäß §§ 217 ff. InsO eine Alternative zum Regelinsolvenzverfahren dar, welches grundsätzlich auf die vollständige Abwicklung des Schuldnervermögens ausgerichtet ist. Aber auch in Fällen, in denen von Anfang an eher eine andere Sanierungslösung insbesondere in Gestalt einer sog. übertragenden Sanierung wahrscheinlicher erscheint, kann die Eigenverwaltung – jedenfalls bis zum Abschluss der Sanierungslösung – durchaus Sinn machen. Die Eigenverwaltung in ihrer aktuellen Form gehört bereits seit Inkrafttreten 3 der InsO am 1.1.1999 zu den Instrumenten des deutschen Insolvenzrechts. Erheblich an praktischer Bedeutung gewonnen hat die Eigenverwaltung indes erst seit Inkrafttreten des ESUG am 1.3.2012, wobei dies statistisch gerade in Insolvenzverfahren mittelgroßer und großer Unternehmen der Fall ist. Die Eigenverwaltung ist indes keine Rechtsschöpfung der Insolvenzrechtsreform, sondern sie ist – in ähnlicher Form – vielmehr auch anderen Rechtsordnungen bzw. war auch dem bis zum 31.12.1998 geltenden Konkursrecht durchaus bekannt. Vorbilder der Eigenverwaltung waren insoweit insbesondere das Vergleichsverfahren der VerglO sowie der debtor in possession des Verfahrens nach Chapter 11 U. S. Bankruptcy Code.1) II. Aufbau des ZIP Praxisbuchs Der Aufbau des Werks orientiert sich nicht am zeitlichen Ablauf des Insol- 4 venzverfahrens, sondern versucht vielmehr, sich an der Lesbarkeit auszurichten und Wiederholungen bzw. Verweisungen nach hinten zu vermeiden. Daher werden zunächst die Voraussetzungen und die Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren (B. und C.) dargestellt, um sodann nur noch die Besonderheiten der vorläufigen Eigenverwaltung und des Schutzschirmverfahrens (D. und E.) zu erörtern, wobei teilweise bereits auf die Ausführungen zur Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren verwiesen werden ___________ 1)

Vgl. zu den Leitbildern VglO und Chapter 11 U. S. Bankruptcy Code auch Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 25 ff.

1

A. Einführung

kann. Im Anschluss folgen nach Ausführungen zur Praxis der Betriebsfortführung in der Eigenverwaltung (F.) verschiedene kleinere Kapitel zu Spezialthemen wie z. B. Haftung, Insolvenzplan, Kommunikation, Steuern und Vergütungsfragen (G. – L.) sowie abschließend verschiedene Muster zu Schriftsätzen, Beschlüssen u. Ä. für die Eigenverwaltung.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren und Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung Da die InsO die Eigenverwaltung als besondere Verfahrensart neben das 5 Regelinsolvenzverfahren stellt, setzt die Eigenverwaltung als Grundlage der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners eine besondere gerichtliche Anordnung voraus. Die Anordnung kann entweder gemäß § 270 InsO bereits im Eröffnungsbeschluss oder aber nachträglich auf Antrag der Gläubigerversammlung gemäß § 271 InsO erfolgen. Die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung regelt § 272 InsO. I. Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO Hat der Schuldner im Eröffnungsverfahren einen Antrag auf Anordnung der 6 Eigenverwaltung gestellt, so ordnet das Insolvenzgericht unter den Voraussetzungen des § 270 InsO im Eröffnungsbeschluss die Eigenverwaltung an. 1. Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO Die vom Gericht im Eröffnungsverfahren zu prüfenden Voraussetzungen der 7 Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss sind abschließend in § 270 Abs. 2 InsO genannt. Neben einem entsprechenden Antrag des Schuldners setzt die Anordnung der Eigenverwaltung in inhaltlicher Hinsicht voraus, „dass keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird“ (§ 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Auch im Fall eines Gläubigerinsolvenzantrags ist die Zustimmung des antrag- 8 stellenden Gläubigers zur Anordnung der Eigenverwaltung seit Inkrafttreten des ESUG nicht mehr erforderlich.2) a) Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO) In formeller Hinsicht setzt die Anordnung der Eigenverwaltung im Fall der 9 Anordnung im Eröffnungsbeschluss einen Antrag des Schuldners voraus. Eine Anordnung von Amts wegen oder auf Antrag eines Gläubigers oder eines vorläufigen Gläubigerausschusses scheidet demgegenüber aus.3) Der Antrag, für den eine besondere Form gesetzlich nicht vorgesehen ist, 10 sollte gleichwohl schriftlich gestellt werden.4) Der Schuldner sollte den Eigenverwaltungsantrag zudem so frühzeitig wie möglich – d. h. in der Regel zeit___________ 2) 3) 4)

Vgl. hierzu § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO a. F. Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 24. Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 102.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

gleich mit dem Insolvenzantrag – stellen, wobei die Antragstellung bis zur Verfahrenseröffnung jederzeit nachgeholt werden kann.5) Ein besonderer Inhalt des Antrags ist in §§ 270 ff. InsO nicht vorgesehen. Lediglich im Fall des sog. Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b InsO sieht das Gesetz weitere Anforderungen vor (vgl. hierzu Rz. 407 ff.). Indes machen auch in Fällen „einfacher“ Eigenverwaltungsanträge weitergehende Erklärungen bzw. Angaben Sinn. Denkbar sind – neben dem eigentlichen Eigenverwaltungsantrag – insbesondere Ausführungen zu folgenden Punkten: x

Vorschläge zur Person des (vorläufigen) Sachwalters bzw. zu Anforderungen an den zu bestellenden (vorläufigen) Sachwalter;

x

inhaltliche Angaben zu den Erfolgsaussichten bzw. zur Konzeption einer beabsichtigen Sanierung im Eigenverwaltungsverfahren nebst entsprechenden Belegen;

x

Anträge bzw. Anregungen betreffend besondere Anordnungen des Gerichts im Eröffnungsverfahren, z. B. vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO,6) Verwertungs- und Einziehungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO7) bzw. Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten.8) Praxistipp: Liegt dem Insolvenzverfahren ein eigener Insolvenzantrag des Schuldnerunternehmens zugrunde, so erscheint eine Verbindung des Eigenverwaltungsantrags mit dem Insolvenzantrag unbedingt empfehlenswert. Hierdurch eröffnet sich der Schuldner insbesondere auch den Zugang zu einer vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO.9) Zudem sollte der Antrag geeignete Angaben und Unterlagen enthalten, die eine Eigenverwaltung als aussichtsreich i. S. v. § 270a Abs. 1 InsO erscheinen lassen. Als Beispiel entsprechender Unterlagen sind insbesondere Stellungnahmen der wesentlichen Gläubiger zur beabsichtigten Eigenverwaltung, Stellungnahmen öffentlich-rechtlicher Gläubiger zu vorinsolvenzlichem Verhalten des insolventen Unternehmens, insbesondere zur Erfüllung sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Erklärungs- und Zahlungspflichten, bzw. die Stellungnahme eines Betriebsrats zu nennen. Auch die Mitteilung, wer als insolvenzrechtlicher Berater im Rahmen einer (vorläufigen) Eigenverwaltung fungieren wird, erscheint in diesem Zusammenhang letztlich unverzichtbar.10) Zudem erscheint in der Praxis absolut empfehlenswert, die Insolvenzantragsund Eigenverwaltungsantragstellung im Rahmen einer Vorbesprechung mit dem zuständigen Insolvenzrichter zu thematisieren.11)

___________ 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11)

4

Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 103 m. w. N. Hierzu Rz. 396 ff. Hierzu eingehend Rz. 400 ff. Vgl. auch Rz. 379 ff. Ebenso Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 29. Ebenso Frind, ZInsO 2015, 2358, 2360. Vgl. hierzu auch die wertvollen Hinweise bei Frind, ZInsO 2015, 2358, 2360.

I. Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO

Eine Rücknahme des Eigenverwaltungsantrags ist ebenfalls bis zum Erlass 11 der Eröffnungsentscheidung zulässig.12) Nach Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO bleibt dem Schuldner indes nur die Möglichkeit, gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung zu beantragen.13) b) Nachteilsprognose (§ 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO) Die inhaltlichen Voraussetzungen einer Anordnung der Eigenverwaltung im 12 Eröffnungsbeschluss regelt abschließend § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Bis Februar 2012 sah die damalige Gesetzesfassung (§ 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO a. F.) noch vor, dass das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung nur dann anordnen durfte, wenn feststand, dass die Eigenverwaltung nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führen würde; Zweifel gingen daher nach früherer Gesetzeslage zulasten des Schuldners. Das ESUG führte letztlich mit § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO zu einer völligen Umkehr des Regel-/Ausnahmeverhältnisses.14) Eine Ablehnung des Eigenverwaltungsantrags kommt gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO n. F. nur noch dann in Betracht, wenn Umstände positiv bekannt sind, die Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen. In allen anderen Fällen hat der Schuldner Anspruch auf Anordnung der Eigenverwaltung.15) Weiter zu beachten ist die Fiktion einer positiven Nachteilsprognose im Falle eines einstimmigen Votums des vorläufigen Gläubigerausschusses für die Eigenverwaltung gemäß § 270 Abs. 3 InsO. aa) Inhalt der gerichtlichen Prognose Dem Insolvenzgericht obliegt es, im Rahmen seiner Prognose gemäß § 270 13 Abs. 2 Nr. 2 InsO zu prüfen, ob Umstände bekannt sind, die Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen. Hierbei darf das Gericht indes nur konkrete Umstände berücksichtigen, während – anders als dies noch die Vorgängervorschrift des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO a. F. vorgesehen hat – eine ausdrückliche Prognose, dass Nachteile bzw. Verfahrensverzögerungen16) nicht zu befürchten sind, nicht mehr erforderlich ist. Beabsichtigt das Gericht auf Grundlage seiner Ermittlungen, den Eigenverwaltungsantrag abzulehnen, so muss es Nachteile für die Gläubiger prognostizieren können. Die Inbezugnahme der Gläubiger in § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO umfasst neben 14 den Insolvenzgläubigern i. S. v. § 38 InsO auch die Absonderungsberech___________ 12) 13) 14) 15) 16)

Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 48. Lfg., 04/2012, § 270 Rz. 95. Ebenso Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 48. Lfg., 04/2012, § 270 Rz. 95. Hierzu auch Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 31 ff. Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 32 m. w. N. Der Wegfall der „Verzögerung des Verfahrens“ in § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO n. F. ist lediglich eine redaktionelle Änderung, da die Verfahrensverzögerung auch bislang nur als Regelbeispiel eines Nachteils für die Gläubiger zu werten war; ebenso Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 48.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

tigten.17) Darüber hinaus sind in die gerichtliche Prognoseentscheidung gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO nach hier vertretener Auffassung die Interessen der Aussonderungsberechtigten gemäß § 47 InsO wie auch der (künftigen) Massegläubiger i. S. v. § 55 InsO einzubeziehen.18) Zwar werden die Rechte beider Gruppen von der Anordnung der Eigenverwaltung nicht unmittelbar beeinträchtigt,19) gleichwohl dürfen sie – wie auch die zweifelslos zu berücksichtigenden Insolvenz- und Absonderungsgläubiger – durch eine Eigenverwaltung im konkreten Fall nicht schlechtergestellt werden. Auch die Rechte der Insolvenzgläubiger werden nämlich durch die Anordnung der Eigenverwaltung nicht unmittelbar, sondern allenfalls mittelbar aufgrund der zu befürchtenden nachteiligen Verfahrensabwicklung durch den eigenverwaltenden Schuldner beeinträchtigt. Gelangt das Gericht im Rahmen seiner Prognose gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO daher zu der Einschätzung, dass zwar Nachteile für die Insolvenzgläubiger nicht zu erwarten sind, aber letztlich eine Beeinträchtigung von Aussonderungsrechten oder von künftigen Ansprüchen von Massegläubigern zu erwarten ist, so darf auch in derartigen Fällen eine Anordnung der Eigenverwaltung nicht erfolgen. Gerade in durchaus nicht seltenen Fällen, in denen bereits bei Verfahrenseröffnung feststeht, dass das Verfahren voraussichtlich in eine Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO mündet, wäre andernfalls eine ggf. mit dem Ziel eines nunmehr gemäß § 210a InsO möglichen Insolvenzplans beabsichtigte Eigenverwaltung stets zu genehmigen, da Nachteile für die Insolvenzgläubiger von vornherein nicht in Betracht kommen. Gerade in derartigen Fällen ist im Ergebnis hauptsächlich auf die Interessen der wirtschaftlich beteiligten Massegläubiger abzustellen. 15 In der Sache umfasst die Prognose sämtliche denkbare Nachteile für die Gläubiger. Maßgeblich werden hierbei vor allem, aber nicht nur solche Nachteile sein, die sich auf das wirtschaftliche Verfahrensergebnis für die Gläubiger auswirken.20) Im Regelfall wird mit einem Eigenverwaltungsantrag die Absicht verbunden sein, einen Insolvenzplan vorzulegen. Sofern die insoweit bei Entscheidung des Gerichts bereits vorliegenden Entwürfe bzw. Konzepte erkennen lassen, dass die im Insolvenzplan vorgeschlagene Befriedigungsquote für die Gläubiger hinter der im Regelinsolvenzverfahren zu erwartenden Befriedigungsquote zurückbleiben wird, stellt dies einen konkret zu erwartenden Nachteil dar;21) dies gilt insbesondere auch dann, wenn sich eine Gläubigermehrheit ggf. bereits ausdrücklich mit einer entsprechenden Lösung einverstanden erklärt hat, da der Insolvenzplan auch bei Mehrheitskonsens ___________ 17) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 46. 18) Ebenso bereits Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 260; a. A. Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 46; differenzierend: Henkel, ZIP 2015, 562, 564 (Einbeziehung der Massegläubiger, nicht jedoch der Aussonderungsberechtigten). 19) So die Argumentation von Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 46. 20) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 51. 21) Ebenso Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 45.

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I. Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO

keine Schlechterstellung überstimmter Gläubiger ermöglichen soll.22) Auch eine zu erwartende Verfahrensverzögerung kann einen Nachteil i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO darstellen.23) Ein erhebliches Problem der insolvenzgerichtlichen Prognoseentscheidung 16 gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO stellen Fallkonstellationen dar, in denen möglichen, zu erwartenden Nachteilen Vorteile zugunsten der Gläubiger gegenüberstehen. Inwieweit die Prognose des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO einen Ausgleich zu erwartender Nachteile durch gleichzeitig zu erwartende Vorteile zulässt, wurde bislang in Rechtsprechung und Literatur nicht erörtert. Nach zutreffender Auffassung dürfte die Prognose des Gerichts durchaus einer entsprechenden Abwägung von Vor- und Nachteilen zugänglich sein. Insbesondere entspricht es nicht der Zielsetzung der Prognose, eine Eigenverwaltung bereits dann zu verhindern, wenn isoliert ein – ggf. kleinerer – Nachteil festzustellen ist, der indes durch deutlich überwiegende Vorteile wieder ausgeglichen wird. Hierbei hat das Insolvenzgericht indes darauf abzustellen, ob Nachteile und Vorteile dieselben Gläubiger bzw. Gläubigergruppen betreffen. Eine Abwägung von Nachteilen zulasten einer Gläubigergruppe mit Vorteilen zugunsten einer anderen Gläubigergruppe dürfte demgegenüber ausgeschlossen sein. Wenngleich sich der Gesetzgeber mit § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO n. F. nach- 17 drücklich für eine Stärkung der Eigenverwaltung ausgesprochen hat, wollte er hiermit die Hürde für eine Ablehnung des Eigenverwaltungsantrags nicht unermesslich hoch ansetzen. Nach zutreffender Auffassung reichen daher auch mittelbare Nachteile aus, wenn diese eben aufgrund konkreter Umstände zu erwarten sind.24) Insbesondere eine zu erwartende intransparente Verfahrensabwicklung kann insoweit bereits als Nachteil i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO zu qualifizieren sein; gleiches gilt für die Verletzung wesentlicher Auskunfts- und Informationspflichten gegenüber dem Insolvenzgericht, dem Sachwalter oder Gläubigerorganen.25) Praxistipp: Die Prognose gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO stellt den zuständigen Insolvenzrichter oftmals vor erhebliche Herausforderungen. Gerade die Feststellung des Maßes zu erwartender Nachteile und die Abwägung von Nachteilen gegen prognostizierte Vorteile sind im Einzelfall äußerst komplex. Daher wird sich die Praxis künftig insbesondere mit Fallgruppen nachteiliger Eigenverwaltungen behelfen müssen (vgl. hierzu sogleich unter Rz. 25 ff.).

___________ 22) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 45. 23) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 48. 24) AG Potsdam, Beschl. v. 13.12.2012 – 35 IN 748/12, ZIP 2013, 181, 183, dazu EWiR 2013, 157 (Rendels/S. Körner). 25) Vgl. zu einem entsprechenden Fall die zutreffende Entscheidung des AG Potsdam, Beschl. v. 13.12.2012 – 35 IN 748/12, ZIP 2013, 181, dazu EWiR 2013, 157 (Rendels/ S. Körner).

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

bb) Beurteilungsgrundlage und Erkenntnisquellen des Insolvenzgerichts 18 Das Insolvenzgericht trifft seine Prognoseentscheidung gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO auf Grundlage aller im Zeitpunkt der Entscheidung bekannten Umstände. Bloße Verdachtsmomente oder Ähnliches darf das Gericht insoweit nicht berücksichtigen. Indes hat das Insolvenzgericht zur Herstellung einer angemessenen Entscheidungsgrundlage im Rahmen der Amtsermittlung gemäß § 5 InsO ggf. zusätzliche Ermittlungen anzustellen, wobei Art und Umfang der Ermittlungen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stehen.26) 19 Wesentliche Erkenntnisquelle des Insolvenzgerichts dürften – neben ggf. eingeleiteten Ermittlungen – die eigene Wahrnehmung des Gerichts im Zuge der vorläufigen Eigenverwaltung, die Berichterstattung eines vorläufigen Sachwalters über den Verlauf der vorläufigen Eigenverwaltung und die entsprechende Berichterstattung des Schuldners bzw. seines Beraters sein. Parallel hierzu hat das Gericht den vorläufigen Sachwalter oftmals im Rahmen des erteilten Gutachtenauftrags ggf. auch beauftragt, als Sachverständiger zu prüfen, ob Anhaltspunkte für eine Nachteiligkeit der Eigenverwaltung vorliegen, so dass auch insoweit eine Stellungnahme des vorläufigen Sachwalters bzw. Sachverständigen zur Nachteilsprognose angezeigt ist. Zudem hat das Gericht vorliegende Stellungnahmen von Gläubigern zu einer beabsichtigten Eigenverwaltung zu berücksichtigen, die z. B. auch im Rahmen sog. Schutzschriften bereits vor Stellung des Insolvenz- und Eigenverwaltungsantrags eingereicht werden können.27) 20 Sollte das Gericht bereits zu Beginn des Eröffnungsverfahrens Zweifel an der Eignung des Verfahrens für eine Eigenverwaltung haben, so ist es gehalten, im Rahmen der Amtsermittlung zusätzliche Ermittlungen einzuleiten. Entsprechende Ermittlungen erscheinen insbesondere dann angezeigt, wenn bereits der Insolvenz- und Eigenverwaltungsantrag den Eindruck unzureichender Vorbereitung bzw. mangelnder Transparenz vermittelt.28) In diesem Fall bestehen erste Anhaltspunkte dafür, dass der Eigenverwaltungsantrag ggf. missbräuchlich gestellt wurde oder der Schuldner nicht zur sachgerechten Abwicklung des Verfahrens in der Lage ist.29)

___________ 26) 27) 28) 29)

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Ebenso Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 59; a. A. wohl Hölzle, ZIP 2012, 158, 159. Fiebig, in: HambK-InsO, § 270 Rz. 27. Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 63. Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 63.

I. Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO Praxistipp: Sollte das Insolvenzgericht bereits bei Eingang des Eigenverwaltungsantrags entsprechende Zweifel haben, so kommen als mögliche Ermittlungen z. B. in Betracht: x Anforderung regelmäßiger (Zwischen-)Berichterstattung einschließlich Rechnungslegung des Schuldners sowie von Zwischenberichten des vorläufigen Sachwalters während einer zunächst bewilligten vorläufigen Eigenverwaltung oder im Schutzschirmverfahren; x Anhörung der wesentlichen Gläubiger, insbesondere in Fällen, in denen kein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt ist;30) x Anfragen an Behörden, insbesondere an Finanzämter, Sozialversicherungsträger sowie Berufskammern (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer u. Ä.) mit der Bitte um Mitteilung, ob Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit des Schuldners bzw. der dort tätigen Leitungspersonen bekannt sind; x Einholung eines Auszugs aus dem Bundeszentralregister im Hinblick auf etwaige vermögensrechtlich relevante Vorstrafen des Schuldners bzw. der im Schuldnerunternehmen tätigen Geschäftsleiter; x auch die Beauftragung eines Sachverständigen mit der weiteren Prüfung der Voraussetzungen der Nachteilsprognose gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO erscheint gemäß § 5 Satz 2 InsO zulässig.31) Pflichtgemäßem (Ermittlungs-)Ermessen des Insolvenzgerichts wird die Bestellung eines Sachverständigen jedenfalls dann entsprechen, wenn erste Zweifel an der Eignung des Schuldners für eine nachteilsfreie Eigenverwaltung bestehen.

cc) Auswirkung verbleibender Zweifel bzw. Unklarheiten Anders als vor Inkrafttreten des ESUG gehen Zweifel oder Unklarheiten im 21 Zusammenhang mit der gerichtlichen Nachteilsprognose gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO nach der Neufassung durch das ESUG nicht mehr zulasten, sondern vielmehr zugunsten des Schuldners.32) Ausschließlich konkrete und bekannte tatsächliche Umstände können dementsprechend zulasten des Schuldners Berücksichtigung finden. Dies hat das Gericht im Fall einer Ablehnung der Eigenverwaltung insbesondere auch im Zusammenhang mit der von § 270 Abs. 4 InsO geforderten Begründung des Ablehnungsbeschlusses zu berücksichtigen.33) dd) Mitwirkung des vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 270 Abs. 3 InsO) Ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt, so hat das Insolvenzgericht 22 diesen vor der Verfahrenseröffnung zu einem vom Schuldner gestellten Eigen___________ 30) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 63 m. w. N. 31) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 62 f.; a. A. Hölzle, ZIP 2012, 158, 159, sowie Hölzle, Praxisleitfaden ESUG, § 270b InsO Rz. 62. 32) Begr. RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 58; Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 32 m. w. N. 33) Vgl. hierzu auch unten Rz. 60.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

verwaltungsantrag gemäß § 270 Abs. 3 Satz 1 InsO anzuhören. Hiervon kann das Gericht nur dann absehen, wenn die Anhörung offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führen würde (vgl. § 270 Abs. 3 Satz 1 InsO a. E.). Da zur Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses letztlich der gesamte Zeitraum des Eröffnungsverfahrens zur Verfügung steht, wird eine entsprechende Eilbedürftigkeit nur in absoluten Ausnahmefällen einer Anhörung entgegenstehen.34) 23 Gibt der vorläufige Gläubigerausschuss ein einstimmiges Votum für die Eigenverwaltung ab, so bindet dies gemäß § 270 Abs. 3 Satz 2 InsO das Insolvenzgericht in seiner Entscheidung. Die Anordnung gilt in diesem Fall unwiderleglich als nicht nachteilig i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Hierbei kann der vorläufige Gläubigerausschuss seine Entscheidung nach zutreffender Auffassung bis zur Verfahrenseröffnung revidieren; er ist an zuvor – z. B. auch im Rahmen einer Anhörung zur Frage der vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO – getroffene Entscheidungen nicht gebunden.35) 24 Spricht sich der vorläufige Gläubigerausschuss nur mehrheitlich für den Eigenverwaltungsantrag aus oder lehnt er eine Eigenverwaltung gar mehrheitlich oder einstimmig ab, so entfaltet dies keine Bindungswirkung für die insolvenzgerichtliche Entscheidung gemäß § 270 InsO.36) Gleichwohl kann das Insolvenzgericht entsprechende Beschlussfassungen natürlich im Rahmen seiner Entscheidung berücksichtigen. ee) Fallgruppen zu erwartender Nachteile 25 Die im Fall des Nichtvorliegens eines einstimmigen positiven Gläubigerausschussvotums zu treffende Prognoseentscheidung des Gerichts hat sich im Rahmen des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO am jeweiligen Einzelfall auszurichten. Schematische Betrachtungen erscheinen insoweit nicht sachgerecht. Gleichwohl lassen sich verschiedene Fallgruppen herausbilden, in denen konkrete Umstände Nachteile für die Gläubiger i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO befürchten lassen.37) Auf die Hauptfallgruppen soll an dieser Stelle kurz eingegangen werden:38)

___________ 34) Ebenso: Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rz. 215; Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 40. Denkbar wäre insoweit allenfalls der Fall, dass die Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses erst kurz vor einer aus Sachgründen zeitnah gebotenen Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. 35) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 42. 36) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rz. 221. 37) Für die Bildung von Fallgruppen auch Kolmann, Schutzschirmverfahren, Rz. 610. 38) Vgl. hierzu im Übrigen auch die Darstellung bei Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 65 ff. sowie die Übersicht nachteilsauslösender Indizien bei Fiebig, in: HambK-InsO, § 270 Rz. 21.

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I. Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO

(1) Fehlendes insolvenzrechtliches Know-how bzw. fehlende insolvenzrechtliche Beratung Die Abwicklung des eigenen Insolvenzverfahrens setzt – beginnend ab der 26 Insolvenzantragstellung und eigentlich bereits im Rahmen der Vorbereitung des Insolvenzantrags – auf Seiten des Schuldners in erheblichem Umfang insolvenzrechtliche Kenntnisse voraus. Hierbei handelt es sich letztlich um die Grundvoraussetzung jeder (vorläufigen) Eigenverwaltung.39) Diese können entweder intern im Schuldnerunternehmen bestehen – z. B. im Fall der Berufung einer Person mit entsprechendem Know-how in eine Organstellung, insbesondere als Sanierungsgeschäftsführer, Sanierungsvorstand oder CRO (Chief Restructuring Officer) oder im Fall der Beschäftigung entsprechender Personen in der Rechtsabteilung des Unternehmens – oder aber extern über insolvenzrechtliche Berater bezogen werden.40) Unabhängig von der Frage, ob das insolvenzrechtliche Know-how intern oder extern vorhanden ist, steht jedoch fest, dass eine Eigenverwaltung ohne entsprechende Kenntnisse bzw. Unterstützung von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Insbesondere steht in diesem Fall zu erwarten, dass die Gläubiger nicht in hinreichendem Umfang in eine ordnungsgemäße Verfahrensabwicklung durch das Schuldnerunternehmen vertrauen. Zudem besteht in diesem Fall die Gefahr gläubigerbenachteiligender und verfahrenszweckwidriger Handlungen, insbesondere von Verletzungen des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes. Nicht insolvenzrechtlich beratene Schuldnerunternehmen dürften beispielsweise kaum in der Lage sein, für Gericht und Gläubiger transparente insolvenzrechtliche Verzeichnisse aufzustellen oder auch auszuschließen, dass im Widerspruch zum Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz noch Zahlungen an Insolvenzgläubiger geleistet werden. Gerade in der Praxis größerer Unternehmensinsolvenzen hat sich daher inzwischen die Bestellung eines CRO durchgesetzt, da hierdurch das Vertrauen der Verfahrensbeteiligten in die sachgerechte Abwicklung des Eigenverwaltungsverfahrens – wie im Fall der Regelinsolvenz – auch an einer Person festgemacht werden kann. Hält das Schuldnerunternehmen insolvenzrechtliche Kenntnisse, die zur Ab- 27 wicklung eines Eigenverwaltungsverfahrens ausreichen, nicht intern oder extern vor, so ist daher bereits dies ein Umstand, der i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO Nachteile für die Gläubiger erwarten lässt. Praxistipp: Dem Insolvenzschuldner ist zu empfehlen, das Vorhandensein entsprechender insolvenzrechtlicher Kenntnisse bereits im Zuge der Insolvenzantragstellung zu belegen, indem z. B. die Antragstellung durch einen insolvenzrechtlich spezialisierten Rechtsanwalt erfolgt, dessen Unterstützung auch für den weiteren Verfahrensverlauf vorhanden ist, oder indem eben inhaltliche Angaben zu insolvenzrechtlichem Know-how im Unternehmen gemacht werden.

___________ 39) So auch Henkel, ZIP 2015, 562, 564. 40) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 56.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren Sofern entsprechende Angaben fehlen, sollte das Insolvenzgericht ggf. im Rahmen eines richterlichen Hinweises darauf hinwirken, dass entsprechende Angaben sehr kurzfristig nachgeholt werden bzw. dass der Schuldner sehr kurzfristig für entsprechendes insolvenzrechtliches Know-how Sorge trägt.

(2) Offensichtliche Verletzung gesetzlicher Pflichten durch die verantwortlichen Personen 28 Kommen der Schuldner oder – im Fall einer Gesellschaftsinsolvenz – die im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts bestellten Vertretungsorgane des Schuldners im Vorfeld der Insolvenz oder während des Eröffnungsverfahrens ihren gesetzlichen Pflichten nicht nach, so legt dies den Schluss nahe, dass auch die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten – sei es nach der InsO, sei es nach anderen gesetzlichen Vorschriften, z. B. des Steuer- oder Handelsrechts – während des eröffneten Insolvenzverfahrens gefährdet erscheint. Handelt es sich bei den festgestellten Verstößen nicht nur um völlig untergeordnete und fahrlässige Pflichtverletzungen, so sind aufgrund der auch im eröffneten Verfahren zu erwartenden ungeordneten Verfahrensabwicklung stets Nachteile für die Gläubiger i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO zu besorgen, so dass eine Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO nicht in Betracht kommt. 29 Paradebeispiel hierfür dürfte eine nicht unerhebliche Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch die im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nach wie vor als Entscheidungsträger tätigen Geschäftsleiter sein.41) Stellt das Gericht – ggf. auch unter Zuhilfenahme des vorläufigen Sachwalters oder eines bestellten Sachverständigen – also fest, dass der Insolvenzantrag nicht im Stadium drohender Zahlungsunfähigkeit oder ggf. kurz nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt wurde, so sind die Leitungspersonen, denen diese Insolvenzverschleppung vorzuwerfen ist, letztlich für das Verfahren in Eigenverwaltung verbraucht. 30 Gleiches gilt in Fällen einer offensichtlichen Verletzung der Buchführungspflicht. Kann der Schuldner anlässlich der Insolvenzantragstellung bzw. auf entsprechende Aufforderung des Gerichts, eines Insolvenzgutachters, vorläufigen Sachwalters oder vorläufigen Insolvenzverwalters aktuelle Buchhaltungsauswertungen nicht vorlegen, so weist dies auf schwerwiegende kaufmännische Mängel der Unternehmensführung hin.42) Das Insolvenzgericht hat in diesem Fall regelmäßig aufgrund konkreter Umstände Nachteile i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO anzunehmen.43) 31 Zu guter Letzt muss eine Eigenverwaltung stets auch dann als nachteilig erscheinen, wenn der Schuldner bzw. dessen Geschäftsleiter im Eröffnungsver___________ 41) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 67. 42) Vgl. auch Gravenbrucher Kreis, ZIP 2014, 1262, 1263. 43) So auch Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 75; Gravenbrucher Kreis, ZIP 2014, 1262, 1263.

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I. Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO

fahren die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach der InsO gegenüber dem Insolvenzgericht bzw. einem vorläufigen Sachwalter in erheblicher Weise verletzt haben. In derartigen Fällen kann ggf. bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Pflichtverletzung die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unter Beendigung einer vorläufigen Eigenverwaltung i. S. v. § 270a InsO angezeigt sein. Auch wenn die vorläufige Eigenverwaltung bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag fortgesetzt wird, führt jedenfalls die vom Gericht zu treffende Nachteilsprognose gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO zur Ablehnung des Eigenverwaltungsantrags mit der Folge der Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens. (3) Verlust des Vertrauens wesentlicher Gläubiger und Geschäftspartner Die Abwicklung des Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass die wesentlichen 32 Gläubiger und – in Fällen eines laufenden Geschäftsbetriebs – die wesentlichen Geschäftspartner, sowohl auf Kunden- wie auch auf Lieferantenseite, Vertrauen in die für den Verfahrensablauf verantwortlichen Personen haben. Im Regelinsolvenzverfahren muss dieses Vertrauen der Insolvenzverwalter genießen, der aufgrund seiner Unabhängigkeit und seiner Bestellung durch das ebenfalls unabhängige Insolvenzgericht in der Regel einen großen Vertrauensvorschuss für sich in Anspruch nehmen kann. In der Eigenverwaltung müssen Gläubiger und Geschäftspartner demgegenüber das Vertrauen in die Geschäftsleitung des insolventen Unternehmens haben, da andernfalls eine konstruktive Zusammenarbeit im Rahmen eines Sanierungsprozesses oder eine Zusammenarbeit im Rahmen der Betriebsfortführung ausgeschlossen erscheinen. Eine Eigenverwaltung ist daher in solchen Fällen zum Scheitern verurteilt, in 33 denen wesentliche Gläubiger oder für die Betriebsfortführung wesentliche Geschäftspartner dem insolventen Unternehmen bzw. den dort handelnden Personen endgültig ihr Vertrauen entzogen haben, da in diesen Fällen die Chancen einer erfolgreichen Sanierung in Eigenverwaltung beeinträchtigt sind.44) Allerdings ist im Rahmen der gerichtlichen Prognose gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO insoweit Vorsicht geboten, als natürlich nicht per se Vorbehalte einzelner Gläubiger eine Eigenverwaltung als aussichtslos erscheinen lassen. Vielmehr ist im jeweiligen Einzelfall zu hinterfragen, ob der Gläubiger bzw. Geschäftspartner bzw. – im Fall mehrerer ablehnender Beteiligter – die Gruppe der ablehnenden Gläubiger eine derart gewichtige Rolle spielen, dass ein Scheitern des Sanierungsprozesses bzw. der Betriebsfortführung droht. Nur in diesem Fall kann das Gericht entsprechende Nachteile i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO annehmen.

___________ 44) AG Köln, Beschl. v. 1.7.2013 – 72 IN 211/13, ZIP 2013, 1390, dazu EWiR 2013, 625 (Leib/Rendels); ebenso bereits Hölzle, ZIP 2012, 158, 160.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren Praxistipp: Haben Gläubiger endgültige Vorbehalte gegen eine Eigenverwaltung oder stehen große Kunden bzw. wichtige Lieferanten einer Eigenverwaltung ablehnend gegenüber, so sollten sie dies dem Insolvenzgericht und auch dem (vorläufigen) Sachwalter mitteilen, damit diese Vorbehalte im Rahmen der gerichtlichen Prognoseentscheidung gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO angemessen berücksichtigt werden können. Auch können derartige Vorbehalte ggf. sogar bereits vor einer erwarteten Insolvenzantragstellung im Rahmen einer Schutzschrift45) gegen eine (vorläufige) Eigenverwaltung mitgeteilt werden. Dies gilt freilich nur dann, wenn diese Entscheidung endgültig ist und nicht in entsprechenden Gesprächen mit der Geschäftsleitung bzw. ggf. dem insolvenzrechtlichen Berater des insolventen Unternehmens noch eine gemeinsame Lösung mit den verantwortlichen Personen im insolventen Unternehmen möglich erscheint. Für den Schuldner empfiehlt sich an dieser Stelle erneut eine transparente Kommunikation mit den wesentlichen Geschäftspartnern und Gläubigern, um derartigen Vertrauensverlust von vornherein zu vermeiden. Sollte der Schuldner gleichwohl Vorbehalte seitens einzelner Geschäftspartner oder Gläubiger befürchten, so sollte auch hier proaktiv gehandelt und der Dialog mit den Kritikern gesucht werden, um ggf. deren Vertrauen zurückzugewinnen. Die Unterstützung durch einen insolvenzrechtlichen Berater dürfte auch in diesem Zusammenhang von Vorteil sein.

(4) Fehlende Mitwirkung des Schuldners und nicht hinreichend transparente Verfahrensabwicklung durch den Schuldner 34 Zuletzt ist als – ggf. bereits zu Beginn des Verfahrens i. S. v. § 270a Abs. 1 InsO offensichtlicher – Fall der Nachteiligkeit einer beantragten Eigenverwaltung die fehlende Mitwirkung des Schuldners bzw. dessen Geschäftsleitung zu nennen.46) Kommt das insolvente Unternehmen gerichtlich geforderten Mitwirkungen nicht oder nicht fristgerecht nach, so reicht allein dies aus, offensichtliche Nachteile i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO zu prognostizieren.47) Den Insolvenzgläubigern kann nicht zugemutet werden, das Insolvenzverfahren in der Hand eines Schuldners bzw. von Geschäftsleitern zu sehen, die trotz entsprechender Mitwirkungspflichten gemäß §§ 20, 97, 101 InsO vom Insolvenzgericht erbetene Auskünfte nicht erteilen oder Nachbesserungen von Verfahrenshandlungen – z. B. im Hinblick auf die erhöhten Anforderungen an die Insolvenzantragstellung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 5 InsO – nicht vornehmen. Auch fehlende oder trotz entsprechenden Hinweises des Insolvenzgerichts unzureichende Berichterstattung des Schuldners über die Verfahrensabwicklung während der vorläufigen Eigenverwaltung bzw. des Schutzschirmverfahrens stellt nach zutreffender Ansicht einen Umstand ___________ 45) Vgl. hierzu auch das Muster unter Rz. 618. 46) Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 150. 47) Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 150; AG Potsdam, Beschl. v. 13.12.2012 – 35 IN 748/12, ZIP 2013, 181, dazu zustimmend EWiR 2013, 157 (Rendels/S. Körner); AG Hamburg, Beschl. v. 15.7.2013 – 67e IN 108/13, ZIP 2013, 1684.

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I. Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO

dar, der i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO Nachteile erwarten lässt.48) Insbesondere hat die Berichterstattung insoweit die im Interesse der Verfahrensbeteiligten erforderliche Transparenz zu bieten, wobei diese insbesondere auch die Veränderungen in der Vermögenslage des insolventen Unternehmens zum Gegenstand hat.49) Praxistipp: Insolventen Unternehmen bzw. deren Beratern ist während der vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO bzw. im Schutzschirmverfahren gemäß § 270b InsO dringend zu empfehlen, das Insolvenzgericht sowie jedenfalls den vorläufigen Gläubigerausschuss durch aussagekräftige Zwischenberichte regelmäßig über den Stand des Verfahrens – insbesondere auch im Hinblick auf den Stand der Vorbereitung eines Insolvenzplans sowie eines etwaig laufenden M&A-Prozesses – zu informieren. Auch sollte die Berichterstattung durch entsprechende Einnahme-/Ausgaberechnungen vervollständigt werden. Die Zeiträume, innerhalb derer Zwischenberichte vorgelegt werden, sollten ggf. mit dem Insolvenzgericht, dem (vorläufigen) Sachwalter sowie dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss abgestimmt werden, wobei gerade in der Zeit unmittelbar nach Verfahrenseinleitung allseits ein Bedarf für zeitnahe Information besteht, so dass anfangs ein Berichtszeitraum empfehlenswert erscheint, der vier Wochen bzw. einen Monat nicht übersteigt. Zudem kann die Veröffentlichung der entsprechenden Berichte – ggf. unter Entfernung vertraulicher Details bzw. unter Straffung der wesentlichen Inhalte – im Rahmen eines vom insolventen Unternehmen bzw. dessen Beratern eingerichteten Gläubiger-Informationssystems sachgerecht erscheinen. Hierdurch kann insbesondere das Vertrauen der Gläubiger in eine transparente Verfahrensabwicklung durch den eigenverwaltenden Schuldner gestärkt bzw. gewonnen werden.

(5) Kostennachteile einer Eigenverwaltung? Nicht geklärt und auch bislang nur wenig diskutiert ist die Frage, ob offen- 35 sichtliche Kostennachteile, die im Fall einer Eigenverwaltung zu erwarten sind und die nicht anderweitig ausgeglichen erscheinen, eine Ablehnung des Eigenverwaltungsantrags gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO rechtfertigen. Zum einen ist gerade in Verfahren mit nicht übermäßig hoher Masse zu be- 36 rücksichtigen, dass die Kosten der notwendigen Beratung des Schuldners in der Eigenverwaltung die Ersparnisse aufgrund der ggf. nur geringfügig geringeren Vergütung des Sachwalters im Vergleich zur Vergütung eines Insolvenzverwalters bei weitem aufzehren. Hat die Eigenverwaltung in derartigen Konstellationen nicht besondere – ebenfalls monetäre – Vorteile für die Gläubigergemeinschaft, muss von vornherein eine deutlich schlechtere Quoten___________ 48) AG Potsdam, Beschl. v. 13.12.2012 – 35 IN 748/12, ZIP 2013, 181, 183, dazu zustimmend EWiR 2013, 157 (Rendels/S. Körner). 49) AG Potsdam, Beschl. v. 13.12.2012 – 35 IN 748/12, ZIP 2013, 181, 183, dazu zustimmend EWiR 2013, 157 (Rendels/S. Körner).

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

erwartung prognostiziert werden. Damit liegt im Ergebnis eine negative Nachteilsprognose gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO vor. Praxistipp: Ist in einem derartigen Fall eine Eigensanierung durch Eigenverwaltung und Insolvenzplan unter weitgehendem Erhalt der Gesellschafterstruktur angestrebt oder stehen ggf. neu investierende Gesellschafter bereits fest, ist den Beteiligten zu empfehlen, klar und verbindlich zu regeln, in welchem Umfang sich die Gesellschafter ggf. an den Beratungskosten im Rahmen der Eigenverwaltung beteiligen. Hierdurch können – im Fall entsprechender Belastbarkeit der übernommenen Verpflichtung – grundsätzlich bestehende Kostennachteile wieder ausgeglichen werden.

37 Zum anderen kommen offensichtliche Kostennachteile auch in Fällen betragsmäßig hoher Absonderungsrechte in Betracht, da insoweit gemäß § 282 Abs. 1 Satz 2 InsO unmittelbare Folge einer Anordnung der Eigenverwaltung das Entfallen der Feststellungskostenbeiträge gemäß § 171 Abs. 1 InsO wäre. Beispielsweise fließen der Insolvenzmasse im Fall des Einzugs sicherungsabgetretener Forderungen i. H. v. EUR 10,0 Mio. durch den Insolvenzverwalter Feststellungskostenbeiträge i. H. v. EUR 400.000,00 gemäß §§ 170, 171 Abs. 1 InsO zu, während entsprechende Kostenbeiträge in der Eigenverwaltung gerade nicht gesetzlich zu beanspruchen sind. Zwar erhöhen sich in diesen Fällen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV auch die Vergütungsansprüche des Insolvenzverwalters, so dass der Massezufluss aus den Feststellungskostenbeiträgen den Gläubigern nicht ungeschmälert zusteht; gleichwohl verbleiben im Fall der Eigenverwaltung letztlich Kostennachteile. Praxistipp: Zur Vermeidung entsprechender Nachteile zulasten der Gläubigergemeinschaft im Fall betragsmäßig hoher Absonderungsrechte empfiehlt sich ggf. die Aushandlung vertraglich vereinbarter Kostenbeiträge mit den Sicherungsgläubigern bereits im Vorfeld der Verfahrenseröffnung, so dass das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Entscheidung insoweit keine offensichtlichen Nachteile prognostizieren kann. Alternativ können die entsprechenden Nachteile auch dadurch beseitigt werden, dass die entsprechenden Beträge zur Nachteilsausgleichung von dritter Seite zugeschossen werden. In beiden Fällen ist auf verbindliche Ausgestaltung der jeweiligen Regelung zu achten, um das Insolvenzgericht vom Ausgleich der zu erwartenden Nachteile zu überzeugen.

2. Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO 38 Die Anordnung der Eigenverwaltung erfolgt gemäß § 270 Abs. 1 InsO „im Eröffnungsbeschluss“. Die Anordnung erfolgt hierbei durch den gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG funktional zuständigen Insolvenzrichter. Ordnet das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss die Eigenverwaltung an, so tritt gemäß § 270c Satz 1 InsO an die Stelle der Bestellung des Insolvenzverwalters die Bestellung des Sachwalters (hierzu sogleich Rz. 43 ff.).

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I. Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO

Der weitere Inhalt des Eröffnungsbeschlusses ergibt sich im Übrigen nach 39 § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO aus den allgemeinen Vorschriften, d. h. insbesondere aus §§ 27, 28 und 29 InsO. Hinsichtlich der in § 28 InsO vorgesehenen Aufforderungen ist jedoch zu beachten, dass der Beschluss entgegen § 28 Abs. 3 InsO keine Aufforderung an Drittschuldner des Schuldners enthalten darf, nicht mehr an den Schuldner zu leisten.50) Da die Verfahrenseröffnung bei angeordneter Eigenverwaltung nicht die Wirkungen der §§ 80 – 82 InsO nach sich zieht, unterbleibt im Eröffnungsbeschluss zutreffend auch die entsprechende Aufforderung an die Drittschuldner gemäß § 28 Abs. 3 InsO.51) Die in § 28 Abs. 1 InsO vorgesehene Aufforderung an die Gläubiger, ihre Forderungen anzumelden, ist indes – unter Beachtung von § 270c InsO, wonach anstelle des Insolvenzverwalters der Sachwalter anzugeben ist – in den Beschluss aufzunehmen. Gleiches gilt für die Aufforderung an Inhaber von Aus- und Absonderungsrechten gemäß § 28 Abs. 2 InsO, diese mitzuteilen, wobei insoweit nach hier vertretener Auffassung die Mitteilung von Sicherungsrechten an Schuldner und Sachwalter zu erfolgen hat, da nur dies der Kompetenzenverteilung in der Eigenverwaltung gerecht wird.52) Eine Pflicht zur Begründung der Anordnung der Eigenverwaltung sieht die 40 InsO – anders als im Fall der Ablehnung des Eigenverwaltungsantrags (vgl. § 270 Abs. 4 InsO) – nicht vor.53) Gleichwohl erscheint eine derartige Begründung durchaus zweckmäßig, um der Gläubigerversammlung im Rahmen ihrer Letztentscheidungskompetenz gemäß §§ 271, 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine transparente Entscheidung über die Eigenverwaltung zu ermöglichen.54) Die öffentliche Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses ist auch im 41 Fall der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 30 Abs. 1 InsO zwingend. Auch hat gemäß § 30 Abs. 2 InsO die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an die Gläubiger zwingend zu erfolgen. Demgegenüber hat keine Zustellung an die Drittschuldner zu erfolgen, da die Verfahrenseröffnung im Fall der Eigenverwaltung – wie bereits im Zusammenhang mit den Aufforderungen gemäß § 28 Abs. 3 InsO erläutert – keine Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Drittschuldner hat. Mit der Durchführung der Zustellungen kann das Insolvenzgericht bei an- 42 geordneter Eigenverwaltung analog § 8 Abs. 3 InsO den Sachwalter beauf___________ 50) Ebenso zutreffend: Schmahl/Busch, in: MünchKomm-InsO, §§ 27 – 29 Rz. 74. 51) Schmahl/Busch, in: MünchKomm-InsO, §§ 27 – 29 Rz. 74. 52) Anders Schmahl/Busch, in: MünchKomm-InsO, §§ 27 – 29 Rz. 64, die nur eine Mitteilung an den Sachwalter befürworten. Indes verkennen Schmahl/Busch, dass die Mitteilung an den Sachwalter zwar die Aufsicht über den Schuldner erleichtert, aber eine Verwertung von ggf. drittrechtsbelasteten Gegenständen durch den Schuldner unter Verletzung der Regelungen der §§ 168 ff. InsO ggf. nicht verhindert, da dieser erst durch den Sachwalter über mitgeteilte Drittrechte informiert werden müsste. 53) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 270 Rz. 19 m. w. N. 54) Ebenso Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 270 Rz. 19.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

tragen.55) Die Beauftragung des Sachwalters mit der Durchführung der Zustellungen dürfte insoweit in der Praxis der Regelfall sein.56) 3. Bestellung eines Sachwalters gemäß § 270c InsO 43 Notwendiger Inhalt des Eröffnungsbeschlusses im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung ist gemäß § 270c InsO die Bestellung eines Sachwalters, der im Fall der Eigenverwaltung anstelle eines Insolvenzverwalters zu bestellen ist und dem insbesondere die Aufsicht über den Schuldner obliegt. a) Anforderungen an die Person des Sachwalters 44 Für die Bestellung des Sachwalters und insbesondere auch die Anforderungen an seine Person gilt über die Verweisung des § 274 Abs. 1 InsO die für den Insolvenzverwalter maßgebende Vorschrift des § 56 InsO. Gleiches gilt – über § 270a Abs. 1 InsO – für den vorläufigen Sachwalter. Demnach ist zum (vorläufigen) Sachwalter „eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person“ zu bestellen. 45 Geschäftskunde sowie fachliche und persönliche Eignung eines (vorläufigen) Sachwalters sind stets anhand des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Die Grundlage der entsprechenden Voraussetzungen sind hierbei naturgemäß entsprechende juristische und betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Darüber hinaus ist insbesondere auch die aktuelle Auslastung des (vorläufigen) Sachwalters und seiner Kanzlei in den Blick zu nehmen.57) Natürlich spielen zudem oftmals Sonderkenntnisse eine Rolle, z. B. in Gestalt von Sprachkenntnissen, Branchenerfahrungen oder speziellen Rechtsmaterien. Hierbei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass entsprechendes Spezial-Know-how – abhängig von der Größe und Bedeutung des Verfahrens – regelmäßig ohnehin extern hinzugezogen wird, so dass die entsprechenden Kenntnisse in der Person des (vorläufigen) Sachwalters nicht die ausschlaggebende Rolle spielen dürften. Ausschlaggebend sollte demgegenüber die persönliche Eignung des (vorläufigen) Sachwalters sein, insbesondere dessen Fähigkeit zu einer kooperativen und kommunikativen Abwicklung des Verfahrens gemeinsam mit dem Schuldner und dessen Beratern.58) Ist der (vorläufige) Sachwalter hierzu nicht in der Lage, sind eine (vorläufige) Eigenverwaltung und damit ggf. auch im Gläubigerinteresse liegende Sanierungsbemühungen im Worst Case von vornherein zum Scheitern verurteilt. 46 Der Unabhängigkeit des (vorläufigen) Sachwalters kommt aus Sicht des Verfassers unter verschiedenen Gesichtspunkten besondere Bedeutung zu, ___________ 55) 56) 57) 58)

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Ganter, in: MünchKomm-InsO, § 8 Rz. 35; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 4. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 4. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 12. Vgl. hierzu eingehend Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 13.

I. Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO

weshalb hieran hohe Anforderungen zu stellen sind.59) Die Unabhängigkeit des (vorläufigen) Sachwalters ist letztlich die einzige in der InsO vorgesehene formale Gewähr dafür, dass das vom Schuldner selbst durchgeführte Insolvenzverfahren der Aufsicht einer gerichtlich bestellten Amtsperson unterliegt, die – ohne jegliche Besorgnis einer Befangenheit – die Einhaltung des in § 1 InsO normierten Verfahrenszwecks überwacht. Ein in jeder Hinsicht unabhängiger (vorläufiger) Sachwalter ist gerade vor diesem Hintergrund eine der Grundlagen dafür, dass die beteiligten Gläubiger, Arbeitnehmer oder Kunden das nötige Vertrauen in die Eigenverwaltung fassen können. Keine Unabhängigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn der vorgeschlagene 47 (vorläufige) Sachwalter in der Vergangenheit als Berater des Schuldners tätig war oder dessen Kanzlei laufend Mandate für (Groß-)Gläubiger des insolventen Unternehmens betreut.60) Um tatsächlich eine im Interesse der Gläubigergemeinschaft liegende unabhängige Aufsicht über den eigenverwaltenden Schuldner zu gewährleisten, ist es – angesichts der Bedeutung professioneller Beratung im Eigenverwaltungsverfahren – unumgänglich, für den (vorläufigen) Sachwalter gerade auch dessen Unabhängigkeit von den beim Schuldner tätigen Beratern, d. h. insbesondere Sanierungs- bzw. Unternehmensberatern und Rechtsanwälten, zu fordern.61) Insbesondere dauerhafte Kooperationen zwischen Beratern und Sachwaltern erscheinen vor diesem Hintergrund jedenfalls kritisch, zumal hierunter das Vertrauen der Verfahrensbeteiligten in die ordnungsgemäße Aufsicht über den Schuldner empfindlich leiden kann. Naturgemäß wird der Schuldnerberater nämlich – gleich, ob er ggf. sogar als Sanierungsgeschäftsführer bzw. CRO (Chief Restructuring Officer) in die Organstellung eingerückt ist – jedenfalls auch die Interessen des Schuldners im Fokus haben; diese stehen in der Regel wenigstens teilweise im Widerstreit mit den Interessen der Gläubigergemeinschaft an einer bestmöglichen Befriedigung. Arbeitet der Sachwalter regelmäßig mit demselben Beratungsunternehmen zusammen, auf dessen Vorschlag er jeweils zum (vorläufigen) Sachwalter bestellt wird, so entsteht hieraus zwangsläufig eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit, welche die nötige Neutralität bei der Aufsicht über den Schuldner jedenfalls gefährden kann. Auch eine frühere Beratungstätigkeit für den Schuldner lässt eine Person 48 regelmäßig als nicht unabhängig für das Amt des (vorläufigen) Sachwalters oder Insolvenzverwalters erscheinen.62) Indes normiert § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO nunmehr, dass eine Beratung „in allgemeiner Form über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Folgen“ die gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO er___________ 59) Vgl. hierzu bereits Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 14 und Rz. 19, sowie Hofmann, NZI 2010, 798, 803. 60) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 14 m. w. N. 61) Ebenso AG Stendal, Beschl. v. 31.8.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 1875, dazu EWiR 2012, 705 (Schulte/Kaubrügger). 62) Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 31 ff.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

forderliche Unabhängigkeit nicht ausschließt. Die Grenzen der allgemein gehaltenen Beratung zur Vorbefassung mit dem konkreten Insolvenzfall dürften im Einzelfall fließend sein. Letztlich dürfte stets dann die Grenze der allgemein gehaltenen Beratung überschritten sein, wenn ein konkreter Bezug zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners hergestellt wird oder wenn konkrete Auswirkungen der Insolvenz auf Geschäftsführer oder Gesellschafter im Einzelfall besprochen werden.63) 49 Letztlich soll § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO auch gewährleisten, dass Schuldner, Schuldnerorgane und Berater die Möglichkeit haben, einen vorzuschlagenden Sachwalter oder Insolvenzverwalter vor dessen Vorschlag bzw. Bestellung kurz kennenzulernen. Gerade hierbei ist indes darauf zu achten, dass etwaige kurze Vorgespräche ebenfalls lediglich allgemein gehalten sind, während eine Absprache hinsichtlich konkreter Maßnahmen, Entscheidungen oder Konditionen betreffend die Abwicklung des künftig einzuleitenden Insolvenzverfahrens die Unabhängigkeit jeweils ausschließen; dies gilt insbesondere auch für Absprachen zur Höhe einer künftigen Vergütung des Verwalters bzw. Sachwalters.64) b) Auswahl des Sachwalters 50 Auswahl und Bestellung des Sachwalters im konkreten Einzelfall obliegen dem Insolvenzgericht, das sich insoweit an den Anforderungen der §§ 56, 56a InsO (i. V. m. § 274 Abs. 1 InsO) zu orientieren hat. In der Regel findet die eigentliche Auswahlentscheidung bereits im Zeitpunkt der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters gemäß § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO statt, da in der Praxis die Bestellung des bisherigen vorläufigen Sachwalters mit Verfahrenseröffnung zum Sachwalter die absolute Regel darstellt. aa) Berücksichtigung von Vorschlägen des Schuldners oder einzelner Gläubiger 51 § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 InsO n. F. stellt klar, dass es hinsichtlich der Bestellung zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter oder (vorläufigen) Sachwalter unschädlich ist, wenn die zu bestellende Person auf einen Vorschlag des Schuldners oder eines Gläubigers zurückgeht. Vorschlägen des Schuldners bzw. einzelner Gläubiger kommt indes keine Bindungswirkung für das Gericht zu, so dass das Gericht den im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO zu bestellenden vorläufigen Sachwalter bzw. den bei Verfahrenseröffnung zu bestellenden Sachwalter nach pflichtgemäßem Ermessen auswählen kann. Auch eine Begründung der Abweichung von einem Vorschlag ist insoweit – anders als z. B. in den Fällen des § 270b Abs. 2 Satz 2 InsO – nicht vorgesehen. ___________ 63) Ähnlich Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 31b; Braun-Blümle, InsO, § 56 Rz. 64. 64) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 68.

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I. Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO

Schuldnern oder Gläubigern, die einen bestimmten (vorläufigen) Sachwalter 52 vorschlagen möchten, ist zu empfehlen, ihren Vorschlag kurz gegenüber dem Gericht zu begründen und insbesondere etwaige Verbindungen zur vorgeschlagenen Person offenzulegen.65) Dies gilt insbesondere auch für etwaige Verbindungen zwischen Beratern des Schuldners und der vorgeschlagenen Person. Erst hierdurch wird dem Gericht eine unverzügliche Prüfung der Unabhängigkeit der vorgeschlagenen Person ermöglicht. Hegt das Gericht wegen der Intransparenz des Vorschlags Zweifel an den Beweggründen für den Vorschlag, so besteht indes die Gefahr der Bestellung eines anderen als des vorgeschlagenen Sachwalters oder Insolvenzverwalters. Zudem ist zu beachten, dass die Wahrscheinlichkeit der Beeinflussung der gerichtlichen Bestellungsentscheidung durch einen Vorschlag erheblich erhöht wird, wenn der Vorschlag auch berücksichtigt, dass das Gericht Vertrauen in die vorgeschlagene Person benötigt; dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Gericht mit seiner Bestellung die Abwicklung des gesamten Verfahrens in die Hände der bestellten Person gibt und der zuständige Richter für seine Bestellungsentscheidung – ggf. sogar unter Amtshaftungsgesichtspunkten – persönlich verantwortlich bleibt.66) Bei der Auswahl vorzuschlagender Sachwalter oder Insolvenzverwalter ist daher Personen der Vorzug zu geben, die vom zuständigen Gericht ohnehin bereits in der Vergangenheit bestellt wurden, jedenfalls aber bei dem Gericht als Verwalter gelistet sind und dem Gericht daher persönlich und auch im Hinblick auf ihre Arbeitsweise bekannt sind. Im Schutzschirmverfahren sieht § 270b Abs. 2 Satz 2 InsO vor, dass das 53 Gericht von einem Vorschlag des Schuldners zur Person des vorläufigen Sachwalters nur im Fall offensichtlicher Nichteignung der vorgeschlagenen Person abweichen darf.67) bb) Einbindung des vorläufigen Gläubigerausschusses Die InsO sieht seit Inkrafttreten des ESUG in § 56a InsO die Beteiligung eines 54 vorläufigen Gläubigerausschusses an der Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters vor. Die Vorschrift gilt über § 274 Abs. 1 InsO auch für die Auswahl des Sachwalters bzw. des vorläufigen Sachwalters (vgl. § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO). Gemäß § 56a Abs. 1 InsO hat das Gericht einem bereits bestellten vorläufigen 55 Gläubigerausschuss daher Gelegenheit zur Äußerung zu den Anforderungen an den (vorläufigen) Sachwalter im konkreten Einzelfall sowie zur Person des (vorläufigen) Sachwalters zu geben. Nur im Fall einer offensichtlich zu befürchtenden nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners kann und muss das Gericht hiervon absehen (vgl. § 56a Abs. 1 InsO a. E.). Ist die Insolvenzantragstellung bereits öffentlich oder gegenüber wichtigen Geschäfts___________ 65) Vgl. hierzu eingehend auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 15 ff. 66) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 20. 67) Vgl. hierzu Rz. 430 f.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

partnern bekannt geworden, so wird regelmäßig ein Zuwarten mit der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters bestehende Fortführungs- und Sanierungsmöglichkeiten beeinträchtigen, so dass insoweit eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage zu besorgen ist.68) In derartigen Fällen muss von einer Anhörung eines vorläufigen Gläubigerausschusses letztlich dann abgesehen werden, wenn die Anhörung nicht innerhalb weniger Stunden erfolgen kann. 56 Schlägt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig eine Person als (vorläufigen) Sachwalter vor, so darf das Insolvenzgericht hiervon gemäß § 56a Abs. 2 InsO nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person ungeeignet ist.69) Hat das Insolvenzgericht gemäß § 56a Abs. 1 InsO a. E. wegen der Eilbedürftigkeit der Bestellung eines (vorläufigen) Sachwalters von einer Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses abgesehen, kann der vorläufige Gläubigerausschuss gemäß § 56a Abs. 3 InsO in seiner ersten hierauf folgenden Sitzung einstimmig eine andere Person als die bestellte zum (vorläufigen) Sachwalter wählen. In analoger Anwendung von §§ 56a Abs. 2 Satz 1, 57 Satz 2 InsO hat das Gericht die gewählte Person zum (vorläufigen) Sachwalter zu bestellen, sofern diese nicht ungeeignet zur Übernahme des Amts ist. 57 Rechtsmittel gegen die Nichtbestellung des vorgeschlagenen (vorläufigen) Sachwalters kommen nicht in Betracht; insbesondere sieht § 56a InsO – anders als zum Beispiel § 57 InsO (vgl. Satz 3 der Vorschrift) – eine sofortige Beschwerde gerade nicht vor.70) 4. Ablehnung des Eigenverwaltungsantrags 58 Liegen die Voraussetzung der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO nach der Prüfung des Insolvenzgerichts nicht vor, so lehnt das Insolvenzgericht den Eigenverwaltungsantrag ab. Die Ablehnung kann insoweit nach hier vertretener Auffassung sowohl in einem gesonderten Beschluss vor der Eröffnungsentscheidung erfolgen als auch im Eröffnungsbeschluss.71) Eine Nichtverbescheidung des Eigenverwaltungsantrags im Eröffnungsbeschluss ist indes ausgeschlossen, so dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unter zeitgleicher Bestellung eines Insolvenzverwalters eben als Ablehnung des Eigenverwaltungsantrags zu werten ist.

___________ 68) So auch Hofmann, NZI 2010, 798, 803. 69) Im Fall des einstimmigen Vorschlags des vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 56a Abs. 2 InsO genügt demnach eine „einfache“ Nichteignung der vorgeschlagenen Person; vgl. hierzu z. B. auch AG Stendal, Beschl. v. 31.8.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 1875. Demgegenüber erfordert die Ablehnung des vom Schuldner im Fall des Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b InsO vorgeschlagenen Sachwalters eine offensichtliche Nichteignung der vorgeschlagenen Person (vgl. § 270b Abs. 2 Satz 2 InsO). 70) Ebenso Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 25. 71) Anders Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 270 Rz. 18, die sich wohl für eine zwingende Ablehnung des Eigenverwaltungsantrags im Eröffnungsbeschluss ausspricht.

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I. Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 270 InsO

Eine Hinweispflicht des Gerichts auf eine beabsichtigte Ablehnung des Ei- 59 genverwaltungsantrags sieht § 270a Abs. 2 InsO für den Fall eines bei drohender Zahlungsunfähigkeit gestellten Eigenverwaltungsantrags vor. Darüber hinaus besteht m. E. auch in anderen Fällen immer dann eine richterliche Hinweispflicht gemäß § 4 InsO, § 139 ZPO, wenn das Insolvenzgericht die Ablehnung auf Sachverhalte stützen will, zu denen der Schuldner sich noch nicht äußern konnte.72) Gemäß § 270 Abs. 4 InsO hat das Insolvenzgericht die Ablehnung der bean- 60 tragten Eigenverwaltung zu begründen; die Begründung hat hierbei entsprechend § 27 Abs. 2 Nr. 5 InsO im Eröffnungsbeschluss zu erfolgen. Das Begründungserfordernis soll nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere der Vorbereitung einer späteren Entscheidung der Gläubigerversammlung gemäß § 271 InsO dienen, die autonom die vom Gericht angeführten Beweggründe bewerten darf.73) Inhalt und Umfang der vom Gericht mitzuteilenden Gründe haben sich letztlich an dieser Zielrichtung zu orientieren, so dass jedenfalls die tragenden Gründe in der Entscheidung anzugeben sind.74) Die Begründung ist gemäß § 30 Abs. 1 InsO mit dem Eröffnungsbeschluss öffentlich bekannt zu machen.75) 5. Rechtsbehelfe gegen die gerichtliche Entscheidung über den Eigenverwaltungsantrag Die InsO sieht Rechtsmittel gegen die gerichtliche Entscheidung über den Ei- 61 genverwaltungsantrag nicht vor. Mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung ist somit gemäß § 6 InsO insbesondere die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen die Ablehnung eines Eigenverwaltungsantrags unzulässig.76) Gleichermaßen nicht statthaft ist die sofortige Beschwerde eines (insolvenzantragstellenden) Gläubigers gegen die Anordnung der Eigenverwaltung.77) Zulässig ist demgegenüber nach zutreffender Auffassung die Gehörsrüge ge- 62 mäß § 321a ZPO (i. V. m. § 4 InsO), mit welcher die Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG gerügt werden kann.78) Da das Grundrecht auf rechtliches Gehör jedem Verfahrensbeteiligten zusteht, steht die Gehörsrüge im Fall der Ablehnung des Eigenverwaltungsantrags dem Schuldner und im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung auch einem ggf. ___________ Vgl. hierzu bereits Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 320 f. Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 80. Vgl. auch Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 81. AG Potsdam, Beschl. v. 13.12.2012 – 35 IN 748/12, ZIP 2013, 181, dazu EWiR 2013, 157 (Rendels/S. Körner). 76) BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 85/05, ZIP 2007, 394; Neußner, in: Kübler, HRI, § 9 Rz. 87; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 270 Rz. 20. 77) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 82; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 270 Rz. 20. 78) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 84 ff. m. w. N.; ebenso bereits Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, 2006, S. 324 f. 72) 73) 74) 75)

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

nicht hinreichend angehörten antragstellenden Gläubiger offen. Die Gehörsrüge, für die über § 4 InsO die verfahrensrechtlichen Vorschriften des § 321a ZPO gelten,79) führt indes nicht zu einer Überprüfung der insolvenzgerichtlichen Entscheidung durch eine höhere Instanz, sondern lediglich zu einer Nachholung des rechtlichen Gehörs. Hilft das Insolvenzgericht einer Gehörsrüge nicht ab, so verbleibt dem Rügeführer letztlich nur die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht.80) Praxistipp: Zur Vermeidung einer Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO bzw. ihres Erfolgs sollte der über einen Eigenverwaltungsantrag befindende Insolvenzrichter – nicht nur im Fall des § 270a Abs. 2 InsO – Bedenken gegen die Erfolgsaussichten eines Eigenverwaltungsantrags bereits vorab im Rahmen eines richterlichen Hinweises mitteilen. Im Fall eines Fremdantrags ist zudem zu empfehlen, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zu einem Eigenverwaltungsantrag des Schuldners zu geben. Hierdurch wird das verfassungsrechtlich gebotene Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG hinreichend gewahrt, so dass eine Gehörsrüge jedenfalls im Ergebnis nicht durchdringen kann.

II. Nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 271 InsO 63 Unterbleibt eine Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss, so sieht § 271 InsO die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung auf Antrag der Gläubigerversammlung vor. 1. Voraussetzungen der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung 64 Während die entsprechende Antragskompetenz vor Inkrafttreten des ESUG nur bei der ersten Gläubigerversammlung lag, steht das Antragsrecht seit 1.3.2012 jeder Gläubigerversammlung zu. Auf Antrag jeder Gläubigerversammlung ist gemäß § 271 InsO die Eigenverwaltung auch nachträglich anzuordnen. § 271 InsO n. F. sieht für den entsprechenden Antrag – wie beispielsweise auch bei der Wahl eines neuen Verwalters gemäß § 57 InsO – ein doppeltes Mehrheitserfordernis, d. h. sowohl die von § 76 Abs. 2 InsO geforderte Summenmehrheit der nach Forderungshöhe gewährten Stimmrechte wie auch die Kopfmehrheit der abstimmenden Gläubiger vor.81) Hierdurch gewährleistet § 271 InsO n. F. insbesondere, dass einzelne (Groß-)Gläubiger die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung nicht gegen den erklärten Willen und ggf. gegen die Interessen der restlichen Gläubiger herbeiführen können.82)

___________ 79) Vgl. hierzu im Einzelnen Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 86 ff. 80) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 88. 81) In den Fällen der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach dem SchVG wird in derartigen Fällen oftmals die Kopf- und Summenmehrheit in der Person des gemeinsamen Vertreters vereint sein. 82) Ebenso Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 92.

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II. Nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 271 InsO Praxistipp: Um tatsächlich die Willensbildung der Gläubigergemeinschaft zu fördern, sollten sowohl der Insolvenzverwalter wie auch der Schuldner bzw. sein Berater darauf hinwirken, dass in der Gläubigerversammlung, die ggf. über einen Antrag nach § 271 InsO entscheidet, eine ausreichende Zahl von Gläubigern – sowohl nach Forderungssumme, als auch nach Köpfen – vertreten ist. Eine solche angemessene Gläubigerbeteiligung an der Gläubigerversammlung kann insbesondere durch entsprechende Information der Gläubiger sowie ggf. durch Einsetzung eines Stimmrechtsvertreters herbeigeführt werden. Vgl. hierzu ausführlich Hofmann, in: Kübler, HRI, § 16 Rz. 15 ff.

Die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung kommt inzwischen – an- 65 ders als nach § 271 InsO a. F. – nicht mehr nur noch dann in Betracht, wenn der Schuldner bereits vor Verfahrenseröffnung einen – abgelehnten – Eigenverwaltungsantrag gestellt hatte; hierauf kommt es nach § 271 InsO n. F. nicht an. § 271 InsO n. F. verlangt vielmehr nunmehr die Zustimmung des Schuldners zur nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung. Das Zustimmungserfordernis dient insbesondere dem Schutz der Gläubiger 66 bzw. des Verfahrens davor, dass der Schuldner gegen seinen Willen in eine Eigenverwaltung gezwungen wird.83) Das Nichtfordern einer entsprechenden Zustimmung würde zu einer sinnlosen Anordnung führen, die unmittelbar auf Antrag des Schuldners gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO wieder aufzuheben wäre. Das Gericht hat die gemäß § 271 InsO erforderliche Zustimmung des Schuld- 67 ners – sofern diese nicht bereits in der Gläubigerversammlung erklärt wird oder schriftlich vorliegt – unverzüglich nach dem Antrag der Gläubigerversammlung einzuholen. Stimmt der Schuldner der Anordnung der Eigenverwaltung nicht zu, so hat das Gericht den Antrag der Gläubigersammlung abzulehnen. Praxistipp: Hat das Insolvenzgericht den Eigenverwaltungsantrag wegen zu erwartender Nachteile gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO abgelehnt und hält der Schuldner an seinem Vorhaben, das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung abzuwickeln, fest, so empfiehlt sich eine zügige Herbeiführung einer Beschlussfassung nach § 271 InsO. In derartigen Fällen sollte das Insolvenzgericht – insbesondere auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gläubigerautonomie – über eine frühzeitige Einberufung der Gläubigerversammlung von Amts wegen nachdenken.84) Der Schuldner kann – mangels Antragsrecht gemäß § 75 InsO – lediglich die Einberufung anregen. Unabhängig hiervon ist es Aufgabe des (vorläufigen) Gläubigerausschusses, gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Einberufung der Gläubigerversammlung zur Beschlussfassung über die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung zu beantragen. Zudem haben die in § 75 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4 InsO genannten Gläubiger bzw. Gläubigerquoren entsprechende Antragsrechte.

___________ 83) Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 98. 84) Zur Zulässigkeit der Einberufung von Amts wegen z. B. Graf-Schlicker-Castrup, InsO, § 74 Rz. 2; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 16 Rz. 7.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren Ziel einer frühzeitig durchgeführten Gläubigerversammlung sollte es sein, den weiteren Verfahrensfortgang durch Beseitigung der Unsicherheit über eine etwaige nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung zu fördern: x Entscheidet sich die Gläubigerversammlung gegen eine Eigenverwaltung, so wird der Insolvenzverwalter auch unter den Gläubigern, Mitarbeitern und sonstigen Verfahrensbeteiligten den nötigen Rückhalt für die Einleitung von Sanierungs- und/oder Verwertungshandlungen haben. x Stimmt die Gläubigerversammlung mit den in § 271 Abs. 1 InsO vorgesehenen Mehrheiten für eine nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung, so kann der Schuldner unter Aufsicht des Sachwalters im Interesse seiner Gläubiger frühzeitig mit der Vorbereitung bzw. Umsetzung seines Sanierungskonzepts beginnen.

2. Auswahl des zu bestellenden Sachwalters 68 Zeitgleich mit der (nachträglichen) Anordnung der Eigenverwaltung hat das Gericht gemäß § 270c InsO einen Sachwalter i. S. v. § 274 Abs. 1 InsO zu bestellen. Die InsO sieht im Fall der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 271 InsO keine besonderen Regelungen betreffend die Auswahl des zu bestellenden Sachwalters und zur Beteiligung der Gläubiger an der Auswahl des Sachwalters vor. 69 Die Gläubigerversammlung ist nach zutreffender Auffassung berechtigt, im Rahmen ihres Antrags nach § 271 InsO zugleich einen Vorschlag zur Person des Sachwalters zu machen.85) Die Berechtigung der Gläubigerversammlung, einen Sachwalter vorzuschlagen, ergibt sich letztlich aus einem Erst-RechtSchluss bzw. einer analogen Anwendung von §§ 274 Abs. 1, 57 Satz 1 InsO: Ist die auf die Anordnung der Eigenverwaltung und die Bestellung des Sachwalters folgende Gläubigerversammlung gemäß §§ 274 Abs. 1, 57 Satz 1 InsO zur Abwahl des vom Gericht bestellten Sachwalters berechtigt, so muss dieses Recht erst recht die bereits über die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung befindende Gläubigerversammlung haben. Analog § 57 Satz 1 InsO ist hierbei natürlich – wie bereits im Rahmen des Antrags gemäß § 271 InsO n. F. – das doppelte Mehrheitserfordernis zu beachten, so dass ein Vorschlag der Gläubigerversammlung mit der Summen- und Kopfmehrheit der abstimmenden Gläubiger beschlossen werden muss. Ist dies der Fall, so ist das Gericht – im Fall der Geeignetheit der vorgeschlagenen Person – analog §§ 274 Abs. 1, 57 Satz 1 InsO an den Vorschlag der Gläubigerversammlung gebunden.86) 70 Verzichtet die Gläubigerversammlung darauf, im Rahmen der Beschlussfassung gemäß § 271 InsO einen Vorschlag zur Person des Sachwalters zu machen, oder kommt der entsprechende Vorschlagsbeschluss nicht mit den erforderlichen Mehrheiten analog §§ 274 Abs. 1, 57 Satz 1 InsO zustande, so ent___________ 85) Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 271 Rz. 15, 39; Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 93. 86) Ebenso Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 96; so auch Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 271 Rz. 39.

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II. Nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 271 InsO

scheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen über die Person des gemäß § 270c InsO zu bestellenden Sachwalters. Der bisherige Insolvenzverwalter kann hierbei gemäß § 271 Satz 2 InsO zum Sachwalter bestellt werden. Eine Verpflichtung des Gerichts hierzu besteht jedoch nicht. In vielen Fällen erscheint indes – zur Vermeidung der Einarbeitung87) und zur Vermeidung von Brüchen im Rahmen der Verfahrensabwicklung und insbesondere einer Betriebsfortführung – die Bestellung des bisherigen Insolvenzverwalters zum Sachwalter empfehlenswert. 3. Verfahren Über die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung und die zeitgleich 71 erforderliche Bestellung eines Sachwalters entscheidet das Gericht durch Beschluss. Die funktionelle Zuständigkeit hierfür liegt gemäß § 18 RPflG beim Rechtspfleger, soweit sich der Richter das Verfahren nicht vorbehalten hat.88) Ist der Antrag der Gläubigerversammlung mit den in § 271 InsO vorgesehenen 72 Mehrheiten wirksam zustande gekommen und liegt die Zustimmung des Schuldners vor, so hat das Gericht die Eigenverwaltung anzuordnen. Ein Ermessen besteht hierbei nicht. Der Beschluss sollte dabei – in Anwendung des Rechtsgedankens des § 27 Abs. 2 Nr. 3 InsO – Datum und Stunde der Anordnung der Eigenverwaltung enthalten. Hierdurch können im Interesse der Rechtssicherheit Unklarheiten im Zusammenhang mit der Wirksamkeit von Rechtshandlungen des bisherigen Insolvenzverwalters einerseits bzw. des eigenverwaltenden Schuldners andererseits vermieden werden.89) § 273 InsO sieht die obligatorische öffentliche Bekanntmachung des Be- 73 schlusses über die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung vor; die Bekanntmachung erfolgt hierbei gemäß § 9 InsO über die Internetplattform www.insolvenzbekanntmachungen.de. Analog §§ 31 ff. InsO sind zudem öffentliche Register, in welche die Verfahrenseröffnung eingetragen wurde, entsprechend zu berichtigen.90) Eine gesonderte Zustellung des Anordnungsbeschlusses gemäß § 271 InsO 74 sieht das Gesetz nicht vor.91) Indes besteht naturgemäß ein Bedürfnis der Be___________ 87) Ähnlich Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 104 m. w. N. 88) Auch nach Inkrafttreten von § 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG n. F. am 1.1.2013 verbleibt es nach zutreffender Auffassung bei der funktionellen Zuständigkeit des Rechtspflegers, da § 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG eben ausschließlich das „Verfahren über einen Insolvenzplan“ betrifft; a. A. Flöther, in: Kübler, HRI, § 9 Rz. 105. Sofern die Vorlage eines Insolvenzplans bereits absehbar ist, wird indes natürlich in Betracht kommen, dass sich der Richter das gesamte Verfahren vorbehält, damit nicht ein ständiger Wechsel der funktionellen Zuständigkeit für das Verfahren zwischen Rechtspfleger und Richter erfolgt. 89) Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 271 Rz. 40. 90) Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 102 m. w. N. 91) Eine Zustellung des Beschlusses über die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung ist auch nicht in analoger Anwendung von § 30 Abs. 2 InsO angezeigt.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

teiligten daran, zu wissen, wer der für das Verfahren zuständige Ansprechpartner ist und wer die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis innehat. Daher werden in der Praxis sowohl der vormalige Insolvenzverwalter wie auch der Schuldner und der Sachwalter ein Interesse daran haben, die beteiligten Gläubiger und Drittschuldner über die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung in geeigneter Form zu informieren.92) 4. Rechtsfolgen der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung 75 Die Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters, die dieser bis zur Anordnung der Eigenverwaltung vornimmt, behalten auch nach der Anordnung gemäß § 271 InsO ihre Wirksamkeit.93) Dies gilt sowohl für Verfahrenshandlungen, wie z. B. eine bereits erfolgte Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO, als auch für sonstige Rechtshandlungen, z. B. die Verfügung über Schuldnervermögen oder die Begründung von Masseverbindlichkeiten. 76 Erst mit der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung verliert der bisherige Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, die zeitgleich auf den Schuldner übergeht. Praxistipp: Hat der Insolvenzverwalter bereits Verwertungsmaßnahmen eingeleitet, so sollte er diese nach Möglichkeit bereits mit der Beschlussfassung durch die Gläubigerversammlung gemäß § 271 InsO vorerst einstellen bzw. deren Fortgang mit dem Schuldner besprechen, um nicht in der Zeit zwischen der Gläubigerversammlung und der Anordnung der Eigenverwaltung durch gerichtlichen Beschluss vollendete Tatsachen zu schaffen. Hat das Insolvenzgericht einen Eigenverwaltungsantrag gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO abgelehnt und beabsichtigt der Schuldner weiterhin, das Verfahren in Eigenverwaltung – nach nachträglicher Anordnung gemäß § 271 InsO – abzuwickeln, so empfiehlt sich aus Sicht des Verfassers hinsichtlich des Vorgehens des Insolvenzverwalters bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung eine enge Abstimmung mit dem Schuldner. Insbesondere sollte der Insolvenzverwalter in diesem Fall Verwertungsmaßnahmen oder sonstige Maßnahmen, die nicht rückgängig zu machen sind, nur nach Beschlussfassung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses vornehmen und letztlich auch den Schuldner in die entsprechenden Maßnahmen mit einbinden. Andernfalls wäre ein Sanierungskonzept des Schuldners ggf. aufgrund vollendeter Tatsachen von vornherein zum Scheitern verurteilt, ohne dass die Gläubigerversammlung jemals Gelegenheit hatte, hierüber zu befinden. Eine derartige Verfahrensweise würde insbesondere dem in §§ 156 ff., 271 InsO zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Gläubigerautonomie zuwiderlaufen.

___________ 92) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 28. Lfg. 03/2007, § 273 Rz. 2, hält eine Zustellung für empfehlenswert, um die von der Zustellung ausgehenden Wirkungen der §§ 81, 82 InsO nicht erst mit der öffentlichen Bekanntmachung zu erlangen. Dieses Argument verfängt indes bereits unter praktischen Erwägungen nicht, da in der Regel gerade die öffentliche Bekanntmachung schneller erfolgen wird als die Zustellung des Beschlusses. 93) Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 105.

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II. Nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 271 InsO

Mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Schuld- 77 ner geht auch die Prozessführungsbefugnis für die Insolvenzmasse auf den Schuldner über. Ist im Zeitpunkt der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung ein Rechtsstreit nach wie vor gemäß § 240 ZPO oder entsprechender Vorschriften anderer Prozessordnungen wegen der Verfahrenseröffnung unterbrochen, so steht das Recht zur Aufnahme unterbrochener Rechtsstreite mit der Anordnung gemäß § 271 InsO nicht mehr dem Insolvenzverwalter, sondern dem Schuldner zu. Für die Aufnahme der nach wie vor unterbrochenen Rechtsstreite gelten die Vorschriften der §§ 85, 86 InsO bzw. des § 180 Abs. 2 InsO mit der Maßgabe, dass der verfügungsbefugte Schuldner an die Stelle des Insolvenzverwalters tritt. Hat der Insolvenzverwalter vor der Entscheidung gemäß § 271 InsO einen 78 Prozess bereits aufgenommen oder ggf. selbst für die Insolvenzmasse anhängig gemacht, so tritt mit Anordnung der Eigenverwaltung eine Unterbrechung des Rechtsstreits analog § 241 ZPO ein.94) Die Aufnahme des Rechtsstreits erfolgt in diesen Fällen analog § 241 Abs. 1 ZPO entweder durch die Anzeige der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung durch den Schuldner oder durch die Anzeige des Prozessgegners, das Verfahren fortzusetzen. 5. Rechtsmittel Ein Rechtsmittel gegen die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung 79 gemäß § 271 InsO zugunsten einzelner Gläubiger sieht die InsO nicht vor. Eine sofortige Beschwerde findet daher mangels gesetzlicher Zulassung gemäß § 6 Abs. 1 InsO nicht statt. Erfolgt die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung – was die Regel 80 darstellen dürfte – durch den Rechtspfleger, so ist indes die Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG zugelassen, welche eine Überprüfung der Entscheidung durch den Richter ermöglicht.95) Die Rechtspflegererinnerung ist dabei nach hier vertretener Auffassung auch im Fall der Entscheidung gemäß § 271 InsO statthaft.96) Insbesondere ist auch insoweit eine richterliche Überprüfung der Rechtspflegerentscheidung zur Wahrung der Verfahrensgrundrechte der Beteiligten angezeigt. Allerdings ist angesichts der gebundenen und nicht ermessensabhängigen Entscheidung gemäß § 271 InsO auch der Richter im Rahmen seiner Entscheidung über die Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG darauf beschränkt, zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der entsprechenden Anordnung vorgelegen haben.97) Die Prüfung beschränkt sich somit dar___________ 94) Ausführlich hierzu Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 141; im Ergebnis ebenso Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 106, der indes die Rechtsgrundlage offenlässt, sowie Schlegel, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 143, der sich für eine Analogie zu § 239 ZPO ausspricht. 95) Ebenso K. Schmidt/Undritz, InsO, § 271 Rz. 8; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 271 Rz. 8. 96) A. A. Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 108; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 271 Rz. 30, die eine Erinnerung im Fall der Entscheidung gemäß § 271 InsO für nicht zulässig erachten. 97) Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 271 Rz. 8.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

auf, ob ein mit den erforderlichen Mehrheiten und auch im Übrigen wirksam zustande gekommener Beschluss der Gläubigerversammlung sowie die wirksame Zustimmung des Schuldners i. S. v. § 271 InsO vorliegen. 81 Demgegenüber kommt ein Antrag nach § 78 InsO auf Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung nach hier vertretener Auffassung nicht in Betracht.98) Der mit Summen- und Kopfmehrheit gefasste Beschluss der Gläubigerversammlung gemäß § 271 InsO ist originäre und autonome Entscheidung der Gläubigerversammlung, so dass eine gerichtliche Überprüfung des Gläubigerermessens – wie beispielsweise auch im Fall der Abwahl des Insolvenzverwalters nach § 57 InsO99) oder der Beantragung der Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung100) – ausgeschlossen bleiben muss. Die Erwägungen der angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs greifen insoweit im Fall des § 271 InsO in gleicher Weise. Ein Minderheitenschutz einzelner Gläubiger gegen eine mehrheitlich getragene Eigenverwaltung kommt letztlich nicht mittels Antrags nach § 78 InsO, sondern vielmehr ausschließlich mittels eines Antrags auf Aufhebung der Eigenverwaltung nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Betracht. III. Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 272 InsO 82 Angesichts der Dynamik des Insolvenzverfahrens wird eine einmal angeordnete Eigenverwaltung in manchem Fall ihren Sinn verlieren bzw. ihren Zweck nicht mehr erfüllen können. Um diesen Fällen Rechnung zu tragen, sieht § 272 InsO die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung vor. 83 Die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung erfolgt in den genannten Fällen jeweils auf Antrag, während die InsO gerade keine Aufhebung von Amts wegen vorsieht, da andernfalls die – z. B. über § 270 Abs. 3 InsO oder über § 271 InsO getroffene – autonome Entscheidung der Gläubiger für eine Eigenverwaltung konterkariert würde. Vielmehr sieht § 272 Abs. 1 InsO die Aufhebung der Eigenverwaltung auf Antrag der Gläubigerversammlung, auf Antrag eines einzelnen Gläubigers sowie auf Antrag des Schuldners vor: 1. Aufhebung auf Antrag der Gläubigerversammlung (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO) 84 Als Ausdruck der Gläubigerautonomie gewährt § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Gläubigerversammlung das Recht, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen. § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist damit letztlich das Spiegelbild von § 271 InsO: Die Gläubiger sollen in jeder Gläubigerversammlung das Recht haben, eine autonome Entscheidung über die Art der Verfahrensabwicklung zu ___________ 98) A. A. Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rz. 109. 99) So bereits BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – IX ZB 530/02, ZIP 2003, 1613, sowie BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – IX ZB 128/03, ZIP 2004, 2341. 100) So auch BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 64/10, ZIP 2011, 2011, 1622, m. abl. Anm. Flöther/Gelbrich, ZIP 2011, 1624 ff.

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III. Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 272 InsO

treffen. Der entsprechende Beschluss der Gläubigerversammlung bedarf keiner Begründung; insbesondere bedarf es auch keines vorangegangenen Fehlverhaltens des Schuldners.101) Die Gläubigerversammlung kann vielmehr frei darüber entscheiden, ob sie dem Schuldner für die Zukunft ihr Misstrauen ausspricht.102) Während § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO a. F. einen Antrag auf Aufhebung der Ei- 85 genverwaltung noch mit der bloßen Forderungssummenmehrheit des § 76 Abs. 2 InsO zuließ, ist das Antragsrecht der Gläubigerversammlung seit Inkrafttreten des ESUG an das doppelte Mehrheitserfordernis der Summen- und Kopfmehrheit der abstimmenden Gläubiger geknüpft, wie dies auch in den Fällen der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung (§ 271 Satz 1 InsO) oder der Abwahl eines Insolvenzverwalters (§ 57 Satz 1 InsO) der Fall ist. Die zuvor kritisierte übermäßige Einflussnahme einzelner Großgläubiger ist hierdurch in der Regel ausgeschlossen, so dass – entsprechende Gläubigerbeteiligung an der Gläubigerversammlung vorausgesetzt – durchaus eine Willensbildung der Gläubigermehrheit möglich erscheint. Praxistipp: Zur Herstellung einer ausreichenden Gläubigerbeteiligung vgl. bereits den Praxistipp unter Rz. 67.

Eine Aufhebung des Antragsbeschlusses der Gläubigerversammlung über einen 86 Antrag nach § 78 InsO kommt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht in Betracht, da eine Überprüfung der autonomen Entscheidung der Gläubigerversammlung und insbesondere eine Überprüfung des freien Ermessens der Gläubigerversammlung nicht stattfindet.103) 2. Aufhebung auf Antrag eines Gläubigers (§ 272 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 InsO) Das Antragsrecht der Gläubigerversammlung gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO 87 wie auch die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 271 InsO sind Ausdruck der autonomen Entscheidungsbefugnis der Gläubigerversammlung über die Art der Verfahrensabwicklung. Eine Einschränkung erfährt die hierdurch gewährleistete Autonomie der Gläubigermehrheit dann, wenn die Entscheidung zu Nachteilen für einzelne Gläubiger führt. Für diesen Fall sieht § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO ausdrücklich die Möglichkeit der Aufhebung der Eigenverwaltung auf Antrag eines Gläubigers vor. a) Antragsrecht Antragsberechtigt i. S. v. § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist jeder Insolvenzgläubiger 88 und jeder absonderungsberechtigte Gläubiger. Die am Verfahren wirt___________ 101) Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 4. 102) Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 4. 103) BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 64/10, ZIP 2011, 2011, 1622; a. A. Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 6 ff., sowie bereits zuvor Flöther/Gelbrich, ZIP 2011, 1624 ff.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

schaftlich Beteiligten, zu deren Lasten ggf. die Verfahrensabwicklung in Eigenverwaltung gehen kann, sollen über § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO in bestimmten Fällen – unabhängig von den Möglichkeiten der Einflussnahme in der Gläubigerversammlung gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO – das Recht erhalten, unverzüglich einen Wechsel in ein Regelinsolvenzverfahren mit Insolvenzverwalter herbeizuführen. 89 Nach h. M. soll das Antragsrecht der Insolvenzgläubiger auf nicht nachrangige Insolvenzgläubiger beschränkt sein.104) Eine derartige Beschränkung des Antragsrechts auf nicht nachrangige Insolvenzgläubiger ist dem Gesetz indes m. E. weder von seinem Wortlaut noch von seiner Zielrichtung zu entnehmen. Vielmehr ist in jedem Einzelfall das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers zu prüfen. Auch ist zu berücksichtigen, dass § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO n. F. auch insoweit eine Einzelfallprüfung erfordert, dass – anders als vor Inkrafttreten des ESUG – gerade in der Person des Antragstellers „erhebliche Nachteile drohen“ müssen, was im Fall nachrangiger Gläubiger regelmäßig nicht der Fall sein wird. Unabhängig hiervon sind jedoch vom Grundsatz her auch nachrangige Insolvenzgläubiger im Rahmen des § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO als antragsberechtigt zu betrachten. 90 Hat der Sachwalter im Verfahren gemäß §§ 208, 285 InsO die Masseunzulänglichkeit angezeigt, so dient die weitere Verfahrensabwicklung – gleich, ob in der Eigenverwaltung oder in der Regelinsolvenz – vorrangig der Befriedigung der Massegläubiger. Das Antragsrecht der wirtschaftlich in vielen Fällen nicht mehr betroffenen Insolvenzgläubiger gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO geht in diesen Fällen – gerade unter Berücksichtigung der Einschränkung des Antragsrechts auf Fälle in der Person des Antragsstellers drohender Nachteile durch § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO n. F. – ins Leere. Gleichwohl liegt die Notwendigkeit auf der Hand, die Nachteilhaftigkeit einer Eigenverwaltung im Gläubigerinteresse zu überprüfen. Im Masseunzulänglichkeitsfall ist daher ein Antragsrecht von Massegläubigern analog § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO anzuerkennen.105) Die Massegläubiger treten – wie auch § 210a InsO n. F. zeigt – nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit wirtschaftlich an die Stelle der Insolvenzgläubiger; das Verfahren dient letztlich gemäß §§ 208 ff. InsO der gemeinschaftlichen Befriedigung der Alt-Massegläubiger; ihnen müssen daher auch die entsprechenden Verfahrensrechte zuerkannt werden, um eine für sie nachteilige Eigenverwaltung zu beenden. 91 Die zur Antragstellung berechtigende Gläubigerstellung hat in allen Fällen des § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Aufhebungsantrag vorzuliegen und muss in diesem Zeitpunkt zur Überzeugung des Gerichts feststehen. ___________ 104) In diesem Sinne Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 48. Lfg. 04/2012, § 272 Rz. 21; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 22; Haas, in: Gottwald, InsR-Hdb., § 89 Rz. 4; ebenso Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 9. 105) Ebenso Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 16; offengelassen von Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 150.

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III. Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 272 InsO

b) Materielle Voraussetzungen Gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO setzt der Antrag eines einzelnen Gläubigers 92 inhaltlich den Wegfall der Voraussetzungen der gerichtlichen Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO und das Drohen erheblicher Nachteile für den Antragsteller selbst voraus. Über den Wortlaut des § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO hinaus muss ein Aufhebungs- 93 antrag nach dieser Vorschrift auch dann möglich sein, wenn die Voraussetzungen des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO nicht im Verfahrensverlauf weggefallen sind, sondern bereits bei Verfahrenseröffnung nicht vorgelegen haben.106) Die vom Gericht im Rahmen der Prüfung des Antrags erneut durchzuführende 94 Prognose gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO orientiert sich an denselben Maßstäben wie diejenige im Rahmen der Eröffnungsentscheidung (vgl. hierzu Rz. 12 ff.). Ist der Antrag des Gläubigers gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 InsO zulässig (hierzu sogleich), so greift die Amtsermittlung gemäß § 5 InsO. c) Antragstellung, Glaubhaftmachung, Verfahrensbesonderheiten Der Antrag ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu stellen. 95 Auch eine Antragstellung im Verlauf einer Gläubigerversammlung ist nach h. M. zulässig; insbesondere lässt sich § 272 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 InsO kein Rangverhältnis zwischen den Antragsrechten der Gläubigerversammlung und einzelner Gläubiger entnehmen, so dass die Möglichkeit des Antrags der Gläubigerversammlung gerade nicht Anträge einzelner Gläubiger ausschließt.107) Der Antrag ist gemäß § 272 Abs. 2 Satz 1 InsO nur dann zulässig, wenn die 96 Glaubhaftmachung der materiellen Voraussetzungen des Antrags erfolgt. Der Antragsteller hat somit sowohl den Wegfall bzw. das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO wie auch die für ihn selbst drohenden erheblichen Nachteile durch präsente Beweismittel glaubhaft zu machen. Gemäß § 272 Abs. 2 Satz 2 InsO hat vor einer Entscheidung des Gerichts eine 97 Anhörung des Schuldners zu erfolgen. Dem Schuldner muss hierbei Gelegenheit gegeben werden, die vom Gläubiger vorgetragenen Nachteile zu entkräften. Auch der Sachwalter sollte zur Vorbereitung der Entscheidung des Gerichts um Stellungnahme gebeten werden, da dieser in der Regel eine neutrale Einschätzung unter Nutzung fundierter Sachverhaltskenntnis abgeben kann.108) 3. Aufhebung auf Antrag des Schuldners (§ 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO) Offensichtlich ihren Sinn verloren hat eine Eigenverwaltung dann, wenn der 98 Schuldner bzw. dessen Vertretungsorgane zur Erfüllung der hiermit verbun___________ 106) Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 12. 107) Ebenso Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 13. 108) Ähnlich Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 14.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

denen Aufgaben nicht mehr bereit oder in der Lage sind. Der Schuldner soll – auch im Fall ursprünglicher Bereitschaft zur Verfahrensabwicklung in Eigenverwaltung – an der Eigenverwaltung nicht gegen seinen Willen festgehalten werden; dies würde letztlich ausschließlich zum Nachteil der Gläubiger gereichen. Für diese Fälle sieht § 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO vor, dass die Eigenverwaltung auch auf Antrag des Schuldners aufzuheben ist. 99 Konkret wird der Antrag des Schuldners auf Aufhebung der Eigenverwaltung beispielsweise dann in Betracht kommen, wenn der Schuldner mit den von den Gläubigern vorgegebenen Verfahrenszielen oder anderen Entscheidungen der Gläubigerorgane nicht einverstanden ist, wenn ihn die Abwicklung der Eigenverwaltung überfordert oder wenn er – im Fall eines angestrebten Insolvenzplans – letztlich zur Erbringung der hierzu erforderlichen finanziellen Mittel nicht in der Lage ist.109) 100 Bei juristischen Personen und Personengesellschaften erfordert die Antragstellung wie jede Verfahrenshandlung die Vertretungsbefugnis des oder der Antragsteller. Insbesondere in Fällen der Kollektivvertretung ist daher die gemeinsame Antragstellung durch die entsprechende Anzahl an Vorständen oder Geschäftsführern erforderlich.110) Weisungen von Gesellschafter- oder Aufsichtsorganen haben seit Inkrafttreten des ESUG gemäß § 276a Satz 1 InsO im Eigenverwaltungsverfahren keine Bindungswirkung mehr; der Auftrag der Gesellschafter an ein Vertretungsorgan, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen, muss daher von diesem nicht beachtet werden.111) 4. Verfahren 101 Über die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung nach § 272 InsO entscheidet das Gericht durch Beschluss. Funktionell zuständig ist gemäß § 18 RPflG regelmäßig der Rechtspfleger. 102 Eine vorherige Anhörung des Gläubigerausschusses, der Gläubigerversammlung, des Schuldners oder des Sachwalters ist – abgesehen von der Anhörung des Schuldners gemäß § 272 Abs. 2 Satz 2 InsO – nicht vorgesehen. In den Fällen der §§ 272 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 InsO erscheinen entsprechende Anhörungen von vornherein nicht sinnhaft, da das Gericht an die entsprechenden Anträge der Gläubigerversammlung bzw. des Schuldners gebunden ist, ohne dass auch nur ein tatbestandlicher Einschätzungsspielraum bestünde. Im Fall des Antrags eines einzelnen Gläubigers nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist indes der Schuldner gemäß § 272 Abs. 2 Satz 2 InsO obligatorisch anzuhören; auch eine Anhörung des Sachwalters erscheint insoweit zweckmäßig.112) ___________ 109) Vgl. hierzu auch Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 17. 110) Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 39; Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 18; die Befugnis einzelner Vertretungsorganmitglieder zur Insolvenzantragstellung gemäß § 15 InsO hat hierbei gerade keine Auswirkung, da diese mit der strafbewehrten Insolvenzantragspflicht jedes einzelnen Organmitglieds gemäß § 15a InsO korreliert. 111) Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 19. 112) Vgl. hierzu bereits oben Rz. 97.

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III. Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 272 InsO

Der Inhalt des Aufhebungsbeschlusses hat sich an den mit der Aufhebung 103 verbundenen Rechtsfolgen zu orientieren, insbesondere am Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen Insolvenzverwalter. Im Einzelnen hat der Beschluss daher folgende Anordnungen zu enthalten: Das Gericht muss in dem Beschluss denknotwendig einen Insolvenzverwalter 104 bestellen. Dies kann gemäß § 272 Abs. 3 InsO der bisherige Sachwalter sein. Sofern die Aufhebung auf Antrag der Gläubigerversammlung gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfolgt, hat das Gericht einen Vorschlag der Gläubigerversammlung – wie auch im Fall des § 271 InsO – entsprechend zu berücksichtigen, sofern dieser mit den in § 57 InsO vorgesehenen Mehrheiten zustande gekommen ist.113) Wie im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder auch im Fall der 105 nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung sollte der Aufhebungsbeschluss gemäß § 272 InsO – in Anwendung des Rechtsgedankens des § 27 Abs. 2 Nr. 3 InsO – Datum und Stunde der Aufhebung der Eigenverwaltung benennen.114) Das Gericht kann hierbei den Zeitpunkt der Aufhebung gemäß § 272 InsO auch in die Zukunft legen, sofern dies im Fall der Aufhebung auf Antrag des Schuldners (§ 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO) vom Schuldner bzw. im Fall der Aufhebung auf Antrag der Gläubigerversammlung (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO) von der Gläubigerversammlung entsprechend beantragt wird. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Schuldner bzw. die Gläubigerversammlung sowohl das „Ob“ als auch das „Wie lange“ einer angeordneten Eigenverwaltung in ihrer autonomen Entscheidungskompetenz haben sollen. Es muss daher sowohl dem Schuldner wie auch der Gläubigerversammlung möglich sein, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu einem bestimmten (künftigen) Zeitpunkt herbeizuführen. Im Fall der Aufhebung auf Antrag eines einzelnen Gläubigers wegen festgestellter Nachteile der Eigenverwaltung gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO besteht diese Möglichkeit unter teleologischen Gesichtspunkten freilich nicht. Praxistipp: Ein praktisches Bedürfnis für eine Aufhebung der Eigenverwaltung zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt besteht insbesondere in Fällen, in denen das Verfahren nur bis zu einer übertragenden Sanierung oder bis zu einer Einstellung des Geschäftsbetriebs in Eigenverwaltung abgewickelt werden soll. Zudem kann ein entsprechendes Bedürfnis aus Gründen der besseren Abgrenzbarkeit der Verantwortlichkeitszeiträume bestehen.

Zudem hat der Aufhebungsbeschluss zwingend die in § 28 Abs. 3 InsO für 106 den Eröffnungsbeschluss vorgesehene Aufforderung an die Drittschuldner ___________ 113) Vgl. hierzu bereits oben Rz. 69 f.; die dort gemachten Ausführungen geltend gleichermaßen im Fall des § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO; ebenso: Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 26; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 63. 114) Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 22 m. w. N.; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 49.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

des Schuldners zu enthalten, die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter gleichzeitiger Anordnung der Eigenverwaltung zunächst unterblieben war.115) Die entsprechende Aufforderung an die Drittschuldner, nur noch an den Insolvenzverwalter zu leisten, erweist sich insoweit zum Schutz der Insolvenzmasse als notwendig.116) Nicht notwendig, aber unter klarstellenden Gesichtspunkten denkbar erscheint es, auch die gemäß § 28 Abs. 1, Abs. 2 InsO vorgesehenen Aufforderungen an Gläubiger und Sicherungsrechtsinhaber in den Aufhebungsbeschluss aufzunehmen. Soweit die im Eröffnungsbeschluss bestimmte Forderungsanmeldungsfrist bereits abgelaufen ist, sollte hierauf klarstellend hingewiesen werden; im Übrigen hat die Aufhebung der Eigenverwaltung auf den Lauf der im Eröffnungsbeschluss bestimmten Fristen keine Auswirkung. 107 Die von § 273 InsO vorgesehene öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses über die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung erfolgt gemäß § 9 InsO im Internet. Zudem hat das Gericht die Eintragung der von der Aufhebung der Anordnung ausgehenden Verfügungsbeschränkungen analog §§ 31 ff. InsO in öffentliche Register, insbesondere in das Grundbuch, zu veranlassen.117) 108 Eine gesonderte Zustellung des Aufhebungsbeschlusses gemäß § 272 InsO sieht das Gesetz nicht ausdrücklich vor. Angesichts der Auswirkungen auf die Verfügungsbefugnis und auch die Einziehungsbefugnis hinsichtlich der Forderungen des Schuldners erscheint eine Zustellung des Aufhebungsbeschlusses an die Drittschuldner analog § 30 Abs. 2 InsO zwingend angezeigt, da den Drittschuldnern zuvor angesichts der Eigenverwaltung der Eröffnungsbeschluss gerade noch nicht zuzustellen war. Mit den Zustellungen sollte in diesem Fall regelmäßig der Insolvenzverwalter beauftragt werden. Auch hinsichtlich der Gläubiger empfiehlt sich ggf. eine Information durch den Insolvenzverwalter über die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung; dies gilt natürlich erst recht in Fällen, in denen zugleich eine andere Person als der bisherige Sachwalter zum Insolvenzverwalter bestellt wird. Auch eine Zustellung an den Schuldner erscheint analog § 30 Abs. 2 InsO angesichts des Verlusts der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis angezeigt,118) wobei diese regelmäßig durch das Insolvenzgericht erfolgen wird. 5. Rechtsfolgen der Aufhebung 109 Rechtsfolge der Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung ist der Übergang in das Regelinsolvenzverfahren. Wie sich auch aus § 272 Abs. 3 InsO ergibt, ist daher im Fall der Aufhebung zugleich ein Insolvenzverwalter zu bestellen, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergeht. ___________ 115) 116) 117) 118)

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So auch Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 51. Ebenso Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 51. Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 23; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 49. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 48. Lfg., 04/2012, § 272 Rz. 33; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 53; Haas, in: Gottwald, InsR-Hdb, § 89 Rz. 11.

III. Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 272 InsO

Bis zur Aufhebung der Eigenverwaltung vom Schuldner vorgenommene 110 Rechtshandlungen wirken zugunsten bzw. zulasten der Insolvenzmasse. Dies gilt auch für vom Schuldner ausgeübte Wahlrechte und Sonderkündigungsrechte gemäß §§ 103 ff. InsO.119) Vom Schuldner insoweit begründete Masseverbindlichkeiten hat der Insolvenzverwalter gemäß §§ 53, 55 InsO bzw. im Fall der Masseunzulänglichkeit in der Rangfolge des § 209 InsO zu befriedigen. Eine persönliche Haftung gemäß § 61 InsO kann den Verwalter insoweit – abgesehen von Fällen, in denen er als ehemaliger Sachwalter gemäß §§ 277, 61 InsO haftet – nicht treffen.120) Auch vom Schuldner gemäß §§ 279, 103 ff. InsO abgegebene Erklärungen binden den Insolvenzverwalter. Hat der Schuldner vor der Aufhebung der Eigenverwaltung einen mit Ver- 111 fahrenseröffnung unterbrochenen Prozess aufgenommen oder ggf. selbst für die Insolvenzmasse anhängig gemacht, so tritt nach hier vertretener Auffassung mit Aufhebung der Eigenverwaltung eine Unterbrechung des Rechtsstreits analog § 241 ZPO ein.121) Die Unterbrechung ist angesichts der Vergleichbarkeit mit anderen Fällen des Wechsels in der Person des Prozessführungsbefugten notwendig, um dem nunmehr prozessführungsbefugten Insolvenzverwalter – jedenfalls für einen kurzen Zeitraum – Gelegenheit zur Einarbeitung in den Prozessstand zu geben und den Lauf prozessualer Fristen zu unterbrechen. Die Unterbrechung erfolgt hierbei analog § 241 ZPO, da der Übergang der Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis im Fall des § 272 InsO – wie auch im spiegelbildlichen Fall des § 271 InsO122) oder im Fall der Bestellung eines neuen Insolvenzverwalters123) – am ehesten mit dem in § 241 ZPO geregelten Wegfall des gesetzlichen Vertreters im laufenden Rechtsstreit vergleichbar ist. Eine von einer a. A.124) vertretene Unterbrechung analog § 240 ZPO würde indes zu dem unangemessenen Ergebnis führen, dass der Prozessgegner in Fällen von Aktivrechtsstreiten keine Möglichkeit der Aufnahme des Prozesses gegen die Insolvenzmasse hätte, sofern auch § 85 Abs. 2 InsO analoge Anwendung fände; dies stünde indes in krassem Widerspruch zur fortbestehenden Wirksamkeit der Prozesshandlungen des Schuldners aus dem Zeitraum der Eigenverwaltung, die gerade auch der Insolvenzverwalter gegen sich gelten lassen muss.

___________ 119) Fiebig, in: HambK-InsO, § 272 Rz. 17; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 67. 120) Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 27; Fiebig, in: HambK-InsO, § 272 Rz. 17. 121) Im Ergebnis ähnlich Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 49, die für eine analoge Anwendung von § 239 ZPO plädiert, sowie – mit nennenswerten Unterschieden im Hinblick auf die Aufnahmebefugnis des Prozessgegners – Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 27, der eine Unterbrechung analog § 240 ZPO für sachgerecht hält; a. A. Kübler/ Prütting/Bork-Pape, InsO, § 272 Rz. 39, der sich gegen eine Unterbrechung anhängiger Rechtsstreite im Fall der Aufhebung der Eigenverwaltung ausspricht. 122) Hierzu oben Rz. 77 f. 123) Vgl. z. B. Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 57 Rz. 40. 124) Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 27.

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B. Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

112 Die Aufnahme des Rechtsstreits erfolgt daher im Fall der Aufhebung der Eigenverwaltung analog § 241 Abs. 1 ZPO entweder durch die Anzeige des Übergangs der Prozessführungsbefugnis durch den Insolvenzverwalter oder durch die Anzeige des Prozessgegners, das Verfahren fortzusetzen. 113 Ist ein mit Verfahrenseröffnung gemäß § 240 ZPO unterbrochener Rechtsstreit im Zeitpunkt der Aufhebung der Eigenverwaltung noch nicht aufgenommen, so steht das Recht zur Aufnahme gemäß §§ 85, 86 InsO dem Insolvenzverwalter zu.125) 6. Rechtsmittel 114 Im Fall der Aufhebung der Eigenverwaltung auf Antrag eines einzelnen Gläubigers sieht § 272 Abs. 2 Satz 3 InsO zugunsten des antragstellenden Gläubigers bzw. zugunsten des Schuldners die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde vor. Im Rahmen der sofortigen Beschwerde hat das Beschwerdegericht insbesondere auch die insolvenzrichterlichen Einschätzungen zur Frage des Drohens von Nachteilen für die Gläubiger im Allgemeinen (vgl. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO) und für den Antragsteller im Konkreten (vgl. § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO a. E.) zu überprüfen. 115 In den Fällen der Aufhebung der Eigenverwaltung auf Antrag der Gläubigerversammlung (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO) sowie auf Antrag des Schuldners (§ 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO) findet eine sofortige Beschwerde indes – mangels gesetzlicher Zulassung – gemäß § 6 Abs. 1 InsO nicht statt. In diesen Fällen kommt – sofern der Rechtspfleger die Entscheidung getroffen hat – lediglich die Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG in Betracht.126) 116 Im Übrigen kommt seit Inkrafttreten des ESUG auch nach Aufhebung der Eigenverwaltung auf Antrag der Gläubigerversammlung eine erneute Anordnung der Eigenverwaltung nach § 271 InsO in Betracht, da diese nicht mehr nur durch die erste Gläubigerversammlung beantragt werden kann (vgl. § 271 InsO a. F.). Indes dürfte dies – auch im Hinblick auf die Transparenz und Kontinuität der Verfahrensabwicklung – in kaum einem Fall sinnvoll erscheinen.

___________ 125) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 48. Lfg., 04/2012, § 272 Rz. 39. 126) So auch K. Schmidt-Undritz, InsO, § 272 Rz. 10; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 272 Rz. 7; a. A.: Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 48. Lfg., 04/2012, § 272 Rz. 34; Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rz. 29. Die a. A. kann insoweit nicht überzeugen, da – trotz gebundener Entscheidung – eine Überprüfung der Entscheidung dahingehend möglich sein muss, ob die Voraussetzungen – insbesondere auch in formeller Hinsicht – vorlagen. Vgl. hierzu bereits (zur korrespondierenden Fragestellung bei § 271 InsO) Rz. 80.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren Wesentliches Charakteristikum der Eigenverwaltung ist der Verzicht auf einen 117 Insolvenzverwalter und zugleich der Verbleib der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim insolventen Unternehmen. Dies ergibt sich unmittelbar aus §§ 270 Abs. 1, 270c InsO. Nach § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO gelten für das Insolvenzverfahren im Übrigen jedoch die allgemeinen Vorschriften der InsO, soweit die §§ 270 – 285 InsO nichts anderes bestimmen. Im Rahmen der Anwendung der allgemeinen Vorschriften der InsO ist in- 118 des stets zu beachten, dass für jede allgemeine Regelung zu klären ist, ob im Hinblick auf bestimmte Aufgaben, Pflichten oder Befugnisse des Insolvenzverwalters im Eigenverwaltungsverfahren an dessen Stelle der gerichtlich bestellte Sachwalter oder aber der eigenverwaltende Schuldner treten. Da die Aufgabenverteilung zwischen Schuldner und Sachwalter im Rahmen der Eigenverwaltung dem Sachwalter gerade eine Aufsichtsfunktion ohne nennenswerte Befugnisse im Verhältnis zu Dritten zuweist, wird in der Regel das insolvente Unternehmen die entsprechenden Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters wahrzunehmen haben. I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners Die Eigenverwaltung ist von der starken Stellung des Schuldners geprägt, der – 119 soweit die §§ 270 ff. InsO keine Sonderregelung vorhalten – Aufgaben und Rechte des Insolvenzverwalters auszuüben hat. Dies stellt an den Schuldner bzw. an dessen Geschäftsführung erhebliche Anforderungen, was Gerichte und Gläubigerorgane letztlich auch im Rahmen ihrer Entscheidungen berücksichtigen werden. 1. Grundlage der Verfügungsmacht des eigenverwaltenden Schuldners Sofern sich nicht aus §§ 270 ff. InsO ausdrücklich etwas anderes ergibt, erfüllt 120 der Schuldner im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung grundsätzlich sämtliche Aufgaben, die im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter obliegen.127) Nach zutreffender h. M. ist Grundlage der trotz Eröffnung des Insolvenz- 121 verfahrens bestehenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners die gerichtliche Anordnung der Eigenverwaltung.128) Diese führt zur Übertragung der Verfügungsmacht auf den Schuldner, der ___________ 127) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 48. Lfg., 04/2012, § 270 Rz. 1 f.; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 147. 128) Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 149; Vill, ZInsO 2015, 2245, 2248; Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 6; Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 48 ff. m. w. N. (auch zur a. A.).

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

im Eigenverwaltungsverfahren als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten tätig ist. Mit der von der a. A.129) vertretenen fortdauernden privatautonomen Verfügungsbefugnis des Schuldners könnten demgegenüber dessen insolvenzspezifische Befugnisse oder die Einschränkung nicht begründet werden.130) 122 Jegliche bisherige Zweckrichtung des schuldnerischen Handelns wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung durch die insolvenzrechtliche Pflichtenbindung des eigenverwaltenden Schuldners überlagert.131) Insbesondere ersetzt insoweit der Insolvenzzweck der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung gemäß § 1 Satz 1 InsO auch den bisherigen Zweck werbender Gesellschaften.132) 2. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, einschließlich Geschäftsführungs-/Betriebsfortführungsbefugnis 123 Dementsprechend führt die Anordnung der Eigenverwaltung ausgehend von § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO zwangsläufig zur Nichtanwendung von § 80 InsO: Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse übt im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung – gleich, ob nach § 270 InsO oder nach § 271 InsO – der Schuldner aus. Ein Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf eine gerichtlich bestellte Amtsperson findet gerade nicht statt. a) Verwaltung der Insolvenzmasse 124 Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 148 Abs. 1 InsO zur Inbesitznahme und Verwaltung des zur Insolvenzmasse gehörigen Vermögens verpflichtet. Diese Aufgabe obliegt im Fall der Eigenverwaltung dem Schuldner, wobei eine Inbesitznahme freilich nicht nötig sein wird. 125 Eine Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag in das sog. insolvenzfreie Vermögen ist im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung nicht denkbar.133) Zwar spricht die Anwendung der allgemeinen Vorschriften der InsO im Grundsatz für die Zulässigkeit einer Freigabe von Massegegenständen aus dem Insolvenzbeschlag.134) Indes erscheint bereits aus dogmatischen Gründen eine Freigabe durch den Schuldner an sich selbst nicht denkbar. Bei der Freigabe in der Re___________ 129) Vgl. hierzu die Nachweise bei Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 48 ff. 130) Ebenso Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 7 f.; Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 49 f. 131) Frind, ZInsO 2015, 22, 23; ebenso beschränkt auf das eröffnete Verfahren Buchalik/ Kraus, ZInsO 2014, 2354, 2356, die indes eine insolvenzrechtliche Pflichtenbindung des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwaltung wohl ablehnen; vgl. hierzu Rz. 345. 132) Bilgery, ZInsO 2014, 1694, 1697. 133) Ebenso Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 44. Lfg., 05/2011, § 283 Rz. 9 f.; Rattunde/ Stark, Sachwalter, Rz. 154 f.; anders Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 186, sowie Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 90. 134) So insbesondere auch Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 90.

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I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

gelinsolvenz handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die der Insolvenzverwalter gegenüber dem Schuldner bzw. dessen gesetzlichen Vertreter abzugeben hat.135) Die Abgabe einer entsprechenden Erklärung des eigenverwaltenden Schuldners gegenüber sich selbst scheidet indes denknotwendig von vornherein aus. Angesichts der nicht bestehenden Formerfordernissse an die Freigabeerklärung und vor dem Hintergrund auch mündlich oder konkludent zulässiger Erklärungen ist letztlich auch aus Gründen der fehlenden Rechtsklarheit und Transparenz der Massezugehörigkeit entsprechenden Vermögens eine Freigabe während der Dauer der Anordnung der Eigenverwaltung nicht zuzulassen. Die Unzulässigkeit der Freigabe in der Eigenverwaltung führt indes – an- 126 ders als noch in der Erstauflage vertreten136) – nicht dazu, dass Belastungen der Insolvenzmasse mit Masseverbindlichkeiten nicht vermeidbar sind oder gar dass in bestimmten Konstellationen eine Eigenverwaltung als für die Gläubiger nachteilig gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO ausscheidet bzw. ggf. die Anordnung der Eigenverwaltung in entsprechenden Fällen gemäß § 272 InsO aufzuheben ist. Insoweit steht dem Schuldner nämlich unabhängig von der Unzulässigkeit einer Freigabe die Möglichkeit der Eigentumsaufgabe im Wege der sog. Dereliktion zu. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Freigabe durch den Insolvenzverwalter regelmäßig darauf abzielt, Belastungen der Insolvenzmasse durch bestimmte Masseverbindlichkeiten zu vermeiden, die gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO aus dem Besitz oder aus der Verwaltung des Gegenstandes entstehen. Dies gilt zum Beispiel für die Vermeidung einer Inanspruchnahme als Zustands- oder Verhaltensstörer im Fall von Altlasten oder auch für die Vermeidung des Auflaufens weiterer Grundstückslasten, zum Beispiel Grundsteuer, im Fall wertausschöpfend belasteter Immobilien. Diese auch im Fall der Eigenverwaltung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zulasten der Insolvenzmasse gehende Verpflichtung folgt letztlich aus dem Eigentum bzw. dem Besitz an bestimmten Gegenständen, so dass bei Aufgabe des Eigentums die entsprechende Massebelastung – gleichermaßen wie im Regelinsolvenzverfahren durch Freigabe – endet. Die Aufgabe des Eigentums an Grundstücken richtet sich nach § 928 BGB, so dass die Aufgabe des Eigentums den Verzicht gegenüber dem Grundbuchamt und die Eintragung in das Grundbuch voraussetzt. Die Aufgabe des Eigentums an beweglichen Sachen richtet sich nach § 959 BGB, so dass hierzu die Aufgabe des Besitzes und die Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, erforderlich sind. b) Betriebsfortführung Im Rahmen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis obliegt dem Schuldner 127 auch die Fortführung seines Unternehmens. Gerade in Fällen, in denen mithil___________ 135) Lwowski/Peters, in: MünchKomm-InsO, § 35 Rz. 100 m. w. N.; Kübler/Prütting/ Bork-Holzer, InsO, 29. Lfg. 07/2007, § 35 Rz. 27 m. w. N. 136) Hofmann, Eigenverwaltung, 1. Aufl., 2014, Rz. 123.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

fe von Eigenverwaltung und Insolvenzplan das Unternehmen und der Rechtsträger erhalten werden sollen, steht die Betriebsfortführung im Zentrum des Verfahrens. Die laufende Geschäftsführung ist damit auch Kern der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners in der Eigenverwaltung. 128 Wie dem Insolvenzverwalter in der Regelinsolvenz obliegt es dem Schuldner bei angeordneter Eigenverwaltung, den Geschäftsbetrieb bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung über den Verfahrensfortgang im Berichtstermin gemäß § 157 InsO fortzuführen. 129 Der Schuldner hat hierbei die Fragen des Ob und des Wie der Betriebsfortführung ausschließlich an den Interessen der Insolvenzgläubiger auszurichten.137) Für ihn gilt insoweit nichts anderes als für einen Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren. Sollte die Fortführung des Betriebs dauerhaft die Gläubigerbefriedigung gefährden, so ist er ggf. auch zur Betriebseinstellung verpflichtet. Auch die Befugnis zur Betriebseinstellung ist letztlich von der in § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO normierten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners umfasst.138) 130 Will der Schuldner seinen Geschäftsbetrieb aus Gründen des Schutzes der Insolvenzmasse vor entsprechenden Risiken oder Belastungen oder aus anderen Gründen vor der Entscheidung der Gläubigerversammlung gemäß § 157 InsO – ggf. teilweise – einstellen oder im Rahmen einer übertragenden Sanierung veräußern, so hat er hierzu zum einen die Zustimmung des Sachwalters gemäß § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO, zum anderen auch die Zustimmung eines etwaig bestellten Gläubigerausschusses gemäß § 158 Abs. 1 InsO einzuholen. 131 Im Rahmen der Betriebsfortführung hat der eigenverwaltende Schuldner die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu beachten.139) Dies beinhaltet insbesondere140) x

die Einhaltung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften,

x

die ordnungsgemäße Dokumentation geschlossener Verträge (in der Regel durch schriftliche Vertragsschlüsse),

x

das Betreiben und die Überwachung des Forderungseinzugs,

x

die Absicherung gegen bestehende Risiken, insbesondere durch Abschluss entsprechender Versicherungen.141)

132 Zu Einzelfragen der Betriebsfortführung und insbesondere zur praktischen Abstimmung der Zusammenarbeit zwischen insolventem Unternehmen, des___________ 137) 138) 139) 140) 141)

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Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 19. Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 19. Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 20. Vgl. hierzu ausführlicher Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 20. Hierzu auch Bierbach, in: HRI, § 11 Rz. 88.

I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

sen Beratern und dem Sachwalter: vgl. die entsprechende Darstellung unter F. (Rz. 439 ff.). c) Begründung von Masseverbindlichkeiten Unmittelbare Folge der dem Schuldner zustehenden Verwaltungs- und Ver- 133 fügungsbefugnis ist, dass der Schuldner durch sein Handeln – wie ein Insolvenzverwalter im Regelverfahren – die Insolvenzmasse verpflichtet und somit Masseverbindlichkeiten begründet. Die Vorschrift des § 55 Abs. 1 InsO ist insoweit auf den eigenverwaltenden Schuldner im Rahmen der von § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO normierten Geltung der allgemeinen Vorschriften anzuwenden.142) Handlungen des Schuldners begründen damit entsprechend § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten. Hierbei ist zu beachten, dass der Schuldner gerade auch durch fahrlässiges 134 Handeln – beispielsweise auch im Straßenverkehr oder im deliktischen Bereich – gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Masse verpflichtet, so dass die Insolvenzmasse gegen die entsprechenden Risiken möglichst durch Abschluss entsprechender Haftpflichtversicherungen zu sichern ist.143) d) Beschränkung der Verfügungsmacht des eigenverwaltenden Schuldners Die InsO sieht in §§ 270 ff. InsO mehrfach Beschränkungen oder Möglich- 135 keiten zur Beschränkung der Verfügungsmacht des Schuldners im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung vor. Zu nennen sind insoweit insbesondere die Mitwirkungserfordernisse des Sachwalters gemäß § 275 Abs. 1 InsO, das Kassenführungsrecht des Sachwalters gemäß § 275 Abs. 2 InsO und die gerichtliche Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 InsO. Gemäß § 276 InsO benötigt der Schuldner – wie gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 InsO – zur Vornahme besonders bedeutsamer Rechtshandlungen die Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung. Darüber hinaus unterliegt der Schuldner – wie auch der Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren – der Zweckbestimmung des Insolvenzverfahrens gemäß § 1 Satz 1 InsO, so dass hiergegen evident zuwiderlaufende Rechtshandlungen sogar unwirksam sein können. Die in §§ 275, 277 InsO niedergelegten Beschränkungen der Schuldnerverfü- 136 gungsmacht durch Mitwirkung des Sachwalters korrelieren unmittelbar mit entsprechenden Aufsichtsmitteln des Sachwalters; eine ausführliche Darstel___________ 142) Ebenso bereits Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 76; Haas, in: Gottwald, InsR-Hdb., § 90 Rz. 5; im Ergebnis ebenso, in der Begründung indes anders: Tetzlaff, in: MünchKommInsO, § 270 Rz. 160, und Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 38, der indes meint, § 275 Abs. 1 InsO übertrage dem Schuldner das Recht zur Begründung von Masseverbindlichkeiten. 143) Ähnlich Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 88.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

lung der entsprechenden Regelungen erfolgt daher unter Rz. 225 ff. Die in § 275 Abs. 1 InsO vorgesehene Mitwirkung des Sachwalters an Rechtsgeschäften des Schuldners wirkt demnach ausschließlich im Innenverhältnis; unter Verstoß gegen § 275 Abs. 1 InsO vorgenommene Rechtshandlungen sind aufgrund der Verfügungsmacht des Schuldners im Außenverhältnis wirksam. Dasselbe gilt für das Kassenführungsrecht des § 275 Abs. 2 InsO, das – im Fall seiner Inanspruchnahme durch den Sachwalter – den Schuldner gerade nicht im Außenverhältnis von einer Verfügung über Barmittel oder Bankguthaben ausschließt. Beispiel: Selbst wenn der Sachwalter gegenüber dem eigenverwaltenden Schuldner das Kassenführungsrecht in Anspruch genommen hat und die Bank, welche die Geschäftskonten des Schuldners führt, hierüber unterrichtet hat, ist die Bank verpflichtet, Weisungen des Schuldners, z. B. Überweisungsaufträge, auszuführen. 137 Die gemäß § 276 Satz 1 InsO erforderliche Zustimmung des Gläubigerausschusses zur Vornahme besonders bedeutsamer Rechtshandlungen dient der Umsetzung der von der InsO angestrebten Gläubigerautonomie. In den in §§ 276 Satz 2, 160 Abs. 2 InsO genannten Fällen, z. B. im Fall der Immobilienoder Unternehmensveräußerung oder im Fall des Abschlusses von Vergleichen in Rechtsstreiten mit erheblichen Streitwerten, muss der Schuldner in der Eigenverwaltung die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder – sofern ein solcher nicht eingesetzt ist – gemäß §§ 276 Satz 2, 160 Abs. 1 Satz 2 InsO die Zustimmung der Gläubigerversammlung einholen. Das Fehlen der insoweit erforderlichen Zustimmung der Gläubigerorgane hat indes gemäß §§ 276 Satz 2, 164 InsO keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Rechtshandlung. 138 Da sich die Verfügungsmacht des Schuldners in der Eigenverwaltung ausschließlich aus der entsprechenden gerichtlichen Anordnung gemäß §§ 270, 271 InsO ableitet, ist die Verfügungsmacht – wie auch diejenige des Insolvenzverwalters gemäß § 80 InsO – durch den Zweck des Insolvenzverfahrens beschränkt. Wie auch im Fall von Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters144) ergibt sich aus dieser Beschränkung eine Unwirksamkeit offensichtlich insolvenzzweckwidriger Rechtshandlungen des eigenverwaltenden Schuldners.145) Maßgebliche Voraussetzung der aus der Verfahrenszweckwidrigkeit abgeleiteten Unwirksamkeit ist die Offensichtlichkeit des Missbrauchs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch den Schuldner; der Verstoß gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze und/oder den Zweck des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen, muss also für einen verständigen ___________ 144) Vgl. hierzu z. B. BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093, 1095; BGH, Urt. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, ZIP 2008, 884 f. 145) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 28. Lfg. 03/2007, § 276 Rz. 21; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 149; Vill, ZInsO 2015, 2245, 2248; Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 75 m. w. N.; Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 37.

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I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

Dritten ohne Weiteres ersichtlich sein, um die Unwirksamkeitsfolge auszulösen.146) Andernfalls, z. B. im Fall bloß objektiv unzweckmäßiger oder unrichtiger Rechtshandlungen, bleiben die Rechtshandlungen gleichwohl wirksam.147) Beispiele entsprechend evidenter und damit zur Unwirksamkeit führender Verfahrenszweckwidrigkeit sind148) x

Schenkungen, soweit es sich um werthaltige Vermögensgegenstände handelt,

x

Anerkennung einer Insolvenzforderung als Masseverbindlichkeit,

x

Versprechen von Leistungen auf offensichtlich wertlose (nachrangige) Sicherheiten, z. B. Grundpfandrechte.149)

Erst recht sind Rechtsgeschäfte, die der Schuldner im kollusiven Zusammen- 139 wirken mit einem Geschäftspartner zulasten der Gläubiger vornimmt, als gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und unwirksam anzusehen.150) 3. Insolvenzspezifische Sonderrechte des Schuldners in der Eigenverwaltung Die InsO stellt im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter eine 140 Vielzahl an Sonderrechten zur Verfügung. Diese dienen zum einen dem Schutz der Insolvenzmasse vor einer Aushöhlung durch (Masse-)Verbindlichkeiten aus nachteiligen Geschäften des Schuldners vor Verfahrenseröffnung und sind insoweit zum anderen als Sanierungsinstrumente einzustufen. Im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung steht die Ausübung dieser Sonderrechte nach § 279 Satz 1 InsO und auch nach der allgemeinen Konzeption der §§ 270 ff. InsO dem eigenverwaltenden Schuldner zu. a) Insolvenzrechtliche Befugnisse bei gegenseitigen Verträgen aa) Grundsätzliches Nach § 279 Satz 1 InsO gelten die Vorschriften über die Erfüllung der 141 Rechtsgeschäfte und die Mitwirkung des Betriebsrats, d. h. die Vorschriften der §§ 103 – 128 InsO, im Fall der Eigenverwaltung mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters der Schuldner tritt. § 279 Satz 1 InsO weist damit dem Schuldner ausdrücklich die in den entsprechenden Vorschriften verankerten insolvenzrechtlichen Sonderrechte zu. ___________ 146) 147) 148) 149) 150)

BGH, Urt. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, ZIP 2008, 884. BGH, Urt. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, ZIP 2008, 884 m. w. N. Zu weiteren Beispielen: Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, 37. Lfg. 09/2009, § 80 Rz. 31. So BGH, Urt. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, ZIP 2008, 884. Vgl. hierzu auch Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 73 f.; Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 37.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

142 Nach § 279 Satz 2 InsO soll der Schuldner seine Rechte nach §§ 103 – 128 InsO im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben. Hierzu ist der Schuldner letztlich zur entsprechenden Information des Sachwalters verpflichtet.151) Indes ist das Einvernehmen des Sachwalters in den Fällen der Rechte nach den §§ 103 ff. InsO – mit Ausnahme der ausdrücklich in § 279 Satz 3 InsO genannten Sonderrechte im Bereich des Kollektivarbeitsrechts nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit entsprechender Erklärungen des Schuldners im Außenverhältnis. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 279 Satz 2 InsO und insbesondere aus dem entsprechenden Zusammenhang mit § 279 Satz 3 InsO. Vielmehr handelt es sich bei der Herstellung des Einvernehmens mit dem Sachwalter gemäß § 279 Satz 2 InsO ausschließlich um ein Instrument der Aufsicht über den Schuldner, welche gerade im Bereich der insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse gemäß §§ 103 ff. InsO eine Ausrichtung des Handelns des Schuldners an den Interessen der Gläubiger herbeiführen und überwachen soll. Handelt der Schuldner also ohne Einvernehmen mit dem Sachwalter oder ggf. sogar gegen dessen ausdrücklich erklärten Widerspruch, so hat dies auf die Wirksamkeit der Erklärung des Schuldners gleichwohl keine Auswirkung.152) Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht im Hinblick auf die Abgabe entsprechender Erklärungen die Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 InsO angeordnet hat.153) bb) Wesentliche Sonderrechte (1) Wahlrecht gemäß § 103 Abs. 1 InsO 143 Eines der wesentlichen Sonderrechte im Insolvenzverfahren bildet das Wahlrecht im Fall beiderseits nicht oder nicht vollständig erfüllter Vertragsverhältnisse gemäß § 103 InsO. Gemäß § 279 Satz 1 InsO obliegt die Ausübung der entsprechenden Rechte im eigenverwalteten Insolvenzverfahren dem Schuldner. 144 Das Wahlrecht des § 103 InsO hat in der Praxis wesentliche Bedeutung als Sanierungsinstrument zur operativen Sanierung insolventer Unternehmen bzw. zur Ermöglichung einer Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren. Dies gilt insbesondere auch für den Fall teilbarer Leistungen i. S. v. § 105 InsO, zu denen auch viele Dauerschuldverhältnisse gehören, wie z. B. Leasingverträge über bewegliche Wirtschaftsgüter, Versicherungsverträge, Versorgungs- und Telekommunikationsdienstleistungsverträge. Zu beachten ist, dass das Wahlrecht hierbei nicht nur im Hinblick auf Vertragsbeziehungen besteht, bei denen das insolvente Unternehmen Waren oder Leistungen bezieht, sondern auch im Hinblick auf solche, bei denen das insolvente Unternehmen Liefer- oder ___________ 151) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 35. Lfg. 02/2009, § 279 Rz. 7. 152) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 35. Lfg. 02/2009, § 279 Rz. 7. 153) Vgl. hierzu auch Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 35. Lfg. 02/2009, § 279 Rz. 9, sowie Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 279 Rz. 10.

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I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

Leistungsverpflichtungen eingegangen ist, z. B. auch Werkverträge154) eines insolventen Bauunternehmens oder eines produzierenden Unternehmens. §§ 103, 105 InsO ermöglichen dem Insolvenzverwalter bzw. im Fall der Eigen- 145 verwaltung dem Schuldner damit eine grundlegende Überprüfung der Sinnhaftigkeit bzw. der Wirtschaftlichkeit einer Vielzahl von Vertragsbeziehungen. Dies gilt insbesondere auch bei fehlerhaft kalkulierten Verträgen, mit welchen sich der Schuldner gegenüber Auftraggebern verpflichtet hat und deren Erfüllung zu Verlusten zulasten der Insolvenzmasse bzw. der Gläubiger führen würde. Bestehen mit einem Vertragspartner – gleich, ob Kunde, Lieferant oder gar 146 Kunde und Lieferant – mehrere Vertragsverhältnisse, so hat die Prüfung gemäß §§ 103, 105 InsO letztlich für jede Vertragsbeziehung gesondert zu erfolgen. Den Schuldner stellt die Ausübung des Wahlrechts – anders als den Insolvenz- 147 verwalter – vor das zusätzliche Problem, dass er sich mit einer Erfüllungsablehnung gemäß § 103 Abs. 2 InsO in Widerspruch zu seinen eigenen Erklärungen im Zuge des vor Verfahrenseröffnung erfolgten Vertragsschlusses setzt. Der Schuldner bzw. die insoweit verantwortlichen bzw. kommunizierenden Personen müssen daher im Rahmen ihrer Kommunikation darauf achten, ihre Glaubwürdigkeit – gerade im Interesse einer weiteren Betriebsfortführung – zu schützen, indem sie die bei der Ausübung des Erfüllungswahlrechts maßgebende Interessenlage transparent kommunizieren. Letztlich muss der Schuldner auch und insbesondere die Ausübung des Erfüllungswahlrechts gemäß §§ 103, 105 InsO am Interesse der Gläubiger an bestmöglicher Befriedigung und somit am Schutz der Masse vor einer Schmälerung bzw. vor einer Eingehung unangemessener Risiken ausrichten. (2) Sonderkündigungsrecht bei Mietverhältnissen gemäß § 109 Abs. 1 InsO Ebenfalls ein wesentliches Sanierungsinstrument zur nachhaltigen Verbesse- 148 rung der Ertragslage insolventer Unternehmen ist das in § 109 Abs. 1 InsO normierte Sonderkündigungsrecht bei Miet- und Pachtverhältnissen über Immobilien, die der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen ist. Auch dieses Sonderkündigungsrecht übt gemäß § 279 Satz 1 InsO bei Anordnung der Eigenverwaltung der Schuldner aus. Die erhebliche Bedeutung dieses Sonderkündigungsrechts ergibt sich insbe- 149 sondere aus der Üblichkeit langjähriger Miet- und Pachtverhältnisse, die oftmals mindestens auf fünf oder zehn Jahre geschlossen werden und damit erhebliche langjährige finanzielle Verpflichtungen nach sich ziehen. Erweisen sich die entsprechenden Vertragsverhältnisse – aus welchen Gründen auch immer – später als nicht mehr zweckmäßig, so kann eine Reduzierung der ent___________ 154) Vgl. zur Anwendbarkeit von § 105 InsO insoweit z. B. BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093, 1094 m. w. N.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

sprechenden unnötigen Fixkosten im Insolvenzverfahren über das Sonderkündigungsrecht des § 109 Abs. 1 InsO herbeigeführt werden. 150 Gerade in der Insolvenz von Betrieben mit mehreren Betriebsstätten, welche nicht gleichermaßen rentabel wirtschaften, kann das Sonderkündigungsrecht des § 109 Abs. 1 InsO damit der wesentliche Schlüssel zu einer Sanierung des insolventen Unternehmens sein. Dies gilt beispielsweise für produzierende Unternehmen mit mehreren angemieteten Produktionsstätten, von denen einzelne nicht (mehr) rentabel sind, oder auch für Einzelhandelsunternehmen mit mehreren oder einer Vielzahl von Filialen, welche in der Regel auch starke Unterschiede hinsichtlich ihrer Rentabilität aufweisen. 151 Auch das Sonderkündigungsrecht des § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO soll der Schuldner gemäß § 279 Satz 1 InsO nur im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben. (3) Erlöschen von Aufträgen, Geschäftsbesorgungsverträgen und Vollmachten (§§ 115 bis 117 InsO) 152 Für Auftrags- und Geschäftsbesorgungsverträge regeln die §§ 115, 116 InsO – insoweit als leges speciales im Verhältnis zu §§ 103, 105 InsO – das Erlöschen der entsprechenden Vertragsbeziehungen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ein gesondertes Kündigungs- bzw. Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters oder – im Fall der Eigenverwaltung – des Schuldners sieht die InsO insoweit nicht vor. Vielmehr ist das Erlöschen der beiderseitigen Vertragshauptpflichten unmittelbare Rechtsfolge der Verfahrenseröffnung.155) 153 Ergänzt werden die §§ 115, 116 InsO durch die Vorschrift des § 117 InsO, wonach vom Schuldner vor Verfahrenseröffnung erteilte Vollmachten mit Verfahrenseröffnung kraft Gesetzes erlöschen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein der Vollmacht zugrunde liegendes Rechtsverhältnis überhaupt besteht, dieses ggf. gemäß § 108 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbesteht oder aber gemäß §§ 115, 116 InsO erloschen ist.156) Da Vollmachten in der Praxis in vielen Fällen gebräuchlich sind, kommt der Vorschrift des § 117 InsO demnach erhebliche Bedeutung zu. Beispiele entsprechender, von § 117 InsO erfasster Vollmachten sind x

Prokura (§§ 48 ff. HGB) und Handlungsvollmacht (§ 54 HGB),

x

eine anderweitige Einzel- oder auch Generalvollmacht,

x

die Vollzugsvollmacht zugunsten eines beurkundenden Notars

x

und nicht zuletzt die Prozessvollmacht zugunsten eines vor Verfahrenseröffnung mandatierten Rechtsanwalts.

___________ 155) Vgl. zur nachvollziehbaren Kritik hieran z. B. Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, 32. Lfg. 04/2008, §§ 115, 116 Rz. 2. 156) Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, 32. Lfg. 04/2008, § 117 Rz. 1, 14, 16.

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I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

Mangels anderweitiger Regelung in den §§ 270 ff. InsO gelten die Vorschriften 154 der §§ 115 – 117 InsO auch bei angeordneter Eigenverwaltung.157) Das hinter §§ 115 – 117 InsO stehende gesetzgeberische Ziel, die Verwaltung der Insolvenzmasse von Fremdeinflüssen freizuhalten, greift insoweit auch im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung, da der Schuldner gerade nicht mehr privatautonom verfügen darf, sondern vielmehr auf Grundlage der Anordnung des Gerichts als Amtswalter im Interesse seiner Gläubiger verwaltungs- und verfügungsbefugt ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat damit auch bei Anordnung der 155 Eigenverwaltung das Erlöschen sämtlicher Aufträge, Geschäftsbesorgungsverträge und Vollmachten zur Folge. Das insolvente Unternehmen muss daher – soweit erforderlich – entspre- 156 chende Verträge neu abschließen bzw. – in Abweichung von §§ 115, 116 InsO – die Fortsetzung der entsprechenden Vertragsbeziehungen vertraglich vereinbaren. Dies gilt insbesondere auch für die Fortführung von Girokonten158) und für die Mandatierung von Beratern, Steuerberatungsgesellschaften oder Rechtsanwälten. Praxistipp: Insbesondere die Fortführung bisheriger Bankkonten unter Beibehaltung der bisherigen Kontonummern sollte hierbei frühzeitig mit den Banken besprochen werden. In der Praxis stellen insbesondere die oftmals starren Prozesse der größeren Geschäftsbanken hierbei ein Hindernis dar, da diese zwar in der Regel die Eröffnung eines neuen Geschäftskontos für Rechnung der Insolvenzmasse, nicht jedoch die Beibehaltung der bisherigen Kontonummern vorsehen. Dies muss ggf. in aufwändigen Gesprächen mit den zuständigen Banksachbearbeitern geklärt werden, weshalb hierauf besonderes Augenmerk zu richten ist.

Zudem ist die Neuerteilung erloschener Vollmachten – soweit auch nach 157 Verfahrenseröffnung noch erforderlich – vorzunehmen. Dies gilt insbesondere für die Erteilung von Handlungsvollmachten und Prokuren. Im Hinblick auf die ohne Weiteres zulässige Neuerteilung der Prokura ist zu beachten, dass der insolvente Kaufmann verpflichtet ist, die Neuerteilung der Prokura zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Das vorangegangene Erlöschen der zuvor erteilten Prokura gemäß § 117 InsO ist – sofern es nicht auch angemeldet wird159) – jedenfalls gemäß § 384 Abs. 2 FamFG von Amts wegen im Handelsregister in geeigneter Weise kenntlich zu machen.

___________ 157) Ebenso (indes ausdrücklich insbesondere zu § 117 InsO): Ott/Vuia, in: MünchKommInsO, § 117 Rz. 14; Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, 32. Lfg. 04/2008, § 117 Rz. 5. 158) Specovius, in: Kübler, HRI, § 13 Rz. 39. 159) Zur Frage der Anmeldepflicht: Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, 32. Lfg. 04/2008, § 117 Rz. 15.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

(4) Insolvenzarbeitsrechtliche Sonderrechte 158 Die Sanierung eines Unternehmens wird ohne Einbindung der Mitarbeiter in den meisten Fällen nicht gelingen. Die Mitarbeiter eines Unternehmens gehören daher gerade in der Insolvenz zum unverzichtbaren Kern der am Sanierungsprozess zu beteiligenden Personen. 159 Zum einen kann das Unternehmen ohne motivierte Mitarbeiter – insbesondere in den Schlüsselfunktionen – seine Leistungen nicht mehr so erbringen, dass es seine Kunden weiterhin zufriedenstellt; daher muss von Beginn des Sanierungsprozesses an ein Hauptaugenmerk darauf liegen, die Belegschaft in den Prozess einzubinden und hierdurch entsprechend zu motivieren, an der Restrukturierung des Unternehmens mitzuarbeiten. Zum anderen wird in vielen Fällen ein wesentlicher Aspekt der leistungswirtschaftlichen Sanierung eines insolventen Unternehmens in Einsparungen bzw. Umstrukturierungen im Personalbereich liegen. Die insoweit von der InsO vorgesehenen insolvenzarbeitsrechtlichen Erleichterungen stehen dem insolventen Unternehmen auch im eigenverwalteten Insolvenzverfahren zur Verfügung. (a) Arbeitgeberstellung des eigenverwaltenden Schuldners 160 In Konsequenz der dem Schuldner verbleibenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verbleibt bei Anordnung der Eigenverwaltung auch die Stellung als Arbeitgeber bei dem insolventen Unternehmen.160) Sämtliche Rechte wie auch Pflichten, die dem Arbeitgeber nach vertraglichen wie auch gesetzlichen Regelungen obliegen, hat daher im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung der Schuldner zu erfüllen; dies gilt gleichermaßen für individual- wie auch für kollektivarbeitsrechtliche Rechte und Pflichten des insolventen Unternehmens. Den Sachwalter treffen demgegenüber keinerlei Arbeitgeberaufgaben.161) (b) Sonderkündigungsrecht gemäß § 113 InsO 161 Im Hinblick auf die Arbeitsverhältnisse des insolventen Unternehmens regelt § 113 InsO ein wesentliches leistungswirtschaftliches Sanierungsinstrument. Die Regelung überwindet zum einen vereinbarte Vertragsdauern wie auch Befristungen und zum anderen auch den vertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Für sämtliche Fälle lässt § 113 Satz 1 InsO die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu, wobei § 113 Satz 2 InsO eine Höchstkündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende vorsieht. 162 Während im Regelinsolvenzverfahren das (Sonder-)Kündigungsrecht dem Insolvenzverwalter zusteht, erfolgen Kündigungen im Fall der Eigenverwaltung durch den Schuldner, was sich insbesondere auch aus § 279 Satz 1 InsO ergibt. ___________ 160) Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 51. 161) Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 52.

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I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

Gemäß § 279 Satz 2 InsO soll der Schuldner sein Sonderkündigungsrecht im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben; das fehlende Einvernehmen des Sachwalters hat indes auf die rechtliche Wirksamkeit der Kündigung keine Auswirkung. Wie im Regelinsolvenzverfahren gilt es auch im Fall der Eigenverwaltung im 163 Hinblick auf die Kündigung von Arbeitsverhältnissen zu beachten, dass § 113 InsO zwar ein Sonderkündigungsrecht vorsieht, nicht hingegen den arbeitsrechtlichen allgemeinen bzw. besonderen Kündigungsschutz überwindet. Insbesondere die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) wie auch der Sonderkündigungsschutz gemäß § 9 MuSchG, § 18 BEEG oder §§ 85 ff. SGB IX gelten demnach auch in der Insolvenz. (c) Behandlung und Kündigung von massebelastenden Betriebsvereinbarungen Für Betriebsvereinbarungen, die Belastungen der Insolvenzmasse zur Folge 164 haben, sehen §§ 120 Abs. 1 Satz 1, 279 Satz 1 InsO im Fall der Eigenverwaltung zunächst vor, dass Betriebsrat und insolventes Unternehmen über eine einvernehmliche Herabsetzung der Leistungen beraten bzw. verhandeln sollen. Zudem steht dem Schuldner gemäß §§ 120 Abs. 1 Satz 2, 279 Satz 1 InsO ein Sonderkündigungsrecht in Bezug auf die entsprechenden Betriebsvereinbarungen zu. Gemäß § 279 Satz 3 InsO kann der Schuldner die entsprechenden Rechte 165 nach § 120 InsO wirksam nur im Einvernehmen mit Zustimmung des Sachwalters ausüben. (d) Betriebsänderungen Auch im Fall beabsichtigter Betriebsänderungen stehen dem insolventen Un- 166 ternehmen bei Anordnung der Eigenverwaltung dieselben Möglichkeiten zu, die im Regelinsolvenzverfahren der Insolvenzverwalter hätte. Demnach sind grundsätzlich die entsprechenden Bestimmungen des Betriebsverfassungsrechts, insbesondere im Hinblick auf eine Einbeziehung des Betriebsrats, zu beachten, soweit die InsO nicht entsprechende Erleichterungen vorsieht. Demnach können gemäß § 125 Abs. 1 InsO das insolvente Unternehmen 167 und der Betriebsrat im Fall einer geplanten Betriebsänderung einen sog. Interessenausgleich mit Namensliste vereinbaren, der diejenigen Mitarbeiter namentlich benennt, deren Arbeitsverhältnisse aufgrund der geplanten Betriebsänderung durch betriebsbedingte Kündigung beendet werden sollen. Der entsprechende Interessenausgleich hat zur Folge, dass der betriebsbedingte Kündigungsgrund gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO als fingiert gilt und dass gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden kann und zudem eine grobe Fehlerhaftigkeit dann nicht vorliegt, wenn die Sozialauswahl eine ausgewogene Personalstruktur

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

erhalten oder schaffen sollte. Der Interessenausgleich mit Namensliste sorgt damit in gewissem Umfang für Rechtssicherheit hinsichtlich der insoweit eingeschränkten Anfechtbarkeit von Kündigungen nach dem KSchG. 168 Hat der Betrieb keinen Betriebsrat oder kommt ein Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 125 Abs. 1 InsO aus anderen Gründen binnen drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftlicher Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen nicht zustande, so eröffnet § 126 Abs. 1 InsO dem insolventen Unternehmen den Zugang zu einem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht. Auf entsprechenden Antrag kann das Arbeitsgericht gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 InsO mit Wirkung für und gegen alle beteiligten Arbeitnehmer feststellen, dass die Kündigung der im Antrag namentlich genannten Arbeitnehmer betriebsbedingt erfolgt und sozial gerechtfertigt ist. In der Eigenverwaltung kann der Schuldner den Antrag auf Einleitung des in § 126 InsO vorgesehenen Beschlussverfahrens nach § 279 Satz 3 InsO nur wirksam mit Zustimmung des Sachwalters stellen. 169 Unabhängig von §§ 125, 126 InsO sieht § 122 InsO zudem ein Beschlussverfahren zur Erteilung der arbeitsgerichtlichen Zustimmung zur Durchführung der Betriebsänderung ohne Abschluss eines Interessenausgleichs vor. Der Ablehnung von Verhandlungen seitens des Betriebsrats kann hierdurch entsprechend begegnet werden, wobei in der Eigenverwaltung auch zur Einleitung des Beschlussverfahrens nach § 122 InsO die Zustimmung des Sachwalters gemäß § 279 Satz 3 InsO erforderlich ist. 170 Kommt ein Interessenausgleich (mit Namensliste) zustande, wird – zur Herstellung des Einvernehmens hierüber mit dem Betriebsrat – in der Regel auch ein Sozialplan i. S. v. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vereinbart. Für einen derartigen Sozialplan, welcher die Nachteile der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen oder mildern soll, sieht § 123 InsO finanzielle Grenzen zum Schutz vor einer Aushöhlung der Insolvenzmasse vor, die sich auch der Schuldner in der Eigenverwaltung zu Nutze machen kann, um die Kosten arbeitsrechtlicher Sanierungsmaßnahmen einzugrenzen. Gemäß § 123 Abs. 1 InsO gilt zunächst als absolute Obergrenze ein Gesamtbetrag in Höhe von zweieinhalb Monatsverdiensten der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer. Daneben begrenzt die relative Obergrenze des § 123 Abs. 2 Satz 2 InsO – die im Rang von Masseverbindlichkeiten (§ 123 Abs. 2 Satz 1 InsO) bestehenden Verpflichtungen aus dem Sozialplan auf ein Drittel des unter Außerachtlassung des Sozialplans zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehenden Betrags. Übersteigt der im Sozialplan vorgesehene Betrag diese relative Obergrenze, so sieht § 123 Abs. 2 Satz 3 InsO eine quotale Kürzung der Forderungen der einzelnen Arbeitnehmer vor. 171 Haben das insolvente Unternehmen und der Betriebsrat einen Sozialplan vor Verfahrenseröffnung, jedoch nicht früher als drei Monate vor dem Insolvenzantrag, aufgestellt, so gewährt § 124 Abs. 1 InsO dem Betriebsrat wie auch dem eigenverwaltenden Schuldner ein Widerrufsrecht. Das Widerrufs-

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I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

recht dient in diesen Fällen insbesondere dazu, den Weg zu einem neuen Sozialplan nach Maßgabe der §§ 123, 125 InsO zu eröffnen, in den sodann gemäß § 124 Abs. 2 InsO auch die in dem widerrufenen Sozialplan begünstigten Arbeitnehmer Berücksichtigung finden können. b) Verwertung und Nutzung von Absonderungsgut Die §§ 165 ff. InsO sehen für das Regelinsolvenzverfahren Verwertungs- und 172 Nutzungsrechte des Insolvenzverwalters vor, welche oftmals – gerade in Betriebsfortführungsfällen – von grundlegender Bedeutung für die Verfahrensabwicklung sind. Im Eigenverwaltungsverfahren nimmt diese Rechte gegenüber den Absonderungsberechtigten – wie § 282 Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich klarstellt – der Schuldner wahr. Die Ausübung der Rechte soll gemäß § 282 Abs. 2 InsO im Einvernehmen mit dem Sachwalter erfolgen (hierzu im Einzelnen Rz. 193 ff.). (aa) Verwertung belasteter unbeweglicher Gegenstände Befinden sich in der Insolvenzmasse unbewegliche Gegenstände, insbesondere 173 Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte (Erbbaurecht, Wohnungseigentum, Teileigentum, Bergwerkseigentum), aber auch im Schiffsregister eingetragene Schiffe und Schiffsbauwerke sowie in der Luftfahrzeugrolle eingetragene Luftfahrzeuge, so handelt es sich hierbei in der Regel um erhebliche Vermögenswerte, die oftmals auch für den Fortbestand des Unternehmens von Bedeutung sind. Zugleich sind diese Gegenstände – eben aufgrund ihres Werts – regelmäßig mit Sicherungsrechten, die zur abgesonderten Befriedigung berechtigen, zugunsten von kreditgebenden Banken belastet. (1) Absonderungsrechte an Immobilien An unbeweglichen Gegenständen findet dabei gemäß § 49 InsO auch im In- 174 solvenzverfahren die abgesonderte Befriedigung nach dem ZVG, d. h. im Wege der Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung, statt. Zur abgesonderten Befriedigung nach Maßgabe des ZVG – insbesondere nach Maßgabe der Rangfolge des § 10 ZVG – berechtigen unter anderem folgende Rechte: x

Grundpfandrechte, insbesondere Hypotheken und Grundschulden;

x

öffentliche Grundstückslasten, z. B. aus Grundsteuern, kommunalen Gebühren für Müllbeseitigung, Straßenreinigung o. Ä. (vgl. hierzu – insbesondere auch zu den zeitlichen Grenzen der Sicherung – § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ZVG);

x

sofern Gegenstand der abgesonderten Befriedigung Wohnungs- oder Teileigentum ist, zudem Wohngeldrückstände, d. h. die fälligen Ansprüche auf Zahlung der Beiträge zulasten des Gemeinschaftseigentums und der Kosten des Gemeinschaftseigentums (vgl. auch insoweit zu den zeitlichen Grenzen des Absonderungsrechts im Fall langjähriger Rückstände § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG); 53

C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

x

sowie im Wege der Einzelzwangsvollstreckung erlangte Rechte eines persönlichen Gläubigers, zu dessen Gunsten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzfest, d. h. nicht anfechtbar oder gemäß § 88 InsO unwirksam, die Beschlagnahme erfolgt ist.

(2) Verwertung durch die Absonderungsberechtigten 175 Die Inhaber der genannten Absonderungsrechte sind gemäß § 49 InsO auch im Insolvenzverfahren nicht an der Verwertung ihres Sicherungsguts im Wege der Zwangsversteigerung bzw. Zwangsverwaltung gehindert. Die entsprechenden Anordnungen beschränken nach Maßgabe des ZVG die Verfügungsbefugnis des Schuldners über die Immobilie bzw. über deren Erträge. 176 Eingeschränkt werden die Rechte der Absonderungsberechtigten jedoch durch die im ZVG vorgesehenen Möglichkeiten zur einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung im Interesse der Gläubigergemeinschaft (§ 30d InsO). Das im Insolvenzfall regelmäßig dem Insolvenzverwalter zustehende Antragsrecht nach § 30d ZVG steht im Fall der Eigenverwaltung dem Schuldner zu; entsprechende Antragsrechte bestehen insbesondere vor dem Berichtstermin (§ 30d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZVG), im Fall der Erforderlichkeit der Immobilie zur Betriebsfortführung (§ 30d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZVG) oder zur Umsetzung eines Insolvenzplans (§ 30d Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZVG) und in sonstigen Fällen der wesentlichen Erschwernis der angemessenen Verwertung der Insolvenzmasse (§ 30d Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ZVG). Bereits im Eröffnungsverfahren kommt im Fall der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters zudem ein Antrag des Schuldners nach § 30d Abs. 4 Satz 2, Satz 1 ZVG in Betracht, sofern der Schuldner glaubhaft machen kann, dass die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung zur Verhütung nachteiliger Veränderungen seiner Vermögenslage erforderlich erscheint. (3) Verwertung durch den eigenverwaltenden Schuldner, insbesondere freihändige Verwertung 177 Neben den Absonderungsberechtigten ist auch – wie in der Regelinsolvenz der Insolvenzverwalter – gemäß §§ 282 Abs. 1 Satz 1, 165 InsO in der Eigenverwaltung der Schuldner zur Einleitung der Zwangsversteigerung oder der Zwangsverwaltung berechtigt; das entsprechende Antragsrecht steht dem Schuldner hierbei unabhängig vom Bestehen von Absonderungsrechten an dem jeweiligen unbeweglichen Gegenstand zu. 178 Daneben hat der Schuldner aufgrund der bei ihm verbliebenen Verwaltungsund Verfügungsbefugnis die Möglichkeit, eine freihändige Veräußerung grundpfandrechtsbelasteter Immobilien vorzunehmen. Auch im Fall (wertausschöpfend) belasteter Immobilien kommt es in der Praxis oftmals zur freihändigen Veräußerung durch den Insolvenzverwalter auf Grundlage einer mit den absonderungsberechtigten Gläubigern geschlossenen Verwertungsvereinbarung. Hintergrund ist letztlich die Erwartung aller Beteiligten, aus ihrer je-

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I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

weiligen (Rechts-)Position im Rahmen einer freihändigen Verwertung höhere Erlöse zu erzielen als im Fall einer Zwangsversteigerung. In der Regel lässt eine freihändige Verwertung – ggf. unter Einschaltung eines Immobilienmaklers – höhere Erlöse erwarten, als dies im Rahmen der Zwangsversteigerung der Fall ist, wobei natürlich die jeweilige Marktlage zu beachten ist. Zudem vermeidet die freihändige Verwertung die Kosten einer Zwangsversteigerung. Mit dem Ziel einer freihändigen Verwertung abgeschlossene Verwertungsvereinbarungen enthalten im Wesentlichen Regelungen zu folgenden Punkten: x

Verpflichtung bzw. Absichtsbekundung der Beteiligten, sich um eine Veräußerung der Immobilie zum Zweck der Befriedigung der Absonderungsberechtigten aus dem Erlös zu bemühen;

x

Verpflichtung der Gläubiger zur Mitwirkung und insbesondere – ggf. zeitlich beschränkter – Verzicht auf Einleitung der Zwangsversteigerung;

x

Regelungen zur Verteilung des Erlöses, regelmäßig unter Vereinbarung eines Kostenbeitrages zugunsten der Insolvenzmasse; hierbei ist zu beachten, dass vereinbarte Verwertungskostenbeiträge im Fall der freihändigen Verwertung von Immobilien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs162) umsatzsteuerpflichtig sind;

x

Regelungen zur Haftung aus dem Grundstücksverkauf, insbesondere ggf. Freistellung der Insolvenzmasse von einer Haftung durch die Grundpfandrechtsgläubiger bis zur Höhe der an die Gläubiger ausgekehrten Erlöse.

Eine entsprechende freihändige Verwertung von Immobilien sollte aus Sicht 179 des Verfassers im Eigenverwaltungsverfahren ggf. auch dann in Betracht gezogen werden, wenn es sich um betriebsnotwendige Immobilien handelt und der Betrieb – gleich, ob im Weg eines Insolvenzplans oder einer übertragenden Sanierung – erhalten bleiben soll. Insbesondere in Form des sog. Saleand-Lease-Back hat das Schuldnerunternehmen im Fall der freihändigen Verwertung in Abstimmung mit den absonderungsberechtigten Gläubigern entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten. Hierdurch lässt sich gewährleisten, dass zum einen die Absonderungsberechtigten die Haftung der Immobilie verwirklichen, und zum anderen die Immobilie trotzdem weiterhin zu Betriebszwecken zur Verfügung steht. Entsprechende Verhandlungen über die Vorgehensweise der Haftungsverwirklichung im Fall belasteter Betriebsimmobilien sollten daher bereits frühzeitig aufgenommen werden. bb) Verwertung von beweglichem Absonderungsgut Der Schuldner ist in der Eigenverwaltung gemäß § 166 Abs. 1 InsO berech- 180 tigt, bewegliche Gegenstände freihändig zu verwerten, an der Absonderungsrechte bestehen und die er in Besitz hat. Hat der Schuldner Absonderungsgut nicht in Besitz, so verbleibt es – wie in der Regelinsolvenz – beim Ver___________ 162) BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZIP 2011, 1923.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

wertungsrecht des Gläubigers (vgl. § 173 InsO). In der Praxis spielt gerade das Verwertungsrecht gemäß § 166 Abs. 1 InsO eine bedeutende Rolle, da in nahezu jedem Verfahren verlängerte bzw. erweiterte Eigentumsvorbehalte, Sicherungsübereignungen und Vermieterpfandrechte an Warenvorräten oder wesentlichen Produktionsmitteln bestehen. 181 Die Entscheidung über die Art der Verwertung obliegt gemäß §§ 282 Abs. 1 Satz 1, 166 Abs. 1 InsO dem Schuldner. Er kann sich letztlich aller denkbaren Verwertungsmöglichkeiten bedienen, angefangen vom Verkauf von Waren im Rahmen seines Geschäftsbetriebs, über die Durchführung von Versteigerungen bis hin zur Übertragung des Absonderungsguts an den absonderungsberechtigten Gläubiger (vgl. hierzu auch § 168 Abs. 3 InsO). 182 Der Schuldner hat hierbei jedoch wie auch der Insolvenzverwalter in der Regelinsolvenz die Unterrichtungspflichten gemäß §§ 167, 168 InsO zu erfüllen. Besteht ein Verwertungsrecht gemäß § 166 Abs. 1 InsO, so hat der Gläubiger gemäß § 167 Abs. 1 InsO jederzeit Anspruch auf Auskunft zum Zustand der Sache, wobei sich der Anspruch im Fall der Eigenverwaltung eben gegen den Schuldner richtet, der nach seiner Wahl dem Gläubiger alternativ auch die Besichtigung der Sache gestatten kann. Vor der beabsichtigten Veräußerung eines der Absonderung unterliegenden Gegenstands ist der Schuldner gemäß § 168 Abs. 1 InsO verpflichtet, den Gläubiger über die Art und Weise der Veräußerung zu informieren. Dem Gläubiger ist insoweit Gelegenheit zu geben, binnen einer Woche auf eine für den Gläubiger günstigere Verwertungsmöglichkeit hinzuweisen; auch die Einsparung von Verwertungskosten kann insoweit als günstigere Verwertungsmöglichkeit Berücksichtigung finden (vgl. § 168 Abs. 3 Satz 2 InsO). Im Fall eines entsprechenden Hinweises des Gläubigers muss der Schuldner diesem Hinweis folgen oder dem Gläubiger einen etwaigen Mindererlös ausgleichen (vgl. § 168 Abs. 2 InsO). Letzteres kann insbesondere im Fall von Unternehmensveräußerungen im Ganzen sinnvoll sein, wenn z. B. zwar eine Einzelverwertung von bestimmtem Absonderungsgut wirtschaftlich besser möglich wäre, aber die Insolvenzmasse durch die Verwertung im Rahmen eines Unternehmensverkaufs insgesamt deutlich besser gestellt wird. § 168 Abs. 3 InsO sieht zudem die Möglichkeit der Übernahme des Absonderungsgegenstands durch den Gläubiger vor. In diesem Fall erwirbt der absonderungsberechtigte Gläubiger letztlich aus der Insolvenzmasse Volleigentum an dem Absonderungsgut. Der vereinbarte Übernahmepreis wird insoweit in entsprechender Höhe unmittelbar mit dem Erlösauskehranspruch des Absonderungsgläubigers verrechnet, so dass letztlich nur Umsatzsteuer und etwaige vereinbarte oder gesetzlich anfallende Kostenbeiträge vom Gläubiger zu entrichten sind. Im Fall einer Verzögerung der Verwertung stehen dem Gläubiger die in § 169 InsO vorgesehenen Rechte, insbesondere ein Anspruch auf laufende Zinszahlung ab dem Berichtstermin, zu. Hatte das Gericht bereits im Eröffnungsverfahren die Verwertung bzw. Einziehung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO untersagt, so beginnt die Zinszahlungspflicht spätestens drei Monate nach dieser Anordnung (vgl. § 169

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I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

Satz 2 InsO). Der Höhe nach ist die Zinszahlung indes auf den vertraglich vereinbarten Zins aus dem wertmäßig der Sicherheit entsprechenden Betrag ab dem Zeitpunkt der normalerweise zu erwartenden Verwertung begrenzt;163) insbesondere berechnet sich der gemäß § 169 InsO geschuldete Zins nicht aus der gesamten Darlehensvaluta. cc) Einziehung sicherungsabgetretener Forderungen Ebenfalls über die klarstellende Verweisung des § 282 Abs. 1 Satz 1 InsO ist 183 der Schuldner berechtigt, gemäß § 166 Abs. 2 InsO sicherungsabgetretene Forderungen einzuziehen. Durch den Einzug sicherungszedierter Forderungen kann insbesondere ein Auseinanderfallen der Forderungseinzugszuständigkeit im Fall weiterer Betriebsfortführung und damit eine Verunsicherung bei Kunden vermieden werden. Auch ist die Verwertung durch das Schuldnerunternehmen – bzw. in der Regelinsolvenz den Insolvenzverwalter – regelmäßig deutlich vorteilhafter als eine Einziehung durch den Sicherungsgläubiger, da die zur Geltendmachung erforderlichen Unterlagen und Informationen gerade im Schuldnerunternehmen vorliegen. Auch im Fall des Forderungseinziehungsrechts gemäß § 166 Abs. 2 InsO sind die Informationsrechte des Sicherungszessionars zu beachten; dieser hat nach § 167 Abs. 2 InsO ein Recht auf Auskunft über die Forderung bzw. – nach Wahl des eigenverwaltenden Schuldners – alternativ auf Einsicht in die Bücher des Schuldners. dd) Verteilung des Verwertungserlöses in den Fällen des § 166 InsO Nach der Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung hat der 184 Schuldner gemäß § 170 Abs. 1 InsO die Verwertung gegenüber dem absonderungsberechtigten Gläubiger abzurechnen und sodann den – nach Berücksichtigung der zugunsten der Insolvenzmasse zu berücksichtigenden Beträge – verbleibenden Betrag unverzüglich an den Gläubiger auszuzahlen. Im Hinblick auf die an dem eingezogenen Verwertungserlös fortbestehenden Absonderungsrechte empfiehlt es sich insoweit, entsprechende Beträge vor deren Abrechnung und Auskehrung zu separieren.164) Hierauf sollte der Sachwalter den Schuldner ggf. hinweisen.165) Die in §§ 170, 171 InsO vorgesehenen Kostenbeiträge erfahren in § 282 185 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 InsO erhebliche Abweichungen gegenüber der Regelinsolvenz. So werden in der Eigenverwaltung gemäß § 282 Abs. 1 Satz 2 InsO keine Feststellungskosten erhoben; die in § 171 Abs. 1 Satz 2 InsO vorgesehene Feststellungskostenpauschale von vier v. H. des Bruttoverwertungserlöses entfällt demnach. Auch die fünf-prozentige Verwertungskostenpauschale des § 171 Abs. 2 Satz 1 InsO kommt bei angeordneter Eigenverwaltung nicht ___________ 163) Vgl. weiterführend hierzu z. B. Graf-Schlicker-Castrup, InsO, § 169 Rz. 2 ff. 164) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 282 Rz. 21. 165) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 282 Rz. 21.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

zum Ansatz. Vielmehr sind gemäß § 282 Abs. 1 Satz 3 InsO nur die konkret angefallenen Verwertungskosten ansetzbar. Zudem ist gemäß §§ 282 Abs. 1 Satz 3, 171 Abs. 2 Satz 3 InsO die zulasten der Insolvenzmasse anlässlich der Verwertung angefallene Umsatzsteuer zu berücksichtigen. 186 Abweichend von §§ 282 Abs. 1, 170, 171 InsO können Schuldner und Gläubiger die Verwertungskosten auch zum Gegenstand einer Verwertungsvereinbarung machen. Da letztlich die Verwertung von nicht betriebsnotwendigem Vermögen durch den Schuldner aus Sicht der Insolvenzmasse mangels zugunsten der Gläubigergemeinschaft verbleibender Kostenbeiträge oftmals keinen Vorteil hat, kann die Vereinbarung eines die tatsächlichen Verwertungskosten übersteigenden Kostenbeitrags auch aus Sicht des Gläubigers im Einzelfall durchaus von Interesse sein, um eine andernfalls drohende Überlassung des Gegenstands zur Verwertung zu vermeiden. 187 Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Umsatzsteuerpflichtigkeit von Verwertungskostenbeiträgen ist auch im Fall der Eigenverwaltung davon auszugehen, dass die letztlich für Rechnung des absonderungsberechtigten Gläubigers erfolgende Verwertung gegenüber dem Gläubiger eine umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung i. S. d. UStG darstellt.166) Die dem absonderungsberechtigten Gläubiger gemäß §§ 282 Abs. 1 Satz 3, 171 Abs. 2 InsO belasteten Verwertungskosten unterliegen demnach sowohl im Fall der Weiterberechnung der tatsächlich angefallenen Kosten wie auch im Fall der Vereinbarung eines Verwertungskostenbeitrags – unabhängig von der gemäß § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO verbleibenden Umsatzsteuerlast der Insolvenzmasse aus der eigentlichen Verwertungsmaßnahme – gesondert der Umsatzsteuerpflicht.167) 188 Die Verwertungsabrechnung erfolgt daher im Fall der Eigenverwaltung nach folgendem Muster. Beispiel: Der Schuldner verwertet nach entsprechender Abstimmung mit dem Gläubiger und im Einvernehmen mit dem Sachwalter eine sicherungsübereignete Maschine im Wege einer Versteigerung. Der hieraus erzielte Erlös beträgt netto EUR 100.000,00 zzgl. Umsatzsteuer. Die Kosten der Versteigerung belaufen sich auf netto EUR 10.000,00. Die gesicherten Forderungen des absonderungsberechtigten Gläubigers übersteigen den Betrag von EUR 100.000,00 deutlich. Eine Verwertungsvereinbarung wurde nicht abgeschlossen.

___________ 166) BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZIP 2011, 1923 (zur Regelinsolvenz). 167) BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZIP 2011, 1923.

58

I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

Verwertungsabrechnung: Netto-Verwertungserlös

EUR 100.000,00

zzgl. 19 v. H. USt

EUR

Brutto-Verwertungserlös

EUR 119.000,00

19.000,00

Abzüge gemäß §§ 282 Abs. 1, 170, 171 InsO: abzgl. Feststellungskostenbeitrag

-/-

abzgl. tatsächlich angefallene Verwertungskosten

EUR

10.000,00

abzgl. Umsatzsteuer auf Verwertungskosten

EUR

1.900,00

abzgl. Umsatzsteuerbelastung der Insolvenzmasse gem. § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO

EUR

19.000,00

Summe Abzüge

EUR

30.900,00

Zur abgesonderten Befriedigung verbleibender Erlösanteil (§ 170 Abs. 1 Satz 2 InsO)

EUR

88.100,00

ee) Sonstige Verwendung von beweglichem Absonderungsgut zugunsten der Insolvenzmasse Von besonderer Bedeutung in Betriebsfortführungsfällen ist das in § 172 InsO 189 geregelte Recht zur sonstigen Verwendung von beweglichem Absonderungsgut, an dem ein Verwertungsrecht gemäß § 166 Abs. 1 InsO besteht. Auch das in § 172 Abs. 1 InsO vorgesehene Benutzungsrecht sowie das in § 172 Abs. 2 InsO vorgesehene Weiterverarbeitungsrecht kann der Schuldner gemäß § 282 Abs. 1 Satz 1 InsO ausüben. Gemäß § 172 Abs. 1 InsO darf der Schuldner demnach insbesondere eine 190 bewegliche Sache, an der Absonderungsrechte bestehen, für die Insolvenzmasse benutzen. Im Gegenzug hat er jedoch gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 InsO den durch die Benutzung eintretenden Wertverlust des Absonderungsguts ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung durch laufende Ausgleichszahlungen an den Sicherungsgläubiger auszugleichen. Führt der Wertverlust – angesichts die gesicherte Forderung übersteigender Sicherheiten – nicht zu einer Beeinträchtigung der Sicherung des Gläubigers, so entfällt gemäß § 172 Abs. 1 Satz 2 InsO die Verpflichtung zur Leistung entsprechender Zahlungen. Die gemäß § 172 Abs. 1 InsO geschuldeten Ausgleichszahlungen treten in den Fällen des § 169 InsO, d. h. in der Regel ab dem Berichtstermin bzw. spätestens drei Monate nach einer Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO, neben die Zinszahlungspflicht gemäß § 169 InsO. Im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit und ggf. Komplexität der Berechnung des Wertverlustausgleichs empfiehlt es sich aus Sicht des Verfassers, den auszugleichenden Wertverlust mit dem betroffenen Gläubiger in Form einer entsprechenden Vereinbarung pauschal zu regeln, wobei neben eine der Höhe nach vereinbarte 59

C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

laufende Ausgleichszahlung Entschädigungszahlungen für übermäßige Wertverluste, insbesondere im Fall von Beschädigungen, zu treten haben. 191 Macht der Schuldner von seinem gemäß § 172 Abs. 2 InsO bestehenden Recht zur Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von Absonderungsgut Gebrauch, so setzt sich das bisherige Sicherungsrecht in der Regel gemäß § 949 Satz 2 BGB an der neuen Sache fort. Der Gläubiger hat gemäß § 172 Abs. 2 Satz 2 InsO in diesem Fall ggf. einen Teil der Sicherheit freizugeben, sofern die (neue) Sicherheit den Wert der bisherigen Sicherheit übersteigt. ff) Überlassung der Verwertung an den Gläubiger 192 Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Verwertung von beweglichem Vermögen bzw. die Einziehung sicherungszedierter Forderungen auch im Fall eines ihm eigentlich zustehenden Verwertungsrechts gemäß § 166 InsO dem absonderungsberechtigten Gläubiger zu überlassen. Dies ergibt sich bereits aus § 170 Abs. 2 InsO, der eine entsprechende Befugnis des Insolvenzverwalters voraussetzt. Auch bei angeordneter Eigenverwaltung ist dementsprechend ein Recht des Schuldners zur Überlassung der Verwertung an den Gläubiger anzuerkennen.168) In Fällen nicht betriebsnotwendigen Vermögens erscheint dies sogar als äußerst sinnvoll, da die Verwertung des Absonderungsguts im Fall der Eigenverwaltung – angesichts des gesetzlichen Verzichts auf Kostenbeitragspauschalen nach § 282 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 InsO – letztlich von vornherein nicht zu einer Massemehrung führen kann. Der Schuldner hat im Ergebnis abzuwägen, welche Vorteile und Nachteile eine Verwertung durch ihn selbst im Vergleich zur Verwertung durch den Gläubiger hat. Unter Berücksichtigung von §§ 282 Abs. 1 Satz 2, 170 Abs. 2 InsO hat der Gläubiger im Fall der Verwertung durch ihn selbst lediglich die anfallende Umsatzsteuer an die Insolvenzmasse zu entrichten; Feststellungskosten fallen demgegenüber gemäß § 282 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht an. gg) Einvernehmen mit dem Sachwalter 193 Nach § 282 Abs. 2 InsO soll der Schuldner seine Rechte im Zusammenhang mit der Verwertung bzw. Nutzung von Absonderungsgut im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben. Wie auch im Fall der von § 275 Abs. 1 InsO vorgesehenen Mitwirkung des Sachwalters an der Geschäftsführung des Schuldner empfiehlt es sich, dass Schuldner und Sachwalter hierzu bereits im zeitlichen Zusammenhang mit der Verfahrenseröffnung die Behandlung der bestehenden Absonderungsrechte gemeinsam besprechen und eine abgestimmte Vorgehensweise festlegen. Der Sachwalter hat hierbei insbesondere darauf hinzuwirken, dass die formellen und materiellen Rechte der Absonderungsberechtigten hinreichend gewahrt werden; dies betrifft insbesondere deren Beteiligung an den Verwertungsentscheidungen gemäß §§ 167, 168 InsO, die Bezahlung von ___________ 168) So wohl auch Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 282 Rz. 27.

60

I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

Zinsen gemäß § 169 InsO sowie die zeitnahe Abrechnung und Auskehrung eingezogener Verwertungserlöse gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO. Stellt der Sachwalter fest, dass der Schuldner seine Rechte gemäß §§ 282 194 Abs. 1, 166 ff. InsO nicht im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausübt und hierdurch zugleich Rechte der absonderungsberechtigten Gläubiger verletzt oder gefährdet werden, so liegt in der Regel eine Verpflichtung zur Nachteilsanzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO gegenüber dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht vor.169) Nach teils vertretener, indes m. E. nicht zutreffender Auffassung soll die 195 Gläubigerversammlung auf Grundlage von § 277 InsO das Recht haben, eine Übertragung des Verwertungsrechts auf den Sachwalter zu beschließen.170) Eine derartige Beschlusskompetenz steht indes im Widerspruch zum grundlegenden Konzept der Eigenverwaltung und ist daher unter systematischen und teleologischen Gesichtspunkten abzulehnen,171) zumal der Wortlaut des § 277 InsO ebenfalls nicht von einer Übertragung von Kompetenzen auf den Sachwalter, sondern lediglich von der Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit spricht. Indes erscheint die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit im Fall bestimmter Verwertungshandlungen bzw. im Fall der Verwertung bestimmter Gegenstände auf Grundlage von § 277 Abs. 1, Abs. 2 InsO ohne Weiteres möglich und in vielen Fällen angesichts der Tragweite der entsprechenden Entscheidungen für die Gläubigergesamtheit wie auch für die jeweiligen absonderungsberechtigten Gläubiger durchaus zweckmäßig. c) Prozessführungsbefugnis und Aufnahme von unterbrochenen Rechtsstreiten (§§ 85, 86 InsO) Die Prozessführungsbefugnis betreffend sämtliche Rechte und Pflichten der 196 Insolvenzmasse liegt im Fall der Eigenverwaltung beim Insolvenzschuldner.172) Eine Ausnahme gilt lediglich in denjenigen Bereichen, für die eine ausdrückliche gesetzliche Aufgabenzuweisung an den Insolvenzverwalter erfolgt ist; insbesondere in den Fällen der Haftung gemäß §§ 92, 93 InsO sowie im Fall der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO ist daher der Sachwalter auf Grundlage der Aufgabenzuweisung des § 280 InsO ausschließlich prozessführungsbefugt. Im Übrigen verbleibt es indes beim allgemeinen Grundsatz des § 270 Abs. 1 InsO, wonach gerade der Schuldner verwaltungs- und verfügungsbefugt und damit eben auch Inhaber der Prozessführungsbefugnis bleibt. In insolvenzrechtlicher Hinsicht ist auch in der Eigenverwaltung die auf 197 Grundlage von § 240 ZPO bzw. entsprechender Vorschriften anderer Verfah___________ 169) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 84; Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 282 Rz. 4. 170) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 86 m. w. N. 171) Ebenso Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 282 Rz. 8; Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 282 Rz. 4. 172) Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 89.

61

C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

rensordnungen eintretende Unterbrechung anhängiger Rechtsstreite zu beachten. Demnach führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Partei eines Rechtsstreits zur Unterbrechung des Rechtsstreits, wobei sich die Aufnahme des Rechtsstreits sodann nach den maßgebenden insolvenzrechtlichen Vorschriften richtet. Diese Unterbrechung anhängiger Rechtsstreite tritt nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs173) auch im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung ein. 198 Für die Aufnahme des Rechtsstreits gelten die §§ 85, 86 InsO sowie §§ 87, 180 Abs. 2 InsO auch im Fall der Eigenverwaltung, wobei insoweit natürlich der Schuldner an die Stelle des Insolvenzverwalters tritt.174) 199 Aktivprozesse kann der Schuldner demnach gemäß § 85 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse aufnehmen. Ob eine Ablehnung der Aufnahme des Aktivrechtsstreits gemäß § 85 Abs. 2 InsO in Betracht kommt, ist in der Literatur streitig. Materielle Folge der Ablehnung gemäß § 85 Abs. 2 InsO ist in der Regelinsolvenz insbesondere die Freigabe des Prozessgegenstands aus der Insolvenzmasse sowie die Konsequenz, dass Schuldner sowie Prozessgegner den Rechtsstreit aufnehmen können, was indes ggf. auf Kosten des Schuldners stattfindet, der letztlich über kein pfändbares Vermögen mehr verfügt. Diese Rechtsfolge wäre indes in der Eigenverwaltung systemwidrig, weshalb nach hier vertretener Auffassung auch eine Freigabe von Vermögen im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung nicht in Betracht kommt.175) Unter systematischen Gesichtspunkten erscheint daher die Auffassung zutreffend, dass die Ablehnung der Aufnahme eines Aktivrechtsstreits im Fall der Eigenverwaltung die Erklärungswirkung einer Klagerücknahme hat.176) Um indes – wie letztlich auch von § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO beabsichtigt – die Rechtswirkungen der Ablehnung der Aufnahme im Regelinsolvenzverfahren zu erreichen, kann der Prozessgegner die Kostenerstattung gemäß § 269 ZPO unter teleologischen Gesichtspunkten nur im Rang von Insolvenzforderungen geltend machen. 200 Die Aufnahme bestimmter Passivprozesse richtet sich auch in der Eigenverwaltung nach § 86 InsO. Demnach können sowohl der Schuldner wie auch der Prozessgegner einen Rechtsstreit dann aufnehmen, wenn dieser Aussonderungsrechte, Absonderungsrechte oder Masseverbindlichkeiten betrifft. Die Möglichkeit zum sofortigen Anerkenntnis gemäß § 86 Abs. 2 InsO hat insoweit angesichts der entsprechenden Anwendung der allgemeinen Vorschriften (vgl. § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO) im Fall der Eigenverwaltung auch der Schuldner.

___________ 173) BGH, Beschl. v. 7.12.2006 – V ZB 93/06, ZIP 2007, 249; Fiebig, in: HambK-InsO, § 270 Rz. 46 m. w. N. 174) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, 39. Lfg. 02/2010, § 85 Rz. 3a. 175) Vgl. hierzu eingehend oben Rz. 125 f. 176) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, 39. Lfg. 02/2010, § 85 Rz. 68a.

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I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

Sonstige Passivprozesse, die regelmäßig die Geltendmachung von Insolvenz- 201 forderungen betreffen, können nach §§ 87, 180 Abs. 2 InsO nur zum Zweck der Feststellung der Forderung im Fall der Erhebung eines Widerspruchs nach entsprechender Forderungsanmeldung aufgenommen werden.177) 4. Insolvenzverfahrensrechtliche Aufgaben und Rechte des Schuldners in der Eigenverwaltung Die Anordnung der Eigenverwaltung stellt den Schuldner bzw. dessen Organe 202 und Berater auch in formaler bzw. verfahrensrechtlicher Hinsicht vor erhebliche Aufgaben. Auch insoweit ist zu beachten, dass der Schuldner im Eigenverwaltungsverfahren sämtliche Aufgaben zu erfüllen hat, die in der Regelinsolvenz dem Insolvenzverwalter obliegen. a) Aufstellung von Verzeichnissen Gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1 InsO obliegt demnach dem eigenverwaltenden 203 Schuldner die Aufstellung der in §§ 151 – 153 InsO vorgesehenen Verzeichnisse. Konkret hat der Schuldner daher ein nach Maßgabe von § 151 InsO zu erstellendes Verzeichnis der einzelnen Gegenstände der Insolvenzmasse aufzustellen, wobei zu jedem Gegenstand Liquidations- und Fortführungswerte anzugeben sind (vgl. § 151 Abs. 2 InsO). Zudem hat der Schuldner ein Gläubigerverzeichnis gemäß § 152 InsO aufzustellen, wobei in das Verzeichnis nicht nur diejenigen Gläubiger aufzunehmen sind, die ihre Forderungen durch Forderungsanmeldung beim Sachwalter (§ 270c Satz 2 InsO) angemeldet haben, sondern auch diejenigen Gläubiger, deren Forderungen sich aus den Büchern des Schuldners oder anderweitig ergeben. Absonderungsberechtigte Gläubiger und Rangklassen nachrangiger Gläubiger sind im Gläubigerverzeichnis entsprechend zu vermerken (§ 152 Abs. 2 Satz 1 InsO). Zudem sind für jeden Gläubiger dessen Anschrift sowie Forderungsgrund und Forderungshöhe anzugeben (§ 152 Abs. 2 Satz 2 InsO). Das jeweilige Absonderungsgut ist im Falle absonderungsberechtigter Gläubiger einschließlich der Höhe des voraussichtlichen Ausfalls zu bezeichnen (§ 152 Abs. 2 Satz 3 InsO). Zuletzt sind neben Absonderungsrechten auch Aufrechnungsmöglichkeiten anzugeben (vgl. § 152 Abs. 3 Satz 1 InsO). Außerdem hat das Gläubigerverzeichnis auch Schätzungen zu den voraussichtlichen Masseverbindlichkeiten im Fall einer zügigen Verwertung des Schuldnervermögens zu enthalten (§ 152 Abs. 3 Satz 2 InsO). Neben dem Verzeichnis der Massegegenstände und dem Gläubigerverzeichnis 204 hat der Schuldner eine Vermögensübersicht gemäß § 153 InsO vorzulegen. Diese stellt – in der Praxis letztlich unter Zugrundelegung der Verzeichnisse gemäß §§ 151, 152 InsO – Aktiva der Insolvenzmasse und Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber. ___________ 177) Vgl. zu Forderungsanmeldung und Forderungsprüfung eingehend Rz. 298 ff.

63

C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

205 Die Verzeichnisse gemäß §§ 15 1 – 153 InsO hat der Schuldner gemäß § 154 InsO spätestens eine Woche vor dem Berichtstermin in der Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen. 206 Den Sachwalter trifft im Zusammenhang mit der Aufstellung der Verzeichnisse gemäß § 281 Abs. 1 Satz 2 InsO die Verpflichtung, die Verzeichnisse und die Vermögensübersicht zu prüfen und schriftlich zu erklären, ob Einwendungen gegen die vom Schuldner aufgestellten Verzeichnisse zu erheben sind. Hierbei hat der Sachwalter insbesondere auch zu berücksichtigen, ob die Vermögensübersicht bilanzrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung genügt.178) 207 Damit der Sachwalter seinen Prüfungspflichten gemäß § 281 Abs. 1 Satz 2 InsO sachgerecht nachkommen kann, ist es regelmäßig erforderlich, dass ihm die Verzeichnisse bzw. die Vermögensübersicht rechtzeitig vorgelegt werden. Den entsprechenden Zeitrahmen hierfür hat im Zweifel der Sachwalter vorzugeben.179) b) Berichterstattung gegenüber Gläubigerorganen und Insolvenzgericht 208 Als verantwortliche Person des Eigenverwaltungsverfahrens ist der Schuldner auch maßgeblich zur Berichterstattung gegenüber Gläubigern und Gericht verpflichtet. Insbesondere trifft den Schuldner gemäß § 281 Abs. 2 InsO anstelle des Insolvenzverwalters die Pflicht, im sog. Berichtstermin gemäß § 156 InsO Bericht an die Gläubiger zu erstatten, um hierdurch deren Entscheidung über den weiteren Verfahrensfortgang gemäß § 157 InsO vorzubereiten. Der Sachwalter hat zum Bericht des Schuldners gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 InsO zum Bericht des Schuldners Stellung zu nehmen. Gegenstand des Berichts des Schuldners gemäß §§ 281 Abs. 2, 156 InsO sind x

die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen,

x

die Aussichten, das Unternehmen im Ganzen oder in Teilen zu erhalten,

x

die Möglichkeiten der Erstellung eines Insolvenzplans und

x

die jeweiligen Auswirkungen für die Befriedigung der Gläubiger.

Zudem hat sich der Bericht nach § 156 InsO zum Stand der bisherigen Verfahrensabwicklung und zu den im weiteren Verfahrensverlauf erforderlichen bzw. angedachten Maßnahmen zu äußern. 209 Auch die Erstattung regelmäßiger Zwischenberichte ist in der Eigenverwaltung Aufgabe des Schuldners.180) ___________ 178) Vgl. hierzu auch Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 101. 179) Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 103. 180) Hierzu sogleich Rz. 212.

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I. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Schuldners

c) Insolvenzrechtliche Rechnungslegung sowie Schluss- und Zwischenberichterstattung Bei angeordneter Eigenverwaltung trifft den Schuldner – wie sonst den Insol- 210 venzverwalter – gemäß § 281 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 66 InsO die insolvenzrechtliche Rechnungslegungspflicht. Diese Verpflichtung zur pagatorischen Rechnungslegung, d. h. zur Rechnungslegung über sämtliche Ein- und Auszahlungsvorgänge, tritt im Insolvenzverfahren neben die handels- und steuerrechtliche Buchführungspflicht. Im Zentrum der insolvenzrechtlichen Rechnungslegungspflicht steht gemäß 211 § 66 Abs. 1 Satz 1 InsO die Verpflichtung zur Vorlage der Schlussrechnung nebst Schlussbericht bei Verfahrensabschluss. Die Vorlage einer Schlussrechnung sowie eines Schlussberichts ist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 InsO verzichtbar, sofern ein bestätigter Insolvenzplan dies vorsieht. Andernfalls hat der Schuldner einer Gläubigerversammlung Schlussrechnung zu legen; zuvor haben das Insolvenzgericht gemäß § 66 Abs. 2 InsO und der Sachwalter gemäß § 281 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 InsO die Schlussrechnung des Schuldners zu prüfen und der Sachwalter schriftlich zu erklären, ob nach dem Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind. Zudem hat das Gericht die Schlussrechnung gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 InsO dem Gläubigerausschuss zur Stellungnahme zuzuleiten und die Schlussrechnung schließlich mindestens eine Woche vor der Gläubigerversammlung mit der Stellungnahme des Sachwalters und ggf. des Gläubigerausschusses auf der Geschäftsstelle zur Einsichtnahme der Beteiligten auszulegen. Neben der erst bei Verfahrensabschluss greifenden Schlussrechnungslegungs- 212 pflicht kann die Gläubigerversammlung dem eigenverwaltenden Schuldner gemäß §§ 281 Abs. 3, 66 Abs. 3 InsO aufgeben, zu bestimmten Zeitpunkten – z. B. halbjährlich – Zwischenrechnung zu legen und Zwischenberichte (§ 79 InsO) vorzuglegen. Verzichtet die Gläubigerversammlung hierauf, so kann nach zutreffender Auffassung auch das Insolvenzgericht den Schuldner zur Zwischenrechnungslegung sowie zur Berichterstattung auffordern. Zwar kann das Recht des Gerichts, turnusmäßige Zwischenberichte nebst Zwischenrechnung anzufordern, nicht – wie im Fall des Regelinsolvenzverfahrens181) – auf die Aufsichtsbefugnisse des § 58 InsO gestützt werden, allerdings ist der Schuldner gegenüber dem Gericht bereits gemäß § 97 InsO umfassend zur Auskunftserteilung verpflichtet. Jedenfalls in der Auskunftspflicht des Schuldners liegt demnach eine ausreichende Grundlage für die gerichtlich auferlegte Zwischenberichterstattungspflicht, zumal dem Gericht ohne entsprechende Zwischenberichterstattung durch das eigenverwaltende Unternehmen auch die gemäß § 58 InsO vorgesehene Aufsicht über den Sachwalter nicht möglich wäre. ___________ 181) Vgl. z. B. Graf-Schlicker-Riedel, InsO, § 66 Rz. 11.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

d) Befugnisse des Schuldners im Zusammenhang mit der Durchführung von Gläubigerversammlungen 213 Keine nähere Regelung hat für den Fall der Anordnung der Eigenverwaltung die Einberufung und Durchführung von Gläubigerversammlungen erfahren, so dass es insoweit gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO bei den entsprechenden allgemeinen Vorschriften der §§ 74 ff. InsO verbleibt. 214 Dem Schuldner steht insoweit – letztlich unabhängig von der Anordnung der Eigenverwaltung – gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 InsO ein Teilnahmerecht an jeder Gläubigerversammlung zu. Darüber hinaus ist der Schuldner nach wohl allgemeiner Auffassung zum Antrag auf Einberufung der Gläubigerversammlung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 InsO berechtigt.182) Dies gebietet die von § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO gebotene entsprechende Anwendung des § 75 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da der Schuldner in der Eigenverwaltung letztlich – sofern nicht ausdrücklich anders geregelt – die Aufgaben des Insolvenzverwalters zu übernehmen hat. Der Schuldner ist insoweit gerade in den Fällen der Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtshandlungen gemäß §§ 276, 160 ff. InsO darauf angewiesen, die Einberufung einer Gläubigerversammlung herbeiführen zu können.183) Ob daneben auch ein Einberufungsrecht des Sachwalters anzuerkennen ist, ist umstritten (vgl. hierzu Rz. 297). Praxistipp: Die Vorbereitung einer Gläubigerversammlung wird in der Praxis oftmals unterschätzt. Gerade in kleineren oder mittleren Verfahren besteht die Gefahr, dass angesichts mangelnder Teilnahme von Gläubigern letztlich vor allem auch solche Gläubiger anwesend sind, die aus persönlichen Gründen – teils entgegen den Interessen der Gläubigergemeinschaft – die Rechte der Gläubigerversammlung instrumentalisieren wollen. Daher empfiehlt es sich, ggf. durch telefonische oder schriftliche Einladung insbesondere eine Präsenz wesentlicher und professionell agierender Gläubiger herbeizuführen. Dies gilt insbesondere für Vertreter von Finanzämtern, Sozialversicherungsträger, der Bundesagentur für Arbeit und auch von Banken. Vgl. zu Vorbereitung und Ablauf der Gläubigerversammlung eingehend: Hofmann, in: Kübler, HRI, § 16.

II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters 215 Das Amt des Sachwalters ist maßgeblich geprägt von dessen Aufsichtsfunktion und unterscheidet sich damit erheblich vom Insolvenzverwalteramt. Nur in einzelnen Bereichen übt der Sachwalter selbst die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis aus, so dass die Bestellung zum Sachwalter in vielerlei Hinsicht ein Umdenken im Vergleich zur Bestellung zum Insolvenzverwalter erfordert. ___________ 182) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 16 Rz. 8; ebenso Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, Vor §§ 270 – 285 Rz. 90; Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, 66. Lfg. 11/2015, § 75 Rz. 4; Fiebig, in: HambK-InsO, § 270 Rz. 47. 183) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 16 Rz. 8.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

1. Rechtsstellung des Sachwalters Auf den Sachwalter bzw. insbesondere auf dessen Bestellung, die Aufsicht 216 des Gerichts über ihn sowie auf Haftung und Vergütung finden gemäß § 274 Abs. 1 InsO die für den Insolvenzverwalter geltenden Vorschriften der §§ 27 Abs. 2 Nr. 5, 54 Nr. 2, 55 – 60, 62 – 65 InsO entsprechende Anwendung. Der Sachwalter ist daher – wie ein Insolvenzverwalter – Inhaber eines privaten 217 Amts und unterliegt insoweit der Aufsicht des Insolvenzgerichts. Hinsichtlich der Aufsicht des Gerichts über den Sachwalter ist indes der unterschiedliche Pflichtenkreis im Vergleich zum Insolvenzverwalter zu berücksichtigen, so dass insbesondere die Erfüllung der Kontroll- und Mitwirkungspflichten des Sachwalters der Aufsicht durch das Gericht unterliegt.184) 2. Aufgaben des Sachwalters a) Aufsicht über Geschäftsführung des Schuldners Im Zentrum der Aufgaben des Sachwalters steht gemäß § 274 Abs. 2 InsO 218 dessen Verpflichtung, die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie – im Fall der Insolvenz natürlicher Personen – die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. Zentrale Verpflichtung des Sachwalters ist damit die laufende Prüfung der 219 wirtschaftlichen Lage und die laufende Überwachung der Geschäftsführung des Schuldners bzw. des insolventen Unternehmens. Der Sachwalter ist insoweit verpflichtet, stets dafür Sorge zu tragen, dass er einen vollständigen Überblick über die aktuelle wirtschaftliche Lage und über die Geschäftsführung des Schuldners hat.185) Im Rahmen seiner Aufsicht hat der Sachwalter insbesondere die Liquiditäts-, Ertrags- und Finanzplanung des insolventen Unternehmens zu prüfen. Neben der Grundvoraussetzung rechnerischer Richtigkeit entsprechender Prognoserechnungen bezieht sich die Prüfung insbesondere auf Schlüssigkeit, auf die Einhaltung insolvenzrechtlicher Rahmenbedingungen sowie vor allem auf die Berücksichtigung sämtlicher bekannter Kosten und Risiken. Neben der ex-ante-Prüfung der Planungen des Schuldners hat der Sachwalter 220 – sozusagen im Wege eines Controlling – ex post die vorliegenden betriebswirtschaftlichen Daten dahingehend zu prüfen, inwieweit die Prognosen des Schuldners eingetreten sind. Sollte sich hieraus ergeben, dass die tatsächliche Entwicklung hinter den Planungen des Schuldners zurückgeblieben ist, hat der Sachwalter im Rahmen seiner Aufsicht darauf hinzuwirken, dass dies ggf. für die Zukunft im Rahmen der aktualisierten Liquiditäts- und Ertragsplanung Berücksichtigung findet. ___________ 184) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 274 Rz. 3. 185) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 07/2012, § 274 Rz. 73.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

221 Die Überwachung der Geschäftsführung umfasst neben der Prüfung der unternehmerischen Entscheidungen des Schuldners auf deren wirtschaftliche Zweckmäßigkeit insbesondere auch die Überprüfung des Schuldnerhandelns im Hinblick auf die Einhaltung insolvenzrechtlicher Grundsätze und Vorschriften. Insbesondere die Einhaltung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung hat der Sachwalter somit laufend zu prüfen.186) Hierdurch soll sichergestellt werden, dass nicht einzelne Insolvenzgläubiger – an den Regelungen der InsO vorbei – durch den eigenverwaltenden Schuldner fahrlässig oder vorsätzlich besser gestellt werden, indem deren Forderungen zum Beispiel in voller Höhe aus der Insolvenzmasse befriedigt werden. 222 In der Insolvenz natürlicher Personen erweitert § 274 Abs. 2 InsO die Aufsichtspflicht des Sachwalters auch auf die Ausgaben für die Lebensführung; bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, insbesondere OHG und KG, bezieht sich die Aufsichtspflicht folgerichtig auf die Angemessenheit der Höhe der laufenden Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass § 278 InsO dem Schuldner (§ 278 Abs. 1 InsO) bzw. im Fall einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit den persönlich haftenden Gesellschaftern (§ 278 Abs. 2 InsO) gestattet, die zu einer unter Berücksichtigung der bisherigen Lebensverhältnisse bescheidenen Lebensführung für sich und die in § 100 Abs. 2 Satz 2 InsO genannten Familienangehörigen erforderlichen Mittel aus der Insolvenzmasse zu entnehmen. 223 Um dem Sachwalter die Erfüllung seiner Prüfungs- und Überwachungspflichten zu ermöglichen, sieht die InsO in § 274 Abs. 2 Satz 2 InsO Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners gegenüber dem Sachwalter vor. Insoweit findet mit § 22 Abs. 3 InsO die für den vorläufigen Insolvenzverwalter geltende Vorschrift entsprechende Anwendung, so dass der Sachwalter letztlich dieselben Auskunftsrechte gegenüber dem Schuldner hat wie ein vorläufiger Insolvenzverwalter. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechte des Sachwalters bzw. hiermit korrelierende (Duldungs-)Pflichten des Schuldners: x

Recht zum Betreten der Geschäftsräume des Schuldners und zum Anstellen von Nachforschungen in den Geschäftsräumen (§§ 274 Abs. 2 Satz 2, 22 Abs. 3 Satz 1 InsO);

x

Einsichtsrecht betreffend Buchführung und Geschäftspapiere (§§ 274 Abs. 2 Satz 2, 22 Abs. 3 Satz 2 InsO);

x

Pflicht des Schuldners zur Auskunftserteilung und zur Unterstützung des Sachwalters bei der Erfüllung seiner Aufgaben (§§ 274 Abs. 2 Satz 2, 22 Abs. 3 Satz 3 InsO), wobei hierbei die für die Auskunftspflicht des Schuldners gegenüber dem Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren maßgeblichen Vorschriften der §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1,

___________ 186) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 07/2012, § 274 Rz. 71.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

Satz 2, Abs. 2 InsO entsprechend gelten, so dass insbesondere auch eine Erzwingung der entsprechenden Pflichten des Schuldners bzw. der Organe des Schuldners zulässig ist. Eine Erzwingung der Pflichten des Schuldners, beispielsweise durch Vor- 224 führung und Verhaftung des Schuldners bzw. seiner Geschäftsleiter, sollte freilich in Fällen der Eigenverwaltung nicht erforderlich sein. Kommen die verantwortlichen Personen des insolventen Unternehmens ihren Pflichten gegenüber dem Sachwalter bzw. dem Gericht nicht nach, wird dies vielmehr ein Umstand sein, der den Sachwalter zur Nachteilsanzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO veranlasst.187) b) Mitwirkung an Rechtsgeschäften des Schuldners Ein wesentliches Mittel zur Intensivierung der Aufsicht über den Schuldner 225 und seine Geschäftsführung ist die in §§ 275, 277 InsO vorgesehene Mitwirkung des Sachwalters an den Rechtsgeschäften des Schuldners. aa) Mitwirkung gemäß § 275 Abs. 1 InsO An der Begründung von Verbindlichkeiten wirkt der Sachwalter nach Maß- 226 gabe des als Soll-Vorschrift ausgestalteten § 275 Abs. 1 InsO mit. § 275 Abs. 1 InsO erfasst dabei nicht nur vom Schuldner einzugehende Zahlungsverpflichtungen, sondern auch Liefer- und Herstellungsverpflichtungen; auch ist nicht maßgeblich, ob die Abwicklung im Rahmen eines Bargeschäfts oder auf Ziel erfolgt.188) Das Maß der Mitwirkung des Sachwalters knüpft § 275 Abs. 1 InsO hierbei – 227 angelehnt an die vergleichbare Verteilung der Geschäftsführungsbefugnis in der OHG gemäß § 116 HGB – daran, ob die einzugehende Verbindlichkeit zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört oder aber außergewöhnlich ist. Nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörende Verbindlichkeiten soll der Schuldner demnach gemäß § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen. Verpflichtungen im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs soll der Schuldner nach § 275 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht gegen den Widerspruch des Sachwalters eingehen. Die im Fall außergewöhnlicher Geschäfte vorgesehene vorherige Zustim- 228 mung des Sachwalters hat der Schuldner demnach selbst einzuholen.189) Andernfalls liefe der Zweck des Zustimmungserfordernisses, außergewöhnliche Rechtsgeschäfte eben mit dem Sachwalter abzustimmen, völlig leer.190) In Eilfällen, die im Fall außergewöhnlicher Geschäfte eher selten sein dürften, ___________ 187) 188) 189) 190)

Vgl. zur Nachteilsanzeige Rz. 288 ff. Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 6. Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 47 m. w. N. Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 12.

69

C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

darf der Schuldner ohnehin angesichts der Ausgestaltung als Soll-Vorschrift ausnahmsweise ohne die vorherige Zustimmung handeln. Außergewöhnliche Geschäfte191) sind insbesondere x

die Veräußerung und Belastung von Grundeigentum,

x

die Aufnahme von Darlehen,

x

der Verzicht auf Forderungen,

x

Geschäfte außerhalb des eigentlichen Unternehmensgegenstands und

x

besonders schwerwiegende Geschäfte, die nach Art und Umfang die bisherige unternehmerische Tätigkeit übersteigen.

229 Die Abgrenzung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäften erfolgt anhand einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalles.192) Bei Zweifeln an der Gewöhnlichkeit eines Geschäfts sollte der Sachwalter entsprechend eingebunden werden.193) Praxistipp: Um – ggf. nachträglichen – Streitigkeiten über die Abgrenzung bereits frühzeitig vorzubeugen, empfiehlt es sich, bereits unmittelbar zu Beginn der (vorläufigen) Eigenverwaltung neben offensichtlich außergewöhnlichen Geschäften auch eine Wertgrenze zwischen Schuldner und Sachwalter zu vereinbaren, bei deren Überschreitung einvernehmlich von der Außergewöhnlichkeit der zu begründenden Verpflichtung ausgegangen wird.194)

230 Der Sachwalter handelt anlässlich der Erteilung von Zustimmungen wie auch bei der Ausübung seines Widerspruchsrechts gemäß § 275 Abs. 1 InsO in eigener Verantwortung und ausschließlich nach pflichtgemäßem Ermessen,195) wobei er sich maßgeblich am Zweck des Verfahrens zu orientieren hat. Weisungen des Gläubigerausschusses, der Gläubigerversammlung oder des Insolvenzgerichts unterliegt er insoweit nicht.196) 231 Begründet der Schuldner eine Verpflichtung ohne die gemäß § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO erforderliche Zustimmung des Sachwalters oder gegen dessen Widerspruch gemäß § 275 Abs. 1 Satz 2, so berührt dies die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht.197) Ausnahmsweise kann ein Rechtsgeschäft, das der Schuldner unter Verstoß gegen § 275 Abs. 1 InsO abschließt, jedoch gemäß ___________ Vgl. hierzu auch Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 46. Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 46. Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 46. Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 46. Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 48. Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 48, die zutreffend darauf hinweisen, dass der Sachwalter in Fällen nicht pflichtgemäßer Ausübung seiner Befugnisse gemäß § 275 Abs. 1 InsO freilich der Aufsicht des Gerichts gemäß § 58 InsO unterliegt. 197) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 50. 191) 192) 193) 194) 195) 196)

70

II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

§ 138 Abs. 1 BGB wegen kollusiven Zusammenwirkens mit dem Vertragspartner zum Nachteil seiner Gläubiger oder wegen offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig sein.198) Indes verletzt der Schuldner bei Begründung von Verbindlichkeiten ohne die 232 Zustimmung bzw. gegen einen Widerspruch des Sachwalters die zum Schutz der Gläubiger gesetzlich vorgesehene Kompetenzenverteilung der §§ 270 ff. InsO. Der eigenverwaltende Schuldner riskiert damit eine Nachteilsanzeige des Sachwalters gemäß § 274 Abs. 3 InsO und letztlich sogar eine Diskussion über die Beendigung der Eigenverwaltung gemäß § 272 InsO.199) Zudem kommt in derartigen Fällen auch die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 InsO in Betracht. bb) Zustimmungsbedürftigkeit aufgrund gerichtlicher Anordnung gemäß § 277 InsO Im Gegensatz zur Mitwirkung des Sachwalters gemäß § 275 Abs. 1 InsO sieht 233 § 277 InsO eine echte Beschränkung der Verfügungsmacht des Schuldners im Außenverhältnis vor. Eine gemäß § 277 Abs. 1, Abs. 2 InsO angeordnete Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte führt daher – im Fall des Nichtvorliegens der Zustimmung – zur Unwirksamkeit des entsprechenden Rechtsgeschäfts.200) (1) Gegenstand der Zustimmungsbedürftigkeit Gegenstand eines Zustimmungsvorbehalts gemäß § 277 InsO haben bestimmte 234 Rechtsgeschäfte des Schuldners zu sein. Inhaltliche Vorgaben daran, welche Rechtsgeschäfte die Anordnung konkret 235 erfassen darf, macht § 277 InsO nicht, so dass jegliches Rechtsgeschäft des Schuldners Gegenstand der Anordnung sein kann. Der Zustimmungsvorbehalt ist damit – anders als z. B. im Fall des Zustimmungsvorbehalts im Eröffnungsverfahren gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO – nicht auf Verfügungen des Schuldners beschränkt, sondern kann auch Verpflichtungsgeschäfte oder sonstige Rechtsgeschäfte erfassen. Allerdings ergeben sich aus § 277 InsO Einschränkungen hinsichtlich des 236 Gegenstands der Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit in zweierlei Hinsicht: Zum einen muss das Gericht bereits aus Gründen der Rechtsklarheit den Bestimmtheitsgrundsatz wahren und die entsprechend erfassten Rechtsgeschäfte hinreichend bestimmt benennen. Im Anordnungsbeschluss ist die zustimmungsbedürftige Rechtshandlung derart genau zu umschreiben, dass der Rechtsverkehr ohne Berücksichtigung weiterer Unterlagen oder Umstände ___________ 198) Vgl. hierzu Rz. 135 sowie Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 50 m. w. N. 199) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 49. 200) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 277 Rz. 10.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

zweifelsfrei feststellen kann, welche Geschäfte dem Zustimmungsvorbehalt unterliegen.201) Zum anderen verbietet § 277 InsO die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit für sämtliche Rechtsgeschäfte, da hierdurch der Charakter der Eigenverwaltung in sein Gegenteil verkehrt würde und der Schuldner gerade nicht mehr selbst über die Insolvenzmasse verfügen kann. 237 Beispiele für denkbare Zustimmungsvorbehalte gemäß § 277 InsO können sein: x

Verpflichtungsgeschäfte und Verfügungen betreffend unbewegliches Vermögen und betreffend wesentliche Betriebsgrundlagen, wobei letztere konkret zu benennen sind;

x

Abschluss von Verträgen, die Zahlungspflichten in verhältnismäßig erheblicher Höhe zur Folge haben, wobei die entsprechende betragsmäßige Grenze konkret zu benennen ist, um das Bestimmtheitserfordernis gemäß § 277 Abs. 1 InsO zu wahren;

x

Leistung bzw. Entgegennahme von Zahlungen ab einer bestimmten Höhe;

x

Ausübung bestimmter insolvenzrechtlicher Sonderrechte des eigenverwaltenden Schuldners, z. B. Erklärung der Erfüllungswahl gemäß § 103 Abs. 1 InsO (ggf. i. V. m. § 105 InsO).

(2) Anordnungsvoraussetzungen 238 Nach dem Gesetzeswortlaut findet die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit zunächst auf Antrag der Gläubigerversammlung gemäß § 277 Abs. 1 InsO statt. Der entsprechende Antrag ist im Wege eines entsprechenden Beschlusses der Gläubigerversammlung zu stellen, wobei der Beschluss mit der (einfachen) Forderungsmehrheit zustande kommt (vgl. § 76 Abs. 2 InsO). Über den Antrag der Gläubigerversammlung hinaus hat die Anordnung in diesem Fall keine Voraussetzung. Insbesondere eine inhaltliche Prüfung der Erforderlichkeit eines entsprechenden Zustimmungsvorbehalts sieht die InsO insoweit nicht vor. Eine inhaltliche Überprüfung ermöglicht insoweit allenfalls ein in der Gläubigerversammlung gestellter Antrag auf Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung nach § 78 InsO. 239 Insbesondere für Eilfälle lässt § 277 Abs. 2 InsO auch den Antrag eines absonderungsberechtigten Gläubigers oder Insolvenzgläubigers auf Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit zu. Voraussetzung des Antrags eines einzelnen Gläubigers ist die Unaufschiebbarkeit der beantragten Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit zur Vermeidung von Nachteilen für die Gläubiger. Die Unaufschiebbarkeit bzw. die andernfalls drohenden Nachteile für die Gläubiger hat der Antragsteller gemäß § 277 Abs. 2 Satz 2 InsO glaubhaft zu machen; andernfalls ist sein Antrag unzulässig. Das Gericht hat im ___________ 201) Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 277 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 277 Rz. 10; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 277 Rz. 4.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

Fall eines zulässigen Antrags die Unaufschiebbarkeit und Erforderlichkeit der Anordnung eines entsprechenden Zustimmungsvorbehalts von Amts wegen zu prüfen, wobei insoweit ein tatrichterlicher Einschätzungsspielraum besteht. Nicht ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist eine Anordnung der Zustim- 240 mungsbedürftigkeit von Amts wegen, die insbesondere bereits im Rahmen des Eröffnungsbeschlusses im Zuge der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO erfolgt. Die Zulässigkeit entsprechender Anordnungen von Amts wegen ist in Literatur und Rechtsprechung weithin umstritten.202) Aus Sicht des Verfassers sprechen insbesondere die Bedürfnisse der Praxis an einem von Anfang an effektiven Schutz der Gläubiger und das Interesse an einer Stärkung des Vertrauens der Verfahrensbeteiligten in die Eigenverwaltung für die Zulässigkeit entsprechender Anordnungen von Amts wegen im Zeitraum zwischen der Verfahrenseröffnung und der ersten Gläubigerversammlung.203) Die Anordnungskompetenz gründet sich in diesen Fällen auf eine analoge Anwendung von §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 277 Abs. 1 InsO.204) Die Anordnungskompetenz endet letztlich jedoch mit der ersten Gläubigerversammlung, die sodann die entsprechenden von Amts wegen angeordneten Zustimmungsvorbehalte gemäß § 277 Abs. 1 InsO bestätigen oder – als actus contrarius – letztlich auch die Aufhebung der Zustimmungsvorbehalte beantragen kann. Hintergrund der Anordnungskompetenz für den Zeitraum zwischen Verfahrenseröffnung und erster Gläubigerversammlung ist letztlich auch die Erwägung, dass eine entsprechende Anordnung letztlich als Minus gegenüber einer andernfalls aus Sicht des Gerichts ggf. nötigen Ablehnung der Eigenverwaltung zulässig sein muss.205) (3) Verfahren Liegen die Voraussetzungen der Anordnung vor, so erfolgt die Anordnung 241 der Zustimmungsbedürftigkeit durch Beschluss des Insolvenzgerichts. § 277 Abs. 3 Satz 1 InsO sieht die öffentliche Bekanntmachung der Anord- 242 nung vor. Die Anordnung ist zudem im Handelsregister oder in ähnlichen Registern einzutragen (§§ 277 Abs. 3 Satz 2, 31 InsO). Erfasst die Zustimmungsbedürftigkeit das Recht zur Verfügung über ein Grundstück, ein eingetragenes Schiff, Schiffsbauwerk oder Luftfahrzeug, ein Recht an einem solchen Gegenstand oder ein Recht an einem solchen Recht, so gelten gemäß § 277 ___________ 202) Vgl. hierzu ausführlich bereits Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 67 ff. 203) Ebenso nunmehr Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 277 Rz. 3; so bereits Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 67 ff.; vgl. zu entsprechenden Fällen in der insolvenzgerichtlichen Rechtsprechung z. B. AG Duisburg, Beschl. v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02, ZIP 2002, 1636 – „Babcock Borsig AG“; AG München, Beschl. v. 14.6.2002 – 1502 IN 879/02, n. v. – „KirchMedia GmbH & Co. KGaA“. 204) Vgl. hierzu z. B. auch AG Duisburg, Beschl. v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02, ZIP 2002, 1636 – „Babcock Borsig AG“. 205) So zutreffend Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 277 Rz. 3.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

Abs. 3 Satz 3 InsO auch die Vorschriften der §§ 32, 33 InsO betreffend die Eintragung im Grundbuch und anderen öffentlichen Registern entsprechend. (4) Rechtsfolgen der Anordnung 243 Ordnet das Gericht die Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 InsO an, so hat dies – anders als im Fall der in § 275 Abs. 1 InsO vorgesehenen Mitwirkungsbefugnisse des Sachwalters – Wirkung im Außenverhältnis. Schließt der eigenverwaltende Schuldner ein Rechtsgeschäft entgegen der Anordnung ohne die erforderliche Zustimmung des Sachwalters ab, so führt dies gemäß § 277 Abs. 1 Satz 1 InsO zur absoluten Unwirksamkeit des Geschäfts.206) Ein Gutglaubensschutz findet – neben den Fällen unterbliebener Eintragung im Grundbuch oder anderen öffentlichen Registern (vgl. §§ 277 Abs. 1 Satz 2, 81 Abs. 1 Sätze 2 und 3 InsO) – nur im Fall der schuldbefreienden Leistung an den Schuldner in nachgewiesener Unkenntnis des Zustimmungsvorbehalts (§§ 277 Abs. 1 Satz 2, 82 InsO) statt. 244 Die gemäß § 277 InsO kraft gerichtlicher Anordnung erforderliche Sachwalterzustimmung kann sowohl als Einwilligung vor dem Geschäft wie auch als Genehmigung nach dem – in diesem Fall zunächst schwebend unwirksamen – Geschäft erteilt werden.207) 245 Stimmt der Sachwalter im Rahmen einer Anordnung nach § 277 InsO der Begründung von Masseverbindlichkeiten zu, so trifft ihn im Fall der Nichterfüllbarkeit der Masseverbindlichkeit gemäß §§ 277 Abs. 1 Satz 3, 61 InsO dieselbe Haftung wie einen Insolvenzverwalter. (5) Aufhebung des Zustimmungsvorbehalts gemäß § 277 Abs. 1, Abs. 2 InsO 246 Nach Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 Abs. 1 bzw. Abs. 2 InsO hat es freilich nicht auf Dauer bei dieser Anordnung zu verbleiben. Aufgrund der gerade auch in § 277 InsO zum Ausdruck gekommenen Gläubigerautonomie ist eine Aufhebung des Zustimmungsvorbehalts analog § 277 Abs. 1 InsO bei entsprechender Beschlussfassung der Gläubigerversammlung geboten. § 277 Abs. 1 InsO bringt gerade zum Ausdruck, dass die Gläubigerversammlung in jeder Lage des Verfahrens bzw. der Eigenverwaltung die Entscheidungskompetenz darüber haben soll, in welchem Umfang der Schuldner zur Wirksamkeit seines Handelns die Zustimmung des Sachwalters benötigt. Dies gilt neben der Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit als actus contrarius auch für die Aufhebung dieser Anordnung, die das Gericht in der Folge ebenfalls durch analog § 277 Abs. 3 InsO zu veröffentlichenden Beschluss vorzunehmen hat. Eine entsprechende Aufhebung hat ___________ 206) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 277 Rz. 10 m. w. N. 207) Ebenso Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 65; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 28. Lfg. 03/2007, § 277 Rz. 27.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

hierbei auch in denjenigen Fällen zu erfolgen, in denen die Anordnung gemäß § 277 Abs. 2 InsO auf Antrag eines einzelnen Gläubigers oder ggf. analog § 277 InsO von Amts wegen erfolgt war. cc) Einvernehmen im Rahmen insolvenzrechtlicher Sonderrechte des Schuldners Neben den in §§ 275 Abs. 1, 277 InsO geregelten Fällen der Mitwirkung des 247 Sachwalters an der Geschäftsführung bzw. den Verfügungen des Schuldners sieht die InsO insbesondere auch im Zusammenhang mit den insolvenzrechtlichen Sonderrechten des Schuldners in der Eigenverwaltung bestimmte Mitwirkungshandlungen des Sachwalters vor. Dies erfasst insbesondere die Fälle des Einvernehmens gemäß § 279 Satz 2 248 InsO im Fall der Ausübung der Rechte des Schuldners im Zusammenhang mit der Erfüllung der Rechtsgeschäfte gemäß §§ 103 ff. InsO. Das Einvernehmen ist hierbei – wie die Mitwirkung gemäß § 275 Abs. 1 InsO – als rein internes Einvernehmenserfordernis ausgestaltet, so dass die Nichteinholung des Einvernehmens des Sachwalters aus Sicht des Schuldners eine Verletzung seiner aus der Kompetenzenverteilung der §§ 270 ff. InsO folgenden Pflichten darstellt. Die Wirksamkeit der entsprechenden Erklärungen des Schuldners berührt dies indes nicht. Lediglich die in § 279 Satz 3 InsO vorgesehene Zustimmung des Sachwalters 249 zu bestimmten kollektivarbeitsrechtlichen Erklärungen bzw. Verfahrenshandlungen entfaltet Außenwirkung. Erfasst von dem dort genannten Zustimmungserfordernis sind indes lediglich die Kündigung von Betriebsvereinbarungen gemäß § 120 InsO, die Beantragung der gerichtlichen Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung gemäß § 122 InsO sowie die Einleitung des Beschlussverfahrens gemäß § 126 InsO. Einen weiteren Fall der Mitwirkung des Sachwalters an insolvenzrechtlich 250 begründeten Sonderbefugnissen des Schuldners nennt § 282 Abs. 2 InsO. Demnach soll der Schuldner das Recht zur Verwertung oder zur anderweitigen Nutzung von Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen, im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben. Die Erteilung des Einvernehmens gemäß § 279 Satz 2 InsO bzw. § 282 Abs. 2 251 InsO oder der Zustimmung gemäß § 279 Satz 3 InsO liegt in sämtlichen Fällen im pflichtgemäßen Ermessen des Sachwalters. Der Sachwalter hat seine Entscheidung hierbei ausschließlich an den Interessen der Gläubiger auszurichten. Dass der Schuldner seine insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse in den Fällen 252 des § 279 Satz 2 InsO bzw. § 282 Abs. 2 InsO letztlich wirksam auch ohne das dort vorgesehene Einvernehmen des Sachwalters ausüben kann, ist nicht per se kritikwürdig, da dies schlichtweg die Umsetzung der Kompetenzenverteilung in der Eigenverwaltung ist. Stößt dies im konkreten Einzelfall auf Vorbehalte der Gläubiger, so ist dem ggf. durch entsprechende Anträge der

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

Gläubigerversammlung bzw. einzelner Gläubiger auf Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 Abs. 1, Abs. 2 InsO zu begegnen.208) dd) Mitwirkung des Sachwalters an Änderungen in der Besetzung des Geschäftsleitungsorgans einer juristischen Person (§ 276a Satz 2 InsO) 253 Seit Inkrafttreten des ESUG wurde der Umfang der Mitwirkung des Sachwalters an Rechtshandlungen des Schuldners mit § 276a Satz 2 InsO um einen Fall erweitert. § 276a Satz 2 InsO sieht insoweit die Zustimmung des Sachwalters zur Abberufung bzw. Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung vor. 254 Gesetzgeberisches Ziel der Regelung des § 276a Satz 2 InsO war insbesondere die Verhinderung eines missbräuchlichen Austauschs der Geschäftsleitung; zugleich soll hierdurch – auch in Zusammenschau mit den Regelungen des § 276a Satz 1 InsO – eine Unabhängigkeit des Geschäftsleitungsorgans in der Eigenverwaltung von den übrigen Gesellschaftsorganen erreicht werden.209) Ohne die entsprechende Zustimmung sind Abberufung bzw. Neubestellung nicht wirksam, was insbesondere auch das zuständige Registergericht zu berücksichtigen hat. 255 § 276a Satz 3 InsO legt dem Sachwalter eine Pflicht zur Zustimmungserteilung auf, wenn die beabsichtigte Abberufung bzw. Neubestellung nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt. Im Übrigen hat der Sachwalter über die Erteilung der Zustimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. 256 Der Sachwalter hat die entsprechende Zustimmung gegenüber dem für die Abberufung bzw. Bestellung des Geschäftsleitungsmitglieds zuständigen Gesellschaftsorgan zu erteilen, d. h. gegenüber dem Aufsichtsrat, der Gesellschafterversammlung bzw. ggf. einem anderen satzungsmäßig zuständigen Organ.210) c) Konten- und Kassenführungsrecht (§ 275 Abs. 2 InsO) 257 Ein wesentliches Instrument zur Intensivierung der Aufsicht des Sachwalters über die Geschäftsführung des Schuldners ist das in § 275 Abs. 2 InsO verankerte Kassenführungsrecht des Sachwalters. Demnach kann der Sachwalter vom Schuldner verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur vom Sachwalter entgegengenommen und Zahlungen nur vom Sachwalter geleistet werden. Das Kassenführungsrecht dient insoweit – neben der hierdurch ausgeübten Aufsicht – insbesondere auch der Gewinnung des Vertrauens der beteiligten

___________ 208) So auch Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 86. 209) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 70. 210) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 70.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

Gläubiger.211) Dies gilt insbesondere für diejenigen Gläubiger, die nicht bereits eng in die Vorbereitung des Insolvenzverfahrens bzw. in den Sanierungsprozess eingebunden wurden.212) aa) Inanspruchnahme der Kassenführung Die Inanspruchnahme der Kassenführung steht im pflichtgemäßen Ermes- 258 sen des Sachwalters.213) Ein konkreter Anlass, insbesondere eine Besorgnis des Missbrauchs der Kassenführung durch den Schuldner, oder auch eine Begründung setzt die Inanspruchnahme der Kassenführung nicht voraus.214) Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Kassenführung vorwiegend auch der Erlangung des Vertrauens der Gläubiger und Vertragspartner des insolventen Unternehmens dienen kann. Die Übernahme der Kassenführung erfolgt durch entsprechende, nicht form- 259 bedürftige Erklärung des Sachwalters gegenüber dem Schuldner. Eine gerichtliche Übertragung der Kassenführung auf den Sachwalter sieht § 275 Abs. 2 InsO indes nicht vor, so dass eine solche gerade auch nicht zulässig ist, da die InsO diese Kassenführungsbefugnis ausdrücklich in den Aufgabenbereich des Sachwalters legt.215) Auch ist eine gerichtliche Anweisung an den Sachwalter, die Kassenführung zu übernehmen, nach hier vertretener Auffassung von der gerichtlichen Aufsicht gemäß §§ 274 Abs. 1, 58, 59 InsO nicht umfasst.216) Insoweit sehen §§ 58, 59 InsO für Fälle der Verletzung von Pflichten des Sachwalters lediglich die Möglichkeit vor, gemäß § 58 Abs. 2 InsO ein Zwangsgeld anzudrohen bzw. festzusetzen bzw. den Sachwalter gemäß § 59 InsO als ultima ratio aus wichtigem Grund zu entlassen. Fachliche Weisungen an den Sachwalter sind daher unmittelbar nicht zulässig, indes kommt letztlich eine mittelbare Weisung im Rahmen einer Zwangsgeldandrohung für den Fall der Fortsetzung eines seitens des Gerichts als pflichtwidrig eingeordneten Verhaltens in Betracht.

___________ 211) Kolmann, Schutzschirmverfahren, Rz. 443; ebenso Braun-Riggert, InsO, § 275 Rz. 14, 15, der indes zugleich zutreffend darauf hinweist, dass gerade in größeren Eigenverwaltungsfällen die Überleitung des Zahlungsverkehrs mit Tausenden von Zahlungsvorfällen auf Anderkonten objektiv kaum zur Gewinnung von Vertrauen beitragen dürfte. 212) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 62. 213) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 275 Rz. 5. 214) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 52; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 18. 215) Anders wohl AG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2014 – 67b IN 196/14, ZIP 2014, 2101 = ZInsO 2014, 2390; sowie Frind, ZInsO 2015, 22, 24; wie hier: AG Hannover, Beschl. v. 8.5.2015 – 909 IN 264/15, ZIP 2015, 1893; Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 52; ebenso wohl Braun-Riggert, InsO, § 275 Rz. 13. 216) In diesem Sinne wohl Frind, ZInsO 2015, 22, 24.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

bb) Rechtliche Konsequenzen 260 Übernimmt der Sachwalter die Kassenführung, so handelt er nach h. M. hinsichtlich des Zahlungsverkehrs als gesetzlicher Vertreter des Schuldners.217) Indes verdrängt der Sachwalter auch bei Inanspruchnahme der Kassenführung den Schuldner bzw. dessen Organe nicht aus der Verfügungsmacht.218) Dies bedeutet insbesondere, dass x

der eigenverwaltende Schuldner weiterhin wirksam über Gelder der Insolvenzmasse verfügen kann,

x

Drittschuldner weiterhin schuldbefreiend an das insolvente Unternehmen leisten können und

x

der Sachwalter letztlich sämtliche vom Schuldner begründete Masseverbindlichkeiten bei Fälligkeit zu befriedigen hat.219)

261 Gleichwohl gewährleistet die Übernahme der Kassenführung in verschiedener Hinsicht einen wirksamen Schutz der Insolvenzmasse: So kann der Sachwalter den Schuldner letztlich durch die Überleitung des Zahlungsverkehrs auf ein Ander- bzw. Treuhandkonto faktisch gleichwohl von der Verfügung über die liquiden Mittel der Insolvenzmasse ausschließen, wobei die Einrichtung von Ander- und Treuhandkonten insoweit nach zutreffender, wenngleich streitiger Ansicht zulässig ist.220) Dies ändert zwar nichts daran, dass der Sachwalter zur Befriedigung der vom Schuldner begründeten Masseverbindlichkeiten verpflichtet ist.221) Allerdings können masseschmälernde Auszahlungen durch Sicherung der Liquidität auf einem Ander- oder Treuhandkonto vermieden werden. Dies gilt beispielsweise bei Besorgnis von Verletzungen des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes durch Bezahlung von Insolvenzforderungen oder bei Besorgnis übermäßiger Entnahmen für Zwecke der Lebensführung des Schuldners. Denn der Sachwalter unterliegt im Fall der Übernahme der Kassenführung insoweit – wenngleich er gesetzlicher Vertreter des Schuldners wird – gerade nicht den Weisungen des Schuldners.222) Auch kann die Übernahme der Kassenführung in Fällen befürchteter oder drohender Masseunzulänglichkeit die dem Sachwalter obliegende laufende Prüfung der Massezulänglichkeit gemäß § 285 InsO und nach Anzeige der

___________ 217) Vgl. z. B. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 28. Lfg. 03/2007, § 275 Rz. 26; BraunRiggert, InsO, § 275 Rz. 11; Fiebig, in: HambK-InsO, § 275 Rz. 13; UhlenbruckZipperer, InsO, § 275 Rz. 8; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 19. 218) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 20 m. w. N. 219) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 28. Lfg. 03/2007, § 275 Rz. 28. 220) Ebenso Fiebig, in: HambK-InsO, § 275 Rz. 15; a. A. Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 275 Rz. 7. 221) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 28. Lfg. 03/2007, § 275 Rz. 28. 222) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 28. Lfg. 03/2007, § 275 Rz. 26 m. w. N.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

Masseunzulänglichkeit die Einhaltung der Befriedigungsrangfolge des § 209 InsO erleichtern.223) cc) Modifizierte Kassenführung In der Insolvenz mittlerer oder größerer Unternehmen stellt die Übernahme 262 des Zahlungsverkehrs Schuldner wie auch Sachwalter vor erhebliche organisatorische Herausforderungen, so dass ggf. eine modifizierte Kassenführung durch den Sachwalter angezeigt erscheint.224) Angesichts der Vielzahl der abzuwickelnden Zahlungsvorgänge erfordert es – auch unter Berücksichtigung weiterer in die Betriebsfortführung eingebundener Mitarbeiter der Kanzlei des Sachwalters – einen erheblichen Koordinationsaufwand, die einzelnen Vorgänge innerhalb einer für Zwecke der Betriebsfortführung sinnvollen Zeitspanne hinreichend zu prüfen und freizugeben. Will der Sachwalter letztlich nicht nur ihm vom insolventen Unternehmen vorgelegte Zahlungslisten „abnicken“, lassen sich ggf. zeitliche Verzögerungen nicht ausschließen, was wiederum eine Gefahr für die Betriebsfortführung als solche darstellt. Insoweit haben die Beteiligten zu beachten, dass § 275 Abs. 2 InsO gerade keine Verpflichtung zur Übernahme der Kassenführung beinhaltet und zudem auch nicht ausschließlich die vollständige Übernahme der Konten- und Kassenführung vorsieht, was zumal im Falle von bargeschäftsintensiven Unternehmen eine Geschäftstätigkeit unmöglich machen würde. Daher sollte die Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO nach Auffassung 263 des Verfassers in jedem Einzelfall – gerade aber im Fall der Fortführung mittlerer und größerer Unternehmen – zwischen dem Sachwalter und dem Schuldner abgestimmt werden. Insoweit kann letztlich der alltägliche Zahlungsverkehr auf Grundlage entsprechender Liquiditätsplanungen beim insolventen Unternehmen verbleiben, so dass die Zahlungen im Wesentlichen und damit in der absolut überwiegenden Zahl der Fälle weiterhin ausschließlich im insolventen Unternehmen ausgelöst werden. Praxistipp: Die abzustimmende oder ggf. vom Sachwalter vorzugebende Vorgehensweise der modifizierten Kassenführung kann zum Beispiel folgendermaßen aussehen: x Eingehende Gelder nimmt – soweit es sich nicht um Barzahlungen handelt – ausschließlich der Sachwalter entgegen. Der Schuldner verwendet dementsprechend für Zwecke des Forderungseinzugs ausschließlich das Anderbzw. Treuhandkonto des Sachwalters. x Zahlungen ab einer bestimmten Größenordnung im Einzelfall oder ggf. ab einem bestimmten täglichen/wöchentlichen Volumen leistet nur der vorläufige Sachwalter.

___________ 223) Ähnlich Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 52. 224) Vgl. hierzu bereits Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 70 ff.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren x Im Übrigen verbleibt das Kassenführungsrecht beim insolventen Unternehmen. Der Sachwalter stattet das insolvente Unternehmen entsprechend der zuvor abgestimmten bzw. geprüften Liquiditätsplanung mit entsprechenden Beträgen aus, über welche der Schuldner auf eigenen Konten verfügen darf. x Den entsprechenden Zahlungsverkehr kontrolliert der Sachwalter (nachträglich) im Rahmen der Prüfung der ihm vorzulegenden laufenden Buchhaltung, wobei insbesondere die Einhaltung der zuvor abgestimmten Planzahlen von Bedeutung ist.

264 Einerseits kann das insolvente Unternehmen im Tagesgeschäft hierdurch nahezu frei agieren, andererseits versetzt die vorgeschlagene modifizierte Kassenführung den Sachwalter in die Lage, die liquide Insolvenzmasse weitestgehend zu sichern. 265 Im Vergleich zur vollständigen Übernahme der Kassenführung birgt die modifizierte Kassenführung letztlich nur das Risiko, dass der Schuldner entgegen der mit dem Sachwalter erfolgten Abstimmung Zahlungen leistet, die im Widerspruch zu den Gläubigerinteressen stehen. Dies betrifft z. B. masseschmälernde Zahlungen auf Insolvenzforderungen. Dieses Risiko sollte indes bereits angesichts der Kooperation zwischen Schuldner und Sachwalter nur theoretischer Art sein, zumal das Risiko gerade aufgrund der begrenzten Liquiditätsausstattung des insolventen Unternehmens jedenfalls betragsmäßig begrenzt ist. d) Insolvenzanfechtung und Haftung (§ 280 InsO) 266 Einen Bereich, in dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis trotz Anordnung der Eigenverwaltung nicht beim Schuldner liegt, sondern beim gerichtlich bestellten Sachwalter, benennt § 280 InsO. Die Vorschrift überträgt ausschließlich dem Sachwalter die Kompetenz, die Haftung gemäß §§ 92, 93 InsO für die Insolvenzmasse sowie die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen gemäß §§ 129 ff. InsO geltend zu machen. Hintergrund der Regelung ist die Vermeidung einer andernfalls beim eigenverwaltenden Schuldner bzw. dessen Organen entstehende Konfliktlage.225) Durch die Zuweisung der Aufgaben an den Sachwalter soll insoweit Missbräuchen vorgebeugt und das Vertrauen der beteiligten Gläubiger gestärkt werden. aa) Gegenständlicher Aufgabenbereich (1) Gesamtschäden (§ 92 InsO) und Gesellschafterhaftung (§ 93 InsO) 267 Zunächst nennt § 280 InsO unter Verweis auf §§ 92, 93 InsO die Geltendmachung der dort genannten Haftung als Aufgabe des Sachwalters. §§ 92, 93 InsO erfassen originäre Ansprüche der Insolvenzgläubiger – nämlich aus Haftung für Gesamtschäden (§ 92 InsO) sowie aus der Haftung persönlich haftender Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten (§ 93 InsO) – und ___________ 225) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 280 Rz. 1.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

weisen die hieraus zu erlangenden Erlöse der Insolvenzmasse zu. Beide Vorschriften bezwecken die Förderung der Gläubigergleichbehandlung und die Vermeidung einer Massearmut trotz ausreichenden gemeinschaftlichen Gläubigeransprüchen.226) Insbesondere ein Wettlauf der einzelnen Gläubiger soll durch die Ermächtigung des Insolvenzverwalters bzw. – gemäß § 280 InsO – des Sachwalters unterbunden werden. (a) Gesamtschaden (§ 92 InsO) Die Geltendmachung von Gesamtschäden gemäß § 92 InsO umfasst letzt- 268 lich jegliche Schäden, die den Insolvenzgläubigern in ihrer Gemeinschaft oder – als sog. Teilgesamtschaden227) – einem bestimmten Teil der Insolvenzgläubiger entstanden sind. Die hieraus den Gläubigern zustehenden Schadensersatzansprüche dienen letztlich dem Ersatz des sog. Quotenverschlechterungsschadens.228) Demgegenüber erfasst § 92 InsO nicht solche Schadensersatzansprüche, die den Ersatz von Individualschäden zulasten einzelner Gläubiger zum Gegenstand haben.229) Beispiele230) für die Anwendung von §§ 92, 280 InsO sind damit insbesondere 269 Ansprüche x

aus der Haftung des Insolvenzverwalters bzw. Sachwalters gemäß § 60 InsO und der Gläubigerausschussmitglieder gemäß § 71 InsO,

x

aus der Amtshaftung des Insolvenzgerichts gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG,

x

wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 15a InsO,

x

aus Bankenhaftung für Insolvenzverschleppung durch eigennützige Kredite gemäß § 826 BGB,

x

im Zusammenhang mit der Entwertung einer Patronatserklärung gemäß § 826 BGB.

Ist der Sachwalter selbst aufgrund einer Haftung gemäß § 60 InsO der Schuld- 270 ner des Gesamtschadensersatzanspruchs, so können die Ansprüche gemäß § 92 Satz 2 InsO nur von einem neu bestellten Sachwalter oder einem Sondersachwalter geltend gemacht werden.231) ___________ 226) Graf-Schlicker-Hofmann, InsO, § 92 Rz. 1, § 93 Rz. 1. 227) Aus entsprechend eingezogenen Beträgen ist eine Sondermasse für die insoweit Geschädigten zu bilden; vgl. hierzu auch Graf-Schlicker-Hofmann, InsO, § 92 Rz. 3, 7 m. w. N. 228) Graf-Schlicker-Hofmann, InsO, § 92 Rz. 4. 229) Graf-Schlicker-Hofmann, InsO, § 92 Rz. 4. 230) Vgl. hierzu m. w. N.: Graf-Schlicker-Hofmann, InsO, § 92 Rz. 5, 6. 231) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 35. Lfg. 02/2009, § 280 Rz. 7; Kirchhof, in: MünchKomm-InsO, § 280 Rz. 4 m. w. N.; im Allgemeinen hierzu auch Graf-SchlickerHofmann, InsO, § 92 Rz. 14.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

(b) Gesellschafterhaftung (§ 93 InsO) 271 § 93 InsO weist – bei gleicher Regelungstechnik wie § 92 InsO232) – auch die persönliche Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit der Insolvenzmasse zu; dies gilt insbesondere für die akzessorische Haftung gemäß § 128 HGB bzw. auf Grundlage entsprechender Anspruchsgrundlagen des jeweiligen Gesellschaftsrechts. Auch eine ausnahmsweise in Betracht kommende Durchgriffshaftung der Gesellschafter juristischer Personen wird in der Insolvenz von § 93 InsO erfasst.233) (2) Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) 272 Auch die Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen gemäß §§ 129 ff. InsO würde den Schuldner, dessen Rechtshandlungen ja gerade im Rahmen der Anfechtung rückabgewickelt werden sollen, in eine Konfliktlage versetzen.234) 273 Daher weist § 280 InsO auch das Recht, insolvenzanfechtungsrechtliche Rückgewähransprüche gemäß § 143 InsO geltend zu machen, ausschließlich dem Sachwalter zu. Nach Sinn und Zweck der Norm erfasst § 280 InsO auch das Recht, die Unzulässigkeit einer Aufrechnung infolge Anfechtbarkeit der Erlangung der Aufrechnungsmöglichkeit gemäß §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 129 ff. InsO geltend zu machen und die hierdurch wiederauflebende bzw. nicht erloschene Forderung durchzusetzen. (3) Analoge Anwendung des § 280 InsO auf originäre gesellschaftsrechtliche Ansprüche gegen Gesellschafter und Gesellschaftsorgane in der Insolvenz juristischer Personen 274 Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus weist § 280 InsO in analoger Anwendung auch die Durchsetzung von gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen dem Sachwalter zu.235) Eine insoweit bei wortlautgetreuer Anwendung von §§ 270, 280 InsO bestehende Zuständigkeit des insolventen Unternehmens bzw. von dessen Geschäftsleitung würde regelmäßig zu erheblichen Interessenkonflikten führen, die ggf. eine im Gläubigerinteresse gebotene Durchsetzung der entsprechenden Ansprüche beeinträchtigen kann. Entgegen des § 280 InsO zugrunde liegenden Rechtsgedankens erscheint die Regelungstechnik des § 280 InsO insoweit lückenhaft, so dass eine analoge Anwendung der Vorschrift geboten ist.236) ___________ 232) Graf-Schlicker-Hofmann, InsO, § 93 Rz. 8. 233) BGH, Urt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03, ZIP 2006, 467, 468; Graf-Schlicker-Hofmann, InsO, § 93 Rz. 6 m. w. N. 234) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 280 Rz. 1. 235) So bereits Hofmann, ZIP 2007, 260, 262, sowie ausführlich ders., Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 216 f. 236) Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 216 f.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

§ 280 InsO ist daher auf Organhaftungsansprüche sowie sämtliche andere im 275 Gesellschaftsverhältnis gründende Ansprüche gegen Gesellschafter und Gesellschaftsorgane analog anzuwenden. Dies erfasst insbesondere x

Haftungsansprüche gegen Geschäftsleiter, z. B. aus Masseschmälerungshaftung (§ 64 GmbHG, §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 AktG) oder aus allgemeiner Organhaftung (§ 43 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG),

x

Ansprüche aus der Haftung der Aufsichtsräte wegen Verletzung von deren Pflichten (§§ 116, 93 AktG),

x

und Ansprüche auf Einzahlung von Stamm- bzw. Grundkapital, insbesondere in Gestalt der Vorschriften der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung.

bb) Kompetenzen des Sachwalters im Rahmen von § 280 InsO Im Rahmen der dem Sachwalter gemäß § 280 InsO zugewiesenen Aufgaben 276 stehen dem Sachwalter die vollen Rechte eines Insolvenzverwalters zu. Der Sachwalter handelt insoweit als Partei kraft Amtes, so dass er z. B. Rechtsstreite im eigenen Namen führen oder Vergleiche über die geltend gemachten Ansprüche abschließen kann.237) Will der Sachwalter im Rahmen seiner Aufgaben gemäß § 280 InsO eine Rechtshandlung vornehmen, die für das Insolvenzverfahren von erheblicher Bedeutung ist, z. B. einen Rechtsstreit mit erheblichem Streitwert anhängig machen oder einen Vergleich über einen entsprechenden Anspruch abschließen, so hat der Sachwalter hierzu die Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung gemäß § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 InsO einzuholen. Jedenfalls im Rahmen seines Aufgabenbereichs gemäß § 280 InsO muss dem Sachwalter daher analog § 75 Abs. 1 Nr. 1 InsO das Recht zustehen, die Einberufung der Gläubigerversammlung zu beantragen. Im Rahmen seiner Befugnisse gemäß § 280 InsO begründet der Sachwalter 277 Masseverbindlichkeiten, so z. B. im Fall der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen oder im Fall der Einholung eines Rechtsgutachtens zur Prüfung der Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Klage. Für die Erfüllung derartiger Masseverbindlichkeiten trifft den Sachwalter nach zutreffender Auffassung die Haftung gemäß § 61 InsO, wie sie auch einen Insolvenzverwalter träfe.238) Keine Haftung trifft den Sachwalter demgegenüber gemäß § 61 InsO für etwaig nicht einbringliche Kostenerstattungsansprüche des Prozessgegners im Falle eines Unterliegens.239) ___________ 237) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 35. Lfg. 02/2009, § 280 Rz. 5. 238) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 35. Lfg. 02/2009, § 280 Rz. 13. 239) So zutreffend Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 35. Lfg. 02/2009, § 280 Rz. 14 unter Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

278 Vom Sachwalter erstrittene Erlöse fallen in die Insolvenzmasse.240) Dies hat zur Folge, dass der Schuldner über entsprechende Beträge im Rahmen der angeordneten Eigenverwaltung verfügen kann und die Beträge insbesondere grundsätzlich auch für Zwecke der Betriebsfortführung einsetzen kann; indes wird den Sachwalter in derartigen Fällen defizitärer Betriebsfortführungen stets eine engere Aufsichtspflicht treffen, so dass er bei festgestellten Nachteilen gemäß § 274 Abs. 3 InsO auch zur Nachteilsanzeige verpflichtet ist. cc) Pflichten des Schuldners im Zusammenhang mit § 280 InsO 279 Der Sachwalter ist zur Prüfung entsprechender Ansprüche und zur Vorbereitung einer Anspruchsdurchsetzung in erheblichem Umfang auf die Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen des insolventen Unternehmens sowie auf Auskünfte des Schuldners angewiesen. Hierbei besteht im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren erhöhtes Konfliktpotenzial,241) da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit auch das Recht und die Pflicht, die Geschäftsunterlagen in Besitz zu nehmen und zu verwahren, beim insolventen Unternehmen verbleiben. 280 Daher ist der Sachwalter – viel mehr als ein Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren – auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen, um seine Aufgaben im Rahmen des § 280 InsO erfüllen zu können. Grundlage der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht des Schuldners sind auch insoweit §§ 274 Abs. 3, 22 Abs. 3, 97, 101 InsO. Demnach sind der Schuldner bzw. dessen Geschäftsleiter verpflichtet, dem Sachwalter sämtliche Auskünfte zu erteilen, die zur Erfüllung von dessen Pflichten erforderlich sind. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass der Pflicht des Schuldners zur Mitwirkung und zur schonungslosen Offenbarung auch eigenen Fehlverhaltens gerade in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zukommt.242) Die Auskunftspflichten des Schuldners umfassen insoweit auch die Pflicht, dem Sachwalter umfassend Einblick in die zur Prüfung von Haftungs- und Anfechtungsansprüchen erforderlichen Unterlagen zu gewähren. 281 Über die vorgenannten Auskunfts- und Mitwirkungspflichten hinaus trifft den eigenverwaltenden Schuldner die Pflicht zur Begleichung der Masseverbindlichkeiten, die der Sachwalter im Rahmen seiner Befugnisse gemäß § 280 InsO begründet hat. e) Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 285 InsO) 282 Als Ausnahme vom Grundsatz der Erfüllung der Aufgaben des Insolvenzverwalters durch den Schuldner überträgt § 285 InsO dem Sachwalter zudem die Verpflichtung zur Anzeige von Masseunzulänglichkeit. Die in § 208 InsO ___________ 240) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 35. Lfg. 02/2009, § 280 Rz. 5. 241) Vgl. hierzu auch Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 35. Lfg. 02/2009, § 280 Rz. 9 ff. 242) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 35. Lfg. 02/2009, § 280 Rz. 10.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

geregelte Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist demnach ausschließlich vom Sachwalter vorzunehmen; eine Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Schuldner ist demgegenüber weder in § 285 InsO vorgesehen, noch sonst zugelassen.243) aa) Verfahren bei Masseunzulänglichkeit Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist das Insolvenzverfahren grundsätz- 283 lich nach Maßgabe der §§ 208 ff. InsO fortzusetzen, wobei es – sofern kein Antrag gemäß § 272 InsO gestellt wird – bei der Anordnung der Eigenverwaltung verbleibt. Die in der Eigenverwaltung dem Schuldner obliegende Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse ist gemäß § 208 Abs. 3 InsO fortzusetzen bzw. abzuschließen. Nach abgeschlossener Verwertung der Insolvenzmasse sind die Massegläubiger in der in § 209 InsO vorgesehenen Rangfolge zu befriedigen, wobei dies im Fall der Eigenverwaltung ebenfalls dem Schuldner obliegt.244) Nach Abschluss der Verwertung und entsprechender quotaler Befriedigung der Massegläubiger hat der Schuldner – unter gesonderter Rechnungslegung für den Zeitraum nach Anordnung der Masseunzulänglichkeit (vgl. § 211 Abs. 2 InsO) – die Einstellung des Verfahrens anzuregen. Das Insolvenzgericht stellt in der Folge das Insolvenzverfahren gemäß § 211 Abs. 1 InsO ein. bb) Einstellung bei Massearmut gemäß § 207 InsO Für den Fall der Massearmut, d. h. der fehlenden Deckung der Verfahrens- 284 kosten, belässt es § 285 InsO für die Eigenverwaltung bei der gesetzlichen Regelung des § 207 InsO. Aufgrund der allgemeinen Kompetenzenverteilung gemäß §§ 270 ff. InsO hat im Rahmen des § 207 InsO letztlich der Schuldner die im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter gebührenden Aufgaben zu erfüllen bzw. die entsprechenden Rechte auszuüben.245) Dementsprechend ist der Schuldner im Fall der Massearmut gemäß § 207 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht mehr zur weiteren Verwertung der Insolvenzmasse verpflichtet. Vielmehr kann er seine Verwertungsbemühungen einstellen und auf die Einstellung des Verfahrens hinwirken. Das Insolvenzgericht hat das Insolvenzverfahren im Fall der Kenntniserlangung von der fehlenden Verfahrenskostendeckung – unabhängig von der Anordnung der Eigenverwaltung – einzustellen.246) Für das hierbei einzuhaltende Verfahren gelten insoweit keine Besonderheiten. Vor der Einstellung des Verfahrens hat daher eine Anhörung der Gläubigerversammlung und der Massegläubiger zu erfolgen. Anstelle des Insolvenzverwalters ist nach hier vertretener Auffassung neben dem Sachwalter247) auch der Schuldner zu hören. Die Einstellung des Verfahrens unter___________ 243) 244) 245) 246) 247)

Ebenso Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 10. Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 18. Vgl. z. B. Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 22. Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 22. Für eine Anhörung des Sachwalters auch Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 22.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

bleibt gemäß § 207 Abs. 1 Satz 2 InsO, sofern – gleich, ob von Seiten der Gläubiger oder der Gesellschafter des insolventen Unternehmens – ein zur Verfahrenskostendeckung ausreichender Vorschuss geleistet wird. Vor der Einstellung des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner zudem aus den in der Masse vorhandenen Barmitteln die Verfahrenskosten anteilig nach § 207 Abs. 3 InsO zu berichtigen. Im Fall der Übernahme der Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO ist hierzu der Sachwalter verpflichtet. f) Rederechte und Redepflichten des Sachwalters 285 Die Kompetenzenverteilung der §§ 270 ff. InsO beschränkt den Sachwalter weitgehend auf die Aufsicht über den Schuldner. Demgegenüber obliegt die Entscheidung über die Dauer der Eigenverwaltung oder über das Maß etwaiger Verfügungsbeschränkungen gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO bzw. § 277 Abs. 1 InsO allein der Gläubigerversammlung. Von entscheidender Bedeutung für eine effektive Überwachung des Schuldners ist daher die zeitnahe Information der Gläubiger über die Ergebnisse der Aufsicht des Sachwalters. Hierzu sieht die InsO verschiedene Rederechte und vor allem auch Redepflichten des Sachwalters vor. aa) Stellungnahmen zu Verzeichnissen und Berichten des Schuldners 286 Die §§ 270 ff. InsO sehen die verfahrensrechtlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters weitgehend beim insolventen Unternehmen. Dies gilt beispielsweise für die Vorlage der insolvenzrechtlichen Verzeichnisse gemäß §§ 151 ff., 281 Abs. 1 InsO oder für die Erstattung des Berichts an die Gläubigerversammlung gemäß §§ 156, 281 Abs. 2 InsO; gleichermaßen gilt dies für die insolvenzrechtliche Rechnungslegung gemäß §§ 66, 281 Abs. 3 InsO. Gleichwohl kommt dem Sachwalter gerade auch im Rahmen dieser verfahrensrechtlichen Aufgaben des Schuldners erhebliche Bedeutung zu, da er zu den entsprechenden Verzeichnissen, Berichten und Rechnungslegungswerken des Schuldners jeweils Stellung zu nehmen hat. Dies ergibt sich aus den entsprechenden Vorschriften der §§ 281 Abs. 1 Satz 2, 281 Abs. 2 Satz 2, 281 Abs. 3 Satz 2 InsO. 287 Im Rahmen der entsprechenden Stellungnahmen des Sachwalters hat dieser insbesondere auf die Ordnungsmäßigkeit, Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Schuldner vorgelegten Verzeichnisse und Berichte einzugehen. Daneben sollte der Sachwalter – insbesondere im Fall der Stellungnahme zu den (Zwischen-) Berichten des Schuldners – ergänzend Angaben zur Erfüllung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners sowie zur Einhaltung der insolvenzrechtlichen Mitwirkung des Sachwalters gemäß § 275 InsO machen. bb) Nachteilsanzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO 288 Als ultima ratio eines Einschreitens des Sachwalters sieht § 274 Abs. 3 InsO die sog. Nachteilsanzeige vor. § 274 Abs. 3 InsO legt dem Sachwalter eine Pflicht zur Anzeige festgestellter Nachteile auf. Stellt der Sachwalter dem-

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

nach Umstände fest, die als Folge einer Fortsetzung der Eigenverwaltung Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen, so ist der Sachwalter zur unverzüglichen Anzeige verpflichtet. Die Anzeigepflicht des § 274 Abs. 3 InsO dient insbesondere der Vorbereitung 289 entsprechender Maßnahmen des Gläubigerausschusses bzw. des Insolvenzgerichts. Insbesondere kommt hierbei – über einen Einberufungsantrag des Gläubigerausschusses gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 2 InsO oder von Amts wegen gemäß § 74 InsO – die Einberufung der Gläubigerversammlung in Betracht, die gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung oder gemäß § 277 Abs. 1 InsO die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte des Schuldners beantragen kann. Adressaten der Nachteilsanzeige sind gemäß § 274 Abs. 3 Satz 1 InsO der 290 Gläubigerausschuss und das Insolvenzgericht. Ist im Verfahren kein Gläubigerausschuss bestellt, so ist die Anzeige anstelle des Gläubigerausschusses an sämtliche Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, und an sämtliche absonderungsberechtigte Gläubiger zu richten. Ist in Verfahren mit einer hohen Gläubigerzahl kein Gläubigerausschuss bestellt, so kann die Anzeige durchaus mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden sein, da die entsprechende Information in dokumentierter Form jedem einzelnen Insolvenz- bzw. Absonderungsgläubiger zugehen muss. Im Interesse der Gläubiger erscheint in derartigen Fällen auf Antrag des Sachwalters auch eine ergänzende öffentliche Bekanntmachung der Nachteilsanzeige analog § 277 Abs. 3 Satz 1 InsO zulässig.248) Indes kann eine derartige öffentliche Bekanntmachung gerade nicht die Verpflichtung entfallen lassen, die Nachteilsanzeige – ggf. in verkürzter Form – den Gläubigern einzeln zuzusenden; insbesondere ist insoweit zu beachten, dass eine Vielzahl der Gläubiger in der Praxis gerade nicht regelmäßig die Veröffentlichungen in den im Internet erfolgenden öffentlichen Bekanntmachungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 InsO verfolgt. Eine Veröffentlichung der Nachteilsanzeige analog § 277 Abs. 3 Satz 1 InsO kann somit die Anzeige an sämtliche bekannte Gläubiger nicht ersetzen.249) Die Verpflichtung zur Nachteilsanzeige greift stets dann, wenn der Sachwal- 291 ter Umstände feststellt, die den Eintritt von Nachteilen für die Gläubiger als unabänderliche Folge bei Fortsetzung der Eigenverwaltung erwarten lässt. Liegen derartige Umstände vor, so hat der Sachwalter kein Ermessen hinsichtlich der Information des Gerichts und der Gläubiger gemäß § 274 Abs. 3 InsO.250) Er hat in diesem Fall die Anzeige gemäß § 274 Abs. 3 Satz 1 InsO unverzüglich vorzunehmen, so dass bei Erkennen entsprechender Umstände insbesondere nicht zunächst weitere Ermittlungen einzuleiten sind, sondern vielmehr die drohenden Nachteile anzuzeigen sind. ___________ 248) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 274 Rz. 7. 249) Anders wohl Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 274 Rz. 7. 250) Ebenso Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rz. 60.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

292 Das fehlende Ermessen des Sachwalters darf indes nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Sachwalter nicht berechtigt wäre, Maßnahmen zu ergreifen, die – unter Wahrung seiner Befugnisse – der Verhinderung der Nachteile dienen.251) Insbesondere ist der Sachwalter nach hier vertretener Auffassung nicht nur berechtigt, sondern im Interesse der Gläubiger letztlich verpflichtet, den Schuldner ggf. auch unter Androhung einer Nachteilsanzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO auf etwaiges pflichtwidriges Verhalten hinzuweisen, soweit dies als ausreichend erscheint, die Interessen der Gläubiger zu wahren. Dies dürfte insbesondere in solchen Fällen angezeigt sein, in denen der Schuldner – ggf. aufgrund fahrlässiger Unkenntnis insolvenzrechtlicher Vorschriften – Vorschriften der InsO verletzt bzw. eine Verletzung entsprechender Vorschriften zu besorgen ist. In Fällen vorsätzlicher Verletzung der Gläubigerinteressen bzw. der Vorschriften der InsO dürfte indes auch nach hier vertretener Auffassung eine sofortige Anzeigepflicht gemäß § 274 Abs. 3 InsO bestehen, da – selbst bei Verhinderung von Nachteilen im konkreten Einzelfall – bei vorsätzlichem Handeln des Schuldners derartiges Verhalten stets erneut zu besorgen ist. Praxistipp: Wenngleich die Anzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO sicherlich als ultima ratio im Rahmen der Aufsichtsbefugnisse des Sachwalters zu sehen ist, so kommt ihr aus Sicht des Verfassers doch erhebliche Bedeutung zu. Insbesondere kann der Sachwalter das Drohpotenzial einer ggf. erforderlichen Anzeige dazu nutzen, den eigenverwaltenden Schuldner zu kooperativem Verhalten zu bewegen. Gleichermaßen kann der Sachwalter über die Androhung einer Anzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO auch sonstige geschäftliche, strategische und verfahrensleitende Entscheidungen beeinflussen und auf diese Weise seine Fachkunde im Interesse der Gläubigergemeinschaft in das Verfahren einbringen.

cc) Berichterstattung durch Sachwalter 293 Unabhängig von der Verpflichtung des Sachwalters, drohende Nachteile gemäß § 274 Abs. 3 InsO anzuzeigen, empfiehlt es sich, dass der Sachwalter regelmäßig gegenüber dem Insolvenzgericht Zwischenberichte über den Verfahrensverlauf erstattet. Mittels der entsprechenden Berichte kann der Sachwalter insbesondere auch die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufsichtspflichten dokumentieren, wobei die Gläubiger mittels Akteneinsicht jederzeit Zugriff auf die entsprechenden Sachwalterberichte haben. 294 Im Rahmen seiner gerichtlichen Aufsicht über den Sachwalter gemäß §§ 274 Abs. 1, 58 Abs. 1 InsO kann zudem das Insolvenzgericht im Einzelfall oder auch turnusmäßig Zwischenberichte des Sachwalters anfordern. Die Zwischenberichte des Sachwalters beziehen sich insoweit – neben der Berichterstattung über die Aufsicht über den Schuldner – insbesondere auch auf die originären ___________ 251) So aber wohl Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rz. 60, und Kübler/Prütting/ Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 07/2012, § 274 Rz. 82.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

Aufgabenbereiche des Sachwalters, so dass die Berichte insbesondere Ausführungen zu den Vorgängen im Bereich der Haftungs- und Anfechtungsdurchsetzung enthalten sollten. g) Rechte des Sachwalters im Zusammenhang mit der Gläubigerversammlung Die Aufgaben des Sachwalters gründen weitgehend in der Aufsicht über den 295 Schuldner. Dies spiegelt sich letztlich auch in den Rechten des Sachwalters im Zusammenhang mit den von der InsO vorgesehenen Gläubigerversammlungen wider, wobei insoweit – wie bereits unter Rz. 213 erwähnt – eine ausdrückliche Regelung der Gläubigerversammlung für die Eigenverwaltung in §§ 270 ff. InsO unterblieben ist, so dass es gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO bei den allgemeinen Regelungen verbleibt. Wenngleich § 74 Abs. 1 Satz 2 InsO den Sachwalter nicht ausdrücklich als 296 teilnahmeberechtigt aufführt, ist das Teilnahmerecht des Sachwalters an Gläubigerversammlungen in der Literatur einhellige Meinung.252) Andernfalls könnte der Sachwalter letztlich seiner ihm gerade auch in der Gläubigerversammlung zukommende Pflicht zur Stellungnahme zu Ausführungen und Verzeichnissen des Schuldners nicht nachkommen. Ein Einberufungsantragsrecht des Sachwalters dürfte demgegenüber nur in 297 beschränktem Umfang analog § 75 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzuerkennen sein, sofern die entsprechend vorgeschlagene Tagesordnung Gegenstände betrifft, die dem originären Zuständigkeitsbereich des Sachwalters, insbesondere gemäß § 280 InsO, zuzuordnen sind.253) Ein allgemeines Antragsrecht steht demgegenüber in der Eigenverwaltung nur dem Schuldner zu.254) Dem Sachwalter verbleibt insoweit letztlich – soweit nicht eigene Aufgaben betroffen sind – lediglich die Möglichkeit, im Rahmen einer Anregung die Einberufung einer Gläubigerversammlung von Amts wegen durch das Insolvenzgericht herbeizuführen.255) Dies dürfte insbesondere in Fällen einer stichhaltigen Nachteilsanzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO veranlasst sein, um der Gläubigerversammlung die in § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorgesehene Entscheidung über eine etwaige Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung zu ermöglichen.

___________ 252) Preß, in: HambK-InsO, § 74 Rz. 12; Braun-Herzig, InsO, § 74 Rz. 11; ebenso bereits Hofmann, in: Kübler, HRI, § 16 Rz. 33. 253) So bereits Hofmann, in: Kübler, HRI, § 16 Rz. 9; ebenso Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, 66. Lfg., 11/2015, § 75 Rz. 4. 254) Ebenso Hofmann, in: Kübler, HRI, § 16 Rz. 8 f.; ders., Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 90 ff. m. w. N.; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, Vor §§ 270 – 285 Rz. 90; Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, 66. Lfg., 11/2015, § 75 Rz. 4; a. A. Fiebig, in: HambKInsO, § 270 Rz. 47. 255) Vgl. auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 16 Rz. 9.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

3. Forderungsanmeldungsverfahren, Forderungsprüfung und Verteilungen in der Eigenverwaltung 298 Das Insolvenzverfahren dient gemäß § 1 Satz 1 InsO der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners. Voraussetzung hierzu ist – neben der (bestmöglichen) Verwertung des Schuldnervermögens – die Erfassung und Prüfung der gegen den Schuldner geltend gemachten Verbindlichkeiten. Das entsprechend formelle Verfahren der Forderungsanmeldung, Forderungsprüfung und Verteilung der Insolvenzmasse regeln die §§ 174 ff. InsO. Im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung ergänzen § 270c Satz 2 InsO und § 283 InsO die entsprechenden Vorschriften. Die entsprechenden Vorschriften sind – auch im Rahmen eines sog. verfahrensleitenden Insolvenzplans gemäß § 217 Satz 1 InsO n. F. – nicht dispositiv.256) a) Zustellung des Eröffnungsbeschlusses 299 Dem Forderungsanmeldungsverfahren geht formal die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an die Gläubiger voraus, die in § 30 Abs. 2 InsO verpflichtend vorgesehen ist. Mit der Durchführung der Zustellungen kann das Insolvenzgericht bei angeordneter Eigenverwaltung analog § 8 Abs. 3 InsO den Sachwalter beauftragen.257) Die Beauftragung des Sachwalters mit der Durchführung der Zustellungen wird in der Praxis der Regelfall sein.258) Mit der Zustellung ist in der Regel ein Informationsschreiben des Sachwalters verbunden, mit dem er über die verschiedenen zur Verfügung stehenden Wege der Forderungsanmeldung, z. B. auch über Online-Portale, informiert.259) b) Anmeldung der Forderungen beim Sachwalter und Tabellenführung 300 Nach § 270c Satz 2 InsO260) sind die Forderungen der Insolvenzgläubiger beim Sachwalter anzumelden. § 270c Satz 2 InsO regelt damit mittelbar auch die nicht ausdrücklich geregelte Frage, wer in der Eigenverwaltung die Insolvenztabelle zu führen hat; die Tabelle ist demnach ausschließlich vom Sachwalter zu führen.261) Wie im Bereich des § 280 InsO nimmt der Sachwalter damit im Zusammenhang mit der Entgegennahme der Forderungsanmeldungen und der Führung der Insolvenztabelle in vollem Umfang die Aufgaben eines Insolvenzverwalters wahr. 301 Der Sachwalter hat daher ab Verfahrenseröffnung die Forderungsanmeldungen der Insolvenzgläubiger entgegenzunehmen und gemäß § 175 InsO in die von ___________ 256) BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 230/07, ZIP 2009, 480; Begr. zu § 217 i. d. F. des ESUG, in: Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/7511, S. 48; vgl. hierzu auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 2. 257) Ganter, in: MünchKomm-InsO, § 8 Rz. 35; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 4. 258) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 4. 259) Vgl. wegen weiterer Einzelheiten hierzu Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 5. 260) Die mit Inkrafttreten des ESUG eingefügte Norm ist inhaltsgleich mit § 270 Abs. 3 Satz 2 InsO a. F. 261) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 5; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 3.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters

ihm geführte Tabelle aufzunehmen.262) Er hat insoweit – wie der Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren263) – ein Vorprüfungs- und Zurückweisungsrecht bei formalen Mängeln angemeldeter Forderungen. Genügt eine Forderungsanmeldung den formalen Mindestanforderungen des § 174 Abs. 2, Abs. 3 InsO nicht, so kann der Sachwalter die betreffende Anmeldung zurückweisen und die Eintragung in der Tabelle verweigern.264) Die Niederlegung der Tabelle in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts 302 folgt denselben Regelungen wie im Regelinsolvenzverfahren.265) Insbesondere ist die Niederlegungsfrist gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 InsO zu beachten. c) Forderungsprüfung Die Prüfung der angemeldeten Forderungen gemäß §§ 176 ff. InsO bildet 303 die Grundlage für die quotale Verteilung der Insolvenzmasse an die Gläubiger. Nur Forderungen, denen kein widerspruchsberechtigter Beteiligter widersprochen hat, gelten gemäß § 178 Abs. 1 InsO als festgestellt und nehmen gemäß § 189 InsO an Verteilungen teil. Die Prüfung der angemeldeten Forderungen erfolgt – auch bei Anordnung der Eigenverwaltung – in Prüfungsterminen gemäß § 176 InsO bzw. § 177 Abs. 1 Satz 2 InsO oder im schriftlichen Verfahren, wobei sich hierbei keine wesentlichen Unterschiede zum Regelinsolvenzverfahren ergeben.266) Eine Forderung gilt dann als festgestellt i. S. v. § 178 Abs. 1 InsO, wenn im 304 Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren kein widerspruchsberechtigter Beteiligter der Forderung widersprochen hat. Ein vollwertiges Widerspruchsrecht, d. h. das Recht, gegen angemeldete Forderungen Widerspruch zu erheben bzw. Forderungen zu bestreiten, steht in der Eigenverwaltung neben jedem Insolvenzgläubiger (vgl. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO) sowohl dem Schuldner wie auch dem Sachwalter zu (§ 283 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Widerspruch des Schuldners hat dabei gemäß § 283 Abs. 1 Satz 2 InsO – anders als im Regelinsolvenzverfahren – dieselbe Wirkung wie ein Widerspruch eines Gläubigers oder des Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren.267) Nicht festgestellte Forderungen nehmen demnach – abgesehen von titulierten Forderungen (vgl. hierzu § 179 Abs. 2 InsO) – nicht an Verteilungen der Insolvenzmasse teil. d) Rücknahme des Widerspruchs und Feststellungsrechtsstreit Liegt für eine bestrittene Forderung bereits ein Vollstreckungstitel vor, so ist es 305 gemäß § 179 Abs. 2 InsO Sache des Bestreitenden, seinen Widerspruch mittels des prozessual zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfs zu verfolgen. In allen ___________ 262) 263) 264) 265) 266) 267)

Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 8. Vgl. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 9 ff. m. w. N. Vgl. hierzu im Einzelnen: Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 10 f. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 10. Vgl. hierzu im Einzelnen: Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 13 – 18. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 19 f., auch m. w. N. zur hieran teils geäußerten Kritik.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

anderen Fällen ist es Sache des Gläubigers einer bestrittenen Forderung, den Widerspruch des Bestreitenden zu beseitigen. Der Bestreitende kann in beiden Fällen jederzeit durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Insolvenzgericht die Rücknahme des Widerspruchs erklären. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn bzw. insoweit der Gläubiger der bestrittenen Forderung den Bestreitenden durch Vorlage weiterer Unterlagen oder nach Verhandlungen von der Berechtigung der Forderung überzeugt hat. 306 Dem Widerspruch des Insolvenzverwalters bzw. im Fall der Eigenverwaltung des Sachwalters und/oder des Schuldners liegen oftmals entweder das Fehlen hinreichender Nachweise bzw. Belege für eine Forderung, die noch nicht abschließend geklärte Höhe einer zunächst geschätzten Forderung oder abweichende Rechtsauffassungen zur Berechtigung einer streitigen Forderung zugrunde. In allen vorgenannten Fällen erscheint für den Gläubiger der bestrittenen Forderung die Kontaktaufnahme mit dem Bestreitenden empfehlenswert, um ggf. durch Vorlage weiterer Unterlagen oder durch Aufnahme von Verhandlungen eine Rücknahme des Widerspruchs zu erreichen. Einer Einigung über die Höhe einer Insolvenzforderung dürfte in den meisten Fällen und aus Sicht aller Beteiligten der Vorzug gegenüber einer gerichtlichen Klärung im Rahmen eines Feststellungsrechtsstreits zu gewähren sein.268) 307 Kommt eine Einigung zwischen Gläubiger und Bestreitendem nicht zustande, so kann der Gläubiger einer nicht titulierten Forderung gegen den Bestreitenden die Beseitigung des Widerspruchs mittels erfolgreicher Feststellungsklage gemäß §§ 179 Abs. 1, 180 InsO erreichen, wobei eine Teilnahme an Verteilungen nur dann in Betracht kommt, wenn sämtliche Widersprüche beseitigt sind.269) Insbesondere in der Eigenverwaltung ist daher ggf. die Führung eines Feststellungsrechtsstreits sowohl gegen den Schuldner als auch gegen den Sachwalter erforderlich, sofern – was der Regelfall sein dürfte – beide abgestimmt einer Forderung widersprochen haben. Die Sinnhaftigkeit eines entsprechenden Feststellungsrechtsstreits sollte aus praktischer Sicht jedoch von beiden Seiten beurteilt werden, wobei neben den rechtlichen Erfolgsaussichten vor allem auch wirtschaftliche Gesichtspunkte, d. h. die Quotenerwartung und die Kosten des Feststellungsrechtsstreits, zu berücksichtigen sind.270) 308 Mit Ausnahme der Notwendigkeit für Gläubiger bestrittener Forderungen, auch einen Widerspruch des Schuldners zu beseitigen, um an einer Quotenausschüttung teilzunehmen, ergeben sich bei angeordneter Eigenverwaltung keine nennenswerten Besonderheiten hinsichtlich der Führung von Feststellungsrechtsstreiten.271) ___________ 268) Ausführlich hierzu Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 24. 269) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, 66. Lfg., 11/2015, § 183 Rz. 11 m. w. N.; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 24. 270) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 27. 271) Vgl. zu den Einzelheiten des Feststellungsrechtsstreits und zur Anwendung der allgemeinen Regelungen im Rahmen der Eigenverwaltung: Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 25 – 32.

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II. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters Praxistipp: Wird im Fall eines Widerspruchs sowohl des Schuldners als auch des Sachwalters ein Feststellungsrechtsstreit geführt, sollten die Beteiligten versuchen, die für die Masse oder ggf. auch den klagenden Gläubiger entstehenden Kosten so gering wie möglich zu halten. Dies kann insbesondere durch Beauftragung eines einheitlichen Prozessbevollmächtigten auf Seiten der als notwendige Streitgenossen i. S. v. § 62 ZPO272) auftretenden beklagten Schuldner und Sachwalter geschehen. Alternativ kommt eine vertragliche Erstreckung der in einem Verfahren zwischen Gläubiger und Schuldner oder Sachwalter erlangten Entscheidung auf den nicht am Prozess teilnehmenden Bestreitenden in Betracht.273)

e) Durchführung der Verteilungen durch den Schuldner Auch im Eigenverwaltungsverfahren findet die Verteilung der Insolvenzmasse 309 gemäß §§ 187 ff. InsO in Abschlags- oder Schlussverteilungen statt, wobei die Zuständigkeit zur Durchführung der Verteilungen nach § 283 Abs. 2 Satz 1 InsO beim Schuldner liegt. Abweichende Regelungen – insbesondere der Verzicht auf übliche Verteilungen vor einer Aufhebung des Insolvenzverfahrens – sind indes im Rahmen eines Insolvenzplans möglich, der gerade in Eigenverwaltungsfällen – z. B. auch im Fall eines vorgeschalteten Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b InsO – durchaus eine übergeordnete Rolle spielen dürfte. Verteilungen nach §§ 187 ff. InsO werden daher in der Praxis der Eigenverwaltung vor allem im Fall von Abschlagsverteilungen vor der Bestätigung eines Insolvenzplans, im Fall der im Insolvenzplan vorgesehenen Verteilung der bereits vorhandenen Insolvenzmasse nach Maßgabe der §§ 187 ff. InsO und im Fall von Verfahren, in denen bei angeordneter Eigenverwaltung gleichwohl kein Insolvenzplan beschlossen wird, stattfinden. Die Verteilungen nimmt im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß 310 § 283 Abs. 2 Satz 1 InsO der Schuldner vor. Zugleich ist es ausschließlich Aufgabe des Schuldners, das Verteilungsverzeichnis aufzustellen, für dessen Niederlegung auf der Geschäftsstelle Sorge zu tragen und die Summe der Forderungen sowie des zur Verteilung verfügbaren Betrag aus der Insolvenzmasse dem Gericht zwecks öffentlicher Bekanntmachung mitzuteilen.274) War bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens Eigenverwaltung angeordnet, so erfüllt der Schuldner auch im Rahmen der Durchführung einer Nachtragsverteilung gemäß §§ 203 ff. InsO die Aufgaben des Insolvenzverwalters.275) Der Sachwalter hat im Rahmen des Verteilungsverfahrens – wie auch sonst 311 im Zusammenhang mit den verfahrenstechnischen Aufgaben des eigenverwaltenden Schuldners – gemäß § 283 Abs. 2 Satz 2 InsO insbesondere eine Prüfungs- und Stellungnahmepflicht. Der Sachwalter ist demnach ver___________ 272) 273) 274) 275)

Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 29 m. w. N. Vgl. hierzu auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 29. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 35. Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 283 Rz. 10.

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C. Wirkungen der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

pflichtet, die vom Schuldner aufgestellten Verteilungsverzeichnisse zu prüfen und hierzu zu erklären, ob Einwendungen zu erheben sind. 312 Hat der Sachwalter die Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO übernommen, bleibt die Verteilung gemäß § 283 Abs. 2 Satz 1 InsO gleichwohl Aufgabe des Schuldners. Da der Sachwalter im Bereich der Kassen- bzw. Kontenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO den Schuldner nicht verdrängt, verbleibt es auch bei übernommener Kassenführung bei der Aufgabenverteilung gemäß § 283 Abs. 2 InsO. Aufgrund der nur im Innenverhältnis den Schuldner beschränkenden Kassenführungsbefugnis hat der Sachwalter daher – bei Vorliegen der formalen Voraussetzungen der vom Schuldner initiierten Verteilung – die Auszahlungen an die Gläubiger auf Grundlage der vom Schuldner zu erstellenden Verzeichnisse vorzunehmen.276) Lediglich im Fall einer Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 InsO bedürfen Verteilungen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Sachwalters.277) 313 Im Übrigen gelten für das Verteilungsverfahren der §§ 187 ff. InsO gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren keine wesentlichen Besonderheiten.278) f) Praktische Handhabung der Abstimmung zwischen Sachwalter und Schuldner im Bereich der Forderungsprüfung und Verteilung 314 Gerade auch im Bereich der Tabellenführung, der Forderungsprüfung und der Verteilungen ist aus Sicht des Verfassers eine enge Abstimmung zwischen Schuldner und Sachwalter empfehlenswert. Praxistipp:279) Schuldner und Sachwalter sollten sich bereits im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Forderungsprüfung– soweit zeitlich möglich – eng abstimmen. Ziel sollte es aus Sicht des Verfassers sein, möglichst einheitliche Prüfungsergebnisse zu erhalten. Da Verteilungsverzeichnis und Verteilung auf der Insolvenztabelle des Sachwalters aufsetzen, empfiehlt sich ggf. eine Vorbereitung der entsprechenden Unterlagen bzw. Zahlungsverkehrsdateien in der Kanzlei des Sachwalters.

315 In Großverfahren, in denen ggf. mehrere tausend oder gar mehrere hunderttausend Gläubiger Forderungen anmelden können, sollte zur Bewältigung der logistischen Herausforderungen ggf. gemeinsam mit dem Insolvenzgericht nach entsprechenden Lösungen gesucht werden.280) ___________ 276) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 48. 277) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 283 Rz. 12; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 36. 278) Vgl. ausführlich zu Verteilungen in der Eigenverwaltung: Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 33 – 48. 279) Vgl. zu weiteren Praxistipps: Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 49 ff. 280) Vgl. hierzu die entsprechenden Hinweise bzw. Empfehlungen bei Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 53 ff.

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO) I. Bedeutung des Eröffnungsverfahrens Das Eröffnungsverfahren, also der Zeitraum zwischen Insolvenzantragstellung 316 und der Entscheidung über den Eröffnungsantrag, ist in der Praxis die entscheidende Phase für Wohl oder Wehe eines insolventen Unternehmens. Die wesentlichen Weichenstellungen für eine Restrukturierung des Unternehmens und den weiteren Verfahrensverlauf werden in der Regel zeitnah nach Insolvenzantragstellung getroffen oder werden eben genau in dieser Phase unterlassen. Ob das Verfahren auf eine Restrukturierung in Form eines Insolvenzplans oder in Gestalt einer übertragenden Sanierung abzielt und ob das Verfahren durch einen Insolvenzverwalter oder in Eigenverwaltung abgewickelt werden soll, ist hierbei zunächst unerheblich. Gleichwohl sah die InsO bis zum Inkrafttreten des ESUG weder die Anord- 317 nung einer vorläufiger Eigenverwaltung im Eröffnungsverfahren noch die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters vor,281) weshalb in Fällen beantragter Eigenverwaltung regelmäßig schwache vorläufige Insolvenzverwalter bestellt wurden. Angesichts der Kritik am Fehlen einer vorläufigen Eigenverwaltung282) hat das ESUG mit § 270a Abs. 1 InsO nunmehr die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters anstelle eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorgesehen, nicht hingegen ausdrücklich die „Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung“. II. Wesen der vorläufigen Eigenverwaltung Im Rahmen der Anordnung vorläufiger Insolvenzverwaltung, die in aller Regel 318 mit der Anordnung von Verfügungsbeschränkungen gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO einhergeht, steht der Sicherungscharakter der gerichtlichen Anordnung im Vordergrund. Kehrseite der entsprechenden Sicherungsmaßnahmen ist ein entsprechender Eingriff in die Verfügungsmacht des Schuldners, den es im Fall einer angestrebten Eigenverwaltung gerade zu verhindern gilt. Dementsprechend sieht § 270a InsO neben der Bestellung eines vorläufigen 319 Sachwalters anstelle eines vorläufigen Insolvenzverwalters den Verzicht auf allgemeine Verfügungsverbote und Zustimmungsvorbehalte gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO vor. In der Kombination dieser beiden Regelungen des § 270a Abs. 1 InsO ist das Wesen der vorläufigen Eigenverwaltung zu sehen, die letztlich die Aufgaben- und Kompetenzenverteilung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren in das Eröffnungsverfahren vorverlagern will, um hierdurch insbesondere den Weg zu einer späteren Anordnung der ___________ 281) So bereits Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 340 m. w. N.; für die Möglichkeit der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters bereits nach alter Rechtslage Ehricke, ZIP 2002, 782, 786. 282) Undritz, ZGR 2010, 201, 212; Jung/Wienberg, Kreditwesen 2011, 610, 611.

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

Eigenverwaltung zu ebnen.283) Die Rollenverteilung im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung ist damit bereits geklärt: Die Verfügungsbefugnis liegt beim insolventen Unternehmen, der vorläufige Sachwalter ist im Wesentlichen auf die Aufsicht über den Schuldner beschränkt. III. Voraussetzungen der vorläufigen Eigenverwaltung 320 Nach § 270a Abs. 1 Satz 1 InsO soll das Insolvenzgericht einen vorläufigen Sachwalter bestellen und auf Verfügungsbeschränkungen verzichten, wenn der Eigenverwaltungsantrag nicht offensichtlich aussichtslos ist. Letztlich stellt § 270a Abs. 1 InsO damit auf eine summarische Prüfung des Eigenverwaltungsantrags ab. 1. Summarische Prüfung der Voraussetzungen der Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO 321 Hat der Schuldner einen Eigenverwaltungsantrag gestellt, so hat das Gericht bereits unmittelbar nach Eingang bei Gericht im Rahmen seiner Entscheidung über die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des Eigenverwaltungsantrags vorzunehmen. Nur wenn nach dieser Prüfung der Eigenverwaltungsantrag „offensichtlich aussichtslos“ ist, lässt § 270a Abs. 1 InsO die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und die Anordnung von Verfügungsbeschränkungen zu. 322 § 270a Abs. 1 InsO erweist sich damit als Vorverlagerung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO in das Eröffnungsverfahren. Im Fall eines Eigenverwaltungsantrags soll das Gericht demnach in aller Regel die vorläufige Eigenverwaltung zulassen, während die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. In diesen Fällen muss es sich gerade um solche Fälle handeln, in denen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass eine Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren ausgeschlossen erscheint.284) Abzustellen ist demnach auf eine Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage.285) 323 Liegt bei Entscheidung des Gerichts über die Frage der vorläufigen Eigenverwaltung bereits eine Entscheidung des vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 270 Abs. 3 InsO vor, so bindet ein einstimmiges Gläubigerausschussvotum für eine Eigenverwaltung das Gericht auch im Rahmen der Entscheidung über die Frage der vorläufigen Eigenverwaltung.286)

___________ 283) 284) 285) 286)

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Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 7. Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 136. Vgl. zu Einzelheiten der Prüfung: Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 136 ff. Ebenso Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 140.

III. Voraussetzungen der vorläufigen Eigenverwaltung

Ist dem Insolvenzgericht eine eindeutige Entscheidung nicht möglich, so hat 324 es zunächst gemäß § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO einen vorläufigen Sachwalter zu bestellen und muss – um nicht eine Entscheidung über die Eigenverwaltung negativ zu präjudizieren – von der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters absehen.287) 2. Erkenntnisquellen des Insolvenzgerichts im Rahmen des § 270a Abs. 1 InsO Das Insolvenzgericht kann sich nach hier vertretener Auffassung sämtlicher 325 Erkenntnisquellen bedienen, die ihm im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gemäß § 5 InsO zur Verfügung stehen. Indes unterliegt das Insolvenzgericht bei Prüfung der Voraussetzungen von § 270a Abs. 1 InsO einer Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 5 InsO.288) Das Insolvenzgericht muss ausgehend von Sinn und Zweck des § 270a Abs. 1 InsO vielmehr eine bloße Evidenzkontrolle durchführen und darf nicht im Rahmen aufwändiger Ermittlungen Detailuntersuchungen zu § 270a Abs. 1 InsO durchführen, ggf. sogar unter Hinzuziehung eines Sachverständigen.289) Indes darf und muss das Insolvenzgericht im Einzelfall ggf. aber Ermittlungen zu den Voraussetzungen der Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO durchführen und hierzu ggf. auch einen Sachverständigen mit der Prüfung der Eröffnungs- und Eigenverwaltungsvoraussetzungen beauftragen.290) Wesentliche Erkenntnisquellen des Insolvenzgerichts werden daher insbe- 326 sondere der Insolvenzantrag des insolventen Unternehmens nebst Anlagen sowie der Eigenverwaltungsantrag sein. Zudem sind vorliegende Stellungnahmen einzelner Gläubiger oder der Mitglieder des Gläubigerausschusses zu berücksichtigen. Auch Schutzschriften einzelner Gläubiger, welche ggf. bereits vor Insolvenzantragstellung bei Gericht hinterlegt wurden, um gegen eine (vorläufige) Eigenverwaltung sprechende Umstände vorzutragen, hat das Gericht zu berücksichtigen.291) 3. Laufende Überprüfung des Eintritts der offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Eigenverwaltungsantrags i. S. v. § 270a Abs. 1 InsO Das Insolvenzgericht hat zu jedem Zeitpunkt bis zu einer Entscheidung über 327 den Insolvenzantrag die Möglichkeit, Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO anzuordnen, soweit diese erforderlich sind, um „bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage ___________ 287) 288) 289) 290) 291)

Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 146. In diesem Sinne teilweise wohl Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 142 ff. Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 144. Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 146. Fiebig, in: HambK-InsO, § 270 Rz. 27.

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

des Schuldners zu verhüten.“ Letztlich dürfte sich aus § 21 Abs. 1 InsO sogar eine entsprechende Verpflichtung des Insolvenzgerichts zur Anordnung der erforderlichen Maßnahmen im Falle entsprechenden Sicherungsbedürfnisses ergeben. § 270a Abs. 1 InsO ergänzt § 21 Abs. 1 InsO, dass im Fall eines nicht offensichtlich aussichtslosen Eigenverwaltungsantrags bestimmte in § 21 InsO vorgesehene Sicherungsmaßnahmen nicht angeordnet werden sollen. Diese Beschränkung der Anordnungskompetenz des Insolvenzgerichts kann indes nur solange greifen, als der Eigenverwaltungsantrag tatsächlich nicht offensichtlich aussichtslos ist. Dementsprechend hat das Insolvenzgericht während der vorläufigen Eigenverwaltung – auch in Gestalt des Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b InsO – laufend zu prüfen, ob ggf. Umstände bekannt geworden sind, die den Eigenverwaltungsantrag des insolventen Unternehmens als nunmehr offensichtlich aussichtslos erscheinen lassen.292) 328 Um seiner entsprechenden Prüfungspflicht nachzukommen, sollte das Insolvenzgericht vom Schuldner bzw. dessen Beratern und gleichermaßen vom vorläufigen Sachwalter in regelmäßigen Abständen eine Berichterstattung über den Stand der Verfahrensabwicklung anfordern. Ergeben sich im Rahmen der Berichterstattung bzw. ggf. aufgrund des Unterbleibens der erbetenen Berichterstattung Umstände, die die beantragte Eigenverwaltung als nachteilig i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO erscheinen lassen, so ist das Insolvenzgericht nicht mehr durch § 270a Abs. 1 InsO beschränkt. In diesem Fall hat das Insolvenzgericht – ggf. nach entsprechendem Hinweis bzw. unter Einräumung einer Stellungnahmefrist an den Schuldner – die gemäß § 21 InsO angezeigten Sicherungsmaßnahmen anzuordnen, insbesondere einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen und etwaige Verfügungsbeschränkungen anzuordnen. 4. Klare Fälle offensichtlicher Aussichtslosigkeit gemäß § 270a Abs. 1 InsO 329 Bei der Prüfung des Gerichts gemäß § 270a Abs. 1 InsO handelt es sich natürlich um eine Einzelfallprüfung. Gleichwohl wird die Praxis ggf. künftig Fallgruppen herauszuarbeiten haben, in denen eine offensichtliche Aussichtslosigkeit gemäß § 270a Abs. 1 InsO anzunehmen ist. x

In Fällen fehlender Transparenz und mangelnder Mitwirkung im Rahmen der Insolvenzantragstellung kann ein Fall der offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Eigenverwaltungsantrags vorliegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Antrag entgegen § 13 Abs. 1 Sätze 3 – 5 InsO die notwendigen Angaben und Verzeichnisse nicht enthält und der Schuldner zur Nachbesserung innerhalb gerichtlich gesetzter (kurzer) Frist nicht in der Lage oder nicht bereit ist.293) Gleichermaßen kann dies für Fälle gelten, in denen der Schuldner die Ausgangslage des Insolvenzantrags und die groben Rahmenbedingungen einer beabsichtigten Sanierung weder im Insolvenz-

___________ 292) Ebenso Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 139. 293) Ähnlich wohl Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 147.

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III. Voraussetzungen der vorläufigen Eigenverwaltung

antrag transparent darstellt, noch entsprechende Angaben auf Anforderung des Insolvenzgerichts nachreicht. Praxistipp: Insolventen Unternehmen, die einen Insolvenzantrag verbunden mit einem Eigenverwaltungsantrag stellen, ist unbedingt zu empfehlen, die Stellung des Insolvenzantrags und gerade auch der Insolvenzantragsschrift als solcher gut vorzubereiten. Hierbei sollte das Augenmerk vor allem auch auf eine hinreichend tiefe und vor allem transparente Information des Insolvenzgerichts im Rahmen der Insolvenzantragstellung gelegt werden, um entsprechenden Nachfragen, die natürlich auch mit Zeitverlust verbunden sind, von vornherein zu vermeiden. Die ergänzenden Hinweise von Neußner294), die der Verfasser vollumfänglich teilt, erscheinen insoweit sehr lesens- und beachtenswert.

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Eine offensichtliche und längere Insolvenzverschleppung oder andere offensichtlich vorliegende Insolvenzdelikte können ebenfalls einen klaren Fall fehlender Erfolgsaussichten eines Eigenverwaltungsantrags darstellen.295) Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Gläubigerantrag z. B. eines Sozialversicherungsträgers vorliegt, aus dem sich mehrmonatige Beitragsrückstände ergeben. In diesen Fällen ist jedoch stets zu prüfen, ob das Insolvenzdelikt der Schuldnerin im Fall eines Wechsels in der Geschäftsleitung ggf. nicht mehr zuzurechnen ist.296) Maßgebend für die Prüfung des vorliegenden Eigenverwaltungsantrags muss nämlich das Vertretungsorgan im Zeitpunkt der Prüfung durch das Gericht sein.

x

Vorbehalte einzelner Gläubiger oder auch eines vorläufigen Gläubigerausschusses gegen eine vorläufige Eigenverwaltung können aus Sicht des Verfassers für sich genommen wohl keinen Fall der offensichtlichen Aussichtslosigkeit i. S. v. § 270a Abs. 1 Satz 1 InsO begründen. Allerdings darf (und muss) das Gericht inhaltliche Stellungnahmen einzelner Gläubiger natürlich im Rahmen seiner Entscheidungen gemäß § 270a Abs. 1 InsO bzw. gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO berücksichtigen. Entsprechende Stellungnahmen zu einer beabsichtigten (vorläufigen) Eigenverwaltung können insoweit z. B. auch im Rahmen einer Schutzschrift bereits vor Insolvenzantragstellung vorgebracht werden.

___________ 294) Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 108 ff. 295) Vgl. hierzu auch Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 149. 296) Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 149, weist zutreffend darauf hin, dass die Auswechslung der Geschäftsleitung insoweit ggf. auch das Vertrauen der Verkehrskreise wiederherstellen kann.

99

D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO) Praxistipp: Gläubigern, die Vorbehalte gegen eine (vorläufige) Eigenverwaltung haben, sollten diese transparent und mit inhaltlicher Begründung beim Insolvenzgericht vorbringen. Der Schwerpunkt des entsprechenden Vorbringens sollte hierbei nicht auf der Darlegung der per se ablehnenden Haltung des Gläubigers liegen, sondern vielmehr auf konkretem Verhalten des insolventen Unternehmens in der Vergangenheit, das eine nicht geordnete Abwicklung des Insolvenzverfahrens in einer Eigenverwaltung erwarten lässt. Zudem können Gläubiger auf die fehlenden Erfolgsaussichten des Sanierungskonzepts des Schuldners hinweisen, sofern der Gläubiger aufgrund einer ggf. besonderen Stellung im Verfahren hierzu eine entsprechende Aussage tätigen kann; dies kann insbesondere im Fall von wesentlichen Geschäftspartnern, d. h. Kunden oder Lieferanten, oder aber im Fall von Gläubigern mit Absonderungsrechten der Fall sein, deren weitere Zusammenarbeit mit dem insolventen Unternehmen unumgänglich ist.

330 In Fällen, in denen das Insolvenzgericht eine offensichtliche Aussichtslosigkeit des Insolvenzantrags annehmen will, sollte das Insolvenzgericht – von krassen Ausnahmefällen abgesehen – dem Schuldner gleichwohl Gelegenheit zu einer kurzfristigen Stellungnahme geben, damit dieser ggf. im Rahmen weiterer Angaben bzw. der Vorlage weiterer Unterlagen das Gericht von den Erfolgsaussichten des Eigenverwaltungsantrags überzeugen kann. Das Gericht kann hierbei auch eine nicht verlängerbare Frist von nur einem Tag oder weniger als einem Tag setzen, da eine derartige Stellungnahmefrist gesetzlich eben nicht unbedingt vorgesehen ist und zudem die Fristsetzung gerade dazu dient, das rechtliche Gehör des antragstellenden Schuldners zu wahren. 331 Kommt das insolvente Unternehmen der Aufforderung zu Nachbesserungen oder Mitwirkungen nicht nach oder ist die Unternehmensleitung ggf. gar nicht zu erreichen, so kann dies allein – selbst abgesehen von den zuvor fehlenden Angaben oder von den zuvor gegebenen Gründen einer möglichen offensichtlichen Aussichtslosigkeit – ausreichen, um den Eigenverwaltungsantrag wegen fehlender Mitwirkung als offensichtlich aussichtslos erscheinen zu lassen.297) IV. Verfahren gemäß § 270a Abs. 1 InsO 332 Die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters gemäß § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO erfolgt durch Beschluss auf Grundlage der Regelungen der §§ 21 Abs. 1, 270a Abs. 1 InsO. Wenngleich das Gesetz eine ausdrückliche Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung nicht vorsieht,298) ist diese – letztlich unter deklaratorischen Gesichtspunkten – nicht schädlich und in der Praxis inzwischen durchaus üblich und auch wünschenswert.

___________ 297) Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 150. 298) Vgl. auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 3.

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IV. Verfahren gemäß § 270a Abs. 1 InsO

Eine vorherige Anhörung des Schuldners erscheint angesichts der seinem 333 Antrag entsprechenden Anordnung nicht angezeigt. Indes ist – sofern ein vorläufiger Gläubigerausschuss bereits bestellt ist – regelmäßig eine vorherige Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses angezeigt, der im Grundsatz jedenfalls in die Auswahl der Person des vorläufigen Sachwalters gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 56a InsO einzubeziehen ist, soweit nicht mit Rücksicht auf eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners von einer Anhörung abzusehen ist. In der Praxis wird gerade im Fall der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung und der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters das Absehen von der Anhörung eines vorläufigen Gläubigerausschusses die Regel sein, da dieser zunächst durch das Gericht durch Beschluss eingesetzt werden und sich zudem konstituieren müsste, bevor er die betreffenden Entscheidungen zur Person des vorläufigen Sachwalters treffen kann.299) In diesem Fall hat der vorläufige Gläubigerausschuss indes in seiner ersten Sitzung die Möglichkeit, gemäß § 56a Abs. 3 InsO einstimmig eine andere Person als die bestellte zu wählen; das Insolvenzgericht hat in diesem Fall den gewählten vorläufigen Sachwalter zu bestellen, sofern nicht die gewählte Person für die Übernahme des Amtes i. S. v. § 56 Abs. 2 Satz 2 InsO ungeeignet ist. Eine obligatorische öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses gemäß 334 § 270a Abs. 1 InsO sieht die InsO nicht vor.300) Die in § 23 Abs. 1 Satz 1 InsO vorgesehene öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses über die Anordnung von Verfügungsbeschränkungen und einer vorläufigen Insolvenzverwaltung beruht letztlich insbesondere auf den von den entsprechenden Anordnungen gemäß §§ 24, 81, 82 InsO ausgehenden rechtlichen Wirkungen; die öffentliche Bekanntmachung schützt insoweit den Rechtsverkehr und beschränkt die Möglichkeiten gutgläubigen Erwerbs.301) Da die vorläufige Eigenverwaltung die Verfügungsmacht des Schuldners gerade nicht beschränkt, kommt unter teleologischen Gesichtspunkten eine (analoge) Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht in Betracht. Nach breit vertretener Auffassung soll eine öffentliche Bekanntmachung 335 gleichwohl im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts stehen.302) Indes besteht nach zutreffender Auffassung keine Rechtsgrundlage hierfür, so dass eine entsprechende ermessensabhängige Veröffentlichungsmöglich-

___________ 299) So ausdrücklich AG München, Beschl. v. 14.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1308, dazu EWiR 2012, 495 (Vallender). 300) A. A. insoweit aber Braun-Riggert, InsO, § 270a Rz. 1, und Foltis, in: FK-InsO, § 270a Rz. 18, die sich für eine Anwendung von § 23 InsO aussprechen. 301) Vgl. hierzu auch Schröder, in: HambK-InsO, § 23 Rz. 2. 302) So Fiebig, in: HambK-InsO, § 270a Rz. 41; noch weitergehend (in der Regel Veröffentlichung aufgrund Ermessensreduzierung): Frind, ZIP 2012, 1591, 1595; Kern, in: MünchKomm-InsO, § 270a Rz. 32.

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

keit letztlich abzulehnen ist.303) Eine Veröffentlichung gemäß § 9 InsO kommt daher de lege lata nur mit Zustimmung des Schuldners in Betracht. Letztlich erscheint der Gesetzgeber gefragt, da gerade im Fall der Eigensanierung mittels (vorläufiger) Eigenverwaltung eine gesetzliche Verankerung der insoweit gebotenen Transparenz durchaus wünschenswert erscheint. 336 Eine Zustellung des Beschlusses über die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung an die Drittschuldner des Schuldners hat – anders als im Fall der vorläufigen Insolvenzverwaltung – nicht zu erfolgen, da die entsprechende Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 2 InsO mangels Verfügungsbeschränkung und mangels Auswirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung auf die Einziehungsbefugnis des Schuldners keine Anwendung findet. V. Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung 337 Die vorläufige Eigenverwaltung bzw. die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters gemäß § 270a Abs. 1 InsO verlagern im Hinblick auf die Aufsicht über den Schuldner die Wirkungen der Eigenverwaltung weitgehend in das Eröffnungsverfahren. Die lediglich mit der insolvenzrechtlichen Beschlagnahme des Schuldnervermögens zugunsten der Gläubiger zu begründenden Sonderrechte stehen dem Schuldner indes im Eröffnungsverfahren insoweit nicht zur Verfügung. Auch begründet der Schuldner – abgesehen von Fällen entsprechender ausdrücklicher gerichtlicher Anordnungen (vgl. hierzu Rz. 379 ff.) – im Eröffnungsverfahren keine Masseverbindlichkeiten. 1. Rechtsstellung des Schuldners im Eröffnungsverfahren 338 Während im Fall der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren der Schuldner seine Rechtsstellung von der ausdrücklichen gerichtlichen Anordnung der Eigenverwaltung ableitet, sieht § 270a Abs. 1 InsO eine entsprechende Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung im Eröffnungsverfahren gerade nicht vor. Der Schuldner bleibt daher in der vorläufigen Eigenverwaltung – ohne jegliche Erweiterung seiner Rechtsmacht – verfügungsbefugt. a) Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwaltung 339 Die Verfügungsbefugnis des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwaltung hat ihre Grundlage mangels besonderer gerichtlicher Zuweisung der Verfügungsbefugnis somit weiterhin in der Privatautonomie des Schuldners.304) Der Schuldner ist damit im Eröffnungsverfahren grundsätzlich noch nicht Amtswalter in ___________ 303) Ebenso Horstkotte, ZInsO 2012, 1161, 1164; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270a Rz. 5; Kolmann, Schutzschirmverfahren, Rz. 708; Lambrecht/Michelsen, ZInsO 2015, 2520 Fußn. 2. 304) Anders indes Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270a Rz. 15, wonach der Schuldner durch konstituven Akt die Verfügungsmacht erlangen soll.

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V. Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung

eigenen Angelegenheiten, wie dies im eröffneten Insolvenzverfahren der Fall ist.305) Anders verhält sich dies indes in Bereichen, in denen die Befugnisse des Schuldners im Eröffnungsverfahren auf einer gerichtlichen (Einzel-)Ermächtigung beruhen, z. B. im Fall der Begründung von Masseverbindlichkeiten.306) b) Pflichten des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwaltung Während die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters entweder gemäß 340 § 22 Abs. 1 InsO durch die InsO oder gemäß § 22 Abs. 2 InsO durch das Insolvenzgericht bestimmt werden, enthält § 270a Abs. 1 InsO keine Regelung zu den insolvenzrechtlichen Pflichten des Schuldners im Stadium der vorläufigen Eigenverwaltung. Wesentliche Pflicht des vorläufigen Insolvenzverwalters ist die Pflicht zur 341 Sicherung und Erhaltung des Vermögens des Schuldners. Diese Verpflichtung zielt dabei – über den bloßen Wortlaut des § 22 Abs. 1 InsO hinaus – nicht nur auf den Schutz des Schuldnervermögens im Interesse des Schuldners und der Gemeinschaft der Insolvenzgläubiger ab, sondern umfasst auch die Wahrung und Sicherung von Vermögenswerten zugunsten Aus- und Absonderungsberechtigter.307) Diese Verpflichtung geht so weit, dass der vorläufige Insolvenzverwalter sicherungszedierte Forderungen nur auf ein Anderoder Treuhandkonto einziehen darf und das hieraus entstehende Kontoguthaben separieren muss, um die Rechte des Sicherungszessionars zu wahren.308) Die Frage nach den Pflichten des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwal- 342 tung wurde soweit ersichtlich in der Rechtsprechung noch nicht näher thematisiert. Insbesondere ist insoweit nicht geklärt, ob den Schuldner allein aus der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung heraus eine der Sicherungspflicht des vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechende Pflicht zur Sicherung seines Vermögens und zur Wahrung von Drittrechten sowie zur Sicherung von Sicherungsgut trifft. Der Gesetzgeber wollte – soweit ersichtlich – durch die Schaffung des § 270a 343 InsO zwar die Wirkungen der Eigenverwaltung in das Eröffnungsverfahren vorverlagern, andererseits aber gerade nicht die sonstigen bekannten Funktionen des Eröffnungsverfahrens verhindern oder für die vorläufige Eigenverwaltung ausschalten. Nach hier vertretener Auffassung ist daher bei Bestellung eines vorläufigen 344 Sachwalters, d. h. bei vorläufiger Eigenverwaltung, der Rechtsgedanke des § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO auch auf die vorläufige Eigenverwaltung anzuwenden. Demnach müssen für das Eröffnungsverfahren auch bei vorläufiger Eigen___________ 305) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 30 f.; ebenso Fiebig, in: HambK-InsO, § 270a Rz. 38; Vill, ZInsO 2015, 2245, 2248. 306) So zutreffend Vill, ZInsO 2015, 2245, 2248. 307) Vgl. hierzu z. B. BGH, Urt. v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, ZIP 2010, 739, 742. 308) BGH, Urt. v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, ZIP 2010, 739, 742.

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

verwaltung die allgemeinen Vorschriften gelten, soweit die §§ 270 ff. InsO hiervon nichts Abweichendes regeln. Diese Geltung der allgemeinen Vorschriften hat nach zutreffender Auffassung auch zur Folge, dass den Schuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung – wie den vorläufigen Insolvenzverwalter – eine insolvenzrechtliche Vermögenssicherungspflicht trifft.309) Teil dieser Pflicht ist – neben der Pflicht zur Erhaltung des schuldnerischen Vermögens – auch die Verpflichtung, keine Zahlungen auf Altverbindlichten mehr zu leisten.310) Ergänzend muss das Insolvenzgericht die Möglichkeit haben, die Pflichten des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwaltung durch Beschluss gemäß § 21 Abs. 1 InsO bzw. analog § 22 Abs. 2 InsO zu bestimmen.311) Die entsprechende gerichtliche Pflichtenbestimmung dient – wie im Fall des vorläufigen Insolvenzverwalters – zum einen der detaillierten Anpassung der Pflichten des Schuldners an den jeweiligen Einzelfall und zum anderen auch der Vermeidung der insoweit in der Praxis bestehenden Unklarheiten. Daher sollte das Insolvenzgericht von dieser Möglichkeit dahingehend Gebrauch machen, als im Rahmen einer gerichtlichen Pflichtenbestimmung312) die insoweit üblichen bzw. für den jeweiligen Einzelfall angezeigten Sicherungspflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters einschließlich derjenigen gegenüber Drittrechtsinhabern in die vorläufige Eigenverwaltung implementiert werden. 345 Wenngleich die gegenüber der Gläubigergemeinschaft bestehende Pflichtenbindung des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwaltung, insbesondere dessen allgemeine Vermögenssicherungspflicht, weitgehend auch ohne eine gerichtliche Pflichtenbestimmung anerkannt erscheint,313) ist die Pflichtenbindung gegenüber (künftigen) Aus- und Absonderungsberechtigten bislang weitgehend undiskutiert. Ob den Schuldner ohne eine entsprechende gerichtliche Pflichtenbestimmung in der vorläufigen Eigenverwaltung eine insolvenzrechtliche Sicherungspflicht gegenüber Drittrechtsinhabern trifft, erscheint insoweit bislang nicht geklärt. Unabhängig hiervon ist das insolvente Unternehmen auf Grundlage der entsprechenden Verträge mit den Drittrechtsinhabern schuldrechtlich verpflichtet, die zu deren Gunsten vereinbarten Rechte zu wahren, wobei insoweit regelmäßig auch eine – in der Regel widerrufliche – Einziehungsbefugnis des Sicherungsgebers, d. h. des Schuldners, vereinbart ist. Lieferanten, Banken und andere Sicherungsnehmer werden vor diesem Hintergrund zur Sicherung ihrer Rechte regelmäßig die ___________ 309) Ebenso Fiebig, in: HambK-InsO, § 270a Rz. 14; Frind, ZInsO 2015, 22, 23; Hunsalzer, ZInsO 2014, 1748, 1750; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rz. 146; Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1406; a. A. wohl Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354, 2356. 310) Rattunde/Stark, Sachwalter, Rz. 176. 311) Ähnlich wohl Rattunde/Stark, Sachwalter, Rz. 146. 312) Vgl. zu einem entsprechenden Tenorierungsvorschlag Rz. 619 (dort Ziff. 3. des MusterBeschlusses). 313) Fiebig, in: HambK-InsO, § 270a Rz. 14; Frind, ZInsO 2015, 22, 23; Hunsalzer, ZInsO 2014, 1748, 1750; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rz. 146; a. A. soweit ersichtlich wohl nur Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354, 2356.

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V. Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung

Einziehungsbefugnis widerrufen, sobald sie von dem Insolvenzantrag Kenntnis erlangt haben. Praxistipp: Bis zur abschließenden (höchstrichterlichen) Klärung der insolvenzrechtlichen Pflichten des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwaltung sollten die Beteiligten einer vorläufigen Eigenverwaltung darauf bedacht sein, aus eigenem Antrieb die Rechte von Drittrechtsinhabern zu wahren und deren Vermögenspositionen zu sichern. Dies gilt einerseits für den Schuldner bzw. seinen Berater, andererseits aber auch für den vorläufigen Sachwalter. Der vorläufige Sachwalter sollte in diesem Zusammenhang im Rahmen seiner Aufsicht gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 2 InsO darauf hinwirken, dass das insolvente Unternehmen geeignete Maßnahmen dafür trifft, dass aus- und absonderungsberechtigte Gläubiger in gleicher Weise geschützt werden, wie dies im Fall einer vorläufigen Insolvenzverwaltung der Fall wäre. Andernfalls droht schlimmstenfalls sogar eine Haftung gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 60 InsO.314)

c) Keine Einschränkung des Einflusses der Gesellschaftsorgane im Eröffnungsverfahren Während § 276a Satz 1 InsO den Einfluss jeglicher Aufsichts- und Gesell- 346 schafterorgane im Fall der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren suspendiert, ist eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf die vorläufige Eigenverwaltung in § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO gerade unterblieben. Auch eine analoge Anwendung von § 276a InsO im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung erscheint nicht angezeigt.315) Nach zutreffender Auffassung verbleibt es daher im Eröffnungsverfahren – auch in der vorläufigen Eigenverwaltung oder im Schutzschirmverfahren – bei der gesellschaftsrechtlich maßgeblichen internen Kompetenzenverteilung zwischen den bestehenden Gesellschaftsorganen. d) Anfechtbarkeit der Rechtshandlungen des Schuldners während der vorläufigen Eigenverwaltung Wenngleich der Schuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung keiner Ein- 347 schränkung seiner Verfügungsbefugnis unterliegt, handelt es sich bei den Rechtshandlungen des Schuldners im Eröffnungsverfahren um „vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene“ Rechtshandlungen, die grundsätzlich der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO unterliegen können. Die Frage der Anfechtbarkeit entsprechender Rechtshandlungen während der vorläufigen Eigenverwaltung ist insbesondere für das Wohl und Wehe von Betriebsfortführungen in der vorläufigen Eigenverwaltung maßgeblich. Dies gilt vor allem für im Rahmen einer Betriebsfortführung an Vertragspartner 348 geleistete Zahlungen – gleich, ob auf Neu- oder Alt-Forderungen – oder für die ___________ 314) Inwieweit die insoweit bestehenden Aufsichtspflichten auch haftungsbegründende Pflichten gegenüber den Aus- und Absonderungsrechten zum Gegenstand haben, bedarf in Rechtsprechung und Literatur indes noch einer Klärung. 315) Vgl. hierzu unten Rz. 353 f. sowie bereits Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 37 ff.

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

Gewährung von Sicherheiten. Diese Rechtshandlungen des Schuldners müssen – um Vertragspartnern die zu einer weiteren Zusammenarbeit nötige Sicherheit zu bieten – insolvenzfest erfolgen können, da andernfalls nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Anfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO durch den Insolvenzverwalter oder Sachwalter droht. 349 Unter entsprechender Berücksichtigung der zu Rechtshandlungen unter Mitwirkung des vorläufigen Insolvenzverwalters ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung316) ist nach Auffassung des Verfassers für die vorläufige Eigenverwaltung folgendermaßen zu differenzieren:317) 350 Rechtshandlungen des Schuldners, durch welche der Schuldner Masseverbindlichkeiten im Rahmen einer (Einzel-)Ermächtigung durch das Insolvenzgericht begründet, sind der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO entzogen. Die Rechtsmacht des Schuldners ist in diesen Fällen auf Grundlage des entsprechenden Beschlusses des Insolvenzgerichts bereits im Eröffnungsverfahren an die Stellung des eigenverwaltenden Schuldners im eröffneten Insolvenzverfahren oder eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters angenähert. Da der Schuldner damit bereits die (künftige) Insolvenzmasse verpflichtet, kommt eine Anfechtung insoweit nicht in Betracht, ohne dass es auf eine Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters ankäme. 351 Nimmt der Schuldner – ohne entsprechende gerichtliche Einzelermächtigung – Rechtshandlungen ohne Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters vor, so unterliegen diese – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – ggf. der Anfechtbarkeit gemäß §§ 129 ff. InsO, wobei insoweit nach hier vertretener Auffassung keine Besonderheiten gegenüber entsprechenden Rechtshandlungen in einem herkömmlichen Eröffnungsverfahren bestehen. 352 Soweit der Schuldner Rechtshandlungen mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters vornimmt, können diese – wie auch Rechtshandlungen des Schuldners mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters – grundsätzlich der Insolvenzanfechtung unterliegen. Gleiches gilt für Rechtshandlungen des vorläufigen Sachwalters selbst, z. B. für Zahlungen im Rahmen der gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 2 InsO übernommenen Kassenführung. Allerdings vermitteln die vorbehaltlose Mitwirkung bzw. Zustimmung des vorläufigen Sachwalters bzw. die vorbehaltlose Zahlung durch den vorläufigen Sachwalter dem Vertragspartner bzw. Leistungsempfänger ein schutzwürdiges Vertrauen in die Insolvenzfestigkeit und Rechtsbeständigkeit der erhaltenen Leistung.318)

___________ 316) Vgl. z. B. BGH, Urt. v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, ZIP 2005, 314, 315. 317) Vgl. hierzu auch die ausführliche Darstellung bei Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 154 – 160. 318) Insoweit sind die vom BGH, Urt. v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, ZIP 2005, 314, 316, entwickelten Grundsätze für den vorläufigen Insolvenzverwalter auch auf den vorläufigen Sachwalter übertragbar; vgl. hierzu bereits Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 159; ebenso Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270a Rz. 23.

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V. Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung Praxistipp: In der Praxis empfiehlt sich angesichts der noch nicht erfolgten höchstrichterlichen Klärung der vorgenannten Rechtsfragen ein äußerst vorsichtiger Umgang mit der Thematik. Vor diesem Hintergrund sollten der Schuldner, dessen Berater sowie der vorläufige Sachwalter stets darauf hinwirken, dass Geschäfte weitgehend auch im Fall der Zustimmung des vorläufigen Sachwalters im Rahmen unanfechtbarer Bargeschäfte i. S. v. § 142 InsO ablaufen.

2. Aufgaben und Rechte des vorläufigen Sachwalters gemäß § 270a InsO Die Aufgaben und Rechte des vorläufigen Sachwalters orientieren sich im 353 Wesentlichen an denjenigen des Sachwalters im eröffneten Insolvenzverfahren, weshalb § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO insbesondere die zentralen Vorschriften der §§ 274, 275 InsO für entsprechend anwendbar erklärt. a) Aufsicht über den Schuldner Die in §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 2 InsO vorgesehene Prüfungs- und 354 Überwachungspflicht des vorläufigen Sachwalters stellt dessen zentrale Aufgabe im Eröffnungsverfahren dar. Der vorläufige Sachwalter hat demnach laufend die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen die Geschäftsführung zu überwachen. Ist der Schuldner eine natürliche Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so hat der vorläufige Sachwalter zudem die Ausgaben für die Lebensführung bzw. die hierzu nötigen Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter zu überwachen. Die Aufsicht über das insolvente Unternehmen gemäß § 274 Abs. 2 InsO im 355 Eröffnungsverfahren richtet sich im Grundsatz nach denselben Regeln wie im eröffneten Insolvenzverfahren, so dass auf die Ausführungen unter Rz. 218 ff. verwiesen werden kann. Besonderheiten des Eröffnungsverfahrens319) gelten nur wie folgt: x

Bei der Überwachung der Geschäftsführung und insbesondere der vom insolventen Unternehmen begründeten Verpflichtungen sowie der geleisteten Zahlungen hat sich der vorläufige Sachwalter letztlich am Sorgfaltsmaßstab eines vorläufigen Insolvenzverwalters zu orientieren.320)

x

Bei der Überwachung des Zahlungsverkehrs des Schuldners im Eröffnungsverfahren hat der vorläufige Sachwalter sein Augenmerk insbesondere auch auf die Befriedigung von Altverbindlichkeiten aus der Zeit vor der Insolvenzantragstellung zu richten; Zahlungen auf Altforderungen sind vor dem Hintergrund des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes nur im absoluten Ausnahmefall sorgfaltsgemäß.321)

___________ 319) Zu Einzelheiten vgl. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 44 ff. 320) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 46. 321) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 46.

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

b) Mitwirkung an der Begründung von Verbindlichkeiten gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 1 InsO 356 Als besonderes Mittel der Aufsicht über den eigenverwaltenden Schuldner sieht § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO auch im Eröffnungsverfahren die Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters an der Begründung von Verbindlichkeiten entsprechend § 275 Abs. 1 InsO vor. 357 Demnach soll der Schuldner vor der Begründung von Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters einholen. Verbindlichkeiten im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs soll der Schuldner gegen den Widerspruch des vorläufigen Sachwalters nicht begründen. Wie im eröffneten Insolvenzverfahren handelt es sich bei dieser Form der Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters nur um eine interne Kompetenzenverteilung, während die Nichtbeachtung von § 275 Abs. 1 InsO ohne Auswirkung auf die Wirksamkeit der vorgenommenen Rechtsgeschäfte bleibt. 358 Im Rahmen seiner Zustimmungserteilung bzw. der Ausübung seines Widerspruchsrechts hat sich der vorläufige Sachwalter nach zutreffender Auffassung an der in § 21 Abs. 1 InsO grundsätzlich niedergelegten Zielrichtung des Eröffnungsverfahrens zu orientieren. Im Fokus steht damit das Interesse der Gläubiger an der Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens bis zu einer Entscheidung über den Insolvenzantrag.322) 359 Im Übrigen gelten hinsichtlich der Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters entsprechend § 275 Abs. 1 InsO die bereits zum eröffneten Insolvenzverfahren gemachten Ausführungen (vgl. oben Rz. 226 ff.). c) Konten- und Kassenführungsrecht gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 2 InsO 360 Gemäß § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO ist insbesondere auch das für den Sachwalter im eröffneten Verfahren in § 275 Abs. 2 InsO normierte Konten- und Kassenführungsrecht Teil der Befugnisse des vorläufigen Sachwalters im Eröffnungsverfahren. Der vorläufige Sachwalter kann demnach entsprechend § 275 Abs. 2 InsO vom Schuldner verlangen, dass „alle eingehenden Gelder nur vom [vorläufigen] Sachwalter entgegengenommen und Zahlungen nur vom [vorläufigen] Sachwalter geleistet werden.“ 361 Das Kassenführungsrecht dient als besondere Aufsichts- und Mitwirkungsbefugnis des vorläufigen Sachwalters letztlich der Intensivierung der Aufsicht über den eigenverwaltenden Schuldner, womit dem Kassenführungsrecht gerade im Eröffnungsverfahren besondere Bedeutung zukommt. Im Eröffnungsverfahren ist das Sicherungsbedürfnis der Insolvenzgläubiger und damit auch das Interesse an einer intensiven Aufsicht über den eigenverwaltenden Schuldner ___________ 322) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 54, auch zu weiteren Einzelheiten.

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V. Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung

deutlich gesteigert, zumal im Eröffnungsverfahren in der Regel die wesentlichen Weichenstellungen für das gesamte Verfahren getroffen werden.323) Wie im eröffneten Verfahren ist ein konkreter Anlass für die Übernahme der 362 Kassenführung nicht erforderlich. Die Ausübung des Konten- und Kassenführungsrechts steht vielmehr ausschließlich im pflichtgemäßen Ermessen des vorläufigen Sachwalters. Der vorläufige Sachwalter wird die Kassenführung ggf. eher in Anspruch nehmen, da dies gerade in der frühen Phase des Verfahrens zur Gewinnung des Vertrauens der Verfahrensbeteiligten sinnvoll sein kann.324) Eine Besonderheit des Kassenführungsrechts des vorläufigen Sachwalters im 363 Eröffnungsverfahren stellt das Ermessen hinsichtlich der Ausführung von Zahlungen dar.325) Demnach hat der vorläufige Sachwalter – unabhängig von etwaigen Weisungen des Schuldners – nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob Zahlungen mit dem Interesse der Gläubiger an der Sicherung der Insolvenzmasse vereinbar sind. Demnach ist insbesondere eine Bezahlung von Altverbindlichkeiten auszuschließen, während die Begleichung von Entgelten für Lieferungen und Leistungen aus der Zeit der vorläufigen Eigenverwaltung selbstverständlich zuzulassen ist. Hinsichtlich der Begleichung von Mieten und Leasingraten gelten – abhängig von der Liquiditätslage des insolventen Unternehmens – insoweit Besonderheiten, als Zahlungen nur dann geboten sein dürften, wenn es das Entstehen von Kündigungsrechten – auch unter Berücksichtigung von § 112 InsO – zu vermeiden gilt.326) Im Übrigen gelten hinsichtlich der Kassenführung im Eröffnungsverfahren keine 364 weiteren Besonderheiten gegenüber dem eröffneten Verfahren, so dass insbesondere auch eine modifizierte Kassenführung in Betracht zu ziehen ist.327) d) Informationsrechte des vorläufigen Sachwalters und Auskunftspflichten des Schuldners Für die Informationsrechte des vorläufigen Sachwalters und die hiermit korres- 365 pondierenden Auskunftspflichten des Schuldners gilt über §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 2 Satz 2 InsO die Vorschrift des § 22 Abs. 3 InsO entsprechend. Wie im eröffneten Insolvenzverfahren hat der vorläufige Sachwalter somit die weitreichenden Informationsrechte eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Der Schuldner ist gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 2 Satz 2, 22 Abs. 3 Satz 3, 97 InsO umfassend zur Auskunft und Mitwirkung verpflichtet. Besonderheiten gegenüber dem eröffneten Insolvenzverfahren oder gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren ergeben sich insoweit nicht. ___________ 323) 324) 325) 326) 327)

Hierzu ausführlich Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 62 f. Vgl. hierzu Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 62, 64. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 66 ff. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 69, sowie auch Sinz/Hiebert, ZInsO 2011, 798, 799 f. Zur modifizierten Kassenführung im Eröffnungsverfahren eingehend: Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 70 – 79.

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

e) (Keine) Mitwirkung an Abberufung und Bestellung von Geschäftsleitern analog § 276a Satz 2 InsO 366 Für die Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren regelt § 276a Satz 2 InsO seit Inkrafttreten des ESUG die Beschränkung der Gesellschaftsorgane einer Gesellschaft in ihrer Kompetenz, Geschäftsleiter abzuberufen bzw. neue Geschäftsleiter zu bestellen. Eine Regelung für das Eröffnungsverfahren bzw. eine entsprechende Anwendung des § 276a InsO erfolgte demgegenüber nicht. Gleichwohl soll nach teils vertretener Auffassung § 276a InsO bereits im Eröffnungsverfahren ab Bestellung eines vorläufigen Sachwalters – gleich, ob in einer herkömmlichen vorläufigen Eigenverwaltung oder in der besonderen Ausgestaltung des Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b InsO – zur Anwendung kommen.328) Indes vertritt die wohl h. M. zutreffend die Auffassung, dass eine Anwendung von § 276a InsO im Eröffnungsverfahren nicht in Betracht kommt.329) Neben dem grammatikalischen Argument der fehlenden Nennung von § 276a InsO in der Verweisungsnorm des § 270a Abs. 1 Satz 2 a. E. InsO ist insbesondere die fehlende Entscheidung über die Verfahrenseröffnung und somit die fehlende haftungsrechtliche Zuweisung des Schuldnervermögens an die Gläubiger als Grundlage der gravierenden Eingriffe in die Gesellschafterrechte als Argument zu nennen.330) Eine Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters an Abberufung und Neubestellung von Geschäftsleitern findet damit nicht statt. 367 Das von der Gegenansicht zumeist als Grundlage einer analogen Anwendung von § 276a Satz 2 InsO genannte Schutzbedürfnis der Gläubiger gerade im Eröffnungsverfahren ist hierdurch nicht verletzt. Insbesondere lässt zum einen § 270a Abs. 1 Satz 1 InsO zu, dass das Insolvenzgericht seine Entscheidung, ob es den Eigenverwaltungsantrag für offensichtlich aussichtslos hält, überdenkt und Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 InsO anordnet; Anlass zu einer entsprechenden Überprüfung der Bestellung des vorläufigen Sachwalters und des Absehens von Sicherungsmaßnahmen wird insbesondere dann bestehen, wenn das insolvente Unternehmen durch Umgestaltung seiner Geschäftsleitung den Gläubigerinteressen zuwiderhandelt. Zudem hat das Insolvenzgericht die Prüfung der Nachteilsprognose gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO für den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung und damit zum Ende des Eröffnungsverfahrens vorzunehmen, so dass auch gerade das Verhalten des insolventen Unternehmens während des Eröffnungsverfahrens – einschließlich etwaiger nachteiliger Veränderungen der Geschäftsleitung – berücksichtigt werden können und müssen. ___________ 328) So z. B. Brinkmann, DB 2012, 1369 Fußn. 50; Ströhmann/Längsfeld, NZI 2013, 271, 273 f. 329) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 2012, § 276a Rz. 6; Braun-Riggert, InsO, § 276a Rz. 3; Zipperer, ZIP 2012, 1492, 1494 f.; Klöhn, NZG 2013, 81, 84; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 38; ders., NZI 2010, 798, 804 Fußn. 55; Desch, BB 2011, 841, 845, ebenso wohl Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 182 f. 330) Ebenso bereits Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 38; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 2012, § 276a Rz. 33.

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V. Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung Praxistipp: In der Praxis ist gleichwohl dringend zu empfehlen, Veränderungen in der Besetzung des Geschäftsleitungsorgans des Schuldnerunternehmens auch während einer vorläufigen Eigenverwaltung bzw. eines Schutzschirmverfahrens mit dem vorläufigen Sachwalter abzustimmen bzw. mit diesem zu besprechen. Insbesondere die zur Umbesetzung führenden Beweggründe sind hierbei zu erörtern, so dass der vorläufige Sachwalter ggf. auch Gelegenheit hat, die positiven Wirkungen der Umbesetzung im Gläubigerinteresse zu berücksichtigen und ggf. auch im Rahmen seiner Berichterstattung an das Insolvenzgericht transparent und aus unabhängiger Sicht darzustellen.

f) Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte im Rahmen eines besonderen Zustimmungsvorbehalts gemäß § 21 Abs. 1 InsO § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO sieht eine entsprechende Anwendung von § 277 368 InsO nicht vor. Nach weitgehend vertretener Auffassung ist daher im Eröffnungsverfahren eine Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit einzelner Rechtsgeschäfte unter analoger Anwendung von § 277 InsO ausgeschlossen.331) Während der Verfasser in der Erstauflage demgegenüber noch vom Vorliegen 369 einer Regelungslücke ausgegangen war, die durch analoge Anwendung von § 277 InsO zu schließen wäre,332) ist hieran nicht mehr festzuhalten. Eine analoge Anwendung von § 277 InsO erscheint insoweit von vornherein nicht nötig und daher auch nicht zulässig, da bereits die jedes Eröffnungsverfahren umfassende Generalklausel des § 21 Abs. 1 InsO dem Insolvenzgericht jedwede Sicherungsmaßnahme gebietet, die zur Sicherung der Vermögenslage des Schuldners im Gläubigerinteresse erforderlich erscheint.333) Die Regelung des § 270a Abs. 1 Satz 1 InsO schränkt diese in § 21 Abs. 1 InsO normierte Anordnungskompetenz lediglich dahingehend ein, dass das Insolvenzgericht von der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots wie auch eines alle Verfügungen des Schuldners erfassenden allgemeinen Zustimmungsvorbehalts absehen soll. Die Anordnung eines – zur Sicherung des Schuldnervermögens i. S. v. § 21 Abs. 1 InsO erforderlichen – besonderen Zustimmungsvorbehalts unterbindet § 270a Abs. 1 Satz 1 InsO weder ausweislich seines Wortlauts, noch unter systematischen oder teleologischen Gesichtspunkten, sofern hierdurch nicht das Wesen der vorläufigen Eigenverwaltung verändert wird. Insoweit wirkt § 270a Abs. 1 Satz 1 InsO auf die Anordnungskompetenz des Insol___________ 331) AG Hannover, Beschl. v. 8.5.2015 – 909 IN 264/15, ZIP 2015, 1893; Frind, EWiR 2015, 652. 332) Hofmann, Eigenverwaltung, 1. Aufl., 2014, Rz. 356; ebenso noch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 103. 333) So bereits Obermüller, ZInsO 2011, 1809, 1815; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270a Rz. 18; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Ringstmeier, InsO, § 270a Rz. 7; differenzierend Rattunde/Stark, Sachwalter, Rz. 500, die ohne nähere Begründung besondere Zustimmungsvorbehalte nur außerhalb eines Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b InsO für zulässig halten.

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

venzgerichts derart ein, dass der Schuldner gerade im Tagesgeschäft weiterhin in eigener Verantwortung handeln können muss. 370 Die Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts gemäß § 21 Abs. 1 InsO kommt in inhaltlicher Sicht für Rechtsgeschäfte jeglicher Art in Frage. In der Praxis empfehlen sich in Einzelfällen Zustimmungsvorbehalte gemäß § 21 Abs. 1 InsO insbesondere zur Verhinderung von Verfügungen über unbewegliches Vermögen und über sonstiges wesentliches Anlagevermögen oder betreffend die Begründung von Masseverbindlichkeiten in bedeutendem Umfang. Einer der Hauptanwendungsfälle eines besonderen Zustimmungsvorbehalts gemäß § 21 Abs. 1 InsO dürfte in der Praxis der vorläufigen Eigenverwaltung zwischenzeitlich zudem die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit von Zahlungen auf Sozialversicherungsbeiträge und Steuerverbindlichkeiten sein.334) 371 Da § 21 Abs. 1 InsO die Vermögenssicherung zur ureigenen Aufgabe des Insolvenzgerichts macht, kann die Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts insoweit auf Anregung des Schuldners, auf Anregung des vorläufigen Sachwalters, auf Anregung einzelner Gläubiger oder auch von Amts wegen erfolgen. Praxistipp: Die Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts und damit auch eine entsprechende Anregung können insoweit durchaus auch und gerade im Interesse des Schuldners liegen. Die Anordnung eines sachgerechten Zustimmungsvorbehalts wird nämlich im Einzelfall auch dazu beitragen können, das Vertrauen der Gläubiger und sonstigen Verfahrensbeteiligten in die vorläufige Eigenverwaltung zu stärken. Insoweit hat der Schuldner gerade im Rahmen einer entsprechenden frühzeitigen Anregung die Möglichkeit, den Umfang eines entsprechenden Zustimmungsvorbehalts in Abstimmung mit dem Gericht und dem vorläufigen Sachwalter sachgerecht zu beschränken, so dass Auswirkungen auf das Tagesgeschäft vollständig ausgeschlossen werden können.

372 In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist festzuhalten, dass die Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts durch insolvenzgerichtlichen Beschluss zu erfolgen hat. Eine obligatorische Anhörung des Schuldners i. S. v. § 10 InsO sieht § 21 Abs. 1 InsO zwar nicht vor, gleichwohl hat das Insolvenzgericht dem Schuldner – letztlich bereits als Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG – die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Verzichtbar erscheint dies nur, soweit rechtliches Gehör angesichts akuten Sicherungsbedarfs ausnahmsweise nachträglich erteilt wird oder die Anordnung nicht ohnehin auf einer Anregung des Schuldners beruht. Im Fall der Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts erscheint eine öffentliche Bekanntmachung der Anordnung analog § 23 Abs. 1 Satz 1 InsO m. E. zwingend, um hierdurch die gewünschten Rechtswirkungen analog ___________ 334) Vgl. hierzu insbesondere auch Rz. 496 m. w. N. sowie insbesondere die hierzu grundlegende Entscheidung des AG Düsseldorf, Beschl. v. 10.7.2014 – 504 IN 124/14, ZInsO 2014, 2389.

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V. Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung

§ 24 InsO, insbesondere die Unwirksamkeit entsprechender, ohne Zustimmung des vorläufigen Sachwalters erfolgter Rechtshandlungen, auszulösen. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte der Beschluss zudem – wie auch im Fall des Eröffnungsbeschlusses (vgl. § 27 Abs. 2 Nr. 3 InsO) – die Stunde der Anordnung enthalten. Andernfalls dürfte § 27 Abs. 3 InsO analog anzuwenden sein, so dass die Mittagsstunde des Tages, an dem der besondere Zustimmungsvorbehalt angeordnet wurde, als Zeitpunkt der Anordnung gilt. Gegen die Anordnung steht dem Schuldner gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 InsO 373 die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss hat daher gemäß §§ 4 InsO, 232 ZPO eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung zu enthalten. g) Rederechte und Redepflichten in der vorläufigen Eigenverwaltung Neben den Aufsichtspflichten und den Mitwirkungsbefugnissen des vorläufi- 374 gen Sachwalters spielen auch in der vorläufigen Eigenverwaltung die Rederechte und Redepflichten des vorläufigen Sachwalters die entscheidende Rolle unter den Aufgaben des vorläufigen Sachwalters. aa) Anzeigepflicht bei Nachteilen (§§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 3 InsO) Während die InsO im Eröffnungsverfahren keine besonderen Stellungnahmen 375 des vorläufigen Sachwalters vorsieht, hat der vorläufige Sachwalter gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 3 InsO auch im Eröffnungsverfahren eine Pflicht zur Anzeige drohender Nachteile für die Gläubiger. Adressaten der entsprechenden Anzeige sind im Eröffnungsverfahren neben 376 dem Insolvenzgericht der vorläufige Gläubigerausschuss oder – sollte ein solcher nicht bestehen – sämtliche bekannte Gläubiger und Absonderungsberechtigten des insolventen Unternehmens.335) Besteht kein vorläufiger Gläubigerausschuss, ist – in Ermangelung eines Forderungsanmeldungsverfahrens – auch eine öffentliche Bekanntmachung der Nachteilsanzeige analog § 277 Abs. 3 Satz 1 InsO angezeigt.336) Konsequenz einer Nachteilsanzeige im Eröffnungsverfahren wird insbesondere 377 eine etwaige Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Fall nachträglich eingetretener offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Eigenverwaltungsantrags sein (vgl. §§ 270a Abs. 1 Satz 1, 21 InsO sowie oben Rz. 327 f.). Im Übrigen ergeben sich hinsichtlich der Nachteilsanzeige im Eröffnungsverfahren keine Besonderheiten.337) bb) Berichterstattung des vorläufigen Sachwalters Auch unterhalb der Schwelle einer Nachteilsanzeige gemäß §§ 270a Abs. 1 378 Satz 2, 274 Abs. 3 InsO lässt die InsO natürlich die Berichterstattung durch den ___________ 335) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 82. 336) So bereits Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 82. 337) Vgl. hierzu auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 80 ff.

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

vorläufigen Sachwalter zu. Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Sachwalter dementsprechend zur Vorlage entsprechender Zwischenberichte im Rahmen seiner Aufsicht gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 58 InsO auffordern. Unabhängig hiervon kann der vorläufige Sachwalter entsprechende Berichte auch aus eigenem Antrieb vorlegen, wobei sich dies – wie auch im Fall der Berichterstattung des Sachwalters im eröffneten Insolvenzverfahren – regelmäßig durchaus empfiehlt. Der vorläufige Sachwalter sollte aus Sicht des Verfassers in der Regel etwa nach dem ersten Monat der vorläufigen Eigenverwaltung und in jedem Fall zum Ende der vorläufigen Eigenverwaltung, d. h. in der Regel im Rahmen des Insolvenzgutachtens, (Zwischen-)Bericht über die vorläufige Eigenverwaltung erstatten, um auf diese Weise die Erfüllung seiner Aufsichtspflichten aktenkundig zu machen. Zudem erscheint – auch unterhalb der Schwelle der Nachteilsanzeigepflicht gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 3 InsO – die Erstattung von Zwischenberichten im Fall besonderer Anlässe, z. B. im Fall unerwarteter Entwicklungen des Eröffnungsverfahrens, angezeigt. 3. Begründung von Masseverbindlichkeiten in der vorläufigen Eigenverwaltung 379 Während der Gesetzgeber für das Schutzschirmverfahren in § 270b Abs. 3 InsO eine ausdrückliche Regelung zur Frage der Begründung von Masseverbindlichkeiten aufgenommen hat, ist eine gesetzliche Regelung dieser Frage für vorläufige Eigenverwaltungsverfahren außerhalb eines Schutzschirmverfahrens unterblieben. Ob der Schuldner im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO, d. h. außerhalb eines Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b InsO, Masseverbindlichkeiten begründen kann und ob insoweit insbesondere gerichtliche Einzelermächtigungen zulässig sind, wurde insbesondere in der Rechtsprechung, aber auch in der insolvenzrechtlichen Literatur seit Inkrafttreten des ESUG kontrovers diskutiert. a) Einzelermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten 380 Nach zutreffender h. M. in Literatur338) und Rechtsprechung339) kann das Insolvenzgericht den Schuldner während einer vorläufigen Eigenverwaltung ___________ 338) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 114 f.; ders., EWiR 2012, 359; Graf-Schlicker-GrafSchlicker, InsO, § 270a Rz. 16 ff.; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270a Rz. 19; Zipperer, EWiR 2012, 361; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg., 07/2012, § 270a Rz. 21; Andres/Leithaus-Leithaus, InsO, § 270a Rz. 9; Pape, ZInsO 2013, 2077, 2080 f.; Buchalik/ Kraus, ZInsO 2012, 2330, 2332; Buchalik/Kraus, ZInsO 2013, 815, 816 f.; Lambrecht/ Michelsen, ZInsO 2015, 2520, 2521; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rz. 170. 339) AG Köln, Beschl. v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, ZIP 2012, 788, dazu EWiR 2012, 359 (Hofmann); AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1470; LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12, ZIP 2012, 2453 = NZI 2013, 91 (mit zustimmender Anm. Andres).

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V. Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung

durch Beschluss ermächtigen, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Demgegenüber werden in Rechtsprechung und Literatur auch verschiedene andere Ansichten insbesondere wie folgt vertreten: Die vom Amtsgericht Hamburg340) in einem veröffentlichten Einzelfall ange- 381 ordnete Ermächtigung des vorläufigen Sachwalters zur Begründung von Masseverbindlichkeiten kann bereits unter systematischen Gesichtspunkten nicht überzeugen; der vorläufige Sachwalter würde hierdurch – trotz Anlehnung seines Amts an dasjenige des Sachwalters im eröffneten Insolvenzverfahren – eine Stellung erlangen, die den Schuldner insoweit teilweise von der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausschließen würde, die er indes im Fall der (vorläufigen) Eigenverwaltung gerade behalten soll.341) Nach einer zuerst vom Amtsgericht Fulda342) vertretenen Auffassung ist eine 382 Ermächtigung des Schuldners außerhalb des Schutzschirmverfahrens im Umkehrschluss zu § 270b Abs. 3 InsO von vornherein nicht zulässig, wobei der Schuldner auch anderweitig in der vorläufigen Eigenverwaltung keine Masseverbindlichkeiten begründen können soll.343) Dies verkennt indes zum einen den Regelungscharakter der Vorschrift des § 270b Abs. 3 InsO: § 270b Abs. 3 InsO will nämlich für das Schutzschirmverfahren lediglich den gerichtlichen Einschätzungsspielraum auf Null reduzieren und auf diese Weise die Anordnung der Ermächtigung, Masseverbindlichkeiten zu begründen, in die Entscheidungsmacht des insoweit antragstellenden Schuldnerunternehmens stellen.344) Zum anderen verkennt diese Auffassung, dass es sich bei der Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren – und zwar unabhängig davon, ob zugunsten eines vorläufigen Insolvenzverwalters345) oder zugunsten des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwaltung – um eine Sicherungsmaßnahme handelt, die auf Grundlage von § 21 Abs. 1 InsO bei entsprechender Erforderlichkeit zulässig und geboten ist.346) Damit ist zugleich als zutreffende Ermächtigungsgrundlage für ent___________ 340) AG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2012 – 67g IN 74/12, ZIP 2012, 787, dazu (ablehnend) Zipperer, EWiR 2012, 361. 341) Ebenfalls ausdrücklich ablehnend Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 113; ders., EWiR 2012, 359; Zipperer, EWiR 2012, 361; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 2012, § 270a Rz. 19, 21. 342) AG Fulda, Beschl. v. 28.3.2012 – 91 IN 9/12, ZIP 2012, 1471. 343) Ebenso Braun-Riggert, InsO, § 270a Rz. 6; ähnlich wohl auch Schelo, ZIP 2012, 712, 714. 344) So auch AG Ludwigshafen, Beschl. v. 10.4.2014 – 3f IN 27/14, ZIP 2014, 1134; K. Schmidt-Undritz, InsO, § 270a Rz. 6. 345) Kritisch zur Zulässigkeit von Einzelermächtigungen auch im Fall der schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung indes: Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, 43. Lfg. 02/2011, § 55 Rz. 230. 346) Auch im Fall der Anordnung von Einzelermächtigungen zugunsten eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren handelt es sich letztlich um die Ausgestaltung von dessen Pflichten im Interesse einer erforderlichen Sicherung des Schuldnervermögens; vgl. hierzu die insoweit grundlegende Entscheidung des BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625, 1629, wonach die Anordnung von Einzelermächtigungen gerade zuzulassen ist, „soweit dies für eine erfolgreiche Verwaltung nötig ist.“

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

sprechende Einzelermächtigungen in der vorläufigen Eigenverwaltung § 21 Abs. 1 InsO ausgemacht.347) 383 Zuletzt kann auch die in der Rechtsprechung zunächst vom Amtsgericht Montabaur348) vertretene Auffassung nicht überzeugen, wonach in Fällen der vorläufigen Eigenverwaltung außerhalb eines Schutzschirmverfahrens der Schuldner Masseverbindlichkeiten aus eigener Rechtsmacht begründen können soll.349) Die entsprechende Rechtsmacht wäre unter systematischen Gesichtspunkten nicht zu begründen, da der Schuldner – ohne jegliche gerichtliche Ermächtigung, die beispielsweise in der Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss liegt oder auch in § 270b Abs. 3 InsO in Bezug genommen wird – bereits eine Stellung wie der starke vorläufige Insolvenzverwalter oder wie der eigenverwaltende Schuldner oder der Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren hätte. Die vorgenannte Auffassung stützt sich im Wesentlichen auf die in § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO vorgesehene Verweisung auf § 275 Abs. 1 InsO und geht davon aus, dass hieraus eine Masseverbindlichkeitenbegründungskompetenz des Schuldners folge.350) Insoweit verkennen das Amtsgericht Hannover und Frind m. E. indes den Regelungsgehalt des § 275 Abs. 1 InsO,351) der letztlich auch im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren nicht die Grundlage für die Begründung von Masseverbindlichkeiten darstellt,352) sondern lediglich die Mitwirkung des (vorläufigen) Sachwalters an der Begründung von Verpflichtungen durch den Schuldner regelt.353) Gerade angesichts der Regelung des § 270b Abs. 3 InsO erscheint es verfehlt, für den Fall der vorläufigen Eigenverwaltung außerhalb des Schutzschirmverfahrens anzunehmen, dass der Schuldner insoweit ohne jegliche gerichtliche Ermächtigung die Position eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters innehat.354) 384 Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen einer im Übrigen zutreffenden Entscheidung355) zur Unzulässigkeit von Beschwerden gegen die Nichtanordnung von Einzelermächtigungen die Gelegenheit verstreichen lassen, die Diskussion durch ein entsprechendes obiter dictum zu beenden. Nach mehrfacher Mitteilung von Senatsmitgliedern des entscheidenden IX. Zivilsenats im Rahmen verschiedener Tagungen ist in der Entscheidung – auch zwischen den Zeilen – gerade keine Entscheidung gegen Einzelermächtigungen in der ___________ 347) Ebenso Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270a Rz. 19. 348) AG Montabaur, Beschl. v. 27.12.2012 – 14 IN 282/12, ZInsO 2012, 397. 349) Ebenso AG Hannover, Beschl. 30.4.2015 – 909 IN 294/15, ZInsO 2015, 1112 f.; Frind, ZInsO 2012, 1099, 1101; Foltis, in: FK-InsO, § 270a Rz. 22. 350) Vgl. z. B. AG Hannover, Beschl. v. 30.4.2015 – 909 IN 294/15, ZInsO 2015, 1112, 1113 m. w. N. 351) Ebenso K. Schmidt-Undritz, InsO, § 270a Rz. 6. 352) So aber für das eröffnete Verfahren wohl Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 160. 353) Vgl. hierzu auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 114 Fußn. 96. 354) So aber ausdrücklich Foltis, in: FK-InsO, § 270a Rz. 22. 355) BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 43/12, ZIP 2013, 525 mit Anm. Pleister/Tholen.

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V. Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung

vorläufigen Eigenverwaltung gefallen. Vielmehr wurde die Frage der Zulässigkeit entsprechender Einzelermächtigungen schlicht offengelassen. Unabhängig hiervon ergibt sich die Zulässigkeit entsprechender Einzeler- 385 mächtigungen im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung – wie auch an anderer Stelle vertreten356) – bereits aus der Zulässigkeit von Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 1 InsO.357) Insbesondere die in § 270a InsO getroffene gesetzgeberische Entscheidung für eine vorläufige Eigenverwaltung kann letztlich nur für die Zulassung der Anordnung von Einzelermächtigungen zugunsten des Schuldners sprechen. Unter systematischen und teleologischen Gesichtspunkten wäre es nicht nachvollziehbar, wenn der Gesetzgeber einerseits die Eigenverwaltung – gerade auch als vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO – gleichwertig neben das Regelinsolvenzverfahren stellen wollte und andererseits die in der Praxis vielfach in der schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung angeordnete Einzelermächtigung in diesem Verfahren nicht zur Verfügung stünde. In den entsprechenden Fällen verbliebe gerade nur die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, was dem Grundgedanken des § 270a Abs. 1 InsO zuwiderliefe. Auch die in § 21 Abs. 1 InsO verankerte Verhältnismäßigkeit von Sicherungsmaßnahmen spricht im Fall der Erforderlichkeit der Begründung von Masseverbindlichkeiten gerade für eine Ermächtigung des Schuldners im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung als minus im Vergleich zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und dessen entsprechender Ermächtigung.358) b) Voraussetzungen der Einzelermächtigung359) Materielle Voraussetzung der gerichtlichen Anordnung einer Einzelermächti- 386 gung des Schuldners ist deren Erforderlichkeit i. S. v. § 21 Abs. 1 InsO. Wie jede andere Sicherungsmaßnahme, die das Insolvenzgericht auf Grundlage von § 21 InsO anordnet, hat die Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im konkreten Fall erforderlich, aber auch ausreichend zu sein.360) Hierbei hat das Gericht neben der – im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung in der Regel vom Schuldner vorgetragenen – Notwendigkeit einer Einzelermächtigung insbesondere das Interesse der Gläubiger am Schutz vor einer Aushöhlung der (künftigen) Insolvenzmasse durch etwaige überflüssige Masseverbindlichkeiten zu berücksichtigen. Inwieweit darüber hinaus die Vorlage einer Liquiditätsplanung Voraussetzung 387 entsprechender Einzelermächtigungen ist, ist bislang nicht abschließend ge___________ 356) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 116. 357) Ebenso Lambrecht/Michelsen, ZInsO 2015, 2520, 2522; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270a Rz. 19. 358) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 116. 359) Zu den Voraussetzungen gerichtlicher Einzelermächtigungen im Allgemeinen eingehend Laroche, NZI 2010, 965 ff. 360) Graf-Schlicker-Voß, InsO, § 21 Rz. 1.

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

klärt.361) Nach zutreffender Auffassung ist zu fordern, dass der vorläufige Insolvenzverwalter bzw. – im Fall des § 270a InsO – der Schuldner dem Gericht plausibel darlegt, auf welchem Weg und mit welchen für die Masse zu generierenden Mitteln im eröffneten Insolvenzverfahren eine Befriedigung der zu begründenden Masseverbindlichkeiten möglich sein soll.362) Entsprechende plausible Prognosen wird das Insolvenzgericht bereits zur Vermeidung einer in diesem Fall ohne Weiteres ausschließbaren Staatshaftung gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG fordern.363) Praxistipp: In der Praxis der Anregung von Einzelermächtigungen empfiehlt es sich in jedem Fall, im Rahmen der Begründung auch Ausführungen dazu zu machen, auf welchem Weg aus der ex-ante-Sicht die Begleichung der zu begründenden Masseverbindlichkeit im eröffneten Insolvenzverfahren erfolgen soll. Inwieweit darüber hinaus eine Liquiditätsplanung vorzulegen ist, sollte im Einzelfall mit dem zuständigen Insolvenzrichter geklärt werden.

c) „Starke“ vorläufige Eigenverwaltung? 388 Ob im Einzelfall § 21 Abs. 1 InsO im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung auch die umfassende Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten – wie im Schutzschirmverfahren gemäß § 270b Abs. 3 InsO vorgesehen – zulässt, ist in Rechtsprechung und Literatur bislang nur vereinzelt behandelt worden. Nach hier vertretener Auffassung kommt im Einzelfall bei entsprechendem Sicherungsbedürfnis eine entsprechende Anordnung, die letztlich zu einer starken vorläufigen Eigenverwaltung führt, durchaus in Betracht.364) Insbesondere setzt § 270b Abs. 3 Satz 1 InsO die Zulässigkeit einer entsprechenden Anordnung ausdrücklich voraus.365) Indes dürfte es sich bei entsprechenden Anordnung auch nach hier vertretener Auffassung tatsächlich um absolute Ausnahmefälle handeln, da – wie auch bei Einzelermächtigungen – die Anordnung gerade erforderlich i. S. v. § 21 Abs. 1 InsO sein muss. d) Verfahren 389 Der Anordnung einer Einzelermächtigung geht in aller Regel eine entsprechende Anregung des eigenverwaltenden Schuldners voraus, deren Begründung sich insbesondere auch zur Frage des Ausreichens der künftigen Insolvenzmasse zur Begleichung der entsprechenden Verbindlichkeit zu äußern hat. Dem Schuldner ist zu empfehlen, entsprechende Anregungen mit dem vor___________ Vgl. insoweit zum Streitstand Laroche, NZI 2010, 971. Laroche, NZI 2010, 971. Laroche, NZI 2010, 972 m. w. N. Eingehend hierzu Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 122 ff.; ähnlich inzwischen auch Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 270a Rz. 20 ff. 365) Begr. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 17/7511, S. 37 zu § 270b Abs. 3. 361) 362) 363) 364)

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V. Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung

läufigen Sachwalter abzustimmen und ggf. mit Einreichung der Anregung bereits eine Stellungnahme des vorläufigen Sachwalters vorzulegen. Andernfalls wird das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht ggf. eine Stellungnahme des vorläufigen Sachwalters zur Frage der Notwendigkeit der Ermächtigung bzw. der Begründung von Masseverbindlichkeiten einholen. Die Anordnung erfolgt schließlich durch Beschluss des Gerichts, wobei eine 390 öffentliche Bekanntmachung insoweit grundsätzlich nicht erforderlich erscheint.366) Lediglich in Fällen, in denen das Gericht die Begründung von Masseverbindlichkeiten gemäß § 21 Abs. 1 InsO367) an die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters knüpft, ist die Anordnung analog § 23 Abs. 1 Satz 1 InsO öffentlich bekannt zu machen. Ein Rechtsmittel gegen die Anordnung bzw. gegen die Nichtanordnung einer 391 (Einzel-)Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten findet nicht statt, da eine sofortige Beschwerde gemäß § 6 InsO gerade nicht gesetzlich vorgesehen ist.368) e) Inhaltliche Anforderungen an (Einzel-) Ermächtigungen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten In inhaltlicher Hinsicht haben sich Einzelermächtigungen im Fall der vorläu- 392 figen Eigenverwaltung an denselben Anforderungen zu orientieren, welche die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch an die Ermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters stellt.369) Die Ermächtigung hat daher im Idealfall nach Gläubiger, Umfang und Gegenstand der zu begründenden Masseverbindlichkeiten derart bestimmt zu sein, dass für den Rechtsverkehr anhand des Beschlusses ohne Weiteres ersichtlich ist, ob ein eingegangenes Geschäft der Ermächtigung unterfällt.370) Jedenfalls erforderlich ist, dass die gerichtliche Anordnung zur Begründung einer im Voraus genau festgelegten Verpflichtung ermächtigt, wobei nicht jedes Detail gerichtlich geregelt werden muss.371) Die Grenze der vom Bundesgerichtshof geforderten Bestimmtheit der Anordnung ist insoweit jedenfalls dann überschritten, wenn inhaltlich letztlich eine höchstrichterlich gerade untersagte Pauschalermächtigung vorliegt.372)

___________ Eingehend zu dieser Frage auch Laroche, NZI 2010, 971 f. Vgl. hierzu Rz. 368 ff. BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 43/12, ZIP 2013, 525 m. Anm. Pleister/Tholen. BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625. Vgl. hierzu grundlegend Laroche, NZI 2010, 968; ebenso Buchalik/Kraus, ZInsO 2012, 2330, 2333. 371) Laroche, NZI 2010, 968. 372) Vgl. hierzu im Einzelnen Laroche, NZI 2010, 968.

366) 367) 368) 369) 370)

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D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

Beispiel: Als Formulierungsbeispiel einer Einzelermächtigung kann folgende Formulierung dienen: „Die Schuldnerin wird gemäß § 21 Abs. 1 InsO ermächtigt, mit folgenden Unternehmen Verträge abzuschließen und hierbei Masseverbindlichkeiten zulasten der späteren Insolvenzmasse zu begründen: Gläubiger

Gegenstand

Umfang

ABC Bank AG

Entgelte und Zinsen im Rahmen der Insolvenzgeldvorfinanzierung

bis zu EUR 10.000,00

Sachverständige GmbH

Inventarisierung und Bewertung des Anlage- und Umlaufvermögens der Schuldnerin

bis zu EUR 5.000,00

M&A Beratung GmbH

Durchführung eines M&A-Prozesses zur Vorbereitung einer übertragenden Sanierung

monatlich bis zu EUR 5.000,00“

Als Formulierungsbeispiel einer umfassenden Ermächtigung im Sinne einer ausnahmsweise denkbaren „starken vorläufigen Eigenverwaltung“ kann beispielsweise folgende Formulierung dienen: „Gemäß § 21 Abs. 1 InsO wird angeordnet, dass die Schuldnerin durch ihre Handlungen Masseverbindlichkeiten begründet. § 55 Abs. 2 InsO gilt entsprechend.“ VI. Sonstige Sicherungsmaßnahmen im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung 393 Während § 270a Abs. 1 InsO dem Insolvenzgericht auferlegt, im Fall eines nicht offensichtlich aussichtslosen Eigenverwaltungsantrags auf die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters sowie Anordnung verfügungsbeschränkender Sicherungsanordnungen gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO zu verzichten, verbleibt es im Übrigen auch im Fall einer vorläufigen Eigenverwaltung beim Grundsatz des § 21 Abs. 1 InsO. Demnach hat das Insolvenzgericht bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag alle Maßnahmen zu treffen, die zur Sicherung des Schuldnervermögens gegen nachteilige Veränderungen erforderlich erscheinen, wobei es insbesondere von den in § 21 Abs. 2 InsO genannten Maßnahmen Gebrauch machen kann. 1. Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO) 394 Sofern nicht bereits ein Fall eines obligatorischen vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 22a Abs. 1 InsO oder eines auf Antrag zu bestellenden fakultativen vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 22a Abs. 2 InsO vorliegt, kann das Gericht von Amts wegen bzw. ggf. auf entsprechende Anregung des Schuldners oder des vorläufigen Sachwalters einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen. 120

VI. Sonstige Sicherungsmaßnahmen im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung

In der Praxis erscheint gerade in Fällen der (vorläufigen) Eigenverwaltung die 395 Einsetzung eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses als zusätzliches Kontrollorgan der Gläubiger durchaus empfehlenswert, um die Gläubiger bereits frühzeitig an den in diesem Stadium ggf. bereits zu treffenden verfahrensstrategischen Entscheidungen zu beteiligen. Dies gilt insbesondere auch für die in § 270 Abs. 3 InsO vorgesehene Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses betreffend die Frage der Anordnung der Eigenverwaltung bei Verfahrenseröffnung. Zudem ist im Fall der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses die Anzeige von Nachteilen gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 3 InsO deutlich erleichtert, da die Anzeige andernfalls an einen ggf. noch unbekannten Kreis von Gläubigern zu richten ist. 2. Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO) Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO kann das Insolvenzgericht im Eröffnungs- 396 verfahren insbesondere Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Der Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt – gerade in Fällen der Be- 397 triebsfortführung – besondere Bedeutung zu. Nur durch die Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO können letztlich Vollziehungsmaßnahmen in das bewegliche Vermögen des Schuldners während einer vorläufigen Eigenverwaltung verhindert werden, die ggf. eine erhebliche Beeinträchtigung des laufenden Betriebs zur Folge haben können. Das Insolvenzgericht wird daher – wie auch in Fällen vorläufiger Insolvenzverwaltung – die Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO in der Regel von Amts wegen oder jedenfalls auf entsprechende Anregung des Schuldners bzw. des vorläufigen Sachwalters anordnen.373) Die Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO 398 verhindert im Fall ihrer Anordnung nicht nur die Pfändung von beweglichem Vermögen des Schuldners, sondern nach zutreffender Ansicht auch die Vollstreckung der Herausgabe und Räumung von (Geschäfts-)Räumen des Schuldners.374) Gerade auch hierin ist in Fällen entsprechend drohender Räumungsvollstreckung erhebliche Sicherungswirkung im Interesse der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs des insolventen Unternehmens zu sehen. 3. Vorläufige Postsperre (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 InsO) Die in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 InsO vorgesehene vorläufige Postsperre wird 399 in Fällen vorläufiger Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO kaum in Betracht kommen, da die vorläufige Postsperre gerade in solchen Fällen zum Einsatz kommt, in denen der Schuldner nicht kooperativ ist, was einen Eigenverwaltungsantrag in der Regel als offensichtlich aussichtslos erscheinen ließe.375) ___________ 373) Ebenso Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 189. 374) Graf-Schlicker-Voß, InsO, § 21 Rz. 21; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 190. 375) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 192.

121

D. Vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO)

4. Verwertungs- und Einziehungsverbot hinsichtlich Aus- und Absonderungsgut (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO) 400 Das in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO vorgesehene Verwertungs- und Einziehungsverbot ist eine für Betriebsfortführungen wesentliche Sicherungsmaßnahme. Dies gilt sowohl im Fall der vorläufigen Insolvenzverwaltung wie auch im Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung. Die Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO verbietet Vertragspartnern des insolventen Unternehmens, mit Aus- oder Absonderungsrechten belastete bewegliche Gegenstände in Besitz zu nehmen, sofern diese für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung sind. Im Kern ihres Anwendungsbereichs erfasst die Vorschrift vor allem geleastes bzw. sicherungsübereignetes Betriebsvermögen, beispielsweise Fahrzeuge oder Maschinen des insolventen Unternehmens, ohne die eine Betriebsfortführung zum Scheitern verurteilt wäre. 401 Die Anordnung erfolgt durch Beschluss des Insolvenzgerichts, dem im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung eine Anregung des Schuldners oder eine Anregung des vorläufigen Sachwalters vorangehen dürfte. 402 Im Fall der Anordnung steht dem belasteten Vertragspartner bzw. Gläubiger gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO ein Ausgleichsanspruch für den durch die Nutzung eintretenden Wertverlust im Rang einer Masseverbindlichkeit zu.376) Dies gilt auch im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung.377) Der Schuldner hat daher im Rahmen einer entsprechenden Dokumentation festzuhalten, in welchem Zustand sich der betreffende Gegenstand bei Anordnung der Maßnahme nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO befunden hat.378) Im Zweifel sollte die entsprechende Dokumentation ggf. sogar durch einen unabhängigen Dritten, z. B. einen Sachverständigen, erfolgen. Der vorläufige Sachwalter sollte im Rahmen seiner Aufsicht die entsprechende Dokumentation überwachen bzw. ggf. auf eine entsprechende Dokumentation hinwirken. 5. Sonstige Maßnahmen auf Grundlage vom § 21 Abs. 1 InsO 403 § 21 Abs. 1 InsO eröffnet dem Insolvenzgericht zudem die Möglichkeit, jede Maßnahme anzuordnen, die zur Sicherung gegen eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners erforderlich erscheinen. Die Norm kann hierbei durchaus in juristisch kreativer Weise zur Sicherung des Schuldnervermögens und zur Sicherung einer Betriebsfortführung eingesetzt werden. Rechtliche Grenzen sind dem Insolvenzgericht indes in verfassungsrechtlicher Hinsicht insbesondere dann gesetzt, wenn sich Maßnahmen gegen Dritte richten.379) ___________ 376) BGH, Urt. v. 8.3.2012 – IX ZR 78/11, ZIP 2012, 779; 782; BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 7/09, ZIP 2010, 141, 142 f. 377) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 195. 378) BGH, Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 219/09, ZIP 2012, 1566, 1570 f. (auch zu den beweisrechtlichen Konsequenzen im Fall nicht hinreichender Dokumentation); ähnlich bereits Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 195. 379) Vgl. hierzu Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 197 m. w. N.

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E. Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO)380) Eine besondere „Spielart“ der vorläufigen Eigenverwaltung stellt das in § 270b 404 InsO unter der Überschrift „Vorbereitung einer Sanierung“ geregelte Sanierungsvorbereitungs- bzw. Schutzschirmverfahren dar,381) das verschiedene insbesondere verfahrensrechtliche Besonderheiten bietet. § 270b InsO ist insoweit lex specialis zu § 270a InsO bzw. ergänzt die dortigen Regelungen in seinem Anwendungsbereich (hierzu sogleich Ziffer II., Rz. 422 ff.), wobei im Übrigen die Ausführungen zur vorläufigen Eigenverwaltung vollumfänglich Geltung beanspruchen. Die inhaltlichen Besonderheiten des Schutzschirmverfahrens gegenüber einer 405 „herkömmlichen“ vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO bestehen insbesondere in vier verbindlichen Vorgaben an die Verfahrensweise des Insolvenzgerichts; hierbei handelt es sich namentlich um x

die Bestimmung einer Frist von bis zu drei Monaten zur Vorlage eines Insolvenzplans, innerhalb derer mit einer Entscheidung über den Insolvenzantrag zuzuwarten ist (§ 270b Abs. 1 Satz 1 InsO),

x

die Einschränkung des Auswahlermessens des Insolvenzgerichts in Bezug auf die Person des vorläufigen Sachwalters im Hinblick auf einen Vorschlag des Schuldners (§ 270b Abs. 2 Satz 2 InsO),

x

die Verpflichtung des Gerichts, auf Antrag des Schuldners Vollstreckungsschutz gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO anzuordnen (vgl. § 270b Abs. 2 Satz 3 InsO) und

x

die Verpflichtung des Gerichts, den Schuldner auf seinen Antrag zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen (§ 270b Abs. 3 InsO).

Hintergrund dieser erheblichen Einschränkungen des richterlichen Handlungs- 406 spielraums im Eröffnungsverfahrens ist das Ziel des Gesetzgebers, durch die bessere Planbarkeit des Verfahrens aus Sicht des Schuldners einen Anreiz zur frühzeitigen Insolvenzantragstellung und damit zu einer Sanierung des insolventen Unternehmens zu bieten.382) Aus der Begründung des Regierungsentwurfs des ESUG ergibt sich ebenfalls, dass der Schuldner diese Erleichterungen eben nur in bestimmten Fällen frühzeitiger Insolvenzantragstellung und guter Sanierungsaussichten „verdient“.383) Dies ist bei Auslegung und Anwendung von § 270b InsO entsprechend zu berücksichtigen.

___________ 380) Wegen detaillierter Hinweise zum Schutzschirmverfahren vgl. auch Kolmann, Schutzschirmverfahren, ZIP-Praxisbuch Band 2. 381) Ebenso Frind, ZInsO 2015, 2358, 2360: „Eigenverwaltungsverfahren sui generis“. 382) Begr. RegE zu § 270b InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 40. 383) Begr. RegE zu § 270b InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 40.

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E. Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO)

I. Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens (§ 270b Abs. 1 InsO) 407 Die Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens nennt abschließend § 270b Abs. 1 InsO, wobei zwischen formellen und materiellen bzw. inhaltlichen Voraussetzungen zu unterscheiden. 1. Formelle Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens a) Erforderliche Anträge 408 Aus § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO ergibt sich, dass Grundvoraussetzung des Schutzschirmverfahrens ein eigener Insolvenzantrag des Schuldners und dessen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung sind; liegt also ausschließlich ein Gläubigerinsolvenzantrag vor, so scheiden die von § 270b InsO vorgesehenen Anordnungen von vornherein aus – unabhängig von der Frage, ob die materiellen Voraussetzungen des § 270b Abs. 1 InsO, insbesondere das Nichtvorliegen von Zahlungsunfähigkeit, vorliegen. 409 Neben diesen Anträgen hat der Schuldner einen zusätzlichen Antrag auf Fristbestimmung zur Vorlage eines Insolvenzplans gemäß § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO zu stellen. Hierin ist der eigentliche Inhalt des „Schutzschirmantrags“ zu sehen. Der Schutzschirmantrag ist insoweit zudem unabhängig von dem eigentlichen Eigenverwaltungsantrag bzw. der hierin enthaltenen Anregung auf Anordnung einer vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO, so dass im Fall der Zurückweisung des Antrags nach § 270b Abs. 1 InsO gleichwohl die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung in Betracht kommt.384) b) Bescheinigung 410 Darüber hinaus setzen die in § 270b InsO vorgesehenen gerichtlichen Anordnungen – so der Wortlaut des § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO – in formeller Hinsicht voraus, dass der Schuldner „dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen [hat], aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.“ Die Bescheinigung ist damit – auch in der Diskussion in Literatur und Rechtsprechung – die zentrale Voraussetzung des Schutzschirmverfahrens. Hierbei handelt es sich indes zunächst um die formelle Grundvoraussetzung, um Zugang zu den Vorzügen des Schutzschirmverfahrens zu erhalten.

___________ 384) AG München, Beschl. v. 29.3.2012 – 1507 IN 1125/12, ZIP 2012, 789; AG Ludwigshafen, Beschl. v. 4.7.2014 – 3f IN 260/14, ZInsO 2014, 1452, 1453; ebenso im Ergebnis Kolmann, Schutzschirmverfahren, Rz. 668.

124

I. Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens (§ 270b Abs. 1 InsO)

§ 270b Abs. 1 Satz 3 InsO regelt die Anforderungen an die gesetzlich nor- 411 mierte Bescheinigung nur in äußerst rudimentärer Form. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Person des Bescheinigungsausstellers (vgl. sogleich Rz. 412 ff.) wie auch in inhaltlicher Hinsicht (vgl. Rz. 416 f.). aa) Anforderungen an die Person des Bescheinigungsausstellers Der Aussteller der Bescheinigung hat gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO ein 412 in Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder eine Person mit vergleichbarer Qualifikation zu sein. An vergleichbaren Qualifikationen sind insbesondere Steuerbevollmächtigte, vereidigte Buchprüfer oder auch verkammerte Rechtsbeistände sowie mit Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern vergleichbare ausländische Berufsträger anzuerkennen. Da die InsO indes ausdrücklich auf Berufsträger abstellt, sollen Unternehmensberater nicht als Bescheiniger fungieren können,385) wobei insoweit eine abschließende Klärung durch Praxis und Rechtsprechung noch aussteht; soweit die entsprechende insolvenzrechtliche Expertise gegeben ist, sprechen aus meiner Sicht gerade in praktischer Hinsicht indes keine gravierenden Argumente gegen eine Zulassung von Unternehmensberatern als Bescheinigungsaussteller.386) Unabdingbare Voraussetzung neben der Berufsträgerstellung ist jedoch die 413 vom Gesetz vorgesehene Erfahrung in Insolvenzsachen. Diese liegt zweifelsohne bei bereits seit mindestens drei Jahren tätigen Unternehmensinsolvenzverwaltern sowie bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern vor, die ebenfalls mehrere Jahre Erfahrungen in der insolvenznahen Beratung von Unternehmen bzw. in der Restrukturierung gesammelt haben. Praxistipp: Sofern die Qualifikation des Bescheinigers – insbesondere aufgrund dessen langjähriger und bis dato andauernder Tätigkeit als Unternehmensinsolvenzverwalter – nicht über jeden Zweifel erhaben ist, empfiehlt es sich, die Person des Bescheinigers ggf. im Vorfeld mit dem zuständigen Insolvenzgericht abzustimmen. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass nicht alle Gerichte derartigen Absprachen im Vorfeld einer Antragstellung offen gegenüberstehen. Zudem sollte die Bescheinigung (zweckmäßigerweise unter Bezugnahme auf eine entsprechende Anlage) die Qualifikation des Bescheinigers und dessen Erfahrung in Insolvenzsachen offenlegen.

___________ 385) Buchalik/Kraus, KSI 2012, 60, 61; ebenso noch: Koch, in: Kübler, HRI, 1. Aufl., 2012, § 7 Rz. 12. 386) Ebenso nunmehr: Koch/Jung, in: Kübler, HRI, § 8 Rz. 40.

125

E. Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO)

bb) Unabhängigkeit des Bescheinigers 414 Die Neutralität bzw. Unabhängigkeit des Bescheinigers hat in § 270b InsO keine Regelung gefunden. § 270b Abs. 2 Satz 1 InsO hält für den vorläufigen Sachwalter fest, dass dieser nicht nur vom Berater des Schuldners (vgl. hierzu bereits § 56 Abs. 1 InsO), sondern auch vom Aussteller der Bescheinigung gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO personenverschieden zu sein hat. Diese Regelung bezieht sich indes offensichtlich allein auf die Frage der Auswahl des vorläufigen Sachwalters. Demgegenüber lässt die InsO insbesondere die Frage offen, ob der Berater bzw. Vertreter des Schuldners als Aussteller der Bescheinigung gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO fungieren kann oder aber von vornherein als Bescheiniger ausscheidet. 415 Entgegen einer teils vertretenen Auffassung387) kommt bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO auch der bisherige bzw. aktuelle steuerliche oder insolvenzrechtliche Berater des Schuldners als Bescheinigungsaussteller in Betracht388). Insbesondere sprechen praktische Erwägungen für eine Zulassung der bisherigen Berater des Schuldners als Bescheinigungsaussteller i. S. v. § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO. Dem Ziel des ESUG, die frühzeitige Verfahrenseinleitung durch das insolvente Unternehmen zu fördern, würde es völlig zuwiderlaufen, wenn sich neben einem insolvenzrechtlichen Berater, der ohnehin die aktuelle wirtschaftliche Situation, d. h. insbesondere das Vorliegen von Insolvenzgründen, laufend beleuchten, Sanierungspotenziale aufzeigen und ein Sanierungskonzept erarbeiten wird, noch eine weitere Person aufwändig und ggf. zeitintensiv einarbeiten müsste.389) Das von der a. A.390) in Bezug genommene Gläubigerinteresse muss letztlich weniger durch eine Beschränkung in der Person des Bescheinigers, als vielmehr durch entsprechende Anforderungen an die Begründungstiefe der Bescheinigung und insbesondere durch hohe Anforderungen an die Unabhängigkeit des vorläufigen Sachwalters seinen Schutz finden. Praxistipp: Da sich in der insolvenzgerichtlichen Rechtsprechung eine einheitliche Handhabung der Anforderungen an die Person des Bescheinigungsausstellers noch nicht herausgebildet hat, ist in der Praxis gleichwohl ein vorsichtiger Umgang mit dieser Frage in zweierlei Hinsicht angezeigt: x Ist die Auffassung des zuständigen Insolvenzgerichts bekannt und demnach ein personenverschiedener Bescheiniger hinzuzuziehen, so haben sich der Schuldner bzw. dessen Berater hieran naturgemäß zu orientieren.

___________ 387) AG München, Beschl. v. 14.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1308, dazu EWiR 2012, 495 (Vallender); AG München, Beschl. v. 29.3.2012 – 1507 IN 1125/12, ZIP 2012, 789; Hölzle, ZIP 2012, 158, 161 f.; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 07/2012, § 270b Rz. 42. 388) Ebenso Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 270b Rz. 10; Schmidt/Linker, ZIP 2012, 963, 964; Vallender, EWiR 2012, 495 f.; Kolmann, Schutzschirmverfahren, Rz. 512. 389) Ebenso Vallender, EWiR 2012, 495 f. 390) Hölzle, ZIP 2012, 158, 161 f.

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I. Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens (§ 270b Abs. 1 InsO) x Auch im Übrigen ist jedoch zu beachten, dass der zur Entscheidung über den Antrag gemäß § 270b InsO berufene Insolvenzrichter sich angesichts des Eilcharakters des Verfahrens äußerst zügig einen Eindruck verschaffen muss und hierbei Zweifel verständlicherweise zulasten des antragstellenden Schuldners gehen. Kommen daher im Zusammenhang mit der Bescheinigung gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO Zweifel an der Ernsthaftigkeit bzw. an den Erfolgsaussichten der Sanierungsbemühungen auf, so wird der Richter gerade in Fällen, in denen die Bescheinigung aus der Feder des Erstellers des Sanierungskonzepts stammt, noch eher zu einer Zurückweisung des Schutzschirmantrags tendieren als in Fällen, in denen ein sonst nicht mit dem Fall betrauter, in Insolvenzsachen erfahrener Dritter bereits eine Einschätzung zu den Aussichten für eine Sanierung abgegeben hat. Der Praxis ist daher – soweit dies zeitlich und finanziell möglich ist – zu empfehlen, nach Möglichkeit stets einen auch von den Beratern des insolventen Unternehmens personenverschiedenen Bescheiniger hinzuzuziehen.

cc) Inhaltliche Anforderungen an die Bescheinigung gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO Von der Diskussion um die Frage der Person des Bescheinigers teilweise in 416 den Hintergrund gedrängt ist die aus Sicht des Autors deutlich bedeutsamere, indes auch deutlich weniger greifbare Frage nach den inhaltlichen Anforderungen an die Bescheinigung des § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO. Die InsO fordert insoweit lediglich, dass es sich um eine mit Gründen versehene Bescheinigung handeln muss, aus der sich eben das Nichtvorliegen des Insolvenzgrunds der Zahlungsunfähigkeit und das Nichtvorliegen einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit der angestrebten Sanierung ergeben muss. Die inhaltliche Tiefe der Bescheinigung ergibt sich aus der InsO nicht. Von der Bescheinigung ist in jedem Fall zu verlangen, dass sie eine ausreichende Grundlage für eine Überzeugungsbildung des Insolvenzgerichts von den materiellen Voraussetzungen des § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO bildet, da der Zweck der Bescheinigung letztlich darin besteht, eine aufwändige Prüfung durch das Insolvenzgericht im Interesse der Eilbedürftigkeit des Verfahrens zu vermeiden. In zeitlicher Hinsicht sprechen sich viele Stimmen zu Recht dafür aus, dass 417 die Bescheinigung sich auf den Stichtag der Antragstellung beziehen muss bzw. im Zeitpunkt der Antragstellung nach § 270b Abs. 1 InsO allenfalls ein geringes Alter aufweisen darf. Andernfalls würden Sinn und Zweck der Bescheinigung unterlaufen, dem Gericht die Prüfung der Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens zu erleichtern. In der Literatur wird insoweit eine Zeitspanne von höchstens drei Wochen für noch vertretbar gehalten.391) dd) Haftung des Bescheinigungsausstellers Die Frage der Haftung des Bescheinigers ist in Rechtsprechung und Literatur 418 bislang nicht abschließend geklärt. Ob die Haftung des Bescheinigers inso___________ 391) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg., 07/2012, § 270b Rz. 52.

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E. Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO)

weit künftig eine praktische Rolle spielen wird, erscheint aus Sicht des Verfassers eher fraglich. Kausal für Schäden sind zunächst in der Regel ja die entsprechenden Rechtshandlungen des Schuldners während einer (vorläufigen) Eigenverwaltung sowie ggf. die Verletzung der Aufsichtspflichten des (vorläufigen) Sachwalters. Inwieweit darüber hinaus ein Haftungszugriff auf einen Bescheiniger unter Kausalitätsgesichtspunkten überhaupt in Betracht kommt, erscheint jedenfalls fraglich. 2. Materielle Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens und Prüfungsumfang des Insolvenzgerichts 419 Während die viel diskutierte Bescheinigung gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO letztlich nur eine formelle Voraussetzung des Antrags gemäß § 270b InsO und damit lediglich eine Zulässigkeitsvoraussetzung ist, lässt der Wortlaut des § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO ein Schutzschirmverfahren ausdrücklich nur in Fällen zu, in denen der Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt wird und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. 420 Nach zutreffender Auffassung steht dem Insolvenzgericht insoweit eine inhaltliche Prüfungskompetenz zu, die über die bloß formale Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der vorgelegten Bescheinigung hinausgeht. Diese Prüfungskompetenz ist auch nicht – wie teils vertreten392) – auf eine Prüfung offensichtlicher Mängel der Bescheinigung zu beschränken. Vielmehr muss das Insolvenzgericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO überzeugt sein. Aufgrund der systematischen und teleologischen Ausgestaltung des Schutzschirmverfahrens greift allerdings die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts im Rahmen von § 270b InsO nicht, so dass das Gericht sich seine Überzeugung eben auf Grundlage der Angaben des insolventen Unternehmens und insbesondere auf Grundlage der Bescheinigung gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO zu bilden hat.393) Ist dies nicht möglich, so hat das Insolvenzgericht dem Schuldner eine kurze Frist zur Nachbesserung seiner Angaben bzw. zur Vorlage einer nachgebesserten Bescheinigung zu setzen. Demgegenüber erscheint die Durchführung weiterer gerichtlicher Ermittlungen, insbesondere die Einsetzung eines Sachverständigen zur Prüfung der Voraussetzungen des § 270b Abs. 1 InsO, als mit dem Eilcharakter der Entscheidung gemäß § 270b Abs. 1 InsO nicht vereinbar und damit unzulässig. Reichen Nachbesserungsmöglichkeit bzw. vom Schuldner ergänzend vorgelegte Unterlagen weiter nicht zur Überzeugungsbildung des Gerichts aus, so ist der Antrag gemäß § 270b InsO daher abzulehnen.394) In diesem ___________ 392) Koch/Jung, in: Kübler, HRI, § 8 Rz. 83; Desch, BB 2011, 841. 393) Ebenso zutreffend: Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg., 07/2012, § 270b Rz. 58, 59; ähnlich Kolmann, Schutzschirmverfahren, Rz. 677 m. w. N., wonach die inhaltliche Prüfungsdichte des Insolvenzgerichts auf eine Schlüssigkeits- und Plausibilitätsprüfung beschränkt ist. 394) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg., 07/2012, § 270b Rz. 59.

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II. Anordnungen des Gerichts im Schutzschirmverfahren

Fall hat das Insolvenzgericht in der Regel auf Grundlage von § 270a Abs. 1 InsO das Eröffnungsverfahren als vorläufige Eigenverwaltung fortzuführen, wobei dem Schuldner natürlich die Erleichterungen des § 270b InsO nicht zugutekommen. Praxistipp: Neben der Frage, wer als Bescheiniger in Betracht kommt, sollte letztlich auch die Frage der inhaltlichen Tiefe der Bescheinigung und insbesondere der dieser beizufügenden Unterlagen im Wege einer Vorbesprechung mit dem zuständigen Insolvenzrichter geklärt werden.

Materielle Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens, von deren Vorlie- 421 gen das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Prüfung der vorgelegten Bescheinigung und der weiter vorgelegten Unterlagen überzeugt zu sein hat, sind gemäß § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO x

das Vorliegen von drohender Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung,

x

das Nichtvorliegen bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit und

x

das Nichtvorliegen einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit der angestrebten Sanierung.

II. Anordnungen des Gerichts im Schutzschirmverfahren Liegen die Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens zur Überzeugung 422 des Insolvenzgerichts vor, so hat das Gericht die in § 270b InsO vorgesehenen Anordnungen zu erlassen. 1. Bestimmung einer Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans Gemäß § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO besteht die grundlegende Anordnung im 423 Schutzschirmverfahren in einer Fristbestimmung des Insolvenzgerichts zur Vorlage eines Insolvenzplans. Die Frist darf nach § 270b Abs. 1 Satz 2 InsO höchstens drei Monate betragen; 424 aufgrund des klaren Wortlauts ist eine Verlängerung der Frist über drei Monate hinaus nicht möglich. Indes besteht in Ausnahmefällen, in denen ggf. sanierungsvorbereitende Maßnahmen im Eröffnungsverfahren mehr als drei Monate dauern, die Möglichkeit, dass das Insolvenzgericht mit der Eröffnungsentscheidung ggf. auch außerhalb bzw. nach Ablauf des Schutzschirmverfahrens noch zuwartet. Voraussetzung hierfür wird sicherlich sein, dass ein Zuwarten mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nachweisbar nicht mit Nachteilen für die Gläubiger verbunden ist und zudem auch die entsprechende Zweckmäßigkeit des Zuwartens dem Gericht gegenüber dargelegt wird. Insoweit empfiehlt sich in jedem Fall eine enge Abstimmung mit dem zuständigen Insolvenzrichter. In der Praxis ist die zu beantragende Frist regelmäßig mit

129

E. Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO)

dem Zeitraum einer Insolvenzgeldvorfinanzierung (vgl. hierzu Rz. 473) in Einklang zu bringen. 425 Innerhalb des Laufs der Frist darf das Gericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht entscheiden (vgl. insoweit § 270b Abs. 4 Satz 3 InsO). 2. Bestellung eines vorläufigen Sachwalters unter Bindung an den Vorschlag des Schuldners 426 Nach § 270b Abs. 2 InsO hat das Gericht im Schutzschirmverfahren einen vorläufigen Sachwalter gemäß § 270a Abs. 1 InsO zu bestellen. Hierbei gelten indes die in § 270b Abs. 2 InsO vorgesehenen Besonderheiten: a) Personenverschiedenheit des vorläufigen Sachwalters vom Aussteller der Bescheinigung 427 Nach § 270b Abs. 2 Satz 1 InsO hat der vom Gericht zu bestellende vorläufige Sachwalter personenverschieden von dem Aussteller der Bescheinigung zu sein. Das Gesetz stellt insoweit zu Recht ausdrücklich klar, dass auch die Vorbefassung in Gestalt der Bescheinigungserstellung die Unabhängigkeit des Bescheinigers im Hinblick auf das Amt eines (vorläufigen) Sachwalters oder Insolvenzverwalters ausschließt. b) Bindung des Gerichts an Vorschlag des Schuldners 428 Den wesentlichen Unterschied des Schutzschirmverfahrens gegenüber einer „herkömmlichen“ vorläufigen Eigenverwaltung im Hinblick auf die Auswahl des vorläufigen Sachwalters bildet die Bindung des Gerichts an einen entsprechenden Vorschlag des Schuldners. 429 Dass der Schuldner im Zuge seiner Insolvenzantragstellung einen oder mehrere Vorschläge zur Person des vorläufigen Insolvenzverwalters oder Sachwalters machen darf, ohne dass bereits dies dessen Unabhängigkeit bzw. Bestellbarkeit ausschließt, stellt § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 InsO inzwischen ausdrücklich klar.395) Im Schutzschirmverfahren ist dieses Vorschlagsrecht des Schuldners deutlich gestärkt. So ist das Insolvenzgericht im Schutzschirmverfahren gemäß § 270b Abs. 2 Satz 2 InsO an einem Vorschlag des Schuldners zur Person des vorläufigen Sachwalters – offensichtliche Nichteignung ausgeschlossen (hierzu sogleich) – gebunden. Der Gesetzgeber beabsichtigt mit der Bindung an den Vorschlag des Schuldners – trotz vielfacher Kritik hieran im Gesetzgebungs-

___________ 395) Zum klarstellenden Charakter der Vorschrift vgl. bereits Hofmann, NZI 2010, 798, 802.

130

II. Anordnungen des Gerichts im Schutzschirmverfahren

verfahren396) – die Planbarkeit des Verfahrens für den Schuldner, der seine Sanierung mit einer „vertrauenswürdigen, gleichzeitig aber unabhängigen Person“ vorbereiten können soll.397) c) Ausnahme: Offensichtliche Nichteignung § 270b Abs. 2 Satz 2 InsO lässt nur dann ein Abweichen des Insolvenzge- 430 richts vom Schuldnervorschlag zu, wenn die als vorläufiger Sachwalter vorgeschlagene Person „offensichtlich zur Übernahme des Amts nicht geeignet ist“. Als klare Fälle offensichtlicher Nichteignung sind insbesondere zu nennen: x

Mangelnde Praxiserfahrung der vorgeschlagenen Person wird diese im Anwendungsbereich des Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b InsO insbesondere dann von einer Bestellung ausschließen, wenn keinerlei Erfahrungen aus dem Bereich der Insolvenzverwaltung vorliegen. Angesichts der von § 270b Abs. 2 Satz 2 InsO geforderten offensichtlichen Nichteignung erscheint es indes überzogen, in jedem Fall langjährige Erfahrungen in der Insolvenzverwaltung zu fordern.398) Zuzugeben ist natürlich, dass im Fall eines vorgeschlagenen unbekannten vorläufigen Sachwalters der zuständige Insolvenzrichter die Prüfung der offensichtlichen Nichteignung zu Recht deutlich intensiver durchführen wird.

x

Fehlende Unabhängigkeit i. S. v. §§ 270a Abs. 1, 274 Abs. 1, 56 InsO, insbesondere in Fällen der Vorbefassung, die über eine Beratung „in allgemeiner Form“ i. S. v. § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO hinausgeht, wird eine vorgeschlagene Person regelmäßig als offensichtlich ungeeignet erscheinen lassen. Insbesondere konkrete Vorgespräche zu konkreten Verfahrensgestaltungen und Ablauf bzw. Folgen des Insolvenzverfahrens im konkreten Einzelfall hindern offensichtlich die Unabhängigkeit des vorgeschlagenen vorläufigen Sachwalters.399) Gleiches gilt natürlich erst recht für Berater des Schuldners, z. B. Anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater, und zwar unabhängig davon, wie lange das Beratungsmandat bereits Bestand hat.400)

431

3. Sonstige Anordnungen An weiteren Anordnungen, die der Schuldner im Rahmen des Schutzschirm- 432 verfahren – ohne entsprechendes Ermessen des Gerichts – beanspruchen ___________ 396) Vgl. z. B. auch Hofmann, NZI 2010, 798, 802 f. Die vom Verfasser (a. a. O.) geäußerte Kritik insbesondere an der Entwurfsfassung von § 56 Abs. 1 InsO wurde im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens aufgegriffen, so dass inzwischen Berater des Schuldners, die in konkreten Fragen beraten haben, als vorläufige Sachwalter nicht mehr in Betracht kommen. 397) Begründung RegE zu § 270b InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 40. 398) So aber Koch/Jung, in: Kübler, HRI, § 8 Rz. 99. 399) Ebenso Koch/Jung, in: Kübler, HRI, § 8 Rz. 107. 400) Koch/Jung, in: Kübler, HRI, § 8 Rz. 105.

131

E. Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO)

kann, sieht § 270b InsO in Abs. 3 die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner und in Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO vor. Weitere, im Eröffnungsverfahren mögliche Maßnahmen gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1a, Nr. 3 bis 5 InsO stellt § 270b Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 InsO demgegenüber in das pflichtgemäße Ermessen des Insolvenzgerichts. III. Ablehnung des Schutzschirmantrags 433 Sieht das Insolvenzgericht die Voraussetzungen des § 270b Abs. 1 InsO – gleich, ob aus formellen oder materiellen Gründen – nicht als gegeben an, so hat es den Antrag auf Fristbestimmung gemäß § 270b Abs. 1 InsO abzulehnen. Dies geschieht durch Beschluss des Insolvenzgerichts, für den die InsO eine Begründung nicht vorsieht. Gegen die Ablehnung des Antrags gemäß § 270b Abs. 1 InsO ist mangels gesetzlicher Anordnung kein Rechtsmittel vorgesehen. Dem Schuldner steht in Fällen der Verletzung des rechtlichen Gehörs lediglich eine Anhörungsrüge gemäß § 4 InsO, § 321a ZPO sowie anschließend einer Verfassungsbeschwerde offen. 434 Hat das Gericht einen Antrag nach § 270b InsO abgelehnt, so ist das Eröffnungsverfahren unter Außerachtlassung der besonderen Regelungen des § 270b InsO fortzuführen. Insbesondere hat das Gericht – sofern der gestellte Eigenverwaltungsantrag nicht offensichtlich aussichtslos i. S. v. § 270a Abs. 1 Satz 1 InsO erscheint – einen vorläufigen Sachwalter zu bestellen, wobei es an den Vorschlag des Schuldners nicht gemäß § 270b Abs. 2 Satz 2 InsO gebunden ist. Das Eröffnungsverfahren dürfte somit auch in Fällen einer Ablehnung des Schutzschirmantrags regelmäßig als vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO abgewickelt werden. IV. Aufhebung des Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b Abs. 4 InsO und Ablauf der bestimmten Frist 435 Das Insolvenzgericht hat die Fristbestimmung zur Vorlage eines Insolvenzplans, innerhalb derer eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens suspendiert ist, gemäß § 270b Abs. 4 InsO in folgenden Fällen aufzuheben: x

Eintritt der Aussichtslosigkeit der angestrebten Sanierung (§ 270b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 InsO;

x

Antrag auf Aufhebung der Fristbestimmung durch den vorläufigen Gläubigerausschuss (§ 270b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InsO);

x

Antrag eines Gläubigers auf Aufhebung, sofern Nachteile bekannt geworden sind, die das Schutzschirmverfahren als nachteilig erscheinen lassen und sofern kein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt ist (§ 270b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 InsO).

132

IV. Aufhebung des Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b Abs. 4 InsO

Die Aufhebung der Fristbestimmung ist in diesen Fällen durch Beschluss 436 auszusprechen, der gemäß § 6 InsO nicht anfechtbar ist. Nach der Aufhebung der Fristbestimmung oder nach Ablauf der Frist hat 437 das Gericht gemäß § 270b Abs. 4 Satz 3 InsO über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden. Dies hat nicht sofort, sondern eben nach Abschluss der hierzu erforderlichen Ermittlungen zu erfolgen und gilt unabhängig davon, ob der vom Schuldner beabsichtigte Insolvenzplan vorgelegt wurde oder nicht. Letztlich bestimmt § 270b Abs. 4 Satz 3 InsO damit für die Zeit nach Ablauf bzw. Aufhebung der Frist die Fortführung des Eröffnungsverfahrens ohne die suspendierende Wirkung des § 270b Abs. 1 InsO. Sollte eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens unmittelbar nach dem Ende 438 der Frist gemäß § 270b Abs. 4 Satz 3 InsO noch nicht möglich sein, so wird das Eröffnungsverfahren – sofern nicht der Eigenverwaltungsantrag zurückgenommen oder offensichtlich aussichtslos geworden ist – zunächst in vorläufiger Eigenverwaltung fortgeführt.401) Lediglich in Fällen, in denen auch der Eigenverwaltungsantrag aussichtslos geworden ist, hat das Gericht – sofern das Verfahren nicht unmittelbar eröffnet werden kann – Sicherungsmaßnahmen in der Gestalt einer vorläufigen Insolvenzverwaltung nebst Verfügungsbeschränkungen gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO anzuordnen. Sobald Entscheidungsreife hinsichtlich der Frage der Verfahrenseröffnung vorliegt, entscheidet das Insolvenzgericht in beiden Fällen über den Eröffnungsantrag und eröffnet in der Regel das Verfahren. Praxistipp: Ist die Vorbereitung des Insolvenzplans bei Fristablauf noch nicht abgeschlossen, so kommt eine Fristverlängerung nicht in Betracht, vielmehr kommt es gemäß § 270b Abs. 4 Satz 3 InsO zwingend zur Fortsetzung des Eröffnungsverfahrens. Sprechen Gläubigerinteressen indes dafür, das Eröffnungsverfahren ggf. noch kurze Zeit fortzusetzen, so sollte ggf. mit dem Gericht ein Zuwarten mit der Verfahrenseröffnung entsprechend abgesprochen werden. Unabhängig hiervon kann die Vorlage des Insolvenzplans aufgrund des Planinitiativrechts des Schuldners gemäß § 218 Abs. 1 InsO jederzeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen.

___________ 401) Anders Koch/Jung, in: Kübler, HRI, § 8 Rz. 211 ff., der die Auffassung vertritt, dass bei Aufhebung der Fristbestimmung gemäß § 270b Abs. 4 Satz 1 InsO stets ein vorläufiger Insolvenzverwalter zu bestellen sei. Koch/Jung, a. a. O., verkennen indes, dass § 270b InsO eine entsprechende Regelung gerade nicht beinhaltet und insbesondere auch § 270a InsO – nach Wegfall der Sonderregelungen des § 270b InsO – uneingeschränkt zur Anwendung kommen muss. Vgl. hierzu auch RegE-ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 41: „Nach Absatz 3 [Anmerkung: inzwischen § 270b Abs. 4] ist das Gericht jedoch verpflichtet, seine Anordnung unter bestimmten Voraussetzungen insgesamt aufzuheben und damit das Eröffnungsverfahren nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 21 bis 25 InsO sowie des § 270a InsO-E fortzuführen.“

133

F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung in der (vorläufigen) Eigenverwaltung Wesentliche Grundlage der Sanierung eines insolventen Unternehmens ist 439 die Fortführung des Unternehmens trotz des beantragten bzw. eröffneten Insolvenzverfahrens.402) Kommt der Geschäftsbetrieb zum Stillstand bzw. muss der Geschäftsbetrieb ggf. eingestellt werden, so sind sämtliche Restrukturierungschancen – selbst unter Berücksichtigung insolvenzrechtlicher Sanierungsinstrumentarien – von vornherein zunichte gemacht.403) Mit Verfahrenseinleitung muss daher zunächst eine geordnete Betriebsfortführung im Fokus der Bemühungen aller Beteiligten stehen. Zudem gilt es, die teils sehr formalen Anforderungen der Verfahrensabwicklung praktisch umzusetzen. Das insolvente Unternehmen und dessen Berater müssen gerade die Betriebs- 440 fortführung als Grundlage einer Sanierung bereits im Rahmen der Vorbereitung der Antragstellung stets im Blick haben. Auch das Insolvenzgericht hat gerade die Aufrechterhaltung des Geschäfts- 441 betriebs im Rahmen seiner Entscheidungen und seiner Verfahrensweise stets zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere, dass gerade in Insolvenzverfahren mit laufendem Geschäftsbetrieb Entscheidungen zeitnah getroffen werden. Gerade bei laufendem Geschäftsbetrieb muss das Insolvenzgericht ggf. auch von der Möglichkeit Gebrauch machen, vor der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters gemäß § 22a Abs. 3 InsO von der Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses bzw. gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 56a Abs. 1 a. E. InsO von der vorgesehenen Anhörung eines bereits eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschusses abzusehen. Sowohl das Absehen von der sofortigen Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 22a Abs. 3 InsO wie auch von der Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 56a Abs. 1 a. E. InsO sieht das Gesetz für den Fall einer andernfalls offensichtlich nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners vor, was gerade in der Anfangsphase des Eröffnungsverfahrens bis zur Bestellung eines vorläufigen Sachwalters durchaus zu befürchten ist.404) Der Schuldner, seine Berater und der (vorläufige) Sachwalter haben in der 442 Folge gerade in den ersten Tagen der vorläufigen Eigenverwaltung sämtliche Schritte einzuleiten, um eine Betriebsfortführung sicherzustellen. I. Vorbereitung der Antragstellung durch das insolvente Unternehmen Jedenfalls teilweise werden die Weichen für eine geordnete und erfolgreiche 443 Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren bereits vor dem Insolvenzantrag ___________ 402) Ebenso Siemon, ZInsO 2014, 625. 403) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 126. 404) Vgl. hierzu Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rz. 51 ff. (zu § 22 Abs. 3 InsO) sowie Rz. 164 ff. (zu § 56a Abs. 1 a. E. InsO).

135

F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

gestellt. Dies gilt insbesondere für die Erarbeitung eines vorläufigen Sanierungskonzepts, für die Vorbereitung der Fortführungsfinanzierung, für die Einbindung der wesentlichen Gläubiger und Vertragspartner sowie für die Auswahl eines vorzuschlagenden (vorläufigen) Sachwalters. 444 Wesentliche Grundlage jeder strukturierten Insolvenz ist – noch im Vorfeld der hier erörterten Vorbereitungen – indes das Erkennen einer Krise und die Entscheidung der Geschäftsleiter, die Krise unter Hinzuziehung kompetenter Berater zu bewältigen. Bereits die Auswahl eines Beraters kann damit die grundlegende Richtungsentscheidung sein, zumal es regelmäßig die Berater und weniger die Unternehmenslenker sein werden, die eine Insolvenz als Sanierungslösung andenken. 1. Erarbeitung eines vorläufigen Sanierungskonzepts 445 Die ersten Überlegungen des in der Krise befindlichen Unternehmens werden zunächst sämtliche Möglichkeiten einer Sanierung bzw. Krisenbewältigung in Betracht zu ziehen haben. Vorbehaltlich etwaig bestehender Insolvenzantragspflichten gemäß § 15a InsO kommen insoweit regelmäßig verschiedene Sanierungsoptionen, insbesondere eine außergerichtliche Sanierung, z. B. in Form von Teilverzichten gerade der beteiligten Finanzgläubiger, wie auch eine Sanierung in einem Insolvenzverfahren durch Insolvenzplan oder übertragende Sanierung in Betracht. 446 Eine Insolvenz in Eigenverwaltung ist aus Sicht des Verfassers vor allem in folgenden Fällen eine geeignete Option: x

Insolvenzplan zur finanzwirtschaftlichen Restrukturierung405) Scheitert eine außergerichtliche finanzwirtschaftliche Restrukturierung daran, dass ein Teil der betroffenen Gläubiger sich mit den vorgeschlagenen Rahmenbedingungen, z. B. Verzichtsquoten, Prolongationen, Stillhaltevereinbarungen und ähnlichem, nicht einverstanden zeigt, so kann über einen Insolvenzplan aufgrund des Obstruktionsverbots des § 245 InsO die fehlende Zustimmung einzelner Akkordstörer überwunden werden.

x

Nutzung insolvenzrechtlicher Sonderrechte zur operativen Sanierung mit anschließendem Insolvenzplan406)

Gerade die operativen insolvenzrechtlichen Sanierungsinstrumente – z. B. die Erfüllungswahlrechte gemäß §§ 103, 105 InsO, die Sonderkündigungsrechte gemäß § 109 Abs. 1 InsO oder die Beschränkungen der Sozialplanverpflichtungen gemäß § 123 InsO – können im Einzelfall überaus deutliche monetäre Vorteile gegenüber einer Sanierung außerhalb eines Insolvenz___________ 405) Als klassisches Beispiel dieser Konstellation ist die Sanierung der Pfleiderer AG mittels Eigenverwaltung und Insolvenzplan im Jahr 2012 zu nennen. 406) Paradebeispiele derartiger Sanierungen sind die erste Insolvenz der Ihr Platz GmbH & Co. KG im Jahr 2005 oder die Insolvenzen der Leiser-/Schuhhof-Gruppe im Jahr 2012.

136

I. Vorbereitung der Antragstellung durch das insolvente Unternehmen

verfahrens haben. Insbesondere die Restrukturierung einer teilweise nicht erfolgreichen Filialstruktur kann über das Sonderkündigungsrecht gemäß § 109 Abs. 1 InsO bewältigt werden. Die anschließend bestehende Verbindlichkeitenstruktur kann sodann über einen Insolvenzplan – wiederum auch gegen den Widerstand einzelner Gläubiger – restrukturiert werden. Beiden Konstellationen ist die Verbindung von Eigenverwaltung und In- 447 solvenzplan gemein, die den Hauptanwendungsbereich der Eigenverwaltung darstellen dürfte. Neben den genannten Fällen kommen natürlich im Einzelfall noch etliche andere Konstellationen in Betracht, in denen eine mit einem beabsichtigten Insolvenzplan verbundene Eigenverwaltung als sinnvolle Sanierungsoption erscheint. Ist die Entscheidung für eine bestimmte Sanierungsoption gefallen, so ist in 448 jedem Fall die Erarbeitung eines Grobkonzepts der geplanten Sanierung erforderlich, welches im weiteren Verlauf der Sanierung bis zur Vorlage eines Insolvenzplans immer weiter verfeinert werden kann. Das Grobkonzept sollte sich aus Sicht des Verfassers insbesondere mit folgenden Fragen beschäftigen: x

Welche operativen Sanierungsmaßnahmen sind erforderlich, um das Unternehmen in die Gewinnzone zurückzuführen?

x

In welchem Umfang sind Sanierungsbeiträge (z. B. Forderungsverzichte) seitens der Gläubiger erforderlich, damit am Ende des Sanierungsprozesses ein überlebensfähiges Unternehmen steht?

x

In welchem Umfang sind finanzielle oder anderweitige Sanierungsbeiträge von Alt-Gesellschaftern oder neuen Investoren erforderlich, um die Sanierung umsetzen zu können?

x

Welche alternativen Sanierungswege (z. B. übertragende Sanierung) kommen in Betracht und müssen im Interesse von Transparenz und Gläubigerorientierung des Verfahrens verfolgt und vorbereitet werden?

2. Liquiditätsplanung und Vorbereitung der Fortführungsfinanzierung im Vorfeld des Antrags Liegt das Grobkonzept gedanklich oder ausformuliert vor, so gilt es, die 449 Umsetzbarkeit des Sanierungskonzepts sicherzustellen, wobei insbesondere der Sicherstellung der Betriebsfortführung eine bedeutende Rolle zukommt. Eine Betriebsfortführung wird im Eröffnungsverfahren in vielen Fällen bereits aus Liquiditätsmangel verhindert oder jedenfalls deutlich erschwert. Da die Betriebsfortführung wesentliche Grundlage einer Sanierung im Insolvenzverfahren ist, müssen sich der Schuldner und seine Berater bereits im Vorfeld der Verfahrenseinleitung Gedanken über die Frage des Liquiditätsbedarfs und der Fortführungsfinanzierung machen.407) ___________ 407) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 170.

137

F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

450 In Fällen unvorbereiteter Insolvenzanträge ist es nach den Erfahrungen des Verfassers an der Tagesordnung, dass der vorläufige Insolvenzverwalter keinerlei Liquidität vorfindet, angesichts ggf. bestehender Globalzessionen auch die Mittel aus dem Forderungseinzug nicht für Zwecke der Betriebsfortführung nutzbar sind408) und letztlich nur der Weg aufwändiger Verhandlungen mit den beteiligten Banken über echte oder unechte Massekredite verbleibt, um überhaupt eine Betriebsfortführung zu ermöglichen. 451 In Fällen angestrebter Eigenverwaltung sollte es sich indes um eine vorbereitete Insolvenz handeln, so dass gerade auch derartige absolut leere Kassen verhindert werden sollten. Es ist daher am insolventen Unternehmen, bereits im Vorfeld eines Insolvenzantrags dafür zu sorgen, dass im Zeitpunkt der Antragstellung jedenfalls ausreichende liquide Mittel vorhanden sind, um einen aus Liquiditätsmangel begründeten Betriebsstillstand zu verhindern und jedenfalls für die erste Zeit des Eröffnungsverfahrens die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zu finanzieren. 452 Hierzu ist in einem ersten Schritt eine konkrete Liquiditätsplanung409) jedenfalls für die ersten Monate des beabsichtigten Verfahrens und eine GrobLiquiditätsplanung für die nächsten ein bis zwei Jahre erforderlich, die insbesondere auch die zu erwartenden Kosten des Verfahrens und des nötigen Beratungsbedarfs berücksichtigt. Der im Rahmen der Liquiditätsplanung ggf. ersichtliche Bedarf an zusätzlichen, d. h. nicht aus dem operativen Geschäftsbetrieb selbst generierten, liquiden Mitteln kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden, die indes jeweils vor Verfahrenseinleitung anzudenken sind. 453 Nutzte das insolvente Unternehmen vor der Insolvenz zum Zweck der Betriebsfinanzierung eine Kreditmittellinie, so besteht zum einen die Möglichkeit, den Forderungseinzug geraume Zeit vor dem Insolvenzantrag jedenfalls teilweise auf ein (ggf. neues) Guthabenkonto bei einem anderen Kreditinstitut umzuleiten, zum anderen die Möglichkeit, mit der kreditgewährenden Bank im Vorfeld eine Verlängerung der Kreditgewährung als Massekredit auch über die Insolvenzantragstellung hinaus zu besprechen. Der Schuldner sollte indes eine grundsätzlich sinnvolle Umleitung eines Teils des Zahlungsverkehrs auf ein Guthabenkonto unter Einbeziehung seiner Berater gut durchdenken; dabei sind insbesondere etwaige Globalzession oder schuldrechtliche Vereinbarungen mit einer kreditgewährenden Bank zu berücksichtigen, die ggf. eine Umleitung des Zahlungsverkehrs schuldrechtlich verbieten. 454 Kommen weder die Liquiditätsschaffung auf einem Guthabenkonto, noch die Gewährung eines Massekredits durch die Finanzierungsgläubiger des insolventen Unternehmens in Betracht, so macht es Sinn, auch mit bislang ___________ 408) Vgl. zur Sicherungspflicht des vorläufigen Verwalters hinsichtlich eingezogener zedierter Forderungen: BGH, Urt. v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, ZIP 2010, 739, 742. 409) Eingehend zur Liquiditätsplanung in der Insolvenz: Staufenbiel/Karlstedt, ZInsO 2010, 2059 ff.

138

I. Vorbereitung der Antragstellung durch das insolvente Unternehmen

nicht beteiligten Banken – ggf. unter Nutzung der Kontakte der Berater des Schuldners – ggf. die Gewährung von Massekrediten zu besprechen. Sofern das insolvente Unternehmen mit dem Insolvenzantrag und dem Antrag 455 auf Eigenverwaltung eine Eigensanierung mittels Insolvenzplan beabsichtigt und anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten für die Anfangsphase der vorläufigen Eigenverwaltung nicht in Betracht kommen, sollten ggf. die Gesellschafter die Gewährung eines Massedarlehens durch Gesellschafter in Betracht ziehen. 3. Einbindung unverzichtbarer Vertragspartner und wesentlicher Gläubiger Der Erfolg des Sanierungsprozesses setzt in vielen Fällen voraus, dass be- 456 stimmte Vertragspartner und Gläubiger diesen aktiv unterstützen bzw. bereit sind, bestimmte Sanierungsbeiträge zu erbringen. Dies gilt beispielsweise für Banken, die von der Verwertung einer besicherten Betriebsimmobilie absehen sollen, für Lieferanten, die ggf. aufgrund ihrer Alleinstellung unverzichtbar für eine Fortführung des Unternehmens sind, oder für wichtige Kunden, deren weitere Bereitschaft zur Erteilung neuer Aufträge wesentliche Grundlage des operativen Geschäftsbetriebs ist. Eine Einbindung dieser Personen in die Vorbereitung des Sanierungsprozesses erscheint unverzichtbar, da andernfalls im Falle der ablehnenden Haltung nur eines ggf. essenziellen Vertragspartners die gesamte Sanierung bereits von Anfang an zum Scheitern verurteilt sein kann. Schuldner und Berater werden daher insbesondere den Kreis der bereits im 457 Vorfeld einzubindenden Gläubiger und Geschäftspartner zu klären haben, um hier keine unkalkulierbaren Risiken einzugehen. Zugleich gilt es, ggf. Überlegungen zur Frage eines vorläufigen Gläubigeraus- 458 schusses vorzunehmen, auf deren Grundlage ggf. mit Antragstellung bereits mögliche Mitglieder eines obligatorischen oder fakultativen vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 22a Abs. 1, Abs. 2 InsO vorgeschlagen werden können. Hinsichtlich des Umfangs und des Zeitpunkts der Kommunikation mit den 459 wesentlichen Gläubigern und Vertragspartnern sei auf die Ausführungen unter Rz. 543 ff. (insbesondere Rz. 547 f.) verwiesen. 4. Auswahl eines bzw. mehrerer vorzuschlagender (vorläufiger) Sachwalter Von wesentlicher Bedeutung für die Abwicklung eines Insolvenzverfahrens 460 in Eigenverwaltung ist die möglichst reibungslose professionelle Zusammenarbeit zwischen insolventem Unternehmen, seinen Beratern und dem (vorläufigem) Sachwalter. Vor diesem Hintergrund sollte das insolvente Unternehmen im Rahmen der Antragstellung versuchen, das Gericht von der Bestellung eines hierzu geeigneten (vorläufigen) Sachwalters zu überzeugen. Der Auswahl des vorzuschlagenden bzw. ggf. mehrerer vorzuschlagender vorläufiger Sachwalter kommt insoweit erhebliche Bedeutung zu. 139

F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

461 Grundvoraussetzung für die Vorschlagbarkeit einer Person ist dessen Eignung als (vorläufiger) Sachwalter i. S. v. §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 56 InsO (vgl. hierzu bereits Rz. 44 ff.). Insbesondere auf die Unabhängigkeit eines vorgeschlagenen (vorläufigen) Sachwalters sollten gerade auch der Schuldner und seine Berater aus Sicht des Verfassers besonderes Augenmerk richten, um nicht von vornherein das Vertrauen der Gläubiger in die Integrität der handelnden Personen zu gefährden. Ein Vorgespräch mit dem vorzuschlagenden (vorläufigen) Sachwalter, welches insbesondere auch erste Informationen zum Verfahren zum Gegenstand haben kann, ist indes von § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO n. F. ausdrücklich zugelassen und erscheint in der Regel durchaus empfehlenswert.410) 5. Antragstellung 462 Am Ende der Vorbereitung einer Insolvenz in Eigenverwaltung stehen die Vorbereitung des Insolvenzantrags i. e. S. und schließlich die Einreichung des Antrags bei dem Insolvenzgericht. 463 Dass der Eröffnungsantrag den gesetzlichen Vorgaben der InsO, insbesondere auch den gesteigerten Anforderungen gemäß § 13 Abs. 1 Sätze 2 – 5 InsO, zu entsprechen hat, ist insoweit selbstverständlich. Indes sollten gerade die dem Antrag beizufügenden Unterlagen nicht unterschätzt werden. Vgl. zum Inhalt des Eröffnungs- und Eigenverwaltungsantrags im Übrigen Rz. 9 ff. 464 Sind sämtliche Vorbereitungen abgeschlossen, so empfiehlt sich eine zeitnahe Einreichung des Antrags, wobei für den Zeitpunkt der Antragstellung insbesondere auch darauf zu achten ist, dass die Antragstellung nicht zu hohen Druck auf die Verfahrensabwicklung ausübt. Letzteres wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Eröffnungsantrag beispielsweise nur wenige Tage vor dem nächsten Lohn- und Gehaltszahlungszeitpunkt gestellt wird, da dann für die Umsetzung einer Insolvenzgeldvorfinanzierung nur wenig Zeit verbleibt. Praxistipp: Insolventen Unternehmen und deren Beratern ist betreffend den Zeitpunkt der Antragseinreichung zudem zu empfehlen, den Antrag möglichst in der ersten Wochenhälfte zu stellen, damit das Gericht und auch der zu bestellende vorläufige Sachwalter sich nicht im Worst Case an einem Freitagnachmittag mit den Herausforderungen eines neuen Verfahrens konfrontiert sehen. Insbesondere im Interesse der für die Betriebsfortführung einzuleitenden Schritte ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese zeitnah nach der Antragstellung eingeleitet werden, da andernfalls beispielsweise im Fall von produzierenden Unternehmen über das Wochenende schlimmstenfalls ein Stillstand der Produktion droht, den es gerade zu vermeiden gilt.

___________ 410) Ebenso Specovius, in: Kübler, HRI, § 13 Rz. 7.

140

II. Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren

II. Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren Im Eröffnungsverfahren steht – neben der Vorbereitung von Sanierungsmaß- 465 nahmen – insbesondere die Sicherstellung des laufenden Geschäftsbetriebs im Vordergrund. 1. Erste Maßnahmen nach Bestellung des vorläufigen Sachwalters Gerade in den ersten Tagen nach der Insolvenzantragstellung ist oftmals 466 schnelles und entscheidungsfreudiges Handeln seitens der Verantwortlichen – in der vorläufigen Eigenverwaltung vor allem des Schuldners und seiner Berater, aber auch des vorläufigen Sachwalters – erforderlich. Um zügig die entsprechenden wichtigen Entscheidungen treffen bzw. mittragen zu können, wird der vorläufige Sachwalter unmittelbar nach seiner Bestellung gemäß § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO (ggf. i. V. m. § 270b InsO) zunächst kanzleiintern ein auf das jeweilige Verfahren abgestimmtes Team zusammenstellen und sich sodann mit seinem Team einen Überblick über die Lage des insolventen Unternehmens verschaffen.411) Das insolvente Unternehmen sollte hierzu ggf. bereits im Vorfeld der Antrag- 467 stellung die entsprechenden Unterlagen vorbereiten und insbesondere dafür sorgen, dass aktuelle Buchhaltungs- und Planungsdaten vorliegen.412) Auch sollte das insolvente Unternehmen in den ersten Tagen nach Bestellung des vorläufigen Sachwalters dafür Sorge tragen, dass die verantwortlichen und kompetenten Mitarbeiter in sämtlichen Bereichen für den vorläufigen Sachwalter und sein Team zur Verfügung stehen. Zudem wird das insolvente Unternehmen in der Regel spätestens nach Antrag- 468 stellung, ggf. auch schon im Rahmen der Vorbereitungsmaßnahmen, Arbeitsgruppen für bestimmte Themenkomplexe einrichten, in die nach Bestellung des vorläufigen Sachwalters auch dieser bzw. Mitglieder seines Teams einzubinden sind.413) Praxistipp: Der Vorteil der vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO besteht – auch und gerade in der Anfangsphase des Verfahrens – darin, dass das insolvente Unternehmen nicht einem Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO unterliegt. Operative Entscheidungen kann das insolvente Unternehmen auch nach Bestellung des vorläufigen Sachwalters eigenständig treffen und auch verbindlich umsetzen.

___________ 411) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 129. 412) Vgl. auch Specovius, in: Kübler, HRI, § 13 Rz. 6. 413) Vgl. hierzu auch Specovius, in: Kübler, HRI, § 13 Rz. 50 ff., sowie Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 38, 114.

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F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung Gleichwohl sollten das insolvente Unternehmen und seine Berater darauf achten und dafür sorgen, dass auch in den ersten Tagen der vorläufigen Eigenverwaltung die Mitwirkungsbefugnisse des vorläufigen Sachwalters insbesondere gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 1 InsO gewahrt werden. Sofern die Begründung gemäß § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO zustimmungspflichtiger Verbindlichkeiten ansteht, sollte das insolvente Unternehmen den vorläufigen Sachwalter hierüber unverzüglich unter Vorlage der entsprechenden Unterlagen informieren und seine Zustimmung einholen.

2. Zusammenarbeit zwischen Schuldner und vorläufigem Sachwalter 469 Eine sinnvolle Verfahrensabwicklung ohne Reibungsverluste erfordert insbesondere eine professionelle Zusammenarbeit zwischen Schuldner und vorläufigem Sachwalter, wobei letzterer durchaus seine Aufsichtspflichten gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 2 InsO ernst zu nehmen hat. Damit insoweit für das insolvente Unternehmen und seine Berater einerseits und den vorläufigen Sachwalter und sein Team andererseits die Schnittstellen der jeweiligen Tätigkeiten verbindlich geklärt sind, empfiehlt es sich, in den ersten Tagen der vorläufigen Eigenverwaltung das Prozedere hinsichtlich der Ausübung der Aufsicht des vorläufigen Sachwalters über das insolvente Unternehmen und hinsichtlich der Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters an den Rechtsgeschäften gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 InsO abzustimmen. Die Ergebnisse sollten letztlich – wie eine Art „Geschäftsordnung“ der Abwicklung der Eigenverwaltung – schriftlich dokumentiert werden. Der entsprechende anfängliche Abstimmungsbedarf betrifft insbesondere folgende Punkte: x

Art bzw. Größenordnung der Geschäfte im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsgangs, über die der vorläufige Sachwalter im Voraus informiert werden will, um ggf. gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 1 Satz 2 InsO widersprechen zu können;

x

Art und Umfang derjenigen Geschäfte, die das insolvente Unternehmen ohne vorherige Information des Sachwalters bzw. ohne vorherige Rücksprache eingehen kann;

x

Abgrenzung der unter das Zustimmungserfordernis gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 1 Satz 1 InsO fallenden Geschäfte, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören;

x

Benennung der Unterlagen bzw. Daten, die dem (vorläufigen) Sachwalter regelmäßig – z. B. täglich, wöchentlich, zweiwöchentlich oder monatlich – vorzulegen sind (Kontoauszüge, Liquiditäts-, Ertrags- und Finanzplanung, betriebswirtschaftliche Auswertungen, Auftragseingänge usw.);

x

Regelung der internen Zuständigkeiten innerhalb des Schuldnerunternehmens bzw. unter dessen Beratern sowie in der Kanzlei des vorläufigen Sachwalters für bestimmte Themenkomplexe;

x

ggf. Einrichtung regelmäßiger Jour-fixes zur Besprechung aktueller Probleme sowie des Stands der Sanierungsbemühungen bzw. der Vorbereitung eines Insolvenzplans.

142

II. Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren

Können sich Schuldner und vorläufiger Sachwalter insoweit nicht auf eine Vor- 470 gehensweise einigen, so ist zu beachten, dass der vorläufige Sachwalter aufgrund seiner umfassenden Auskunftsrechte gegenüber dem Schuldner gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 2 Satz 2, 20 Abs. 3 InsO insbesondere befugt ist, die ihm regelmäßig vorzulegenden Unterlagen bzw. Daten festzulegen. Neben den zuvor genannten Punkten wird sich der vorläufige Sachwalter – 471 entweder unmittelbar nach Verfahrenseinleitung oder ggf. auch zu einem späteren Zeitpunkt – auch zur Frage der Kassenführung gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 2 InsO äußern, so dass ggf. eine modifizierte Kassenführung414) mit dem Schuldner abgestimmt werden kann. Ebenfalls noch innerhalb der ersten Tage der vorläufigen Eigenverwaltung 472 sollte zwischen Schuldner und vorläufigem Sachwalter die Kommunikation mit den Verfahrensbeteiligten abgestimmt werden. Vgl. hierzu eingehend Rz. 551 ff. 3. Insolvenzgeldvorfinanzierung und Fortführungsfinanzierung Unmittelbar nach dem Insolvenzantrag und nach Bestellung des vorläufigen 473 Sachwalters hat der Schuldner zudem die nötigen Schritte zur Vorbereitung und Umsetzung einer Insolvenzgeldvorfinanzierung415) einzuleiten. Insbesondere sollte – nach Kontaktaufnahme mit dem vorfinanzierenden Kreditinstitut – der Antrag auf Erteilung der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zeitnah gestellt werden, um eine Auszahlung der Nettolohnansprüche bei Fälligkeit zu gewährleisten. Die nötigen Maßnahmen trifft in diesem Zusammenhang aufgrund der Kompetenzenverteilung in der vorläufigen Eigenverwaltung regelmäßig der Schuldner, wobei es durchaus empfehlenswert erscheint, gerade der Bundesagentur für Arbeit eine Stellungnahme des vorläufigen Sachwalters vorzulegen. Praxistipp: Die Vorfinanzierung der Insolvenzgeldansprüche in der vorläufigen Eigenverwaltung und im Schutzschirmverfahren begegnete in der ersten Zeit nach Inkrafttreten des ESUG mitunter erheblichen Bedenken der Bankenwirtschaft. Insbesondere sahen einige Kreditinstitute angesichts der fehlenden Überwachung des Verfahrens durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter deutlich höhere Kreditrisiken als im Fall einer vorläufigen Insolvenzverwaltung, weshalb teilweise Insolvenzgeldvorfinanzierungen nicht durchgeführt wurden. Inzwischen bestehen weitgehend keine Bedenken gegen die Insolvenzgeldvorfinanzierung in den Fällen der §§ 270a, 270b InsO mehr. Gleichwohl empfiehlt es sich, ggf. bereits im Vorfeld einer Antragstellung die Bereitschaft zur Gewährung eines Insolvenzgeldvorfinanzierungsdarlehens abzuklären; diese wird insbesondere auch davon abhängen, ob der Sanierungsberater bzw. ggf. der vorläufige Sachwalter dem Kreditinstitut hinreichend bekannt sind, damit auf Seiten der Bank das nötige Vertrauen in die auch gegenüber der Bank verantwortungsvolle Verfahrensabwicklung besteht. Vgl. im Übrigen zu weiteren Einzelheiten der Insolvenzgeldvorfinanzierung: Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 160 ff.

___________ 414) Vgl. hierzu bereits oben Rz. 257 ff. 415) Vgl. hierzu auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 160 ff.

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F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

474 Sofern die Finanzierung der Betriebsfortführung416) die Aufnahme von Massekrediten erfordert, sollten – auf Grundlage der bereits zuvor getroffenen Vorbereitungen (vgl. Rz. 433 ff.) – unmittelbar nach den ersten Abstimmungen zwischen Schuldner und vorläufigem Sachwalter auch insoweit die Verträge endgültig ausgehandelt und sodann abgeschlossen werden. 475 Sowohl die Insolvenzgeldvorfinanzierung wie auch insbesondere die Aufnahme eines Massekredits setzen in der Regel die Begründung von Masseverbindlichkeiten voraus. Die hierzu erforderliche Einzelermächtigung durch das Insolvenzgericht sollte der Schuldner – ggf. mit entsprechender positiver Stellungnahme des vorläufigen Sachwalters – ebenfalls zeitnah nach Vorliegen der entsprechenden Vertragsinhalte bei Gericht anregen, damit auch dem Insolvenzgericht entsprechende Zeit zur Prüfung und Entscheidung zur Verfügung steht. 4. Umgang mit Eigentumsvorbehaltsrechten und sonstigen Drittrechten 476 Dingliche (Sicherungs-)Rechte von Gläubigern und ggf. Dritten spielen in der Praxis der Unternehmensinsolvenz eine bedeutsame Rolle. Das Bestehen und die Behandlung entsprechender Aus- bzw. Absonderungsrechte können für den Verlauf des gesamten Verfahrens von immenser Bedeutung sein. Gerade die Möglichkeit einer Betriebsfortführung – insbesondere im Eröffnungsverfahren – hängt oftmals davon ab, dass hierzu ausreichende Liquidität zur Verfügung steht. Bestehen Absonderungsrechte, insbesondere aus einer Globalzession oder aus (verlängertem bzw. erweiterten) Eigentumsvorbehalt, stehen die Erlöse aus dem Forderungseinzug bzw. dem Verkauf von Waren den betreffenden Absonderungsberechtigten und nicht der (künftigen) Insolvenzmasse bzw. der Gläubigergemeinschaft zu. In der Regelinsolvenz obliegt es dem vorläufigen Insolvenzverwalter insoweit aufgrund seiner gegenüber den sicherungsberechtigten Gläubigern bestehenden Pflichten, entsprechende Erlöse zu separieren und diese nicht für Zwecke der Abwicklung oder Betriebsfortführung einzusetzen,417) soweit er nicht mit den Sicherungsrechtsinhabern eine sog. unechte Massekreditvereinbarung treffen kann, welche ihm die Verwendung der entsprechenden Erlöse erlaubt. Rechtsprechung für die vorläufige Eigenverwaltung liegt zu dieser Thematik bislang nicht vor. Damit die (vorläufige) Eigenverwaltung für die Gläubiger nicht nachteilig verläuft, wird der Schuldner – unabhängig von einer bestehenden oder ihm kraft insolvenzgerichtlicher Pflichtenbestimmung418) auferlegten insolvenzrechtlichen Sicherungspflicht – auf eine Wahrung der Rechte aus- und absonderungsberechtigter Gläubiger bedacht sein. Andernfalls ___________ 416) Vgl. zur Fortführungsfinanzierung im Einzelnen auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 167 – 170. 417) BGH, Urt. v. 21.01.2010 – IX ZR 65/09, ZIP 2010, 739 = NZI 2010, 339 ff., dazu EWiR 2010, 395 (Knof). 418) Vgl. hierzu Rz. 344.

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II. Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren

drohen Beschwerden der Gläubiger gegenüber dem vorläufigen Sachwalter und dem Insolvenzgericht, eine Nachteilsanzeige des vorläufigen Sachwalters gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 3 InsO und im Ergebnis letztlich eine Beendigung der vorläufigen Eigenverwaltung und die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung. In der Praxis der (vorläufigen) Eigenverwaltung sollte daher bereits im Vor- 477 feld der Antragstellung, spätestens mit Antragstellung, eine zeitnahe Inventarisierung bzw. Erfassung sämtlicher mit Sicherungsrechten, insbesondere Eigentumsvorbehaltsrechten, belasteter Waren- und Vorratsbestände auf den Stichtag der Insolvenzantragstellung vorbereitet werden. Diese ist letztlich grundlegende Voraussetzung dafür, dass im weiteren Verlauf des Verfahrens geprüft werden kann, ob entsprechende Rechte bestehen bzw. vielmehr ob bei Verfahrenseinleitung entsprechende Gegenstände vorhanden waren. Insoweit erscheint es – soweit z. B. anhand eines Warenwirtschafts- bzw. Warenlogistiksystems möglich bzw. ermittelbar – insbesondere auch sinnvoll, die jeweiligen Lieferanten der betreffenden Waren mit zu erfassen. Sofern eine Verwendung bzw. Veräußerung drittrechtsbelasteter Ware für 478 Zwecke der weiteren Betriebsfortführung erforderlich sind, hat der Schuldner dafür Sorge zu tragen, dass die entsprechenden Aus- bzw. Absonderungsrechte letztlich abgelöst werden. Dies löst – gerade angesichts der ggf. nennenswerten Zahl von Einzellieferanten – in der Praxis der Unternehmensinsolvenz durchaus erheblichen Koordinationsaufwand auf Seiten des vorläufigen Insolvenzverwalters – bzw. im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung – auf Seiten des Schuldners bzw. seines Beraters aus. Dieser Koordinationsaufwand kann in der Praxis gerade mittlerer und größerer Unternehmensinsolvenzen durch einen sog. Lieferantenpool deutlich verringert werden.419) Zugleich dient die Einrichtung des Lieferantenpools, die oftmals auch von den beteiligten Kreditversicherern initiiert wird, maßgeblich den beteiligten einzelnen Lieferanten: Die insoweit stattfindende Bündelung der Lieferantenrechte dient letztlich dazu, deren gemeinsame Position zu stärken und die Rechte zugleich – für den einzelnen Gläubiger – kostengünstiger durchzusetzen. Auch Sicherungsrechte der Banken, insbesondere aus Globalzessionen, Raum- 479 und Einzelsicherungsübereignungen oder Grundpfandrechten, spielen in der Praxis eine erhebliche Rolle. Absonderungsberechtigte Banken sollten daher angesichts ihrer erheblichen Bedeutung für den gesamten Sanierungsprozess sehr frühzeitig eingebunden werden. Hinsichtlich Globalzessionen und Raumsicherungsübereignungen erscheinen insoweit – ggf. unter Einbeziehung auch eines Lieferantenpools – Vereinbarungen über sog. unechte Massekredite angezeigt, um die Verwendung der betreffenden Erlöse zu regeln. ___________ 419) Vgl. zum Lieferantenpool im Allgemeinen Riggert, NZI 2000, 525 ff.

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F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

480 Unechte Massekredite – gleich ob mit Lieferanten(pool) oder Banken – bedürfen letztlich zu ihrer rechtssicheren Umsetzung der Begründung von Masseverbindlichkeiten, so dass insoweit letztlich eine gerichtliche Einzelermächtigung erforderlich erscheint. Sollten entsprechende unechte Massekredite – sei es angesichts der fehlenden Möglichkeit zur Begründung von Masseverbindlichkeiten oder angesichts des fehlenden Einvernehmens mit Sicherungsgläubigern – nicht zustande kommen, so verbleibt dem Schuldner nur die Möglichkeit, die betreffenden Erlöse möglichst von seinem Vermögen zu trennen, ggf. durch unverzügliche Abrechnung gegenüber den Sicherungsgläubigern oder durch Transferierung entsprechender Erlöse auf einen Treuhänder bzw. ein Treuhandkonto. Praxistipp: Auch und gerade aus Sicht des Gläubigers spielen Aus- und Absonderungsrechte eine absolut übergeordnete Rolle. Letztlich geht es für den einzelnen Gläubiger um die Frage, ob auf seine Forderung als einfache Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO am Ende des Verfahrens eine – ggf. nur geringe – Quotenausschüttung erfolgt oder ob für seine Forderung eine dingliche Sicherheit besteht, die ggf. sogar zu einer vollen Befriedigung führen kann. Gerade Gläubigern und Gläubigervertretern ist daher zu empfehlen, auf den sachgerechten Umgang mit Aus- und Absonderungsrechten hinzuwirken, wobei diese Empfehlung letztlich unabhängig davon gilt, ob das Verfahren in (vorläufiger) Eigenverwaltung oder unter einem (vorläufigen) Insolvenzverwalter abgewickelt wird. Sollten Gläubiger Umstände feststellen, welche eine Gefährdung ihrer Sicherungsrechte begründen könnten, sollten sie insbesondere den (vorläufigen) Sachwalter hierüber zeitnah informieren. Unabhängig hiervon erscheint es empfehlenswert, dass Gläubiger und Gläubigervertreter hinsichtlich ihrer bestehenden Aus- bzw. Absonderungsrechte Kontakt mit dem (vorläufigen) Sachwalter halten und diesen über den Stand der Behandlung der Sicherungsrechte unterrichtet halten. Nur hierdurch hat der (vorläufige) Sachwalter letztlich auch von Gläubigerseite den nötigen tiefen Einblick, um seiner Aufsichtspflicht umfassend zu genügen. Gläubiger sollten insoweit insbesondere auch berücksichtigen, dass – trotz einer professionellen Begleitung der (vorläufigen) Eigenverwaltung – letztlich der gerichtlich bestellte (vorläufige) Sachwalter der von Amts wegen berufene Vertreter der Gläubigerinteressen im Eigenverwaltungsverfahren ist.

5. Befriedigung und Sicherung der Vertragspartner für Lieferungen und Leistungen aus der vorläufigen Eigenverwaltung 481 Die Betriebsfortführung in der vorläufigen Eigenverwaltung setzt voraus, dass die Lieferanten, Dienstleister und Versorger des insolventen Unternehmens auch während des Eröffnungsverfahrens zu einer Zusammenarbeit und zur weiteren Leistungserbringung bereit sind. Dies wiederum wird nur dann der Fall sein, wenn die Vertragspartner des insolventen Unternehmens darauf vertrauen können, für ihre während der vorläufigen Eigenverwaltung erbrachten Lieferungen und Leistungen auch die entsprechend vereinbarte Vergütung zu erhalten.

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II. Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren

Angesichts des für Rechtshandlungen des Schuldners im Stadium der vorläufi- 482 gen Eigenverwaltung grundsätzlich bestehenden Insolvenzanfechtungsrisikos (vgl. hierzu bereits Rz. 347 ff.) bestehen im Wesentlichen drei Möglichkeiten der insolvenzfesten Befriedigung bzw. Sicherung von Vertragspartnern in der vorläufigen Eigenverwaltung: x

Zunächst kommt die Befriedigung der Vertragspartner im Rahmen entsprechender Bargeschäfte gemäß § 142 InsO in Betracht, wobei die Voraussetzungen des Bargeschäfts insbesondere auch in den Fällen vertraglich vereinbarter Vorauskassezahlungen durch das insolvente Unternehmen vorliegen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang allenfalls das hierbei übernommene Vorleistungsrisiko und zudem der ggf. erhebliche Liquiditätsbedarf, weshalb die Befriedigung sämtlicher Vertragspartner im Rahmen von Bargeschäften oftmals nicht in Betracht kommen wird.

x

Daher wird in vielen Fällen eine Befriedigung der Vertragspartner durch Begründung von Masseverbindlichkeiten im Wege der Einzelermächtigung oder ggf. der umfassenden Ermächtigung (z. B. gemäß § 270b Abs. 3 InsO) angezeigt sein. Hierdurch können die Vertragspartner zum einen gegen das Risiko geschützt werden, dass etwaige Zahlungen später der Insolvenzanfechtung unterliegen;420) zum anderen sind die Vertragspartner auch dagegen geschützt, dass ihnen nach Verfahrenseröffnung lediglich ein Anspruch im Rang einer Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO zusteht, was ohne eine entsprechende gerichtliche (Einzel-)Ermächtigung der Fall wäre. Nicht geschützt sind Vertragspartner insoweit indes durch das etwaig bestehende Risiko einer Masseunzulänglichkeit.421)

x

Zuletzt kommt eine Sicherung der Vertragspartner aus der vorläufigen Eigenverwaltung über Treuhandmodelle in Betracht.422) Gegenstand der entsprechenden vertraglichen Treuhandabreden ist letztlich die Übertragung von Vermögen des Schuldners, z. B. liquider Mittel oder von Forderungen, auf einen Treuhänder, der aus diesem Vermögen sodann zur Befriedigung der entsprechend vertraglich abgegrenzten Ansprüche der Treunehmer berechtigt ist. Entsprechende Treuhandlösungen sichern – bei ausreichender Höhe des Treuhandvermögens – den bzw. die gesicherten Vertragspartner sowohl gegen das Risiko, lediglich ungesicherter Insolvenzgläubiger zu sein wie auch gegen das Risiko einer Masseunzulänglichkeit. Auch ein etwaig vorhandenes Anfechtungsrisiko kann jedenfalls dann ausgeschlossen werden, wenn der Schuldner durch Beschluss des Insolvenzge-

___________ 420) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 157. 421) Vgl. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 144. 422) Vgl. hierzu eingehend Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 145 – 153; kritisch hinsichtlich der Realisierung von Treuhandmodellen zur Sicherung von Verpflichtungen aus der vorläufigen Eigenverwaltung hingegen Pape, ZIP 2013, 2285, 2292 Fußn. 59, der hierin sogar einen Hinweis auf die Unzuverlässigkeit des Schuldners sehen will.

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F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

richts zur Einrichtung des Treuhandmodells ermächtigt worden ist.423) Indes ist in der Praxis natürlich zu beachten, dass die Einrichtung eines Treuhandmodells – abgesehen von der Notwendigkeit, über entsprechend drittrechtsfreies Vermögen zu verfügen – durchaus mit einem gewissen Aufwand einhergeht, weshalb entsprechende Treuhandlösungen erforderlichenfalls frühzeitig eingerichtet werden sollten. Praxistipp: In der Praxis sollten das insolvente Unternehmen und auch dessen Berater von Beginn der vorläufigen Eigenverwaltung an darauf bedacht sein, dass sämtliche Vertragspartner auf eine der vorgenannten Arten gesichert sind. Dies ist im Rahmen der Liquiditätsplanung entsprechend zu berücksichtigen, so dass die zur Bezahlung oder zur Sicherung der Lieferantenforderungen erforderlichen Mittel jeweils zur Verfügung stehen. Der vorläufige Sachwalter wird insoweit gerade die Liquiditätsplanung und deren Belastbarkeit eingehend prüfen. Inwieweit die Liquiditätsplanung ggf. auch im Rahmen der (Zwischen-)Berichterstattung dem Insolvenzgericht vorzulegen ist, ist im Einzelfall mit dem zuständigen Insolvenzrichter zu klären. Nach den Erfahrungen des Verfassers genügt den Insolvenzgerichten in der Regel die enge Überwachung der Liquiditätsplanung durch den vorläufigen Sachwalter.

483 Eine Befriedigung von Altverbindlichkeiten aus dem Zeitraum vor der Stellung des Insolvenzantrags sollte – abgesehen von Fällen, in denen durch eine Zahlung Sicherungsrechte wie z. B. Eigentumsvorbehalte abgelöst werden – indes nicht mehr erfolgen; derartige Zahlungen würden dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, weshalb Schuldner und vorläufiger Sachwalter gehalten sind, entsprechende Vermögensabflüsse zu verhindern. 6. Begleichung öffentlich-rechtlicher Forderungen aus der vorläufigen Eigenverwaltung 484 Von erheblicher praktischer Bedeutung ist in der vorläufigen Eigenverwaltung die Frage, in welchem Umfang die Forderungen öffentlich-rechtlicher Gläubiger noch aus dem Vermögen des insolventen Unternehmens befriedigt werden. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass in der Praxis der „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung sämtliche Forderungen aus Steuern und Sozialabgaben unbeglichen bleiben, um die Liquiditätslage des Unternehmens zu schonen und eine Masseschmälerung zu verhindern. Eine derartige liquiditätsschonende Vorgehensweise ist deshalb zulässig, weil der schwache vorläufige Insolvenzverwalter gerade keiner strafbarkeits- oder haftungsbewährten Verpflichtung zur Zahlung der entsprechenden Beträge unterliegt und weil die den entsprechenden Pflichten unterliegenden Verantwortlichen des insolventen Unternehmens aufgrund der angeordneten Verfügungsbeschränkungen gerade nicht mehr verfügen dürfen bzw. können.424) ___________ 423) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 153. 424) Vgl. hierzu auch Frind, ZInsO 2015, 22.

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II. Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren

Die vorläufige Eigenverwaltung ändert indes nichts an der Rechtsmacht des 485 Schuldners bzw. der Geschäftsleiter des insolventen Unternehmens, so dass deren öffentlich-rechtliche Pflichten fortbestehen. Gleichwohl unterliegen Schuldner bzw. Geschäftsleiter nach zutreffender Auffassung im Eröffnungsverfahren der Vermögenssicherungspflicht.425) Es liegt daher eine Kollision insolvenzrechtlicher Sicherungspflichten und steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Zahlungspflichten vor. Wenngleich in der vorläufigen Eigenverwaltung die insolvenzrechtlichen Sicherungspflichten und die Pflicht zur Durchsetzung der Gläubigergleichbehandlung letztlich die straf- und haftungsbewehrten steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Zahlungspflichten überlagern muss,426) liegt hierzu bislang keinerlei (höchstrichterliche) Rechtsprechung vor. Aus dieser ungeklärten Rechtslage resultiert für Schuldner bzw. Geschäftsleiter das Dilemma427), sich entweder einer Strafbarkeit und Haftung ausgesetzt zu sehen oder eine Beendigung der vorläufigen Eigenverwaltung zu riskieren. Zur Lösung dieses Dilemmas und zur Vermeidung einer Strafbarkeit und Haftung der Geschäftsleiter haben sich in der insolvenzrechtlichen Praxis inzwischen verschiedene Vorgehensweisen herausgebildet, deren Zulässigkeit im Einzelnen jedoch umstritten ist. a) Anfechtungslösung: Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern in anfechtbarer Weise Als vielfach empfohlene Lösung hatte sich in der Zeit nach Inkrafttreten der 486 §§ 270a, 270b InsO folgende im jeweiligen Einzelfall zwischen insolventem Unternehmen, Beratern und vorläufigem Sachwalter abgestimmte „Anfechtungslösung“428) herausgebildet: x

Der Schuldner bzw. dessen Geschäftsleiter stellen eine Bezahlung der Arbeitnehmeranteile des Gesamtsozialversicherungsbeitrags auch im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung sicher, um eine andernfalls drohende Strafbarkeit gemäß § 266a StGB zu vermeiden. Um im Ergebnis den Abfluss der entsprechenden Mittel gleichwohl im Rahmen der Insolvenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO rückgängig machen zu können, ist vor den entsprechenden Zahlungen dafür Sorge zu tragen, dass die beteiligten Sozialversicherungsträger eine Information über die

___________ 425) Ebenso Frind, ZInsO 2015, 22; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 7 ff.; Schmittmann/ Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1406; a. A. wohl (indes ohne nähere Begründung) Buchalik/ Kraus, ZInsO 2014, 2354, 2356. 426) So auch Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 7 ff., dort insbesondere Rz. 15; anders indes – jedenfalls im Hinblick auf die entsprechende Argumentationslinie des Bundesfinanzhofs – Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1409. 427) So auch ausdrücklich Frind, ZInsO 2015, 22. 428) So auch die Erstauflage: Hofmann, Eigenverwaltung, 1. Aufl., 2014, Rz. 464; ebenso im Ergebnis: Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354 ff. sowie Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270a Rz. 25; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rz. 189 (für Steuerforderungen) und Rz. 194 ff. (für Sozialversicherungsbeiträge).

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F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

Insolvenzantragstellung erhalten haben; diese Information sollte zudem mit einem Vorbehalt der Insolvenzanfechtung verbunden werden. x

Eine Bezahlung der Arbeitgeberanteile des Gesamtsozialversicherungsbeitrags erscheint demgegenüber nicht angezeigt, so dass unter Berücksichtigung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes und der Verpflichtung des Schuldners zur Schonung seines Vermögens im Interesse der Gläubigergemeinschaft entsprechende Zahlungen zu unterbleiben haben, was der vorläufige Sachwalter im Rahmen seiner Aufsicht gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 2 InsO zu überwachen hat.429)

x

Auch die Verpflichtung zur Bezahlung von Steuern tritt in der vorläufigen Eigenverwaltung hinter die insolvenzrechtliche Pflicht zur Sicherung des Vermögens gegen Masseschmälerungen zurück.430) Gleichwohl ist hinsichtlich der Handlungsempfehlung an Schuldner und Geschäftsleiter zunächst zu differenzieren: In der vorläufigen Eigenverwaltung einer natürlichen Person kann eine Nichtbezahlung der Steuern von vornherein keine weiteren haftungsrechtlichen Konsequenzen haben, weshalb eine entsprechende Zahlung zur Vermeidung einer Masseschmälerung zu unterbleiben hat. Da in der vorläufigen Eigenverwaltung von Personengesellschaften und juristischen Personen indes eine steuerliche Vertreterhaftung der Geschäftsleiter gemäß § 69 AO drohen kann431) und finanzgerichtliche Rechtsprechung zur insolvenzrechtlichen Überlagerung der steuerrechtlichen Zahlungspflicht in der vorläufigen Eigenverwaltung nach wie vor noch nicht vorliegt, erfolgt im Fall der „Anfechtungslösung“ auch die Bezahlung der Steuern in anfechtbarer Weise, d. h. nach Bösgläubigmachung des Finanzamts bzw. Steuergläubigers.432) Von einer Steuerzahlung absehen können die Geschäftsleiter ausnahmsweise dann, wenn hierzu eine entsprechende verbindliche Auskunft gemäß § 89 AO vorliegt, die bestätigt, dass eine Nichtzahlung aus insolvenzrechtlichen Gründen gerade nicht zu einer Haftung gemäß § 69 AO führen wird.433)

487 Nachteil der „Anfechtungslösung“ ist freilich der zusätzliche Liquiditätsbedarf im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung, der im Rahmen der Liquiditätsplanungen bereits im Vorfeld der Verfahrenseinleitung zu berücksichtigen ist. 488 Gegen die „Anfechtungslösung“ führt insbesondere Frind ins Feld, dass diese Handhabung die Interessen der Geschäftsleiter an einer persönlichen Straf___________ 429) So letztlich auch Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354, 2356, dort Fußn. 15. 430) Kahlert, in: Kübler, HRI § 57 Rz. 5 ff.; anders Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1409, welche insoweit insbesondere auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Geschäftsführerhaftung gemäß § 69 AO argumentieren. 431) Vgl. hierzu eingehend auch Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1409. 432) Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 25; Jarchow/Denkhaus, in: HambK-InsO, § 55 Rz. 94. 433) So auch Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 25.

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barkeits- bzw. Haftungsvermeidung über die Interessen der Gläubigergemeinschaft stellen würde.434) Zudem wird vereinzelt die – aus Sicht des Verfassers wohl eher theoretische – Gefahr gesehen, dass die Anfechtung im eröffneten Verfahren nicht erfolgreich durchgesetzt werden kann.435) Wenngleich Frind zuzugeben ist, dass auch aus diesseitiger Sicht eine insol- 489 venzrechtliche Pflichtenbindung des Schuldners bzw. seiner Geschäftsleiter besteht und diese insolvenzrechtlichen Pflichten des Schuldners die straf- und haftungsbewehrten sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Zahlungspflichten überlagern, so ist diese Ansicht gerade noch nicht durch entsprechende Rechtsprechung zu § 266a StGB oder zu § 69 AO bestätigt. Gerade aus dieser rechtlichen Unsicherheit ergibt sich das erwähnte Strafbarkeitsund Haftungsrisiko. Nach Frind436) sollen sich die Geschäftsleiter insoweit „mindestens in der gleichen Pflichtenverhaftung zugunsten der Gläubigergemeinschaft, wie im „normalen“ Insolvenzeröffnungsverfahren der vorläufige Insolvenzverwalter“ befinden. Gerade für den (vorläufigen) Insolvenzverwalter dürfte aber unzweifelhaft sein, dass er sich trotz seiner Pflichten gegenüber den Gläubigern des von ihm betreuten Insolvenzverfahrens keinen persönlichen Strafbarkeits- oder Haftungsrisiken aussetzen muss. Gleiches muss nach hier vertretener Auffassung letztlich auch für die Geschäftsleiter einer eigenverwaltenden Schuldnerin gelten. Andernfalls wäre die höchstrichterlich für Fälle der (vorläufigen) Eigenverwaltung noch nicht geklärte Kollision zwischen insolvenzrechtlichen Sicherungspflichten einerseits und sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Zahlungspflichten andererseits nicht auflösbar. Die „Anfechtungslösung“ ist damit nach hier vertretener Auffassung nach 490 wie vor ein gangbarer Weg, das Dilemma zwischen ungeklärter Strafbarkeit und Haftung einerseits und Masseschutz andererseits sachgerecht zu lösen, wenngleich die zwischenzeitlich vom Amtsgericht Düsseldorf437) gefundene „Zustimmungsvorbehaltslösung“ (sogleich unter c)) aus Sicht des Verfassers den „Königsweg“ darstellen dürfte. b) Kassenführungslösung Nach einer vom Amtsgericht Hamburg438) vertretenen Auffassung soll die 491 Lösung des Dilemmas in einer – ggf. sogar gerichtlich angeordneten – Überleitung der Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO auf den vorläufigen ___________ 434) Frind, ZInsO 2015, 24. 435) So AG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2014 – 67b IN 196/14, ZIP 2014, 2101 = ZInsO 2014, 2390; in diesem Sinne auch Hörmann/Yildiz, NZI 2015, 229. 436) Frind, ZInsO 2015, 22, 24. 437) AG Düsseldorf, Beschl. v. 10.7.2014 – 504 IN 124/14, ZIP 2014, 2101 = ZInsO 2014, 2389. 438) AG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2014 – 67b IN 196/14, ZIP 2014, 2101 = ZInsO 2014, 2390; ergänzend erläutert durch Frind, ZInsO 2015, 22–26; ausdrücklich ablehnend Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354 ff.

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F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

Sachwalter zu finden sein. Demnach soll das Insolvenzgericht – sofern der vorläufige Sachwalter die Kassenführung nicht selbst gemäß §§ 270a Abs. 1, 275 Abs. 2 InsO an sich zieht – die Kassenführung durch Beschluss auf den vorläufigen Sachwalter übertragen können.439) Hierdurch sollen eine Masseschmälerung durch Begleichung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern unterbunden und zugleich eine straf- und haftungsrechtliche Verantwortung der Geschäftsleiter ausgeschlossen werden. 492 Indes verfehlt die Kassenführungslösung nach Einschätzung des Verfassers jedenfalls teilweise ihr Ziel, da sie ggf. die Rechtswirkungen der Übernahme der Kassenführung gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 2 InsO teils verkennt: Wie bereits dargelegt, wird der vorläufige Sachwalter durch Übernahme der Kassenführung zum weiteren gesetzlichen Vertreter der Schuldnerin, ohne die Schuldnerin hierbei von der Verfügungsbefugnis auszuschließen.440) Konsequenz dieser bloßen Innenwirkung der Übernahme der Kassenführung ist indes auch, dass die Geschäftsleiter der Schuldnerin weiterhin rechtlich in der Lage sind, Zahlungen – auch solche an Sozialversicherungsträger und Fiskus – zu leisten. Verbleibt der Zahlungsverkehr trotz der im Innenverhältnis gemäß § 275 Abs. 2 InsO übernommenen Kassenführung auf den Konten der Schuldnerin, so können die Geschäftsleiter weiterhin wirksam über die entsprechenden Guthaben verfügen, so dass sie in der Lage sind, die betreffenden strafbewehrten Zahlungen zu leisten. Dass hierdurch die insolvenzrechtlichen Pflichten der Schuldnerin gemäß § 275 Abs. 2 InsO gegenüber dem vorläufigen Sachwalter verletzt werden, ändert hieran letztlich nichts; vielmehr ist der Interessenwiderstreit insoweit im Ergebnis derselbe wie bei Unterbleiben der Übernahme der Kassenführung. Es verbleibt damit in diesem Fall beim Fortbestand des Strafbarkeits- und Haftungsrisikos.441) Sofern der kassenführende vorläufige Sachwalter den Zahlungsverkehr vollständig auf ein Ander- oder Treuhandkonto442) überleitet und zugleich aufgrund des ihm nach hier vertretener Auffassung zustehenden Ermessens443) entsprechende Zahlungen nicht leistet, können sich die Geschäftsleiter unter Zugrundelegung der Rechtsprechung zu § 266a StGB angesichts faktisch fehlender Zahlungsmöglichkeit in der Tat von dem Vorwurf des § 266a StGB exkulpieren.444) ___________ 439) Zur Unzulässigkeit der gerichtlichen Übertragung der Kassenführung vgl. bereits AG Hannover, Beschl. v. 8.5.2015 – 909 IN 264/15, ZIP 2015, 1893; Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rz. 52; sowie oben Rz. 259. 440) Vgl. Rz. 260. 441) Ebenso Hunsalzer, ZInsO 2014, 1748, 1749. 442) Für die Zulässigkeit der Einrichtung von Ander- und Treuhandkonten zu Recht: Fiebig, in: HambK-InsO, § 275 Rz. 15; a. A. Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 275 Rz. 7, der die Überleitung des Zahlungsverkehrs auf Ander- bzw. Treuhandkonten für unzulässig hält. 443) Vgl. hierzu bereits Rz. 363 sowie Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 66 ff. 444) So im Ergebnis auch Hunsalzer, ZInsO 2014, 1748, 1750 m. w. N.; vgl. zur strafrechtlichen Rechtsprechung z. B. BGH, Beschl. v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, ZIP 2002, 2143 = NZI 2002, 454, dazu EWiR 2002, 1017 (Andreas Schmidt).

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II. Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren

Unabhängig hiervon begründet indes die Nichtbegleichung von Arbeitneh- 493 mersozialversicherungsbeiträgen bei übernommener Kassenführung ggf. ein Strafbarkeitsrisiko des vorläufigen Sachwalters, der nach h. M. als (weiterer) gesetzlicher Vertreter der Schuldnerin anzusehen ist und insoweit gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 StGB gerade auch als Täter des Delikts des § 266a StGB in Betracht kommt bzw. insoweit jedenfalls nicht von vornherein als Täter ausgeschlossen ist.445) Kommt der vorläufige Sachwalter gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 StGB als tauglicher Täter in Betracht, so besteht letztlich parallel hierzu auch ein zivilrechtliches Haftungsrisiko des vorläufigen Sachwalters gemäß § 823 Abs. 2 StGB i. V. m. § 266a StGB, welches ggf. angesichts vorsätzlichen und strafbaren Handelns nicht einmal von einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung gedeckt wäre. Auch hinsichtlich der Nichtbegleichung von Steuern führt die Übernahme 494 der Kassenführung zwar letztlich zu einer Entlastung der Geschäftsleiter wegen faktischer Unmöglichkeit der Erfüllung ihrer steuerlichen Zahlungspflichten. Indes ist auch insoweit zu beachten, dass der kassenführende vorläufige Sachwalter im Bereich der Kassenführung als gesetzlicher Vertreter des Schuldners und somit als Verfügungsberechtigter i. S. v. § 35 AO agiert, so dass er sich einem steuerrechtlichen Haftungsrisiko gemäß §§ 69, 35 AO ausgesetzt sieht, sofern Steuerzahllasten pflichtwidrig nicht bedient werden.446) Wenngleich die vorgenannten Strafbarkeits- und Haftungsrisiken ggf. kon- 495 struiert erscheinen mögen, so erscheinen die hierzu führenden rechtlichen Erwägungen aus Sicht des Verfassers jedenfalls nicht derart fernliegend, dass es einem vorläufigen Sachwalter zuzumuten wäre, eine Zahlung von strafund haftungsbewehrten Sozialversicherungsbeiträgen und Steuerforderungen zu unterlassen. Solange gefestigte Rechtsprechung zur Überlagerung sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Zahlungspflichten in der vorläufigen Eigenverwaltung noch nicht vorliegt, ist im Ergebnis also der vorläufige Sachwalter im Fall der Übernahme der Kassenführung – gleichermaßen wie die Geschäftsleiter im Fall nicht übernommener Kassenführung – gehalten, entsprechende Zahlungen nach Bösgläubigmachung der Zahlungsempfänger zu leisten. Damit wäre mit der Übernahme der Kassenführung letztlich aus Sicht des Verfassers nichts gewonnen. Vielmehr führt die Übernahme oder Übertragung der Kassenführung lediglich zu einer Verlagerung der Strafbarkeits- und Haftungsrisiken von den Geschäftsleitern auf den vorläufigen Sachwalter oder gar zu einer Verdopplung des Strafbarkeits- und Haftungsrisikos, weshalb die „Kassenführungslösung“ im Ergebnis als nicht zur Auflösung des Dilemmas tauglich abzulehnen ist. ___________ 445) Hierauf geht Hunsalzer, ZInsO 2014, 1748 ff., leider nicht ein. 446) Laut Kahlert, EWiR 2015, 709, 710, soll die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen insoweit bereits kassenführende vorläufige Sachwalter aus einer möglichen Haftung gemäß §§ 69, 35 AO in Anspruch genommen haben. Vgl. zur bei Übernahme der Kassenführung ggf. drohenden Haftung des (vorläufigen) Sachwalters nach §§ 69, 35 AO grundlegend auch Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 27 ff.

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F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

c) Zustimmungsvorbehaltslösung: Besonderer Zustimmungsvorbehalt hinsichtlich Zahlungen an Sozialversicherungsträger und Fiskus 496 Auf Grundlage eines Beschlusses des Amtsgerichts Düsseldorf447) aus dem Jahr 2014 hat sich inzwischen als weitere und aus Sicht des Verfassers zu bevorzugende Lösung des Dilemmas eine ausdrückliche insolvenzgerichtliche Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts hinsichtlich der Zahlungen an Sozialversicherungsträger und Steuergläubiger herausgebildet.448) Teile der Literatur449) und Rechtsprechung450) halten einen entsprechenden besonderen Zustimmungsvorbehalt für unzulässig und verweisen zur Begründung insbesondere darauf, dass der Gesetzgeber in § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO zwar auf die §§ 274, 275 InsO, nicht aber auf § 277 InsO verwiesen habe, welcher die Anordnung besonderer Zustimmungsvorbehalte im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren regelt.451) Demgegenüber verkennt die ablehnende Auffassung m. E. die § 270a Abs. 1 InsO überschattende Geltung der Generalklausel des § 21 Abs. 1 InsO:452) Demnach kann und muss das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren sämtliche Maßnahmen ergreifen, „die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten.“ Die Regelung des § 270a Abs. 1 Satz 1 InsO schränkt diese Anordnungskompetenz lediglich dahingehend ein, dass das Insolvenzgericht von der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots wie auch eines alle Verfügungen des Schuldners erfassenden allgemeinen Zustimmungsvorbehalts absehen soll. Die Anordnung eines – zur Sicherung des Schuldnervermögens i. S. v. § 21 Abs. 1 InsO erforderlichen – besonderen Zustimmungsvorbehalts unterbindet § 270a Abs. 1 Satz 1 InsO weder ausweislich seines Wortlauts, noch unter systematischen oder teleologischen Gesichtspunkten, sofern hierdurch nicht das Wesen der (vorläufigen) Eigenverwaltung verändert wird und der Schuldner gerade im Tagesgeschäft weiterhin in eigener Verantwortung handeln kann. 497 Sofern gegen einen besonderen Zustimmungsvorbehalt das Argument vorgebracht wird, dass letztlich eine Zustimmung von vornherein nicht erteilt werden wird, so spricht dies weniger gegen die Zulässigkeit eines besonderen Zustimmungsvorbehalts, sondern vielmehr letztlich sogar dafür, dass das Insolvenzgericht sogar ein besonderes Zahlungsverbot anordnen dürfte oder müsste. Da indes der besondere Zustimmungsvorbehalt im Sinne von § 21 Abs. 1 InsO das mildere Mittel im Vergleich zu einem besonderen Verfügungs- bzw. Zahlungs___________ 447) AG Düsseldorf, Beschl. v. 10.7.2014 – 504 IN 124/14, ZInsO 2014, 2389. 448) Ebenso inzwischen: AG Berlin-Charlottenburg, Beschl. v. 30.10.2014 – 36g IN 124/14; AG Amberg, Beschl. v. 26.1.2015 – 163 IN 26/15; AG Osnabrück, Beschl. v. 16.4.2015 – 26 IN 14/15; zustimmend auch Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354, 2356 f. 449) Frind, ZInsO 2015, 22, 24. 450) AG Hannover, Beschl. v. 8.5.2015 – 909 IN 264/15, ZIP 2015, 1893. 451) AG Hannover, Beschl. v. 8.5.2015 – 909 IN 264/15, ZIP 2015, 1893. 452) Vgl. hierzu bereits oben Rz. 369.

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III. Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren

verbot darstellt, erscheint aus hiesiger Sicht die Anordnung eines besonderen Zahlungsverbots nicht angezeigt. d) Handhabung in der Praxis Die Vielfalt der vertretenen Lösungen und die hiermit einhergehende ableh- 498 nende Haltung gegenüber den jeweils anderen Lösungen verkompliziert die Handhabung der Thematik in der Praxis bis zu einer abschließenden höchstrichterlichen Klärung in Abhängigkeit von der Haltung des jeweils zuständigen Insolvenzrichters deutlich. Insoweit ist letztlich zu empfehlen, die Vorgehensweise – wie ggf. auch die Frage der Begründung von Masseverbindlichkeiten – bereits im Vorfeld der Insolvenzantragstellung oder spätestens unmittelbar nach Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung mit dem zuständigen Insolvenzrichter zu klären. Praxistipp: Aus Sicht des Verfassers erscheint die dargestellte Zustimmungsvorbehaltslösung vorzugswürdig. Daher sollte versucht werden, das zuständige Gericht ggf. von der Zulässigkeit dieser Lösung zu überzeugen. Sollte das Gericht sich dieser Lösung verwehren, so erscheint aus Sicht des Verfassers die Anfechtungslösung als zweite Wahl, da hierdurch mögliche Haftungsrisiken der Kassenführungslösung vermieden werden. Wichtig ist in diesem Fall, den Nachweis der Bösgläubigmachung der Zahlungsempfänger unter gleichzeitigem Anfechtungsvorbehalt möglichst sowohl durch den Schuldner, als auch durch den vorläufigen Sachwalter belastbar zu dokumentieren. Vorläufigen Sachwaltern ist indes aus Sicht des Verfassers anzuraten, bis zu einer entsprechenden höchstrichterlichen Klärung der Rechtslage, die sog. „Kassenführungslösung“ als risikoträchtig abzulehnen.

III. Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren Die Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren453) ist im operativen 499 Bereich zunächst durch Fortsetzung der professionellen Zusammenarbeit zwischen Schuldner, Beratern und Sachwalter geprägt, so dass insoweit auf die bisherigen Ausführungen insbesondere zur Abwicklung des Tagesgeschäfts zu verweisen ist. Indes sind gerade mit Verfahrenseröffnung verschiedene Besonderheiten im Rahmen des operativen Tagesgeschäfts zu berücksichtigen, auf die an dieser Stelle noch eingegangen werden soll. 1. Berücksichtigung der rechtlichen Auswirkungen der Verfahrenseröffnung Gerade im Rahmen der Betriebsfortführung muss jedoch berücksichtigt wer- 500 den, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens – auch im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung – erhebliche rechtliche Wirkungen hat. Dies gilt insbeson___________ 453) Vgl. hierzu auch die ausführliche Darstellung von Specovius, in: Kübler, HRI, § 13 Rz. 31 ff.

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F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

dere für die Herabstufung sämtlicher zuvor begründeter Forderungen zu Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO und für die rechtlichen Konsequenzen für die Vertragsverhältnisse des insolventen Unternehmens gemäß §§ 103 ff. InsO. a) Umsetzung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes 501 Aufgrund der Qualifizierung sämtlicher Alt-Forderungen aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung als Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO verbietet der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz eine Befriedigung solcher Ansprüche aus der Insolvenzmasse. Das insolvente Unternehmen und seine Berater müssen daher nach Verfahrenseröffnung noch stärker als während der vorläufigen Eigenverwaltung dafür sorgen, dass eine Befriedigung von Insolvenzforderungen ausgeschlossen wird. Der vorläufige Sachwalter muss dies im Rahmen seiner Aufsicht gemäß § 274 Abs. 2 InsO überwachen. 502 Auch eine Befriedigung der Vergütungsansprüche für Lieferungen und Leistungen aus der Zeit der vorläufigen Eigenverwaltung darf regelmäßig nicht mehr aus der Insolvenzmasse erfolgen, sofern es sich hierbei um Insolvenzforderungen handelt. Soweit der Schuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung gegenüber Vertragspartnern aufgrund einer entsprechenden (Einzel-) Ermächtigung des Insolvenzgerichts Masseverbindlichkeiten begründet hat, dürfen und müssen diese aus der Insolvenzmasse befriedigt werden. In Fällen, in denen Warenlieferungen unter Eigentumsvorbehalt erfolgt sind und die Ware bei Verfahrenseröffnung noch unbezahlt im insolventen Unternehmen vorhanden ist, ist eine Bezahlung der entsprechenden Kaufpreisforderung ebenfalls zulässig, soweit der Schuldner zugleich – ggf. konkludent – die Erfüllungswahl hinsichtlich des noch nicht vollständig erfüllten Kaufvertrags gemäß §§ 103, 107 Abs. 2 InsO erklärt. Im Übrigen ist eine Bezahlung von Forderungen aus der Zeit der vorläufigen Eigenverwaltung lediglich noch aus – nicht in der Insolvenzmasse befindlichem – Treuhandvermögen im Fall eines eingerichteten Treuhandmodells möglich. Soweit auch dies nicht vorgesehen bzw. möglich ist, sind die Vertragspartner im Worst Case auf die Möglichkeit zur Anmeldung ihrer Forderungen zu verweisen, was es indes in der Praxis durch geeignete Maßnahmen im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung zu verhindern gilt. 503 Schwierigkeiten bereiten im Zusammenhang mit der Wahrung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes oftmals Fälle der Gewährleistung im Fall von Mängeln. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sämtliche Gewährleistungsrechte, die auf Mängel aus der Vertragsdurchführung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen, ebenfalls lediglich Ansprüche im Rang von Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO zur Folge haben, die – ggf. unter Umrechnung in eine Geldforderung gemäß § 45 InsO – zur Tabelle anzumelden sind. Indes kann ein Verweis von Gewährleistungsgläubigern auf die Forderungsanmeldung unter mehreren Gesichtspunkten erhebliche Nachteile mit sich bringen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass gerade die Möglichkeit zur Nachbesserung auch dazu dient, den Schaden für den leistenden Unternehmer und damit letztlich für die Gläubigergemeinschaft zu minimieren; so wird gerade die Beseiti156

III. Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren

gung einfacherer Mängel oftmals nur mit verhältnismäßig geringem Aufwand verbunden sein, während im Fall einer Ersatzvornahme oder gar eines Rücktritts des Gewährleistungsberechtigten demgegenüber erhebliche Forderungen im Raum stünden. Zudem führt gerade im Fall der beabsichtigten Unternehmensfortführung und -sanierung der Verweis der Gewährleistungsgläubiger auf die Forderungsanmeldung zu einer erheblichen Verunsicherung der Kunden des Unternehmens, was dem Unternehmen letztlich sogar das Vertrauen der Kunden kosten kann. Vor diesem Hintergrund ist insoweit im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob nicht ggf. unter Kulanzgesichtspunkten eine Durchführung der Mängelgewährleistung sinnvoll erscheint. Nach hier vertretener Auffassung hat im Fall der Eigenverwaltung der Schuldner – ähnlich dem Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren – die Möglichkeit, im Rahmen unternehmerischen Ermessens auf diese Weise zu verfahren. In der Eigenverwaltung sollte Grundlage einer entsprechenden Vorgehensweise aber unbedingt eine entsprechende Abstimmung mit dem Sachwalter und ggf. – abhängig von der wirtschaftlichen Größenordnung der hiermit einhergehenden Kosten – auch eine Beschlussfassung eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses sein. b) Fortsetzung bzw. Nichtfortsetzung von Vertragsverhältnissen für Rechnung der Insolvenzmasse Eine weitere unmittelbare Rechtsfolge der Verfahrenseröffnung ist die Suspen- 504 dierung der beiderseitigen vertraglichen Erfüllungsansprüche im Fall beiderseits nicht erfüllter Verträge gemäß § 103 InsO. Der Anwendungsbereich des § 103 InsO ist hierbei gemäß § 105 InsO sehr stark erweitert, so dass sehr viele Dauerschuldverhältnisse unter die Regelungen der §§ 103, 105 InsO fallen. Dies gilt insbesondere für Dienstleistungs- und Versorgungsverträge in den Bereichen Telekommunikation, Strom-, Gas- und Wasserversorgung, Versicherungen oder auch für Leasingverträge über Kraftfahrzeuge oder andere bewegliche Güter. Zu beachten ist insoweit, dass eine konkludente Erfüllungswahl durch vor- 505 behaltlose Fortsetzung des Vertragsverhältnisses dann zu vermeiden ist, wenn eine solche Erfüllungswahl gemäß § 103 Abs. 1 InsO eben nicht gewollt bzw. nicht sinnvoll ist. Insbesondere hat die Erfüllungswahl gemäß § 103 Abs. 1 InsO auch zur Folge, dass sämtliche vertragliche Laufzeiten mit Wirkung für die Insolvenzmasse verbindlich werden, was insbesondere im Fall beabsichtigter Teilbetriebsschließungen – z. B. bei angedachter Anpassung einer Filialstruktur – mit erheblichen finanziellen Nachteilen einhergehen kann. Zudem ist insoweit zu beachten, dass § 279 Satz 2 InsO den Schuldner dazu anhält, seine Rechte nach §§ 103 ff. InsO im Einvernehmen mit dem Sachwalter auszuüben. Um eine sinnvolle, d. h. insbesondere an den Gläubigerinteressen ausgerichtete, und formal ordnungsmäßige Nutzung der Erfüllungswahlrechte sicherzustellen, sollte das insolvente Unternehmen bereits spätestens im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung sämtliche Vertragsverhältnisse dokumentieren und hierbei Überlegungen zur Frage der Fortführung der entsprechenden Ver-

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F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

träge anstellen. Die entsprechenden Vorschläge zur weiteren Abwicklung der Verträge sollten dann unmittelbar nach Verfahrenseröffnung und Anordnung der Eigenverwaltung mit dem Sachwalter besprochen werden, so dass dieser sein Einvernehmen erteilen kann. 506 Im Anschluss sollten die entsprechenden Erklärungen gegenüber den Vertragspartnern zeitnah abgegeben werden, wobei für die von §§ 103, 105 InsO erfassten Vertragsverhältnisse im Wesentlichen drei Handlungsalternativen bestehen: x

Die Erfüllungswahl gemäß § 103 Abs. 1 InsO führt dazu, dass das Vertragsverhältnis – ggf. unter Abgrenzung der Vertragserfüllung auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gemäß § 105 InsO – mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortgesetzt wird. Sämtliche Inhalte des Vertragsverhältnisses berechtigen und verpflichten insoweit die Insolvenzmasse.

x

Die Ablehnung der Vertragserfüllung gemäß § 103 Abs. 2 InsO führt zum endgültigen Erlöschen der gegenseitigen Leistungspflichten. Das Vertragsverhältnis wandelt sich insoweit in ein Abrechnungsverhältnis um, wobei der Vertragspartner des insolventen Unternehmens etwaige Ansprüche wegen Nichterfüllung gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO nur als Insolvenzgläubiger i. S. v. § 38 InsO geltend machen kann.

x

Zudem kann das insolvente Unternehmen natürlich auch unter Vorbehalt bestimmter Vertragsänderungen eine Vertragsfortsetzung beabsichtigen. Eine entsprechende Vorgehensweise ist zwar in der InsO nicht vorgesehen, in der Praxis aber durchaus üblich. Es handelt sich bei entsprechenden Erklärungen gegenüber Vertragspartnern zutreffenderweise um eine Ablehnung gemäß § 103 Abs. 2 InsO, verbunden mit dem Angebot auf Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu teils geänderten Bedingungen. Zu beachten ist insoweit, dass eine derartige Handhabung die Annahme des Angebots, d. h. die Zustimmung des Vertragspartners, voraussetzt. Um nicht ggf. die Möglichkeit der Erfüllungswahl gemäß § 103 Abs. 1 InsO zu verlieren, empfiehlt es sich daher, das modifizierte Fortsetzungsangebot ggf. unter den Vorbehalt einer Erklärung gemäß § 103 Abs. 1, Abs. 2 InsO für den Fall der Nichteinigung zu stellen oder die gewünschten Vertragsänderungen ggf. telefonisch oder persönlich mit dem jeweiligen Vertragspartner vorzubesprechen. Wird beispielsweise eine bestimmte Leistung nur noch zeitweise benötigt, weil z. B. bereits die Schließung eines Teilbetriebs geplant ist, so sollten insoweit insbesondere erleichterte Kündigungsmöglichkeiten oder verkürzte Kündigungsfristen ausgehandelt werden.

2. Verwertungsmaßnahmen und Drittrechte 507 Mit Verfahrenseröffnung bzw. richtigerweise gemäß § 159 InsO nach dem Berichtstermin hat die Verwertung der Insolvenzmasse zu erfolgen, sofern dem nicht die Entscheidungen der Gläubigerversammlung – z. B. zur Frage einer 158

III. Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren

Betriebsfortführung auf Rechnung der Insolvenzmasse oder zur Frage eines beabsichtigten Insolvenzplans – entgegenstehen. Zugleich greifen ab Verfahrenseröffnung auch in der Eigenverwaltung über 508 § 282 InsO die Vorschriften über die Verwertung oder sonstige Verwendung von Absonderungsgut gemäß §§ 166 ff. InsO. a) Verwertung nicht betriebsnotwendigen Vermögens Soweit das Anlagevermögen des insolventen Unternehmens auf Grundlage 509 des Sanierungskonzepts nicht erforderlich ist, sollte der Schuldner – ggf. sogar bereits im Eröffnungsverfahren – eine frühzeitige Verwertung nicht betriebsnotwendigen Vermögens in Betracht ziehen. Hierdurch können insbesondere ggf. beträchtliche Kosten des laufenden Unterhalts oder Risiken eines Wertverlusts vermieden werden. Um indes nicht eine Einbindung der Gläubiger in verfahrensstrategische Ent- 510 scheidungen zu verhindern, sollten entsprechende Maßnahmen im Eröffnungsverfahren bzw. vor dem Berichtstermin aus Sicht des Verfassers ausschließlich im Einvernehmen mit dem (vorläufigen) Sachwalter und bei entsprechender Bedeutung zudem auch nur nach Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses vorgenommen werden. Stehen einer frühzeitigen Verwertung Gründe entgegen, was insbesondere 511 im Fall von Handlungsalternativen im Rahmen der Grundsatzentscheidungen der Gläubigerversammlung im Berichtstermin gemäß § 157 InsO der Fall sein wird, so sollte entsprechend den gesetzlichen Wertungen des § 159 InsO mit einer Verwertung bis nach dem Berichtstermin zugewartet werden. b) Berücksichtigung von Absonderungsrechten Soweit Vermögen des Schuldners mit Absonderungsrechten belastet ist, sind 512 die entsprechenden Rechte des absonderungsberechtigten Gläubigers auch in der Eigenverwaltung gemäß §§ 166 ff., 282 InsO zu achten. Dies hat das insolvente Unternehmen im Rahmen der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung im eröffneten Insolvenzverfahren entsprechend in seine Prozesse zu implementieren. In der Praxis werden insoweit vor allem folgende Themen eine Rolle spielen: x

Im Rahmen des Forderungseinzugs wird das insolvente Unternehmen insbesondere verlängerte und erweiterte Eigentumsvorbehalte und ggf. bestehende Globalzessionen zu berücksichtigen haben, wobei der Abgrenzungsaufwand im Einzelfall – gerade im Hinblick auf die Eigentumsvorbehalte der Lieferanten – durchaus erheblich sein kann. Die aufgrund des Verwertungsrechts gemäß §§ 282 Abs. 1 Satz 1, 166 Abs. 2 InsO eingezogenen Beträge sind vom Schuldner – unter Abrechnung der tatsächlichen Kosten der Einziehung (vgl. § 282 Abs. 1 Satz 3 InsO) – unverzüglich an den betreffenden Gläubiger auszukehren. Da gerade die Kosten des For-

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F. Praxis der Betriebsfortführung und Verfahrensabwicklung

derungseinzugs, der durch das insolvente Unternehmen selbst besorgt wird, nur schwer abzurechnen sein dürften, erscheint insoweit ggf. eine vertragliche Regelung der Kostenbeiträge im Rahmen einer Verwertungsvereinbarung sinnvoll. x

Bei Verfahrenseröffnung wird ein Teil des Warenbestands bzw. des Bestands an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen bzw. unfertigen/fertigen Erzeugnissen ggf. einem erweiterten Eigentumsvorbehalt unterliegen. Soweit entsprechende Regelungen nicht bereits im Eröffnungsverfahren verhandelt wurden, sollte insoweit ggf. eine Ablösung der Eigentumsvorbehaltsrechte mit den entsprechenden Lieferanten besprochen werden, soweit die entsprechenden Bestände für betriebliche Zwecke benötigt werden. Ist dies nicht der Fall oder kommt eine Einigung mit dem Lieferanten nicht zustande, sollte der Schuldner in Erwägung ziehen, die Verwertung gemäß § 170 Abs. 2 InsO dem Gläubiger zu überlassen.

x

An Betriebsimmobilien werden zumeist Absonderungsrechte in Form von Grundpfandrechten bestehen. Insoweit ist es zwingend erforderlich, dass mit dem Grundpfandgläubiger eine Nutzungsvereinbarung454) geschlossen wird, welche die weitere Nutzung – in der Regel gegen Zahlung einer auf Zinsen und Hauptforderung zu verrechnenden Nutzungsentschädigung – zur Vermeidung einer Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung der Immobilie regelt. Kommt eine Einigung mit dem Grundpfandgläubiger nicht zustande, so verbleibt dem Schuldner gegen eine Zwangsversteigerung lediglich noch das Recht, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 30d Abs. 1, Abs. 2 ZVG zu beantragen, wobei in diesem Fall gemäß § 30e Abs. 1 InsO für die Zeit nach dem Berichtstermin laufend die geschuldeten Zinsen aus der Insolvenzmasse zu zahlen sind.455)

x

Auch bewegliches Anlagevermögen, z. B. Maschinen, Fuhrpark oder Betriebs- und Geschäftsausstattung, wird in vielen Fällen mit Absonderungsrechten, z. B. in Form von Raum- oder Einzelsicherungsübereignungen oder in Gestalt des Vermieterpfandrechts, belastet sein. § 172 Abs. 1 InsO lässt eine sonstige Verwendung entsprechender Gegenstände ausdrücklich zu. Im Fall einer entsprechenden Nutzung sind indes aus der Insolvenzmasse gemäß § 172 Abs. 1 InsO laufende Zahlungen zum Ausgleich des Wertverlusts sowie ab dem Berichtstermin zudem gemäß § 169 InsO laufende Zinszahlungen zu leisten. Um insoweit Streitigkeiten über die Höhe der entsprechend gesetzlich zu leistenden Zahlungen zu vermeiden, empfiehlt sich auch insoweit der Abschluss einer Nutzungsvereinbarung mit dem jeweiligen Absonderungsgläubiger.

___________ 454) Zu einem Muster einer Verwertungs- und Nutzungsvereinbarung vgl. Rz. 627. 455) Vgl. hierzu eingehend z. B. Kübler/Prütting/Bork-Flöther, InsO, 62. Lfg. 02/2015, § 165 Rz. 25 ff.

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III. Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren

3. Umsetzung leistungswirtschaftlicher Sanierungsmaßnahmen Soweit das Sanierungskonzept des insolventen Unternehmens operative bzw. 513 leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen vorsieht, sind diese – nach entsprechender Einbindung des vorläufigen Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung – spätestens im eröffneten Insolvenzverfahren umzusetzen, soweit diese nicht bereits vor Verfahrenseröffnung in die Wege geleitet wurden. Insbesondere in Fällen, in denen insolvenzrechtliche Sonderrechte genutzt 514 werden sollen, wird dies auch frühestens nach Verfahrenseröffnung erfolgen können. Beispiele entsprechender Sanierungsmaßnahmen sind insbesondere x

Anpassungen des Personalstamms unter Nutzung des Sonderkündigungsrechts gemäß § 113 InsO sowie unter Vereinbarung von Interessenausgleichen und Sozialplänen gemäß §§ 123, 125 InsO,

x

die Kündigung nicht mehr benötigter Geschäftsraummietverhältnisse gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO, z. B. zur Auflösung nicht rentabler Standorte bzw. Filialen

x

oder auch die Erfüllungsablehnung hinsichtlich nicht rentabler (Groß-)Projekte gemäß §§ 103, 105 InsO.

Vgl. im Übrigen zu den insolvenzrechtlichen Sonderrechten des Schuldners in der Eigenverwaltung bereits Rz. 140 ff.

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G. Haftung in der (vorläufigen) Eigenverwaltung Die Haftung des (vorläufigen) Sachwalters (hierzu Rz. 525 ff.) hat über § 270a 515 Abs. 1 Satz 2 InsO bzw. § 274 Abs. 1 InsO eine gesetzliche Regelung in § 60 InsO erfahren. Demgegenüber hat die Haftung des Schuldners und der für den Schuldner handelnden Geschäftsleiter keine eigenständige insolvenzrechtliche Regelung erfahren. Die Haftung des Schuldners und der Geschäftsleiter des Schuldners richtet sich insoweit vielmehr nach den außerhalb der Insolvenz geltenden Vorschriften. I. Keine Haftung des Schuldners Eine Haftung des Schuldners für die Verletzung insolvenzrechtlicher Pflichten 516 scheidet aus bzw. ist von vornherein nicht zielführend, da ohnehin das gesamte Schuldnervermögen von seiner Insolvenz erfasst ist.456) Insbesondere in Fällen der Eigenverwaltung natürlicher Personen bzw. von Personengesellschaften, deren persönlich haftende Gesellschafter natürliche Personen sind, ergeben sich hieraus für die Gläubiger Nachteile gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren, da dort gerade der (vorläufige) Insolvenzverwalter gemäß § 60 InsO gegenüber sämtlichen Verfahrensbeteiligten für die Verletzung seiner Pflichten haftet. Dieser verminderte Schutz der Verfahrensbeteiligten ist indes im Institut der (vorläufigen) Eigenverwaltung von vornherein angelegt, so dass der Schutz der Gläubiger und der sonstigen Verfahrensbeteiligten letztlich allein über die Frage nach der Zulassung der (vorläufigen) Eigenverwaltung im konkreten Fall zu suchen ist. II. Haftung der Geschäftsleiter Während in der Eigenverwaltung einer natürlichen Person somit kein zusätz- 517 liches Haftungssubjekt zur Verfügung steht, kommen in der Insolvenz der juristischen Person gerade die für diese agierenden Geschäftsleiter als Haftungsschuldner in Betracht. Insoweit ist zwischen der Haftung im Stadium der vorläufigen Eigenverwaltung (hierzu Rz. 518 ff.) und der Haftung in der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren (Ziff. 2., Rz. 521 ff.) zu unterscheiden. 1. Haftung in der vorläufigen Eigenverwaltung Im Fall der organschaftlichen Vertretung des Schuldners – insbesondere im Fall 518 der Eigenverwaltung einer Kapitalgesellschaft – stellt sich bereits im Rahmen einer vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO die Fragen nach der Rechtsgrundlage für eine Haftung der Geschäftsleiter der eigenverwaltenden Schuldnerin, d. h. insbesondere der Geschäftsführer im Fall der insolventen ___________ 456) Vgl. hierzu eingehend Bachmann, ZIP 2015, 101 ff., sowie grundlegend auch Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 99 ff.; a. A. Fiebig, in: HambK-InsO, § 270 Rz. 43.

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G. Haftung in der (vorläufigen) Eigenverwaltung

GmbH bzw. der Vorstände im Fall der insolventen AG. Eine insolvenzrechtliche Haftung analog § 60 InsO kommt insoweit – sowohl im Fall der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren, wie auch im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung – mangels Vergleichbarkeit der Geschäftsleiter mit einem Insolvenzverwalter nicht in Betracht.457) Indes trifft die Geschäftsleiter nach den allgemeinen (gesellschaftsrechtlichen) Vorschriften eine (Innen-)Haftung gegenüber der insolventen Gesellschaft. Maßgebliche Haftungsgrundlagen können insoweit die allgemeinen Haftungsregelungen für die Verletzung von Organpflichten – z. B. § 43 GmbHG bzw. § 93 AktG – oder auch die gemäß § 280 BGB eintretende Haftung für die Verletzung der im Dienstvertrag des jeweiligen Organmitglieds vorgesehenen vertraglichen Pflichten sein. Maßgeblich sind hierbei die Verletzung der gerade gegenüber der insolventen Gesellschaft bestehenden Pflichten und die hieraus eintretenden Schäden. Soweit im Stadium vorläufiger Eigenverwaltung insoweit Vermögensschädigungen zulasten der Schuldnerin eintreten, die letztlich wirtschaftlich bereits in diesem Stadium die Gläubigergemeinschaft belasten, tritt eine Haftung der verantwortlichen Geschäftsleiter ein. Demgegenüber kommt im Falle der Schädigung einzelner Verfahrensbeteiligter, z. B. Aus- oder Absonderungsberechtigter, eine Haftung von Geschäftsleitern allenfalls bei deliktischem Handeln der verantwortlichen Personen gemäß §§ 823 ff. BGB in Betracht; gerade Inhaber von Drittrechten sind damit im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung deutlich weniger geschützt als in Fällen vorläufiger Insolvenzverwaltung, in denen dem vorläufigen Verwalter gerade auch die Sicherung von Vermögenswerten zugunsten Dritter obliegt. 2. Masseschmälerungshaftung 519 Über die allgemeine Organhaftung hinaus kommt im Stadium der vorläufigen Eigenverwaltung im Grundsatz auch eine Haftung der Geschäftsleiter unter dem Gesichtspunkt der Masseschmälerungshaftung in Betracht, die in § 64 GmbHG bzw. in § 93 Abs. 3 Nr. 6, § 92 Abs. 2 AktG sowie in korrespondierenden Vorschriften der übrigen Gesellschaftsrechte geregelt ist. Gegenstand der Masseschmälerungshaftung ist jeweils die Pflicht zur Erstattung sämtlicher nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlungen, soweit diese nicht auch nach diesem Zeitpunkt noch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind. Der hierbei anzulegende Sorgfaltsmaßstab richtet sich dabei insbesondere nach dem Interesse der Gesellschaftsgläubiger, deren Schutz die Masseschmälerungshaftung dient.458) Sorgfaltsgemäß sind in diesem Zusammenhang vor allem solche Zahlungen, die unerlässlich sind, um größere Nachteile für die Insolvenzmasse, z. B. den sofortigen Zusammenbruch des ___________ 457) Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 214 f. 458) BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, ZIP 2001, 235; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 64 Rz. 72; ggf. etwas weitergehend: Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 64 Rz. 28, der jegliche Zahlung für sorgfaltsgemäß i. S. v. § 64 Satz 2 GmbHG hält, die auch ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter geleistet hätte.

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II. Haftung der Geschäftsleiter

schuldnerischen Unternehmens, abzuwenden;459) dies gilt z. B. für Zahlungen zur Vermeidung von Versorgungseinstellungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Prüfung der Sorgfaltsgemäßheit geleisteter Zahlung im jeweiligen Einzelfall zu erfolgen,460) so dass insoweit nach wie vor erhebliche Rechtsunsicherheit besteht.461) Inwieweit der Geschäftsleiter im Fall der Leistung entsprechender Zahlungen sorgfaltsgemäß handelt, erscheint indes für den Zeitraum vor Insolvenzantragstellung in vielen Fällen fraglich, da der Geschäftsleiter sich letztlich sorgfaltsgemäß i. S. v. § 15a InsO ohnehin nur durch Stellung eines Insolvenzantrags verhielte. Für Zahlungen im Stadium der vorläufigen Eigenverwaltung kommt eine 520 Haftung unter dem Gesichtspunkt der Masseschmälerungshaftung jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Geschäftsleiter Verpflichtungen der Insolvenzschuldnerin begleicht, die im Fall der Verfahrenseröffnung im Rang von Masseverbindlichkeiten zu erfüllen wären.462) Eine Masseschmälerung, die z. B. § 64 GmbHG ahnden will, ist in derartigen Fällen von vornherein ausgeschlossen. Dies gilt sowohl in Fällen sog. Einzelermächtigungen, wie auch im Fall der „starken“ vorläufigen Eigenverwaltung unter umfassender Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten, z. B. auch in Gestalt der Anordnung gemäß § 270b Abs. 3 InsO463). Demgegenüber verbleibt es für sämtliche Zahlungen auf Verbindlichkeiten, die im Fall der Verfahrenseröffnung im Rang von Insolvenzforderungen bestünden, nach hier vertretender Auffassung im Grundsatz bei den gesetzlichen Regelungen der Masseschmälerungshaftungsnormen. Jedoch muss hierbei der für Geschäftsleiter maßgebliche Sorgfaltsmaßstab dahingehend eingeschränkt werden, dass Zahlungen, die auch ein sorgfaltsgemäß handelnder vorläufiger Insolvenzverwalter vorgenommen hätte, auch für den eigenverwaltenden Geschäftsleiter sorgfaltsgemäß sind.464) Zugleich ist der zusätzliche insolvenzrechtliche Schutz der Gläubiger durch die Überwachung durch den vorläufigen Sachwalter zu berücksichtigen; nach hier vertretener Auffassung sind daher Zahlungen auch dann stets sorgfaltsgemäß, wenn diese mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters erfolgen. Dies folgt letztlich der Erwägung, dass die Aufgabe des (vorläufigen) Sachwalters gerade darin besteht, dafür Sorge zu tragen, dass die Interessen der Gläubigergemeinschaft gewahrt bleiben und dessen Zustimmung letzt-

___________ 459) 460) 461) 462) 463) 464)

BGH, Beschl. v. 5.11.2007 – II ZR 262/06, ZIP 2008, 72. BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, ZIP 2001, 235, 238. Ebenso Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 64 Rz. 28. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 207. Vgl. hierzu Rz. 372 sowie eingehend Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 115 ff. So bereits K. Schmidt, ZHR 168 [2004], 637, 667, für sämtliche Zahlungen, die der Geschäftsleiter nach eingetretener Insolvenzreife leistet. K. Schmidt, a. a. O., ist indes zu entgegnen, dass hierdurch der von der Haftung ausgehende zusätzliche Druck zur Erfüllung der Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO verringert würde, weshalb die dort vertretene Auffassung m. E. zu weit geht.

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G. Haftung in der (vorläufigen) Eigenverwaltung

lich für den Geschäftsleiter die Übereinstimmung der vorzunehmenden Handlung mit den Gläubigerinteressen beinhalten muss. 3. Haftung im eröffneten Insolvenzverfahren 521 Im eröffneten Insolvenzverfahren begründet der Schuldner durch seine Rechtshandlungen Masseverbindlichkeiten. Die Rechtshandlungen der Geschäftsleitung einer juristischen Person verpflichten somit unmittelbar die Insolvenzmasse; Verfügungen betreffen unmittelbar die Insolvenzmasse. Aufgrund der Rechtsmacht des insolventen Unternehmens schädigen die Geschäftsleiter im Fall von Pflichtverletzungen damit unmittelbar die Gläubiger des insolventen Unternehmens. Dies wirft auch für das eröffnete Insolvenzverfahren die Frage nach einer Haftung der Geschäftsleiter eines eigenverwaltenden insolventen Unternehmens auf. 522 Auch im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren besteht indes nach zutreffender Auffassung kein eigenständiges insolvenzrechtliches Haftungsregime für Geschäftsleiter; insbesondere kommt eine analoge Anwendung der §§ 60, 61 InsO auf Geschäftsleiter nicht in Betracht.465) 523 Eine Masseschmälerungshaftung nach § 64 GmbHG bzw. den entsprechenden Vorschriften des jeweiligen Gesellschaftsrechts kommt für Rechtshandlungen im eröffneten Insolvenzverfahren bereits aus teleologischen Gründen nicht in Betracht. Indes unterliegen die Geschäftsleiter im eröffneten Insolvenzverfahren natürlich weiterhin der Haftung für die Verletzung ihrer Organpflichten gemäß § 43 GmbHG bzw. § 93 AktG. Die Organpflichten der Geschäftsleiter einer juristischen Person erweitern sich im Fall der Eigenverwaltung jedoch um eine insolvenzrechtliche Komponente; insbesondere sind die Geschäftsleiter gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, die Erfüllung der insolvenzrechtlichen Aufgaben der Gesellschaft im Eigenverwaltungsverfahren sicherzustellen.466) Die Geschäftsleiter unterliegen damit im Rahmen ihres Handelns im Fall der Eigenverwaltung einer Bindung an den Insolvenzzweck der bestmöglichen, gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung.467) 524 Darüber hinaus haften Geschäftsleiter gegenüber einzelnen Verfahrensbeteiligten allenfalls im Rahmen der Haftung wegen unerlaubter Handlungen gemäß §§ 823 ff. BGB.468) Insbesondere bei Verletzung von Aus- und Absonderungsrechten dürften insoweit Ansprüche gemäß § 823 Abs. 1 BGB und bei Verlet-

___________ 465) Bachmann, ZIP 2015, 101; Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 214 ff. 466) Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 212. 467) Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 212 f.; ebenso Bachmann, ZIP 2015, 101, 104 m. w. N. 468) Ebenso Bachmann, ZIP 2015, 101, 104, 106.

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III. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

zung drittschützender Normen gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung von Schutzgesetzen in Betracht kommen.469) III. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters Für die Haftung des Sachwalters ordnet § 274 Abs. 1 InsO eine entsprechende 525 Anwendung von § 60 InsO an. Der Sachwalter ist damit gemäß §§ 274 Abs. 1, 60 Abs. 1 Satz 1 InsO allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft seine insolvenzrechtlichen Pflichten verletzt; der Sachwalter hat insoweit entsprechend § 60 Abs. 1 Satz 2 InsO für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sachwalters einzustehen. Auch für die Haftung des vorläufigen Sachwalters gilt letztlich über §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1 InsO die Vorschrift des § 60 InsO entsprechend. Sowohl der vorläufige Sachwalter wie auch der Sachwalter im eröffneten In- 526 solvenzverfahren haften daher für die Verletzung ihrer Pflichten nach der InsO. Im Vergleich zur Haftung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters ist insoweit der deutlich unterschiedliche Pflichtenkreis des (vorläufigen) Sachwalters zu beachten.470) Der (vorläufige) Sachwalter wird daher insbesondere in Fällen der Verletzung seiner Aufsichtspflicht gemäß § 274 Abs. 2 InsO oder in Fällen der Verletzung seiner Pflicht zur Nachteilsanzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO haften. Lediglich in den Bereichen, in denen die Rechtsstellung des Sachwalters an 527 diejenige des Insolvenzverwalters weitgehend angenähert ist, haftet der Sachwalter auch in gleichem Umfang wie ein Insolvenzverwalter; dies gilt beispielsweise in den Bereichen des § 280 InsO.471) Im Übrigen wird den (vorläufigen) Sachwalter eine haftungsrechtliche Verantwortung für eine Schädigung der Insolvenzmasse oder einzelner Beteiligter durch den Schuldner nur dann treffen, wenn die entsprechende schädigende Handlung des Schuldners erst durch eine Verletzung einer insolvenzrechtlichen Pflicht des (vorläufigen) Sachwalters ermöglicht wurde.472) Rechtsprechung zur Frage der entsprechenden Kausalität bzw. Zurechnung liegt indes – soweit ersichtlich – bislang noch nicht vor. Unabhängig hiervon haftet der (vorläufige) Sachwalter – wie auch der Insol- 528 venzverwalter – nur gegenüber den Beteiligten des Insolvenzverfahrens, d. h. insbesondere gegenüber den Insolvenzgläubigern i. S. v. §§ 38, 39 InsO, den Massegläubigern gemäß § 55 InsO, den Aus- und Absonderungsberechtigten und dem Schuldner, und auch gegenüber diesen Personen nur dann bzw. nur in-

___________ 469) 470) 471) 472)

Vgl. auch Bachmann, ZIP 2015, 101, 106. Ebenso Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 07/2012, § 274 Rz. 53 f. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 07/2012, § 274 Rz. 52. Ebenso Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 07/2012, § 274 Rz. 53.

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G. Haftung in der (vorläufigen) Eigenverwaltung

soweit, als den (vorläufigen) Sachwalter insolvenzrechtliche Pflichten gerade gegenüber diesen Personen treffen.473) 529 Eine Haftung für die Nichterfüllbarkeit von Masseverbindlichkeiten, wie sie § 61 InsO unter den dort genannten Voraussetzungen für den Insolvenzverwalter anordnet, sieht § 274 Abs. 1 InsO ausgehend von der Pflichtenstellung des (vorläufigen) Sachwalters zu Recht nicht vor. Indes trifft den Sachwalter eine entsprechende Haftung gemäß §§ 277 Abs. 1 Satz 3, 61 InsO dann, wenn der Sachwalter im Fall der Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 Abs. 1, Abs. 2 InsO seine Zustimmung zur Begründung einer Masseverbindlichkeit erteilt hat und diese Verpflichtung letztlich aus der Insolvenzmasse nicht befriedigt werden kann. Gleiches gilt analog §§ 277 Abs. 1 Satz 3, 61 InsO, wenn das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren die Zustimmungsbedürftigkeit im Rahmen einer Einzelermächtigung angeordnet hat.474) Indes ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass die Exkulpationsmöglichkeit gemäß § 61 Satz 2 InsO auf den besonderen Fall des (vorläufigen) Sachwalters anzupassen ist. Eine Exkulpation gemäß §§ 277 Abs. 1 Satz 3, 61 Satz 2 InsO erfolgt daher – im Vergleich zur entsprechenden Haftung des Insolvenzverwalters – unter erleichterten Bedingungen.475) Insbesondere wird sich der (vorläufige) Sachwalter insoweit auf eine von ihm auf Schlüssigkeit geprüfte und für plausibel befundene Liquiditätsplanung des Schuldners stützen dürfen.476)

___________ 473) 474) 475) 476)

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Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 07/2012, § 274 Rz. 50, 53 f. Vgl. hierzu oben Rz. 355 ff. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 07/2012, § 274 Rz. 58. Ebenso Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 49. Lfg. 07/2012, § 274 Rz. 59.

H. Eigenverwaltung und Insolvenzplan Nach dem Leitbild des Gesetzgebers – insbesondere des ESUG – stehen Eigen- 530 verwaltung und Insolvenzplan in engem Zusammenhang. I. Angestrebter Insolvenzplan als Hauptanwendungsfall der Eigenverwaltung Anders als z. B. das US-amerikanische Restrukturierungsverfahren gemäß 531 Chapter 11 des U. S. Bankruptcy Code verknüpft die InsO Eigenverwaltung und Insolvenzplan nicht rechtlich miteinander. So bleibt eine Eigenverwaltung auch dann möglich, wenn das Verfahrensziel von vornherein auf Abwicklung des insolventen Unternehmens gerichtet ist. Indes wird gerade dies in der Praxis nur wenig bzw. nur selten Sinn machen. In der Praxis ist vielmehr in Fällen, in denen der Schuldner den Unterneh- 532 menserhalt mittels Insolvenzplan anstrebt, der Hauptanwendungsfall der Eigenverwaltung zu sehen.477) Gerade diese Form der Eigensanierung hatte auch der Gesetzgeber des ESUG im Blick, der mittels der vorgenommenen Gesetzesänderungen den Zugang zur Eigenverwaltung erleichtern und das Insolvenzplanverfahren attraktiver gestalten wollte. II. Planinitiativrecht in der Eigenverwaltung Das sog. Planinitiativrecht regelt die Frage, wer zur Vorlage eines Insolvenz- 533 plans berechtigt ist. Für das Regelinsolvenzverfahren weist § 218 Abs. 1 Satz 1 InsO das Planinitiativrecht sowohl dem Schuldner als auch dem Insolvenzverwalter zu. Zudem kann die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter gemäß §§ 157 Satz 2, 218 Abs. 2 InsO beauftragen, einen Insolvenzplan auszuarbeiten, wobei sie ihm auch das Planziel vorgeben kann. Für das Eigenverwaltungsverfahren regelt § 284 Abs. 1 Satz 1 InsO, dass der in 534 § 157 Satz 2 InsO vorgesehene Auftrag der Gläubigerversammlung zur Insolvenzplanerstellung sowohl an den Sachwalter als auch an den Schuldner gerichtet werden kann. Ein originäres Planinitiativrecht steht dem Sachwalter indes gerade nicht zu, da die Aufgaben des Insolvenzverwalters bei Anordnung der Eigenverwaltung ja im Grundsatz den eigenverwaltenden Schuldner treffen.478) Gleiches gilt für den vorläufigen Sachwalter,479) wobei insoweit ohnehin zu berücksichtigen ist, dass die Durchführung des Insolvenzplanverfahrens im engeren Sinne ohnehin ein eröffnetes Insolvenzverfahren voraussetzt. In der Eigenverwaltung ist damit – ohne einen Auftrag der Gläubigerversammlung gemäß § 284 InsO – nur der Schuldner gemäß § 218 Abs. 1 InsO berechtigt, ___________ 477) Vgl. auch Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 28. Lfg. 03/2007, § 284 Rz. 2. 478) Ebenso Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rz. 387; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 28. Lfg. 03/2007, § 284 Rz. 17 m. w. N. (auch zur vereinzelt vertretenen a. A.). 479) Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rz. 387.

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H. Eigenverwaltung und Insolvenzplan

einen Insolvenzplan aus eigenem Recht vorzulegen. Dies erscheint auch unter systematischen Gesichtspunkten völlig folgerichtig, da der Sachwalter in der Eigenverwaltung grundsätzlich auf die ihm obliegende Aufsicht beschränkt ist und zentrale Person des Verfahrens gerade der Schuldner bzw. dessen Geschäftsleitung sein soll. Praxistipp: Auch das von der Gläubigerversammlung abgeleitete Planvorlagerecht des Sachwalters im Fall eines entsprechenden Beschlusses der Gläubigerversammlung gemäß § 284 Abs. 1 Satz 1 InsO dürfte in der Praxis nur eine geringe Bedeutung zukommen.480) Wenn der Schuldner in der Eigenverwaltung gerade die zentrale Rolle haben soll, erscheint es wenig einsichtig, wenn die Gläubiger – obwohl sie dem Schuldner die Eigenverwaltung gerade gestatten (!) – den Auftrag, einen Insolvenzplan auszuarbeiten, an den Sachwalter richten würden. Lediglich dessen insolvenzrechtliche Expertise könnte hierfür als Begründung angeführt werden, wobei diese auch über seine Beratungspflicht im Rahmen des § 284 Abs. 1 Satz 2 InsO nutzbar gemacht werden kann.

III. Pflichten des (vorläufigen) Sachwalters im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Insolvenzplans durch den Schuldner 535 Wenngleich der (vorläufigen) Sachwalter – abgesehen von den Fällen des Gläubigerversammlungsauftrags gemäß § 284 Abs. 1 Satz 2 InsO – nicht zur Vorlage eines Insolvenzplans berechtigt ist, so treffen ihn im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Insolvenzplans doch erhebliche Pflichten. 1. Beratende Mitwirkung gemäß § 284 Abs. 1 Satz 2 InsO 536 Für Fälle des Auftrags der Gläubigerversammlung an den Schuldner gemäß §§ 157 Satz 2, 284 Abs. 1 Satz 1 InsO normiert § 284 Abs. 1 Satz 2 InsO ausdrücklich die Verpflichtung des Sachwalters, beratend an der Planerstellung durch den Schuldner mitzuwirken. 2. Beaufsichtigung der Planvorbereitung gemäß § 274 Abs. 2 InsO 537 Auch in Fällen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 284 Abs. 1 Satz 2 InsO ist der Sachwalter verpflichtet, die Vorbereitung des Insolvenzplans gemäß § 274 Abs. 2 InsO im Rahmen seiner Aufsicht über den Schuldner zu begleiten. Hierbei wird der Schwerpunkt indes nicht in der Beratung, sondern vielmehr in der Überwachung des Schuldners liegen. Im Einzelfall kann indes eine Beratung des Schuldners zur inhaltlichen Ausrichtung des Insolvenzplans oder zu Einzelthemen durchaus auch im Rahmen der Aufsicht gemäß § 274 Abs. 2 InsO angezeigt sein; dies gilt insbesondere dann, wenn dies zur Vermeidung einer Fehlleitung der Insolvenzplanbemühungen sachgerecht erscheint.

___________ 480) Ebenso Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, 28. Lfg. 03/2007, § 284 Rz. 9.

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III. Pflichten des Sachwalters im Zshg. mit der Vorbereitung eines Insolvenzplans

3. Hinwirken auf transparenten M&A-Prozess als Grundlage der Planvergleichsrechnung Beantragt der Schuldner – gleich, ob mit oder ohne Schutzschirmantrag gemäß 538 § 270b InsO481) – die Eigenverwaltung, so hat dieser in vielen Fällen verständlicherweise den Erhalt seines Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzplans im Blick. Dies erscheint angesichts der ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers des ESUG, Eigensanierungen durch Eigenverwaltung und Insolvenzplan zu fördern, durchaus legitim. Andererseits hat sich in der Praxis der Insolvenzverwaltung in den vergangenen Jahrzehnten der Asset Deal in Gestalt einer sog. übertragenden Sanierung in vielen Fällen als Weg zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung herausgebildet. Haben die Gläubiger in der Gläubigerversammlung über einen vorgelegten 539 Insolvenzplan zu entscheiden, so stellt sich stets die Frage danach, ob im Fall einer Abwicklung des Insolvenzverfahrens ohne Insolvenzplan ggf. eine höhere Quote zu erwarten gewesen wäre. Die Alternative zur Fortführung des Unternehmens unter Erhalt des Rechtsträgers mittels eines Insolvenzplans ist hierbei in der Regel nicht die Zerschlagung des Unternehmens, sondern eben der Verkauf des Unternehmens im Ganzen, wobei der zu erwartende Verkaufserlös im Rahmen der Vergleichsrechnung zu berücksichtigen ist. Der entsprechende Unternehmenswert im Rahmen eines Asset Deals ist mit hinreichender Sicherheit allerdings stets nur bei Durchführung eines M&A-Prozesses darstellbar, so dass die Durchführung eines M&A-Prozesses – von Ausnahmefällen abgesehen – auch eine der wesentlichen Grundlagen der Vergleichsrechnung und damit eine wesentliche Vorfrage für die positive Aufnahme des Insolvenzplans durch die beteiligten Gläubiger sein wird. Wie umfangreich der M&A-Prozess in derartigen Fällen eines angestrebten 540 Unternehmenserhalts mittels Insolvenzplans zu gestalten ist, mag sicherlich eine Frage des Einzelfalls sein.482) In jedem Fall ist indes ein „ergebnisoffener und transparenter M&A-Prozess“ zu fordern.483) Aufgabe des (vorläufigen) Sachwalters ist es in diesem Zusammenhang, von An- 541 fang an darauf hinzuwirken, dass ein derartiger angemessener und transparenter M&A-Prozess parallel zu den Planvorbereitungen stattfindet. Können sämtliche Empfehlungen des (vorläufigen) Sachwalters den Schuldner nicht dazu bewegen, einen M&A-Prozess durchzuführen, so trifft den (vorläufigen) Sachwalter ggf. die Pflicht zur Nachteilsanzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO.484) Ein Absehen von der Durchführung eines M&A-Prozesses dürfte aus Sicht des Verfassers nur in gut begründeten Einzelfällen sachgerecht sein. Auch insoweit ___________ 481) Vgl. auch Spies, in: Mönning, Betriebsfortführung in der Insolvenz, § 24 Rz. 103. 482) Vgl. hierzu auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 171 ff. 483) Spies, in: Mönning, Betriebsfortführung in der Insolvenz, § 24 Rz. 99 Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rz. 33; Kolmann, Schutzschirmverfahren, Rz. 730. 484) Ebenso wohl Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rz. 34.

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H. Eigenverwaltung und Insolvenzplan

sollte dies indes durch eine entsprechende Entscheidung des vorläufigen Gläubigerausschusses gestützt werden.485) Praxistipp: Besondere Vorsicht gilt aus Sicht des Verfassers solchen Insolvenzplänen gegenüber, die ohne nähere Begründung im Rahmen der Vergleichsrechnung auf Liquidationserlöse unter Abzug der im Fall der Betriebseinstellung anfallenden Masseverbindlichkeiten abstellen. Sicherlich gibt es Fälle, in denen mangels in Betracht kommenden Investoren ein Asset Deal als Alternative zum Insolvenzplan ausscheidet. Das Vorliegen eines derartigen Falles muss aber vom Planverfasser entsprechend ausführlich erläutert werden, wobei auch Ausführungen zu der vorgenommenen Investorensuche nicht fehlen dürfen.

IV. Stellungnahme des Sachwalters zu Schuldnerinsolvenzplan 542 Gemäß § 232 Abs. 1 Nr. 3 InsO hat das Insolvenzgericht den von Schuldner vorgelegten Insolvenzplan dem Sachwalter zur Stellungnahme zuzuleiten.486) Der Sachwalter hat im Rahmen seiner Aufgaben eingehend Stellung zu dem vorgelegten Plan zu nehmen. Das Hauptaugenmerk der Stellungnahme des Sachwalters liegt insoweit – unter dem Blickwinkel der Interessen der Insolvenzgläubiger – darauf, ob der vorgeschlagene Insolvenzplan aus Sicht der beteiligten Gläubiger den Weg zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung darstellt. Insbesondere die im Plan enthaltenen Vergleichsrechnungen hat der Sachwalter zu überprüfen und etwaige Einwände hierzu mitzuteilen. Praxistipp: Eine (laufende) Abstimmung des Insolvenzplans zwischen Schuldner, Schuldnerberater und Sachwalter erscheint bereits vor der Einreichung des Insolvenzplans bei Gericht unumgänglich, um eine spätere „öffentliche“ Diskussion um die Angemessenheit des Insolvenzplans zu verhindern.487) Auch dürfte es empfehlenswert sein, den (vorläufigen) Sachwalter bereits von Anfang an eng in die Vorbereitung des Insolvenzplans einzubinden, damit etwaige Einwände hinsichtlich der „Richtung“ des Insolvenzplans bereits frühzeitig berücksichtigt werden können. Der (vorläufige) Sachwalter sollte bereits ab Beginn des Verfahrens darauf hinwirken, dass er über die wesentlichen Inhalte des beabsichtigten Insolvenzplans, über die hierzu geführten Gespräche mit Gläubigern und über wesentliche Änderungen des Planinhalts laufend unterrichtet wird.

___________ 485) Vgl. hierzu auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 178. 486) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 284 Rz. 27. 487) Ebenso Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rz. 400.

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I. Kommunikation Grundlage für den Erfolg der Abwicklung jedes Insolvenzverfahrens ist gerade 543 in Fällen angestrebter Sanierung die Einbindung der wesentlichen Beteiligten in das Verfahren. Dies geschieht durch eine an das jeweilige Verfahren angepasste Kommunikation. Im Fall der (vorläufigen) Eigenverwaltung kommt der Kommunikation hierbei nach Einschätzung des Verfassers nochmals deutlich gesteigerte Bedeutung zu, da das insolvente Unternehmen gerade auch im Hinblick auf die Frage, ob eine Eigenverwaltung überhaupt stattfindet, vom Willen seiner Gläubiger abhängig ist (vgl. §§ 270 Abs. 3, 270b Abs. 3, 271, 272, 277 InsO). I. Bedeutung und Grundlagen der Kommunikation in der Eigenverwaltung Die Kommunikation mit den Verfahrensbeteiligten ist wesentliche Grundlage 544 für deren Vertrauen in die agierenden Personen und in die Eigenverwaltung als solche. Gerade in Fällen der Betriebsfortführung erscheint aus verschiedenen Gründen eine transparente Kommunikation insbesondere mit Lieferanten und Gläubigern unumgänglich. Anderenfalls droht letztlich der Verlust wesentlicher Lieferanten. Zudem bestehen unter Umständen sogar Strafbarkeitsrisiken für die agierenden Personen, sofern unter Täuschung von Vertragspartnern Schäden verursacht werden.488) Auf welchen Wegen Kommunikation stattfindet, wer in die Kommunikation 545 eingebunden wird und welche Informationen kommuniziert werden, ist jeweils sehr stark vom Einzelfall abhängig. Schuldner und Schuldnerberater sollten daher bereits im Vorfeld der Insolvenzantragstellung Überlegungen im Hinblick auf die Kommunikation anstellen und auch erste Kommunikationsmaßnahmen bereits vorbereitet haben. Zudem sollte unmittelbar nach Bestellung des vorläufigen Sachwalters gemäß § 270a InsO (ggf. i. V. m. § 270b InsO) eine Abstimmung zwischen Schuldner und Sachwalter hinsichtlich der Kommunikation stattfinden. In diesem Zusammenhang sind insbesondere folgende Fragen zu klären: x

Wer kommuniziert?

x

Welche Inhalte werden an wen kommuniziert?

x

Wann erfolgt die Kommunikation?

x

Auf welchem Wege erfolgt Kommunikation?

Zudem ist das abgestimmte Kommunikationskonzept im Laufe des gesamten 546 Verfahrens stets auf notwendige Anpassungen zu überprüfen. ___________ 488) Hierbei ist zu beachten, dass im Falle des Eingehungsbetrugs ein Schaden i. S. v. § 263 StGB auch im Falle einer bloßen Vermögensgefährdung bereits bejaht werden kann.

173

I. Kommunikation

II. Kommunikation vor dem Insolvenzantrag 547 Beabsichtigt ein Unternehmen eine Sanierung über ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, so erscheint es empfehlenswert, bestimmte Verfahrensbeteiligte bereits vor dem Insolvenzantrag zu informieren und einzubeziehen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine Einbindung von Großgläubigern und nicht verzichtbaren Lieferanten. Gerade vom Willen dieser Beteiligten wird letztlich auch die Frage des „Wohl oder Wehe“ der Eigenverwaltung und der Sanierung abhängen. Auch eine Einbindung der Belegschaft durch Information eines Betriebsrats erscheint bereits im Vorfeld der Antragstellung empfehlenswert. Die Einbindung der vorgenannten wesentlichen Stakeholder erfolgt zum einen zu dem Zweck, diese von den Erfolgsaussichten des Sanierungsvorhabens zu überzeugen und zum anderen, um etwaige Vorbehalte seitens wesentlicher Gläubiger bereits von vornherein aufgreifen zu können. Voraussetzung der Einbindung dieser wesentlichen Gläubiger ist daher, dass bereits konkrete Überlegungen zu einem Sanierungskonzept und zu dem beabsichtigten Verfahrensablauf vorliegen. Erfolgt die Einbindung der wesentlichen Gläubiger vor diesem Zeitpunkt, besteht andererseits die erhebliche Gefahr, dass Kreditlinien gekündigt werden und das Sanierungsvorhaben von vornherein zunichte gemacht wird. 548 Gegenstand der Kommunikation vor der Insolvenzantragstellung sollte neben der bloßen Information der wesentlichen Gläubiger auch die Besprechung der Zusammensetzung eines künftigen vorläufigen Gläubigerausschusses sein. Dies gilt insbesondere in den Fällen des obligatorischen vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 22a Abs. 1 InsO. Entsprechende Absichtsbekundungen der als Gläubigerausschussmitglieder vorgesehenen Personen können bereits in diesem Verfahrensstadium eingeholt werden, damit diese bei Insolvenzantragstellung sodann bereits vorliegen. 549 Empfehlenswert erscheint zudem, ggf. positive Stellungnahmen zu der beabsichtigten Eigenverwaltung und zu dem Sanierungskonzept seitens der wesentlichen Gläubiger bzw. seitens eines Betriebsrats einzuholen; entsprechende Stellungnahmen können dem Insolvenz- und Eigenverwaltungsantrag beigefügt werden und auf diese Weise die Entscheidung des Gerichts gemäß § 270a Abs. 1 InsO positiv beeinflussen. 550 Während eine Einbindung der wesentlichen Stakeholder bereits vor der Antragstellung letztlich in den meisten Fällen wohl unerlässlich ist, erscheint demgegenüber eine zu breite Information über die beabsichtigte Durchführung eines Eigenverwaltungs-Insolvenzverfahrens nicht empfehlenswert. Insbesondere eine öffentliche Ankündigung der künftigen Insolvenzantragstellung wird oftmals dazu führen, dass Lieferanten und Kunden bis zur Entscheidung des Gerichts über die Einsetzung eines vorläufigen Sachwalters bzw. vorläufigen Insolvenzverwalters stillhalten. Dies kann letztlich sogar zu faktischen Betriebseinstellungen führen.

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III. Kommunikation im Stadium der vorläufigen Eigenverwaltung

III. Kommunikation im Stadium der vorläufigen Eigenverwaltung Nach Insolvenzantragstellung und Bestellung eines vorläufigen Sachwalters 551 gemäß § 270a Abs. 1 InsO erscheint bereits in den ersten Tagen eine Information vieler Beteiligter über das Verfahren erforderlich, um deren weitere Zusammenarbeit sicherzustellen. Die Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens sollten zeitnah über die In- 552 solvenzantragstellung sowie die vorläufige Eigenverwaltung informiert werden; dies sollte in der Regel in Betriebsversammlungen stattfinden. Die erforderliche Motivation der Mitarbeiter für das weitere Verfahren muss hierbei insbesondere durch eine transparente Information über die beabsichtigte Sanierung und durch eine Information über die Sicherstellung der Gehaltszahlungen, beispielsweise in Gestalt einer Insolvenzgeldvorfinanzierung, gewährleistet werden. Auch im Nachgang der Betriebsversammlung empfiehlt sich eine laufende Information über wesentliche Veränderungen des Verfahrensstands sowie über den Verfahrensverlauf. Dies kann in wesentlichen Fällen erneut in Betriebsversammlungen, anderenfalls regelmäßig durch Mitarbeiterinformationsschreiben oder entsprechende Aushänge geschehen. Der Betriebsrat des insolventen Unternehmens sollte zudem detaillierter über das Sanierungsvorhaben und insbesondere über etwaige Auswirkungen auf die Arbeitnehmer informiert werden. Die Information der Lieferanten, Dienstleister und Versorger des insolventen 553 Unternehmens ist ebenfalls wesentliche Grundlage für eine reibungslose Betriebsfortführung in der vorläufigen Eigenverwaltung und im eröffneten Insolvenzverfahren. Hinsichtlich der Information der Lieferanten empfiehlt sich aus Sicht des Verfassers eine umfassende Information durch den Schuldner, der möglichst ergänzende Informationen bzw. eine ergänzende positive Stellungnahme des vorläufigen Sachwalters beigefügt sind. Die Information dient insbesondere der Abstimmung der Verfahrensweise hinsichtlich der künftigen Zusammenarbeit zwischen insolventem Unternehmen und Lieferanten, Dienstleistern und Versorgern. Notwendige Inhalte eines entsprechenden Informationsschreibens sind daher:489) x

eine kurze Erläuterung der Rollenverteilung in der Eigenverwaltung,

x

die Darlegung der konkreten Verfahrensweise im Hinblick auf Neubestellungen einschließlich eines Hinweises auf die Nichterforderlichkeit der Zustimmung des (vorläufigen) Sachwalters,

x

Hinweise zum Modus der Bezahlung der Lieferantenrechnungen,

x

rechtliche Hinweise im Hinblick auf die Behandlung von Altforderungen, insbesondere Verweis auf die Forderungsanmeldung im eröffneten Insolvenzverfahren sowie

___________ 489) Vgl. zu einem Muster eines Lieferanteninformationsschreibens Rz. 624.

175

I. Kommunikation

x

Ausführungen zur Behandlung von Lieferantensicherungsrechten, insbesondere Hinweis auf bereits eingeleitete Inventarisierungen, auf die Bezahlung der ab Insolvenzantragstellung verbrauchten Eigentumsvorbehaltsware, auf etwaig stattfindende Aussonderungstermine sowie auf einen etwaig beabsichtigten Lieferantenpool.

554 Inwieweit auch eine Information der Kunden des insolventen Unternehmens sachgerecht erscheint, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls. Sofern der Insolvenzantrag bereits publik geworden ist oder eine gewisse Publizität jedenfalls absehbar ist, erscheint auch insoweit eine proaktive und transparente Information vorzugswürdig. Insbesondere eine Information der Kunden über die Aufrechterhaltung der Lieferfähigkeit des insolventen Unternehmens erscheint in diesen Fällen nötig, da anderenfalls die Kündigung von Aufträgen bzw. die Nichtvergabe neuer Aufträge seitens der Kunden des insolventen Unternehmens droht. 555 Eine Information sonstiger Gläubiger, die nicht bereits als Lieferanten, Dienstleister oder Versorger zu informieren sind, ist im Eröffnungsverfahren der InsO – auch im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung – noch nicht vorgesehen. Gleichwohl empfiehlt sich in jedem Fall die Einbindung der wesentlichen Gläubiger in die Vorbereitung eines Insolvenzplans. Auch die Einbindung absonderungsberechtigter Gläubiger in die Vorbereitung von Verwertungshandlungen erscheint unumgänglich. Im Übrigen ist die Kommunikation gegenüber Gläubigern im Eröffnungsverfahren letztlich eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. IV. Kommunikation nach Verfahrenseröffnung 556 Ist das Insolvenzverfahren eröffnet und die Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO angeordnet, setzen Schuldner und Sachwalter die transparente Kommunikation aus dem Eröffnungsverfahren regelmäßig fort. Dieses gilt insbesondere für die Kommunikation gegenüber Arbeitnehmern, Lieferanten/Dienstleistern/ Versorgern und Kunden des insolventen Unternehmens. 557 Darüber hinaus sind die formalen Anforderungen des Insolvenzverfahrens zu beachten. Insbesondere ist der Eröffnungsbeschluss gemäß § 30 Abs. 2 InsO an sämtliche bekannte Gläubiger des Schuldners zuzustellen. Die Durchführung der Zustellungen an die Gläubiger kann hierbei analog § 8 Abs. 3 InsO dem Sachwalter übertragen werden.490) Eine Übertragung der Zustellungen auf den Schuldner ist indes nicht zulässig.491) Gleichzeitig mit der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses wird in der Regel eine Information der Gläubiger betreffend die Art und Weise der Forderungsanmeldung beim Sachwalter (vgl. § 270c Satz 2 InsO) erfolgen. ___________ 490) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 4 m. w. N. 491) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rz. 4.

176

V. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Eine Zustellung an Drittschuldner des Schuldners ist demgegenüber im Ei- 558 genverwaltungsverfahren nicht erforderlich.492) V. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Abhängig von der Größe des jeweiligen Verfahrens und der Wahrnehmung 559 in den (ggf. regionalen) Medien kann auch eine aktive Pressearbeit angezeigt sein. Insbesondere gilt es hierbei, auch die Öffentlichkeit von den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Sanierung zu überzeugen. Anderenfalls drohen mittelbar Reputationsverluste für das insolvente Unternehmen, welche letztlich einer Sanierung erheblich schaden können. Im Hinblick auf entsprechende proaktive Pressearbeit empfiehlt sich regelmäßig 560 eine enge Abstimmung zwischen insolventem Unternehmen und Sachwalter, da es anderenfalls zu nicht abgestimmten bzw. im „Worst Case“ sogar zu widersprüchlichen Pressemitteilungen kommen kann. Empfehlenswert erscheinen vor diesem Hintergrund ggf. gemeinsame Pressemitteilungen des insolventen Unternehmens sowie des (vorläufigen) Sachwalters. Soweit eine gewisse Öffentlichkeitswirkung des Verfahrens vorhanden ist, empfiehlt sich ggf. zudem die Einschaltung professioneller Kommunikationsdienstleister.

___________ 492) Vgl. hierzu bereits Rz. 41.

177

J. Steuerrechtliche Fragen der Eigenverwaltung493) Die Bedeutung steuerrechtlicher Fragen hat in der Abwicklung von Insolvenz- 561 verfahren in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Gesetzgeber, Finanzverwaltung und Rechtsprechung tendieren insoweit dazu, die mit Inkrafttreten der InsO abgeschafften Vorrechte des Fiskus wieder einzuführen; zu denken sei insoweit nur an § 55 Abs. 4 InsO n. F. oder an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Umsatzsteuer im Fall des Einzugs von Altforderungen durch den Insolvenzverwalter.494) Wenngleich zwischenzeitlich durch entsprechende BMF-Schreiben die Handhabung der betreffenden Themen in der Regelinsolvenz weitgehend geklärt erscheint, hat die Komplexität des Insolvenzsteuerrechts die Verfahrensabwicklung gerade mittlerer und größerer Unternehmensinsolvenzen stark beeinträchtigt. Steuerliche Spezialvorschriften für die vorläufige Eigenverwaltung bzw. die Ei- 562 genverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren hat der Gesetzgeber auch im Rahmen der Reformbestimmungen des ESUG bewusst nicht geschaffen. Dies stellt die Praxis vor die Herausforderung, die – ohnehin komplexen – allgemeinen steuerrechtlichen bzw. insolvenzsteuerrechtlichen Vorgaben auf vorläufige Eigenverwaltung und Eigenverwaltung anzuwenden. I. Einfluss der vorläufigen Eigenverwaltung auf steuerliche Belange Während die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters regelmäßig mit 563 der Anordnung von Verfügungsbeschränkungen gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO einhergeht, hat die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters gemäß § 270a Abs. 1 InsO – auch im Fall des Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b InsO – gerade keinerlei Auswirkungen auf die Verfügungsmacht des Insolvenzschuldners. Sämtliche Aufsichtsbefugnisse und -pflichten des vorläufigen Sachwalters beschränken den Schuldner insoweit lediglich im Innenverhältnis. Demnach verbleiben auch sämtliche steuerrechtliche Pflichten des Schuldners aufrechterhalten.495) Insbesondere die Erfüllung steuerrechtlicher Erklärungsund Auskunftspflichten wird von der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters bzw. von der vorläufigen Eigenverwaltung in keiner Weise beeinträchtigt.496) Zutreffender Weise überlagert jedoch der Sicherungszweck des Insolvenzeröffnungsverfahrens sämtliche steuerliche Zahlungspflichten des Schuldners.497)

___________ 493) Vgl. hierzu eingehend Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57. 494) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782, dazu EWiR 2011, 323 (Mitlehner). 495) Ausführlich zur steuerrechtlichen Stellung des Schuldners im Stadium der vorläufigen Eigenverwaltung: Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 5 ff. 496) Differenzierend insoweit Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 23, der steuerliche Pflichten, deren Erfüllung mit Kosten verbunden sind, welche das Vermögen des Schuldners schmälern, für insolvenzrechtlich suspendiert hält. 497) Ebenso Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 15.

179

J. Steuerrechtliche Fragen der Eigenverwaltung

564 Im Fall des Eröffnungsverfahrens über das Vermögen einer juristischen Person verbleiben im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung sämtliche steuerliche Pflichten des Schuldners gemäß § 34 Abs. 1 AO bei den gesetzlichen Vertretern der Schuldnerin. Dementsprechend kommt auch im Stadium vorläufiger Eigenverwaltung nach wie vor eine abgabenrechtliche Haftung der gesetzlichen Vertreter juristischer Personen gemäß § 69 AO in Betracht, soweit die steuerrechtlichen Pflichten nicht erfüllt werden. Da die Frage der insolvenzrechtlichen Suspendierung steuerlicher Pflichten im Eröffnungsverfahren bislang weder durch die Finanzverwaltung noch durch Rechtsprechung geklärt ist, sollte letztlich eine Bezahlung von Steuern durch Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts gemäß § 21 Abs. 1 InsO unterbunden werden.498) Kommt die Anordnung eines entsprechenden Zustimmungsvorbehalts nicht in Betracht, so ist den Geschäftsleitern im Stadium der vorläufigen Eigenverwaltung zu empfehlen, sämtliche steuerliche Pflichten grundsätzlich zu erfüllen, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Um andererseits eine Masseschmälerung zu verhindern gilt es, das Finanzamt vor der Begleichung von Steuern über den Insolvenzantrag in Kenntnis zu setzen, so dass Steuerzahlungen im Eröffnungsverfahren nach Verfahrenseröffnung gemäß §§ 129, 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Insolvenzanfechtung unterliegen.499) Praxistipp: Vgl. eingehend zum Dilemma aus dem nicht geklärten Verhältnis zwischen insolvenzrechtlicher Vermögenssicherungspflicht und sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Zahlungspflichten Rz. 484 ff.

565 Den vorläufigen Sachwalter treffen indes im Grundsatz mangels Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis keine steuerlichen Pflichten; er ist insbesondere nicht als Vermögensverwalter i. S. v. § 34 Abs. 3 AO zu qualifizieren.500) Lediglich im Fall der Übernahme der Kassenführung gemäß §§ 270a Abs. 1, 275 Abs. 2 InsO handelt der vorläufige Sachwalter im Bereich der Kassenführung als gesetzlicher Vertreter des Schuldners, so dass er als Verfügungsberechtigter i. S. v. § 35 AO anzusehen ist.501) In diesem Fall kommt auch eine steuerrechtliche Haftung des vorläufigen Sachwalters gemäß §§ 69, 35 AO in Betracht, sofern Steuerzahllasten pflichtwidrig nicht beglichen werden.502) Auch der vorläufige Sachwalter, der die Kassenführung übernommen hat, sollte vor diesem Hintergrund bis zu einer abschließenden Klärung der entsprechenden Rechtsfragen vorsichtshalber darauf hinwirken, ___________ 498) Vgl. hierzu eingehend Rz. 496 ff. 499) Vgl. hierzu auch Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 21; ebenso Jarchow/Denkhaus, in: HambK-InsO, § 55 Rz. 94. 500) Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 26. 501) Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270a Rz. 31; Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1407; ebenso wohl Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 32. 502) Vgl. hierzu Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 27 ff.

180

II. Steuern im eröffneten Insolvenzverfahren nach Anordnung der Eigenverwaltung

dass Steuerforderungen nach Bösgläubigmachung des Finanzamts beglichen werden.503) Abgesehen von Haftungsfragen wird die maßgebliche Rolle der Frage zu- 566 kommen, ob Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung als Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO oder aber als Masseverbindlichkeiten i. S. v. § 55 InsO zu qualifizieren sind. Nach nahezu einhelliger Auffassung kann § 55 Abs. 4 InsO auf Fälle der vorläufigen Eigenverwaltung keine Anwendung finden.504) Soweit der Schuldner jedoch insolvenzgerichtlich dazu ermächtigt wurde, Masseverbindlichkeiten zu begründen, erfasst diese Ermächtigung in analoger Anwendung von § 55 Abs. 2 InsO auch Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Dies gilt insbesondere in Fällen der umfassenden Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten, z. B. im Fall des § 270b Abs. 3 InsO.505) Im Übrigen – auch im Fall der Anordnung von Einzelermächtigungen – sind Steuerverbindlichkeiten, welche während der vorläufigen Eigenverwaltung begründet werden, als Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO zu qualifizieren.506) Indes ist zu beachten, dass insbesondere Umsatzsteuerbeträge aus Rechnungen, welche zwar während der vorläufigen Eigenverwaltung gestellt wurden, aber erst nach Verfahrenseröffnung realisiert werden, auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs507) nach Verfahrenseröffnung im Rahmen der Umsatzsteuerberichtigung gemäß § 17 UStG anzumelden und als Masseverbindlichkeiten abzuführen sein dürften.508) Praxistipp: Die Nichtanwendung von § 55 Abs. 4 InsO im Fall der vorläufigen Eigenverwaltung kann in der Praxis im jeweiligen Einzelfall ein erheblicher Vorteil der (vorläufigen) Eigenverwaltung gegenüber der Regelinsolvenz darstellen, da angesichts des geringeren Umfangs der Masseverbindlichkeiten letztlich die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger erhöht werden.

II. Steuern im eröffneten Insolvenzverfahren nach Anordnung der Eigenverwaltung Wurde im eröffneten Insolvenzverfahren die Eigenverwaltung angeordnet, so 567 gelten für das Verfahren gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften der InsO. Dies gilt insbesondere für die Frage der ___________ 503) Vgl. hierzu auch Rz. 486 ff. 504) Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 42 f.; Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1406 f.; Jarchow/Denkhaus, in: HambK-InsO, § 55 Rz. 82, 94; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270a Rz. 31; Braun-Bäuerle/Schneider, InsO, § 55 Rz. 91; a. A. LG Erfurt, Urt. v. 16.10.2015 – 8 O 196/15, ZIP 2015, 2181, 2182, ablehnend hierzu Kahlert, EWiR 2015, 709, 710. 505) Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 52. 506) Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 49, 52. 507) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782. 508) Eingehend hierzu Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 75.

181

J. Steuerrechtliche Fragen der Eigenverwaltung

Einordnung (steuerrechtlicher) Forderungen als Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten. Da die Aufgaben des Insolvenzverwalters in der Eigenverwaltung jedoch nahezu vollständig durch den eigenverwaltenden Schuldner bzw. dessen Organe zu erfüllen sind und der Schuldner weiterhin die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis innehat, bleibt auch der Schuldner zur Erfüllung sämtlicher steuerlicher Pflichten verpflichtet.509) 568 Die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen haben weiterhin gemäß § 34 Abs. 1 AO für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Insolvenzschuldnerin Sorge zu tragen. Dies gilt insbesondere für die Erfüllung der steuer- und handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten (vgl. §§ 281 Abs. 3, 155 InsO) sowie für die Erfüllung von Zahlungspflichten hinsichtlich der als Masseverbindlichkeiten zu qualifizierenden Steuerforderungen. Im Fall der Nichterfüllung der entsprechenden Pflichten kommt letztlich auch und gerade im eröffneten Verfahren eine Haftung gemäß § 69 AO in Betracht. 569 Der gemäß § 270c InsO zu bestellende Sachwalter ist demgegenüber nicht Träger steuerlicher Pflichten, da er insbesondere weder als gesetzlicher Vertreter i. S. v. § 34 Abs. 1 AO, noch als Vermögensverwalter i. S. v. § 34 Abs. 3 AO zu beurteilen ist. Lediglich im Fall der Übernahme der Kassenführung kommt erneut eine Steuerhaftung gemäß § 69 AO angesichts der Qualifikation des Sachwalters als insoweit Verfügungsberechtigter gemäß § 35 AO in Betracht. 570 Soweit Schuldner oder – im Fall der Übernahme der Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO – der Sachwalter nach Verfahrenseröffnung im Eigenverwaltungsverfahren Forderungen aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung einziehen, in welchen Umsatzsteuerbeträge enthalten sind, ist nach der insoweit wohl anwendbaren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs insoweit ggf. nicht abgeführte Umsatzsteuer im Rahmen von Umsatzsteuerberichtigungen gemäß § 17 UStG zu berichtigen und als Masseverbindlichkeit abzuführen.510)

___________ 509) Ausführlich hierzu Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 67. 510) Vgl. hierzu im Einzelnen Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rz. 74 ff.

182

K. Eigenverwaltung im Konzern und in Unternehmensgruppen511) Ein eigenständiges Konzerninsolvenzrecht ist dem deutschen Recht de lege 571 lata nach wie vor nicht bekannt. Zudem bleibt derzeit abzuwarten, in welchem Umfang der derzeit als Regierungsentwurf vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen512) letztlich in Kraft treten wird. Unabhängig hiervon zielt dieser Entwurf im Wesentlichen auf eine koordinierte Abwicklung von Gruppen-Insolvenzen ab, indem zum einen die Möglichkeit einer Zuständigkeitskonzentration und zum anderen ein sog. Koordinationsverfahren vorgesehen werden.513) Der Entwurf verzichtet demgegenüber – aus Sicht des Verfassers völlig zutreffend – auf eine darüber hinausgehende Konsolidierung der betroffenen Vermögensbzw. Insolvenzmassen.514) I. Grundsatz: Einzelverfahrensabwicklung De lege lata und auch auf Grundlage des vorliegenden Regierungsentwurfs 572 verbleibt es daher im Ausgangspunkt zunächst bei dem Grundsatz der Einzelverfahrensabwicklung. Demnach hat eine rechtsträgerbezogene Beurteilung sowohl der internationalen und örtlichen Zuständigkeit, wie auch der Voraussetzungen der (vorläufigen) Eigenverwaltung bzw. eines Schutzschirmverfahrens zu erfolgen.515) Auch im Rahmen der Verfahrensabwicklung als solcher ist letztlich jede Insolvenzmasse wie auch Gläubigergemeinschaft isoliert zu behandeln Praxistipp: Bereits im Vorfeld der Insolvenzantragstellung sollte genau geprüft werden, welche Gesellschaften operativ weiterhin benötigt werden und welche Gesellschaften ggf. nur vermögensverwaltend tätig sind und infolge des häufig beobachteten „Dominoeffekts“516) zu einem Insolvenzantrag gezwungen werden. Letztlich erscheint der mit der Vorbereitung und Durchführung einer Eigenverwaltung bzw. eines Schutzschirmverfahrens einhergehende Aufwand nur dann gerechtfertigt, wenn auch der betroffene Rechtsträger bzw. jedenfalls das von ihm betriebene Unternehmen im Rahmen der Unternehmensfortführung bzw. Sanierungslösung von entsprechender Bedeutung ist. Andernfalls sollte ggf. von vornherein eine Regelinsolvenz für die betreffenden, nicht operativ nötigen Rechtsträger in Betracht gezogen werden.

___________ 511) Vgl. hierzu eingehend Kübler, in: Kübler, HRI, § 19 sowie – zum internationalen Konzern – § 20. 512) BT-Drucks. 18/407. 513) Vgl. hierzu einführend BT-Drucks. 18/407, S. 1. 514) BT-Drucks. 18/407, S. 2. 515) Kolmann, Schutzschirmverfahren, Rz. 866; Kübler, in: Kübler, HRI, § 19 Rz. 7. 516) Vgl. hierzu auch Siemon/Frind, NZI 2013, 1, 3 m. w. N., sowie Kübler, in: Kübler, HRI, § 19 Rz. 33.

183

K. Eigenverwaltung im Konzern und in Unternehmensgruppen

II. Vorteile der Eigenverwaltung in Gruppeninsolvenzen 573 Für die operativ tätigen Rechtsträger einer Unternehmensgruppe erscheint die Eigenverwaltung aus Sicht der Insolvenzpraxis durchaus geeignet, den im Konzernverbund liegenden Mehrwert durch eine koordinierte Vorgehensweise zugunsten der Gläubiger zu heben.517) 574 Der wesentliche Vorteil der Eigenverwaltung soll – im Fall der Eigenverwaltung von Unternehmensgruppen – darin bestehen, dass die gesellschafts- und konzernrechtliche Konzernleitungsmacht fortbestehen soll, so dass die Mutter- bzw. Obergesellschaft weiterhin das Schicksal der untergeordneten Gesellschaften beeinflussen kann, soweit entsprechende Konzernleitungsmaßnahmen auch im Einklang mit dem jeweiligen Insolvenzverfahrenszweck des konkreten Rechtsträgers stehen.518) Inwieweit ein Fortbestand der Konzernleitungsmacht mit Blick auf § 276a Satz 1 InsO tatsächlich in Betracht kommt, kann letztlich für praktische Zwecke offen bleiben, da in der Praxis – bei Anordnung der Eigenverwaltung hinsichtlich der betreffenden Rechtsträger – jedenfalls auf Grundlage entsprechender Kooperations- bzw. Koordinationsvereinbarungen entsprechend abgestimmte Lösungen für Konzerninsolvenzen gefunden werden. Die entsprechenden Lösungen sind insoweit mit den betreffenden (vorläufigen) Sachwaltern und ggf. bestellten Gläubigerausschüssen transparent zu erörtern, um insbesondere auch offenzulegen, wie etwaige Mehrwerte innerhalb der Unternehmensgruppe zu verteilen sind bzw. wie etwaige Nachteile bei einzelnen Rechtsträgern bzw. Vermögensmassen im Rahmen eines Nachteilsausgleichs ausgeglichen werden. 575 Aus Sicht des Verfassers besteht in praktischer Hinsicht einer der wesentlichen Vorteile der Eigenverwaltung im Konzern gegenüber der Regelinsolvenz konzernverbundener Unternehmen unter Bestellung eines personenidentischen Insolvenzverwalters darin, dass auch in rechtsgeschäftlicher Sicht eine einheitliche operative Verfahrensführung angesichts der Möglichkeit der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB ohne teils aufwändige Einbindung von Sonderinsolvenzverwaltern möglich erscheint. So kann die Verfahrenskoordination, z. B. unter einem Konzern-CRO, erfolgen, der in einer Person auch rechtlich wirksam Vereinbarungen mit anderen eigenverwalteten Gesellschaften treffen kann. Zugleich ist eine insolvenzrechtliche Überwachung letztlich durch die in den jeweiligen Verfahren bestellten Sachwalter gewährleistet. Hierbei kann durchaus auch ein personenidentischer Sachwalter bestellt werden, ohne dass es insoweit in operativen Fragen

___________ 517) Bilgery, ZInsO 2014, 1694, 1696; Kübler, in: Kübler, HRI, § 19 Rz. 46. 518) Kübler, in: Kübler, HRI, § 19 Rz. 20 und Rz. 22.

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II. Vorteile der Eigenverwaltung in Gruppeninsolvenzen

zwingend eines oder mehrerer Sondersachwalter bedürfte.519) Auch im – nicht operativen – Bereich der in Unternehmensgruppen oftmals bestehenden Thematik der Inter-Company-Forderungen und der Inter-CompanyAnfechtungen erscheint insoweit die Bestellung eines Sondersachwalters nicht erforderlich, da die Forderungen entweder zwischen den betroffenen Rechtsträgern oder gemäß § 280 InsO zwischen dem anspruchstellenden Sachwalter einerseits und dem eigenverwalteten Rechtsträger andererseits zu klären sind. Die hiermit einhergehende Reduzierung bzw. Vermeidung der Bestellung von Sondersachwaltern bzw. Sonderinsolvenzverwaltern dürfte in der Praxis ein weiterer Vorteil der Eigenverwaltung im Konzern sein. Unabhängig hiervon sollte aus Gründen der Transparenz gerade in die inso- 576 weit zwischen den gruppenangehörigen Rechtsträgern bestehenden und ggf. neu begründeten Rechtsbeziehungen auch ein etwaig bestellter Gläubigerausschuss sowie – im Rahmen entsprechender (Zwischen-)Berichte – das Insolvenzgericht einbezogen werden.

___________ 519) Für den (vorläufigen) Sachwalter besteht die Problematik der unzulässigen Doppelvertretung von Vermögensmassen gemäß § 181 BGB nicht, da dieser letztlich nur im Innenverhältnis für die Aufsicht und Überwachung verantwortlich ist; eine rechtliche Verhinderung an der Ausübung des Sachwalteramts besteht somit nicht. Die Bestellung eines Sondersachwalters im Hinblick auf eine anderweitige Interessenkollision dürfte in der Regel ebenfalls verzichtbar sein, da der Sachwalter als Aufsichtsorgan der jeweiligen Gläubigergemeinschaft gegenüber gemäß §§ 274 Abs. 1, 60 InsO haftbar ist, was in Kombination mit der gemäß § 56 InsO erforderlichen Unabhängigkeit von den Schuldnern ausreichend erscheint, um für alle beteiligten Insolvenzmassen angemessene Ergebnisse zu erzielen.

185

L. Vergütung und Kosten in der Eigenverwaltung Die Frage der Kosten des Verfahrens spielt in der insolvenzrechtlichen Praxis – 577 gleich, ob im Regelinsolvenzverfahren oder in der Eigenverwaltung – eine erhebliche Rolle. In der Eigenverwaltung treten neben Vergütung und Auslagen des (vorläufigen) Sachwalters (hierzu Rz. 578 ff.) vor allem auch die Honorare der Berater und die Geschäftsleitervergütungen (hierzu Rz. 599 ff.). I. Vergütung und Auslagen des Sachwalters Der Sachwalter hat gemäß §§ 274 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 InsO Anspruch 578 auf Vergütung und Auslagenersatz, wobei § 12 InsVV die Details regelt. 1. Regelsatz und Berechnungsgrundlage Der Sachwalter erhält gemäß § 12 Abs. 1 InsVV demnach in der Regel 60 579 v. H. der Regelvergütung des Insolvenzverwalters gemäß § 2 Abs. 1 InsVV. Für die Berechnung der Regelvergütung ist gemäß § 10 InsVV die grundlegende 580 Vorschrift des § 1 InsVV anzuwenden.520) Berechnungsgrundlage der Vergütung ist damit der gemäß § 1 Abs. 2 InsVV ermittelte Wert der Insolvenzmasse. Zutreffend wird insoweit darauf hingewiesen, dass – mangels Feststellungskostenbeiträgen in der Eigenverwaltung (vgl. § 282 InsO) – eine Anwendung von § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV nicht in Betracht kommt, so dass die Werte von drittrechtsbelasteten Gegenständen nur mit dem der Insolvenzmasse zufließenden Betrag Berücksichtigung finden können.521) Der insoweit nicht bereits durch eine höhere Grundvergütung gemäß § 2 Abs. 1 InsVV berücksichtigte erhöhte Tätigkeitsumfang des Sachwalters sowie dessen insoweit ggf. nennenswert erhöhtes Haftungsrisiko sind vor diesem Hintergrund ggf. im Rahmen eines entsprechenden ausgleichenden Zuschlags gemäß §§ 10, 3 Abs. 1 InsVV auszugleichen. 2. Zuschläge Gemäß §§ 10, 3 Abs. 1 InsVV ist die Vergütung des Sachwalters – wie auch die 581 Vergütung des Insolvenzverwalters – durch Zuschläge zu erhöhen, sofern die Tätigkeit des Sachwalters den Umfang der Tätigkeit eines Normalverfahrens überschritten hat. Demnach kommen auch für den Sachwalter insbesondere die in § 3 Abs. 1 InsVV genannten Regelbeispiele möglicher Zuschlagsfaktoren in Betracht, da auch diese – umfangsmäßig, wie auch qualitativ – die Aufsichtsund Überwachungsaufgaben des Sachwalters aufwerten.522) Entsprechende Zuschläge kommen insbesondere in den Fällen x

der Überwachung einer Betriebsfortführung oder Immobilienverwaltung (§ 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV),

___________ 520) Kübler/Prütting/Bork-Prasser, InsO, 64. Lfg. 07/2015, § 12 InsVV Rz. 4. 521) Kübler/Prütting/Bork-Prasser, InsO, 64. Lfg. 07/2015, § 12 InsVV Rz. 4. 522) Kübler/Prütting/Bork-Prasser, InsO, 64. Lfg. 07/2015, § 12 InsVV Rz. 6.

187

L. Vergütung und Kosten in der Eigenverwaltung

x

der Überwachung und Begleitung arbeitsrechtlicher Restrukturierungsmaßnahmen (§ 3 Abs. 1 Buchst. d InsVV) oder

x

der Begleitung der Vorbereitung eines Insolvenzplans durch den Schuldner oder der Ausarbeitung eines Insolvenzplans durch den Sachwalter im Auftrag der Gläubigerversammlung (§ 3 Abs. 1 Buchst. e InsVV)

in Betracht. § 12 Abs. 2 InsVV erweitert die normierten Regelbeispiele zudem um den Fall x

der Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 InsO.

582 Über die in der InsVV vorgesehenen Regelbeispiele hinaus kommt die Gewährung von Zuschlägen in allen Fällen in Betracht, in denen die Tätigkeit des Sachwalters nach Umfang oder Qualität den Normalfall übersteigt.523) Derartige Zuschläge kommen beispielsweise in Betracht x

bei Übernahme der Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO524),

x

im Fall der nach Umfang oder rechtlicher Komplexität aufwändigen Prüfung von Anfechtungs- und Haftungsansprüchen oder

x

im Fall der Behandlung umfangreicher Drittrechtsfragestellungen, wobei insoweit nach hier vertretener Auffassung gerade auch zu berücksichtigen ist, dass angesichts der Nichtanwendbarkeit von § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV auch bei Verwertung von Sicherungsgut durch den Schuldner keine Erhöhung der Grundvergütung erfolgt ist.525)

3. Auslagen des Sachwalters 583 Gemäß §§ 10, 8 Abs. 3 InsVV kann der Sachwalter die ihm zu erstattenden Auslagen entweder nach tatsächlich entstandenen Auslagen oder mittels Pauschsatz abrechnen. Die Pauschsätze des § 8 Abs. 3 InsVV sind hierbei auf Grundlage des 60-prozentigen Regelsatzes des Sachwalters gemäß § 12 Abs. 1 InsVV zu ermitteln,526) wobei der Pauschsatz gemäß § 12 Abs. 3 InsVV höchstens EUR 125,00 je angefangenem Monat der Tätigkeit des Sachwalters betragen darf. II. Vergütung und Auslagen des vorläufigen Sachwalters 584 Nach der Verweisungskette der §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 InsO hat auch der vorläufige Sachwalter Anspruch auf Vergütung für seine Geschäftsführung und auf Erstattung angemessener Auslagen. Ent___________ 523) 524) 525) 526)

188

Kübler/Prütting/Bork-Prasser, InsO, 64. Lfg. 07/2015, § 12 InsVV Rz. 7. Kübler/Prütting/Bork-Prasser, InsO, 64. Lfg. 07/2015, § 12 InsVV Rz. 7. Vgl. hierzu Rz. 580. Vgl. zum ähnlich gelagerten Fall der Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters: BGH, Beschl. v. 6.4.2006 – IX ZB 109/05, ZIP 2006, 2228, 2229.

II. Vergütung und Auslagen des vorläufigen Sachwalters

sprechend § 63 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 InsO gilt auch für den vorläufigen Sachwalter, dass sich der Regelsatz der Vergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse (bzw. des gegenständlichen Vermögens im Eröffnungsverfahren) zu richten hat und dass Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit durch Ansatz von Zu- und Abschlägen Rechnung zu tragen ist. 1. Regelsatz der Vergütung des vorläufigen Sachwalters Indes bleibt die InsVV eine Regelung eben des gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO 585 maßgeblichen Regelsatzes der Vergütung für den vorläufigen Sachwalter gerade schuldig. Wie die insoweit bestehende Regelungslücke zu schließen ist, ist in Literatur und Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt; vielmehr ist der Regelsatz der Vergütung streitig. Eine Vergütungsentscheidung des Amtsgerichts Göttingen527) stellt in analoger 586 Anwendung der für den Sachwalter im eröffneten Verfahren maßgeblichen Norm des § 12 InsVV auf einen Regelsatz von 60 v. H. bezogen auf die Regelvergütung des Insolvenzverwalters gemäß § 2 InsVV ab.528) Als Argument dienen die im Grunde vergleichbaren Aufgaben des vorläufigen und des endgültigen Sachwalters.529) Die kürzere Dauer der vorläufigen Eigenverwaltung im Vergleich zur Tätigkeit eines Sachwalters im eröffneten Verfahren ist demnach über einen Abschlag, nicht indes über analoge Anwendung der für den vorläufigen Insolvenzverwalter geltenden Vorschrift des § 11 InsVV Rechnung zu berücksichtigen.530) Eine in der insolvenzgerichtlichen Rechtsprechung531) stark vertretene Auf- 587 fassung hält demgegenüber für die Vergütung des vorläufigen Sachwalters einen Regelsatz von 15 v. H. der Regelvergütung des Insolvenzverwalters gemäß § 2 Abs. 1 InsVV für sachgerecht, wobei Grundlage dieser Auffassung eine kumulierte analoge Anwendung von § 12 InsVV und § 11 InsVV.532) Diese Auffassung geht von der Überlegung aus, dass im Hinblick auf ein Zurückbleiben der Aufgaben des vorläufigen Sachwalters gegenüber denen des vorläufigen Insolvenzverwalters dasselbe Zurückbleiben des Regelsatzes der Vergütung sachgerecht erscheint wie dies im Fall der Vergütung des Sachwalters gegen___________ 527) AG Göttingen, Beschl. v. 28.11.2012 – 74 IN 160/12, ZIP 2013, 36. 528) Ebenso Budnik, NZI 2014, 247, 249 f.; Kübler/Prütting/Bork-Prasser, InsO, 64. Lfg. 07/2015, § 12 InsVV Rz. 26. 529) Hierzu eingehend Budnik, NZI 2014, 247, 249 f. 530) AG Göttingen, Beschl. v. 28.11.2012 – 74 IN 160/12, ZIP 2013, 36; Budnik, NZI 2014, 247, 250. 531) AG Köln, Beschl. v. 13.11.2012 – 71 IN 109/12, ZIP 2013, 426; LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13, ZIP 2014, 694, 695; AG Wuppertal, Beschl. v. 26.5.2014 – 145 IN 751/13, ZIP 2015, 541; AG Essen, Beschl. v. 3.11.2014 – 166 IN 155/13, ZIP 2015, 538, 540 f. 532) Ebenso Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 270a Rz. 12; Foltis, in: FK-InsO, § 270a Rz. 28; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270a Rz. 32; Mock, ZInsO 2014, 67, 68; Deutschbein, ZInsO 2015, 1957, 1966.

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L. Vergütung und Kosten in der Eigenverwaltung

über der Vergütung des Insolvenzverwalters im eröffneten Insolvenzverfahren der Fall ist.533) 588 Nach hier vertretener Auffassung kommt analog § 11 InsVV der Regelsatz von 25 v. H. zur Anwendung, der auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter maßgeblich ist.534) Hierfür spricht insbesondere die Vergleichbarkeit der Aufgabenbereiche des vorläufigen Sachwalters und des vorläufigen Insolvenzverwalters. Insbesondere bei Berücksichtigung der nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO grundsätzlich möglichen Bestellung eines sog. „isolierten vorläufigen Insolvenzverwalters“, d. h. im Fall der nicht zugleich erfolgten Anordnung einer Verfügungsbeschränkung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO, zeigt sich, dass auch das Amt des vorläufigen Insolvenzverwalters grundsätzlich im Sinne einer Aufsicht über den Schuldner ausgestaltet ist, wobei die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters – abgesehen von Fällen eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters – gemäß § 22 Abs. 2 InsO durch das Insolvenzgericht zu bestimmen sind. In der Rechtspraxis hat sich diese Vergleichbarkeit der Aufgabenbereiche von vorläufigem Sachwalter und vorläufigem Insolvenzverwalter aus Sicht des Verfassers bestätigt: In vielen Fällen vorläufiger Eigenverwaltung übersteigt der Arbeitsaufwand für den vorläufigen Sachwalter sogar denjenigen eines vorläufigen Insolvenzverwalters. In derartigen Fällen ist insbesondere der Bedarf des insolventen Unternehmens an Rücksprache mit dem vorläufigen Sachwalter – z. B. zur Frage der insolvenzrechtlichen Zulässigkeit von Rechtshandlungen, Zahlungen und ähnlichem – sehr hoch. Die entsprechend erforderliche Erläuterung der insolvenzrechtlichen Gegebenheiten – selbst in Fällen bestehender insolvenzrechtlicher Beratung des Schuldners – übersteigt in der Regel den Umfang der Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters, der regelmäßig aufgrund des ihm zugewiesenen Zahlungsverkehrs die Geschäftsführung weitgehend mitbestimmen kann. 589 Unabhängig von der Frage des Regelsatzes dürfte zwischen den vorgenannten Ansichten im Ergebnis kein nennenswerter Unterschied bestehen, da gerade in Fällen vorläufiger Eigenverwaltung der tatsächliche Tätigkeitsumfang sehr stark vom jeweiligen Einzelfall abhängig ist, so dass die Vergütung stark von der Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen abhängen wird. 2. Zu- und Abschläge 590 Analog § 3 InsVV ist die Vergütung des vorläufigen Sachwalters an den jeweiligen Einzelfall durch Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen anzupassen. 591 Tatbestände in Betracht kommender Zuschläge sind – unabhängig von den Regelbeispielen des § 3 Abs. 1 InsVV – insbesondere die aufwändige Überwachung der Betriebsfortführung durch den Schuldner, ___________ x

533) Vgl. Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 270a Rz. 12. 534) Ebenso bereits Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 91; gleichermaßen: Zimmer, ZInsO 2012, 1658, 1661 f.; K. Schmidt-Undritz, InsO, § 270a Rz. 4; Schur, ZIP 2014, 757, 761.

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II. Vergütung und Auslagen des vorläufigen Sachwalters

x

die Übernahme der Kassenführung durch den vorläufigen Sachwalter gemäß §§ 270a Abs. 1, 275 Abs. 2 InsO,

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die Begleitung eines M&A-Prozesses zur Vorbereitung einer übertragenden Sanierung,

x

die Begleitung der Vorbereitung eines Insolvenzplans durch den Schuldner oder

x

erhöhter Aufwand aufgrund nicht hinreichenden oder fehlenden insolvenzrechtlichen Know-hows des Schuldners.

Soweit ein Zuschlagstatbestand, z. B. im Fall der aufwändigen Überwachung der 592 Betriebsfortführung, auch mit einer Erhöhung der Berechnungsmasse einhergeht, ist auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vergütungsrecht auch im Fall der Vergütung des vorläufigen Sachwalters eine Vergleichsberechnung für die Bemessung des konkreten Zuschlags erforderlich.535) Abschläge werden im Fall der Vergütung des vorläufigen Sachwalters vor allem 593 in Fällen hoher Berechnungsgrundlagen (analog § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV) in Betracht kommen. Die Unterstützung des Schuldners durch eine professionelle Sanierungsberatung oder insolvenzrechtliche Beratung kann indes einen Abschlag von der Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters letztlich kaum rechtfertigen, da diese Unterstützung letztlich in der Praxis regelmäßig erst gewährleistet, dass der Schuldner überhaupt in der Lage ist, sein nunmehr insolvenzrechtlich geprägtes Handeln unter vorläufiger Eigenverwaltung aufrechterhalten zu können. Am Umfang und an der Komplexität der Tätigkeit des vorläufigen Sachwalters wird dies in der Regel nichts ändern, da dieser auch bei insolvenzrechtlicher Beratung des Schuldners gleichermaßen zur Aufsicht verpflichtet ist.536) 3. Berechnungsgrundlage Mangels Regelung der Vergütung des vorläufigen Sachwalters in der InsVV 594 fehlt auch eine Bezugnahme auf eine nach der InsVV bestimmte Berechnungsgrundlage für die Regelvergütung. Mangels Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und damit mangels Insolvenz- 595 masse im eigentlichen Sinn kommt hinsichtlich der Berechnungsgrundlage allein eine Heranziehung der Regelungen des § 11 InsVV in Betracht. Maßgebend ist demnach das Vermögen, auf das sich die Tätigkeit des vorläufigen Sachwalters während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Damit ist das gesamte ___________ 535) BGH, Beschl. v. 12.5.2011 – IX ZB 143/08, ZIP 2011, 1373 (zum Zuschlag bei Betriebsfortführung); BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZB 162/11, ZIP 2012, 682 (zur Vergleichsberechnung im Fall eines beantragten Zuschlags für die Bearbeitung von Anfechtungsansprüchen). 536) Anders Mock, ZInsO 2014, 67, 69, der im Fall professioneller Sanierungsberaters des Schuldners ggf. einen Abschlag für gerechtfertigt hält.

191

L. Vergütung und Kosten in der Eigenverwaltung

Aktivvermögen des Schuldners heranzuziehen, welches während des Eröffnungsverfahrens Gegenstand der Tätigkeit des vorläufigen Sachwalters ist. In analoger Anwendung des § 11 InsVV ist hierbei – im Sinne eines dynamischen Vermögens – keine stichtagsbezogene Betrachtung auf den Stichtag der Beendigung des Amts des vorläufigen Sachwalters maßgeblich.537) 596 Angesichts der umfassenden Aufsicht über den Schuldner während einer vorläufigen Eigenverwaltung wird sich die Tätigkeit des vorläufigen Sachwalters in der Regel auf sämtliches bekanntes Vermögen des Insolvenzschuldners beziehen. Eine besondere Befassung mit bestimmten Vermögensgegenständen ist demnach gerade im Fall des vorläufigen Sachwalters nicht zu fordern, da der vorläufige Sachwalter ja regelmäßig auf die Aufsicht im Innenverhältnis zum Schuldner beschränkt ist und sich seine Tätigkeit gerade nicht auf die Sicherung bestimmten Vermögens bezieht. 597 Mit Aus- und Absonderungsrechten belastete Gegenstände sind analog § 11 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 InsVV – mit Ausnahme von lediglich zur Nutzung überlassenen Gegenständen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 InsVV) – der Berechnungsgrundlage hinzuzurechnen, sofern seitens des vorläufigen Sachwalters eine erhebliche Befassung mit diesen Gegenständen stattgefunden hat.538) Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der vorläufige Sachwalter im Rahmen seiner Aufsicht in erheblichem Umfang mit dem Bestehen künftiger Aus- und Absonderungsrechte und insbesondere mit der Behandlung von Sicherungsgut durch den eigenverwaltenden Schuldner zu befassen hat.539) Da die Berücksichtigung von Aus- und Absonderungsrechten im Rahmen der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ihre Grundlage auch im insoweit erhöhten Haftungsrisiko des vorläufigen Insolvenzverwalters hat, muss diese Korrelation zwischen Haftung und Regelvergütung auch im Fall des vorläufigen Sachwalters Berücksichtigung finden.540) 4. Auslagen des vorläufigen Sachwalters 598 Gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der vorläufige Sachwalter zudem Anspruch auf Erstattung angemessener Auslagen. Er kann hierbei die tatsächlich entstandenen Auslagen abrechnen, wobei in der Praxis eine Abrechnung der tatsächlich entstandenen Auslagen angesichts des ___________ 537) Kübler/Prütting/Bork-Prasser/Stoffler, InsO, 47. Lfg. 02/2012, § 11 InsVV Rz. 22 f. 538) Ebenso Zimmer, ZInsO 2012, 1658, 1662 f.; Schur, ZIP 2014, 757, 762 f.; Kübler/ Prütting/Bork-Prasser, InsO, 64. Lfg. 07/2015, § 12 InsVV Rz. 29; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rz. 94; a. A. Mock, ZInsO 2014, 67, 69; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270a Rz. 32 m. w. N. 539) Vgl. auch Schur, ZIP 2014, 757, 763. 540) Andernfalls, d. h. bei Nichtberücksichtigung der Aus- und Absonderungsrechte im Rahmen der Berechnungsgrundlage, dürften vielfach erhebliche Zuschläge angezeigt sein, wenn sich der vorläufige Sachwalter – verbunden mit entsprechendem Haftungsrisiko gegenüber den Sicherungsgläubigern – mit Aus- und Absonderungsrechten zu befassen hat.

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III. Kosten der Beratung und Geschäftsleitung des Schuldners

hohen Verwaltungsaufwands der entsprechenden Erfassung und Abrechnung völlig unüblich ist. Auch der vorläufige Sachwalter kann daher analog § 8 Abs. 3 InsVV anstelle der tatsächlich entstandenen Auslagen einen Pauschsatz fordern. Dieser liegt analog § 8 Abs. 3 Satz 1 InsVV bei 15 v. H. der Regelvergütung des vorläufigen Sachwalters, d. h. nach hier vertretener Auffassung bei 15 v. H. von 25 v. H.541) der Regelvergütung des Insolvenzverwalters. Analog § 12 Abs. 3 InsVV darf die Auslagenpauschale auch im Fall des vorläufigen Sachwalters höchstens EUR 125,00 je angefangenen Monat der Tätigkeit betragen. III. Kosten der Beratung und Geschäftsleitung des Schuldners In der Eigenverwaltung schlägt neben der Vergütung des vom Gericht bestell- 599 ten (vorläufigen) Sachwalters auch die Vergütung der Berater sowie der Geschäftsleiter des insolventen Unternehmens nennenswert zu Buche. Trotz der im Vergleich zur Vergütung eines Insolvenzverwalters geringer ausfallenden Vergütung des Sachwalters werde die Kosten für die Gläubigergemeinschaft in Eigenverwaltungsverfahren vor diesem Hintergrund in Summe oftmals höher ausfallen als in einem Regelinsolvenzverfahren. Gerade aus diesem Grund kommt den Beratungskosten und der Vergütung der Geschäftsleiter auch aus Gläubigersicht erhebliche Bedeutung zu. 1. Beratungskosten a) Gegenstand der Beratung Der Schuldner wird in der eigenverwalteten Insolvenz in mehrfacher Hinsicht 600 Beratung benötigen. Die Begleitung der Verfahrensabwicklung in insolvenzrechtlicher Hinsicht bedarf – insbesondere zur Beachtung der formalen Anforderungen des Insolvenzverfahrens wie auch zur bestmöglichen Nutzung der Sanierungsinstrumente des Insolvenzrechts – intensiver insolvenzrechtlicher Beratung; ist eine derartige Beratung nicht gewährleistet, droht letztlich sogar eine Ablehnung der Eigenverwaltung wegen zu befürchtender Nachteile gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Weiterer Beratungsbedarf wird insbesondere im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Insolvenzplans sowie mit der Durchführung eines M&A-Prozesses zur Investorensuche anfallen. Zudem dürfte in Fällen von Personalrestrukturierungsmaßnahmen auch arbeitsrechtliche Beratung erforderlich sein. b) Belastung der Insolvenzmasse Im eröffneten Insolvenzverfahren begründet der eigenverwaltende Schuldner 601 durch (fortgesetzte) Beauftragung von Beratern diesen gegenüber Masseverbindlichkeiten entsprechend § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.542) ___________ 541) Vgl. auch insoweit die Rechtsprechung des BGH zu den Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters: BGH, Beschl. v. 6.4.2006 – IX ZB 109/05, ZIP 2006, 2228, 2229. 542) Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 190.

193

L. Vergütung und Kosten in der Eigenverwaltung

602 Im Eröffnungsverfahren begründet der Schuldner während der vorläufigen Eigenverwaltung oder während eines Schutzschirmverfahrens nur Masseverbindlichkeiten, soweit ihm das Insolvenzgericht im Rahmen einer entsprechenden Ermächtigung, d. h. durch Beschluss gemäß § 21 Abs. 1 InsO (ggf. i. V. m. § 270b Abs. 3 InsO), die Befugnis übertragen hat, Verbindlichkeiten zulasten der späteren Insolvenzmasse zu begründen. 603 Im Übrigen sollten Schuldner und Berater im Eröffnungsverfahren darum bemüht sein, die Vergütung für die erbrachten Beratungsleistungen im Rahmen von Bargeschäften i. S. v. § 142 InsO zu begleichen. Insoweit ist insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abrechnung von Vorschüssen bzw. Honoraren für die binnen 30 Tagen erbrachten Leistungen zu beachten.543) Hierdurch kann ein ggf. bestehendes Anfechtungsrisiko gemäß § 130 Abs. 1 InsO ausgeschlossen werden.544) c) Inhaltliche Abgrenzung der Beratung des Schuldners zur Beratung der Geschäftsleiter und der Gesellschafter 604 Im Zusammenhang mit den Kosten der Beratung des Schuldners stellt sich – insbesondere im Hinblick auf die Vergütung der Beratung aus der Insolvenzmasse – in vielen Fällen das Problem der inhaltlichen Abgrenzung der Beratung des Schuldners einerseits von der Beratung der Geschäftsleiter und/oder der Gesellschafter andererseits. Während die Kosten für eine Beratung des Schuldners, die das insolvente Unternehmen gerade zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Verfahrens in Eigenverwaltung benötigt, eine den Gläubigern in der Regel zumutbare Belastung der Insolvenzmasse darstellen, trifft dies auf die Kosten einer Beratung der Geschäftsleiter bzw. der Gesellschafter nicht zu. Insbesondere die Beratung des Geschäftsleiters oder der Gesellschafter über etwaige Haftungs- und Anfechtungsrisiken oder ähnliche Punkte muss letztlich auch von deren Seite und in keinem Fall aus der Insolvenzmasse vergütet werden.545) Dies hat der (vorläufige) Sachwalter im Rahmen seiner Aufsichtspflicht gemäß § 274 Abs. 2 InsO zu überwachen und insoweit hat er – ggf. unter Androhung einer Nachteilsanzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO – für Transparenz der aus der Masse vergüteten Beratungsleistungen Sorge zu tragen. 605 Auch in berufsrechtlicher Hinsicht ist den beteiligten Beratern zu empfehlen, das Mandat ausdrücklich auf die Beratung des insolventen Unternehmens, auf die persönliche Beratung der Geschäftsleiter oder auf die Beratung der Gesellschafter zu beschränken, um Interessenkonflikten – im Extremfall in Gestalt der Vertretung widerstreitender Interessen i. S. v. § 43a Abs. 4 BRAO – vorzubeugen. ___________ 543) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, ZIP 2006, 1261. 544) Vgl. zur Anfechtbarkeit der Rechtshandlungen des Schuldners in der vorläufigen Eigenverwaltung bereits Rz. 334 ff. 545) Ebenso Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rz. 191.

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III. Kosten der Beratung und Geschäftsleitung des Schuldners

Stellt der (vorläufige) Sachwalter fest, dass die aus der Insolvenzmasse ver- 606 güteten Beratungsleistungen neben einer Beratung des insolventen Unternehmens auch die Beratung Dritter, insbesondere der Geschäftsleiter oder Gesellschafter, erfasst, so hat er den entsprechenden Personen zunächst Gelegenheit zu geben, dies abzustellen und die entsprechenden Beträge zu erstatten. Erfolgt dies nicht, so hat er den Vorgang mittels Nachteilsanzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO dem Insolvenzgericht und dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss anzuzeigen. Um dies zu vermeiden und das Vertrauen von Sachwalter, Insolvenzgericht 607 und Gläubigern zu erlangen, empfiehlt sich auch insoweit unbedingte Transparenz der Kosten und des Gegenstands der vom Schuldner in Anspruch genommenen Beratung. 2. Vergütung der Geschäftsleiter Neben den Kosten externer Beratung spielen in der Eigenverwaltung auch 608 die Gehälter bzw. Vergütungen aus den Dienstverträgen angestellter Geschäftsleiter eine nennenswerte Rolle. Zum einen kommt im Einzelfall die Bestellung eines Sanierungsgeschäfts- 609 leiters bzw. CRO (Chief Restructuring Officer) in Betracht, der die Eigenverwaltung und den Sanierungsprozess aus der Organstellung heraus betreuen und beraten soll. In diesem Fall verlagern sich die Beratungskosten ggf. zum Teil in die Vergütung des Geschäftsleiters. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass bereits unabhängig von der Bestellung eines CRO das Management in der Eigenverwaltung personell wie auch qualitativ deutlich umfangreicher ausgestaltet sein wird, als dies in einem Regelinsolvenzverfahren der Fall wäre. Im Regelinsolvenzverfahren verbleibt es in der Regel auch – jedenfalls teilweise – bei der Beschäftigung von Geschäftsleitern oder aber beim Austausch dieser gegen andere Personen, z. B. Interimsmanager; indes ist insoweit zu beachten, dass diese Personen – anders als die Geschäftsleiter in der Eigenverwaltung – weitgehend nur operative Aufgaben zu erfüllen, insbesondere das Tagesgeschäft des insolventen Unternehmens zu leiten haben, während die Verantwortung hierfür letztlich beim Insolvenzverwalter liegt. Dies wird sich in der Vergütung der insoweit tätigen Personen in aller Regel widerspiegeln. Für Abschluss oder Änderung von Geschäftsleiteranstellungsverträgen ist 610 in der Eigenverwaltung – trotz der Regelung des § 276a Satz 1 InsO – weiterhin das nach dem Gesellschaftsrecht zuständige Organ zuständig, d. h. z. B. die Gesellschafterversammlung der GmbH (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG) bzw. der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft (vgl. § 112 AktG). Inwieweit § 276a Satz 2 InsO – über die Frage der Organstellung hinaus – auch Inhalt und Bestand von Geschäftsleiteranstellungsverträgen an eine Zustimmung des Sachwalters knüpft, ist – soweit ersichtlich – bislang noch nicht diskutiert worden. Aus Sicht des Verfassers dürfte § 276a Satz 2 InsO eng am Wortlaut der Vorschrift auszulegen sein, so dass sich die Mitwirkung an Abschluss oder Änderung von Geschäftsleiteranstellungsverträgen letztlich nach § 275 Abs. 1 InsO zu 195

L. Vergütung und Kosten in der Eigenverwaltung

richten hat. Zur Rechtswirksamkeit der abgeschlossenen Verträge ist daher nach hier vertretener Auffassung keine Zustimmung des Sachwalters erforderlich; indes muss – aufgrund der Außergewöhnlichkeit der Anstellung von Geschäftsleitern – im Innenverhältnis gemäß § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO die Zustimmung eingeholt werden. 611 Zuletzt ist – gerade im Fall inhabergeführter Unternehmen – zu beachten, dass ein Geschäftsleiter in Krise und Insolvenz der Gesellschaft ggf. unter Treuegesichtspunkten zur Anpassung der Vergütung an die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft verpflichtet sein kann. Für die Aktiengesellschaft regelt § 87 Abs. 2 AktG eine entsprechende Herabsetzungsmöglichkeit, wobei § 87 Abs. 2 Satz 3 AktG für den Fall einer entsprechenden Herabsetzung der Bezüge dem Vorstandsmitglied ein Sonderkündigungsrecht einräumt. Auch für die GmbH gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Anwendung des Rechtsgedanken des § 87 Abs. 2 AktG, dass der Geschäftsführer – unabhängig von einer Beteiligung an der Gesellschaft – bei Verschlechterung der Lage der Gesellschaft zur Zustimmung zu einer Herabsetzung seiner Vergütung verpflichtet sein kann.546) 3. Abstimmung der Beratungs- und Geschäftsleitungskosten mit dem Sachwalter und dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss 612 Da sowohl die Beratungskosten wie auch die Vergütung der Geschäftsleiter in vielen Fällen die Insolvenzmasse derart belasten können, dass dies erhebliche Auswirkungen auf die Befriedigungsaussichten der Gläubiger haben kann, ist aus Sicht des Verfassers eine Einbindung der Gläubiger in die Begründung der entsprechenden Kosten unumgänglich. Um das Vertrauen in die (vorläufige) Eigenverwaltung nicht zu gefährden, erscheint aus Sicht des Verfassers gerade im Hinblick auf Beratungskosten und Geschäftsleitervergütungen absolute Transparenz gegenüber (vorläufigem) Sachwalter, Gläubigerausschuss und Insolvenzgericht angezeigt.547) 613 Die Einbindung der Gläubiger erfolgt zum einen über die bereits gesetzlich vorgesehene Mitwirkung des (vorläufigen) Sachwalters gemäß § 275 Abs. 1 InsO an der Begründung von Verbindlichkeiten und damit auch an der Beauftragung von Beratern. Bei der Einbindung entsprechender Berater dürfte es sich in der Regel um ein nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehöriges Geschäft handeln, so dass § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO den Schuldner dazu anhält, vor der Beauftragung von Beratern die Zustimmung des Sachwalters einzuholen. Der (vorläufige) Sachwalter hat insoweit insbesondere zu prüfen, ob die Beratung tatsächlich inhaltlich der Beratung des Schuldners – und eben nicht der persönlichen Beratung der Geschäftsleiter oder der Gesellschafterseite – dient und ob die vereinbarte Vergütung sich im Rahmen des üblichen bewegt und auch unter Berücksichtigung der Bedeutung des Einzelfalls als angemessen zu betrachten ist. ___________ 546) BGH, Urt. v. 15.6.1992 – II ZR 88/91, ZIP 1992, 1152, 1154. 547) Auch Kolmann, Schutzschirmverfahren, Rz. 835, weist zu Recht auf die nötige Transparenz hin.

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III. Kosten der Beratung und Geschäftsleitung des Schuldners

Über die Mitwirkung des (vorläufigen) Sachwalters hinaus sollte die Größen- 614 ordnung der Beratungskosten einschließlich der Vergütung der Geschäftsleiter auch zum Gegenstand einer Beratung und ggf. Beschlussfassung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses gemacht werden.548) Im Einzelfall kann der Umfang der Beratungskosten hierbei aus Sicht des Verfassers die Hinzuziehung von Beratern zu einer Rechtshandlung von besonderer Bedeutung i. S. v. § 160 Abs. 1 Satz 1 InsO machen, so dass eine Einbindung des Gläubigerausschusses bzw. – bei Nichtbestehen eines Gläubigerausschusses – der Gläubigerversammlung bereits gesetzlich vorgesehen ist. Unabhängig hiervon ist bereits aus Gründen der Transparenz eine Befassung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses mit der geplanten Größenordnung der Beratungskosten unbedingt zu empfehlen. Sofern die Gläubiger eine übermäßige oder unangemessene Belastung der In- 615 solvenzmasse mit Beratungskosten oder mit der Vergütung der Geschäftsleiter befürchten, besteht im eröffneten Insolvenzverfahren zudem die Möglichkeit, eine gerichtliche Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 InsO herbeizuführen. In den entsprechenden Fällen – insbesondere auf Antrag der Gläubigerversammlung gemäß § 277 Abs. 1 InsO – kann der Schuldner Masseverbindlichkeiten gegenüber Beratern im Rahmen der erfolgten Anordnung wirksam nur noch mit Zustimmung des Sachwalters begründen. Dies kann im Einzelfall eine geeignete Maßnahme zur Begrenzung der Beratungskosten sein. Indes empfiehlt sich aus Sicht des Verfassers viel eher, das Vertrauen der Gläubiger mittels entsprechender Einbindung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses und mittels Transparenz der Beratungskosten zu erlangen. Praxistipp: In der Praxis hat sich – gerade im Fall der Bestellung eines CRO bzw. SanierungsGeschäftsführers bzw. -Vorstands – als gangbarer und transparenter Weg herauskristallisiert, die Vergütung für die Übernahme der Organstellung und/oder die allgemeine insolvenzrechtliche Beratung des Schuldners dergestalt zu vereinbaren, dass die Vergütung unter Heranziehung der Vergütungsregelungen der InsVV und unter Abzug549) der Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters zu ermitteln ist. Der Vorteil der vorgenannten Lösung liegt aus Sicht des Verfassers letztlich darin, dass – jedenfalls bei Abzug der festgesetzten Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters – Nachteile der (vorläufigen) Eigenverwaltung allein aus Kostengründen von vornherein und in transparenter Weise ausgeschlossen sind. Demgegenüber ist eine derartige Prognose im Fall der ebenfalls üblichen Vereinbarung von Stundensätzen letztlich kaum belastbar möglich, da sich der Aufwand eines Verfahrens angesichts der insoweit oftmals bestehenden Dynamik in der Regel nicht im Voraus belastbar abschätzen lässt.550)

___________ 548) Ebenso Kolmann, Schutzschirmverfahren, Rz. 835. 549) Teils wird insoweit auch nur die Grundvergütung des (vorläufigen) Sachwalters in Abzug gebracht. 550) So bereits Hofmann, EWiR 2014, 155, 156.

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M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung Die nachfolgenden Muster verstehen sich als Vorschläge, welche im Hinblick 616 auf die inhaltliche Tiefe ggf. auch deutlich erweiterungsbedürftig sind. Sie sollen insoweit lediglich beispielhafte Hinweise für die Praxis geben, wie entsprechende Anträge, Beschlüsse, Schriftsätze oder Vereinbarungen zu formulieren sind. Eine – ggf. auch tiefgreifende – Anpassung an den jeweiligen Einzelfall ist insoweit dringend zu empfehlen. I. Insolvenzantragstellung 1. Insolvenzantrag einer GmbH mit Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung [Briefkopf der Schuldnerin]551)

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An das Amtsgericht – Insolvenzgericht – [Anschrift] [Ort, Datum] Insolvenzantrag der XYZ GmbH, Geschäftsanschrift: […], eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts […], HRB […] Sehr geehrte Damen und Herren, in meiner Eigenschaft als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der XYZ GmbH (im Folgenden auch: Schuldnerin) beantrage ich, 1. das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und wegen Überschuldung552) zu eröffnen, 2. gemäß § 270 InsO die Eigenverwaltung anzuordnen. ___________ 551) Aus Sicht des Verfassers erscheint es empfehlenswert, dass den Insolvenzantrag – vorbereitet durch die insolvenzrechtlichen Berater – tatsächlich die Schuldnerin durch ihre vertretungsberechtigten Geschäftsführer stellt. Zugleich erscheint es empfehlenswert, dass dem eigentlichen Insolvenzantrag ggf. ein Anschreiben der insolvenzrechtlichen Berater beigefügt wird, in welchem diese unter Vollmachtsvorlage nochmals bestätigen, die Schuldnerin zu beraten und auch im Rahmen des weiteren (Eigenverwaltungs-)Verfahrens begleiten zu werden. 552) In Fällen drohender Zahlungsunfähigkeit liegt – mit Ausnahme von Sonderkonstellationen – nach der Erfahrung des Verfassers regelmäßig auch Überschuldung i. S. v. § 19 InsO vor. Bei einer Insolvenzantragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit sollte daher – allein schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit und Transparenz gegenüber dem Insolvenzgericht – stets geprüft werden, ob nicht auch der Insolvenzgrund der Überschuldung vorliegt.

199

M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

Für das Eröffnungsverfahren rege ich an, 3. gemäß § 270a InsO die vorläufige Eigenverwaltung anzuordnen und einen vorläufigen Sachwalter zu bestellen (zur Person des vorläufigen Sachverwalters vgl. unten Ziff. V.) 4. gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin zu untersagen oder einstweilen einzustellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind; 5. gemäß § 22a Abs. 1 InsO einen vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO einzusetzen; 6. gemäß § 21 Abs. 1 InsO anzuordnen, dass Zahlungen der Schuldnerin auf den Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags und auf Steuerforderungen nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters wirksam geleistet werden können;553) 7. [ggf. ergänzende Anregungen]554) [fakultativ:] Vorbehalte gegen eine öffentliche Bekanntmachung eines Beschlusses über die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 9 InsO bestehen nicht, so dass einer Veröffentlichung, soweit das Gericht diese für erforderlich oder sachgerecht halten sollte, ausdrücklich zugestimmt wird.555) Begründung: I. Vorbemerkung556) Der Unterzeichner, Herr […], ist ausweislich des als Anlage 1 beigefügten Handelsregisterauszugs einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Schuldnerin und insoweit gemäß § 15 InsO zur Insolvenzantragstellung berechtigt. ___________ 553) Die Anregung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts erscheint nur dann sachgerecht, wenn dies im Vorfeld der Insolvenzantragstellung durch die Berater der Schuldnerin bereits mit dem zuständigen Insolvenzrichter abgestimmt wurde und der zuständige Insolvenzrichter die entsprechende Beschlussfassung bereits im Grundsatz avisiert hat. Andernfalls sollte auf eine entsprechende Anregung im Rahmen des Insolvenzantrags verzichtet werden, so dass eine Klärung sodann im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung erfolgen kann. Vgl. hierzu auch die Praxishinweise unter Rz. 498. 554) Ergänzend können z. B. Anordnungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO angeregt werden, sofern entsprechende Maßnahmen bereits bei Antragstellung absehbar erforderlich erscheinen. Auch kommt ggf. bereits im Rahmen des Insolvenzantrags eine Anregung von Einzelermächtigungen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten in Betracht, sofern dies mit dem zuständigen Insolvenzrichter im Vorfeld der Antragstellung abgestimmt wurde oder anderweitig bekannt ist, dass das zuständige Gericht mit der h. M. Einzelermächtigungen auch im Rahmen einer vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO für zulässig erachtet. Zu einer entsprechenden Anregung einschließlich Begründung, welche in einen Insolvenzantrag eingebunden werden könnte, vgl. Rz. 623. 555) Vgl. hierzu auch Rz. 335. 556) Die vorgeschlagene Vorbemerkung dient zum einen der Mitteilung der für das Gericht insoweit wesentlichen Daten zur Vertretungsberechtigung des antragstellenden Geschäftsführers sowie zur Zuständigkeit und zum anderen der kurzen Darstellung, um welche Art von Unternehmen es sich bei der Schuldnerin handelt.

200

I. Insolvenzantragstellung

Die Schuldnerin betreibt an ihrer o. g. Geschäftsanschrift ein Produktionsunternehmen und stellt insbesondere Präzisionskunststoffteile her, welche in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen. Wesentliche Kunden der Schuldnerin sind Automobilhersteller. Die Schuldnerin erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von EUR 211,5 Mio. und beschäftigt derzeit rund 1.200 Mitarbeiter. Der Geschäftsbetrieb läuft derzeit in vollem Umfang und soll auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens – unter Eigenverwaltung und mit dem Ziel eines Insolvenzplans – aufrechterhalten werden. Die Schuldnerin wurde am […] gegründet und ist im Handelsregister des Amtsgerichts […] unter HRB […] eingetragen. Sitz wie auch Mittelpunkt der unternehmerischen Tätigkeit der Schuldnerin ist […]. An dem EUR […] betragenden Stammkapital der Schuldnerin sind folgende Gesellschafter beteiligt: […] II. Zum Insolvenzantrag Die Schuldnerin ist drohend zahlungsunfähig gemäß § 18 InsO und überschuldet i. S. v. § 19 InsO. Ausweislich des als Anlage 2 beigefügten Liquiditätsstatus verfügt die Schuldnerin zum Stichtag […] über liquide Mittel i. H. v. EUR […], welchen fällige Zahlungspflichten i. H. v. EUR […] gegenüberstehen, so dass derzeit eine Liquiditätsunterdeckung (noch) nicht vorliegt. Indes bestehen gegenüber der 123 Bank AG Kreditverbindlichkeiten, welche innerhalb der nächsten sechs Monate, namentlich zum […], zur Rückzahlung fällig werden. Hierzu erlauben wir uns, auf die als Anlage 3 beigefügten Kreditvereinbarungen mit der 123 Bank AG zu verweisen. Eine Prolongation der Darlehen kommt nach vor kurzem erfolgter Mitteilung der Bank nicht in Betracht. Ausweislich der als Anlage 4 beigefügten Liquiditätsvorschau wird die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin somit voraussichtlich am […] eintreten. Zudem deckt das Vermögen der Schuldnerin die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr, so dass angesichts der unter Liquiditätsgesichtspunkten nicht mehr bestehenden positiven Fortbestehensprognose auch Überschuldung i. S. v. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vorliegt. Wegen des Vermögens der Schuldnerin erlaube ich mir auf das als Anlage 5 beigefügte Vermögensverzeichnis der Schuldnerin Bezug zu nehmen. Insoweit ergeben sich – teils geschätzte – Vermögenswerte i. H. v. rund EUR 51,0 Mio. Diesen stehen ausweislich des als Anlage 6 beigefügten Gläubigerund Forderungsverzeichnisses Verbindlichkeiten i. H. v. über EUR 60,0 Mio. gegenüber. III. Angaben nach § 13 InsO Diesem Antrag ist ein Verzeichnis der Gläubiger und Forderungen als Anlage 6 beigefügt, in welchem gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO die in der Vorschrift genannten Forderungen besonders kenntlich gemacht sind.

201

M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

Zugleich mache ich die gemäß § 13 Abs. 1 Sätze 4 und 5 InsO erforderlichen Angaben bezogen auf das vorangegangene Geschäftsjahr (01.01.-31.12.[…]) wie folgt: Bilanzsumme (in EUR)

62.543.789,10

Umsatzerlöse (in EUR)

211.530.320,50

Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt

1.198

Der Unterzeichner erklärt zugleich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 7 InsO, dass die in dem vorstehend benannten Verzeichnis nach § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO enthaltenen Angaben sowie die hier gemachten Angaben gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 und 5 InsO richtig und vollständig sind. IV. Zum Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung Die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung unter der Aufsicht eines zu bestellenden Sachwalters liegen vor. Insbesondere sind Nachteile i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO nicht zu erwarten. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Schuldnerin im Rahmen der Vorbereitung der Antragstellung wie auch im Rahmen des weiteren Verfahrensverlaufs eng von der Kanzlei […] beraten wird, welche über umfassende Erfahrungen in der Begleitung von Insolvenzverfahren und Eigenverwaltungsverfahren verfügt. Federführend erfolgt die Beratung insoweit durch Frau Rechtsanwältin […], die durch Gesellschafterbeschluss vom […] zur weiteren einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerin bestellt wurde. Die Geschäftsführerin […] wird insoweit im Rahmen des angestrebten Eigenverwaltungsverfahrens als sog. CRO (Chief Restructuring Officer) bzw. Sanierungs-Geschäftsführerin insbesondere für die Begleitung der operativen Sanierung des Unternehmens, für die Gespräche und Verhandlungen mit den Gläubigern sowie für die Vorbereitung eines Insolvenzplans verantwortlich zeichnen. Durch die Begleitung des Eigenverwaltungsverfahrens durch die Kanzlei […] und durch Frau Rechtsanwältin […] als Sanierungs-Geschäftsführerin wird insoweit gewährleistet sein, dass sämtliche Vorschriften der InsO eingehalten werden und dass den Gläubigern im Vergleich zu einem Regelinsolvenzverfahren keine Nachteile entstehen. Ergänzend ist mitzuteilen, dass mit der Hauptgläubigerin 123 Bank AG wie auch mit der Hauptlieferantin der Schuldnerin, der Mustermann GmbH, der vorliegende Insolvenz- und Eigenverwaltungsantrag vorbesprochen wurde. Beide wesentliche Gläubiger haben sich insoweit mit der beabsichtigten Eigenverwaltung einverstanden erklärt (vgl. hierzu deren Stellungnahmen, Anlagen 7 und 8) und zudem mitgeteilt, die Sanierungsbemühungen im Rahmen der Eigenverwaltung durch Zurverfügungstellung eines Massedarlehens sowie durch Weiterbelieferung zu unterstützen.

202

I. Insolvenzantragstellung

[… (weitere Ausführungen) ]557) V. Vorschlag eines (vorläufigen) Sachwalters In Abstimmung mit der die Schuldnerin beratenden Kanzlei […] rege ich an, Herrn Rechtsanwalt […], Kanzleianschrift: […] zum (vorläufigen) Sachwalter zu bestellen. Der vorgeschlagene Sachwalter ist ein ausgewiesener Experte im Bereich des Insolvenzrechts und der Eigenverwaltung, der über umfangreiche Erfahrung in der Fortführung und Verwaltung von Unternehmen verfügt. Herr […] hat bereits mehrere hundert Unternehmensinsolvenzen als Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter begleitet. Er ist zudem durch verschiedene Veröffentlichungen im Bereich der Eigenverwaltung und des Insolvenzrechts ausgewiesen. Gründe, die gegen eine Eignung des vorgeschlagenen Sachwalters sprechen, liegen nicht vor. Insbesondere handelt sich bei ihm um eine von den Gläubigern sowie der Schuldnerin unabhängige Person i. .S. d. § 56 Abs. 1 InsO.558) [Ergänzend teile ich mit, dass seitens der anwaltlichen Berater der Schuldnerin, namentlich seitens der nunmehrigen Sanierungs-Geschäftsführerin […], vor einigen Tagen ein kurzes informatorisches Telefongespräch mit dem vorgeschlagenen Sachwalter stattgefunden hat, in dessen Rahmen dieser mitgeteilt hat, für die Übernahme des Amtes des (vorläufigen) Sachwalters kurzfristig zur Verfügung zu stehen und insbesondere über die erforderlichen Bearbeitungskapazitäten in seiner Kanzlei zu verfügen.]559) Der Vorschlag ist insoweit auch mit den summenmäßig wesentlichen Gläubigern 123 Bank AG und Mustermann GmbH abgestimmt, welche sich mit einer Bestellung des vorgeschlagenen (vorläufigen) Sachwalters einverstanden erklärt haben.

___________ 557) Als weitere Ausführungen sind insbesondere Ausführungen zu einem bereits vorliegenden Grobkonzept der angedachten Sanierung denkbar, welche dazu geeignet sind, das Gericht von den Erfolgsaussichten der von der Schuldnerin angestrebten Eigenverwaltungs- und Insolvenzplanlösung zu überzeugen. In diesem Sinne auch Spies, in: Mönning, Betriebsfortführung in der Insolvenz, § 24 Rz. 81. 558) Sollte das zuständige Insolvenzgericht im Fall eines Vorschlags die Vorlage eines Fragebogens zur Unabhängigkeit des Sachwalters, z. B. nach den Vorlagen des BAKinso e. V. oder des VID Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e. V., für erforderlich oder sachdienlich halten, so sollte dieser Fragebogen ggf. als zusätzliche Anlage dem Insolvenzantrag beigefügt werden. Zur berechtigten Kritik am ggf. allzu schematischen Umgang mit entsprechenden Fragebögen zutreffend: Siemon, ZInsO 2014, 938, 940 f. Für eine Nutzung des Fragebogens: Frind, ZInsO 2015, 2358, 2360 f. 559) Sofern ein Vorgespräch mit dem vorgeschlagenen (vorläufigen) Sachwalter stattgefunden hat, erscheint ein Hinweis hierauf unter Transparenzgesichtspunkten sinnvoll.

203

M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

VI. Zur Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung Angesichts der obigen Ausführungen erscheint der Eigenverwaltungsantrag der Schuldnerin nicht offensichtlich aussichtslos, so dass gemäß § 270a Abs. 1 InsO die vorläufige Eigenverwaltung anzuordnen und ein vorläufiger Sachwalter zu bestellen ist (zum Vorschlag eines vorläufigen Sachwalters vgl. bereits Ziff. V.). VII. Zur Einstellung der Zwangsvollstreckung Die angeregte Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO erscheint erforderlich, um negative Auswirkungen etwaig drohender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf die Betriebsfortführung von vornherein auszuschließen. Wenngleich derzeit keine vollstreckbaren Titel vorliegen, erscheint die Anordnung gleichwohl erforderlich, um insbesondere Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts und der Sozialversicherungsträger im Rahmen vollstreckbarer Bescheide auszuschließen. VIII. Zum vorläufigen Gläubigerausschuss Die Voraussetzungen für die obligatorische Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 22a Abs. 1 InsO sind vorliegend angesichts Überschreitens sämtlicher Schwellenwerte erfüllt. Im Einzelnen: Schwellenwert (§ 22a Abs. 1 InsO)

Ist-Wert (zum 31.12.2015)

Bilanzsumme (in EUR)

6.000.000,00

62.543.789,10

Umsatzerlöse (in EUR)

12.000.000,00

211.530.320,50

50

1.198

Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt

Zur Vermeidung von Nachteilen wurden bislang lediglich einzelne Gläubiger bzw. Personen über die beabsichtigte Insolvenzantragstellung informiert, so dass derzeit ein abschließender Vorschlag zur Besetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses noch nicht möglich ist. Insoweit werden wir daher in Abstimmung mit dem Gericht und dem einzusetzenden vorläufigen Sachwalter unmittelbar nach Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung mit den Gläubigern in Kontakt treten, um sodann geeignete Personen für die Besetzung des Gläubigerausschusses anzusprechen und vorzuschlagen. Derzeit gehe ich wie auch die anwaltlichen Berater der Schuldnerin davon aus, dass ein vorläufiger Gläubigerausschuss mit fünf Personen besetzt sein sollte. Folgende Gläubiger(gruppen) halten wir hier für geeignet: 

123 Bank AG als Vertreter der Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger sowie der Gläubiger mit den höchsten Forderungen,



ABC Kreditversicherungs AG als Vertreter der Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger,

204

I. Insolvenzantragstellung



Bundesagentur für Arbeit als Vertreter der Gläubiger mit den höchsten Forderungen,



ein Lieferant oder ggf. das Finanzamt als Vertreter der Gruppe der Kleingläubiger, und



Herr […], der Vorsitzende des Betriebsrats der Schuldnerin als Vertreter der Arbeitnehmer.

IX. Zu dem angeregten besonderen Zustimmungsvorbehalt560) [vgl. zur Begründung die Ausführungen unter Rz. 621, welche an dieser Stelle in ähnlicher Form übernommen werden könnten] X. Abschließende Hinweise Sollte das Gericht weitere Ausführungen für erforderlich halten, wird höflich um entsprechenden Hinweis gebeten. Für Rückfragen stehen der Unterzeichner wie auch die anwaltlichen Berater der Schuldnerin, insbesondere Frau Rechtsanwältin […] (Telefon: […], E-Mail: […]), auch im Übrigen jederzeit gerne zur Verfügung. [Unterschrift Geschäftsführer] 2. Schutzschrift eines Gläubigervertreters gegen eine Anordnung der Eigenverwaltung [Briefkopf der Kanzlei]

618

An das Amtsgericht – Insolvenzgericht – [Anschrift] [Ort, Datum] Geschäftszeichen: neu Schutzschrift der […] gegen eine Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltung hinsichtlich eines möglichen Insolvenzantrags der XYZ GmbH, Geschäftsanschrift: […], eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts […], HRB […] ___________ 560) Vgl. zur Sinnhaftigkeit dieser Anregung im Rahmen der Insolvenzantragstellung bereits Fußn. 554.

205

M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit zeigen wir an, dass wir die […] anwaltlich vertreten. Ordnungsgemäße Bevollmächtigung wird anwaltlich versichert. Für den Fall eines Insolvenzantrags der XYZ GmbH regen wir namens unserer Mandantin an, 1. die vorläufige Insolvenzverwaltung anzuordnen und einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen, 2. einen etwaig gestellten Eigenverwaltungsantrag der Schuldnerin angesichts drohender Nachteile einer Eigenverwaltung abzulehnen. Begründung: I. Geschäftsbeziehung und Gläubigerstellung561) Unserer Mandantin stehen gegen die XYZ GmbH (im Folgenden auch: Schuldnerin) Forderungen aus Krediten i. H. v. insgesamt rund EUR 3,1 Mio. zu, welche zum […] nach Auslaufen eines Stillhalteabkommens zur Rückzahlung fällig werden. Die Forderungen resultieren aus einer langjährigen bankmäßigen Geschäftsbeziehung zwischen unserer Mandantin und der Schuldnerin. Unserer Mandantin stehen zur Sicherung ihrer Forderungen in nennenswertem Umfang Sicherungsrechte am Vermögen der Schuldnerin zu. Insbesondere ist unsere Mandantin Berechtigte aus einer erstrangigen Grundschuld an der Betriebsimmobilie der Schuldnerin unter der Anschrift […]. Wegen der Einzelheiten der Forderungen und Sicherheiten erlauben wir uns, auf die als Anlage 1 beigefügten Konvolute an Kredit- und Sicherungsverträgen zu verweisen. II. Bevorstehende Insolvenzantragstellung Unsere Mandantin geht davon aus, dass die Schuldnerin derzeit einen Insolvenzantrag vorbereitet und insoweit beabsichtigt, die Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO zu beantragen. Gegen eine Anordnung der Eigenverwaltung wie auch gegen eine vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO verwehrt sich unsere Mandantin mittels dieser Schutzschrift. III. Drohende Nachteile bei Anordnung einer Eigenverwaltung Aus Sicht unserer Mandantin sind konkrete Umstände bekannt, welche eine Eigenverwaltung als nachteilig i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO erscheinen lassen.

___________ 561) Nach Fiebig, in: HambK-InsO, § 270 Rz. 27, sind an die Darlegung der Gläubigereigenschaft „relativ hohe Anforderungen“ zu stellen, so dass sich – ggf. über die hier vorgeschlagene Vorgehensweise hinaus – letztlich sogar empfiehlt, die Gläubigerstellung in Anlehnung an die Regelung des § 14 Abs. 1 InsO glaubhaft zu machen.

206

I. Insolvenzantragstellung

Im Einzelnen: Die Schuldnerin befindet sich seit dem Jahr 2014 mit ihren Gläubigern, insbesondere auch mit unserer Mandantin, in Verhandlungen mit dem Ziel einer finanzwirtschaftlichen Sanierung, welche bis dato nicht erfolgreich verlaufen und zuletzt endgültig gescheitert sind. Wegen der Einzelheiten hierzu erlauben wir uns auf die als Anlage 1 beigefügte eidesstattliche Versicherung des Herrn […], des zuständigen Kreditsachbearbeiters bei unserer Mandantin, zu verweisen. Angesichts des in der beigefügten eidesstattlichen Versicherung erläuterten Verlaufs der außergerichtlichen Sanierungsbemühungen ist unsere Mandantin zu einer Fortsetzung der Sanierungsbemühungen unter der bisherigen Führung der Schuldnerin nicht bereit. [… (weitere Ausführungen) ] IV. Beteiligung an einem etwaigen vorläufigen Gläubigerausschuss562) Ergänzend teilen wir bereits an dieser Stelle mit, dass unsere Mandantin zu einer Mitgliedschaft in einem vorläufigen Gläubigerausschuss gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO bereit ist, wobei die Vertretung unserer Mandantin durch den Unterzeichner, Herrn Rechtsanwalt […], erfolgen soll. V. Abschließende Hinweise Zuletzt bitten wir höflich darum, uns über eine Insolvenzantragstellung der Schuldnerin unter Mitteilung des Aktenzeichens zu unterrichten, um insoweit ggf. Gelegenheit zu einer weitergehenden Stellungnahme zu haben. Sollte das Gericht insoweit weiterführende Angaben zur Nachteiligkeit einer etwaig beantragten Eigenverwaltung oder zur Begründung einer Teilnahme unserer Mandantin an einem vorläufigen Gläubigerausschuss für erforderlich halten, bitten wir, dies im Rahmen eines richterlichen Hinweises mitzuteilen. Für Rückfragen steht der Unterzeichner dem Gericht im Übrigen jederzeit gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen [Unterschrift]

___________ 562) Eine Schutzschrift eignet sich – bei entsprechender Bereitschaft – dazu, dem Gericht bereits im Vorfeld des Insolvenzantrags die Bereitschaft zur Teilnahme an einem etwaig zu bestellenden vorläufigen Gläubigerausschuss mitzuteilen.

207

M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

II. Vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO 1. Beschluss gemäß § 270a Abs. 1 InsO 619 In dem Verfahren über den Antrag der […] auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen erlässt das Amtsgericht […] am […] folgenden Beschluss: 1. Gemäß § 270a Abs. 1 InsO wird am […] um […] Uhr die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet.563) 2. Gemäß § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO wird am […] um […] Uhr ein vorläufiger Sachwalter bestellt. Zum vorläufigen Sachwalter wird bestellt: […] [fakultativ:564) Der vorläufige Sachwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume der Schuldnerin zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Die Schuldnerin hat dem vorläufigen Sachwalter Einsicht in ihre Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten und ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen, §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 2 Satz 2, § 22 Abs. 3 InsO. Der vorläufige Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin zu prüfen und die Geschäftsführung zu überwachen, §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 2 Satz 2 InsO. Die Schuldnerin soll Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters eingehen (§§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 1 Satz 1 InsO). Auch Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll sie nach Widerspruch des vorläufigen Sachwalters nicht eingehen (§§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 1 Satz 2 InsO). Der vorläufige Sachwalter ist außerdem berechtigt von der Schuldnerin zu verlangen, dass Zahlungen nur vom vorläufigen Sachwalter geleistet oder entgegengenommen werden dürfen (§§ 270a Abs. 1 Satz 1, 275 Abs. 2 InsO).] ___________ 563) Eine ausdrückliche „Anordnung“ der vorläufigen Eigenverwaltung sieht das Gesetz nicht vor, so dass Ziff. 1. des Musterbeschlusses letztlich lediglich deklaratorisch ist, da die eigentlichen Wirkungen der vorläufigen Eigenverwaltung letztlich von der Bestellung des vorläufigen Sachwalters ausgehen. Gleichwohl erweist sich die vorgeschlagene Anordnung im Hinblick aus praktischer Erfahrung als förderlich, um das Verständnis des Rechtsverkehrs für die vorläufige Eigenverwaltung zu stärken. 564) Die in eckigen Klammern vorgeschlagenen Ausführungen nach der Benennung der Person des vorläufigen Sachwalters erscheinen m. E. verzichtbar. Sofern aus Sicht des Insolvenzgerichts indes eine Aufführung der Rechte und Pflichten des vorläufigen Sachwalters wünschenswert erscheint, sollte sich diese eng an Wortlaut und Inhalt der Vorschriften der §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274, 275 InsO orientieren. Insbesondere erscheint insoweit eine Übertragung der Kassenführung auf den vorläufigen Sachwalter nicht zulässig, da es sich bei dem Kassenführungsrecht ausschließlich um ein im Ermessen des (vorläufigen) Sachwalters liegendes Aufsichtsinstrument handelt, vgl. hierzu auch Rz. 259.

208

II. Vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO

3. Die Pflichten der Schuldnerin werden analog § 22 Abs. 2 InsO wie folgt bestimmt: Die Schuldnerin hat ihr Vermögen zu sichern und zu erhalten; soweit Rechte Dritter bestehen, hat die Schuldnerin diese Rechte zu wahren und das Sicherungsgut zu sichern und zu erhalten.565) 4. Gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 InsO werden Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind, einstweilen eingestellt. 5. [weitere Sicherungsmaßnahmen]566) Gründe: Die Schuldnerin hat die Anträge gestellt, über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen und Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO anzuordnen. Der Eigenverwaltungsantrag ist nicht offensichtlich aussichtslos. [ggf. Rechtsbehelfsbelehrung]567) 2. Beschluss gemäß § 270b InsO In dem Verfahren über den Antrag der

620

[…] auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen erlässt das Amtsgericht […] am […] folgenden Beschluss: 1. Gemäß § 270b Abs. 1 InsO wird der Schuldnerin eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans bis zum […]568) gesetzt. 2. Gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 270b Abs. 2 InsO wird am […] um […] Uhr [die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet und]569) ein vorläufiger Sachwalter bestellt. Zum vorläufigen Sachwalter wird bestellt: […] [fakultativ:570) Der vorläufige Sachwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume der Schuldnerin zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Die Schuldne___________ 565) Die Anordnung in Ziff. 3. des Musterbeschlusses folgt der Empfehlung in Rz. 344 f. 566) Vgl. zu möglichen weiteren Sicherungsmaßnahmen auch Rz. 393 ff. 567) Vgl. zur Pflicht zur Aufnahme einer Rechtsbehelfsbelehrung §§ 4 InsO, 232 ZPO sowie Zipperer, NZI 2013, 865. 568) Hinsichtlich der Frist ist – insbesondere im Rahmen der Antragstellung seitens der Schuldnerin – zu beachten, dass diese nach Möglichkeit im Gleichlauf zum Insolvenzgeldzeitraum steht, damit nicht das Insolvenzgericht an einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Ablauf der bestimmten Frist gemäß § 270b Abs. 4 Satz 3 InsO gehindert ist. 569) Vgl. zu dieser deklaratorischen Anordnung bereits Fußn. 564. 570) Vgl. hierzu bereits Fußn. 565.

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M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

rin hat dem vorläufigen Sachwalter Einsicht in ihre Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten und ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen, §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 2 Satz 2, § 22 Abs. 3 InsO. Der vorläufige Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin zu prüfen und die Geschäftsführung zu überwachen, §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 2 Satz 2 InsO. Die Schuldnerin soll Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters eingehen (§§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 1 Satz 1 InsO). Auch Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll sie nach Widerspruch des vorläufigen Sachwalters nicht eingehen (§§ 270 a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 1 Satz 2 InsO). Der vorläufige Sachwalter ist außerdem berechtigt von der Schuldnerin zu verlangen, dass Zahlungen nur vom vorläufigen Sachwalter geleistet oder entgegengenommen werden dürfen (§§ 270a Abs. 1 Satz 1, 275 Abs. 2 InsO).] 3. Die Pflichten der Schuldnerin werden analog § 22 Abs. 2 InsO wie folgt bestimmt: Die Schuldnerin hat ihr Vermögen zu sichern und zu erhalten; soweit Rechte Dritter bestehen, hat die Schuldnerin diese Rechte zu wahren und das Sicherungsgut zu sichern und zu erhalten.571) 4. Gemäß § 270b Abs. 3 InsO wird angeordnet, dass die Schuldnerin Masseverbindlichkeiten begründet.572) 5. Gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 InsO werden Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind, einstweilen eingestellt. 6. [weitere Sicherungsmaßnahmen, Gutachtenauftrag u. Ä.] Gründe: […] 3. Stellungnahme des vorläufigen Sachwalters zur Anregung eines beschränkten Zustimmungsvorbehalts 621 [Briefkopf des vorl. Sachwalters] […] In dem Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen d. XYZ GmbH ___________ 571) Die Anordnung in Ziff. 3. des Musterbeschlusses folgt der Empfehlung in Rz. 344 f., welche gleichermaßen für die vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO wie auch für das Schutzschirmverfahren gemäß § 270b InsO gilt. 572) Hierbei handelt es sich um eine umfassende Globalermächtigung, welche § 270b Abs. 3 InsO zulässt, der in der Praxis jedoch Einzelermächtigungen in der Regel vorzuziehen sind. Vgl. hierzu auch Rz. 388.

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II. Vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO

nehme ich Bezug auf die mir vorliegende Anregung der anwaltlichen Vertreter der Schuldnerin vom heutigen Tag, einen besonderen Zustimmungsvorbehalt betreffend Zahlungen auf den Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags und auf Steuerforderungen gemäß § 21 Abs. 1 InsO i. V. m. § 270a Abs. 1 InsO anzuordnen. Der mit mir abgestimmten Anregung der Schuldnerin schließe ich mich vollumfänglich an. Begründung: 1. Gemäß § 21 Abs. 1 InsO trifft das Insolvenzgericht alle Maßnahmen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Hat der Schuldner die Anordnung der Eigenverwaltung beantragt und ist der Eigenverwaltungsantrag nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Insolvenzgericht gemäß § 270a Abs. 1 InsO von der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots und eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts absehen und anstelle eines vorläufigen Insolvenzverwalters einen vorläufigen Sachwalter bestellen (sog. vorläufige Eigenverwaltung). Darüber hinaus verbleibt es bei der Zulässigkeit erforderlicher Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO. 2. Der vorliegend angeregte besondere Zustimmungsvorbehalt erscheint vorliegend auch nach meiner Einschätzung erforderlich. Die Schuldnerin sieht sich kurzfristig sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Zahlungspflichten ausgesetzt, wobei die entsprechenden Forderungen der öffentlichrechtlichen Gläubiger im Fall der Verfahrenseröffnung lediglich als Insolvenzforderungen im Rang des § 38 InsO zu berücksichtigen wären. Gleichwohl wären die Geschäftsführer der Schuldnerin angesichts der strafrechtlichen Verantwortung für die Nichtabführung von Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträgen (vgl. § 266a StGB) und der zusätzlich im Raum stehenden Haftung gemäß §§ 826 BGB, 266a StGB bzw. gemäß § 69 AO ggf. gehalten, die entsprechenden Zahlungen zu einer Haftungsvermeidung zu leisten. Hierdurch käme es letztlich zu einer (vorläufigen) Schmälerung des Vermögens der Schuldnerin, welche letztlich erst in einem eröffneten Insolvenzverfahren über eine Insolvenzanfechtung der entsprechenden Zahlungen gemäß § 130 Abs. 1 InsO wieder rückgängig gemacht werden könnte. Indes würde die Liquiditätslage der Schuldnerin hierdurch erheblich beeinträchtigt, was die im Interesse aller Gläubiger erforderlich erscheinende Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erschweren würde. Vor diesem Hintergrund gilt es nach meiner Einschätzung, im Rahmen des angeregten Zustimmungsvorbehalts gemäß § 21 Abs. 1 InsO solche Verfügungen bzw. Zahlungen zu verhindern. 211

M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

Ergänzend ist anzumerken, dass auch das Amtsgericht Düsseldorf in einem Fall vorläufiger Eigenverwaltung i. S. v. § 270a InsO bereits eine inhaltlich entsprechende Anordnung getroffen hat (AG Düsseldorf, Beschl. v. 10.07.2014, Gz. 504 IN 124/14, ZInsO 2014, 2389). Für Rückfragen stehe ich dem Gericht im Übrigen jederzeit gerne zur Verfügung. [Unterschrift des vorl. Sachwalters] 4. Beschluss zur Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts gemäß § 21 Abs. 1 InsO betreffend Zahlungen an Sozialversicherungsträger und Fiskus 622 In dem Verfahren über den Antrag der […] auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen erlässt das Amtsgericht […] am […] folgenden Beschluss: Gemäß § 21 Abs. 1 InsO wird am […] um […] Uhr angeordnet, dass Zahlungen der Schuldnerin auf Forderungen aus dem Steuerverhältnis i. S. v. § 37 Abgabenordnung sowie auf Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung i. S. v. § 266a Strafgesetzbuch zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des vorläufigen Sachwalters bedürfen. Gründe:573) […] [Rechtsbehelfsbelehrung]574) 5. Anregung der Anordnung einer Einzelermächtigung durch die Berater der Schuldnerin 623 [Briefkopf der beratenden Kanzlei] An das Amtsgericht […] – Insolvenzgericht – […] ___________ 573) Eine Begründung könnte letztlich in weitgehender Anlehnung an die Ausführungen im Muster eines Stellungnahmeschriftsatzes des vorläufigen Sachwalters gefasst werden. Vgl. hierzu Rz. 621. 574) Vgl. zur Pflicht zur Aufnahme einer Rechtsbehelfsbelehrung §§ 4 InsO, 232 ZPO sowie Zipperer, NZI 2013, 865.

212

II. Vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO

Gz. 12 IN 345/16 In dem Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen der XYZ GmbH beraten und vertreten wir bekanntlich im Rahmen der angeordneten vorläufigen Eigenverwaltung die Schuldnerin; eine entsprechende Vollmacht liegt dem Gericht bereits vor. Namens und im Auftrag der Schuldnerin regen wir an, die Schuldnerin gemäß § 21 Abs. 1 InsO zu ermächtigen, mit folgenden Unternehmen Verträge abzuschließen und insoweit Masseverbindlichkeiten zulasten der späteren Insolvenzmasse zu begründen: Gläubiger

Gegenstand

Umfang

ABC Bank AG

Entgelte und Zinsen im Rahmen der Insolvenzgeldvorfinanzierung

bis zu EUR 50.000

123 Bank AG

Aufnahme eines Massedarlehens (Rückzahlung, Zinsen und Gebühren)

bis zu EUR 11 Mio.

Sachverständige GmbH

Inventarisierung und Bewertung bis zu EUR 25.000 des Anlage- und Umlaufvermögens der Schuldnerin

M&A Beratung GmbH

Durchführung eines M&AProzesses zur Vorbereitung einer Investorensuche

monatlich bis zu brutto EUR 10.000 zzgl. Erfolgshonorar

Zur Begründung erlauben wir uns folgende Ausführungen: 1. Gemäß § 21 Abs. 1 InsO hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. 2. Im vorliegenden Fall erscheint die (Einzel-)Ermächtigung der Schuldnerin zur Begründung der oben aufgeführten Masseverbindlichkeiten erforderlich. Sämtliche insoweit aufgeführte Zahlungspflichten können – jedenfalls teilweise bzw. abschließend – erst nach einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziffert und damit auch beglichen werden, so dass die entsprechenden Verpflichtungen nach Verfahrenseröffnung den Rang einer Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO hätten. Da die genannten Unternehmen nicht anderweitig gesichert werden

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M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

können, die entsprechenden Kreditgewährungen bzw. Leistungen indes zur Sicherung der Betriebsfortführung bzw. zur weiteren Verfahrensabwicklung im Interesse der Gläubigergemeinschaft erforderlich sind, erscheint insoweit eine Begründung von Masseverbindlichkeiten notwendig. Die Befriedigung der insoweit zu begründenden Masseverbindlichkeiten im weiteren Verfahrensverlauf erscheint angesichts der aktuellen Entwicklung der Liquiditätslage im Verfahren gesichert. Hierzu erlauben wir, auf die als Anlage beigefügte Liquiditätsplanung zu verweisen. 3. Sollte das Gericht zur Begründung der angeregten Einzelermächtigungen weitere Ausführungen für erforderlich halten, bitten wir höflich um entsprechenden Hinweis. Sollte das Gericht unserer Anregung folgen, wären wir für Überlassung des entsprechenden Beschlusses vorab per Telefax dankbar. Mit freundlichen Grüßen [Unterschrift] 6. Lieferanteninformationsschreiben im Eröffnungsverfahren 624 [Briefkopf der Schuldnerin] An die Lieferanten, Dienstleister und Versorger der XYZ GmbH Sanierung der XYZ GmbH in Eigenverwaltung/Weitere Zusammenarbeit mit Lieferanten, Dienstleistern und Versorgern Sehr geehrte Damen und Herren, die XYZ GmbH hat am […] wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ein Eigenverwaltungsverfahren nach §§ 270, 270a der Insolvenzordnung (InsO) beantragt. Das Amtsgericht […] – Insolvenzgericht – hat daraufhin mit Beschluss vom […] die vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO angeordnet. Die XYZ GmbH unter der Geschäftsführung von Herrn […] als bisherigem Geschäftsführer […] und Frau Rechtsanwältin […] als neu bestellte zusätzliche Sanierungs-Geschäftsführerin ist insoweit berechtigt, unter der Aufsicht des vorläufigen Sachwalters ihr Vermögen weiter zu verwalten und über es zu verfügen. Wie Sie dem beiliegenden Beschluss entnehmen können, hat das Amtsgericht […] – Insolvenzgericht – zugleich Herrn Rechtsanwalt […] als vorläufigen Sachwalter bestellt.

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II. Vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 InsO

Wenngleich wir die Einleitung eines Eigenverwaltungsverfahrens gern vermieden hätten, sehen wir doch hierin den richtigen Schritt, unser Ziel einer nachhaltigen Sanierung des Unternehmens und einer zukunftsorientierten Restrukturierung zu erreichen, um hierdurch den dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg unseres Unternehmens – auch im Interesse unserer Geschäftspartner – zu sichern. Um dieses Ziel bestmöglich erreichen zu können, wird die Geschäftsleitung zukünftig durch Frau Rechtsanwältin […] aus der Kanzlei […] als weitere (Sanierungs-)Geschäftsführerin verstärkt. Ihre Ansprechpartner im Unternehmen stehen Ihnen unabhängig hiervon auch weiterhin wie gewohnt zur Verfügung. Die vorläufige Eigenverwaltung ist eine seit dem Jahr 2012 bestehende neuartige Verfahrensform zur Restrukturierung von Unternehmen, die uns ermöglicht, mit der Unterstützung des eingesetzten vorläufigen Sachwalters den Geschäftsbetrieb in vollem Umfang fortzuführen. Alle Rechnungen aus neuen Bestellungen nach dem Insolvenzantrag werden wie üblich beglichen (hierzu sogleich unter Ziff. 3.). Wesentliche Grundlage einer erfolgreichen Sanierung – auch in Ihrem Interesse als Gläubiger und Geschäftspartner – ist jedoch die Fortführung unseres Unternehmens. Hierfür sind wir allerdings auf die Fortführung der – aus unserer Sicht bislang sehr guten und partnerschaftlichen – Zusammenarbeit mit Ihnen, unseren Lieferanten und Dienstleistern, angewiesen. Wir bitten Sie daher, unser Unternehmen auch in dieser Phase weiterhin durch Fortsetzung der Geschäftsbeziehung zu unterstützen. Die sich aus der vorläufigen Eigenverwaltung ergebenden Auswirkungen auf unsere Zusammenarbeit möchten wir im Folgenden kurz zusammenfassen: 1. Bezahlung bzw. Anmeldung Ihrer Altforderungen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, welche Sie vor dem […]575) erbracht haben, dürfen wir aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht mehr begleichen. Hierfür bitten wir um Verständnis. Diese Forderungen sind nach der voraussichtlich Anfang […] erfolgenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim hierfür zuständigen Sachwalter im Wege von Forderungsanmeldungen anzumelden. Der dann bestellte Sachwalter wird Ihnen hierzu zu gegebener Zeit unaufgefordert die entsprechenden Unterlagen zusenden. ___________ 575) In Abstimmung mit dem vorläufigen Sachwalter sollte nach dessen Bestellung und vor Veröffentlichung der Lieferanteninformation kurz geklärt werden, ob hinsichtlich der Abgrenzung von „Altforderungen“ und „Neuforderungen“ auf den Stichtag der Antragstellung oder auf den Stichtag der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung abzustellen ist. Im besten Fall wird es sich hierbei um denselben Tag handeln. Im Übrigen dürfte – gerade in Fällen, in denen die Zeitspanne zwischen Antragstellung und Anordnung nur einige Tage umfasst – vieles dafür sprechen, auf den Stichtag der Antragstellung abzustellen, da hierdurch Rückfragen einzelner Geschäftspartner und entsprechende Einzelverhandlungen vermieden werden können. Dies fördert nach der Erfahrung des Verfassers wesentlich die Möglichkeit einer reibungslosen Betriebsfortführung. Sollte der Stichtag der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung als maßgeblich gewählt werden, so ist dies an den entsprechenden Stellen dieses MusterLieferanteninformationsschreibens entsprechend zu ändern.

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M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

2. Wahrung von Eigentumsvorbehaltsrechten/Lieferantenpool Zur Sicherung Ihrer Eigentumsvorbehaltsrechte haben wir eine lieferantenbezogene Inventarisierung der Vorräte an Waren, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen auf den Stichtag der Antragstellung veranlasst. Nach Abschluss der Inventur und deren Überprüfung durch den vorläufigen Sachwalter werden wir Ihnen die Ihnen zuordenbaren Bestände der von Ihnen gelieferten Waren mitteilen. Ab Antragstellung erfolgte Entnahmen aus dem Warenlager werden bezahlt bzw. die entsprechenden Lieferantenrechte im weiteren Verfahrensverlauf abgegolten. Wir bitten Sie daher, von Veräußerungs- und Weiterverarbeitungsverboten abzusehen. Zwischenzeitlich wurde zudem – auch auf Anregung der Kreditversicherer – ein Lieferantenpool unter Führung von Herrn Rechtsanwalt […] als Lieferantenpoolverwalter gebildet. Der Lieferantenpoolverwalter wird die Eigentumsvorbehaltsrechte der Warenlieferanten in der vorläufigen Eigenverwaltung wie auch in einem eröffneten Verfahren vertreten. Wir bitten Sie daher, etwaige Eigentumsvorbehalte schriftlich unter Beifügung entsprechender Nachweise geltend zu machen und die entsprechenden Unterlagen direkt dem Lieferantenpoolverwalter unter folgender Anschrift zu übermitteln: […] Sofern wir nichts Gegenteiliges von Ihnen hören, gehen wir davon aus, dass Sie wegen der erfolgten Zahlungszusage mit der Weiterveräußerung bzw. Weiterverarbeitung bis zur abschließenden Prüfung einverstanden sind. 3. Zukünftige Bestellungen Angesichts der vom Gericht bewilligten vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270a InsO ist die XYZ GmbH nach wie vor verfügungsbefugt. Alle von uns ab dem […] ausgelösten Neubestellungen bitten wir daher, vereinbarungsgemäß abzuwickeln, da wir deren Bezahlung sicherstellen werden. Zu Ihrer eigenen Sicherheit bitten wir Sie jedoch darauf zu achten, dass Neubestellungen in jedem Fall von einer hierzu legitimierten Person gegengezeichnet sind; diese Personen können Sie der beigefügten Legitimationsliste576) entnehmen. Soweit die Bestellung entsprechend gegengezeichnet wurde, können Sie davon ausgehen, dass die Bestellung bezahlt werden wird. Eine jeweilige Genehmigung durch den vorläufigen Sachwalter ist insoweit – anders als im Fall einer vorläufigen Insolvenzverwaltung – angesichts der Ausgestaltung der vorläufigen Eigenverwaltung nach §§ 270a, 275 InsO gerade nicht erforderlich, soweit die Bestellungen zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören. Der vorläufige Sachwalter, der dieses Informationsschreiben zum Ausdruck der engen Zusammenarbeit mit uns ebenfalls unterzeichnet, wird von uns laufend über die wirtschaftliche Lage und die ausgelösten Bestellungen informiert, so dass er seinen Überwachungspflichten uneingeschränkt nachkommen kann. ___________ 576) Eine etwaig beigefügte Legitimationsliste sollte insoweit auch Unterschriftsproben der zeichnungsberechtigten Personen enthalten.

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III. Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

4. Bezahlmodus Im Hinblick auf die Sicherstellung der Zahlungen im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung bitten wir im Interesse der Stabilisierung und Fortführung des Geschäftsbetriebs davon abzusehen, Vorauskasse zu verlangen. Alle Leistungen werden im Rahmen der vereinbarten Zahlungsziele beglichen werden. Wir bitten Sie insoweit, Ihre Rechnungen zeitnah zu stellen. 5. Auf- und Verrechnungen Zuletzt erlauben wir uns, darauf hinzuweisen, dass die von uns getätigten Zahlungen ausschließlich die Gegenleistung für ab dem […] erbrachte Lieferungen und Leistungen darstellen. Eine Verrechnung mit etwaigen vor dem […] entstandenen Forderungen ist aus insolvenzrechtlichen Gründen (vgl. § 96 InsO) nicht zulässig bzw. wird spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. Im Übrigen stehen Ihnen im Unternehmen insbesondere die bisherigen Ansprechpartner nach wie vor zur Verfügung. Für etwaige ergänzende Rückfragen können Sie sich natürlich auch an die Unterzeichner sowie an die Kanzlei des vorläufigen Sachwalters wenden. Mit freundlichen Grüßen [Unterschriften der Geschäftsführer und des vorläufigen Sachwalters] Zurück per E-Mail an […]: Lieferanteninformation zur Kenntnis genommen und hiermit einverstanden. (Ort, Datum)

(Stempel, Unterschrift)

III. Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren 1. Eröffnungsbeschluss unter Anordnung der Eigenverwaltung In dem Verfahren über den Antrag der

625

[…] auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen erlässt das Amtsgericht […] am […] folgenden Beschluss: 1. Das Insolvenzverfahren wird am […] um […] Uhr eröffnet. 2. Es wird Eigenverwaltung angeordnet. [Die Schuldnerin ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über Gegenstände der Insolvenzmasse zu verfügen (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO).]577) ___________ 577) Der in eckigen Klammern vorgeschlagene Satz erläutert für den Leser des Eröffnungsbeschlusses die Anordnung der Eigenverwaltung in der gebotenen Kürze. Der Satz ist insoweit rein deklaratorisch und letztlich verzichtbar.

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M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

3. Zum Sachwalter wird bestellt: […] 4. Die Insolvenzgläubiger werden aufgefordert, Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) bis zum […] bei dem Sachwalter schriftlich anzumelden. Bei der Anmeldung sind Grund und Betrag der Forderung anzugeben. Die Forderungsanmeldungen und die Insolvenztabelle können durch die Beteiligten auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingesehen werden. 5. Berichtstermin sowie Termin zur Beschlussfassung der Gläubigerversammlung über die eventuelle Wahl eines anderen Sachwalters, über die Einsetzung eines Gläubigerausschusses sowie über die in den §§ 157 (Stilllegung bzw. Fortführung des Unternehmens), 272 (Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung), 276 (besonders bedeutsame Rechtshandlungen) und 277 (Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtshandlungen) InsO bezeichneten Angelegenheiten wird anberaumt auf [Datum, Uhrzeit und Ort]. 6. Prüfungstermin wird anberaumt auf [Datum, Uhrzeit und Ort]. 7. Sicherungsrechte an beweglichen Gegenständen oder an Rechten sind der Schuldnerin578) und dem Sachwalter unverzüglich anzuzeigen (§ 28 Abs. 2 InsO). Der Gegenstand an dem das Sicherungsrecht beansprucht wird, die Art und der Entstehungsgrund des Sicherungsrechts sowie die gesicherte Forderung sind zu bezeichnen. Wer die Mitteilung schuldhaft unterlässt oder verzögert, haftet für den daraus entstehenden Schaden (§ 28 Abs. 2 InsO). 8. Der Sachwalter wird gemäß § 8 Abs. 3 InsO beauftragt, die in dem Verfahren vorzunehmenden Zustellungen, beginnend mit der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses nach § 30 InsO, durchzuführen. Ausgenommen ist die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an die Schuldnerin; diese erfolgt durch das Insolvenzgericht. Die öffentlichen Bekanntmachungen obliegen weiterhin dem Insolvenzgericht. Gründe: Der Antrag ist am […] bei Gericht eingegangen. Die Schuldnerin hat im Zuständigkeitsbereich des Gerichts ihren allgemeinen Gerichtsstand (§ 3 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ein hiervon abweichender Mittelpunkt einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Schuldnerin liegt nach den Feststellungen des Gerichts nicht vor (§ 3 Abs. 1 Satz 2 InsO). Nach den Feststellungen des Gerichts sind Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung gegeben. ___________ 578) Nach hier vertretener Auffassung ist § 28 Abs. 2 InsO im Fall der Eigenverwaltung dahingehend gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO entsprechend anzuwenden, dass die Mitteilung von Sicherungsrechten an Schuldner und Sachwalter zu erfolgen hat; vgl. hierzu bereits Rz. 39.

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III. Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

Die Schuldnerin hat die Anordnung der Eigenverwaltung beantragt. Es sind keine Umstände bekannt, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. [Rechtsbehelfsbelehrung]579) 2. Aufhebungsbeschluss gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO […]

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In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der […] erlässt das Amtsgericht […] am […] folgenden Beschluss: 1. Die Anordnung der Eigenverwaltung wird am […] um […] Uhr gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO aufgehoben. 2. Zum Insolvenzverwalter wird bestellt: […] 3. Personen, die Verpflichtungen gegenüber der Schuldnerin haben, werden aufgefordert, nicht mehr an die Schuldnerin, sondern an den Insolvenzverwalter zu leisten (§ 28 Abs. 3 InsO). Der Insolvenzverwalter wird gemäß § 8 Abs. 3 InsO beauftragt, die Zustellungen an die Schuldner der Schuldnerin nach § 30 InsO durchzuführen. Gründe: Die Schuldnerin hat durch Schriftsatz vom […] die Aufhebung der durch Eröffnungsbeschluss vom […] angeordneten Eigenverwaltung beantragt. Das Gericht hat daher – ohne dass ihm insoweit ein Entscheidungsspielraum zusteht – die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung zu beschließen. Zugleich hat das Gericht insoweit einen Insolvenzverwalter zu bestellen, wobei es gemäß § 272 Abs. 3 InsO auch den bisherigen Sachwalter zum Insolvenzverwalter bestellen kann. Angesichts des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter war zugleich die Anordnung gemäß § 28 Abs. 3 InsO auszusprechen. [Rechtsbehelfsbelehrung]

___________ 579) Vgl. zur Pflicht zur Aufnahme einer Rechtsbehelfsbelehrung §§ 4 InsO, 232 ZPO sowie Zipperer, NZI 2013, 865.

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M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

3. Verwertungsvereinbarung580) Verwertungsvereinbarung

627 zwischen der […]

– im Folgenden: Bank – und der XYZ GmbH, […], vertreten durch den einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer […] – im Folgenden: Schuldnerin – unter Zustimmung des Herrn Rechtsanwalt […] in seiner Eigenschaft als Sachwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin – im Folgenden: Sachwalter – Vorbemerkung: Durch Beschluss des Amtsgerichts […] – Insolvenzgericht – vom […] wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die Eigenverwaltung angeordnet (Gz. 1 IN 234/16). Zum Sachwalter wurde Herr Rechtsanwalt […] bestellt. Der Bank stehen Sicherungsrechte an verschiedenen Gegenständen der Schuldnerin zu. Die Schuldnerin strebt im Rahmen des eingeleiteten Eigenverwaltungsverfahrens eine Sanierung an, wobei insoweit sowohl eine Insolvenzplanlösung als auch eine übertragende Sanierung in Betracht kommen. Hierzu wurde ein entsprechender M&A-Prozess eingeleitet. Im Rahmen der angedachten Lösung soll es auch zu einer – ggf. teilweisen – Befriedigung der Bank aus deren Sicherheiten kommen. Zur einvernehmlichen Regelung der im Zusammenhang mit der Verwertung des Sicherungsgut bestehenden Fragen schließen die Parteien folgende Vereinbarung: § 1 Gegenstand der Vereinbarung 1. Gegenstand dieser Vereinbarung ist die Verwertung der Immobilie und des beweglichen Sicherungsguts. ___________ 580) Das vorliegende Muster dient insbesondere auch zum Ausschluss von Nachteilen der Eigenverwaltung im Hinblick auf im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren gesetzlich nicht vorgesehene Feststellungskostenbeiträge.

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III. Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

2. Immobilie im Sinne dieser Vereinbarung ist die im Eigentum der Schuldnerin stehende Immobilie […], eingetragen beim Grundbuchamt des Amtsgerichts […], Grundbuch von […], Blatt […]. 3. Bewegliches Sicherungsgut sind die in der Anlage 1 genannten Gegenstände. 4

Sicherungsgut im Sinne dieser Vereinbarung sind die in Abs. 2 und 3 genannten Gegenstände.

5. Verwertung im Sinne dieser Vereinbarung sind der freihändige Verkauf von Sicherungsgut oder die Vereinbarung der Ablösung des Sicherungsguts durch Umfinanzierung zur Vorbereitung eines Insolvenzplans oder im Rahmen eines Insolvenzplans. § 2 Freihändiger Verkauf / Insolvenzplan 1. Die Parteien beabsichtigen eine Verwertung des Sicherungsguts in gemeinsamer Abstimmung zwischen den Parteien. 2. Die Schuldnerin hat zur Erlangung bestmöglicher Ergebnisse der Verwertung ein M&A-Beratungsunternehmen beauftragt. Über den Stand des M&AProzesses wird die Schuldnerin die Bank in der Regel wenigstens einmal monatlich unterrichten. 3. Die Bank ist im Übrigen im Fall eines freihändigen Verkaufs gemäß § 168 InsO einzubinden. Die Rechte der Bank nach der InsO bleiben insoweit unberührt. 4. Im Fall einer Ablösung des Sicherungsguts zur Vorbereitung oder im Rahmen eines Insolvenzplans ist eine Einbindung der Bank bereits dadurch gewährleistet, dass hierfür eine entsprechende Einigung mit der Bank erforderlich ist. § 3 Definition des Verwertungserlöses 1. Im Fall einer freihändigen Verwertung ist Verwertungserlös derjenige Betrag, der als Brutto-Kaufpreis geschuldet ist. Im Fall des Verkaufs der Immobilie unter Umsatzbesteuerung nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG ist Verwertungserlös lediglich der Netto-Kaufpreis. 2. Im Fall einer Umfinanzierung zur Vorbereitung eines Insolvenzplans oder im Rahmen eines Insolvenzplans ist Verwertungserlös derjenige Betrag, auf den sich die Schuldnerin unter Zustimmung des Sachwalters und die Bank als Ablösebetrag für das jeweilige Sicherungsgut einigen. § 4 Verteilung des Erlöses/Kostenbeiträge 1. Aus dem Verwertungserlös gebührt der Insolvenzmasse vorab ein pauschaler Feststellungskostenbeitrag i. H. v. zwei v. H. des Verwertungserlöses der

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M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

Immobilie und in Höhe von vier581) v. H. des Verwertungserlöses des beweglichen Sicherungsguts. 2. Weiterhin gebühren der Insolvenzmasse aus dem Verwertungserlös vorab die tatsächlich angefallenen Kosten der Verwertung, insbesondere das aus dem jeweiligen Verwertungserlös zu berechnende Erfolgshonorar des hinzugezogenen M&A-Beratungsunternehmens. Pauschale Verwertungskosten582) fallen hingegen nicht an. 3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Verwertungskosten gemäß Abs. 2 ein Entgelt für eine Leistung darstellen, welche umsatzsteuerpflichtig ist (vgl. BFH, Urt. v. 18.08.2005, Gz. VR 31/04). Die Schuldnerin ist insoweit verpflichtet, der Bank eine ordnungsgemäße Rechnung gemäß § 14 UStG zu stellen. Die gemäß Abs. 1 vereinbarten Feststellungskostenbeiträge sind demgegenüber kein umsatzsteuerpflichtiges Entgelt. 4. Neben den gemäß Abs. 1 und Abs. 2 vorgesehenen Kostenbeiträgen sind aus dem Verwertungserlös etwaig anfallende Umsatzsteuerbeträge zu entnehmen, welche die Insolvenzmasse dem Fiskus schuldet. Dies gilt insbesondere für Umsatzsteuerbeträge aus dem Brutto-Kaufpreis für das bewegliche Sicherungsgut, sofern insoweit Umsatzsteuer anfällt. Im Übrigen wird die Schuldnerin anstreben, Steuerbelastungen zu vermeiden; insbesondere soll die Immobilie unter Option zur Umsatzsteuer veräußert werden, um eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG zu vermeiden. 5. Aus dem Verwertungserlös sind weiterhin etwaige vorrangige Rechte Dritter, insbesondere aus öffentlichen Lasten oder ähnlichen Rechten, vorrangig abzugelten, soweit diese auch im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens den Rechten der Bank im Rang vorgehen würden. 6. Aus dem nach Abzug der vorgenannten Beträge verbleibenden Verwertungserlös ist die Bank abgesondert zu befriedigen, wobei insoweit vereinbart wird, dass der Bank Beträge wie im Fall der Verteilung des Verwertungserlöses im Falle der Zwangsversteigerung zustehen. Zahlungen an die Bank aus dem Verwertungserlös erfolgen insoweit ausschließlich auf die Absonderungsrechte, nicht hingegen auf die persönlichen Forderungen.

___________ 581) Die Höhe der hier vereinbarten Feststellungskostenbeiträge im Rahmen der Verwertung beweglichen Sicherungsguts orientiert sich vollumfänglich an der entsprechenden Regelung für die Regelinsolvenz gemäß § 171 Abs. 1 InsO, um mögliche Nachteile der Eigenverwaltung gegenüber der Regelinsolvenz auszuschließen. 582) Im Fall eines aufwändigen Forderungseinzugs hinsichtlich globalzedierter Forderungen oder bei umfangreicher Verwertung von Sicherungsgut (z. B. Warenvorräte) empfiehlt sich ggf. die Vereinbarung eines pauschalen Verwertungskostenbeitrags, um eine andernfalls aufwändige Abrechnung des tatsächlichen Aufwands gemäß § 282 Abs. 1 Satz 3 InsO zu vermeiden. Als tatsächliche Verwertungskosten dürften insoweit letztlich auch anteilige Personalkosten bei der Schuldnerin berücksichtigungsfähig sein.

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III. Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren

§ 5 Nutzungsentschädigung 1. Die Schuldnerin ist im Verhältnis zur Bank zur Nutzung der Immobilie und des beweglichen Sicherungsguts berechtigt. Die Bank verpflichtet sich insoweit für die Laufzeit dieser Vereinbarung, auf die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, insbesondere Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, zu verzichten. 2. Der von der Schuldnerin als Ausgleich zu leistende Wertausgleich gemäß § 172 InsO wird für die Zeit ab dem […]einvernehmlich auf einen monatlichen Betrag i. H. v. EUR […] festgelegt. Hiermit sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen der Schuldnerin im Hinblick auf die Nutzung des Sicherungsguts abgegolten. 3. Die Bank hat die gemäß Abs. 2 erhaltenen Ausgleichszahlungen zunächst auf die Zinsen und sodann auf die Hauptschuld anzurechnen. § 6 Wertgutachten Immobilie Die Schuldnerin und die Bank sind sich darin einig, dass Voraussetzung eines geordneten Verwertungsprozesses hinsichtlich der Immobilie die Einholung eines Wertgutachtens hierfür ist. Die Bank verpflichtet sich insoweit, der Schuldnerin die entsprechenden Kosten gegen Nachweis zu 50 v. H. der Netto-Kosten zu erstatten. § 7 Vorbehalt der Insolvenzanfechtung Diese Vereinbarung ändert nichts an der bei ihrem Abschluss bestehenden Sachund Rechtslage betreffend die der Bank zustehenden Sicherungsrechte. Soweit Zahlungen an die Bank auf Grundlage dieser Vereinbarung bereits vor der abschließenden Prüfung der bislang nur vorläufig geprüften Insolvenzfestigkeit der Bestellung der Absonderungsrechte der Bank erfolgen, stehen diese unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Der Sachwalter wird der Bank das Ergebnis seiner Prüfung der Insolvenzfestigkeit der Absonderungsrechte frühzeitig nach Abschluss der entsprechenden Prüfung mitteilen. § 8 Laufzeit und Kündigung dieser Vereinbarung 1. Diese Vereinbarung ist auf unbeschränkte Zeit geschlossen. 2. Die Bank und die Schuldnerin haben das Recht, diese Vereinbarung mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende zu kündigen, wobei die Kündigung insoweit frühestens zum […] zugelassen ist. Die Kündigung hat schriftlich oder per Telefax zu erfolgen. Die Kündigung der Schuldnerin bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Sachwalters.

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M. Anhang: Musterformulare zur Eigenverwaltung

3. Wird die Anordnung der Eigenverwaltung durch Beschluss des Insolvenzgerichts aufgehoben, so tritt der sodann bestellte Insolvenzverwalter für Zwecke dieser Vereinbarung an die Stelle der Schuldnerin. In diesem Fall haben beide Seiten das Recht, diese Vereinbarung innerhalb eines Monats nach Zugang des Beschlusses über die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung fristlos zu kündigen. Sofern zum Insolvenzverwalter eine andere Person als der Sachwalter bestellt wird, beginnt für diesen die Monatsfrist erst mit Bekanntwerden dieser Vereinbarung zu laufen. § 9 Sonstige Regelungen 1. Dieser Vertrag unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Ausschließlicher Gerichtsstand ist […]. 2. Die mit dem Abschluss dieser Vereinbarung verbundenen Kosten trägt jede Partei selbst. 3. Sollten Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder werden oder sollte sich in dieser Vereinbarung eine Lücke herausstellen, so soll hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt werden. Anstelle der unwirksamen Bestimmung oder zur Ausfüllung einer Lücke soll eine angemessene Regelung vereinbart werden, die, soweit nur rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragschließenden gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck des Vertrages gewollt hätten, soweit sie den Punkt bedacht hätten. Beruht die Unwirksamkeit einer Bestimmung auf einem in ihr angegebenen Maß, einer Leistung oder Gegenleistung oder der Zeit (Frist oder Termin), so soll das der Bestimmung am nächsten kommende rechtlich zulässige Maß oder Leistung oder Gegenleistung oder Zeit (Frist oder Termin) an deren Stelle treten. 4. Nebenabreden zu dieser Vereinbarung bestehen nicht. Jede Abänderung oder Ergänzung dieser Vereinbarung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform oder der Wiedergabe der von den handelnden Personen auf jeder Seite paraphierten und an der vorgesehenen Stelle unterzeichneten Erklärungen mittels Telefax oder mittels Scan-Dokument. Dies gilt auch für die Änderung oder Ergänzung dieser Formklausel selbst. [Unterschriften] Anlage 1: Aufstellung des beweglichen Sicherungsguts

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Stichwortverzeichnis Ablehnung 58 ff. – – – –

Begründung 60 Gehörsrüge 62 Gläubigerversammlung 60 Hinweispflicht des Gerichts 59 – sofortige Beschwerde 61 Abschlags- oder Schlussverteilung 309 Absonderungsberechtigte 14, 172, 175, 184, 192, 341 Absonderungsgut 203, 400 – Ausgleichszahlung 190 – bewegliches 180 ff., 188 – Nutzung 172 – unbewegliches 173 ff. – Verwertung 172 ff., 180, 512 Absonderungsrechte 37, 174, 189, 200, 329, 512, 597 Amtsermittlung 18 f. – zusätzliche 20 Ander- oder Treuhandkonto 261, 341 Anfechtungslösung 486 ff. Anlagevermögen 512 Anordnung 5 ff., 38 ff., 68, 72, 335, 372 – Anspruch 12 – Antrag 9, 408, s. a. Eigenverwaltungsantrag – Aufhebung 11, 81, 82 ff., 98 ff., 109 ff. – Begründung 40 – Datum und Stunde 72 – Eröffnungsbeschluss 6 – erneute 116 – gerichtliche 5, 92 – Gehörsrüge 62 – Gläubigerbenachteiligung 7, 13, 15 – nachträgliche 63 ff., s. a. Nachträgliche Anordnung

– öffentliche Bekanntmachung 73, 334 f., 372 – sofortige Beschwerde 373 – Verfügungsbeschränkungen 318 – Voraussetzungen 7, 58 Anordnungsbeschluss 71, 73 f., 401 – öffentliche Bekanntmachung 73, 334 f. – Zustellung 74, 336 Antrag 9 ff., s. a. Eigenverwaltungsantrag, Insolvenzantrag – Ablehnung 58 ff. – Aufhebung von Amts wegen 83 – Einreichung 462 ff. – Form 10 – Gehörsrüge 62 – gerichtliche Prognose 13 ff. – Inhalt 10 – Nachteilsprognose 7, 12, 15 – Rechtsbehelfe 61 ff. – Rücknahme 11 – Schuldner 9 f. – sofortige Beschwerde 61 Arbeitsverhältnisse 157 – Betriebsverfassungsrecht 166 – Interessenausgleich 167 – Kündigung 161 ff. – Kündigungsschutz 163 – Sozialauswahl 167 – Sozialplan 170 Aufhebungsbeschluss 101, 106 – Bestellung Insolvenzverwalter 104 – Datum und Stunde 105 – Inhalt 103 – öffentliche Bekanntmachung 107 – Zustellung 108

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Stichwortverzeichnis

Auftrags- und Geschäftsbesorgungsvertrag 152 ff. Auslagen 578, 583 – Sachwalter 583 – vorläufiger Sachwalter 584 Aussonderungsberechtigter 14, 341 Aussonderungsgut 400 Aussonderungsrechte 200, 597

Bankenhaftung 269 Bargeschäfte 352, 482, 603 Berater, insolvenzrechtlicher 26, 33, 599 f. Beratungskosten 600, 612 ff. Bescheiniger 412 ff. – Berufsträgerstellung 413 – Erfahrung 413 – Haftung 418 – Neutralität 414 – Qualifikation 413 – Unabhängigkeit 414 – Unternehmensberater 412 Bescheinigung 410 ff., 416 ff. – Anforderungen 416 – gerichtliche Prüfung 420 – mit Gründen versehene 416 – Mängel 420 – nachgebesserte 420 – Stichtag der Antragsstellung 417 Beschwerde, sofortige 61, 79, 114 Betriebseinstellung 129, 541 Betriebsfortführung 127 ff., 397, 439 ff. – Altverbindlichkeiten 483 – Banken 450, 456 – Buchhaltungs- und Planungsdaten 467 – defizitäre 278 – Dienstleister 481 – Eröffnungsverfahren 465 ff., 500 – Fortführungsfinanzierung 473 ff. – geordnete 439, 443

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– Insolvenzverfahren 499 ff. – Jour-fixes 469 – Lieferanten 456, 481 – Liquidität 449 ff., 469, 482 – Massekredite 450, 453 ff., 474 – Sanierungskonzept 445, 449 – Sanierungsoptionen 445 ff. – Sicherungsmaßnahmen 400 – Versorger 481 – Zuständigkeiten 469 Betriebsfortführungsbefugnis 123 ff. Betriebsimmobilien 127, 137, 174, 512 Betriebsverfassungsrecht 166 Betriebsvermögen – geleastes 400 – sicherungsübereignetes 400 Buchführungspflicht 30, 210

Chapter 11 U.S. Bankruptcy Code 3, 531 Chief Restructuring Officer 26, 47, 575, 609

Dereliktion 126 Dienstleister 481, 553, 556 – Kommunikations- 560 Drittschuldner 39, 106, 558 Eigentumsaufgabe 126 – bewegliche Sachen 126 – Grundstück 126 Eigentumsvorbehalt 180, 476, 502 – erweiterter 180, 512 – verlängerter 180, 512 Eigenverwaltungsantrag 320 f., 326, 408 – Ablehnung 58 – Aussichtslosigkeit (offensichtliche) 327, 329, 331, 438 – Einzelfallprüfung 329 – fehlende Mitwirkung 329, 331 – gerichtliche Prüfungspflicht 328

Stichwortverzeichnis

– zurückgenommener 438 – Vorbesprechung 10 Einzelermächtigung 351, 380 ff., 389, 475, 482, 502 – Anforderungen (inhaltliche) 392 – Anordnung 386, 389 f., 392 – Beispiel 392 – Erforderlichkeit 386 – Liquiditätsplanung 387 – Rechtsmittel 391 – Voraussetzungen 386 Eröffnungsbeschluss 7, 38 f., 58 – Bestellung des Sachwalters 38, 43 ff., 299 – Drittschuldner 39 – öffentliche Bekanntmachung 41 – Zustellung 41 f., 299 Eröffnungsverfahren 337 ff., 343 – Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit 368 ff. – Besonderheiten 355 – Fortführung 437 – Gesellschaftsorgane 346

Forderung – Feststellungsklage 307 – Feststellungsrechtsstreit 305, 307 – nicht titulierte 307 – sicherungsabgetretene 183 – Widerspruchsrecht 304 ff., 307 Forderungsanmeldung 298 ff. – formale 301 – Frist 106 – im schriftlichen Verfahren 303 – Prüfungstermin 303 – Sachwalter 300 f. – Tabelle 302 Forderungsprüfung 298, 314 – Vorbereitung 314 Freigabe 126

Gehörsrüge 62 Generalklausel 369 Gericht s. Insolvenzgericht Gesamtschaden 268 Geschäftsbesorgungsverträge 152 ff. Geschäftsleiter 29 ff. – Abberufung 366 – Anstellungsvertrag 610 – Bestellung 366 – Haftung 485, 517 ff. – Vergütung 599, 608 ff. Gesellschafterhaftung 271 Girokonto 156 Gläubiger 14, 20, 555, 557 – Anhörung 20 – Antragsrecht 88 f., 369 – Ausgleichsanspruch 402 – Benachteiligung 7, 13 ff., 26 – nachrangige 89 – Nachteilsanzeige 290 f. – Nachteilsprognose 7, 12, 15, 21, 31 – Schutzschrift 326 – Stellungnahme 19 – Vorbehalte 33 Gläubigerausschuss 67, 137 – Anhörung 333 – Haftung 269 – Nachteilsanzeige 290 f. – vorläufiger 22 f., 34, 54 f., 67, 329, 369, 394, 458, 578 – Zustimmung 276, 510 Gläubigerausschussvotum 323 Gläubigerbefriedigung 523 Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz 26, 267, 355, 501 Gläubigerinsolvenzantrag 8 Gläubigerversammlung 60, 137, 276, 285 – Aufhebung Eigenverwaltung 83 f., 115 – Durchführung 213 ff. – Einberufung 214, 297

227

Stichwortverzeichnis

– – – – – –

frühzeitige Einberufung 67 Kopfmehrheit 64, 85 Summenmehrheit 64, 85 Teilnahmerecht 214, 296 Vorbereitung 214 Vorschlag Insolvenzverwalter 104 – Vorschlag Sachwalter 69 f. Globalzession 476 Grundpfandrechte 479, 512

Haftpflichtversicherung 134 Haftung 515 ff. – Bescheiniger 418 – Geschäftsleiter 485, 517 ff. – Insolvenzverwalter 528 – Masseschmälerung 519 ff. – Masseverbindlichkeiten 529 – Sachwalter 245, 267, 271, 525 ff. – Schuldner 516 – Steuer 564, 566 – unerlaubte Handlung 524 – Verletzung Organpflichten 523 Individualschäden 268 Insolvenzanfechtung 272 ff., 347 ff., 482 – Bargeschäfte 352, 482, 603 – Masseverbindlichkeiten im Rahmen einer (Einzel-)Ermächtigung 350 ff. – Rechtshandlungen mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters 352 – Rechtshandlungen ohne Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters 351 – Sozialversicherungsbeiträge 485 – Steuer 485 – Vorbehalt 485 – vorbehaltlose Mitwirkung bzw. Zustimmung des vorläufigen Sachwalters 352

228

Insolvenzantrag 326, 329, 462 – Anlagen 326 – fehlende Transparenz 329 – Muster 571 Insolvenzantragspflicht 29, 269 Insolvenzdelikt 329 Insolvenzforderungen 501 ff. Insolvenzgeldvorfinanzierung 424, 473 – Bundesagentur für Arbeit 473 Insolvenzgericht 27 – Amtsermittlung 18 – Amtshaftung 269 – Auswahl Sachwalter 50 – Behördenanfrage 20 – Beschluss 71, 401, 433 – Bestellung Sachwalter 44, 50, 70 – Bundeszentralregister 20 – Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes 325 – Gehörsrüge 62 – Generalklausel 369 – gerichtliche Pflichtenbestimmung 344 – Hinweispflicht 59 – Prognose 13 ff., 18 ff., 25, 367 – Sicherungsmaßnahmen 327 – Zustimmungsbedürftigkeit 241, 243, 369 Insolvenzmasse 124 ff., 134, 140, 278, 504, 601 – unbewegliche Gegenstände 173 Insolvenzplan 15, 409, 423, 435, 446 f., 591 – Einreichung 542 – Erstellung 533 ff. – Frist 424, 435 ff., 532 – M&A-Prozess 539 ff., 591 – Sachwalter 535 ff. Insolvenztabelle 314 Insolvenzverfahren 499 ff. – Drittrechte 507 – Verträge 504 ff.

Stichwortverzeichnis

– Verwertung 509 ff. Insolvenzverschleppung 329 Insolvenzverwalter 75 f. – Rechtsstreite 77 – Bestellung nach Aufhebung 104 – Gläubigerversammlung 104 – nachträgliche Anordnung 76 – Planinitiativrecht 533 – Verwertungsmaßnahmen 76 – vorläufiger s. Vorläufiger Insolvenzverwalter Inventarisierung 477

Kassenführungslösung 491 ff. Kassenführungsrecht 135 f., 257 ff., 284, 312, 360 ff., 491 – modifiziertes 262 ff, 364, 471 Kommunikation 33, 147, 459, 472, 543 ff., 551 ff. Konten 156, 257 Konzern 571 ff. – Dominoeffekt 572 – Kooperations- bzw. Koordinationsvereinbarungen 574 – Leitungsmacht 574 Kostenbeiträge 37 Kostennachteile 35 ff. Kunden 32 f., 456, 554, 556 Lieferanten 32 f., 456, 481, 553, 556 Lieferantenpool 478 Liquiditätsplanung 219 f., 387, 452, 482, 529

M&A-Prozess 538 ff., 591, 600 – offener 540 – transparenter 540 Massearmut 284 Massegläubiger 14, 90 Massekredite 450, 453 ff., 474 – echte 450 – unechte 450, 476, 479 f. Masseschmälerung 519 ff., 564

Masseschmälerungshaftung 519, 523 Masseunzulänglichkeit 90, 283, 482 – Anzeige 282 – drohende 261 Masseverbindlichkeiten 110, 133, 200, 277, 281, 370, 379 f., 402, 432, 475, 482 – Eröffnungsverfahren 601 f. – Nichterfüllbarkeit 529 Minderheitenschutz 81 Musterformulare 616 ff. – Aufhebungsbeschluss 626 – Eigenverwaltung 619, 625 – Einzelermächtigung 623 – Insolvenzantrag 617 – Lieferanteninformationsschreiben 624 – Schutzbrief 618 – Sozialversicherungsleistungen 622 – Steuern 622 – Verwertungsvereinbarung 627 – Zustimmungsvorbehalt 621

Nachteile 15 ff., 92, 288 – erwartbare 16, 25, 293 – mittelbare 17 – Verhinderung 292, 328 Nachteilsanzeige 194, 224, 232, 278, 288 ff., 297, 375 ff., 476, 526, 541, 606 – öffentliche Bekanntmachung 290, 376 Nachteilsprognose 7, 12, 15, 21, 31, 36, 367 – positive 12 – Verfahrungsverzögerung 15 Nachträgliche Anordnung 63 ff. – Gläubigerversammlung 64 – öffentliche Bekanntmachung 73 – Rechtsstellung 75 – sofortige Beschwerde 79 – Verfahren 71 ff. – Voraussetzungen 64 ff.

229

Stichwortverzeichnis

– Zustimmung des Schuldners 65, s. a. Anordnung Nachtragsverteilung 310

Patronatserklärung 269 Planinitiativrecht 533 – Insolvenzverwalter 533 – originäres 534 – Schuldner 533 f. Prognose 94 – Fallgruppen 17, 25 – gerichtliche 13 ff., 18 – Nachteils- 7, 12, 15, 21, 31, 36, 367 Prokura 153, 157 – Eintragung ins Handelsregister 157 – Neuerteilung 157 Quotenverschlechterungsschaden

– – – – – – – – – – – – – – – – –

268 –

Rechnungslegung, pagatorische 210 Rechtspflegererinnerung 80 Rechtsstreit 77 f., 199 f. – anhängiger 197 – Aufnahme 77, 112, 198 – Unterbrechung 111 Regelinsolvenz – Anhörung des Sachwalters 102 – Gläubiger 87 f., 90, 92 – Glaubhaftmachung 96 – juristische Person 100 – Personengesellschaft 100 – Schuldner 97 f., 102

Sachverständiger 19 f., 402 Sachwalter 118, 142, 300, 442, 505, 575 – Abberufung der Geschäftsleitung 253 – Abstimmung mit Schuldner 76, 314, 474, 545 – Anfechtungsrecht 273

230

– – – – – – – – – – – – – – – – – –

Anforderungen 44 Anhörung 102 Arbeitgeberaufgaben 160 Aufsichtspflicht 43, 47, 136, 225, 257, 285, 294 Auslagen 578, 583 Auswahl 50, 68 ff. Beratungstätigkeit 48 Bestellung 38, 69 Controlling 220 Durchsetzung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche 274 Eignung 45 Forderungsanmeldung 300 ff. Geschäftskunde 45 Gläubigerversammlung 295 ff. Haftung 245, 267, 269, 525 ff. Kassenführungsrecht 135 f., 257 ff., 262 ff., 284, 312, 569 Liquiditäts-, Ertrags- und Finanzplanung 219 Mitwirkung 136, 226 f., 233, 247 ff., 253, 613 f. Nachteilsanzeige 194, 224, 232, 288 ff., 606 Neubestellung der Geschäftsleitung 253 Organhaftungsansprüche 275 Partei kraft Amtes 276 personenidentischer 575 Rechtsstellung 216 f. Rechtsstreite 77 Redepflichten 285 Rederechte 285 Sonder- 270, 575 steuerrechtliche Pflichten 569 Überwachung der Geschäftsführung 219, 221, 537 Überwachung der wirtschaftlichen Lage 219 Unabhängigkeit 46 ff. Vergütung 36, 578 ff., 593, 615 Verteilungsverzeichnis 311 vorgeschlagener 51 f., 56 f., 69 Vorgespräche 49

Stichwortverzeichnis

– vorläufiger s. Vorläufiger Sachwalter – Zuschläge 581 – Zustellung 41 f. – Zustimmungsvorbehalt 234 ff. – Zwischenberichte 293 Sale-and-Lease-Back 179 Sanierungsinstrument 140, 157, 446 – Betriebsänderung 166 – Sonderkündigungsrecht 161 ff. – Wahlrecht 144 Sanierungsmaßnahmen 513 ff. Schlussrechnung 211 f. Schuldner 9 f., 19, 21, 27, 118, 369 – Abstimmung mit Sachwalter 314, 474, 503, 545, 560 – Altverbindlichkeiten 344 – Amtswalter in eigenen Angelegenheiten 121, 154 – Anfechtungsrecht 273 – Anhörung 97, 102 – Antragsrecht Regelinsolvenz 98, 115 – Arbeitgeberstellung 160 – Auskunfts- und Mitwirkungspflicht 31, 34, 223, 280, 287, 340, 344, 365 – Befugnisse 119, 141 ff. – Begleichung der Masseverbindlichkeiten 281 – Benutzungsrecht 189 – Berichtserstattung 34, 208 f. – Beschränkung der Verfügungsmacht 135 ff., 233 – Betriebseinstellung 129 f. – Betriebsfortführung 123, 127 ff., 397 – Buchführungspflicht 30, 210 – Geschäftsführungsbefugnis 123 – Geschäftspartner 32 f. – Gläubigerversammlung 213 ff. – Gläubigervertrauen 32 – Haftung 516

– Informationspflicht 142 – Insolvenzantragspflicht 29 – insolvenzrechtliche Kenntnisse 26 f., 292, 591 – insolvenzrechtliche Sicherungspflicht 345 – insolvenzweckwidrige Rechtshandlung 138 – Kommunikation 33, 147, 459, 472 – Nachtragsverteilung 310 – Pflichtenbindung 122, 345 – Planinitiativrecht 533 f. – Privatautonomie 339 – Prozessbefugnis 196 – Rechnungslegung 210 – Rechtsstellung 119, 338 – Schlussbericht 210 – Schlussrechnung 211 f. – Schlussverteilung 310 – Sicherungsrechte 39 – Sonderrechte 110, 140 ff., 514 – steuerrechtliche Pflichten 563 f. – Unterrichtungspflicht 182 – Vermögenssicherungspflicht 344 – Verteilungsverzeichnis 310 – Verwertungsrecht 172 ff. – Verzeichnisse 203 ff. – Vorschlagsrecht 429 – Vorstrafen 20 – Wahlrecht 110, 143 ff. – Weiterverarbeitungsrecht 189 – Zustimmung nachträgliche Anordnung 65 ff. – Zustimmungsvorbehalt 234, 240 – Zwischenberichte 34, 209 f., 212 – Zwischenrechnung 212 Schutzschirmverfahren 10, 34, 53, 404 ff. – Ablehnung 433 ff.

231

Stichwortverzeichnis

– Antrag auf Anordnung Eigenverwaltung 408 – Bescheinigung 410 ff., 416, 419 ff., s. a. Bescheiniger – Besonderheiten 405 – Insolvenzantrag Schuldner 408 – Insolvenzplan 409, 423, 435 – Voraussetzungen 408 ff., 419 ff. – vorläufiger Sachwalter 427 ff. – Vorschlagsrecht Schuldner 429 Schutzschrift 33, 326 Sicherungsrechte 39, 479 Sonderkündigungsrecht 148 ff., 161, 164 – Miet- und Pachtverhältnis 148 ff. Sondersachwalter 270 Sozialversicherungsbeiträge 370, 485 ff., s. a. Anfechtungslösung, Kassenführungslösung, Zustimmungsvorbehaltslösung Steuerrecht 561 ff. Steuerverbindlichkeiten 370, 486, s. a. Anfechtungslösung, Kassenführungslösung, Zustimmungsvorbehaltslösung

Teilgesamtschaden 268 Treuhandmodell 482, 502

Unternehmensgruppe 571 ff. – Dominoeffekt 572

Verfahren 71 ff. Verfahrensabwicklung – Art 84 – intransparente 17, 34 Vergleichsverfahren 3 Vergütung 578 ff. – Anpassung 611 – Berater 599

232

– Berechnungsgrundlage 580, 594 – Geschäftsleiter 599, 608 ff. – Regel- 579 – Regelsatz 585 ff. – Sachwalter 36, 578 ff. – Sonderkündigungsrecht 611 – Vergleichsberechnung 592 – vorläufiger Sachwalter 584 ff. – Zuschläge 581 Vermieterpfandrecht 180 Vermögen, unbewegliches 370 Vermögenssicherungspflicht 344 Versorger 481, 553, 556 Verteilungsverzeichnis 310 – öffentliche Bekanntmachung 310 – Zustimmung Sachwalter 312 Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis 109, 117, 123, 266 – Insolvenzverwalter 103, 109 – Sachwalter 215, 266, 565, 567 – Schuldner 76 f., 123, 160, 339 – vorläufiger Sachwalter 319, 365 Verträge 131, 141 ff., 505 ff. – Ablehnung der Vertragserfüllung 506 – Erfüllungswahl 506 – Fortsetzung 505 f. Verwertungserlös 184 ff. Verwertungskosten 185, 187 Verwertungsvereinbarung 186 Verzeichnisse (insolvenzrechtliche) 26, 203 ff., 286 f. Vollmachten 152 ff. – Erlöschen 153, 155 – Neuerteilung 157 Vorauskassezahlung 482 Vorläufige Eigenverwaltung 33, 316 ff., 405, 420, 434, 438, 502 – Anfechtungsrecht 347 ff. – Anordnung 317, 332, 422 – Einzelermächtigung 380 ff., 386, 389

Stichwortverzeichnis

– Geltung der allgemeinen Vorschriften 344 – Gläubigervorbehalte 329 – Haftung 518 ff. – Liquiditätsplanung 387, 469, 482 – Pflichten des vorläufigen Sachwalters 353 ff. – Pflichten des Schuldners 340, 344, 365 – Postsperre 399 – Schutzschrift 33, 326 – Sicherungsmaßnahmen 385, 393 – Sozialabgaben 484 f. – starke 388 – Steuern 484 f. – Voraussetzungen 320 – vorläufiger Gläubigerausschuss 333, 394 Vorläufiger Insolvenzverwalter 30, 349, 450 Vorläufiger Sachwalter 19, 33, 44 ff., 50 ff., 319, 345, 351 f., 389, 460 – Abberufung und Neubestellung von Geschäftsleitern 366 f. – Abschlag 558, 560, 564 f. – Aufsichtspflicht 426 – Auslagen 584, 598 – Bestellung 332, 426 ff., 434, 441 f., 466 ff. – Haftung 525 ff. – Kassenführungsrecht 360 ff., 471, 565 – Mitwirkungsbefugnisse 468 – Nachteilsanzeige 375 ff. – Praxiserfahrung 431 – Prüfungs- und Überwachungspflichten 354 f.

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Rechte 353 ff. Rederechte 374 steuerrechtliche Pflichten 565 Unabhängigkeit 431 Vergütung 584 ff. vorgeschlagener 460 Zuschlag 584, 590 f. Zwischenberichte 378

Zahlungsverbot 497 Zinszahlung 182, 190, 512 Zustimmungsbedürftigkeit 142, 234 ff, 238 – Anordnung 195, 238 ff., 368, 615 – Antrag 238 f. – Beschluss Insolvenzgericht 241 – öffentliche Bekanntmachung 242 – Rechtsgeschäft 234 – Unaufschiebbarkeit 239 – Verwertung 195 Zustimmungsvorbehalt 234 ff., 240, 319, 368 ff., 490 – Anordnung 496 – Aufhebung 240, 246 – besonderer 369, 496 f. – Muster 621 – nachgewiesene Unkenntnis 243 Zustimmungsvorbehaltslösung 490, 496 ff. Zwangsversteigerung 175 ff. – einstweilige Einstellung 176 Zwangsverwaltung 175 ff. Zwangsvollstreckung 396 ff. – Einstellung 397, 432, 512 Zwischenberichte (aussagekräftige) 34

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