Der Sachwalter in der Eigenverwaltung 9783814558165

Das Werk untersucht das Verfahren der Eigenverwaltung mit Blick auf die Rolle des Sachwalters. Die Aufgabenverteilung zw

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Der Sachwalter in der Eigenverwaltung
 9783814558165

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Hedaiat-Rad Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

von Jessica Hedaiat-Rad

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH · Köln

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© 2018 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 29. November 2017 statt. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Mai 2017 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Christoph Thole, der die Erstellung dieser Arbeit stets äußerst konstruktiv begleitet, mir gleichzeitig jedoch den notwendigen wisschenschaftlichen Freiraum gelassen hat. Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Hanns Prütting möchte ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens danken. Mein Dank gilt auch den übrigen Herausgebern dieser Schriftenreihe für die Zustimmung zur Aufnahme dieser Arbeit. Für die Korrektur der Arbeit sowie die dafür investierte Zeit und Mühe danke ich ganz herzlich meinem Schwiegervater Herrn Karlheinz Goetsch. Mein besonderer Dank gilt Benjamin, der mir während der Erstellung dieser Arbeit stets verständnis- und liebevoll zur Seite stand und mir wertvollste Stütze war. Mein größter Dank gebührt jedoch meinen Eltern. Sie haben mich in sämtlichen Lebensphasen bedingunglos unterstützt, gefördert und ermutigt. Keine Danksagung könnte dies angemessen würdigen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.

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Inhaltsverzeichnis Rn.

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Vorwort ............................................................................................................... IV Literaturverzeichnis ....................................................................................... XIX Abkürzungsverzeichnis ................................................................................ XLIII Einführung .............................................................................................. 1 ........ 1 A. Gegenstand und Ziel der Untersuchung .............................................. 1 ........ 1 B. Gang der Darstellung ........................................................................ 10 ........ 3 1. Teil: Der Sachwalter in der insolvenzrechtlichen Entwicklung ... 20 ........ 7 A. Der Vergleichsverwalter – der Sachwalter der Vergleichsordnung ..... I. Vergleichsordnung von 1927: Bestellung einer Vertrauensperson ......................................................................................... II. Vergleichsordnung von 1935 ..................................................... 1. Aufgaben des Vergleichsverwalters ..................................... 2. Aufsicht und Haftung des Vergleichsverwalters .................. 3. Die Einsetzung eines Sachwalters zur Abwicklung des Vergleichs ......................................................................

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B. Die Verwalter des Chapter 11 Verfahrens ........................................ 35 ...... 12 I. Die Einsetzung eines „trustees“ .................................................. 37 ...... 13 II. Die Einsetzung eines „examiners“ ............................................. 43 ...... 14 2. Teil: Das Eigenverwaltungsverfahren der InsO im Überblick .... 45 ...... 17 A. Allgemeines ...................................................................................... 46 ...... 17 B. Anordnung und Beendigung der Eigenverwaltung ........................... I. Die Anordnung der Eigenverwaltung nach § 270 InsO .............. 1. Voraussetzungen der Anordnung ......................................... 2. Rechtsmittel gegen die (Nicht-) Anordnung der Eigenverwaltung ............................................................................ II. Das Eröffnungsverfahren, § 270a InsO ...................................... III. Sonderfall: Schutzschirmverfahren, § 270b InsO ....................... IV. Nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung ........................ V. Beendigung der Eigenverwaltung ..............................................

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Inhaltsverzeichnis Rn.

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1. Aufhebung der Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren ............................................................................. 71 ...... 26 2. Aufhebung des Eröffnungsverfahren in Eigenverwaltung ... 76 ...... 28 3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung ............................... 80 ...... 31 A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters... 81 I. Bestellung des (vorläufigen) Sachwalters .................................. 81 1. Auswahlermessen des Insolvenzgerichts ............................. 82 a) Vorschlagsrecht des Schuldners ..................................... 83 aa) Allgemeines ............................................................. 83 bb) Gesellschaftsrechtliche Kompetenzverteilung ......... 84 (1) Gesellschaftsrechtliche Kompetenzverteilung im Rahmen von § 270b Abs. 2 S. 2 InsO .......... 85 (2) Gesellschaftsrechtliche Kompetenzverteilung bei Vorschlägen zur Person des (endgültigen) Sachwalters ........................................................ 89 b) Vorschlagsrecht des vorläufigen Gläubigerausschusses .... 92 aa) Vorschlagsrechts hinsichtlich des vorläufigen Sachwalters .............................................................. 93 bb) Fortwirken des Gläubigervorschlags auf die Bestellung des Sachwalters im eröffneten Verfahren ..... 96 cc) Wirkungen des Gläubigervorschlags ....................... 99 c) Entscheidung des Insolvenzgerichts ............................ 104 2. Bestellung des Sachwalters bei nachträglich angeordneter Eigenverwaltung ................................................................ 107 3. Öffentliche Bekanntmachung der Bestellung des vorläufigen Sachwalters .......................................................... 113 a) Warn- und Informationsfunktion ................................. 119 b) Zustellungsfunktion ..................................................... 121 c) Vereinbarkeit der Bekanntmachung mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen ............................................... 123 d) Stellungnahme ............................................................. 125 II. Anforderungen an die Person des (vorläufigen) Sachwalters ... 127 1. Persönliche Qualifikation ................................................... 128 2. Unabhängigkeit .................................................................. 129 a) Allgemeines ................................................................. 129 b) Auswirkungen des Vorschlagsrechts auf die Unabhängigkeit ............................................................ 131 c) Auswirkungen einer vorangegangenen Tätigkeit als vorinsolvenzlicher Sanierungsberater auf die Unabhängigkeit ................................................................. 133

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d) Auswirkungen einer Change of Control-Klausel auf die Unabhängigkeit des (vorläufigen) Sachwalters am Beispiel des personenbezogenen Massekredits ...... aa) Hintergrund der Ausgabe personenbezogener Massekredite .......................................................... bb) Auswirkungen auf die Unabhängigkeit des (vorläufigen) Sachwalters ...................................... (1) Rechtsnatur der Change of Control-Klausel .... (a) Bedingung im Sinne des § 158 BGB ......... (b) Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB ................................................ (c) Vereinbartes Kündigungsrecht .................. (2) Zulässigkeit von Change of Control-Klauseln im Allgemeinen ............................................... (3) Zulässigkeit von Change of Control-Klauseln unter Berücksichtigung der notwendigen Unabhängigkeit des Sachwalters ..................... III. Rechtsstellung und Prozessführungsbefugnis des (vorläufigen) Sachwalters ............................................................................... B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter in der Eigenverwaltung ................................................ I. Aufgaben des (vorläufigen) Sachwalters .................................. 1. Aufsichtspflichten des Sachwalters .................................... a) Überprüfung der wirtschaftlichen Lage, § 274 Abs. 2 S. 1 1. Alt InsO ............................................................ b) Überwachung der Geschäftsführung und Ausgaben zur Lebensführung, § 274 Abs. 2 S. 1 2. und 3. Alt. InsO ...................................................................... c) Mitwirkungspflicht des Schuldners ............................. d) Anzeigepflicht des Sachwalters, § 274 Abs. 3 InsO .... aa) Anzeigeadressaten ................................................. bb) Auslöser der Anzeigepflicht .................................. cc) Praxistauglichkeit der Nachteilsanzeige ................ dd) Fazit ....................................................................... e) Antragsrecht zur Einberufung der Gläubigerversammlung ................................................................ 2. Mitwirkungspflichten des Sachwalters .............................. a) Zustimmungserfordernisse nach § 275 Abs. 1 InsO .... aa) Erfasste Verbindlichkeiten ..................................... bb) Rechtsfolge der unterbliebenen Zustimmung ........ cc) Notwendigkeit einer aktiven Einbindung des Sachwalters ............................................................

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Inhaltsverzeichnis

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b) Kassenführungsbefugnis, § 275 Abs. 2 InsO ............... 210 aa) Zweck der Übernahme der Kassenführung ............ 211 bb) Umfang der Kassenführungsbefugnis des (vorläufigen) Sachwalters ...................................... 212 (1) Übernahme des gesamten Zahlungsverkehrs ... 212 (2) Modell der modifizierten Kassenführung ........ 213 cc) Wirkung der Übernahme der Kassenführung ........ 217 dd) Eignung der Kassenführungsbefugnis als wirksames Kontrollmittel .............................................. 219 c) Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts.... 220 aa) Anordnung im eröffneten Verfahren ..................... 221 (1) Zustimmungsvorbehalt gemäß § 277 InsO ...... 221 (2) Anordnung von Amts wegen ........................... 223 bb) Anordnung im Eröffnungsverfahren ...................... 228 (1) Rechtsgrundlage .............................................. 229 (a) Analoge Anwendung von § 277 InsO oder § 275 InsO ................................................. 229 (b) Vorläufige Sicherungsmaßnahme nach § 21 Abs. 1 InsO ....................................... 230 (2) Erforderlichkeit der Maßnahme ...................... 232 cc) Anordnungsbeschluss und Rechtsmittel ................ 233 dd) Rechtsfolge des besonderen Zustimmungsvorbehalts .............................................................. 235 d) Zustimmung zu personellen Wechseln, § 276a S. 2 InsO .............................................................................. 238 e) Mitwirkung des Sachwalters bei der Ausübung insolvenzspezifischer Gestaltungsrechte, § 279 InsO ... 243 aa) Einvernehmen des Sachwalters im Rahmen gegenseitiger Verträge, § 279 S. 2 InsO .......................... 244 bb) Rechtsfolge des fehlenden Einvernehmens ........... 247 cc) Zustimmung zu weitreichenden arbeitsrechtlichen Entscheidungen, § 279 S. 3 InsO ........................... 250 f) Einvernehmen des Sachwalters bei der Verwertung von Sicherungsgut, § 282 Abs. 1 InsO ......................... 253 3. Originäre Aufgaben des Sachwalters ................................. 257 a) Anzeige der Masseunzulänglichkeit, § 285 InsO ......... 258 b) Insolvenzanfechtung und Geltendmachung der Haftung, § 280 InsO ............................................... 260 aa) Erfasste Ansprüche ................................................ 260 bb) Analoge Anwendung des § 280 InsO auf Ansprüche mit vergleichbaren Konfliktpotential ... 263 cc) Rechtsfolge ............................................................ 266

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Inhaltsverzeichnis Rn.

c) Aufgaben im Zusammenhang mit der Unterrichtung der Gläubiger ............................................................... aa) Prüfung von Verzeichnissen und Rechnungslegung, § 281 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 InsO ........... bb) Unterstützung des Schuldners bei der Unterrichtung der Gläubiger ................................................. d) Bearbeitung von Gläubigerforderungen ....................... aa) Führung der Insolvenztabelle ................................ bb) Prüfung des Verteilungsverzeichnisses, § 283 Abs. 2 S. 2 InsO ........................................... e) Ausarbeitung des Insolvenzplans und Überwachung der Planerfüllung, § 284 InsO ...................................... 4. Resümee ............................................................................. a) Effektiver Gläubigerschutz durch den aktiven Sachwalter .................................................................... aa) Praktische Notwendigkeit eines aktiven Sachwalters ............................................................ bb) Zulässigkeit des aktiven Sachwalters .................... b) Der aktive Sachwalter als „Quasi-Insolvenzverwalter“? ................................................................... II. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in der Eigenverwaltung ................................................................................ 1. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners ..... a) Rechtsstellung des Schuldners im eröffneten Verfahren ..................................................................... b) Rechtsstellung des Schuldners im Eröffnungsverfahren ...................................................................... 2. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Sachwalters ... 3. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Erlöse der Insolvenzanfechtung .................................................... 4. Die Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung ................................................................ a) Eröffnetes Verfahren .................................................... b) Eröffnungsverfahren .................................................... aa) Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO ............. bb) Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO ................. cc) Lösungsansätze ...................................................... (1) Keine Ermächtigung im Eröffnungsverfahren .......................................................... (2) Originäres Recht des Schuldners ..................... (3) Einzelermächtigung des vorläufigen Sachwalters ...................................................... (4) Einzelermächtigung des Schuldners ................

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Inhaltsverzeichnis Rn.

(5) (Teil-)Klarheit durch den IX. Zivilsenat des BGH .......................................................... (6) Zwischenergebnis ............................................ dd) Umfang der Ermächtigung im Eröffnungsverfahren ................................................................ (1) Einzel- oder Globalermächtigung des Schuldners ................................................. (2) Zwischenergebnis ............................................ ee) Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts des vorläufigen Sachwalters ......................................... ff) Fazit .......................................................................

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C. Gerichtliche Aufsicht ...................................................................... I. Kontrolle durch das Insolvenzgericht ....................................... II. Sanktionsmaßnahmen des Insolvenzgerichts ........................... 1. Zwangsmaßnahmen ............................................................ 2. Entlassung des Sachwalters ................................................

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters ........................................... I. Haftung für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten .... II. Haftung für nichterfüllbare Masseverbindlichkeiten ................ 1. Grundsatz: Keine persönliche Haftung des Sachwalters .... 2. Ausnahme: Erteilung einer besonderen Zustimmung ........ a) Eröffnetes Verfahren .................................................... b) Eröffnungsverfahren .................................................... 3. Ausnahme: Begründung von Masseverbindlichkeiten bei Ausführung der Pflichten aus § 280 InsO .................... III. Haftung für die Nichtabführung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Verbindlichkeiten .......................................... 1. Problemaufriss ................................................................... a) Handhabung der Konfliktlage im Regelinsolvenzverfahren ...................................................................... aa) Folgen der Bestellung eines vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters ............................. bb) Folgen der Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters oder endgütligen Insolvenzverwalters .............................................................. b) Besonderheiten in der vorläufigen Eigenverwaltung ... aa) Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO ................. bb) Schutzschirmverfahren, § 270b InsO ..................... 2. Lösungsansätze in der vorläufigen Eigenverwaltung ......... a) Kassenführungsrecht des Sachwalters ......................... b) Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters ......................

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Inhaltsverzeichnis Rn.

c) Zahlung unter dem Vorbehalt der Anfechtung ............ d) Stellungnahme ............................................................. 3. Steuerrechtliche Haftung des kassenführungsbefugten Sachwalters gemäß § 69 AO .............................................. a) Kassenführungsbefugter Sachwalter als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO .............................. b) Auftreten in fremden Namen ....................................... c) Rechtliche und tatsächliche Erfüllungsmöglichkeit ..... aa) Aufgabenbereich als Gegenstand der rechtlichen und tatsächlichen Erfüllbarkeit .............................. bb) Aufgabenbereich des kassenführungsbefugten Sachwalters ............................................................ IV. Haftung für Zahlungszusagen ................................................... 1. Rechtliche Qualifikation von Zahlungszusagen ................. a) Begründung eines eigenständigen Erfüllungsanspruchs ..................................................................... aa) Selbständiger Garantievertrag ................................ bb) Rechtsgeschäftlicher Schuldbeitritt ....................... b) Haftung auf Schadensersatz infolge eines Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c.) .................... aa) Inanspruchnahme besonderen Vertrauens ............. (1) Kein besonderes Vertrauen durch Amtsübernahme allein ..................................... (2) (Geringe) Anforderungen der Rechtsprechung ... bb) Schuldhafte Pflichtverletzung ................................ cc) Umfang der Haftung .............................................. 2. Stellungnahme .................................................................... E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters ....................................... I. Vergütung des Sachwalters ...................................................... 1. Regelvergütung .................................................................. 2. Gewährung von Zu- und Abschlägen ................................. a) Anwendbarkeit von § 3 InsVV .................................... b) Zuschlagsfähige Tätigkeiten ........................................ c) Höhe der Zuschläge ..................................................... 3. Auslagen ............................................................................. 4. Festsetzung der Vergütung und Vorschuss ........................ a) Vorschuss auf die Vergütung ....................................... b) Entnahmerecht des Sachwalters ................................... 5. Einsatz besonderer Sachkunde ........................................... a) Delegationsfähige Tätigkeiten ..................................... aa) Allgemeine Anforderungen der Delegationsfähigkeit .................................................................

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Inhaltsverzeichnis Rn.

bb) Delegationsfähige Tätigkeiten des Sachwalters ..... (1) Knüpfung der Delegationsfähigkeit an die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ........... (2) Knüpfung der Delegationsfähigkeit an den Aufgabenbereich des Sachwalters ................... b) Qualifikation des Vergütungsanspruchs ...................... 6. Ermittlung der Berechnungsgrundlage ............................... a) Anwendbarkeit von § 1 InsVV .................................... b) Berücksichtigung von Massegegenständen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV .......................................... II. Vergütung des vorläufigen Sachwalters ................................... 1. Höhe der Regelvergütung .................................................. a) 25 Prozent der Regelvergütung des Insolvenzverwalters ..................................................................... b) 15 Prozent der Regelvergütung des Insolvenzverwalters ..................................................................... c) 60 Prozent der Regelvergütung des Insolvenzverwalters ..................................................................... d) Grundsatzbeschluss des IX. Zivilsenats des BGH vom 21. Juli 2016 ......................................................... aa) Einheitliche Vergütungsfestsetzung von vorläufigen Sachwalter und Sachwalter .......................................... bb) Vergütung des vorläufigen Sachwalters als „Zuschlag“ ............................................................. cc) Höhe des zu gewährenden Zuschlags .................... dd) Stellungnahme ....................................................... (1) Zutreffende Vergütungshöhe ........................... (2) Einheitliche Vergütungsfestsetzung abzulehnen ....................................................... (a) Fehlende Rechtsgrundlage ........................ (b) Praktische Schwierigkeiten ....................... (c) Systematische Bedenken ........................... 2. Gewährung von Zu- und Abschlägen ................................. a) Allgemeines ................................................................. b) Die relevantesten Zu- und Abschläge im Überblick .... aa) Unternehmensfortführung ...................................... bb) Zustimmungsvorbehalt .......................................... cc) Übernahme der Kassenführung ............................. dd) Sanierungsbemühungen ......................................... ee) Zusammenarbeit mit dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss ............................................... ff) Arbeitsrechtliche Fragen ........................................

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Inhaltsverzeichnis Rn.

gg) Zuschlagsfähigkeit von Regelaufgaben am Beispiel des § 275 Abs. 1 InsO .............................. hh) Zahl der Gläubiger ................................................. ii) Verhandlungsführung ............................................ jj) Erarbeitung oder Überwachung eines Insolvenzplans ....................................................................... kk) Abschlag aufgrund der Tätigkeit eines Sanierungsberaters ................................................. c) Fazit ............................................................................. 3. Einsatz besonderer Sachkunde ........................................... 4. Ermittlung der Berechnungsgrundlage ............................... III. Vergütung der Beratungsleistungen des Sachwalters ............... 1. Unzulässigkeit des Abschluss eines privatrechtlichen Beratungsvertrags ............................................................... a) Verstoß gegen das Unabhängigkeitserfordernis ........... b) Evident insolvenzzweckwidrige Handlung .................. 2. Vergütung der Beratung über die Regelungen der InsVV ....

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4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen .............................................. 585 .... 211 A. Reformbedarf der Eigenverwaltung unter spezieller Berücksichtigung der Rolle des Sachwalters .................................. I. Änderungen betreffend den Aufgabenbereich des (vorläufigen) Sachwalters ......................................................... 1. Flexibilisierung des Aufgabenbereichs des Sachwalters .... a) Zulässigkeit eines aktiven Sachwalters ........................ b) Erkenntnisse der US-amerikanischen Rechtspraxis ..... aa) Final Report des American Bankruptcy Institutes ... bb) Folgerungen für das deutsche Eigenverwaltungsverfahren ................................................................ c) Anpassung der Regelungen der InsO ........................... 2. Stärkung der Mitwirkungsrechte des Sachwalters ............. 3. Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts im Eröffnungsverfahren ..................................................... 4. (Vorläufige) Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 InsO auf Antrag des Sachwalters .................. a) Notwendigkeit eines Antragsrechts des Sachwalters ... b) Wahrung der Gläubigerautonomie ............................... c) Anpassung der Regelungen der InsO ........................... 5. Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 280 InsO ...... 6. Kein Änderungsbedarf hinsichtlich der Kassenführungsbefugnis des (vorläufigen) Sachwalter ............................... II. Allgemeine verfahrensbezogene Änderungen ..........................

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Inhaltsverzeichnis Rn.

1. Klare Regelungen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO .............. 2. Maßvolle Lockerung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 S. 3 InsO ................................................................. 3. Antragsrecht des Sachwalters zur Aufhebung der Eigenverwaltung .......................................................................... 4. Regelungen zur Aufhebung der Eigenverwaltung im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO .............................. 5. Öffentliche Bekanntmachung der Bestellung des vorläufigen Sachwalters .......................................................... III. Änderungen betreffend die Haftung des (vorläufigen) Sachwalters nach § 61 InsO ..................................................... 1. Geltung des § 61 InsO bei Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts im Eröffnungsverfahren .............. 2. Geltung des § 61 InsO bei Begründung von Masseverbindlichkeiten im Zusammenhang mit § 280 InsO ....... IV. Änderungen der InsVV .............................................................

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B. Fazit ................................................................................................ 641 .... 229 Stichwortverzeichnis ........................................................................................ 231

XVIII

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XLI

Abkürzungsverzeichnis a. A. ............................................... andere Auffassung a. E. ............................................... am Ende a. F. ............................................... alte Fassung ABI ............................................... American Bankruptcy Institute Abs. ............................................... Absatz AG ................................................. Aktiengesellschaft AG ................................................. Amtsgericht AktG ............................................. Aktiengesetz Alt. ................................................ Alternative Aufl. .............................................. Auflage Az. ................................................. Aktenzeichen B. R. .............................................. Bankruptcy Reports BAK InsO ..................................... Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte BB ................................................. Betriebsberater BCG .............................................. Boston Consulting Group Begr. .............................................. Begründung Beschl. .......................................... Beschluss BFH/NV ........................................ Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs/nicht veröffentlicht BGB .............................................. Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. ............................................ Bundesgesetzblatt BGH .............................................. Bundesgerichtshof BFH ............................................... Bundesfinanzhof BJM ............................................... Bundesjustizminister/-in BMJ ............................................... Bundesministerium für Justiz BR-Drucks. ................................... Bundesratsdrucksache

XLIII

Abkürzungsverzeichnis

BT-Drucks. ................................... Bundestagsdrucksache BVerfG ......................................... Bundesverfassungsgericht bzw. ............................................... beziehungsweise c. i. c .............................................. culpa in contrahendo CRO .............................................. Chief Restructuring Officer d. h. ............................................... das heißt DB ................................................. Der Betrieb (Zeitschrift) DStR ............................................. Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DZWiR ......................................... Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (Zeitschrift) ESUG ............................................ Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen EWiR ............................................ Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) f./ff. ............................................... der folgende/die folgenden FAK-InsO ..................................... Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht FK-InsO ........................................ Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung GAVO ........................................... Geschäftsaufsichtsverordnung GG ................................................. Grundgesetz ggf. ................................................ gegebenenfalls GmbH ........................................... Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG ......................................... Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHR ......................................... Die GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GuV ............................................... Gewinn- und Verlust h. M. .............................................. herrschende Meinung HGB .............................................. Handelsgesetzbuch Hrsg. .............................................. Herausgeber i. d. R. ............................................ in der Regel

XLIV

Abkürzungsverzeichnis

i. S. d. ............................................ im Sinne des i. S. v. ............................................ im Sinne von i. V. m. .......................................... in Verbindung mit Insbüro .......................................... Zeitschrift für das Insolvenzbüro (Zeitschrift) InsO ............................................... Insolvenzordnung InsVV ............................................ Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung jurisPR-InsR .................................. juris Praxisreport Insolvenzrecht KO ................................................. Konkursordnung KSI ................................................ Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (Zeitschrift) KTS ............................................... Zeitschrift für Insolvenzrecht Konkurs Treuhand Sanierung (Zeitschrift) LG ................................................. Landgericht lit. .................................................. littera m. w. N. ........................................ mit weiteren Nachweisen MüKo-BGB .................................. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch MüKo-InsO ................................... Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung n.rk. ............................................... nicht rechtskräftig NJW .............................................. Neue juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nr. ................................................. Nummer NZA .............................................. Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (Zeitschrift) NZI ................................................ Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht (Zeitschrift) NZS ............................................... Neue Zeitschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) o. J. ................................................ ohne Jahr OLG .............................................. Oberlandesgericht RegE ............................................. Regierungsentwurf Rn. ................................................. Randnummer S. ................................................... Satz XLV

Abkürzungsverzeichnis

S. ................................................... Seite Sec. ................................................ Section sog. ................................................ sogenannte/sogenannter st. Rspr. ......................................... ständige Rechtsprechung StGB ............................................. Strafgesetzbuch str. ................................................. streitig Urt. ................................................ Urteil USBC ............................................ United States Bankruptcy Code USC ............................................... United States Code USD .............................................. U.S. Dollar vgl. ................................................ vergleiche VglO ............................................. Gesetz über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses (Vergleichsordnung) vom 26.2.1935 VglO 1927 .................................... Gesetz über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses (Vergleichsordnung) vom 5. Juli 1927 VglVO ........................................... Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats vom 25.5.1960 z. B. ............................................... zum Beispiel ZHR .............................................. Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) ZInsO ............................................ Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht (Zeitschrift) ZIP ................................................ Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

XLVI

Einführung A. Gegenstand und Ziel der Untersuchung Einheitliches Hauptziel der Insolvenzordnung ist die bestmögliche, gemeinschaft- 1 liche Befriedigung der Gläubiger. Dieses in § 1 InsO statuierte Ziel eines jeden Insolvenzverfahrens kann durch drei gleichwertige Wege erreicht werden: Durch die Liquidation des Vermögens, die Liquidation im Wege der übertragenden Sanierung oder schließlich durch Reorganisation unter Fortbestand des alten Unternehmensträgers.1) Während über Jahrzehnte hinweg die Insolvenz als „natürliche Auslese“2) nicht le- 2 bensfähiger Unternehmen betrachtet wurde, hat sich spätestens seit Mitte der siebziger Jahre ein Umdenken eingestellt. Nicht nur national, sondern auch international sind Restrukturierungsinstrumente, die auf den Erhalt des Unternehmens abzielen, neben Liquidationsverfahren zwischenzeitlich als gleichberechtigt anerkannt.3) Das Insolvenzrecht hat sich hin zu einer ökonomischen Rationalität entwickelt, als deren Folge die Sanierung eines Unternehmens heute aus vielfältigen sozial- und wirtschaftspolitischen Gründen als Wert angesehen wird.4) Das Restrukturierungsrecht umfasst dabei als Sammelbegriff all jene rechtlichen Maßnahmen, die in Krise und Insolvenz zum Erhalt des Fortführungswerts eines Unternehmens beitragen. Soweit dieser größer ist als der Liquidationswert eines Unternehmens, wird eine Restrukturierung allgemein als sinnvoll erachtet.5) Die Eigenverwaltung ist ein eben solches – wenn nicht nur, aber vornehmlich auf 3 Fortführungsfälle ausgerichtetes6) – Sanierungsinstrument des Insolvenzrechts. Es zeichnet sich in Abweichung von § 80 Abs. 1 InsO durch die verbleibende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners aus. Anders als im Regelinsolvenzverfahren wird folglich kein (vorläufiger) Insolvenzverwalter bestellt, der Schuldner steht während des Verfahrens vielmehr unter der Aufsicht und Kontrolle eines unabhängigen (vorläufigen) Sachwalters. Die Eigenverwaltung hat in Deutschland lange ein Schattendasein7) geführt. So lag 4 der durchschnittliche Anteil von Eigenverwaltungsverfahren allein in den Jahren 2002 ___________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)

7)

Schmerbach, in: FK-InsO, § 1 Rn. 11; Jaffé, ZHR 175 (2011), 40. Pape/Uhlenbruck u. a., Insolvenzrecht, Kapitel 10, Rn. 6. Uhlenbruck, in: Festschrift Metzeler, S. 88. Vgl. zu dieser Tendenz in den neunziger Jahren Dorndorf, in: Festschrift Merz, S. 40 ff. Jaffé, ZHR 175 (2011), 40; Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 16. So auch bereits der Gesetzesentwurf zur Insolvenzordnung, vgl. Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223, „die Eigenverwaltung unter Aufsicht wird regelmäßig nur in Fortführungsfällen in Betracht kommen“. So auch Pape, ZInsO 2013, 2077.

1

Einführung

bis 2010 bei unter einem Prozent.8) Aus diesem Grund wurden zuletzt durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 1. März 2012 (ESUG) umfassende Modifizierungen der Vorschriften der Eigenverwaltung vorgenommen. Insbesondere durch die Stärkung des Gläubigereinflusses sowie die Erleichterung der Zugangsvoraussetzungen sollte die Akzeptanz der Eigenverwaltung erhöht und die Attraktivität des Sanierungsstandorts Deutschland gesteigert werden.9)

5 Dieses Ziel konnte jedoch nur eingeschränkt erreicht werden, was ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt. Seit Inkrafttreten des ESUG im März 2012 bis zum Stichtag des 31. Januar 2017 wurden 1236 Verfahren in Eigenverwaltung beantragt.10) Verglichen mit den rund 48.300 Insolvenzverfahren von Personen- und Kapitalgesellschaften liegt der Anteil der Eigenverwaltung damit bei lediglich 2,6 Prozent. Darüber hinaus wird fast ein Viertel der als Eigenverwaltungsverfahren eröffneten Insolvenzverfahren im weiteren Verfahrensverlauf in ein Regelinsolvenzverfahren überführt.11)

6 Das Unterbleiben eines nennenswerten Anstiegs der Gesamtzahlen sowie die hohe Anzahl der Verfahrenswechsel lassen sich nicht zuletzt auf die vielen noch immer bestehenden Unwägbarkeiten eines Verfahrens in Eigenverwaltung zurückführen. Gerade mit Blick auf die zweite zentrale Schlüsselfigur des Verfahrens12), den Sachwalter, bestehen vielzählige Rechtsunsicherheiten, die sich nachhaltig auf die Akzeptanz der Eigenverwaltung als Sanierungsverfahren auswirken. Diese Unsicherheiten äußern sich nicht nur in Spezialfragen, wie beispielsweise der Haftung und Vergütung des Sachwalters, sondern lassen sich bereits an der ganz grundlegenden Frage festmachen, welche Aufgaben und letztlich welche Rolle dem Sachwalter in der Eigenverwaltung zukommt.

7 Hauptaufgabe des Sachwalters ist die in § 270 Abs. 1 S. 1 InsO angelegte Aufsicht über den eigenverwaltenden Schuldner, weshalb der Sachwalter als neutrale und unabhängige Instanz zu fungieren hat. Als Ausprägung dieser Aufsichtsfunktion weist das Gesetz dem Sachwalter jedoch diverse Mitwirkungsaufgaben zu, deren Ausprägung wiederum uneinheitlich beurteilt wird. Die Rechtspraxis neigt zuletzt zunehmend dazu, den Sachwalter hinsichtlich dieser Mitwirkungsaufgaben auf eine reine Beobachterrolle zu verweisen. Beobachtet der Sachwalter Handlungen des Schuldners, die möglicherweise zu Nachteilen für die Gläubigergesamtheit führen könnten, trifft ihn eine Anzeigepflicht gegenüber den Gläubigern, denen sodann die Entscheidung über eine angemessene Reaktion obliegt. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob diese ___________ Zahlen nach Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 270 Fußn. 68. Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 1. Vgl. BCG-Studie, „Fünf Jahre ESUG“, S. 5. 22 % der als Eigenverwaltungsverfahren eröffneten Insolvenzverfahren münden in einem Regelinsolvenzverfahren, vgl. BCG-Studie, „Fünf Jahre ESUG“, S. 9. 12) Specovius, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 1 spricht im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren sogar von einer duplizierten Schlüsselfigur des Sachwalters im Eigenverwaltungsverfahren. 8) 9) 10) 11)

2

B. Gang der Darstellung

Interpretation der Rolle des Sachwalters dem Verfahren und letztlich auch den Gläubigern tatsächlichen Nutzen bringt. Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung ist es daher, die den Sachwalter be- 8 treffenden Schwächen und Unklarheiten der Eigenverwaltung zu analysieren. Dabei soll ein besonderer Schwerpunkt auf die uneinheitliche Ausgestaltung der Rolle des Sachwalters in der Eigenverwaltung gelegt werden und ein Vergleich mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Praxis erfolgen, um letztlich die Frage zu beantworten: Welchen Sachwalter braucht eine funktionierende Eigenverwaltung? Der Deutsche Bundestag hat in seiner Beschlussempfehlung zum ESUG die Bun- 9 desregierung aufgefordert, die Erfahrungen mit dem ESUG nach Ablauf von 5 Jahren nach dessen Inkrafttreten zu evaluieren.13) In Anbetracht der anstehenden Evaluierung ist es nicht zuletzt Ziel der Arbeit, zu untersuchen, ob eine anerkannte und gleichermaßen funktionsfähige Eigenverwaltung bereits durch Änderungen in der Ausgestaltung der Rolle des Sachwalters erreicht werden kann.

B. Gang der Darstellung Im 1. Teil der Untersuchung soll zunächst ein Überblick über die historische Entwick- 10 lung des Sachwalters14) unter Berücksichtigung der gesetzlichen nationalen aber auch internationalen Vorbilder erfolgen. Nachdem die Rolle des Sachwalters in ihrer heutigen Form auf nationalen als auch internationalen Vorbildern beruht, können die hierbei gewonnenen Erkenntnisse sowohl für die gegenwärtige Auslegung als auch für die zu untersuchende Anpassung der Rolle des Sachwalters von Nutzen sein. Im 2. Teil folgt zur Hinleitung ein allgemeiner Überblick über das Eigenverwaltungs- 11 verfahren in seiner heutigen Form. Um den Grundstock für die nachfolgende Untersuchung zu legen, werden dabei die unterschiedlichen Verfahrensvarianten des Eröffnungsverfahrens einschließlich des Schutzschirmverfahrens sowie die Voraussetzungen für die Anordnung und Beendigung der Eigenverwaltung dargestellt. Der nachfolgende 3. Teil beschäftigt sich als Schwerpunkt der Arbeit mit der Rolle 12 und der Funktion des Sachwalters in der Eigenverwaltung. Zunächst ist hier auf die Bestellung des Sachwalters einzugehen, die zwar grund- 13 sätzlich dem Auswahlermessen des Insolvenzgerichts unterliegt, jedoch durch die Vorschläge der Gläubiger und des Schuldners beeinflusst werden kann. Im Rahmen ___________ 13) Vgl. Begr. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 17/5711, S. 5; das zugehörige Forschungsvorhaben wurde seitens des BMJ im Dezember 2016 ausgeschrieben, begann am 1. März 2017 und soll mit einem Schlussbericht spätestens am 28. Februar 2018 enden, abgedruckt in ZInsO 2016, 2431. 14) Der Begriff „Sachwalter“ steht an dieser Stelle gleichermaßen für den „endgültigen“ Sachwalter nach Verfahrenseröffnung wie auch für den vorläufigen Sachwalter im Eröffnungsverfahren. Soweit eine abweichende Beurteilung für den vorläufigen Sachwalter nicht gesondert dargestellt ist, bezieht sich auch die nachfolgende Untersuchung regelhaft auf beide Verfahrensstadien, was dann durch den Begriff „(vorläufiger) Sachwalter“ verdeutlicht wird.

3

Einführung

der Untersuchung des Anforderungsprofils des Sachwalters ist insbesondere das Unabhängigkeitserfordernis desselben zu analysieren. Die Unabhängigkeit ist das entscheidende Charakteristikum des Sachwalters in der Eigenverwaltung, so dass sowohl bei der Bestellung Sachwalters als auch im Laufe des Verfahrens kontinuierlich sichergestellt sein muss, dass der Sachwalter dieses Erfordernis erfüllt. Dabei wird weiterhin zu beantworten sein, wie sich typische Fallgestaltungen der Eigenverwaltung, wie Vorschläge zur Person des Sachwalters oder Change of Control-Klauseln auf die Unabhängigkeit des Sachwalters auswirken, einer möglichen Bestellung entgegenstehen oder sogar zu einer Abberufung desselben führen müssen.

14 Der nachfolgende Abschnitt untersucht die Rolle des Sachwalters anhand der Aufgabenverteilung von Schuldner und Sachwalter in der Eigenverwaltung. Dabei ist zunächst auf die Aufgaben des Sachwalters in der Eigenverwaltung einzugehen. Innerhalb der Aufsichtspflichten ist insbesondere die Pflicht des Sachwalters zu Nachteilsanzeige und deren praktische Relevanz zu untersuchen. Da sich die Mitwirkungspflichten des Sachwalters größtenteils im Innenbereich zwischen Schuldner und Sachwalter auswirken, ist hier zu ermitteln, welche konkreten Tätigkeiten von der Mitwirkung des Sachwalters erfasst sind sowie welche Intensität der Mitwirkung den effektivsten Gläubigerschutz ermöglicht und am besten den Gläubigerinteressen entspricht. Dabei ist zu untersuchen, ob die dem Sachwalter übertragenen Aufgaben ausschließlich im Sinne einer nachträglichen Kontrolle des schuldnerischen Handelns auszulegen sind und der Sachwalter folglich auf ein nachgelagertes Tätigwerden mit Sanktionscharakter beschränkt wird. Dem ist ein Tätigwerden des Sachwalters auf einer vorgelagerten Stufe gegenüberzustellen, so dass letztlich auf die Frage einzugehen ist, ob und in welchem Umfang der Sachwalter den Schuldner bereits in seiner Entscheidungsfindung im Wege einer aktiven Rollenwahrnehmung unterstützen kann. Dem Ausgang dieser Frage kommt für den weiteren Verlauf der Untersuchung entscheidende Bedeutung zu. Nicht zuletzt werden in diesem Abschnitt sonstige ungeklärte Rechtsfragen des Aufgabenbereichs des Sachwalters unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung analysiert.

15 Im Rahmen der Untersuchung der Verteilung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in der Eigenverwaltung ist auf das damit unmittelbar zusammenhängende umstrittene Thema der Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO einzugehen. Neben der Frage, ob eine Ermächtigung hier notwendig und zulässig ist, wird insbesondere der Frage des richtigen Ermächtigungsadressaten nachgegangen, wobei neben dem Schuldner auch der vorläufige Sachwalter in Betracht kommt.

16 Wie der Schuldner, führt auch der Sachwalter seine Tätigkeit in keinem kontrollfreien Raum aus. Die sachgerechte Wahrnehmung der zuvor geschilderten Aufgaben und Befugnisse durch den Sachwalter bedarf vielmehr einer entsprechenden Aufsicht, die dem Insolvenzgericht obliegt. Neben einer Darstellung des Umfangs der gerichtlichen Aufsicht werden an dieser Stelle die vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten dargestellt. 4

B. Gang der Darstellung

Zusätzlich zu einer wirksamen Kontrolle der Verfahrensbeteiligten setzt die Funk- 17 tionsfähigkeit der Eigenverwaltung, insbesondere aus Sicht der Gläubiger, auch eine hinreichende Haftung der Verfahrensbeteiligten voraus. Die Haftung des Sachwalters kann dabei grundsätzlich als Ausgleich für die ihm übertragenen Einflussmöglichkeiten verstanden werden. Die Haftung des Sachwalters muss einerseits umfassend sein, gleichzeitig müssen der Haftung jedoch sachgerechte Grenzen gesetzt werden, wobei insbesondere die im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren veränderte Stellung des Sachwalters berücksichtigt werden muss. In diesem Zusammenhang ist zunächst die insolvenzrechtliche Haftung des Sachwalters unter entsprechender Anwendung der §§ 60, 61 InsO und die Frage zu untersuchen, wie die auf den Regelinsolvenzverwalter zugeschnittenen Normen auf den Sachwalter zu übertragen sind. Die Tätigkeit des Sachwalters birgt jedoch auch über die Insolvenzordnung hinausgehende Haftungsgefahren. Dabei besteht die Gefahr, dass die Haftungsrisiken des Sachwalters umso größer werden, je aktiver er sich am Verfahren beteiligt. Dies wird insbesondere mit Blick auf die heute vielfach üblichen Zahlungszusagen des Sachwalters deutlich, die ein nicht unerhebliches Risiko für eine persönliche Inanspruchnahme des Sachwalters bilden. Im Rahmen der allgemeinen zivilrechtlichen Haftung ist daher zu untersuchen, wie sich dieses aktive Tätigwerden des Sachwalters auf seine persönliche Haftung auswirkt. Daneben ist auch der Einfluss des Steuerrechts auf die Haftung der Verfahrensbeteiligten zu untersuchen, wobei insbesondere auf die Haftung des kassenführungsbefugten Sachwalters einzugehen ist. Der 3. Teil endet mit einer Untersuchung der Vergütung des Sachwalters mit beson- 18 derem Blick auf die umstrittene Vergütung des vorläufigen Sachwalters unter Berücksichtigung der Grundsatzentscheidung des BGH vom 21. Juli 2017. Da eine Vergütung nur für die Tätigkeiten verlangt werden kann, die Teil des Aufgabenbereichs des Sachwalters sind, kommt es auch hier maßgeblich auf die Frage an, wie aktiv sich der Sachwalter am Verfahren beteiligen darf und welche Aufgaben zulässigerund sinnvollerweise durch den Sachwalter wahrzunehmen sind. Die abschließenden rechtspolitischen Erwägungen (4. Teil) widmen sich den zuvor 19 analysierten, speziell den Sachwalter betreffenden Schwächen des Eigenverwaltungsverfahrens. Unter Berücksichtigung der gefundenen Ergebnisse sollen verfahrensgerechte, aber dennoch den Marktbedürfnissen entsprechende Anpassungen der geltenden Regelungen in Betracht gezogen werden, die dazu beitragen können, die Funktionsfähigkeit der Eigenverwaltung zu stärken. Die rechtspolitischen Erwägungen betreffen insbesondere den Aufgabenbereich des Sachwalters und vollziehen sich gleichermaßen in der Stärkung der ihm zugewiesenen Eingriffsbefugnisse wie in der Förderung der aktiveren Verfahrensteilnahme des Sachwalters. Neben allgemeinen verfahrensbezogenen und haftungsrechtlichen Anpassungen wird auch eine Lösung zur Regelung der Vergütung des vorläufigen Sachwalters vorgeschlagen. Die Untersuchung endet mit einem zusammenfassenden Fazit.

5

1. Teil: Der Sachwalter in der insolvenzrechtlichen Entwicklung Ebenso wie die Eigenverwaltung ist auch die Position des Sachwalters kein neues 20 Instrument der Insolvenzordnung aus dem Jahr 1999, sondern geht in seinen Grundzügen bereits auf das Gesetz über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses (Vergleichsordnung) vom 5. Juli 1927 zurück. Viele Regelungen befinden sich heute wortgleich in den §§ 270 ff. InsO, so dass vielfach auf die Rechtsprechung und die Erkenntnisse zum Vergleichsverwalter zurückgegriffen werden kann. Bevor sich die Untersuchung der Rolle des Sachwalters in seiner heutigen Form widmet, ist daher zunächst ein historischer Blick auf die insolvenzrechtliche Entwicklung des Sachwalters zu werfen.

A. Der Vergleichsverwalter – der Sachwalter der Vergleichsordnung Die Vergleichsordnung von 1927, die am 1. Oktober 1927 in Kraft trat, ersetzte die 21 bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Geschäftsaufsichtsverordnungen (GAVO).15) Vorrangiges Ziel des Vergleichsverfahrens war es, der Gläubigermehrheit mehr Einfluss auf Einleitung, Durchführung und Beendigung des Verfahrens einzuräumen sowie den konkursabwendenden Vergleich nur dem wirklich vergleichswürdigen Schuldner zugänglich zu machen.16)

I.

Vergleichsordnung von 1927: Bestellung einer Vertrauensperson

Das Gesetz übernahm in vielen Punkten die Regelungen der GAVO über den Zwangs- 22 vergleich, verzichtete aber auf das bis dahin geltende Institut der allgemeinen Geschäftsaufsicht. Anstelle der Geschäftsaufsichtsperson wurde die Überwachung des Schuldners – außer in geringfügigen Sachen (§ 40 Abs. 2 VglO 1927) – durch eine oder mehrere sog. Vertrauenspersonen gewährleistet, deren Ernennung nach Eröffnung des Verfahrens erfolgte (§ 40 Abs. 1 VglO 1927). Insoweit bestand ein bindendes Vorschlagsrecht einer Gläubigermehrheit oder der Berufsvertretung, solange nicht Tatsachen vorlagen, die die Vertrauensperson als ungeeignet erscheinen ließen (§ 41 Abs. 2 VglO 1927). Das Vergleichsverfahren durfte überdies nur eröffnet werden, wenn der Schuldner selbst zuvor die schriftliche Zustimmung der erforderlichen Gläubigermehrheit zur Eröffnung eingeholt hatte (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 VglO 1927).17) Ab Stellung des Eröffnungsantrags war die Eröffnung eines Konkursverfahrens ausgeschlossen (§ 31 VglO 1927). Eine Vollstreckungssperre trat hingegen erst mit der Eröffnung des Vergleichsverfahrens ein (§ 32 VglO 1927). ___________ 15) Einen Überblick über das bis dahin geltende Geschäftaufsichtsverfahren gibt Flessner, Sanierung und Reorganisation, S. 10 ff. 16) Flessner, Sanierung und Reorganisation, S. 13; Lucas, Die neue VglO, S. 1. 17) Bauer, Insolvenzplan, S. 269.

7

1. Teil: Der Sachwalter in der insolvenzrechtlichen Entwicklung

23 Die Vergleichsordnung von 1927 war jedoch bereits kurze Zeit nach ihrem Inkrafttreten umfassender Kritik ausgesetzt.18) Insbesondere die seitens des Schuldners vor Antragstellung einzuholende Gläubigerzustimmung erwies sich als äußerst kontraproduktiv. Die damit verbundene Offenbarung des Schuldners veranlasste einige Gläubiger dazu, noch vor Eintritt des Vollstreckungsschutzes Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten, was einem angestrebten Vergleich naturgemäß zuwiderlief,19) zum anderen waren einige wenige Gläubiger in der Lage, ein Vergleichsverfahren durch die Verweigerung ihrer Zustimmung zu vereiteln.20) Es wurde zudem eine konsequentere „Bereinigung der Gesamtwirtschaft“ von schwachen Kreditnehmern und zusammengebrochenen Schuldnern gefordert, was durch eine Schärfung der Antragsvoraussetzungen erreicht werden sollte.21) Schließlich stand ganz maßgeblich auch die Vertrauensperson in der Kritik. Ihre Rechtsstellung wurde als zu schwach und die Bestellung erst nach gerichtlicher Genehmigung des Verfahrens als verspätet kritisiert.22) Denn in der Zeit zwischen Einreichung des schuldnerischen Antrags auf Eröffnung des Verfahrens und Genehmigung dieses Antrags stand der Schuldner unter keiner Kontrolle, weshalb eine Einsetzung der Vertrauensperson bereits ab Antragstellung gefordert wurde.23) In der Kritik stand aber auch das bindende Vorschlagsrecht der Gläubiger gemäß § 41 VglO 1927, da dieses oftmals durch nicht unerheblichen Einfluss des Schuldners geprägt war. So wurde in der Praxis vermehrt diejenige Person als Vertrauensperson bestellt, die den Schuldner bereits im Vorfeld des Vergleichsverfahrens beraten und damit bereits zu einer Zeit tätig gewesen war, in der allein die eigenen Interessen des Schuldners im Vordergrund standen. Nach Ansicht der Kritiker war dies mit der Funktion der Vertrauensperson, die ab Verfahrenseröffnung ihre Interessen und Bestrebungen zwischen Gläubiger- und Schuldnerbelangen objektiv zu teilen habe, nicht vereinbar und der Vertrauensperson zudem auch „psychologisch nicht zumutbar“.24) Es wurde vielmehr ein freies Ermessen

___________ Vgl. hierzu Eisenhardt, Sanierung statt Liquidation, S. 253 ff. Flessner, Sanierung und Reorganisation, S. 15. Flessner, Sanierung und Reorganisation, S. 15; Bauer, Insolvenzplan, S. 269. Verband der Vereine Creditreform e. V., Die reformbedürftige Vergleichsordnung – Wirtschaftliche und rechtliche Kritik an der Vergleichsordnung vom 5. Juli 1927 und Vorschläge zu einer Reform des Gesetzes, S. 12. 22) Verband der Vereine Creditreform e. V., Die reformbedürftige Vergleichsordnung – Wirtschaftliche und rechtliche Kritik an der Vergleichsordnung vom 5. Juli 1927 und Vorschläge zu einer Reform des Gesetzes, S. 18. 23) So auch Verband der Vereine Creditreform e. V., Die reformbedürftige Vergleichsordnung – Wirtschaftliche und rechtliche Kritik an der Vergleichsordnung vom 5. Juli 1927 und Vorschläge zu einer Reform des Gesetzes, S. 18. 24) Verband der Vereine Creditreform e. V., Die reformbedürftige Vergleichsordnung – Wirtschaftliche und rechtliche Kritik an der Vergleichsordnung vom 5. Juli 1927 und Vorschläge zu einer Reform des Gesetzes, S. 28.

18) 19) 20) 21)

8

A. Der Vergleichsverwalter – der Sachwalter der Vergleichsordnung

des Gerichts bei der Auswahl sowie ein lediglich unverbindlichen Vorschlagsrecht der Gläubiger gefordert.25)

II. Vergleichsordnung von 1935 Angesichts dieser Kritik erarbeitete die deutsche Industrie- und Handelskammer in 24 Zusammenarbeit mit dem österreichischen Kammertag im Jahr 1931 einen Entwurf zu einer gemeinsamen deutsch-österreichischen Vergleichsordnung, der die Grundlage für die Vergleichsordnung vom 26. Februar 1935 („VglO“) bildete.26) Die Vergleichsordnung trat am 1. April 1935 in Kraft. Die „neue“ Vergleichsordnung sollte zunächst den Vergleichsschutz gegenüber einem 25 unwürdigen Schuldner verschärfen. Die Vertrauensperson wurde durch den sog. Vergleichsverwalter ersetzt, dessen Stellung gestärkt und seine Bestellung obligatorisch. Hinsichtlich der Eröffnung des Verfahrens wurde auf die vorherige Zustimmung der Gläubigermehrheit verzichtet. Das Gericht ernannte vielmehr sofort nach Eingang des Vergleichsantrags einen vorläufigen Vergleichsverwalter, wobei die Auswahl nunmehr allein im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stand. Die mit Blick auf die Rolle der Aufsichtsperson maßgeblich kritisierten Punkte wurden damit korrigiert. Für den vorläufigen Verwalter galten die Vorschriften über den Vergleichsverwalter 26 entsprechend (§ 11 Abs. 2 VglO). Der Schuldner behielt die Verfügungsgewalt über sein Vermögen und führte sein Geschäft weiter, wobei insbesondere auch schon im vorläufigen Vergleichsverfahren Verfügungsbeschränkungen als Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden konnten (§ 12 VglO). Dem vorläufigen Verwalter oblag die Überwachung des Schuldners. So hatte der Vergleichsverwalter gemäß § 39 VglO die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung des Schuldners und seiner Familie zu überwachen. Auch heute noch gehen die Grundzüge der Eigenverwaltung auf diese Regelungen zurück (siehe hierzu unten Rn. 172 ff.). Die Regelung des § 39 VglO findet sich sogar beinahe wortgleich in § 274 Abs. 2 S. 1 InsO wieder. Mit Einreichung des Eröffnungsantrags (§ 2 VglO) erlangte der Schuldner Konkurs- 27 schutz (§ 46 VglO). Der Antrag musste nach § 3 VglO einen Vergleichsvorschlag enthalten, der gemäß § 7 VglO den Gläubigern mindestens 35 Prozent ihrer Forderungen gewähren musste (Mindestquote). Ein nicht von vornherein aussichtsloser Vergleichsantrag wurde samt Anlagen (§ 4 VglO) der Berufsvertretung des Schuldners zur Stellungnahme übersandt (§ 14 VglO). Unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme ermittelte das Gericht nochmals selbst, ob Ablehnungsgründe (sog. Würdigkeitsmerk___________ 25) Verband der Vereine Creditreform e. V., Die reformbedürftige Vergleichsordnung – Wirtschaftliche und rechtliche Kritik an der Vergleichsordnung vom 5. Juli 1927 und Vorschläge zu einer Reform des Gesetzes, S. 29. 26) Vogels/Nölte, Vergleichsordnung, S. 2

9

1. Teil: Der Sachwalter in der insolvenzrechtlichen Entwicklung

male) im Sinne der §§ 17, 18 VglO vorlagen. War dies nicht der Fall, wurde das Vergleichsverfahren eröffnet (§ 21 VglO), der endgültige Vergleichsverwalter bestellt und ein Vergleichstermin anberaumt. Mit Eröffnung des Verfahrens begann gleichzeitig die Vollstreckungssperre nach § 47 VglO.

1.

Aufgaben des Vergleichsverwalters

28 Zum Vergleichsverwalter durfte nach § 38 VglO ausschließlich eine geschäftskundige, von Gläubigern und Schuldnern unabhängige natürliche Person bestellt werden. Da der Schuldner regelmäßig die Verfügungsgewalt über sein Vermögen behielt und sein Geschäft weiterführte, oblag dem Verwalter lediglich die Überprüfung dessen wirtschaftlicher Lage und die Überwachung seines Wirtschaftsgebarens (§ 39 VglO).27) Soweit der Schuldner jedoch in seiner Verfügungsbefugnis durch die Auferlegung eines Veräußerungsverbots (§ 58 ff. VglO) beschränkt wurde, „näherte sich der Aufgabenkreis des Verwalters weitestgehend dem des Konkursverwalters“ an.28) Der Vergleichsverwalter wurde vorrangig als sachkundiger Gehilfe des Richters gesehen, hatte jedoch gleichzeitig die Aufgabe, den Schuldner im Rahmen des Verfahrenszwecks zu unterstützen und zu beraten.29) x

Die Prüfung der wirtschaftlichen Lage erfasste zunächst die Erforschung der Ursachen des Vermögensverfalls sowie die Überprüfung, ob der Vergleichsvorschlag angemessen und realisierbar war, also der Vermögenslage des Schuldners entsprach.30)

x

Die Überwachung der Geschäftsführung erfasste infolge des Verbleibens der Verwaltungsbefugnis beim Schuldner zwar nicht die Verwaltung des Schuldnervermögens, Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörten, sollte der Schuldner aber dennoch nur mit Zustimmung des Verwalters eingehen können (§ 57 Abs. 1 VglO). Soweit der Schuldner die geschäftliche Zuverlässigkeit nicht erfüllte, hatte der Verwalter die Möglichkeit und die Pflicht, ein allgemeines oder besonderes Veräußerungsverbot als Sicherungsmaßnahme (§ 58 VglO) zu beantragen (§ 40 Abs. 2 VglO). Darüber hinaus war ihm auf Verlangen die Kassenführungsbefugnis zu übertragen (§ 57 Abs. 2 VglO).

___________ 27) Baur/Stürner, Insolvenzrecht, S. 321 (§ 27 I.1.); BGH, Urt. v. 14.2.1957 – VII ZR 250/56 NJW 1957, 750, 752. 28) BGH, Urt. v. 2.6.1980 – III ZR 122/78 KTS 1981, 79; Baur, Konkurs- und Vergleichsrecht, S. § 22 II. 29) Unter Wahrung der Unabhängigkeit und ohne sich in eine vom Schuldner abhängige Position zu begeben, vgl. Baur, Konkurs- und Vergleichsrecht, S. 178 (§ 22 II); Baur/Stürner, Insolvenzrecht, S. 321 (§ 27 I.1.); Bley/Mohrbutter, VglO (1979) § 39 Rn. 12. 30) Vogels/Nölte, Vergleichsordnung, S. 106 (§ 39).

10

A. Der Vergleichsverwalter – der Sachwalter der Vergleichsordnung

x

Die Überwachung der Lebensführung hingegen diente der Einhaltung der Entnahmebeschränkungen des § 56 VglO, wonach Eigenentnahmen ausschließlich zu bescheidener Lebensführung gestattet waren.31)

Die Erfüllbarkeit dieser Aufgaben wurde durch ein allgemeines Betretungs-, Ein- 29 sichts- und Auskunftsrecht des Verwalters sichergestellt (§ 40 Abs. 1 VglO). In der Praxis ging die tatsächliche Aufgabenwahrnehmung des Vergleichsverwalters 30 in der Regel über die bloße Überwachung und Überprüfung des Schuldners hinaus.32) Es etablierte sich vielmehr eine als „Vergleichsverfahren Kölner Prägung“ bezeichnete Zusammenarbeit von Schuldner und Vergleichsverwalter, bei der dem vorläufigen Verwalter als Regelfall die Kassenführung nach § 57 Abs. 2 VglO übertragen und Verfügungs- und Veräußerungsbeschränkungen sowie ggf. weitere Sicherungsmaßnahmen nach § 12 VglO erlassen wurden.33)

2.

Aufsicht und Haftung des Vergleichsverwalters

Der Vergleichsverwalter stand gemäß § 41 VglO unter der Aufsicht des Gerichts, 31 wobei dies jedoch keine Weisungsbefugnis begründete.34) Eine Entlassung durfte nur aus wichtigem Grund erfolgen (§ 41 Abs. 2 VglO). Gemäß § 42 VglO war der Vergleichsverwalter und auch schon der vorläufige Ver- 32 gleichsverwalter (§ 11 Abs. 2 VglO) „allen Beteiligten für die Erfüllung seiner Pflichten verantwortlich“. Der Begriff „Beteiligte“ erfasste alle Personen, gegenüber denen dem Vergleichsverwalter durch die Vergleichsordnung Pflichten auferlegt waren. Eine Haftungsbeschränkung war nicht zulässig, auch nicht auf Vorsatz. Mit der freiwilligen Übernahme des Amtes übernahm der Verwalter vielmehr die volle Verantwortung im Sinne des § 42 VglO.35)

3.

Die Einsetzung eines Sachwalters zur Abwicklung des Vergleichs

Wie die heutige Insolvenzordnung, sah auch schon die Vergleichsordnung in den 33 §§ 91, 92 VglO begrifflich einen „Sachwalter“ vor. Jedoch hat der Sachwalter der Vergleichsordnung mit dem Sachwalter des Eigenverwaltungsverfahrens der Insolvenzordnung lediglich die gleichlautende Bezeichnung gemein. Der Sachwalter der Vergleichsordnung war fakultativ und wurde erst nach Verfahrensbeendigung eingesetzt. Die Aufhebung des Vergleichsverfahrens war unter den Voraussetzungen des § 90 VglO möglich. Alternativ konnte gemäß § 91 Abs. 1 VglO das Vergleichsver___________ 31) 32) 33) 34) 35)

Vogels/Nölte, Vergleichsordnung, S. 106 (§ 39). Baur/Stürner, Insolvenzrecht, S. 322 (§ 27 II 2.b.). Baur/Stürner, Insolvenzrecht, S. 322 (§ 27 II 2.b.). Vogels/Nölte, Vergleichsordnung, S. 109 (§ 39). Vogels/Nölte, Vergleichsordnung, S. 110 (§ 42).

11

1. Teil: Der Sachwalter in der insolvenzrechtlichen Entwicklung

fahren nach Bestätigung des Vergleichs (§§ 78 ff. VglO) auch dann aufgehoben werden, wenn sich der Schuldner bereits im Vergleich der Überwachung durch einen Sachwalter der Gläubiger unterworfen hatte. Die Abwicklung des Vergleichs wurde dann außerhalb eines förmlichen Verfahrens durch einen Sachwalter überwacht. In der Regel übernahm der zuvor bestellte Vergleichsverwalter, dessen Amt mit Aufhebung des Verfahren endete (§ 98 Abs. 1 VglO), auch den Auftrag des Sachwalters.36) Von Auftrag ist deswegen zu sprechen, da der Sachwalter – anders als der Vergleichsverwalter – nicht in einer amtsähnlichen Stellung, sondern vielmehr infolge eines aus dem Vergleich zu entnehmenden Auftrags des Vergleichsschuldners tätig wurde.37) Zwischen Schuldner und Sachwalter bestand in der Regel ein auf eine Dienstleistung gerichteter entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag, der zugleich ein Vertrag zugunsten Dritter, namentlich zugunsten der Vergleichsgläubiger war.38)

34 Gemäß § 92 Abs. 1 VglO verfügte der Sachwalter über die in §§ 39, 40 Abs. 1, 42 sowie § 57 VglO bezeichneten Rechte und Pflichten (vgl. hierzu oben Rn. 28). Auch ohne Verweis auf die Anzeigepflicht des § 40 Abs. 2 InsO wurde aus Sinn und Zweck seiner Tätigkeit zudem die Pflicht zur Unterrichtung des Vergleichsgerichts hergeleitet, falls der Vergleichsschuldner dem Vergleich widersprechende Maßnahmen vornahm oder sobald der Vergleich nicht mehr erfüllt werden konnte.39)

B. Die Verwalter des Chapter 11 Verfahrens 35 Zwar beruhte die grundlegende Idee der Eigenverwaltung, dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu belassen, primär auf einem nationalen Vorbild, nämlich der bis dahin geltenden Vergleichsordnung. Die Reformdiskussion wies jedoch auch schon frühzeitig rechtsvergleichende Akzente auf.40) Ausweislich der Regierungsbegründung hatte die amerikanische Rechtspraxis und Rechtswissenschaft seit dem 19. Jahrhundert umfassende Erfahrungen bei der Sanierung insolventer Unternehmen gesammelt, so dass deren Erkenntnisse besonders berücksichtigt werden sollten.41) Als weiterer Vorteil wurde gesehen, dass die Nähe der Eigenverwaltung zum U.S.-amerikanischen Recht Vertrauen bei Gläubigern und Geschäftspartnern aus dem angelsächsischen Bereich schaffe.42)

36 Im Rahmen des Reorganisationsverfahren des Chapter 11 USBC behält der Schuldner bzw. dessen organschaftliche Vertreter solange die Verwaltungs- und Verfü___________ 36) Bley, in: Bley/Mohrbutter, VglO (1981), § 92 Rn. 1 ff. 37) BGH, Urt. v. 13.4.1961 – III ZR 223/59 NJW 1961, 1352, 1353. 38) Bley, in: Bley/Mohrbutter, VglO (1981), § 92 Rn. 4; BGH, Urt. v. 29.11.1973 – VII ZR 2/73 NJW 1974, 238, 239; BGH, Urt. v. 13.4.1961 – III ZR 223/59 NJW 1961, 1352, 1353. 39) Bley, in: Bley/Mohrbutter, VglO (1981), § 92 Rn. 8. 40) Baur/Stürner, Insolvenzrecht, S. 18 (§ 4 V.1.); so auch Bundesministerium der Justiz, Erster Bericht InsO-Komm., S. 10. 41) Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 105. 42) Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, vor §§ 270 Rn. 19.

12

B. Die Verwalter des Chapter 11 Verfahrens

gungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen „unless there is a cause to replace the debtor in possession“.43) Als sog. debtor in possession ist der Schuldner auch nach Verfahrenseröffnung zur autonomen Unternehmensfortführung berechtigt.44) Die Kontrolle des Schuldners erfolgt überwiegend durch die Organe der Gläubiger (sog. „creditor committees“).45) Eine weitergehende Kontrolle kann grundsätzlich durch die Bestellung eines trustees oder examiners erreicht werden, erfolgt in der Praxis jedoch nur in Ausnahmefällen.46)

I.

Die Einsetzung eines „trustees“

Das Chapter 11 Verfahren verfügt über die Möglichkeit, einen Treuhänder (trustee) 37 einzusetzen, der die Geschäfte des Schuldners fortführt und die Verwaltung des gemeinschuldnerischen Vermögens übernimmt. Die Einsetzung des trustees erfolgt nach Sec. 1104 (a) USBC auf Antrag eines Ver- 38 fahrensbeteiligten (party in interest)47) oder des United State Trustees48). Der Antrag ist ausschließlich im Zeitraum zwischen Verfahrenseröffnung und Bestätigung des Reorganisationsplans zulässig. Gemäß Sec. 1104 (a) (1) USBC soll einem Antrag bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entsprochen werden, wobei der Ermessensspielraum des Gerichts insoweit begrenzt ist, als einer der dort definierten wichtigen Gründe, namentlich Betrug, Unredlichkeit, Inkompetenz oder grobes Missmanagement des Schuldners vorliegen muss.49) Während Absatz (1) damit an ein schuldnerisches Fehlverhalten anknüpft, erfolgt eine Einsetzung nach Sec. 1104 (a) (2) USBC, soweit die Interessen der Gläubiger eine Einsetzung erfordern. Stellt das Gericht das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen fest, ist die Einsetzung eines trustees verpflichtend; ein gerichtliches Ermessen besteht nicht.50) ___________ 43) 44) 45) 46)

47)

48)

49) 50)

Uhlenbruck, in: Festschrift Metzeler, S. 86. Vgl. Sec. 1108 i. V. m 1107 USBC. Vgl. die Rechte des Creditor Comittees in Sec. 1103 (c) USBC. Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, vor §§ 270 Rn. 11; Seagon, KSI 2015, 75; vgl. auch Final Report des American Bankruptcy Institutes, S. 27: „Notwithstanding this statutory authority, anecdotal evidence suggests that chapter 11 trustees are the rare exception rather than the rule“. Gemäß Sec. 1109 (b) USBC sind dies „the debtor, the trustee, a creditors’ committee, an equity security holders’ committee, a creditor, an equity security holder, or any indenture trustee, may raise and may appear and be heard on any issue in a case under this chapter“. Die „U.S. Trustees“ sind für die Dauer von fünf Jahren eingesetzte Bundesbeamte (vgl. Titel 28 USC, Part 2, Chapter 39, Sec. 581 f.) und eine gesonderte Institution des U.S.-amerikanischen Insolvenzrechts, die als staatliche Aufsichtsinstanz in das Insolvenzverfahren eingeschaltet und nicht mit dem „trustee“ i. S. e. Treuhänders zu verwechseln sind, vgl. hierzu eingehend Kemper, Erfahrungen mit „Chapter 11“, S. 53; Gräwe, ZInsO 2012, 158, 160 sowie unter http://www.justice.gov/ust. In Re Eichorn, 5 B.R. 755 (Bankr. D. Mass. 1980), 757. In re Ford, 36 B.R. 501 (Bankr. W. D. Ky. 1983), 504: „Where such cause has been shown, the Courts have no discretion but must appoint a trustee“.

13

1. Teil: Der Sachwalter in der insolvenzrechtlichen Entwicklung

39 Sofern das Gericht die Einsetzung eines trustees anordnet, wird dieser durch den United States Trustee benannt, Sec. 1104 (d) USBC. Daneben besteht gemäß Sec. 1104 (b) USBC auch die Möglichkeit, dass der United States Trustee auf Antrag eines Beteiligten innerhalb von 30 Tagen nach der gerichtlichen Anordnung eine Gläubigerversammlung zur Wahl einer unbeteiligten Person als trustee einberuft.

40 Wer als trustee eingesetzt werden kann, regeln die allgemeinen Vorschriften der Sec. 321, 322 USBC. Gemäß Sec. 321 (a) USBC kann entweder eine geeignete natürliche Person oder eine satzungsmäßig dazu bestimmte Gesellschaft als trustee eines Chapter 11 Verfahrens fungieren. Gemäß Sec. 1104 (d) USBC muss diese natürliche Person oder Gesellschaft zwingend unbeteiligt und damit unabhängig sein.

41 Die Aufgaben und Pflichten des trustees sind in Sec. 1106 (a) USBC geregelt, wobei zum Teil auch auf die Regelungen zum trustee des Liquidationsverfahrens nach Chapter 7 (Sec. 705 (a) USBC) verwiesen wird. Er ist Treuhänder und fungiert während seiner Tätigkeit sowohl als „chief operating officer“ wie auch als „chief executive officer“.51) Er hat unter anderem die seitens der Gläubiger geltend gemachten Ansprüche zu prüfen und gegebenenfalls abzuwehren, Verfahrensbeteiligten auf Anfrage Auskunft über das schuldnerische Vermögen und dessen Verwaltung zu erteilen, die finanzielle Situation des Schuldners umfassend zu überwachen sowie den Reorganisationsplan mit auszuarbeiten oder, falls ein solcher nicht erstellt wird, die Gründe dafür anzugeben und den Übergang in ein geeigneteres Verfahren zu empfehlen.52) Zur Erfüllung seiner Aufgaben kann sich der trustee der Unterstützung unabhängiger Berater bedienen, Sec. 327 (a) USBC.

42 Die Einsetzung eines trustees im Chapter 11 Verfahren ist jedoch kein Automatismus und wird in der amerikanischen Rechtspraxis eher als belastend angesehen.53) Dies wird einerseits auf die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten, andererseits auf die durch die notwendige der Einarbeitungszeit entstehende Verfahrensverzögerung gestützt.54)

II. Die Einsetzung eines „examiners“ 43 Das Chapter 11 Verfahren kennt neben der Einsetzung eines trustees auch die Möglichkeit der Einsetzung eines examiners, Sec. 1104 (c) USBC. Auch dessen Einsetzung bedarf zwingend eines Antrags eines Verfahrensbeteiligten oder des United ___________ 51) In re Lowry Graphics Inc., 86 B.R. 74 (Bankr. S. D. Tex. 1988), 76; Broude, Reorganizations under Chapter 11, 3 – 34. 52) Broude, Reorganizations under Chapter 11, 3 – 32; Kemper, Erfahrungen mit „Chapter 11“, S. 66. 53) Final Report des American Bankruptcy Institutes, S. 27; Broude, Reorganizations under Chapter 11, 3 – 36 „All in all, the appointment of a trustee is a major trauma in a case (…)“. 54) In re Hotel Associates Inc., 3 B.R. 343 (Bankr. E.D. Pa. 1980), 345; In re Crecent Beach Inn, Inc., 22 B.R. 155 (Bankr. D. Me. 1982), 160; Broude, Reorganizations under Chapter 11, 3 – 36.

14

B. Die Verwalter des Chapter 11 Verfahrens

States Trustees. Die Einsetzung erfolgt, wenn die Bestellung eines trustees nicht für erforderlich gehalten wird oder das Gericht einen Einsetzungsgrund im Sinne von Sec. 1104 (a) USBC nicht nachweisen kann, gleichzeitig die Verfahrensbeteiligten infolge vermuteten schuldnerischen Fehlverhaltens aber eine unabhängige Kontrollinstanz für notwendig erachten.55) Gemäß Sec. 1104 (c) muss die Bestellung zusätzlich im Interesse der Beteiligten liegen oder die ungesicherten Verbindlichkeiten des Schuldners – mit Ausnahme solcher für Leistungen und Lieferungen oder Steuern – einen Betrag von USD 5 Mio. übersteigen. Während das Gericht also bei der ersten Alternative einen Ermessensspielraum hat, muss bei Überschreiten der Summe im Rahmen der zweiten Alternative auf Antrag ein examiner eingesetzt werden.56) Die Aufgaben des examiners sind in Sec. 1106 (b) i. V. m. 1106 (a) (3), (4) USBC 44 geregelt. Er führt vorrangig investigative Tätigkeiten und Untersuchungen für behauptete kriminelle oder grob geschäftswidrige Tätigkeiten des Managements und berichtet dem Gericht und den Gläubigern über seine Erkenntnisse; formal gesehen handelt es sich folglich um einen Verwalter mit beschränkter Aufgabenstellung, der im Wesentlichen einer Sachverständigentätigkeit nachgeht.57) Die Stellung des Schuldners als debtor in possession bleibt von der Einsetzung eines examiners unberührt.58) Die amerikanische Rechtspraxis tendiert jedoch dazu, den examiner, soweit er denn bestellt wird, für viele, vom Wortlaut des Sec. 1104 (c) USBC nicht erfasste Tätigkeiten zu bestellen und teilweise mit weit über Sec. 1106 (b) USBC hinausgehenden, eher denen eines trustees entsprechenden Befugnissen auszustatten.59) Tatsächlich ist die Rolle des examiners jedoch von geringer praktischer Relevanz. Betrachtet man die 576 größten Chapter 11 Verfahren der USA in den Jahren 1991 bis 2007, so wurde lediglich in 87 Fällen die Einsetzung eines examiners beantragt und ein solcher in nur 39 Fällen tatsächlich bestellt.60) Auch wenn die Ermittlungen des examiners einen wichtigen und positiven Einfluss auf das Verfahren haben können,61) wird er zum Teil für einen bloßen Kostenmultiplikator gehalten, der Aufgaben wahrnimmt, die ebenso gut durch den Gläubigerausschuss hätten wahrgenommen werden können.62) Die Einsetzung eines examiners scheint damit auch in Großverfahren die Ausnahme zu bleiben. ___________ Broude, Reorganizations under Chapter 11, 3 – 37. Kemper, Erfahrungen mit „Chapter 11“, S. 73. Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 500. Kemper, Erfahrungen mit „Chapter 11“, S. 73. Broude, Reorganizations under Chapter 11, 3 – 38.1 m. w. N. Final Report des American Bankruptcy Institutes, S. 33. So wären wesentliche Ansprüche im Lehman Brother- und anderen Großverfahren ohne Einschaltung eines examiners nicht aufgedeckt worden, vgl. Final Report des American Bankruptcy Institutes, S. 35. 62) Final Report des American Bankruptcy Institutes, S. 35; Dickerson, Minn. L. Rev. 875, 904.

55) 56) 57) 58) 59) 60) 61)

15

2. Teil: Das Eigenverwaltungsverfahren der InsO im Überblick Bevor im 3. Teil schwerpunktmäßig auf die Rolle des Sachwalters in der Eigen- 45 verwaltung eingegangen wird, soll nachfolgend zunächst ein kurzer Überblick über das Eigenverwaltungsverfahren in seiner heutigen Form gegeben werden.

A. Allgemeines Das Verfahren der Eigenverwaltung ist heute in den §§ 270 bis 285 InsO normiert 46 und hat mit Wirkung zum 1. Januar 1999 Einzug in die Insolvenzordnung gefunden. Die Vorschriften zur Eigenverwaltung stellen dabei kein in sich geschlossenes System dar, sondern ergänzen und modifizieren vielmehr die allgemeinen Regelungen der InsO. Die Eigenverwaltung wird überwiegend auf Fortführungsfälle mit konkreter Sanierungsaussicht gerichtet sein, kann als allgemeines Insolvenzverfahren jedoch gleichermaßen mit dem Ziel der Unternehmensliquidation zugelassen werden.63) Wie das ihr zugrundeliegende Vergleichsverfahren (siehe hierzu oben Rn. 21) so- 47 wie das U.S.-amerikanische Chapter 11 Verfahren (siehe hierzu oben Rn. 35) zeichnet sich diese besondere Art des Insolvenzverfahrens dadurch aus, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen, in Abweichung zu § 80 Abs. 1 InsO, nicht durch einen Insolvenzverwalter, sondern gemäß § 270 Abs. 1 S. 1 InsO durch den eigenverwaltenden Schuldner selbst ausgeübt wird. Dabei steht der Schuldner unter der Aufsicht eines Sachwalters. Gerade an dieser, das Eigenverwaltungsverfahren prägendsten Besonderheit, stör- 48 ten und stören sich auch heute noch einige Kritiker. Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zur Insolvenzordnung wurde vielfach vorgebracht, ein Verfahren, welches den Schuldner zu seinem eigenen Gerichtsvollzieher und folglich den „Bock zum Gärtner“64) mache, könne keine Existenzberechtigung haben. Die Eigenverwaltung wurde als eines der gefährlichsten Instrumente tituliert, die der Gesetzgeber dem Schuldner im neuen Insolvenzrecht an die Hand gegeben habe.65) Für den Gesetzgeber überwogen jedoch die mit der Eigenverwaltung verbundenen 49 Vorteile. Ausweislich der Regierungsbegründung zur Insolvenzordnung galten als solche insbesondere die folgenden Gründe: x

Nutzen der Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung und unternehmerische Kontinuität

x

Vermeidung einer zeitintensiven Einarbeitung eines Fremdverwalters

___________ 63) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 4; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, vor §§ 270 Rn. 39. 64) Vgl. nur Gravenbrucher Kreis, ZIP 1994, 585; Förster, ZInsO 1999, 153. 65) Smid/Nellessen, InVO 1998, 113, 114.

17

2. Teil: Das Eigenverwaltungsverfahren der InsO im Überblick

x

Aufwand- und Kostenersparnisse

x

Anreiz der verbleibenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags.66)

50 Das Recht der Eigenverwaltung erlangte seit Aufnahme der zugehörigen Regelungen in die Insolvenzordnung jedoch nur geringe praktische Bedeutung im deutschen Insolvenzrecht.67) So wurden von 1999 bis 2011 lediglich 2.362 Verfahren als Eigenverwaltungsverfahren eröffnet. Dem stehen 262.982 Unternehmen gegenüber, über die im selben Zeitraum ein Regelinsolvenzverfahren eröffnet wurde.68) Der Gesetzgeber ging davon aus, dass diese geringe Anzahl auch den Insolvenzgerichten geschuldet sei, die nur mit großer Zurückhaltung von der Möglichkeit Gebrauch machten, dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu belassen. Selbst für geeignete Schuldner bestünde hierdurch keine Sicherheit, dass das Insolvenzgericht ein Verfahren in Eigenverwaltung gestatte.69) Der Gesetzgeber sah infolgedessen Handlungsbedarf, der durch eine Reform des Eigenverwaltungsverfahrens umgesetzt werden sollte.

51 Die letzten Änderungen der Vorschriften zur Eigenverwaltung gehen auf das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)70) vom 7. Dezember 2011 zurück. Dieses stellte die erste von drei Stufen der Reform des Insolvenzrechts dar und trat am 1. März 2012 in Kraft.71) Die Reformierung des Insolvenzplanverfahrens und der Eigenverwaltung stand dabei nicht ohne Grund auf der ersten Stufe. Da in Europa gewissermaßen ein Wettbewerb der Restrukturierungsrechte besteht, war es Ziel des Gesetzgebers, den Insolvenztourismus („forum shopping“)72) einzudämmen, indem die Sanierungschancen verbessert und die Attraktivität des Sanierungsstandorts Deutschland gesteigert wird.73) Neben der Stärkung der Gläubigerrechte74) war weiterer Schwerpunkt des Gesetzes die Vereinfachung ___________ 66) Vgl. Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 67) So auch Henkel, ZInsO 2015, 2477 („nahezu ignoriert“). 68) Vgl. Insolvenzstatistik des Statistischen Bundesamts, abgedruckt bei Rattunde, in: Borchardt/ Frind, Betriebsfortführung, Borchardt/Frind 2. 69) So die Problembeschreibung der Bundesregierung, vgl. Begr. Regierungsentwurf ESUG, BTDrucks. 17/5712, S. 1. 70) BGBl. I 2011 Teil 1 Nr. 64 S. 2582. 71) Auf zweiter Stufe wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (in Kraft seit 1.7.2014; BGBl. 2013 Teil 1 Nr. 38 S. 2379) geändert. Die dritte Stufe soll das Konzerninsolvenzrecht reformieren. Der entsprechende Gesetzesentwurf vom 31.1.2014 (vgl. RegE, BTDrucks 18/407) wurde am 9. März 2017 in 2. und 3. Lesung durch den Bundestag angenommen. 72) Beschreibt die Sitzverlegung eines Unternehmens ins Ausland zur gezielten Anwendbarkeit des jeweiligen nationalen Insolvenzrechts. 73) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 1; Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 13. 74) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 17.

18

B. Anordnung und Beendigung der Eigenverwaltung

des Zugangs zur Eigenverwaltung. Das ESUG sollte Hindernisse auf dem Weg zur Eigenverwaltung ausräumen und die Geschäftsführung in der Eigenverwaltung erleichtern.75) Die verspätete Stellung des Insolvenzantrags wurde als zentrales Defizit des deutschen Insolvenzrechts ausgemacht. Vor Erlass des ESUG vergingen zwischen Eintritt der materiellen Insolvenzreife und Stellung des Insolvenzantrags in der Regel zehn Monate, in denen der sanierbare Unternehmenswert und damit die Chancen einer erfolgreichen Sanierung beständig sinken.76) Gründe für den verspäteten Eröffnungsantrag wurden sowohl in den bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Handhabung durch die Insolvenzgerichte als auch in dem in einem Insolvenzverfahren zwangsläufig eintretende Kontrollverlust gesehen. Die Eigenverwaltung kann dieser Hemmschwelle insofern entgegenwirken, als der Schuldner durch den Verbleib der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis einen gesichtswahrenden Vertrauensvorschuss erhält.77) Durch die mit dem ESUG verbundenen Änderungen sollten die Anreize für einen frühzeitigen Antrag auf Verfahrenseröffnung gestärkt und allen Beteiligten eine größere Planungssicherheit ermöglicht werden.78) Eine der wohl wichtisten Änderungen stellte jedoch die Schaffung eines Eröffnungs- 52 verfahrens in Eigenverwaltung dar. Bis zum Inkrafttreten des ESUG war für die Eigenverwaltung kein spezielles vorläufiges Verfahren vorgesehen. Das Vorverfahren wurde durch das ESUG grundlegend geändert und die Eigenverwaltung in das Eröffnungsverfahren vorverlagert (siehe hierzu unten Rn. 61 f.).79)

B. Anordnung und Beendigung der Eigenverwaltung I.

Die Anordnung der Eigenverwaltung nach § 270 InsO

Die Anordnung der Eigenverwaltung ist in den §§ 270, 271 InsO normiert. Als all- 53 gemeines Insolvenzverfahren bedarf die Verfahrenseröffnung in Eigenverwaltung zunächst eines allgemeinen Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach den § 13 ff. InsO (Eröffnungsantrag).80) Der Eröffnungsantrag kann wie üblich vom Schuldner selbst oder von den Gläubigern gestellt werden, § 13 Abs. 1 S. 2 InsO.81) Darüber hinaus bedarf es eines gesonderten Antrags auf Eigenverwaltung. Dieser kann gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO jedoch ausschließlich vom Schuldner selbst gestellt,

___________ 75) 76) 77) 78) 79) 80)

Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 19. Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 17. Mönning, in: Festschrift Wellensiek, S. 642. Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 2. Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, vor §§ 270 Rn. 26; Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 3. Doppelantragserfordernis vgl. Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 34; Foltis, in: FK-InsO, § 270 Rn. 42. 81) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 41.

19

2. Teil: Das Eigenverwaltungsverfahren der InsO im Überblick

dabei jedoch mit dem (Eigen-) Eröffnungsantrag verbunden werden.82) Der Eigenverwaltungsantrag muss jedoch, auch bei Vorliegen eines Gläubigerantrags auf Insolvenzeröffnung, spätestens bis zum Zeitpunkt des Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts vorliegen, was aus der Regelung § 270 Abs. 1 S. 1 InsO folgt.83) Geht der Antrag auf Eigenverwaltung später ein, ist eine Anordnung im eröffneten Insolvenzverfahren ausschließlich unter den Voraussetzungen des § 271 InsO möglich (siehe hierzu unten Rn. 68 f.).84)

1.

Voraussetzungen der Anordnung

54 Liegt ein Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung vor, so setzt die Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO weiter voraus, dass keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Während vor Inkrafttreten des ESUG das Insolvenzgericht die positive Prognose treffen musste, dass die Eigenverwaltung nicht zu Nachteilen der Gläubiger führen wird (§ 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO a. F.), nimmt das Gericht nun lediglich eine Nachteilsprognose vor. Zweifel des Gerichts reichen nicht mehr aus; es müssen vielmehr konkrete Umstände bekannt sein, die Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen.85) Unklarheiten über mögliche Nachteile gehen damit nicht mehr zu Lasten des Schuldners und die Aussichten des Schuldners auf Eigenverwaltung werden spürbar erhöht.86) Liegen keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gläubigerbenachteiligung vor, hat das Insolvenzgericht dem Antrag zu entsprechen und die Eigenverwaltung anzuordnen. Dem Schuldner steht insoweit ein Anspruch auf Anordnung der Eigenverwaltung zu.87) Die Regelung des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO a. F., wonach im Falle eines Gläubigerinsolvenzantrags die Eigenverwaltung nur angeordnet werden durfte, wenn der Gläubiger dem Antrag zugestimmt hatte, ist durch das ESUG entfallen. Einzelnen Gläubigern wurde damit die bisher bestehende Blockademöglichkeit genommen.88)

___________ 82) Anstelle vieler Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 36; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 4. 83) Vgl. Wortlaut des § 270 Abs. 1 S. 1 InsO „wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet.“; siehe auch Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 36 m. w. N. 84) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 41. 85) Landfermann, in: HK-InsO, vor §§ 270 ff. Rn. 13. 86) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 38. 87) Neußner, in: Kübler, HRI, § 10 Rn. 32; Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 270 Nerlich/ Römermann Rn. 20; a. A. Leib/Rendels, EWiR 2013, 625, 626; AG Hamburg, Beschl. v. 18.12.2013 – 67 c IN 410/13 NZI 2014, 269; AG Hamburg, Beschl. v. 19.12.2013 – 67 c IN 501/13 NZI 2014, 312. 88) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 38.

20

B. Anordnung und Beendigung der Eigenverwaltung

Besteht umgekehrt jedoch ein vorläufiger Gläubigerausschuss (vgl. hierzu unten 55 Rn. 94 f.) und unterstützt dieser den Antrag des Schuldners einstimmig, gilt die Anordnung gemäß § 270 Abs. 3 S. 2 InsO als nicht nachteilig für die Gläubiger. Dies ist seitens des Gerichts zu unterstellen; eine eigene Prognoseentscheidung und abweichende Entscheidung ist ihm dann versagt.89) Im Übrigen hat das Gericht in seiner Prognoseentscheidung zu berücksichtigen, dass 56 die Gläubiger durch die Eigenverwaltung nicht schlechter gestellt werden dürfen als in einem (sonst vorzunehmenden) Regelinsolvenzverfahren unter Einsetzung eines Insolvenzverwalters.90) Das in einem Regelinsolvenzverfahren bestehende Schutzniveau darf durch die Eigenverwaltung nicht unterschritten werden.91) Aus diesem Grund stellt auch eine zu erwartende Verfahrensverzögerung, trotz Wegfalls ihrer ausdrücklichen Aufzählung in § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO a. F., einen Nachteil für die Gläubiger dar, der gegen die Anordnung der Eigenverwaltung spricht.92) Als Nachteil im Sinne des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO kommen weiterhin subjektive 57 Elemente des Schuldners in Betracht.93) Der Schuldner bzw. die Geschäftsleitung müssen für ein Verfahren in Eigenverwaltung insbesondere über die notwendige Unabhängigkeit und Zuverlässigkeit verfügen.94) Soweit vom Schuldner bzw. der Geschäftsführung darüber hinaus eine umfassende insolvenzrechtliche Expertise des Schuldners gefordert wird, ist dem nur teilweise zuzustimmen. Tatsächlich setzen die dem Schuldner übertragenen Aufgaben eine hinreichende Geschäftskunde voraus. Der Schuldner muss in der Lage sein, die ihm übertragenen Aufgaben dem Grunde nach wahrzunehmen. Er muss dabei insbesondere über hinreichende Kenntnis zum Führen von Tabelle und Massenverzeichnissen, zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger und zur regelgerechten Begründung von Masseverbindlichkeiten verfügen.95) Diese Grundkenntnisse kann sich der Schuldner jedoch vielfach im Rahmen der ohnehin regelmäßig stattfindenden vorinsolvenzlichen Beratung verschaffen. Nicht hingegen können und sollten vom Schuldner umfassende insolvenzrechtliche Spezialkenntnisse gefordert werden, die sich dieser regelmäßig aus-

___________ 89) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 39; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 97; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 87 Rn. 16. 90) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 12. 91) So anschaulich zum Nachteilsbegriff des § 274 Abs. 3 InsO Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 359 f. 92) Str., vgl. Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 11 m. w. N. 93) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 47. 94) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 12; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 53; zur mangelnden Zuverlässigkeit des Schuldners wegen jahrelang mangelhafter Buchführung und rückständiger Sozialversicherungsbeiträge vgl. AG Köln, Beschl. v. 9.2.2017 – 72 IN 496/16 JurionRS 2017, 10531. 95) Vgl. AG Hamburg, Beschl. v. 19.12.2013 – 67 c IN 501/13 NZI 2014, 312.

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2. Teil: Das Eigenverwaltungsverfahren der InsO im Überblick

schließlich durch den Einkauf externer Expertise beschaffen kann.96) Die Eigenverwaltung würde in diesem Fall untrennbar an die Beauftragung externer Sanierungsberater bzw. die Bestellung spezieller Sanierungsgeschäftsführer (sog. Chief Restructuring Officer) geknüpft werden. Es kann jedoch nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen sein, eine Eigenverwaltung zu schaffen, die lediglich im Gewand einer Fremdverwaltung oder durch die Beauftragung externer Sanierungsberatern bewerkstelligt werden kann (siehe hierzu auch unten Rn. 284 ff.). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die hierdurch zu prognostizierenden Kosten ebenfalls in die Nachteilsprognose miteinfließen müssen. In einer Vielzahl der Fälle würde sich eine Anordnung der Eigenverwaltung dann bereits verbieten, da die Kosten des Eigenverwaltungsverfahrens über denen eines Regelinsolvenzverfahrens liegen und letztlich die zu erwartende Quote der Gläubiger geringer ausfällt.97) Dabei kommt als zusätzliche Erschwernis hinzu, dass sich die voraussichtlichen Beratungskosten bei Antragstellung allenfalls prognostizieren, keinesfalls jedoch sicher feststellen lassen, so dass es trotz Vergleichsrechnung letztlich zu einer im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren nachteiligen Quote kommen kann.98)

58 Es sollte vielmehr im Einzelfall berücksichtigt werden, welche insolvenzrechtlichen Kenntnisse das jeweilige Verfahren benötigt, über welche Grundkenntnisse der Schuldner bereits verfügt, welche er bereits im Wege der vorinsolvenzlichen Beratung erlangt hat, welche möglicherweise mithilfe der Verfahrensbeteiligten kompensiert werden können (siehe zur Unterstützung des Schuldners durch den Sachwalter unten Rn. 284 ff.) und soweit die Beauftragung externer Sanierungsberater notwendig ist, inwieweit eine Eigenverwaltung aufgrund der zu berücksichtigenden Beratungskosten überhaupt angeordnet werden darf. Der Einkauf externer Expertise darf jedoch nicht zur ungeschriebenen Anordnungsvoraussetzung werden.

59 Liegen keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gläubigerbenachteiligung vor, hat das Insolvenzgericht dem Antrag des Schuldners zu entsprechen und in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gleichzeitig die Eigenverwaltung anzuordnen. Der Schuldner ist in diesem Fall mit Verfahrenseröffnung berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Gemäß § 270c S. 1 InsO wird mit Anordnung der Eigenverwaltung gleichzeitig der Sachwalter bestellt (siehe hierzu unten Rn. 81 ff.).

___________ 96) Drastisch Haarmeyer, ZInsO 2013, 2345, 2346; tendenziell auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 26. 97) I. E. richtig daher AG Freiburg, Beschl. v. 1.5.2015 – 58 IN 37/15 NZI 2015, 604; AG Essen, Beschl. v. 3.2.2015 – 163 IN 14/15 ZInsO 2015, 700. 98) Landfermann, in: HK-InsO, § 270 Rn. 19; Laroche/Prusowski u. a., ZIP 2014, 2153, 2162; zur vorzunehmenden Vergleichsrechnung auch Rendels/Zabel, InDat-Report 2/2016, 52, 55.

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B. Anordnung und Beendigung der Eigenverwaltung

2.

Rechtsmittel gegen die (Nicht-) Anordnung der Eigenverwaltung

Gegen den Anordnungsbeschluss besteht ebenso wenig ein Rechtsmittel wie gegen 60 die Ablehnung der Eigenverwaltung.99) Der Gesetzgeber hat ausdrücklich auf die Aufnahme eines entsprechenden Rechtsmittels verzichtet, da eine Überprüfung der Entscheidung des Gerichts bereits hinreichend durch die Insolvenzordnung gesichert ist. Für die – in der Regel nach nur wenigen Wochen stattfindende – Gläubigerversammlung besteht die Möglichkeit gemäß § 271 InsO nachträglich die Anordnung der Eigenverwaltung oder gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachträglich deren Aufhebung zu verlangen (siehe hierzu unten Rn. 68). Damit bestehe ausreichend Gelegenheit, die Entscheidung des Gerichts zu korrigieren.100) Dieser eindeutige gesetzgeberische Wille bestätigt die bereits vor dem ESUG gefestigte Rechtsprechung, ein Rechtsmittel auch nicht über konstruierte verfahrensrechtliche Umwege, wie beispielsweise die Anfechtung des gleichzeitig ergangenen Eröffnungsbeschlusses, zuzulassen.101) Der Beschluss ist gemäß § 30 InsO öffentlich bekannt zu machen. Lediglich der ablehnende Beschluss ist gemäß § 270 Abs. 4 InsO schriftlich zu begründen.

II. Das Eröffnungsverfahren, § 270a InsO Dem Zeitraum zwischen Antragstellung und Verfahrenseröffnung kommt sowohl 61 im Regelinsolvenzverfahren als auch im Eigenverwaltungsverfahren oftmals entscheidende Bedeutung zu. In dieser Phase müssen wichtige Weichen für die angestrebte Restrukturierung und den weiteren Verfahrensablauf gestellt werden.102) So muss es insbesondere gelingen, die zahlreichen widerstreitenden Interessen zum Ausgleich zu bringen, Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden erfolgreich zu führen und die Betriebsfortführung durch die Schaffung notwendiger Liquidität zu sichern.103) Bis zum Inkrafttreten des ESUG war für die Eigenverwaltung kein spezielles vor- 62 läufiges Verfahren vorgesehen. Das Vorverfahren wurde durch das ESUG jedoch grundlegend geändert und die Eigenverwaltung in das Eröffnungsverfahren vorverlagert.104) Während zuvor unmittelbar nach der Antragstellung regelmäßig ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt wurde, erfolgt nun bei nicht offensichtlich aussichtlosen Eigenverwaltungsanträgen gemäß § 270a Abs. 1 InsO die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters (siehe hierzu bereits oben Rn. 61). Gemäß § 270a Abs. 1 S. 1 InsO soll das Gericht, wenn der Antrag des Schuldners nicht of___________ 99) Foltis, in: FK-InsO, § 270 Rn. 27; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 125. 100) So ausdrücklich Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 39. 101) So bereits BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 10/05 NZI 2007, 240; vgl. auch Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 127; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 56. 102) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 1. 103) Vgl. Undritz, NZI 2007, 65. 104) Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, vor §§ 270 Rn. 26; Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 3.

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2. Teil: Das Eigenverwaltungsverfahren der InsO im Überblick

fensichtlich aussichtlos ist, nunmehr davon absehen, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen sowie einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt eines vorläufigen Insolvenzverwalters anzuordnen. Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters wird gemäß § 270a Abs. 1 S. 2 InsO ein vorläufiger Sachwalter bestellt. Damit wird ein aussichtsreicher Antrag auf Eigenverwaltung nicht schon dadurch konterkariert, dass dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Unternehmensvermögen entzogen wird und Geschäftspartner dadurch das Vertrauen in die Geschäftsleitung und das Sanierungskonzept verlieren.105)

63 Mit dem Begriff der offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Eigenverwaltungsantrags statuiert das Gesetz einen eigenen Prüfungsmaßstab.106) Dieser Prüfungsmaßstab wird durch die Insolvenzordnung bereits in § 231 Abs. 1 InsO verwendet und beschränkt sich auf eine reine Evidenzkontrolle.107) Das Insolvenzgericht muss infolge der Eilbedürftigkeit der Maßnahme, also im Rahmen einer lediglich kursorischen Prüfung, beurteilen, ob der Antrag unter Berücksichtigung des § 270 Abs. 2 InsO Erfolg haben kann.108)

64 Auch in § 270a InsO ist kein Beschwerderecht der Verfahrensbeteiligten vorgesehen. Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde kommt damit grundsätzlich nicht in Betracht. (§ 6 Abs. 1 S. 1 InsO). Soweit das Gericht jedoch Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO angeordnet und beispielsweise doch einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, so ist diese Anordnung nach § 21 Abs. 1 S. 2 InsO durch den Schuldner mittels sofortiger Beschwerde (§ 6 InsO) anfechtbar.109) Die sofortige Beschwerde kann jedoch nicht darauf abzielen, anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters einen vorläufigen Sachwalter einzusetzen; dies liegt ausschließlich im Ermessen des Gerichts.110) Gegen das Unterlassen einer Sicherungsmaßnahme steht den Verfahrensbeteiligten und insbesondere den Gläubigern hingegen kein Rechtsmittel zu.111)

III. Sonderfall: Schutzschirmverfahren, § 270b InsO 65 Durch das ESUG wurde neben § 270a InsO auch die Regelung des § 270b InsO in die Insolvenzordnung eingefügt. Gemäß § 270 b InsO besteht nunmehr die Mög___________ 105) 106) 107) 108)

Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 39. Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 136. Breuer, in: MünchKomm-InsO, § 231 Rn. 17; Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 270a Rn. 9. Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 270a Rn. 4; Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 136; a. A. Frind, ZInsO 2011, 2249, 2260 der es zur Sicherung der Gläubigerinteressen als ausreichend erachtet, diese Frage von Anfang an sachverständig, wenn auch innerhalb kurzer Frist, prüfen zu lassen. 109) Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 159; Kern, in: MünchKomm-InsO, § 270a Rn. 52; Leithaus, in: Andres/Leithaus/Dahl, InsO, § 270a Rn. 13. 110) Leithaus, in: Andres/Leithaus/Dahl, InsO, § 270a Rn. 13. 111) Kern, in: MünchKomm-InsO, § 270a Rn. 53; ausdrücklich auch BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 43/12 NZI 2013, 342.

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B. Anordnung und Beendigung der Eigenverwaltung

lichkeit, ein sog. „Schutzschirmverfahren“ zu beantragen, durch welches die Möglichkeit eröffnet wird, während eines Zeitraums von maximal drei Monaten unter der Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters einen Insolvenzplan zu entwickeln.112) Es müssen, um das Verfahren nach § 270b InsO zu beantragen, letztlich drei Anträge vorliegen: Neben dem Eröffnungsantrag nach den §§ 13 ff. InsO und dem Antrag auf Eigenverwaltung nach § 270 InsO muss der Schuldner zusätzlich einen Antrag auf Bestimmung einer Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans stellen.113) Das Schutzschirmverfahren ist kein eigenständiges Verfahren, sondern vielmehr 66 eine „Spielart“114) der vorläufigen Eigenverwaltung. Daraus ergibt sich, dass neben den Voraussetzungen des § 270b InsO auch die „allgemeinen“ Voraussetzungen des § 270a InsO vorliegen müssen.115) Das Gericht darf dem Antrag nach § 270b InsO nur stattgeben, wenn darüber hinaus die besonderen Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens erfüllt sind. Gemäß § 270b Abs. 1 S. 1 InsO darf die angestrebte Sanierung zunächst nicht offensichtlich aussichtlos sein. Wie im Rahmen des § 270a Abs. 1 S. 1 InsO ist auch hier das Gericht auf eine Evidenzkontrolle beschränkt.116) Darüber hinaus ist das Verfahren nach § 270b InsO ausgeschlossen, sobald der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) vorliegt. Das Vorliegen beider Voraussetzungen muss durch einen in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt oder eine ähnlich qualifizierte Person bestätigt werden. Eine mit Gründen versehene Bescheinigung dieser geeigneten Person ist gemäß § 270b Abs. 1 S. 3 InsO dem Antrag beizufügen ist. Liegen die Voraussetzungen gemäß der §§ 270a Abs. 1 S. 1, 270b Abs. 1 InsO vor, 67 ordnet das Gericht eine Frist zur Vorlage des Insolvenzplans an. Erst nach Ablauf derselben entscheidet das Gericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 270b Abs. 4 S. 3 InsO.

IV. Nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung Soweit das Insolvenzverfahren ohne Anordnung der Eigenverwaltung eröffnet wurde, 68 sei es, weil das Gericht einem entsprechenden Antrag des Schuldners nicht gefolgt ist oder ein solcher nicht gestellt wurde117), kann das Gericht die Eigenverwaltung unter den Voraussetzungen des § 271 InsO nachträglich anordnen. ___________ 112) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 40. 113) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270b Rn. 7; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270b Rn. 9. 114) Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 88 Rn. 42; i. E. auch OLG Naumburg, Urt. v. 29.1.2014 – 5 U 195/13 NZI 2014, 454. 115) So auch Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270a Rn. 1 (§ 270a InsO als „Grundnorm“); Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270b Rn. 8; Foltis, in: FK-InsO, § 270a Rn. 8; a. A. Kern, in: MünchKommInsO, § 270a Rn. 39. 116) Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 88 Rn. 26; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270b Rn. 25. 117) Inzwischen unstreitig, vgl. anstelle vieler Foltis, in: FK-InsO, § 271 Rn. 2.

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2. Teil: Das Eigenverwaltungsverfahren der InsO im Überblick

69 Gemäß § 271 S. 1 InsO bedarf es hierfür eines Antrags der Gläubigerversammlung, der nicht nur mit Summenmehrheit im Sinne des § 76 Abs. 2 InsO sondern darüber hinaus mit Mehrheit der abstimmenden Gläubiger gefasst wurde (Kopfmehrheit). Da die Eigenverwaltung bereits ihrem Wesen nach nicht gegen den Willen des Schuldners erfolgen kann, bedarf es darüber hinaus der Zustimmung des Schuldners.118) Liegen diese materiell-rechtlichen Anordnungsvoraussetzungen vor, hat das Gericht die Eigenverwaltung anzuordnen; ein Ermessen kommt ihm ausweislich des Wortlauts („so ordnet das Gericht diese an“) dabei nicht zu.119) Mit der Anordnung ist gemäß § 270c InsO ein Sachwalter zu bestellen, der gemäß § 271 S. 2 InsO mit dem bisherigen Insolvenzverwalter personenidentisch sein kann (siehe zu den Auswirkungen der nachträglichen Anordnung auf das Gläubigervorschlagsrecht unten Rn. 107 f.).

V. Beendigung der Eigenverwaltung 70 Die Eigenverwaltung kann nach den allgemeinen Vorschriften entweder durch Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 200 InsO oder durch Einstellung des Verfahrens gemäß der §§ 207 ff. InsO enden.

1.

Aufhebung der Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren

71 Darüber hinaus kann das Insolvenzgericht die angeordnete Eigenverwaltung unter den Voraussetzungen des § 272 InsO (vorzeitig) aufheben, mit der Folge, dass das Verfahren automatisch als Regelinsolvenzverfahren fortgeführt wird.120)

72 Die Eigenverwaltung ist jedenfalls bei Antrag des Schuldners (§ 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO) aufzuheben, ohne dass dies an weitere Voraussetzungen geknüpft ist. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Eigenverwaltung das aktive Handeln des Schuldners voraussetzt und folglich bereits ihrem Wesen nach nicht sinnvoll gegen dessen Willen aufrechterhalten werden kann.121)

73 Gleiches gilt infolge der umfassenden Gläubigerautonomie122) hinsichtlich eines Antrags der Gläubigerversammlung. Der einem solchen Antrag zugrundeliegende Beschluss muss lediglich formalen Anforderungen entsprechen und gemäß § 272 1 Nr. 1 InsO mit Summenmehrheit im Sinne des § 76 Abs. 2 InsO sowie Mehrheit der abstimmenden Gläubiger (Kopfmehrheit) getroffen worden sein. Dieses doppelte Mehr___________ 118) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 271 Rn. 4; Foltis, in: FK-InsO, § 271 Rn. 8. 119) Ausdruck der Gläubigerautonomie, vgl. Foltis, in: FK-InsO, § 271 Rn. 1; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 271 Rn. 26. 120) Allg. Meinung, vgl. nur Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 89 Rn. 10; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rn. 58. 121) Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 224; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rn. 37; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 89 Rn. 8. 122) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 272 Rn. 3; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rn. 1.

26

B. Anordnung und Beendigung der Eigenverwaltung

heitserfordernis123) wurde mit den Änderungen des ESUG eingefügt, womit verhindert werden sollte, dass einzelne Großgläubiger die Eigenverwaltung gegen den Willen der Kopfmehrheit beenden können.124) Umgekehrt folgt aus dem Erfordernis der Stimmenmehrheit, dass, soweit sich der Schuldner die Unterstützung einzelner Großgläubiger gesichert hat, eine Aufhebung nach § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO regelmäßig nicht erfolgreich sein wird.125) Darüber hinaus ist die Aufhebung auf Antrag der Gläubigerversammlung an keine weiteren Voraussetzungen gebunden, das Gericht hat die Eigenverwaltung bei Vorliegen eines wirksam gefassten Beschlusses der Gläubigerversammlung vielmehr ohne weitere Prüfung aufzuheben.126) Damit knüpft das Gesetz ausschließlich an das Antragsrecht einzelner Gläubiger 74 (§ 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO) weitere Voraussetzungen. Antragsberechtigt sind insoweit Insolvenzgläubiger und absonderungsberechtigte Gläubiger.127) Gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 InsO muss bei einem Antrag eines einzelnen Gläubigers glaubhaft gemacht werden (§ 294 ZPO), dass die Antragsvoraussetzungen des § 270 Abs. 3 Nr. 2 InsO entfallen sind und dem Antragsteller durch die Eigenverwaltung individuell erhebliche Nachteile entstehen.128) Vor der Entscheidung über den Antrag eines einzelnen Gläubigers ist der Schuldner zudem anzuhören, § 272 Abs. 2 S. 2 InsO. Gegen die stattgebende oder ablehnende Entscheidung steht dem Schuldner und dem Antragsteller das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu, § 272 Abs. 2 S. 3 InsO. Erfolgt die Aufhebung hingegen auf Antrag der Gläubigerversammlung kann weder der Schuldner noch der überstimmte Gläubiger ein Rechtsmittel ergreifen.129) Eine Aufhebung der Eigenverwaltung auf Antrag des Sachwalters ist hingegen nicht 75 vorgesehen. Infolge des abschließenden Regelungsgehalts des § 272 InsO kann die Antragsberechtigung trotz Bestehen eines praktischen Bedürfnisses (siehe hierzu unten Rn. 621 ff.) auch nicht über den Wortlaut hinaus auf den Sachwalter ausgedehnt werden.130)

___________ 123) 124) 125) 126) 127) 128) 129) 130)

Sog doppeltes Mehrheitserfordernis, vgl. Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rn. 14. Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 89 Rn. 2. Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rn. 13. BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 64/10 NZI 2011, 760, 761; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 89 Rn. 3; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 272 Rn. 3. Unter Ausschluss der nachrangigen Insolvenzläubiger (§ 39 InsO), vgl. Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 272 Rn. 4 m. w. N. Pflicht der Glaubhaftmachung gilt nicht für offenkundige Tatsachen, vgl. AG Köln, Beschl. v. 15.12.2014 – 74 IN 152/12 NZI 2015, 282, 283. Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 272 Rn. 10; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 89 Rn. 11; i. E. auch BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 64/10 NZI 2011, 760. Aus diesem Grund ist auch keine Aufhebung von Amts wegen auf Anregung des Sachwalters möglich, vgl. Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 272 Rn. 2; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 272 Rn. 44.

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2. Teil: Das Eigenverwaltungsverfahren der InsO im Überblick

2.

Aufhebung des Eröffnungsverfahren in Eigenverwaltung

76 Eine Aufhebung des Eröffnungsverfahrens in Eigenverwaltung normiert das Gesetz ausdrücklich nur in § 270b Abs. 4 S. 1 InsO.

77 Demnach kann das Gericht die nach § 270b Abs. 1 InsO gesetzte Frist zur Erstellung des Sanierungsplans und folglich das Schutzschirmverfahren insgesamt aufheben, wenn die angestrebte Sanierung aussichtslos131) geworden ist (§ 270b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 InsO) oder der vorläufige Gläubigerausschuss die Aufhebung mit einfacher Summenmehrheit132) beantragt (§ 270b Abs. 4 S. 1 Nr. 2 InsO). Liegt ein derartiger, wirksam gefasster Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses vor, kommt dem Gericht keine weitere materielle Prüfungskompetenz zu. Die Anordnung nach § 270b Abs. 1 InsO ist vielmehr ohne weitere Prüfung aufzuheben.133) Eine Aufhebung auf Antrag eines einzelnen Gläubigers setzt hingegen voraus, dass kein vorläufiger Gläubigerausschuss existiert (siehe hierzu unten Rn. 94 f.) und der Gläubiger Umstände glaubhaft macht, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, § 270b Abs. 4 S. 1 Nr. 3 InsO.

78 Soweit das Gericht die Anordnung nach § 270b Abs. 1 InsO aufhebt, kann es gemäß § 270b Abs. 4 S. 3 InsO über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheiden. Ausweislich der Regierungsbegründung zu § 270b InsO kann das Gericht das Verfahren dann nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 21 bis 25 InsO sowie des § 270a InsO fortführen.134) Dies zeigt, dass ein Übergang in das Regelinsolvenzverfahren unter Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht zwingend ist. Soweit die Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos ist, kann das Verfahren vielmehr nach § 270a InsO weiter geführt werden.135)

79 Außerhalb des § 270b InsO ist eine vorzeitige Aufhebung des Eröffnungsverfahrens hingegen nicht ausdrücklich vorgesehen. Soweit teilweise vertreten wird, ein Wechsel von vorläufiger Eigenverwaltung auf vorläufige Insolvenzverwaltung sei auf Grundlage des § 21 Abs. 1 InsO jederzeit möglich,136) kann dem nicht gefolgt werden. Zwar findet § 21 InsO auch im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO ___________ 131) Beispielsweise durch Verhandlungsabbruch seitens der finanzierenden Bank und mangelnder Möglichkeit anderweitiger Kapitalbeschaffung, siehe Begr. Regierungsentwurf ESUG, BTDrucks. 17/5712, S. 41. 132) Im Gegensatz zu dem in § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorgesehenen doppelten Mehrheitserfordernis, siehe hierzu zuvor Rn. 69. 133) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 41; Kern, in: MünchKomm-InsO, § 270b Rn. 123. 134) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 41. 135) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270b Rn. 13; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270b Rn. 79. 136) Vgl. LG Halle, Beschl. v. 14.11.2014 – 3 T 86/14 NZI 2014, 1050, 1051; Kern, in: MünchKommInsO, § 270a Rn. 24; i. E. auch Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270a Rn. 8; Pape, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 270a Rn. 16 für die jederzeitige Möglichkeit des Gerichts, „schärfere Sicherungsmaßnahmen“ anzuordnen.

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B. Anordnung und Beendigung der Eigenverwaltung

weitgehend Anwendung (siehe hierzu noch eingehend unten Rn. 228 ff.), die Aufhebung des Eröffnungsverfahrens in Eigenverwaltung lediglich unter die Erforderlichkeitsgrenze des § 21 Abs. 1 InsO zu stellen, würde jedoch der in der Eigenverwaltung notwendigen Planungssicherheit der Beteiligten widersprechen.137) Die zu gewährende Planungssicherheit kommt für das Eröffnungsverfahren in § 270b Abs. 4 S. 1 InsO zum Ausdruck, der die Aufhebung des Schutzschirmverfahrens nur unter den zuvor beschriebenen, abschließenden Voraussetzungen zulässt. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei § 270b InsO nur um eine Variante des Eröffnungsverfahren handelt (siehe hierzu zuvor Rn. 65 f.) und der daraus resultierenden Vergleichbarkeit der Verfahren, spricht mehr dafür, 270b Abs. 4 InsO im Rahmen des Eröffnungsverfahrens nach § 270a InsO entsprechend anzuwenden. Damit wird die Entscheidung über die Fortsetzung des Eröffnungsverfahren in Eigenverwaltung primär in die Autonomie der Gläubiger gestellt und die Voraussetzungen einer Aufhebung für alle Beteiligten abschließend kalkulierbar.138)

___________ 137) Eingehend Madaus, NZI 2014, 1053; zur notwendigen Planungssicherheit in der Eigenverwaltung vgl. auch bereits Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 42. 138) Vgl. Madaus, NZI 2014, 1053, 1054; Bultmann, ZInsO 2015, 188, 190.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung Soweit dem Schuldner in einem Insolvenzverfahren ausnahmsweise die Verwal- 80 tungs- und Verfügungsbefugnis belassen wird, bedarf es, um die Einhaltung der in § 1 InsO normierten Gläubigerbefriedigung zu gewährleisten, eines starken unabhängigen Gegengewichts.139) Gleiches gilt, soweit im Rahmen von §§ 270a, 270b InsO von der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters zur Sicherung der künftigen Masse abgesehen wird. Dies wird in der Eigenverwaltung durch die Bestellung des (vorläufigen) Sachwalters sichergestellt, dem für das Verfahren folglich eine maßgebliche Schlüsselrolle zukommt.

A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters I.

Bestellung des (vorläufigen) Sachwalters

Infolge dieser entscheidenden Stellung des (vorläufigen) Sachwalters für das Ver- 81 fahren obliegt die Bestellung des Sachwalters sowohl im Eröffnungsverfahren als auch im eröffneten Verfahren dem Insolvenzgericht.140)

1.

Auswahlermessen des Insolvenzgerichts

So ist die Auswahl einer geeigneten Person gemäß der §§ 274 Abs. 1 i. V. m. § 56 82 Abs. 1 InsO in das pflichtgemäße Ermessen des Insolvenzgerichts gestellt. Diesem kommt bei der Auswahl grundsätzlich ein weites Auswahlermessen zu, das jedoch nicht nach Belieben, sondern zwingend pflichtgemäß auszuüben ist.141) Die Auswahl hat anhand sachgerechter, seitens des Insolvenzgerichts entwickelter und an den Interessen des Schuldners und der Gläubiger orientierter Kriterien zu erfolgen.142)

a) Vorschlagsrecht des Schuldners aa) Allgemeines Dass der Schuldner hinsichtlich der Person Sachwalters jederzeit Vorschläge machen 83 kann, ergibt sich bereits aus der über § 274 Abs. 1 InsO anwendbaren Regelung des § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 InsO, die klarstellt, dass durch einen Vorschlag die erforderliche Unabhängigkeit des Sachwalters nicht automatisch ausgeschlossen wird und damit denknotwendig das Bestehen eines Vorschlagsrechts voraussetzt (vgl. zur Auswirkung auf die notwendige Unabhängigkeit unten Rn. 131 ff.). Dieser Vorschlag des ___________ 139) Rendels/Zabel, InDat-Report 1/2016, 44, 47. 140) Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG ist für die Bestellung auch funktionell der Insolvenzrichter zuständig. 141) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04 NZI 2006, 453, 454 zur Auswahl des Insolvenzverwalters nach § 56 Abs. 1 InsO. 142) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04 NZI 2006, 453, 454.

31

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Schuldners ist jedoch unverbindlich. Eine Bindung des Gerichts an den Vorschlag des Schuldners bestimmt jedoch § 270b Abs. 2 S. 2 InsO für das Schutzschirmverfahren. Demnach kann das Gericht von einem Vorschlag des Schuldners zum vorläufigen Sachwalter nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll der Schuldner so die Sicherheit erhalten, die Sanierung mit einer für ihn vertrauenswürdigen, gleichzeitig aber unabhängigen Person vorbereiten zu können.143)

bb) Gesellschaftsrechtliche Kompetenzverteilung 84 Im Rahmen der Eigenverwaltung von Kapitalgesellschaften ist jedoch fraglich ist, inwieweit die interne Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftsorganen zu beachten ist.144) Damit ist zu untersuchen, ob das Vorschlagsrecht des Schuldners, sei es auf Grundlage von § 270b Abs. 2 S. 2 InsO oder der §§ 274, 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 InsO, der Geschäftsführung oder den Gesellschaftsorganen zusteht.

(1) Gesellschaftsrechtliche Kompetenzverteilung im Rahmen von § 270b Abs. 2 S. 2 InsO 85 Eine Regelung zur innergesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung in der Eigenverwaltung sieht § 276a S. 1 InsO vor. Gemäß § 276a S. 1 InsO haben Aufsichtsrat, Gesellschafterversammlung und andere entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung einer juristischen Person. Die Regelung des § 276a InsO wurde durch das ESUG eingeführt und hat den Zweck, den Einfluss der Überwachungsorgane in der Eigenverwaltung gleichlaufend zur gesellschaftsrechtlichen Einflussnahme in der Fremdverwaltung einzuschränken.145) § 276a S. 1 InsO findet daher nur Anwendung, wenn es sich um eine Einflussnahme handelt, die bei entsprechender Sachlage im Regelinsolvenzverfahren aufgrund der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters ausgeschlossen wäre.146)

86 Das in § 270b Abs. 2 S. 2 InsO vorgesehene Vorschlagsrecht wird jedoch vor Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung ausgeübt, mithin zu einem Zeitpunkt, in dem auch im Regelinsolvenzverfahren noch kein (vorläufiger) Insolvenzverwalter bestellt ist. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt findet § 276a InsO (noch) keine Anwendung. Auf die umstrittene Frage, ob § 276a InsO im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung, also nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters, Anwendung findet, kommt es mit Blick auf das Vorschlagsrecht des Schuldners nach § 270b ___________ 143) Vgl. Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 40. 144) Koch/Jung, in: Kübler, HRI, Koch/Jung in HRI Rn. 96. 145) Klöhn, in: MünchKomm-InsO, § 276a Rn. 20; Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 143; vgl. auch Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 42. 146) Vgl. zu dieser „Kontrollüberlegung“ Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 146; Klöhn, in: MünchKomm-InsO, § 276a Rn. 20.

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

Abs. 2 S. 2 InsO daher nicht an (siehe hierzu jedoch unten). Es bleibt insoweit vielmehr bei der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung. Innerhalb dieser ist die Abgrenzung der Zuständigkeiten des Geschäftsführers und 87 der Gesellschafter bei der Vornahme von Sanierungsmaßnahmen jedoch nicht abschließend geklärt. Einigkeit besteht jedoch insoweit, als dass Entscheidungen und Maßnahmen, die den Bestand des Unternehmens und die Unternehmenspolitik betreffen, als außergewöhnliche Maßnahmen zu den der Gesellschafterversammlung vorbehaltenen Entscheidungen zählen.147) Der Erfolg der Eigenverwaltung und damit der Fortgang des Unternehmens hängt ne- 88 ben der Person des Schuldners auch maßgeblich von der Person des Sachwalters sowie dessen Zusammenarbeit mit dem Schuldner ab. Die Weichen für eine erfolgreiche Sanierung werden vielfach bereits im Eröffnungsverfahren gestellt, darüber hinaus sind (endgültiger) Sachwalter und vorläufiger Sachwalter vielfach personenidentisch. Die Entscheidung über die Person des vorläufigen Sachwalters ist folglich oftmals bereits richtungsweisend für den Fortgang des Unternehmens, so dass diese richtigerweise als grundlegende Entscheidung qualifiziert werden muss. Eine solche, und damit vorangeschaltet auch der schuldnerische Vorschlag, müssen folglich in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung fallen. Der Vorschlag eines Sachwalters fällt damit als außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung und nicht der Geschäftsführung.148) Es ist dem Geschäftsführer jedoch unbenommen, als vorbereitende Maßnahme eine Sichtung und Vorauswahl möglicher Kandidaten zu treffen.149)

(2) Gesellschaftsrechtliche Kompetenzverteilung bei Vorschlägen zur Person des (endgültigen) Sachwalters Der Schuldner kann, wie aufgezeigt, jedoch auch hinsichtlich der Bestellung des (end- 89 gültigen) Sachwalters einen unverbindlichen Vorschlag zur Person des Sachwalters machen (§§ 274 Abs. 1, 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 InsO). Auch insoweit handelt es sich um eine außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme, die unter Berücksichtigung der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung grundsätzlich der Gesellschafterversammlung vorbehalten sein muss (siehe zuvor). Etwas anderes kann jedoch aufgrund der Regelung des § 276a S. 1 InsO gelten. Soweit es sich bei dem Vorschlag um einen „Einfluss auf die Geschäftsführung“ im Sinne des § 276a S. 1 InsO handelt, wäre der Gesellschafterversammlung ein entsprechender Einfluss untersagt.150) ___________ 147) 148) 149) 150)

Bork, ZIP 2011, 101, 108; Lenz, in: Michalski GmbHG, Michalski § 37 Rn. 9. So auch Ströhmann/Längsfeld, NZI 2013, 271, 277. Ströhmann/Längsfeld, NZI 2013, 271, 277; Bork, ZIP 2011, 101, 108. Eine ausführliche Untersuchung der erfassten Maßnahmen findet sich bei Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 151 ff.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

90 Der Vorschlag zum (endgültigen) Sachwalter erfolgt regelmäßig im Stadium des Eröffnungsverfahrens, so dass zunächst fraglich ist, ob die Regelung des § 276a InsO vor Verfahrenseröffnung überhaupt Anwendung findet. Die Regelung des § 276a InsO spricht nur vom „Sachwalter“ nicht hingegen vom vorläufigen Sachwalter. Zudem verweist § 270a Abs. 1 S. 2 InsO für das Eröffnungsverfahren lediglich auf die entsprechende Anwendung der §§ 274, 275 InsO, nicht hingegen auf § 276a InsO, woraus von der überwiegenden Ansicht geschlossen wird, § 276a InsO finde im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung keine Anwendung.151) Gegensätzlich hierzu wird die (analoge) Anwendbarkeit von § 276a InsO im Eröffnungsverfahren hingegen teilweise bejaht.152) Die Vertreter der letztgenannten Ansicht stützen sich auf den Zweck des § 276a InsO, der die interessengebundene Einflussnahme der Gesellschafter zum Schutz der Gläubiger verhindern soll. Gerade auch im Eröffnungsverfahren bedürfe es eines gleichgelagerten Schutzes, da bereits in diesem Verfahrensstadium maßgebliche Weichen gestellt werden.153) Auch wenn dieses Argument grundsätzlich zutreffend ist, lässt sich eine Anwendung von § 276a InsO im Eröffnungsverfahren richtigerweise nicht begründen. Aufgrund des fehlenden Verweises in § 270a Abs. 1 S. 2 InsO, kommt allenfalls eine analoge Anwendung des § 276a InsO in Betracht, die jedoch abzulehnen ist. Die Einflussnahme der Gesellschafterversammlung ist Ausprägung ihres Gesellschaftsanteils oder Anteilseigentum und folglich durch Art. 14 GG geschützt.154) Ein Eingriff in diese geschützte Rechtsposition unterliegt dem Gesetzesvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG und bedarf damit einer ausdrücklichen, nicht bloß mittels Analogie zu schließenden gesetzlichen Grundlage.155) Hinzu kommt, dass es mangels Verfahrenseröffnung zu diesem Zeitpunkt an der haftungsrechtlichen Zuweisung der Insolvenzmasse an die Gläubiger fehlt, so dass das haftende Vermögen des Schuldners (noch) nicht dem ausschließlichen Zweck der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung zugewiesen ist.156) Auch unter diesem Aspekt lässt sich ein mit § 276a InsO verbundener Eingriff im Eröffnungsverfahren nicht rechtfertigen.

___________ 151) Klöhn, in: MünchKomm-InsO, § 276a Rn. 18; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 276a Rn. 6; Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 276a Rn. 6; Foltis, in: FK-InsO, § 276a Rn. 4; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 276a Rn. 3; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 346, 366 ff; Zipperer, ZIP 2012, 1492, 1494. 152) Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 197 ff.; Landfermann, in: HKInsO, § 276a Rn. 16; Ströhmann/Längsfeld, NZI 2013, 271, 274; Haas, in: Festschrift Stürner, S. 765. 153) Vgl. Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 200; Ströhmann/ Längsfeld, NZI 2013, 271, 274. 154) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 276a Rn. 3; Ott/Brauckmann, ZIP 2004, 2117, 2118; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 195. 155) Vgl. Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 276a Rn. 4. 156) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 366; Hirte, in: Uhlenbruck InsO, § 35 Rn. 5.

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

Mangels Anwendbarkeit von § 276a S. 1 InsO verbleibt es folglich bei der allge- 91 meinen gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung, so dass auch der Vorschlag zur Person des (endgültigen) Sachwalters nach §§ 274 Abs. 1, 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 InsO in den Entscheidungsbereich der Gläubigerversammlung fällt.

b) Vorschlagsrecht des vorläufigen Gläubigerausschusses Gemäß §§ 274 Abs. 1, 56a Abs. 1 InsO ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss vor 92 der Bestellung des Sachwalters Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, um sich zu den Anforderungen und der Person des Sachwalters zu äußern. Die Regelung des § 56a InsO fand durch das ESUG Einzug in die Insolvenzordnung und sollte den Einfluss der Gläubiger bei der Verwalterbestellung und folglich die Gläubigerautonomie stärken.157) Nach den §§ 274 Abs. 1, 56a Abs. 2 S. 1 InsO darf das Insolvenzgericht von einem einstimmigen Vorschlag des Gläubigerausschusses zur Person der Sachwalter nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist.

aa) Vorschlagsrechts hinsichtlich des vorläufigen Sachwalters Die Gläubiger können nicht nur für das eröffnete Verfahren, sondern über den Ver- 93 weis in §§ 270a Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 274 Abs. 1 InsO auch bereits für das Eröffnungsverfahren Vorschläge zur Person des vorläufigen Sachwalters machen. Seit Inkrafttreten des ESUG ist durch die Einfügung der §§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a, 22a InsO abschließend geklärt, dass auch bereits im Zeitraum zwischen Antragstellung und Eröffnung des Verfahrens (Eröffnungsverfahren) ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt werden kann.158) Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte auch dies den Einfluss der Gläubiger bei der Verwalterbestellung und wiederum die Gläubigerautonomie stärken.159) Dabei existiert der vorläufige Gläubigerausschuss ausschließlich im Zeitraum zwi- 94 schen Antragstellung und Verfahrenseröffnung, während im Zeitraum zwischen Verfahrenseröffnung und erster Gläubigerversammlung ein sog. Interimsausschuss eingesetzt werden kann, der nach Wahl durch die Gläubigerversammlung zum sog. endgültigen Gläubigerausschuss wird. Soweit ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt ist, ist diesem über die Ver- 95 weisung der §§ 270a Abs. 1 (2), 270b Abs. 2 (1), 274 Abs. 1 InsO i. V. m. § 56a InsO bereits im Eröffnungsverfahren vor der Bestellung des vorläufigen Sachwalters Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. ___________ 157) Vgl. Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 2. 158) Zur bis dahin gängigen Praxis einiger Insolvenzgerichte, vgl. Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 21 Rn. 16. 159) Vgl. Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 2.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

bb) Fortwirken des Gläubigervorschlags auf die Bestellung des Sachwalters im eröffneten Verfahren 96 Der vorläufige Gläubigerausschuss hat nach den §§ 274 Abs. 1, 56a InsO auch in Bezug auf den „endgültigen“ Sachwalter ein Recht zur Stellungnahme. Da das Amt des vorläufigen Gläubigerausschusses erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – dann jedoch kollektiv und automatisch160) – endet, handelt es sich noch nicht um den sog. Interimsausschuss, sondern nach wie vor um den vorläufigen Gläubigerausschuss des Eröffnungsverfahrens. Erst bei der Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens hat das Insolvenzgericht erneut darüber zu entscheiden, ob und in welcher Besetzung der Interimsausschuss nach § 67 InsO eingesetzt werden soll, dessen Bestellung dann wiederum kollektiv mit der Bestellung des endgültigen Gläubigerausschusses durch die Gläubigerversammlung nach § 68 InsO endet.161) Zu diesem Zeitpunkt ist der Vorschlag bezüglich des endgültigen Sachwalters jedoch bereits erfolgt.

97 Da es sich demnach um denselben Ausschuss in der regelmäßig selben Besetzung handelt, stellt sich die Frage, ob der Gläubigerausschuss seine Stellungnahme zu wiederholen hat, oder ob das Gericht einen – soweit erfolgten – Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses hinsichtlich des vorläufigen Sachwalters zur Entscheidung über den (endgültigen) Sachwalter übernehmen kann. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs soll für den Fall, dass das Gericht beabsichtigt, die gleiche Person auch als endgültigen Sachwalter zu bestellen, kein Anlass bestehen, die Beteiligung vor Verfahrenseröffnung zu wiederholen; soweit keine „besonderen Umstände“ eingetreten sind, sei vielmehr von dem Einverständnis des Ausschusses mit dieser Bestellung auszugehen.162)

98 Dem Wortlaut des § 56a InsO ist eine derartige Differenzierung hingegen nicht zu entnehmen. Das Gericht hat den vorläufigen Gläubigerausschuss demnach vielmehr uneingeschränkt anzuhören. Allein die Beurteilung, ob „besondere Umstände“ vorliegen, ist zudem eine Entscheidung, die allein dem Ausschuss vorbehalten sein muss.163) Nachdem das Eröffnungsverfahren durchlaufen ist und Erfahrungen mit der Person des vorläufigen Sachwalters gesammelt wurden, muss es dem Ausschuss richtigerweise unbenommen sein, zu entscheiden, ob er an seinem bisherigen Vorschlag festhalten möchte, oder die Einsetzung einer anderen Person aus seiner Sicht sinnvoller erscheint.164) Ein Automatismus geht an dieser Stelle fehl. ___________ 160) Hölzle, in: K. Schmidt, InsO, § 22a Rn. 49; i. E. auch Frind, ZInsO 2011, 2249, 2251; Obermüller, ZInsO 2012, 18, 21; Kübler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 67 Rn. 14. 161) Frind, in: HmbKo-InsO, § 67 HmbKo-InsO Rn. 8; Obermüller, ZInsO 2012, 18, 21. 162) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 26. 163) Vgl. Graeber, in: MünchKomm-InsO, MüKo § 56a Rn. 20; a. A. Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 203. 164) Graeber, in: MünchKomm-InsO, MüKo § 56a Rn. 19.

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

cc) Wirkungen des Gläubigervorschlags Der vorläufige Gläubigerausschuss kann also sowohl hinsichtlich des vorläufigen 99 Sachwalters als auch hinsichtlich des endgültigen Sachwalters (erneut) Vorschläge zur Person machen. Die „Gelegenheit zur Stellungnahme“ im Sinne des § 56a Abs. 1 InsO umfasst dabei die Anhörung des Gläubigerausschusses als Gremium durch Diskussion und Stellungnahme im Rahmen einer Sitzung durch Beschluss.165) Da das Schutzschirmverfahren nur eine Variante des Eröffnungsverfahrens in Eigen- 100 verwaltung ist (siehe hierzu oben Rn. 65), ist § 56a InsO auch innerhalb dieser Verfahrensart anwendbar, so dass im Eröffnungsverfahren nach § 270b InsO das Vorschlagsrecht des Gläubigerausschusses mit dem des Schuldners kollidieren kann.166) In diesem Fall werden die Mitbestimmungsrechte des § 56a InsO jedoch durch das Vorschlagsrecht des Schuldners als lex specialis verdrängt.167) Dieses Ergebnis ist auch insoweit notwendig, als sich das Schutzschirmverfahren gerade dadurch auszeichnet, dass der Schuldner das Verfahren mit einer für ihn vertrauenswürdigen Person vorbereiten kann. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll dies dem Schuldner die notwendige Sicherheit geben und Anreiz für eine frühzeitige Antragstellung schaffen.168) Sollte sich ein abweichender Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses durchsetzen, so würde dies die Zwecksetzung jedoch konterkarieren. Schlägt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig eine Person als Sachwalter 101 vor, darf das Insolvenzgericht gemäß § 56a Abs. 2 S. 1 InsO davon nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person für die Übernahme des Amtes ungeeignet ist. Während bei der Ablehnung eines nach § 270b Abs. 2 S. 2 InsO seitens des Schuldners vorgeschlagenen Sachwalters eine offensichtliche Ungeeignetheit verlangt wird, reicht im Rahmen des § 56a InsO eine „einfache“ Ungeeignetheit der Person aus. Es besteht insoweit durch den weiteren Beurteilungsspielraum eine schwächere Bindung des Insolvenzgerichts.169) Soweit vereinzelt vertreten wird, dass bei Vorliegen eines einstimmigen Vorschlags 102 des vorläufigen Gläubigerausschusses kein Prüfungsrecht des Insolvenzgerichts mehr bestehe,170) kann dem nicht gefolgt werden. Befürworter dieser Einschränkung stützen sich auf die vorgeblich subjektive Ausrichtung des Unabhängigkeitserfordernisses, bei dem es sich lediglich um ein Merkmal des typisierten Vertrauensschutzes handele; da das Merkmal der Unabhängigkeit lediglich dem Schutz der Verfahrensbeteiligten diene, könnten diese auf den zu ihren Gunsten bestehenden Schutz auch ___________ 165) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 162 m. w. N. 166) Jahntz, in: FK-InsO, Jahntz in FK-InsO § 56a Rn. 11. 167) Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 270b Rn. 26; Foltis, in: FK-InsO, § 270 b Rn. 35; kritisch Hofmann, NZI 2010, 798, 804. 168) Vgl. Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 40. 169) Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 270b Rn. 24. 170) Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2244.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

verzichten.171) Dies widerspricht jedoch dem ausdrücklichen gesetzlichen Wortlaut, wonach gerade auch der einstimmig vorgeschlagene (vorläufige) Verwalter einer Geeignetheitsprüfung durch das Insolvenzgericht unterliegt.172) Darüber hinaus ist zu beachten, dass im Gläubigerausschuss nach der Regelung des über §§ 22a, 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a InsO anwendbaren § 67 Abs. 2 InsO zwar die verschiedenen Kategorien von Gläubiger vertreten sein sollen173), die Gläubigergesamtheit zum Zeitpunkt des Eröffnungsverfahren jedoch vielfach noch gar nicht feststeht.174) In der Praxis sind daher oftmals nicht Vertreter aller Gläubigergruppen in den vorläufigen Gläubigerausschuss entsandt, sei es, weil sich manche der Dominanz anderer beugen oder sei es, weil Kleingläubiger schon nicht bereit sind, sich überhaupt im vorläufigen Gläubigerausschuss zu engagieren.175) Schließlich steht die Bestellung des vorläufigen Gläubigerausschusses gerade im Eröffnungsverfahren unter einem immensen Zeitdruck, so dass auf eine ausgewogene Besetzung in der Regel kein allzu großes Augenmerk gelegt werden kann.176) Soweit sich ein Kleingläubiger doch entschließt, Gläubigerausschussmitglied zu werden, ist schließlich oftmals ein passives Verhalten der Kleingläubiger gegenüber den dominierenden Großgläubigern zu beobachten. Folglich wird auch in diesen Fällen der Vorschlag faktisch von den Großgläubigern stammen.177)

103 Dies kann dazu führen, dass einzelne Großgläubiger einen von ihnen abhängigen Verwalter vorschlagen und dessen Einsetzung ohne weitere gerichtliche Kontrolle durchsetzen könnten.178) Dieses Vorgehen ist mit dem Grundgedanken des conditio par creditorum nicht vereinbar. Bereits deshalb muss die Prüfungsmöglichkeit des Gerichts hinsichtlich der Geeignetheit des vorläufigen Sachwalters im konkreten Fall auch bei Vorliegen eines einstimmigen Vorschlags des Gläubigerausschusses richtigerweise erhalten bleiben.

c)

Entscheidung des Insolvenzgerichts

104 Das Insolvenzgericht hat gemäß § 56a Abs. 2 S. 1 InsO dem Vorschlag des Schuldners oder des Gläubigerausschusses nicht zu folgen, wenn die vorgeschlagene Per___________ 171) Vgl. Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2244, die nur bei greifbaren Anhaltspunkten für einen Missbrauch der Dispositionsbefugnis eine Überprüfungsmöglichkeit des Gerichts eröffnet sehen. 172) So auch Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 26, wonach keine Bindung besteht, wenn „die vorgeschlagene Person also für die Übernahme des Amtes im konkreten Fall nicht geeignet ist“. 173) Der Gläubigerausschuss soll aus absonderungsberechtigten Gläubigern, Insolvenzgläubigern mit den höchsten Forderungen und Kleingläubigern bestehen, sog. Repräsentationsschema vgl. Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 103; vgl. auch Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/ 5712, S. 26. 174) Frind, ZInsO 2012, 2028, 2029. 175) Gruber, NJW 2013, 584, 585; Neubert, GmbHR 2012, 439, 442. 176) Gruber, NJW 2013, 584, 585; Busch, ZInsO 2012, 1389, 1393. 177) Gruber, NJW 2013, 584, 585. 178) Römermann, ZInsO 2013, 218, 223.

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

son für die Übernahme des Amtes (offensichtlich) ungeeignet ist. Das Gericht muss ausweislich der gesetzlichen Formulierung als Ausnahmetatbestand nicht positiv die Eignung des vorgeschlagenen Sachwalters feststellen, sondern darf von dem Vorschlag vielmehr nur abweichen, wenn eine Nichteignung feststeht.179) Im Falle eines „non liquet“ geht der Vorschlag des Schuldners bzw. des Gläubigerausschusses vor.180) Soweit das Gericht von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses abweicht, hat es die Gründe dafür gemäß §§ 274 Abs. 1, 27 Abs. 2 Nr. 5 InsO im Eröffnungsbeschluss schriftlich auszuführen. Damit soll eine Auseinandersetzung der Gläubiger mit den Gründen der gerichtlichen Ablehnung ermöglicht werden. Die Gläubiger sollen die Möglichkeit, in der ersten Gläubigerversammlung doch den zunächst durch das Gericht abgelehnten Sachwalter gemäß §§ 274, 57 InsO zum Sachwalter zu bestellen, ausschließlich in Kenntnis der gerichtlichen Bedenken in Anspruch nehmen.181) Ein Rechtsmittel gegen die Nichteinsetzung des nach § 270 b Abs. 2 S. 2 InsO bzw. 105 § 56a Abs. 1 InsO vorgeschlagenen Sachwalters ist nicht gegeben.182) Der Gesetzgeber hat durch die gesetzliche Begründungspflicht der Ablehnung und die Möglichkeit der Neuwahl durch die Gläubigerversammlung vielmehr das richtige Korrektiv außerhalb der sofortigen Beschwerde benannt.183) Lediglich soweit kein einstimmiger Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses 106 vorliegt oder ein solcher nicht eingesetzt wurde, kommt eine Bestimmung des Sachwalters anhand der beim Insolvenzgericht geführten (offenen) Vorauswahlliste in Betracht.184)

2.

Bestellung des Sachwalters bei nachträglich angeordneter Eigenverwaltung

Der durch das ESUG neu eingeführte § 271 InsO ermöglicht den jederzeitigen Wech- 107 sel von ab dem 1. März 2012 eröffneten Regelinsolvenzverfahren in Eigenverwaltungsverfahren. Zuvor war ein Übergang in die Eigenverwaltung nur dann möglich, wenn der Schuldner einen entsprechenden Antrag vor Verfahrenseröffnung gestellt hatte, dieser aber durch das Insolvenzgericht abgelehnt wurde.185) Eines abgelehnten Schuldnerantrags bedarf es nunmehr nicht mehr, der Verfahrenswechsel kann ___________ 179) Ries, in: K. Schmidt, InsO, K. Schmidt § 56a Rn. 21. 180) Jahntz, in: FK-InsO, Jahntz in FK-InsO § 56a Rn. 38; Ries, in: K. Schmidt, InsO, K. Schmidt § 56a Rn. 21. 181) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 270 Rn. 5. 182) AG Hamburg, Beschl. v. 2.7.2013 – 67 e IN 108/13 NZI 2013, 903; Foltis, in: FK-InsO, § 270 b Rn. 35; Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 270b Rn. 27. 183) Vgl. AG Hamburg, Beschl. v. 2.7.2013 – 67 e IN 108/13 NZI 2013, 903. 184) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 270 Rn. 4. 185) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 41.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

vielmehr jederzeit während der gesamten Dauer des eröffneten Insolvenzverfahrens erfolgen (siehe hierzu oben Rn. 68).186)

108 Gemäß § 271 S. 2 InsO kann der bisherige Insolvenzverwalter zum Sachwalter bestellt werden. Obwohl die Bestellung des bisherigen Insolvenzverwalters infolge seiner Vorbefassung und Sachkenntnis oftmals zweckmäßig ist, ist das Gericht hierzu nicht verpflichtet.187) Durch § 271 S. 2 InsO wird lediglich klargestellt, dass der bisherige Insolvenzverwalter nicht aus Gründen der Interessenkollision vom Amt des Sachwalters ausgeschlossen ist.188)

109 § 271 InsO trifft jedoch keine Regelung zu der Frage, ob die Gläubiger auch bei nachträglicher Anordnung der Eigenverwaltung einen bindenden Vorschlag zur Person des Sachwalters machen können.

110 Soweit vereinzelt von Foltis vertreten wird, der Antrag nach § 271 S. 1 InsO sei ohne Benennung einer bestimmten Person, die das Insolvenzgericht zum Sachwalter bestimmen soll, sogar unzulässig,189) kann dem nicht gefolgt werden. Ein derartiges Antragserfordernis findet im Wortlaut des § 271 InsO vielmehr keinerlei Stütze.190)

111 Die Gläubigerversammlung ist nach allgemeiner Ansicht jedoch berechtigt, den Antrag mit Vorschlägen zur Person des Sachwalters zu versehen.191) Zum Teil wird darüber hinaus vertreten, das Gericht sei in entsprechender Anwendung von § 57 S. 3 InsO an diesen Vorschlag gebunden, solange der vorgeschlagene Sachwalter für die Übernahme des Amtes nicht ungeeignet ist.192)

112 Den Vertretern der vorgenannten Ansicht ist insoweit zuzustimmen, als dass eine Bindung des Gerichts deshalb zweckmäßig wäre, da die Gläubiger nach Anordnung der Eigenverwaltung aufgrund des dann über § 274 Abs. 1 InsO anwendbaren § 57 InsO die Möglichkeit haben, in der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Sachwalters folgt, den gerichtlich bestellten Sachwalter ab- und einen neuen Sachwalter zu wählen. Denn lässt das Gericht den vorgeschlagenen Sachwalter unberücksichtigt, werden die Gläubiger alsbald in der ersten, auf die Bestellung folgenden Gläubigerversammlung den Austausch nach § 57 S. 1 InsO anstreben. Dies würde dazu führen, dass das Gericht den bisherigen Insolvenzverwalter erst ___________ 186) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 271 Rn. 1. 187) H. M. vgl. Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 271 Rn. 6; Landfermann, in: HK-InsO, § 271 Rn. 8; i. E. auch Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 271 Rn. 27. 188) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 271 Rn. 6; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 271 Rn. 38. 189) Foltis, in: FK-InsO, § 271 Rn. 6. 190) Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rn. 94; Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 271 Rn. 5; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 271 Rn. 6. 191) Flöther, in: Kübler, HRI, § 10 Rn. 94; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 271 Rn. 39. 192) So Foltis, in: FK-InsO, § 271 Rn. 15; Ringstmeier, in: FAK-InsO, § 271 Rn. 8; Riggert, in: Braun-InsO, § 271 Rn. 6; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 271 Rn. 39.

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

durch einen anderen Sachwalter ersetzt und dieser wiederum in der ersten Gläubigerversammlung abgewählt und durch einen weiteren neuen Sachwalter ersetzt wird. Eine kontinuierliche Verfahrensabwicklung würde durch dieses Vorgehen konterkariert werden und nicht zum Erfolg der Eigenverwaltung beitragen.193) Dennoch findet die entsprechende Anwendung von § 57 S. 3 InsO im Stadium nach erfolgter Bestellung eines Insolvenzverwalters und vor Anordnung der Eigenverwaltung im Gesetz keine Grundlage. Allein die Möglichkeit, dass der eingesetzte Sachwalter durch die erste, auf die Bestellung des Sachwalters folgende Gläubigerversammlung, wieder abgewählt werden kann, begründet keine Regelungslücke. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass dem Gericht, formal betrachtet, die Möglichkeit, zunächst selbst einen Sachwalter zu bestellen, nicht entzogen werden kann.194) Im Sinne der Verfahrenskontinuität ist es dem Gericht jedoch zu empfehlen, einen etwaigen Vorschlag der Gläubigerversammlung bereits bei der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung zu berücksichtigen, sich mit diesem auseinanderzusetzen und sich mit der Gläubigerversammlung dementsprechend zu verständigen.195)

3.

Öffentliche Bekanntmachung der Bestellung des vorläufigen Sachwalters

Eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren und ordnet gleichzeitig die Eigenver- 113 waltung an, ist auch die Anordnung der Eigenverwaltung aufgrund der bestehenden Einheitlichkeit mit dem Eröffnungsbeschluss gemäß § 30 Abs. 1 InsO nach Maßgabe des § 9 InsO öffentlich bekannt zu machen.196) Wird die Eigenverwaltung hingegen nachträglich angeordnet, bestimmt § 273 InsO die öffentliche Bekanntmachung dieser Anordnung nach Maßgabe des § 9 InsO. Wie im Regelinsolvenzverfahren sieht die Insolvenzordnung für das Eröffnungs- 114 verfahren in Eigenverwaltung keinen „Eröffnungsbeschluss“ im engeren Sinne vor. Die „Eröffnung“ der vorläufigen Eigenverwaltung erfolgt vielmehr allein durch die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters. Eine Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung ist für die Bestellung des vorläufigen Sachwalters in den §§ 270 ff. InsO dabei nicht normiert, weshalb es umstritten ist, ob die Anordnung der vorläufigen Sachwaltung im Antragsverfahren der Eigenverwaltung und im Schutzschirmverfahren öffentlich bekannt zu machen ist. ___________ 193) Allg. Meinung vgl. nur Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 271 Rn. 26; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 271 Rn. 7. 194) So auch Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 271 Rn. 6; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 271 Rn. 7; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 271 Rn. 27. 195) Vgl. Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 271 Rn. 7; Landfermann, in: HK-InsO, § 271 Rn. 8; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 271 Rn. 27. 196) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 54; Beck/Lebmeier, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 44 Rn. 42; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 87 Rn. 45.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

115 Da regelmäßig keine Verfügungsbeschränkungen angeordnet und kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, kann eine Veröffentlichung nicht auf § 23 Abs. 1 InsO gestützt werden. Andererseits ist es unerlässlich, dass die Gläubiger Vertrauen zum Management des Unternehmens haben.197) Ein solches wird durch eine „heimliche“ Einleitung eines Eigenverwaltungsverfahren jedoch nicht gefördert. Das Gelingen einer erfolgreichen Sanierung setzt zur Betonung des Sanierungsansatzes vielmehr gerade den offensiven Umgang mit dem Eigenverwaltungsantrag voraus.198)

116 Bereits nach Veröffentlichung des Diskussionsentwurfs des ESUG durch das Bundesministerium der Justiz im Juli 2010, wies u. a. Pape auf die Unzulässigkeit eines gerichtlichen „Geheimfahrens“ und die daraus resultierende Bekanntmachungspflicht hin.199) Die Problematik wurde durch den Gesetzgeber aber nicht aufgegriffen und eine Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung durch das Insolvenzgericht nicht in die InsO aufgenommen.

117 Während ein Teil der Literatur und der Rechtsprechung eine öffentliche Bekanntmachung vorsehen200), wird eine Veröffentlichung von der Gegenmeinung hingegen uneingeschränkt abgelehnt.201)

118 Eine Entscheidung zugunsten der einen oder der anderen Ansicht muss unter dem Blickwinkel des Sinns und Zwecks der öffentlichen Bekanntmachung erfolgen. Diese dient gleichzeitig mehreren kumulativen Zwecken. Sie übernimmt bei Entscheidungen, gegen die Insolvenzgläubiger beschwerdebefugt sind, eine Zustellungsfunktion und setzt etwaige Beschwerdefristen in Gang.202) So werden Veröffentlichungsadressaten überhaupt erst in die Lage versetzt, ihre Rechte wahrzunehmen. Wegen der theoretisch unbegrenzten Zahl an Verfahrensbeteiligten, kommt der Bekanntmachung zudem eine verfahrensleitende Funktion zu. Schließlich übernimmt sie aber auch eine Warn- und Informationsfunktion zugunsten des Rechtsverkehrs.203)

a) Warn- und Informationsfunktion 119 Soweit eine Veröffentlichung der Anordnung nicht erfolgt, hat dies zur Folge, dass der unbestimmten Zahl an Verfahrensbeteiligten, aber auch zukünftigen Vertrags___________ 197) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 7. 198) Frind, ZIP 2012, 1591, 1595; Richter/Pluta, BB 2012, 1591, 1594. 199) Pape, ZInsO 2010, 1582, 1584; so auch Frind, ZInsO 2010, 1426, 1428; Desch, DB 2011, 841, 842. 200) Vgl. AG Göttingen, Beschl. v. 12.11.2012 – 74 IN 160/12 NZI 2012, 1008; Frind, ZIP 2012, 1591; Vallender, GmbHR 2012, 450, 452; Haarmeyer, in: MünchKomm-InsO, MüKo InsO § 23 Rn. 7; Foltis, in: FK-InsO, § 270a Rn. 18; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 88 Rn. 13. 201) Horstkotte, ZInsO 2012, 1161; Keller, ZIP 2012, 1895; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270a Rn. 5; Kern, in: MünchKomm-InsO, § 270a Rn. 32; Schröder, in: HmbKo-InsO, § 23 Rn. 4. 202) So z. B. die Beschwerde gegen die Vergütungsfestsetzung des Insolvenzverwalters gemäß § 64 Abs. 3 (1) InsO; vgl. Keller, ZIP 2012, 1895, 1897. 203) Keller, ZIP 2012, 1895, 1897.

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

partnern die Möglichkeit genommen wird, zu erfahren, dass sich ein Unternehmen im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung befindet.204) Soweit Keller dieses Argument als nicht tragfähig erachtet, da es ein allgemeines Risiko des Rechtsverkehrs sei, dass ein Schuldner nicht mehr leiste und zahlungsunfähig sei, ist dies nicht überzeugend.205) Es muss einem künftigen Gläubiger möglich sein zu unterscheiden, ob er mit einem „gesunden“ Schuldner oder mit einem Schuldner kontrahiert, der sich in einem (zukünftigen) Insolvenzverfahren befindet und damit die Gefahr besteht, dass offene Forderungen letztendlich ausfallen, nur quotal befriedigt werden oder etwaige erhaltene Zahlungen der insolvenzrechtlichen Anfechtung unterliegen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der vorläufige Sachwalter nach 120 der Gesetzesbegründung zum ESUG die ihm bereits bekannte Gläubiger ohnehin informieren soll206), denn davon werden Neugläubiger gerade nicht erfasst. Unbekannte oder künftige Gläubiger können mangels Kenntnis des vorläufigen Sachwalters gerade nicht informiert werden. In diesem Zusammenhang kann die Nichtveröffentlichung einzelnen (Groß-) Gläubigern, mit denen vor Antragstellung in Kontakt getreten wird, auch einen ungerechtfertigten Informationsvorsprung verschaffen.207) Eine solch uneinheitliche Information der Gläubiger widerspricht jedoch dem insolvenzrechtlichen Grundgedanken der par conditio creditorum.208)

b) Zustellungsfunktion Die Bestellung des vorläufigen Sachwalters ist weder im Verfahren nach § 270a 121 InsO noch im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO durch die Gläubiger anfechtbar (vgl. hierzu oben Rn. 61). Insofern muss die öffentliche Bekanntmachung der Anordnung der vorläufigen Sachwalterschaft jedenfalls nicht eine klassische Zustellfunktion zur Ingangsetzung etwaiger Beschwerdefristen erfüllen. Jedoch besteht für die Gläubiger, soweit kein vorläufiger Gläubigerausschuss exis- 122 tiert, nach § 270b Abs., 4 S. 1 Nr. 3 InsO im Schutzschirmverfahren und nach hier vertretener Ansicht auch im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO das Recht, die Aufhebung der Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans bzw. die Aufhebung der Bestellung des vorläufigen Sachwalters zu beantragen, wenn glaubhaft gemacht wird, dass Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird (siehe hierzu oben Rn. 76). Die Ausübung dieser Antragsbefugnis setzt aber denknotwendig voraus, dass die einzelnen Gläubiger Kenntnis von der Anordnung des Schutzschirmverfahrens haben.209) Der Bekannt___________ 204) 205) 206) 207) 208) 209)

Frind, ZIP 2012, 1591. So jedoch Keller, ZIP 2012, 1895, 1900. Vgl. Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 39. So Desch, DB 2011, 841, 842; Buchalik, ZInsO 2012, 349, 354. Richter/Pluta, BB 2012, 1591, 1593. So auch Frind, ZInsO 2013, 279, 288.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

machung der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters kommt damit eine Zustellungsfunktion im weiteren Sinne zu.

c)

Vereinbarkeit der Bekanntmachung mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen

123 Im Sinne der Gläubiger ist eine Veröffentlichung damit sinnvoll, wenn nicht sogar notwendig. Andererseits ist der Gegenansicht insofern zuzustimmen, als die Veröffentlichung einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung darstellt und damit der Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung, also einem einfachen Gesetzesvorbehalt unterliegt.210) Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene Grundrechtsträger in eine Beeinträchtigung im Einzelfall einwilligen und damit eine Verletzung ausschließen kann.211) Da die Eigenverwaltung einen Eigenantrag des Schuldners voraussetzt, der die Folgen und Notwendigkeiten innerhalb eines Verfahrens kennt, kann richtigerweise bereits in dem Antrag auf Verfahrenseröffnung eine derartige Einwilligung zur Veröffentlichung und damit in die Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gesehen werden.212)

124 Eine öffentliche Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses kann somit nicht unter Verweis auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht abgelehnt werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohnehin die Anordnung der Eigenverwaltung öffentlich bekannt zu machen ist (siehe hierzu oben Rn. 113). Die Gläubiger erhalten demnach spätestens zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Sachwaltung, so dass in das Recht der informationellen Selbstbestimmung des Schuldners ohnehin, wenn auch durch § 30 InsO gerechtfertigt, eingegriffen wird.213)

d) Stellungnahme 125 Im Rahmen der Abwägung der genannten Aspekte sprechen die gewichtigeren Argumente dafür, dass eine öffentliche Bekanntmachung der vorläufigen Sachwaltung nach § 270a und § 270b InsO zu erfolgen hat. Beide Verfahrensvarianten stellen nach wie vor Insolvenzverfahren dar, die auf die Stellung eines Insolvenzantrags zurückgehen. Deshalb darf auch das Ziel eines Gesamtvollstreckungsverfahrens, das im Interesse der Gläubiger auf eine Schuldenregulierung ausgerichtet ist, nicht ___________ 210) Horstkotte, ZInsO 2012, 1161; Schröder, in: HmbKo-InsO, § 23 Rn. 4. 211) Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 228. 212) Vgl. auch Frind, ZIP 2012, 1591, 1594 der im Insolvenzverfahren für eine teleologische Reduktion der informationellen Selbstbestimmung plädiert; i. E. auch Schmerbach, in: FK-InsO, § 9 Rn. 1; Becker, in: Nerlich/Römermann, § 9 Rn. 2, die das Persönlichkeitsrecht hinter dem Unterrichtungsinteresse der Allgemeinheit zurücktreten sehen. 213) Vgl. Frind, ZInsO 2013, 279, 288 der insoweit von einer dreimonatigen „Halbwertszeit“ des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung spricht.

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

aus den Augen verloren werden.214) Dem Gläubigerinteresse dient jedoch nur eine möglichst frühzeitige Information. Soweit eine flexible, schnelle und vor allem geräuschlose Sanierung215) gefordert wird, ist für ein solches Verlangen allenfalls im Rahmen einer außergerichtlichen Sanierung Raum. Eine solche stellt die Eigenverwaltung jedoch gerade nicht dar. Der Gesetzgeber hat mit den Änderungen des ESUG die Eigenverwaltung und folglich die Möglichkeiten eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens gestärkt, sich gleichzeitig jedoch gegen ein zuvor viel diskutiertes vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren entschieden. Schließlich wäre eine stille Sanierung im Rahmen der Eigenverwaltung auch ausschließlich kontraproduktiv. Die Gläubiger müssen in die Sanierungsbemühungen des Schuldners vielmehr aktiv einbezogen werden (siehe hierzu oben Rn. 113). Einer analogen Anwendung der Veröffentlichungspflicht nach § 23 Abs. 1 S. 1 InsO 126 bedarf es dabei nicht.216) Denn auch außerhalb der gesetzlich normierten Fälle steht die öffentliche Bekanntmachung nach § 9 InsO im Ermessen des Insolvenzgerichts.217) Aus diesem Grund besteht bereits keine Regelungslücke, die eine analoge Anwendung von § 23 InsO rechtfertigen würde.218) Im Rahmen der Ausübung des Veröffentlichungsermessens hat das Gericht das Geheimhaltungsinteresse des Schuldners gegen das Veröffentlichungsinteresse der Gläubiger im Einzelfall abzuwägen. Infolge der dargestellten Funktionen der Veröffentlichung wird im Regelfall vom Überwiegen des Publizitätsinteresses auszugehen sein. Das Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses ist ausnahmsweise lediglich dann anzunehmen, wenn beispielsweise die Veröffentlichung die Sanierung des Unternehmens ernsthaft gefährdet und andererseits eine Gefährdung von Neugläubigern sicher nicht zu erwarten ist.219) Der pauschale Wunsch nach einer stillen Sanierung kann jedoch keinesfalls ausreichen, um von einer Veröffentlichung abzusehen.

II. Anforderungen an die Person des (vorläufigen) Sachwalters Um die zuvor geschilderte zentrale Stellung innerhalb des Verfahrens sachgerecht aus- 127 üben zu können, ist eine hohe fachliche und persönliche Kompetenz des Sachwalters unerlässlich. Dass es sich bei der Person des Sachwalters um eine für das Verfahren geeignete Person handelt, wird durch die Regelung des § 56 Abs. 1 InsO si___________ 214) So auch BJM Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in ihrer Rede am 7.4.2011 bei der Eröffnung des 8. Deutschen Insolvenzrechtstags, abrufbar unter http://bit.ly/2qQaunz. 215) So Eidenmüller, Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht, S. 29; für eine „stille Sanierung“ auch Hirte, ZInsO 2011, 401, 405. 216) So jedoch Foltis, in: FK-InsO, § 270a Rn. 13. 217) Unstreitig, vgl. nur Ganter/Lohmann, in: MünchKomm-InsO, § 9 Rn. 8; Stephan, in: K. Schmidt, InsO, § 9 Rn. 4. 218) Überzeugend AG Göttingen, Beschl. v. 12.11.2012 – 74 IN 160/12 NZI 2012, 1008, 1009. 219) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270b Rn. 55; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Borchardt/Frind 2.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

chergestellt, die über die Verweisung in § 274 Abs. 1 InsO in der Eigenverwaltung entsprechende Anwendung findet. Gemäß § 56 Abs. 1 InsO muss der (vorläufige) Sachwalter eine geeignete, geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person sein. Geeignetheit und Unabhängigkeit sind folglich die zentralen Standbeine, auf denen die Bestellung jeweils beruht.220) Diese Anforderungen an die Person gelten über die §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO i. V. m. § 274 Abs. 1 InsO gleichermaßen bereits im Eröffnungsverfahren hinsichtlich der Bestellung des vorläufigen Sachwalters.

1.

Persönliche Qualifikation

128 Der Sachwalter muss eine im Einzelfall geeignete und geschäftskundige Person sein und zur Übernahme des Amtes bereit sein. Alle Merkmale der persönlichen Qualifikation setzen damit eine Eignung im jeweils konkreten Einzelfall voraus. Die notwendige Geschäftskunde hat angesichts der Aufgaben und der Verantwortung des Sachwalters nicht zu vernachlässigende Bedeutung221) und erfordert sowohl ausgeprägte theoretische und praktische betriebswirtschaftliche als auch insolvenzrechtliche Kenntnisse.222) Sie steht der erforderlichen Geschäftskunde eines Insolvenzverwalters in nichts nach.223) Soweit ein vorläufiger Gläubigerausschuss besteht, hat das Insolvenzgericht zudem den von diesem nach § 56a Abs. 1 InsO aufgestellten Anforderungskatalog miteinzubeziehen.224)

2.

Unabhängigkeit

a) Allgemeines 129 Als „Wahrer der Interessen der Gläubigergemeinschaft“ hat jedoch insbesondere die in § 274 Abs. 1 i. V. m. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO geforderte Unabhängigkeit des Sachwalters für die Eigenverwaltung eine übergeordnete Bedeutung.225) Das Erfordernis der Unabhängigkeit soll sicherstellen, dass das Amt frei von sachwidrigen Einflüssen ausgeübt wird.226) Denn zur Wahrung der gemeinsamen Gläubigerinteressen und zum Ausgleich der kontradiktorischen Interessen darf die Tätigkeit nicht die Gefahr von Sondervorteilen mit sich bringen.227) ___________ 220) Vallender/Zipperer, ZIP 2013, 149, 151. 221) Stapper, NJW 1999, 3441, 3442. 222) Ausführlich Ries, in: K. Schmidt, InsO, K. Schmidt § 56 Rn. 15; Graeber, in: MünchKommInsO, MüKo-InsO § 56 Rn. 17. 223) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 15. 224) Eingehend Frind, NZI 2012, 650. 225) Koch/Jung, in: Kübler, HRI, Koch/Jung in HRI Rn. 91; so auch Frind, ZInsO 2013, 59. 226) Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 127. 227) Graeber, in: MünchKomm-InsO, MüKo-InsO § 56 Rn. 25.

46

A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

Die Unabhängigkeit wird bei der Eignungsprüfung durch das Gericht daher beson- 130 ders akribisch geprüft.228) Dem Schuldner ist gerade im Rahmen der Eigenverwaltung, durch welche die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim ihm verbleibt, eine unabhängige und starke Kontrollperson zur Seite zu stellen.229) Unabhängigkeit im insolvenzrechtlichen Sinne meint Unabhängigkeit von Schuldner und Gläubigern.230) Die Neutralität wirkt somit in beide Richtungen; der Sachwalter darf weder Interessenvertreter des Schuldners noch der einzelner Gläubiger sein.231) Der Begriff der Unabhängigkeit ist in der Insolvenzordnung nicht definiert, wird aber auch bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters gemäß § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzt. Die Unabhängigkeit eines Insolvenzverwalters soll nach der Definition von GrafSchlicker fehlen, wenn objektive Gründe vorliegen, die vom Standpunkt des Schuldners oder eines Gläubigers bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken könne, der Insolvenzverwalter werde seine zugewiesenen Aufgaben nicht in der Weise wahrnehmen, dass die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung erreicht wird.232) Diese Definition kann wegen des übergeordneten Ziels der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) gleichermaßen auf den Sachwalter übertragen werden. Im Sinne einer wirksamen Integritätssicherung des Insolvenzverfahrens ist das Merkmal der Unabhängigkeit grundsätzlich weit auszulegen.233)

b) Auswirkungen des Vorschlagsrechts auf die Unabhängigkeit Durch das ESUG wurde die Regelung des § 56 Abs. 1 S. 3 InsO in die Insolvenz- 131 ordnung aufgenommen. Demnach wird die erforderliche Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters – und damit über die Verweisung der §§ 270a Abs. 1 (2), 274 Abs. 1 InsO auch die Unabhängigkeit des (vorläufigen) Sachwalters – nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass dieser vom Schuldner oder den Gläubigern vorgeschlagen wurde (Nr. 1) oder den Schuldner vor Eröffnungsantrag in allgemeiner Form über den Ablauf des Insolvenzverfahrens und dessen Folgen beraten hat (Nr. 2). Diese Klarstellung war ausweislich des Regierungsentwurfs nötig, da vereinzelte 132 Insolvenzgerichte die Bestellung – trotz Fehlens einer derartigen gesetzlichen Einschränkung – reflexartig allein aufgrund der Tatsache abgelehnten, dass diese auf dem Vorschlag des Schuldners beruhte.234) Vorschläge zur Person des Verwalters sind danach nun ausdrücklich zulässig sind und haben auf die notwendige Unabhängig___________ 228) 229) 230) 231) 232) 233)

AG Stendal, Beschl. v. 31.8.2012 – 7 IN 164/12 ZIP 2012, 1875. Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 188. Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 725. Ries, in: K. Schmidt, InsO, K. Schmidt § 56 Rn. 23. Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, §§ 56, 56a Rn. 67. Schumann, in: Festschrift Geimer, S. 1067; Graeber, in: MünchKomm-InsO, MüKo-InsO § 56 Rn. 31 f. 234) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 26.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

keit des Vorgeschlagenen keinen pauschalen Einfluss mehr. Dem Insolvenzgericht kommt jedoch auch weiterhin ein Auswahlermessen zu; ein Zwang zur Bestellung des vorgeschlagenen Verwalters besteht nicht.235) Lediglich für die früher teilweise vertretene „Lehre vom Verdachtsanlass“236), soweit ein Verwalter von Gläubigern vorgeschlagen wurde, besteht damit kein Raum mehr.

c)

Auswirkungen einer vorangegangenen Tätigkeit als vorinsolvenzlicher Sanierungsberater auf die Unabhängigkeit

133 Umstritten ist, inwieweit ein „mitgebrachter“ Sanierungsberater zum Sachwalter bestellt werden kann, ohne dass dessen erforderliche Unabhängigkeit gefährdet ist. § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 InsO statuiert lediglich, dass nicht schon eine vorangegangene Beratung „in allgemeiner Form“ über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Folgen die erforderliche Unabhängigkeit per se ausschließt. Die noch im Diskussionsentwurf zum ESUG vorgesehene Regelung in § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 InsO, wonach es der Unabhängigkeit eines Insolvenzverwalters nicht entgegenstehen sollte, wenn der Vorgeschlagene unter Einbindung von Schuldner und Gläubigern einen Insolvenzplan erstellt hat, wurde durch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschuss aus dem Entwurf gestrichen. Der vorbefasste Insolvenzverwalter stehe bei einer vorinsolvenzlichen Tätigkeit durch die Erstellung eines Insolvenzplans in einem Interessenkonflikt, so dass die Gefahr bestehe, dass er etwaige dort erfolgte Beratungsfehler nicht aufdecke. Durch die Streichung solle auch nur der Anschein einer Parteilichkeit des Verwalters vermieden werden.237)

134 Die Beschränkung des § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 InsO auf eine lediglich allgemeine Beratung ist jedoch nicht praxisgerecht. Der Inhaber eines sich in der Krise befindlichen Unternehmens wird vor Insolvenzantragstellung in der Regel externen Rat in Anspruch nehmen. Soweit ein Berater sich nicht auf eine lehrbuchartige238) Belehrung über die allgemeines Folgen eines Insolvenzverfahrens beschränkt, läuft er jedoch Gefahr, für eine spätere Tätigkeit als Sachwalter faktisch suspendiert zu sein. Dass eine rein allgemeine Belehrung, die der Schuldner auch durch das Lesen eines Insolvenzrechtskommentars erhalten könnte, nicht dem Interesse des Schuldners entspricht, versteht sich von selbst; dieser erwartet vielmehr auf seine Situation und sein Unternehmen zugeschnittene konkrete Empfehlungen, so dass der vorgerichtliche Berater vertiefenden Fragen des Schuldners kaum entgehen kann.239) ___________ 235) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 56 Rn. 43. 236) Frind, ZInsO 2014, 119, 125 m. w. N. 237) Vgl. Begr. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 17/5711, S. 34; so auch Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 16. 238) Römermann, ZInsO 2013, 218, 224. 239) Römermann, ZInsO 2013, 218, 224; sehr kritisch auch Horstkotte, ZInsO 2013, 160.

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

Die vorangegangene Tätigkeit als Sanierungsberater geht also naturgemäß über eine 135 rein allgemeine Beratung hinaus. Die Praxis versucht die Gefahr der drohenden gerichtlichen Ablehnung durch Überkreuzempfehlungen zu umgehen. So ist vermehrt die Bildung von „Dauerteams“ zwischen Schuldnerberatern und Sachwaltern zu beobachten, in welchen der vorinsolvenzlich tätige Berater mit Antragstellung immer den- oder dieselben Sachwalter vorschlägt.240) Dadurch kann eine ungewünschte Abhängigkeit des Sachwalters zu den ihn vorschlagenden Beratern entstehen; eine solche ist jedoch, wie nachfolgend aufzuzeigen ist, keinesfalls die Regel und sollte damit zu einer genaueren Prüfung anhalten, nicht jedoch zu einer automatisierten Ablehnung des Sachwalters führen. In diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung des Amtsgericht Stendal im 136 Verfahren um die Eigenverwaltung des Müsliherstellers Dailycer Deutschland Produktions GmbH (Dailycer) zu sehen.241) In diesem wich das Insolvenzgericht von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 56a Abs. 2 InsO zur Einsetzung des vorläufigen Sachwalters auch als endgültigen Sachwalter infolge von Zweifeln an der Unabhängigkeit der vorgeschlagenen Person ab. Begründet wurde dies durch die Tatsache, dass der Vorgeschlagene in der Vorzeit mehrfach im Rahmen von Unternehmenssanierungen mit dem aktuellen (Sanierungs-) Geschäftsführer der Schuldnerin zusammengearbeitet hatte und der Vorschlag zur Person des Sachwalters von eben diesem Sanierungsgeschäftsführer stammte. Die Zusammenarbeit wurde auf Befragung zwar eingeräumt, nicht aber zu Beginn selbst angezeigt.242) Die in der Entscheidung angewendete und durch das Gericht auch betonte Akribie 137 bei der Unabhängigkeitsprüfung243) ist einerseits sachgerecht und auch notwendig. Das Merkmal der Unabhängigkeit dient der Garantie einer sachgemäßen Rechtsverfolgung und dem Interesse der Funktionsfähigkeit der Insolvenzverwaltung. Andererseits entgehen sowohl dem Schuldner als auch den Gläubigern durch den faktischen Ausschluss eines vorinsolvenzlichen Sanierungsberaters und der Verurteilung der bewährten Zusammenarbeit zwischen einem solchen und dem Sachwalter nicht zu vernachlässigende Vorteile. Da der Schuldnerberater das Unternehmen bereits bis ins Detail kennt, würde seine fortgesetzte Tätigkeit mangels erneuter Einarbeitung zu nicht unerheblichen Zeit- und damit auch Kosteneinsparungen führen. Gerade die Zeit- und Kostenersparnis sind doch die seitens des Gesetzgebers gewählten Aushängeschilder und Anreize der Eigenverwaltung. Ein „neuer“ Sachwalter muss sich hingegen zunächst einarbeiten und sich mit dem entwickelten Sanierungs___________ 240) Kritisch zu dieser Praxis Rendels/Zabel, InDat-Report 1/2016, 44, 47. 241) AG Stendal, Beschl. v. 31.8.2012 – 7 IN 164/12 ZIP 2012, 1875. 242) Vgl. hierzu die ausführliche – wenn auch einseitige – Schilderung des Sachverhalts durch den ursprünglich vorgeschlagenen vorläufigen Sachwalter Seidl, ZInsO 2012, 2285. 243) AG Stendal, Beschl. v. 31.8.2012 – 7 IN 164/12 ZIP 2012, 1875, 1876.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

konzept auseinandersetzen. Unter Kostengesichtspunkten ist die fortgesetzte Tätigkeit des Sanierungsberaters auch noch nach Antragstellung nicht selbstverständlich, so dass auf die gewonnene Expertise oftmals nicht mehr zurückgegriffen werden kann.244) Wird die Tätigkeit des vorinsolvenzlichen Beraters, wie im Dailycer-Verfahren, hingegen in organschaftlicher Stellung fortgesetzt, kann die bereits erprobte Zusammenarbeit von Sachwalter und Sanierungsberater eben gleiche Vorteile bringen und nach außen eine gewisse vertrauensfördernde Kontinuität in der Führung des Unternehmens wahren.245)

138 Der Entscheidung des Amtsgerichts Stendal ist deshalb lediglich im Ergebnis zuzustimmen, nicht jedoch in seiner Begründung. Die unterbliebene Offenlegung der vorangegangenen Tätigkeit ist das Verschweigen einer möglicherweise entscheidungserheblichen Tatsache. Allein dadurch wird der Eindruck eines drohenden Interessenkonflikts gewonnen und ein Misstrauen begründet, dass zu Zweifeln des Gerichts an der Geeignetheit führen kann.246) Allein eine vorangegangene (erfolgreiche) Zusammenarbeit des vorgeschlagenen Sachwalters mit dem Sanierungsgeschäftsführer darf hingegen nicht dazu führen, die Ungeeignetheit eines einstimmig vorgeschlagenen Sachwalters pauschal zu bejahen. Dies würde dem Zweck der Eigenverwaltung zuwiderlaufen.247) Gleiches muss gelten, wenn der vorgeschlagene Sachwalter selbst den Schuldner vor Antragstellung beraten hat.

139 Die in der Regierungsbegründung geäußerte Befürchtung, ein Sachwalter, der bereits vorab als Berater tätig war, verhalte sich – zumindest unbewusst – gegenüber seinen eigenen etwaigen Fehleinschätzungen und Fehlberatungen anders, als er es gegenüber derer unabhängiger Dritter tun würde, sollte nicht typisierend angewendet werden.248) Ein vorinsolvenzlicher Sanierungsberater war natürlich Berater des Schuldners und während seiner Tätigkeit von dessen Interessen geleitet. Diese Interessengebundenheit endet jedoch mit Beendigung des privatrechtlichen Beratervertrags und der Bestellung zum (vorläufigen) Sachwalter. Es ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass der Sachwalter im Rahmen der Ausübung seines Amtes die notwendige Neutralität mitbringt, um auch Entscheidungen aus der Zeit kritisch zu hinterfragen, in der er als Berater des Schuldners tätig war. Dies gilt umso mehr angesichts der ihn andernfalls treffenden Haftungsfolgen (vgl. unten Rn. 373 ff.). Darüber ist zu berücksichtigen, dass notfalls auch in der Eigenverwaltung die Möglichkeit der Ein___________ 244) A. A. Fiebig, in: HmbKo-InsO, § 274 Rn. 5, die auch nach Verfahrenseröffnung selbstverständlich von einer weiteren Begleitung des Schuldners durch den Sanierungsberater ausgeht, so dass kein Know-How Verlust zu befürchten sei. 245) So Anm. Bärenz zu LG Bonn, Beschl. v. 23.7.2003 – 6 T 135/03 NZI 2003, 653, 655. 246) Foltis, in: FK-InsO, § 270c Rn. 5. 247) A. A. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 26 der andernfalls eine drohende Diskreditierung der Eigenverwaltung befürchtet; ähnlich Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 21. 248) Graeber, in: MünchKomm-InsO, MüKo-InsO § 56 Rn. 31.

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

setzung eines Sondersachwalters besteht.249) Soweit sich also ein möglicher Interessenkonflikt auf abgegrenzte Teilgebiete beschränkt und die Vorteile der fortgesetzten Tätigkeit des Sachwalters die Kosten der Einsetzung eines Sondersachwalters überwiegen, sollte der potentielle Interessenkonflikt im Sinne der Verhältnismäßigkeit nicht zu einer Ablehnung führen.250) Dies alles soll nicht für eine pauschale Zulassung eines vorinsolvenzlichen Beraters 140 plädieren, sondern im Gegenteil, lediglich einer pauschalen Suspendierung desselben entgegenwirken.251) Das Insolvenzgericht sollte auch bei Vorschlag eines Sachwalters, der bereits beratend tätig war oder personell mit der neu eingesetzten Geschäftsführung verflochten ist, unvoreingenommen und eingehend prüfen, ob die Gefahr besteht, dass sich die auf Seiten des Beraters naturgemäß vorab bestandene einseitige Interessenwahrnehmung im eröffneten Verfahren fortsetzen bzw. auf den Sachwalter auswirken wird.252) Bestehen dafür objektive Anhaltspunkte wie beispielsweise eine vereinbarte Haftungsfreistellung253) oder wie im Dailycer Verfahren das Verschweigen entscheidungsrelevanter Informationen, sind Zweifel an der Unabhängigkeit angebracht und eine Ablehnung gerechtfertigt. Das Insolvenzgericht hat sich bei seiner Auswahl jedoch ausweislich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an den Interessen der Gläubiger und des Schuldners im konkreten Fall zu orientieren (siehe hierzu oben Rn. 82). Angesichts der geschilderten möglichen Vorteile der fortgesetzten Tätigkeit eines Sanierungsberaters als Sachwalter darf im Sinne einer erfolgreichen Sanierung und im Interesse der Gläubiger für einen pauschalen Ausschluss eines Sanierungsberaters dagegen kein Raum sein. In eine ähnliche Richtung äußert sich auch die Beschlussempfehlung des Rechts- 141 ausschusses im Zusammenhang mit der Streichung von § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 InsO. Die mit dieser Regelung ursprünglich verfolgte Zielsetzung – die stärkere Planbarkeit des Verfahrens – könne auch nach Streichung der genannten Norm durch einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses erreicht werden.254) Wenn schon die vorinsolvenzliche Erstellung eines Insolvenzplans nach Auffassung des Bundesrats bei einstimmiger Unterstützung des Gläubigerausschusses nicht zu einem pauschalen Ausschluss des Sachwalters führen sollte, muss dies erst Recht für die vorinsolvenzliche Beratungstätigkeit gelten.255) ___________ 249) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 23; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 47. 250) Vgl. Ries, in: K. Schmidt, InsO, K. Schmidt § 56 Rn. 25. 251) Für einen pauschalen Ausschluss bei vorinsolvenzlicher Befassung vgl. Pape, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 17. 252) So auch Graeber, in: MünchKomm-InsO, MüKo-InsO § 56 Rn. 32; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 20. 253) Vgl. Foltis, in: FK-InsO, § 270c Rn. 4. 254) Begr. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 17/5711, S. 35. 255) A. A.: Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 19.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

142 Da die Erfolgsaussichten eines derartigen Vorschlags angesichts der Praxis der Gerichte jedoch derzeit als gering zu beurteilen sind, ist es vorinsolvenzlichen Sanierungsberatern regelmäßig nicht zu empfehlen, die Position des Sachwalters anzustreben. Bevor sich ein Umdenken oder eine gesetzgeberische Änderung einstellt oder eine entsprechende gesetzliche Regelung erfolgt (siehe hierzu unten Rn. 619), ist es derzeit sinnvoller – wenn auch weitaus kostenträchtiger – auch im eröffneten Verfahren die Beratertätigkeit parallel zu einem personenverschiedenen Sachwalter fortzusetzen.256)

d) Auswirkungen einer Change of Control-Klausel auf die Unabhängigkeit des (vorläufigen) Sachwalters am Beispiel des personenbezogenen Massekredits 143 Die Unabhängigkeit des (vorläufigen) Sachwalters gerät schließlich auch im Rahmen der Beschaffung der notwendigen Fortführungsliquidität in den Fokus, sobald Vertragspartner den Abschluss von Verträgen, wie insbesondere die Ausgabe von Krediten, an die Person des (vorläufigen) Sachwalters knüpfen. Der Sachwalter fungiert im Verfahren der Eigenverwaltung als unabhängige Kontrollinstanz und darf damit weder einseitig Vertreter der Interessen des Schuldners noch Vertreter der Interessen einzelner Gläubiger sein (siehe hierzu oben Rn. 129). Knüpft ein Gläubiger den Abschluss eines Vertrages explizit an die Person des Sachwalters, so ist umstritten, welche Auswirkungen dies auf die notwendige Unabhängigkeit des Sachwalters hat.

aa) Hintergrund der Ausgabe personenbezogener Massekredite 144 Der Hintergrund, weshalb in der Praxis Verträge an die Person des Sachwalters geknüpft werden, wird insbesondere mit Blick auf die Generierung von Massekrediten deutlich. Gerade im Anfangsstadium des Insolvenzverfahrens ist die Fortführung eines angeschlagenen, einen Insolvenzgrund vorweisenden Unternehmens durch die erfolgreiche Beschaffung zusätzlicher Liquidität bedingt. Gelingt die Beschaffung der Fortführungsfinanzierung nicht, so bleibt dem Unternehmen nur die Liquidation des Vermögens, regelmäßig verbunden mit einem Übergang in ein Regelinsolvenzverfahren oder die übertragende Sanierung auf einen liquiden Dritten.257) Um die Unternehmensfortführung und das Ziel der Sanierung des Unternehmens zu erreichen, ist es damit zwingend erforderlich, dass bereits im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren Kredite generiert werden, die die notwendige Liquidität und den notwendigen Spielraum schaffen, überhaupt weiter wirtschaftlich tätig zu sein.258)

145 Die Beschaffung zusätzlicher Liquidität durch den eigenverwaltenden Schuldner gestaltet sich jedoch regelmäßig schwierig. Die Kreditinstitute werden nur einem ___________ 256) Neußner, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 128 ggf. in Verbindung mit einer Organstellung. 257) Uhlenbruck, in: Mönning, Betriebsfortführung, § 1 Rn. 46. 258) Huber, NZI 2014, 439; Ganter, ZIP 2013, 597, 598.

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

solchen Unternehmen (weiteren) Kredit gewähren, in dessen anstehende Sanierung sie auch tatsächlich vertrauen. Nicht zuletzt wird dieses Vertrauen durch die maßgeblichen Akteure bestimmt. Da der eigenverwaltende Schuldner bei „seinen“ Kreditinstituten, die im Zweifel auch Gläubiger des Verfahrens sind, Vertrauen eingebüßt hat, gleichzeitig gegenüber neuen Kreditinstituten aber nicht kreditwürdig ist,259) ist es vielfach der Sachwalter, in dessen Kompetenz und Erfahrung die Gläubiger vertrauen und von dessen Person eine weitere Zusammenarbeit abhängig gemacht wird. Der Sachwalter fungiert für die Kreditinstitute in diesem Zusammenhang damit vielfach als vertrauensbildendes Korrelat. Wird die Entscheidung über die Kreditausgabe jedoch durch die Person des Sach- 146 walters maßgeblich beeinflusst, möchte sich die kreditgebende Bank vor personellen, möglicherweise unliebsamen Wechseln schützen. Denn auch wenn der vorläufige Sachwalter regelmäßig auch für das eröffnete Verfahren bestellt wird, ist dies nicht obligatorisch.260) Darüber hinaus kann es in einem laufenden Verfahren jederzeit zur Abbestellung des eingesetzten Sachwalters kommen (vgl. zur Entlassung des Sachwalters unten Rn. 369 f.). Dieses besondere Vertrauen bildet sich in der Praxis immer häufiger durch die Aus- 147 gabe sog. personenbezogene Massekredite ab. Mithilfe einer sog. Change of ControlKlausel wird die Kreditvergabe dabei vertraglich an die Person des Sachwalters geknüpft, beispielsweise durch die Vereinbarung, dass „das Insolvenzverfahren durch Rechtsanwalt X als Sachwalter begleitet wird“.261)

bb) Auswirkungen auf die Unabhängigkeit des (vorläufigen) Sachwalters Ein solcher Personenbezug ist im Insolvenzverfahren und insbesondere im Rah- 148 men der Eigenverwaltung, in welcher der Unabhängigkeit des Sachwalters ein besonders hoher Stellenwert zukommt, besonders zu hinterfragen. Neben der allgemeinen Zulässigkeit von Change of Control-Klauseln ist die Zulässigkeit daher insbesondere hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Unabhängigkeit des Sachwalters zu analysieren. Hierfür bedarf es jedoch zunächst einer Untersuchung der Rechtsnatur von Change of Control-Klauseln.

(1) Rechtsnatur der Change of Control-Klausel Unter Change of Control-Klauseln werden im Allgemeinen Vertragsbestimmungen 149 verstanden, die einem Vertragspartner für den Fall, dass sich die Kontroll- oder Mehrheitsverhältnisse beim anderen Vertragspartner ändern, bestimmte Gestaltungs___________ 259) Ganter, ZIP 2013, 597, 598: Schuldner als „unsicherer Kantonist“. 260) Beispielhaft das Dailycer Verfahren, AG Stendal, Beschl. v. 31.8.2012 – 7 IN 164/12 ZIP 2012, 1875, vgl. hierzu bereits zuvor Rn. 133 ff. 261) Ganter, ZIP 2013, 597, 598.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

rechte einräumen.262) Gerade in Finanzierungsverträgen sind diese Klauseln häufig vorzufinden.263) Auf Tatbestandsebene knüpfen die Klauseln in der Regel an eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse des jeweiligen bzw. eines verbundenen Unternehmens oder an eine Änderung auf Geschäftsführungsebene an.

150 Die Change of Control-Klausel ist gesetzlich nicht geregelt, so dass ihre Rechtsnatur auslegungsbedürftig ist. In Betracht kommen eine aufschiebende oder auflösende Bedingung für den zugrundeliegenden Darlehensvertrag, eine Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB oder schlicht ein vereinbartes Kündigungsrecht des Darlehensvertrages.

(a) Bedingung im Sinne des § 158 BGB 151 Negativ abgegrenzt stellt die Change-of-Control Klausel jedenfalls keine aufschiebende oder auflösende Bedingung (§ 158 BGB) des Darlehensvertrages dar. Denn dies würde dazu führen, dass es dem Kreditinstitut versagt wäre, darüber zu entscheiden, trotz Wechsel in der Person des Sachwalters dennoch an dem Vertrag festzuhalten.264) Der Darlehensvertrag würde bei personellem Wechsel des Sachwalters vielmehr automatisch entfallen, mehr noch, mangels Bestehen eines existenten Vertrages wäre das Kreditinstitut hinsichtlich der Darlehensvaluta auf das Bereicherungsrecht angewiesen und würde überdies ihren vertraglichen vereinbarten Anspruch auf Darlehenszinsen verlieren.265) Da dies den Interessen der Vertragspartner offensichtlich widerspricht, ist eine Rechtsbedingung abzulehnen.

(b) Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB 152 In Betracht kommt auch eine Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB und daraus möglicherweise resultierend ein Kündigungsrecht nach § 313 Abs. 3 S. 2 BGB.266) Eine Geschäftsgrundlage wird nach ständiger Rechtsprechung durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, beim Vertragsschluss aber zutage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des einen Vertragsteils oder durch die gemeinsamen Vorstellungen beider Teile vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt gewisser Umstände gebildet, sofern der Geschäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut.267) Die Geschäftsgrundlage erfasst damit bestimmte Umstände oder Vorstellungen, die „noch nicht“ eigent___________ 262) 263) 264) 265) 266) 267)

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Mielke/Nguyen-Viet, DB 2004, 2515. Mielke/Nguyen-Viet, DB 2004, 2515, 2516. Cramer, Change of Control-Klauseln, S. 78; Ganter, ZIP 2013, 597, 598. Ganter, ZIP 2013, 597, 598. Vorausgesetzt eine vorrangige Vertragsanpassung ist nicht möglich, vgl. § 313 Abs. 3 S. 1 BGB. Finkenauer, in: MünchKomm-BGB, § 313 Rn. 24; st. Rspr. vgl. BGH, Urt. v. 25.2.1993 – VII ZR 24/92 NJW 1993, 1856, 1859.

A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

licher Vertragsinhalt aber „doch schon“ Vertragsgrundlage sind.268) Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt folglich nur in Betracht, wenn es an besonderen vertraglichen Vereinbarungen fehlt.269) Im Fall des hier behandelten personenbezogenen Massekredits finden Change of Control-Klauseln jedoch ihren ausdrücklichen Niederschlag im Darlehensvertrag, so dass von einer bloßen Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB regelmäßig nicht ausgegangen werden kann.270)

(c) Vereinbartes Kündigungsrecht Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine Change of Control-Klausel ein Kün- 153 digungsrecht der kreditgebenden Bank durch Vereinbarung eines wichtigen Kündigungsgrunds darstellt.271) So ist es in der Praxis üblich, dass bestimmte Verhaltensweisen oder Ereignisse als außerordentliche Kündigungsgründe vertraglich festgelegt werden.272) Beim personengebundenen Massekredit wird folglich der Wechsel in der Person des Sachwalters als wichtiger Kündigungsgrund vereinbart, der bei Eintritt des Kontrollwechsels das Gestaltungsrecht des Kreditinstituts auslöst, den Darlehensvertrag außerordentlich zu kündigen und die Darlehensvaluta vorzeitig fällig zu stellen.273) Jedoch ist auch in diesem Fall zu prüfen, ob dem Kreditinstitut ein Festhalten am Vertrag nach personellen Wechsel tatsächlich unzumutbar ist. Die Zumutbarkeit wird damit als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in die Change of Control-Klausel hineingelesen.274) Ist der Bank unter Abwägung aller Gesamtumstände ein Festhalten am Vertrag zuzumuten, wird von einer wirksamen außerordentlichen Kündigung nicht auszugehen sein.

(2) Zulässigkeit von Change of Control-Klauseln im Allgemeinen Die rechtliche Zulässigkeit und Wirksamkeit von Change of Control-Klauseln, auch 154 im Insolvenzverfahren, ist im Allgemeinen anerkannt.275) Gegen diese Einschätzung spricht auch nicht die Existenz der Regelung in § 225a Abs. 4 InsO. Die Regelung ___________ 268) Finkenauer, in: MünchKomm-BGB, § 313 Rn. 8. 269) Vgl. zu diesem Fall Schneider, in: Festschrift Zöllner, S. 550; sowie ausführlich zur Auslegung als Geschäftsgrundlage Cramer, Change of Control-Klauseln, S. 63. 270) So auch Ganter, ZIP 2013, 597, 599. 271) Cramer, Change of Control-Klauseln, S. 75. 272) Auch als „vereinbarte Lösungsrechte“ bezeichnet, vgl. Berger, in: MünchKomm-BGB, § 490 Rn. 56 m. w. N. 273) Für eine Kreditbedingung in diesem Sinne auch Ganter, ZIP 2013, 597, 599. 274) Ausführlich Ganter, ZIP 2013, 597, 603. 275) Längsfeld, NZI 2014, 734, 735; soweit diese jedoch in AGB vereinbart werden, muss die Klausel der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1 BGB genügen, vgl. BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83 NJW 1985, 623; da Change-of-Control Klauseln in Bezug auf den Sachwalter jedoch typischerweise individualvertraglich vereinbart werden, soll auf eine AGB-rechtliche Prüfung an dieser Stelle verzichtet werden, vgl. hierzu jedoch ausführlich Mielke/Nguyen-Viet, DB 2004, 2515, 2517 m. w. N.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

des § 225a InsO wurde durch das ESUG in die Insolvenzordnung aufgenommen und enthält in § 225a Abs. 2 und Abs. 3 InsO unter anderem Sonderregelungen für den Dept-Equity-Swap im Insolvenzplanverfahren. Die Regelung des § 225a Abs. 4 InsO knüpft an Maßnahmen des Dept-Equity-Swap im Sinne der vorgenannten Vorschriften an. Während § 225a Abs. 4 S. 1 und S. 2 InsO klarstellen, dass Maßnahmen des Dept-Equity-Swap nicht zum Rücktritt oder zur Kündigung von Verträgen, an denen der Schuldner beteiligt ist, berechtigen und auch nicht zu einer anderweitigen Beendigung des Vertrages führen, sichert § 225a Abs. 4 S. 3 InsO dieses Ergebnis ab, indem die Unwirksamkeit entgegenstehender vertraglicher Vereinbarungen normiert wird. Erfasst sind damit Change of Control-Klauseln, die letztlich an die Änderung der Beteiligungsverhältnisse,276) in ihrem Tatbestand jedoch ausschließlich an Maßnahmen des § 225a Abs. 2 und Abs. 3 InsO anknüpfen.277) Eine allgemeingültige Aussage, dass Change of Control-Klauseln im Insolvenzverfahren unzulässig sind, enthält § 225a Abs. 4 InsO daher nicht.

(3) Zulässigkeit von Change of Control-Klauseln unter Berücksichtigung der notwendigen Unabhängigkeit des Sachwalters 155 In Bezug auf die Bindung von Massekrediten an die Person des Sachwalters hat jedoch eine gesonderte Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Unabhängigkeit des (vorläufigen) Sachwalters zu erfolgen. Inwieweit sich eine Change of Control-Klausel auf die Beurteilung der Unabhängigkeit auswirkt, ist nicht abschließend geklärt.

156 Im zuvor dargestellten Dailycer-Verfahren lag ein ebensolcher personenbezogener Massekredit im Eröffnungsverfahren vor. Nachdem das Insolvenzgericht die Einsetzung des vorläufigen Sachwalters als Sachwalter für das eröffnete Verfahren wegen Zweifeln an dessen Unabhängigkeit ablehnte (vgl. hierzu oben Rn. 133 f.), kündigte das Kreditinstitut auf Grundlage der Change of Control-Klausel das ausgegebene Darlehen. Das Amtsgericht Stendal setzte sich im Rahmen des Antrags auf Einberufung einer vorzeitigen ersten Gläubigerversammlung auch mit der Zulässigkeit der personenbezogenen Bindung auseinander.278) Das Gericht sah darin einen (weiteren) Verstoß gegen die erforderliche Unabhängigkeit des vorläufigen Sachwalters und einen unzulässigen Eingriff in die Entscheidungsbefugnis des Gerichtes. Da infolge der Bindung auf die Entscheidungskompetenz des Insolvenzgerichts wesentlich eingewirkt werden sollte, sei die personelle Bindung des Bestands des Masse-

___________ 276) Vgl. Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 55. 277) So ausdrücklich die Begr. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 17/5711, S. 36 „Vertragsklauseln, die nicht allein an die Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 2 und 3 anknüpfen, bleiben hiervon unberührt“. 278) Vgl. AG Stendal, Beschl. v. 1.10.2012 – 7 IN 164/12 ZIP 2012, 2030, 2031.

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

kredits an die Bestellung des vorläufigen Sachwalters zum endgültigen Sachwalter rechtswidrig. Diese Auffassung ist in der Literatur teilweise auf Zustimmung gestoßen. So wird 157 vertreten, die Koppelung der Darlehenszusage an die Bestellung einer bestimmten Person sei unwirksam und führe darüber hinaus per se zur Ungeeignetheit dieser Person als Sachwalter, da automatisch von einer Verflechtung mit dem Darlehensgeber auszugehen sei, die Zweifel an der objektiven Verfahrensabwicklung rechtfertige.279) Pape rät den Insolvenzgerichten in diesem Fall, die Eignung des Sachwalters besonders kritisch zu hinterfragen, da die Gefahr bestehe, dass der Sachwalter die Interessen des Kreditgebers vor die der übrigen Gläubigergesamtheit stelle.280) Die Gegenauffassung hält gekoppelte Massekredite hingegen nicht per se für insol- 158 venzzweckwidrig, da auch die Situation des Kreditinstituts zu berücksichtigen ist.281) Primäres Ziel für das Kreditinstitut ist es, den ausgegebenen Kredit bei Fälligkeit zurückzuerhalten. Da da die Kreditvergabe an ein insolvenzbedrohtes Unternehmen ein erhebliches Risiko birgt und das angeschlagene Unternehmen in der Regel nicht mehr über hinreichende Sicherheiten verfügt, muss das Kreditinstitut auf andere Sicherheiten im weiteren Sinne zurückgreifen. Dem Kreditinstitut ist also an einer erfolgreichen Sanierung mittels Eigenverwaltung gelegen. Diese hängt aber nicht zuletzt von der Person des (vorläufigen) Sachwalters sowie dessen Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung ab.282) So ist es angesichts des eingegangenen Risikos nachvollziehbar, dass die Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit der Geschäftsführung – und damit auch des Sachwalters – für das Kreditinstitut unabdingbar ist und zumindest eine geringe Sicherheit im weiteren Sinne darstellt.283) Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Stendal ist nicht davon auszugehen, dass 159 damit unzulässiger Weise in die Entscheidungsbefugnis des Gerichts eingegriffen wird. Eine Auswechslung des (vorläufigen) Sachwalters bleibt jederzeit möglich, sollte jedoch im Falle eines personengebundenen Massekredits an die Gläubiger kommuniziert werden, so dass die Möglichkeit besteht, einen für alle Verfahrensbeteiligten zufriedenstellenden „Nachfolger“ zu finden. Soweit ein Gericht diesen zusätzlichen Kommunikations- und Abstimmungsbedarf als unzulässigen Eingriff wertet, geht dies fehl; die Wahl des Sachwalters soll stets den Interessen möglichst aller Beteiligten entsprechen und nicht einseitig durch das Insolvenzgericht „durchgedrückt“ werden. Die Entscheidungsbefugnis muss in jedem Verfahrensstadium so ausgeübt werden, dass die bestmögliche Sanierung zum Vorteil aller Verfah___________ 279) Pape, ZInsO 2013, 2129, 2132; Frind, DB 2014, 165, 170; tendenziell auch Landfermann, in: HK-InsO, § 270a Rn. 9. 280) Pape, ZIP 2013, 2285, 2287. 281) Fölsing, ZInsO 2012, 2272, 2275; Huber, NZI 2014, 439, 445; Haarmeyer, ZInsO 2012, 2210. 282) Für alles Flöther, ZInsO 2014, 465. 283) Huber, NZI 2014, 439, 445.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

rensbeteiligten gewährleistet ist.284) Dabei ist offene Kommunikation für eine erfolgreiche Sanierung gerade essentiell.285) Wohin eine einseitige Bestimmung gegen den Willen der Verfahrensbeteiligten führt, hat das Dailycer-Verfahren eindrucksvoll bewiesen. Dieses wird als Paradebeispiel für fehlende Kommunikation von Gericht und Verfahrensbeteiligten bezeichnet und zeigt auf, zu welchen Missständen Kommunikationsunfähigkeit führen kann.286)

160 Infolge der zu Beginn dargestellten anerkennenswerten Interessen des kreditgebenden Instituts, die ebenfalls Berücksichtigung finden müssen, sollte eine Koppelung des Kredits an die Person des Sachwalters richtigerweise nicht als unwirksam beurteilt werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der so gebundene Massekredit zulässig ist.287) Erst recht kann dies angesichts der nachvollziehbaren Interessenlage nicht zu einer pauschalen Verneinung der Unabhängigkeit des Sachwalters führen. Sobald die Personengebundenheit dem Insolvenzgericht offengelegt ist – was infolge der notwendigen Transparenz zwingend zu raten ist –, sollte das Gericht, ebenso wie hinsichtlich der Frage des mitgebrachten Sanierungsberaters, vielmehr unvoreingenommen die Frage der Unabhängigkeit bewerten und keine pauschalen Schlüsse ziehen. Unterhält der Sachwalter tatsächlich ständige Geschäftsbeziehungen288) zu diesem Kreditinstitut oder soll die Personengebundenheit einen ersichtlich ungeeigneten Sachwalter installieren, ist die Verbindung zwischen Sachwalter und Kreditinstitut zu hinterfragen und Zweifel an der Unabhängigkeit des Sachwalters angebracht. Denn in diesen Fällen besteht die abstrakte Gefahr, dass der Sachwalter den kreditausgebenden Gläubiger bevorzugt behandelt, indem er beispielsweise Forderungen entgegen der gesetzlich vorgesehenen Befriedigungsreihenfolge erfüllt oder etwaige Anfechtungsansprüche nicht ordnungsgemäß verfolgt. Hat das Kreditinstitut jedoch infolge der Expertise und des Rufs des Sachwalters Vertrauen in dessen Arbeit und deshalb den Massekredit an seine Person geknüpft, darf für Zweifel an der Unabhängigkeit kein Raum sein. Das Kreditinstitut schützt sich in diesem Fall lediglich vor dem Einfluss eines ungewollten Sachwalters, der beispielsweise nicht für kompetent erachtet wird. Es handelt sich bei dem eingeräumten Kündigungsrecht auch um keinen Automatismus im Sinne einer auflösenden Bedingung. Wird der vorläufige Sachwalter, in den das Kreditinstitut das notwendige Vertrauen hatte, beispielsweise durch einen solchen endgültigen ersetzt, der dem Kreditinsitut ebenso kompetent erscheint, wird das Institut von ___________ Für alles Fölsing, ZInsO 2012, 2272, 2275. Fölsing, ZInsO 2012, 2272, 2274. Haarmeyer, ZInsO 2012, 2210, 2211 m. w. N. Solange die übrigen Konditionen marktüblich und angemessen sind, vgl. Fölsing, ZInsO 2012, 2272, 2275; keine Sonderbedingungen vgl. Huber, NZI 2014, 439, 446. 288) Im Sinne einer tatsächlich/rechtlich gebundenen Interessenvertretung, z. B. als Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Inkassobeauftragter oder als dauerhafter Zusammenschluss zu Unternehmenssanierungen, vgl. Huber, NZI 2014, 439, 446.

284) 285) 286) 287)

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A. Bestellung und Anforderungsprofil des (vorläufigen) Sachwalters

seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen.289) Zudem steht die Wirksamkeit des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund, wie dargestellt, unter der Voraussetzung der Unzumutbarkeit. Schließlich wäre die pauschale Aberkennung der Unabhängigkeit ausschließlich kon- 161 traproduktiv. Change-of-Control Klauseln sind heute marktüblich und ständige Kreditpraxis.290) Gleichzeitig ist kein Kreditinstitut gezwungen, einem kriselnden Unternehmen (weiteren) Kredit auszureichen; es kann den Kredit im Rahmen seiner Vertragsfreiheit somit auch an Bedingungen knüpfen, durch die seine Interessen gewahrt werden.291) Wird das personenbezogene Darlehen jedoch als unwirksam eingeordnet oder kann es seine Zielsetzung infolge der automatischen Absetzung des jeweiligen Sachwalters mangels Unabhängigkeit nicht erreichen, werden die Kreditinstitute die Ausgabe von Massekrediten an andere „Sicherheiten“ knüpfen und die Beschaffung zusätzlicher Liquidität immer mehr zur Unmöglichkeit.

III. Rechtsstellung und Prozessführungsbefugnis des (vorläufigen) Sachwalters Wie der Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren ist auch der (vorläufige) 162 Sachwalter Inhaber eines privaten Amtes und unterliegt als solcher der Aufsicht des Insolvenzgerichts (siehe hierzu unten Rn. 362 ff.).292) Anders als der verwaltungsund verfügungsbefugte Insolvenzverwalter, der im eigenen Namen mit Wirkung für die Insolvenzmasse handelt, ist der Sachwalter jedoch grundsätzlich nicht Partei kraft Amtes und auch sonst nicht für die Masse prozessführungsbefugt.293) Die Prozessführungsbefugnis stellt eine besondere Ausprägung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis dar und ist grundsätzlich untrennbar mit dieser verknüpft.294) Aus diesem Grund liegt die Prozessführungsbefugnis auch nach Anordnung der Eigenverwaltung beim eigenverwaltenden Schuldner (siehe hierzu unten Rn. 301 f.). Etwas anderes gilt auch nicht, wenn das Gericht einen besonderen Zustimmungsvorbehalt angeordnet hat. Nach der Rechtsprechung des BGH lässt ein Zustimmungsvorbehalt, anders als ein angeordnetes Verfügungsverbot, die Prozessführungsbefugnis vielmehr unberührt.295) Lediglich soweit dem Sachwalter im Rahmen seiner originären Aufgaben ausnahmsweise die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu___________ 289) 290) 291) 292) 293) 294) 295)

So Ganter, ZIP 2013, 597, 600. Huber, NZI 2014, 439, 446 Fölsing, ZInsO 2012, 2272, 2275; Ganter, ZIP 2013, 597, 600. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 217. Eckardt, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 32 Rn. 12. Mitsching, ZInsO 2015, 1906, 1907. Vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2012 – IX ZR 249/09 ZInsO 2012, 693, 694; a. A. Mitsching, ZInsO 2015, 1906, 1907; Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 1, nach dessen Ansicht dem Sachwalter in den Fällen der §§ 275, 277 InsO neben dem Schuldner das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über Massegegenstände (§ 80 InsO) zugewiesen sei.

59

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

geteilt ist, kommt eine Prozessführungsbefugnis des Sachwalters in Betracht (vgl. hierzu unten Rn. 260 ff. und Rn. 306).296)

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter in der Eigenverwaltung 163 Eine erfolgreiche Krisenbewältigung setzt eine eindeutige Aufgaben- und Kompetenzverteilung voraus.297) Dieser von Mönning aufgestellte Grundsatz kann im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens, in dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergeht, zweifelsfrei erfüllt werden, trifft im Rahmen der Eigenverwaltung jedoch auf grundlegende Schwierigkeiten. Denn aufgrund der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners ist eine derartige einseitige Aufgabenzuweisung, wie sie im Regelverfahren erfolgt, in der Eigenverwaltung nicht möglich. Die Aufgaben und Kompetenzen sind vielmehr zwischen Schuldner und Sachwalter aufgeteilt, wobei die Rechtsstellung und die Aufgaben des Sachwalters denen des Insolvenzverwalters an manchen Stellen zwar angenähert, durch die §§ 270 ff. InsO jedoch maßgeblich modifiziert sind.

164 Der Schuldner nimmt die im Regelinsolvenzverfahren sonst durch den Insolvenzverwalter ausgeübten Aufgaben wahr, solange die §§ 270 ff. InsO keine abweichende Regelung enthalten.298) Der Sachwalter verfügt kraft Gesetz über unterschiedliche Kompetenzen, wobei seine maßgebliche Aufgabe bereits durch § 270 Abs. 1 InsO statuiert wird. Demnach ist der Schuldner „unter der Aufsicht eines Sachwalters“ berechtigt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Die Aufsichtspflicht soll die ordnungsgemäße Verfahrensabwicklung durch den Schuldner sicherstellen und stellt damit das Kernstück der Aufgaben des Sachwalters in der Eigenverwaltung dar. Konkretisiert wird die Aufsichtspflicht durch die Prüfungs-, Überwachungs- und Mitwirkungskompetenzen des § 274 Abs. 2, Abs. 3 sowie der §§ 275 ff. InsO.299) Von den Aufsichts- und Mitwirkungspflichten können die originären Aufgaben, die dem Sachwalter zur alleinigen und selbständigen Wahrnehmung zugewiesen sind, unterschieden werden.

165 Schuldner und Sachwalter teilen sich damit die im Regelinsolvenzverfahren sonst ausschließlich durch den Insolvenzverwalter ausgeübten Rechte und Pflichten.300) Infolge der dem Sachwalter verliehenen Einflussmöglichkeit im Rahmen der Aufsicht und Mitwirkung sowie der Unterstützung im laufenden Verfahren kommt es ___________ 296) Foltis, in: FK-InsO, § 270c Rn. 8. 297) Mönning, in: Festschrift Wellensiek, S. 646. 298) Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 147; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 90 Rn. 2. 299) Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 274 Rn. 2; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 42. 300) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 42.

60

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

jedoch vielfach zu Doppelzuständigkeiten, was anhand des folgenden Schaubilds301) veranschaulicht werden kann. SCHULDNER

SACHWALTER

Aufsichts- und Mitwirkungspflichten

Geschäftstypische Aufgaben

Originäre Pflichten

Insolvenztypische Aufgaben

Insolvenzverwalter Die Abgrenzung der Befugnisse von Schuldner und Sachwalter kann teilweise be- 166 reits anhand der §§ 275 bis 285 InsO erfolgen.302) Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass der Sachwalter die Aufgaben wahrnimmt, die im Regelverfahren dem Insolvenzverwalter in erster Linie im Interesse der Gläubiger übertragen sind.303) Diese Abgrenzung der Aufgaben des Sachwalters zu denen des Schuldners war bereits in der Insolvenzordnung von 1999 angelegt.304) Während der Schuldner also weiterhin die geschäftstypischen Aufgaben wahrnimmt, sind dem Sachwalter überwiegend die insolvenztypischen Aufgaben übertragen.305) Es ist daher immer im Einzelfall ___________ 301) Schaubild nach Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 136. 302) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 20. 303) Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223; Landry, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Kapitel 15 Rn. 7. 304) Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 305) Foltis, in: FK-InsO, § 270 Rn. 13; Landry, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Kapitel 15 Rn. 7.

61

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

zu prüfen, in wessen Kompetenzbereich eine jeweilige Aufgabe fällt, wobei die weiterreichenden Aufgaben infolge der verbliebenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in der Regel dem Schuldner zustehen.306)

I.

Aufgaben des (vorläufigen) Sachwalters

167 Der Aufgabenbereich des (vorläufigen) Sachwalters lässt sich grundsätzlich in Aufsichts- und Mitwirkungspflichten einerseits sowie originäre Pflichten andererseits unterteilen.

1.

Aufsichtspflichten des Sachwalters

168 Mit der Regelung des § 274 Abs. 2 InsO hat der Gesetzgeber nahezu wörtlich die Regelung des § 39 VglO zum Vergleichsverwalter übernommen (vgl. oben Rn. 28).307) Zwar kann damit grundsätzlich auf die unter der Vergleichsordnung gewonnenen Kenntnisse zurückgegriffen werden, dabei hat jedoch das nunmehr veränderte Verfahrensziel Beachtung zu finden. Während das Vergleichsverfahren auf eine vergleichsweise Schuldenbereinigung gerichtet war, ist vorrangiges Ziel der Eigenverwaltung als Insolvenzverfahren die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung, § 1 S. 1 InsO.308)

169 Der Sachwalter hat gemäß § 274 Abs. 2 S. 1 InsO die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen (siehe nachfolgend a)) und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen (siehe nachfolgend b)). Den Schuldner treffen hierbei gewisse Mitwirkungspflichten (siehe nachfolgend c)). Stellt der Sachwalter Umstände fest, die Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen, hat er dies gemäß § 274 Abs. 3 InsO unverzüglich dem Insolvenzgericht, dem Gläubigerausschuss und, soweit ein solcher nicht bestellt ist, den bereits bekannten Insolvenzund absonderungsberechtigten Gläubigern anzuzeigen (siehe nachfolgend d)).

170 Nach der Definition von Foltis lässt sich die Kontrolle des Sachwalters somit wie folgt zusammenfassen: Der Sachwalter hat fortlaufend alle Umstände zu prüfen, die aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen den Schuldner oder eine Aufhebung der Eigenverwaltung rechtfertigen können und diese Umstände dem Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss – hilfsweise den Insolvenzgläubigern und den absonderungsberechtigten Gläubigern – anzuzeigen (siehe zur Anzeigepflicht unten Rn. 181 f.).309)

171 Über den Verweis in § 270a Abs. 1 S. 2 InsO gelten die Pflichten des § 274 InsO auch für den vorläufigen Sachwalter, so dass sich die nachstehenden Ausführungen zu den Aufsichtspflichten gleichermaßen auf den vorläufigen Sachwalter beziehen. ___________ 306) Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 274 Rn. 2; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 42. 307) Landfermann, in: HK-InsO, § 274 Rn. 11; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 43. 308) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 45; vgl. auch Bley/Mohrbutter, VglO (1979) § 39 Rn. 1. 309) Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 54.

62

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

a) Überprüfung der wirtschaftlichen Lage, § 274 Abs. 2 S. 1 1. Alt InsO Die Pflicht zur Prüfung der wirtschaftlichen Lage gemäß § 274 Abs. 2 S. 1 1. Alt. 172 InsO hat lediglich unselbständige Bedeutung und dient vorrangig der Erfüllung der weiteren Aufgaben des Sachwalters, wie etwa der Anzeigepflicht des § 274 Abs. 3 S. 1 InsO, den Prüfungs- und Stellungnahmepflichten des § 281 InsO, der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 285 InsO sowie der Ausübung der Insolvenzanfechtungsmöglichkeit des § 280 InsO.310) Dazu muss der Sachwalter einen vollumfassenden Überblick über das schuldnerische Vermögen haben.311) Die „wirtschaftliche Lage“ ist im Sinne der Anzeigepflicht des § 274 Abs. 3 InsO 173 und im Interesse der Gläubiger weit auszulegen.312) Die Prüfung erfasst damit alle Umstände, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung der originären Aufgaben des Sachwalters erforderlich sind sowie allgemein solche, die erwarten lassen können, dass die Eigenverwaltung zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führen wird.313) Sie erstreckt sich auch auf die persönlichen Fähigkeiten des Schuldners und seiner organschaftlichen Vertreter, auf deren fortwährende Redlichkeit sowie auf ihre Eignung, die Eigenverwaltung im Sinne der Gläubiger und damit ordnungsgemäß führen zu können.314) Da der Sachwalter in Fortführungsfällen verpflichtet ist, eine Fortführungsprognose abzugeben, erfasst seine Überprüfung dabei nicht nur den gegenwärtigen Vermögensstand, sondern auch die Aussichten der Unternehmensfortführung, denn ist die Betriebsfortführung gefährdet, löst auch dieses Wissen eine Informationspflicht nach § 274 Abs. 3 InsO aus (siehe hierzu unten Rn. 181 ff.).315)

b) Überwachung der Geschäftsführung und Ausgaben zur Lebensführung, § 274 Abs. 2 S. 1 2. und 3. Alt. InsO Gemäß § 274 Abs. 2 S. 1 2. Alt. InsO hat der Sachwalter zudem die Geschäftsführung 174 des Schuldners dahingehend zu überwachen, ob diese in Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen Eigenverwalters ausgeführt wird. Die Überwachungspflicht bezieht sich auf die Prüfung der Geschäftsbücher und der Kassenführung des Schuldners.316) Damit soll verhindert werden, dass der Schuldner Gegenstände der Insolvenzmasse beiseite schafft oder Dritte entgegen des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung bevorteilt.317) Die Überwachungspflicht des Sachwalters ist eine permanente, ___________ 310) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 46; i. E. auch Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 57. 311) Vgl. Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 12; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 73. 312) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 12. 313) Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 58. 314) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 12; vgl. auch Bley/Mohrbutter, VglO (1979) § 39 Rn. 2. 315) Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 57. 316) Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 274 Rn. 6. 317) Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 274 Rn. 6; Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 62.

63

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

die während des gesamten Verfahrens besteht und sicherstellen soll, dass der Schuldner den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung nicht verletzt.318) Denn nur wenn der Sachwalter lückenlos und vollumfassend über die Rechtshandlungen des Schuldners informiert ist und einen Überblick über die Vermögenslage des Schuldners hat, kann er die weiteren ihm übertragenen Rechte und Pflichten adäquat ausüben.319)

175 Die Überwachung der Ausgaben zur Lebensführung gemäß § 274 Abs. 2 S. 2 3. Alt InsO korrespondiert mit dem Entnahmerecht des Schuldners aus § 278 InsO, für sich und seine Familienangehörigen im Sinne des § 100 Abs. 2 S. 2 InsO aus der Insolvenzmasse die Mittel zu entnehmen, die unter Berücksichtigung der bisherigen Lebensverhältnisse des Schuldners eine bescheidene Lebensführung gestatten. Der Sachwalter hat die Mittelentnahme damit zwar zu überwachen, er kann sie aus eigenem Recht jedoch nicht verhindern und auch nicht sanktionieren.320) Es besteht lediglich die Pflicht, übermäßige Entnahmen nach § 274 Abs. 3 InsO anzuzeigen und/oder die Kassenführung gemäß § 275 InsO an sich zu ziehen.

c)

Mitwirkungspflicht des Schuldners

176 Der Sachwalter ist bei der Wahrnehmung der ihm nach § 274 Abs. 2 InsO übertragenen Aufgaben der Aufsicht folglich auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen.

177 Die Mitwirkungspflicht des Sachwalters wird über den Verweis von § 274 Abs. 2 S. 2 InsO auf § 22 Abs. 3 InsO konkretisiert und sichergestellt. Gemäß § 274 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 22 Abs. 3, S. 2 und S. 3 1. Hs. InsO sind der Schuldner und seine organschaftlichen Vertreter (§ 22 Abs. 3 S. 3 2. Hs. i. V. m § 101 InsO)321) verpflichtet, dem Sachwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und den Sachwalter bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Inhalt und Grenzen der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners richtet sich nach § 97 InsO, der gemäß § 274 Abs. 3 S. 2 i. V. m. 22 Abs. 3 S. 3 2. Hs. InsO in der Eigenverwaltung entsprechende Anwendung findet. Demnach hat der Schuldner über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu erteilen, selbst dann, wenn er sich durch die Offenbarung selbst belastet.

178 Daneben ist gemäß § 274 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 22 Abs. 3 S. 1, S. 3 S. Hs. InsO der Sachwalter mit diversen Eingriffsinstrumenten ausgestattet, die denen eines vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechen. Demnach ist er berechtigt, die Geschäftsräu___________ 318) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 71; Pape, in: Kölner Schrift, Kölner Schrift Kapitel 24 Rn. 36; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 12. 319) Pape, in: Kölner Schrift, Kölner Schrift Kapitel 24 Rn. 36. 320) Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 65; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 278 Rn. 10; Wittig/Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 278 Rn. 22. 321) Auskunftspflichtig sind bei juristischen Personen neben den aktuellen Mitgliedern des Vertretungs- und Aufsichtsorgans sowie den vertretungsberechtigten persönlichen haftenden Gesellschafter des Schuldners auch solche, die nicht früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag ausgeschieden sind, § 101 Abs. 1 (2) InsO.

64

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

me des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. In Erfüllung dieser Aufgabe ist es ihm auch erlaubt, seine Mitarbeiter miteinzubeziehen sowie in schwierigen Fragen Steuer- oder Wirtschaftsprüfer hinzuzuziehen.322) Korrespondierend zu der Pflicht des Schuldners, dem Sachwalter Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten, steht dem Sachwalter ein entsprechendes Einsichtsrecht zu, womit insbesondere die Einsicht in Bilanzen nebst GuV-Rechnungen, Arbeitnehmerunterlagen, Mietverträge, aber auch ganz allgemein in Verträge mit vermögensrechtlichen Inhalt erfasst ist.323) Kommt der Schuldner seiner Mitwirkungspflicht nicht oder nicht hinreichend nach, 179 kann die Mitwirkung des Schuldners theoretisch auch zwangsweise durchgesetzt werden, was die Verweisung von § 22 Abs. 3 S. 3 2. Hs. InsO auf § 98 InsO zeigt. Soweit es zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage erforderlich erscheint, kann demnach die Versicherung an Eides statt, im Übrigen Zwangsgeld, Zwangsvorführung oder die Inhaftierung des Schuldners seitens des Insolvenzgerichts angeordnet werden. Eine zwangsweise Durchsetzung der Mitwirkungspflichten wird in der Eigenverwal- 180 tung jedoch nur ausnahmsweise in Betracht kommen. Ein Eigenverwaltungsverfahren kann nur erfolgreich geführt werden, wenn der Schuldner kooperativ ist und ausnahmslos bereit ist, mit dem Sachwalter zusammenzuarbeiten. Sollte sich ein Schuldner unkooperativ zeigen und seinen Mitwirkungspflichten bewusst nicht nachkommt, ist die Eigenverwaltung, die das Vertrauen der Gläubiger in den Schuldner und die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Schuldner und Sachwalter voraussetzt, ohnehin zum Scheitern verurteilt,324) so dass auch eine zwangsweise Durchsetzung der Mitwirkungspflichten nicht erfolgsversprechend sein wird. Soweit der Schuldner folglich bewusst gegen seine Mitwirkungspflichten verstößt, sollte Sachwalter diesen Umstand vielmehr unverzüglich den Gläubigern nach § 274 Abs. 3 InsO anzeigen, so dass diese einen entsprechenden Verfahrenswechsel beantragen können (dazu sogleich unten Rn. 181 f.). Für Zwangsmittel bleibt in diesem Fall nur dann Raum, wenn die Gläubiger trotz Kenntnis des Verhaltens des Schuldners an der Eigenverwaltung festhalten sollten.

d) Anzeigepflicht des Sachwalters, § 274 Abs. 3 InsO aa) Anzeigeadressaten Stellt der Sachwalter bei der Überprüfung und Überwachung des Schuldners fest, 181 dass Umstände vorliegen, die Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen, hat er dies ___________ 322) Rüntz, in: HK-InsO, § 22 Rn. 65; Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 25; Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 22 Rn. 284. 323) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 27. 324) Vgl. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 75.

65

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

gemäß § 274 Abs. 3 InsO unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss bzw., falls ein solcher nicht bestellt ist, den Gläubigern mit Insolvenzforderungen und absonderungsberechtigten Gläubigern anzuzeigen (sog. Nachteilsanzeige). Der vorläufige Sachwalter hingegen hat vorrangig den vorläufigen Gläubigerausschuss und, soweit ein solcher nicht bestellt ist, anstelle der Insolvenzgläubiger die ihm zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Gläubiger zu unterrichten.325) Nur wenn die Gläubiger über ein Fehlverhalten des Schuldners informiert werden, werden sie in die Lage versetzt, durch die Geltendmachung ihrer Rechte drohenden Schädigungen des Schuldners entgegenzuwirken.326) Dazu zählen insbesondere die Einberufung einer Gläubigerversammlung gemäß § 75 InsO und daraus resultierend die mögliche Anordnung von Zustimmungsvorbehalten nach § 277 Abs. 1 InsO sowie schließlich die Beantragung der Aufhebung der Eigenverwaltung nach § 272 InsO bzw. im Eröffnungsverfahren nach § 270b Abs. 4 Nr. 2 InsO (analog).

182 Bei fehlender Bestellung eines Gläubigerausschusses kann sich die im eröffneten Verfahren dann notwendige Information der Insolvenzgläubiger bzw. der Absonderungsberechtigten jedoch als problematisch erweisen. Denn zum einen stehen die Insolvenzgläubiger vielfach noch nicht abschließend fest, zum anderen kann es sich, insbesondere in Großverfahren, um eine Vielzahl von Gläubigern handeln. Um sich in diesem Fall nicht einem Haftungsrisiko auszusetzen und gleichzeitig die Kosten gering zu halten, ist es dem Sachwalter zu empfehlen, die öffentliche Bekanntmachung der erfolgten Anzeige nach § 274 Abs. 3 InsO durch das Insolvenzgericht anzuregen (zur Möglichkeit der öffentlichen Bekanntmachung nach gerichtlichen Ermessen vgl. bereits oben, Rn. 125 f.).327) Ebenso problematisch erscheint es, wenn der Sachwalter Umstände feststellt, die letztlich nicht zu Nachteilen für die Gläubigergesamtheit, sondern lediglich zu Nachteilen eines einzigen Gläubigers führen können. Vom Wortlaut des § 274 Abs. 3 S. 1 InsO, der von „Nachteilen für die Gläubiger“ spricht und damit auf die Gläubigergesamtheit abzustellen scheint, erscheint diese Situation nicht erfasst zu sein.328) Aus dem Sinn und Zweck des § 274 Abs. 3 InsO muss jedoch auch der einem einzelnen Gläubiger drohende Nachteil von der Anzeigepflicht des (vorläufigen) Sachwalters erfasst sein. Denn die Anzeige soll die Gläubiger in die Lage versetzen, etwaiges Fehlverhalten des Schuldners zu sanktionieren. Dazu ist sowohl im Rahmen des § 277 Abs. 2 InsO ___________ 325) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 39. 326) Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 68; so auch Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 224. 327) Für eine eigene Bekanntmachungsmöglichkeit analog § 277 Abs. 3 InsO Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 72; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 17; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 81; inkonsequent hingegen Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 274 Rn. 12 der die Veröffentlichung nach gerichtlichen Ermessen im Rahmen des Eröffnungsverfahrens mangels Rechtsgrundlage strikt ablehnt, die Veröffentlichung analog § 277 Abs. 3 InsO hingegen befürwortet (vgl. oben Rn. 113 f.). 328) Vgl. Fiebig, in: HmbKo-InsO, § 274 Rn. 20.

66

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

als auch nach Maßgabe des § 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO, der gerade auf einen individuellen Nachteil eines betroffenen Gläubigers abstellt, auch jeder Einzelgläubiger berechtigt. Die Geltendmachung dieser Rechte setzt jedoch die umfassende Information der betroffenen Einzelgläubiger voraus, so dass auch in diesem Fall richtigerweise von einer Anzeigepflicht des Sachwalters auszugehen ist.329)

bb) Auslöser der Anzeigepflicht Welche genauen „Umstände, die Nachteile erwarten lassen“ anzuzeigen sind, ist ge- 183 setzlich nicht definiert, sondern wird der Einschätzung des Sachwalters überlassen. Einigkeit besteht jedoch dahingehend, dass nicht nur konkret wahrgenommene Tatsachen, sondern aus Gläubigerschutzgesichtspunkten auch – wenn auch nur auf Indizien beruhende – Schlussfolgerungen sowie nachteilige Verhaltensweisen des Schuldners anzuzeigen sind.330) Mönning rät zu einer Prüfung und Bewertung der Tatsachen in zweifacher Hinsicht: die Tatsachen müssen zunächst geeignet sein, sich überhaupt auf die Abwicklung der Eigenverwaltung auswirken zu können und zum anderen müssen diese Wirkungen, sollten sie eintreten, Nachteile für die Gläubiger begründen können.331) Die Anzeigepflicht wird damit jedenfalls ausgelöst, soweit der Schuldner Rechtshandlungen vornimmt, die die Gläubiger unmittelbar benachteiligen, so beispielsweise die übermäßige, nicht den Grenzen des § 278 Abs. 1 InsO entsprechende Entnahme von Gesellschaftsvermögen. Die Anzeigepflicht wird jedoch auch bereits bei mittelbar benachteiligenden Handlungen ausgelöst. So beispielsweise wenn der Schuldner seine Mitwirkungspflichten verweigert oder Mitwirkungsrechten des Sachwalters (beispielsweise nach § 275 Abs. 1 InsO) keine Folge leistet, denn auch dieses (unkooperative) Verhalten kann sich nachteilig auf das Verfahren auswirken, was seitens der Gläubiger sanktioniert werden kann. Die Anzeige ist „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern i. S. d. § 121 Abs. 1 184 S. 1 BGB vorzunehmen. Eine vorherige Benachrichtigung des Schuldners mit der Möglichkeit, sein nachteiliges Verhalten abzustellen, ist dabei grundsätzlich nicht vorgesehen und auch nicht zweckmäßig, bleibt jedoch, allerdings unter Gefahr der drohenden Haftung nach § 60 InsO, dem Ermessen des Sachwalters überlassen.332) Die Unterrichtung nach § 274 Abs. 3 InsO ist maßgeblicher Teil der insolvenzspe- 185 zifischen Pflichten des Sachwalters, so dass die Verletzung dieser Pflicht zu einer Haftung nach § 274 Abs. 1 i. V. m § 60 InsO führen kann (vgl. unten 167 f.).333) ___________ 329) So auch Fiebig, in: HmbKo-InsO, § 274 Rn. 20; i. E. auch Landfermann, in: HK-InsO, § 274 Rn. 16. 330) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 16; Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 68 mit Verweis auf Bley/Mohrbutter, VglO (1979) § 40 Rn. 6. 331) Mönning, in: Festschrift Wellensiek, S. 651. 332) Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 82; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 16. 333) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 79.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

cc) Praxistauglichkeit der Nachteilsanzeige 186 Unter Berücksichtigung dessen wird deutlich, dass die Anzeigepflicht nach § 274 Abs. 3 InsO kein vorgelagerter Kontroll- oder Aufsichtsmittel des Sachwalters, sondern allenfalls ein nachträgliches Sanktionsmittel desselben darstellt. Die Anzeigepflicht greift erst ein, wenn der Schuldner eine nachteilige Rechtshandlung vorgenommen hat, folglich das „Kind bereits in den Brunnen gefallen“ ist. Fraglich ist damit, welchen Zweck die Anzeigepflicht des Sachwalters im Verfahren der Eigenverwaltung erfüllen kann.

187 Der Nachteilsanzeige kommt jedenfalls gewissermaßen die Funktion eines Druckmittels gegenüber dem Schuldner zu.334) Denn soweit der Schuldner nachteilige Rechtshandlungen vornimmt oder beispielsweise seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, muss er damit rechnen, dass der Sachwalter dieses Verhalten den Gläubigern anzeigt und die Gläubiger entsprechende Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise die Beantragung der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts oder der Aufhebung der Eigenverwaltung.

188 In einer Vielzahl der Fälle kann die Anzeigepflicht nach § 274 Abs. 3 InsO ihrer vorgesehenen Funktion als wirksames Sanktionsmittel jedoch nicht gerecht werden. Dies ist einem grundsätzlichen Problem der Insolvenzpraxis geschuldet, denn sowohl Insolvenzverwalter als auch Sachwalter sind heute oftmals von der Gunst einzelner Verfahrensbeteiligten abhängig. So sind es in der Praxis oftmals einzelne Großgläubiger, wie beispielsweise Kreditinstitute, die auf die Auswahl des Insolvenzverwalters oder Sachwalters einen nicht unerheblichen Einfluss haben. Auch den Sanierungsberatern kommt – insbesondere in der Eigenverwaltung – eine in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzende Rolle zu. Macht sich der Sachwalter „unbeliebt“, indem er von seiner Anzeigepflicht pflichtgemäß Gebrauch macht, beispielsweise auch „nur“ mittelbar drohende Nachteile anzeigt und damit letztlich das Scheitern der Eigenverwaltung hervorruft, läuft er Gefahr, im nächsten Verfahren, an dem der jeweils betroffene Großgläubiger oder Sanierungsberater beteiligt ist, nicht mehr als Insolvenzverwalter oder Sachwalter vorgeschlagen zu werden. Der Sachwalter beeinflusst durch seine Anzeige damit mittelbar auch seine eigene Reputation. Dies kann dazu führen, dass sich ein Sachwalter, der seinerseits auch wirtschaftliche Interessen verfolgt, von diesen möglichen zukünftigen Auswirkungen – mindestens unbewusst – beeinflussen lässt und seiner Anzeigepflicht nur eingeschränkt nachkommt.

189 Doch selbst wenn der Sachwalter die ihm obliegenden Anzeigepflichten ordnungsgemäß erfüllt, ist fraglich, inwieweit dem Verfahren in Eigenverwaltung durch die mit § 274 Abs. 3 InsO verbundene rein nachträgliche Sanktion eines schuldnerischen Fehlverhaltens tatsächlich gedient ist. ___________ 334) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 66.

68

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Bei schwerwiegenden Verstößen ist zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des 190 Schuldners bereits erfolgt ist und die Gläubiger möglicherweise bereits unwiderruflich geschädigt sind. Bei vermeintlich harmlosen Verstößen oder solchen, die nur möglicherweise und mittelbar eine Benachteiligung der Gläubiger bewirken können, kann die Nachteilsanzeige einen nachhaltigen Vertrauensverlust der Gläubiger in den Schuldner bzw. die geschäftsführenden Organe auslösen. Da es auf dieses Vertrauen, gerade in der Eigenverwaltung jedoch maßgeblich ankommt, kann die Vornahme einer Anzeige nach § 274 Abs. 3 InsO dazu führen, die Eigenverwaltung insgesamt in Frage zu stellen.335) Häufig mündet dieser Vertrauensverlust in einer Aufhebung der Eigenverwaltung und einem Übergang in ein Regelinsolvenzverfahren, der mit zusätzlichen Kosten und einem weiteren Vertrauensverlust des Geschäftsverkehrs einhergeht. Die Sanierungschancen eines Unternehmens können durch eine solche Inkonsistenz im Verfahren ebenso nachhaltig geschädigt werden wie die Befriedigungsaussichten der Gläubiger.

dd) Fazit Es zeigt sich daher, dass die Nachteilsanzeige des Sachwalters nur geringe Praxis- 191 tauglichkeit aufweist. Zwar werden die Gläubiger durch diese über ein etwaiges Fehlverhalten des Schuldners informiert und können die Geltendmachung ihrer Rechte erwägen, vielfach kommt die Anzeige jedoch zu spät oder löst, gerade bei nicht schwerwiegenden Verstößen des Schuldners, einen unnötigen und nicht wiedergutzumachenden Vertrauensverlust aus. Aus diesem Grund ist es zumindest außerhalb der Fälle, in denen der Schuldner be- 192 wusst zum Nachteil der Gläubiger handelt, vielfach unerlässlich, dass sich der Sachwalter bereits auf der vorgelagerten Stufe aktiv in das Verfahren einbringt und so möglicherweise dazu beiträgt, dass etwaige Fehlentscheidungen des Schuldners nicht getroffen werden. Gleichzeitig müssen dem Sachwalter selbst konkrete Eingriffsmittel an die Hand gegeben werden, durch die ein etwaiges (bewusstes) Fehlverhalten des Schuldners nicht nur nachträglich sanktioniert, sondern vielmehr bereits in seiner Entstehung absolut verhindert werden kann. Ob das Gesetz einerseits ein solches aktives Tätigwerden des Sachwalters zulässt, andererseits den Sachwalter mit absoluten Eingriffsbefugnissen ausstattet, ist im Folgenden zu untersuchen.

e)

Antragsrecht zur Einberufung der Gläubigerversammlung

Ob der Sachwalter auch ein eigenes Recht zur Einberufung der Gläubigerversamm- 193 lung hat oder lediglich auf seine Anzeigepflicht nach § 274 Abs. 3 InsO beschränkt

___________ 335) So auch Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 934.

69

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

ist, ist umstritten.336) Dies ist insbesondere der Tatsache geschuldet, dass der Sachwalter in § 75 Abs. 1 InsO nicht als Antragsbefugter aufgezählt ist. Wer in der Eigenverwaltung an die Stelle des in § 75 Abs. 1 Nr. 1 InsO genannten Insolvenzverwalters tritt, ist nicht abschließend geklärt.

194 Unstreitig ist hingegen, dass der Sachwalter ein Teilnahmerecht an der Gläubigerversammlung hat, da er nur so seinen Berichtspflichten nach § 281 Abs. 2 InsO gerecht werden kann.337) Keine Aufgabe des Sachwalters setzt jedoch unmittelbar ein Recht auf Einberufung der Gläubigerversammlung voraus. Anders ist dies hingegen hinsichtlich des Schuldners. So hat der Schuldner gemäß § 276 S. 1 InsO die Zustimmung des Gläubigerausschusses zu besonders bedeutsamen Rechtsgeschäften einzuholen. Dies setzt jedoch zwangsläufig voraus, dass der Schuldner in der Lage sein muss, die Gläubigerversammlung nach § 75 InsO auch tatsächlich einzuberufen.338) Dies spricht dafür, dass aus formaler Sicht das Antragsrecht des Insolvenzverwalters nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 InsO in der Eigenverwaltung durch den Schuldner ausgeübt wird.

195 Aus praktischen Gesichtspunkten ist dieses Ergebnis bei gegenwärtiger Gesetzeslage jedoch nicht überzeugend. Soweit der Sachwalter nachteilige Umstände erkennt, kann er mangels eigenen Antragsrechts in § 272 InsO sowie § 277 InsO ohne Tätigwerden der Gläubiger keine Maßnahmen zum Schutz der Insolvenzmasse ergreifen. Der Sachwalter kann lediglich die Anzeige nach § 274 Abs. 3 InsO vornehmen und hoffen, dass der Gläubigerausschuss dies zum Anlass nimmt eine Versammlung einzuberufen, um sodann über etwaige Maßnahmen zu beschließen. Ebenso kann er beim Insolvenzgericht nur anregen, eine Gläubigerversammlung von Amts wegen einzuberufen. Dies kann gerade bei Handlungen des Schuldners, die unterhalb der Erheblichkeitsgrenze des § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO liegen oder nicht dem Unaufschiebbarkeitserfordernis des § 277 Abs. 2 InsO genügen und damit ein Antragsrecht eines einzelnen Gläubigers ausschließen, jedoch nicht erstrebenswert sein. Denn auch unter dieser Schwelle liegende Handlungen können ein rasches Einschreiten gebieten, so dass der „Umweg“ über den Gläubigerausschuss unnötige Zeit in Anspruch nimmt.

196 Diese Erwägungen sprechen dafür, auch dem Sachwalter ein Antragsrecht zur Einberufung der Gläubigerversammlung zuzugestehen.339) Angesichts der Tatsache, ___________ 336) Dagegen: Landfermann, in: HK-InsO, § 274 Rn. 17; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 507; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 840 ff.; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, vor §§ 270 Rn. 90; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 16 Rn. 9; dafür: Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 274 Rn. 12; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 83; Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 72. 337) Anstelle vieler Landfermann, in: HK-InsO, § 274 Rn. 17; vgl. hierzu auch unten Rn. 269. 338) So auch Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 841. 339) I. E. auch Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 83; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 274 Rn. 12.

70

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

dass sich Schuldner und Sachwalter die im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter übertragenen Pflichten in der Eigenverwaltung teilen (siehe hierzu oben Rn. 165), lässt sich vertreten, dass mangels entgegenstehender Regelung folglich auch beide an die Stelle des in § 75 Abs. 1 Nr. 1 InsO genannten Insolvenzverwalters treten.

2.

Mitwirkungspflichten des Sachwalters

Die in § 274 InsO statuierten Aufsichtspflichten des Sachwalters werden durch kon- 197 krete Mitwirkungsrechte und Eingriffsmöglichkeiten des Sachwalters in den §§ 275 ff. InsO ergänzt.340) Dabei handelt es sich um abgestufte Zustimmungs- und Mitwirkungserfordernisse, die allesamt mit unterschiedlicher Intensität und unterschiedlicher Effizienz der Verhinderung der Aushöhlung der Masse durch den Schuldner und letztendlich dem Schutz der Gläubiger dienen.341)

a) Zustimmungserfordernisse nach § 275 Abs. 1 InsO Auf der ersten Stufe der Mitwirkungsrechte des Sachwalters hinsichtlich der Ge- 198 schäftsführung des Schuldners steht das Zustimmungserfordernis und das Widerspruchsrecht des § 275 Abs. 1 InsO. Gemäß § 275 Abs. 1 S. 1 InsO soll der Schuldner Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen. Solche des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs unterliegen zwar der allgemeinen Überwachung nach § 274 Abs. 2 InsO, können jedoch ohne Zustimmung des Sachwalters begründet werden. Insoweit hat der Sachwalter nach § 275 Abs. 1 S. 2 InsO lediglich ein Widerspruchsrecht. Diese Regelungen zur internen Aufgabenverteilung342) zwischen Schuldner und Sach- 199 walter findet gemäß § 270a Abs. 1 S. 2 InsO auch auf den vorläufigen Sachwalter entsprechende Anwendung.

aa) Erfasste Verbindlichkeiten Der in § 275 Abs. 1 InsO verwendete Begriff der Verbindlichkeiten ist weit zu ver- 200 stehen und erfasst im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb stehende Verpflichtungsgeschäfte aller Art, durch die sich der Schuldner vertraglich – wenn auch einseitig – verpflichtet, eine bestimmte Leistung zu erbringen.343) Verbindlichkeiten, die der privaten Lebensführung des Schuldners zuzurechnen sind, fallen hingegen nicht unter § 275 Abs. 1 InsO. Diesbezüglich ist der Sachwalter darauf be___________ 340) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 44. Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 1. 341) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 1; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 275 Rn. 1; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 275 Rn. 1. 342) Vgl. Undritz, BB 2012, 1551, 1555. 343) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 275 Rn. 7; Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 40.

71

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

schränkt, die Ausgaben nach §§ 274 Abs. 2, 278 InsO mit Blick auf die bescheidene Lebensführung zu überwachen und bei Bedarf von seiner Anzeigepflicht nach § 274 Abs. 3 InsO Gebrauch zu machen.344)

201 Die Abgrenzung, welche Verbindlichkeiten zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb zählen, ist nicht klar definiert. Einigkeit herrscht, dass dies nicht anhand des wirtschaftlichen Gewichts der jeweiligen Verpflichtung, sondern allein durch einen Vergleich des streitgegenständlichen Geschäfts nach Art und Umfang mit den bisherigen Schuldnergeschäften im Einzelfall festzustellen ist.345) Negativ abgegrenzt fallen in der Regel nicht unter den gewöhnlichen Geschäfts- bzw. Fortführungsbetrieb Grundstücksgeschäfte, die Begründung eines Massekredits, die Entlassung oder Einstellung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern oder der Erwerb eines neuen Maschinenoder Fuhrparks.346) Erfasst sind dabei grundsätzlich nur neue Verbindlichkeiten, sodass die Verbindlichkeiten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen oder Dauerschuldverhältnissen nicht vom Zustimmungserfordernis des § 275 Abs. 1 S. 1 InsO erfasst sind.347)

202 Die Einstellung einzelner Arbeitnehmer wird hingegen genauso zum Tagesgeschäft gehören wie regelmäßig wiederkehrende Geschäfte.348) Damit dem Sachwalter die Ausübung seines Widerspruchsrechts unterhalb der Gewöhnlichkeitsgrenze des § 275 Abs. 1 S. 1 InsO überhaupt möglich ist, ist eine kontinuierliche Information des Sachwalters und Abstimmung nötig.349) Um den Schuldner handlungsfähig zu lassen und den Sachwalter nicht auch mit geringfügigen Geschäften zu belasten, sollte bereits zu Beginn des Verfahrens zwischen Schuldner und Sachwalter festgelegt werden, über welche Geschäfte des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs eine Information des Sachwalters erfolgen soll, damit dieser von seinem Widerspruchsrechts Gebrauch machen kann.350)

203 Der Sachwalter hat nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, ob er seine Zustimmung erteilt oder Widerspruch erhebt.351) Insoweit hat er seine Entscheidung an den Zielen des Insolvenzverfahrens und dem Interesse der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung auszurichten.352) Verletzt der (vorläufige) Sachwalter seine ihm ___________ 344) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 5; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 4. 345) Anstelle vieler Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 8; Graf-Schlicker, in: GrafSchlicker InsO, § 275 Rn. 2. 346) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 46 m. w. N. 347) Lakies, BB 1999, 1759, 1761. 348) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 275 Rn. 3. 349) Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 43. 350) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 11. 351) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 275 Rn. 13; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 5; Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 48. 352) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 275 Rn. 12; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 5.

72

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

nach § 275 Abs. 1 InsO obliegenden Pflichten, ist dieses Fehlverhalten nach § 274 Abs. 1 i. V. m. § 60 InsO haftungsbewehrt.

bb) Rechtsfolge der unterbliebenen Zustimmung Bereits nach dem Wortlaut des § 275 Abs. 1 InsO handelt es sich sowohl bei der 204 Zustimmung als auch bei dem Widerspruch des (vorläufigen) Sachwalters um ein bloßes „Soll“-Erfordernis. Begründet der Schuldner Verbindlichkeiten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs ohne die notwendige Zustimmung des Sachwalters oder widerspricht der Sachwalter einer Verbindlichkeit des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs, hat dies folglich keine Außenwirkung; die abgeschlossenen Verträge bleiben vielmehr wirksam.353) Grundsätzlich ist die Zustimmung nach § 275 Abs. 1 S. 1 InsO als vorherige Zu- 205 stimmung im Sinne des § 183 BGB (Einwilligung) auszulegen, hat also vor Eingehung der Verbindlichkeit zu erfolgen und ist bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts frei widerruflich.354) Nur so kann das dort vorgesehene Mitwirkungsrecht des Sachwalters überhaupt sinnvoll umgesetzt werden. Eine nachträgliche Zustimmung im Sinne einer Genehmigung (§ 184 BGB) hätte die Folge, dass die bezweckte Mitwirkung nicht mehr erreicht und der Sachwalter nur noch die Vereinbarkeit der eigenmächtig begründeten Verbindlichkeit mit den Zwecken des Insolvenzverfahrens nachträglich bestätigen könnte.355) Ein Verzicht auf die Zustimmung oder die nachträgliche Einholung dieser wird sich auch nicht im Falle einer Eilbedürftigkeit eines Geschäftes rechtfertigen lassen.356) Zum einen sind Verbindlichkeiten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs in der Regel ohnehin vorbereitungsbedürftig, zum anderen ist die Zustimmung formfrei möglich und kann damit selbst in eilbedürftigen Fällen dem Schuldner als Erklärungsempfänger, notfalls auch mündlich, zur Kenntnis gelangt werden.357)

cc) Notwendigkeit einer aktiven Einbindung des Sachwalters Doch auch bei Einordnung der Zustimmung als Einwilligung im Sinne des § 183 206 BGB handelt es sich aufgrund der fehlenden Außenwirkung, auch bei dem in § 275 Abs. 1 S. 1 InsO statuierten Mitwirkungsrecht des Sachwalters, formal betrachtet, vielmehr um ein unechtes, da stumpfes Eingriffsinstrument. Begründet der Schuld___________ 353) Anstelle vieler Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 275 Rn. 6. 354) Foltis, in: FK-InsO, § 275 Rn. 13. 355) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 12; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 4; Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 44; i. E. auch Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 47. 356) A. A.: Landfermann, in: HK-InsO, § 275 Rn. 5; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 14; wohl auch Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 275 Rn. 14. 357) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 12; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 4; Foltis, in: FK-InsO, § 275 Rn. 13.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

ner Verbindlichkeiten im Sinne des § 275 Abs. 1 S. 1 InsO ohne die Einwilligung des Sachwalters, hat dies auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts keine Auswirkung und das Verhalten des Schuldners bleibt zunächst ohne Folgen. Die fehlende Außenwirkung kann insbesondere bei Verbindlichkeiten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs, aufgrund der mit solchen Verbindlichkeiten regelmäßig verbundenen Tragweite, Bedeutung erlangen.

207 Der Sachwalter hat in diesen Fällen lediglich die Möglichkeit, Zuwiderhandlungen des Schuldners nach § 274 Abs. 3 InsO anzuzeigen, was jedoch, wie zuvor aufgezeigt, infolge des damit verbundenen Reputationseffekts in der Praxis zum Teil nur eingeschränkt erfolgt. Noch maßgeblicher ist jedoch, dass die Anzeige, soweit sie vorgenommen wird, geeignet ist, das Vertrauen der Gläubiger in die Eigenverwaltung insgesamt in Frage zu stellen (siehe hierzu bereits oben Rn. 186 ff.). Vielfach handelt der Schuldner jedoch nicht mit Benachteiligungsabsicht, so dass die Begründung einer für die Gläubiger nachteiligen Verbindlichkeit auf einer bloßen Fehlentscheidung beruht, die bei entsprechender Kommunikation hätte verhindert werden können. Ebenso kann es dem Schuldner beispielsweise lediglich an dem Bewusstsein fehlen, dass ein Geschäft über der Gewöhnlichkeitsschwelle des § 275 Abs. 1 S. 1 InsO liegt und die Zustimmung des Sachwalters daher einzuholen gewesen wäre. Auch in diesen zumeist „harmlosen“ Fällen wären jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 274 Abs. 3 InsO erfüllt, so dass der Sachwalter eine Nachteilsanzeige vorzunehmen hätte. Der damit möglicherweise verbundene Vertrauensverlust der Gläubiger, der vielfach in der Aufhebung der Eigenverwaltung mündet, wäre für den Fortgang des Verfahrens jedoch fatal.

208 Nicht nur etwaige Missverständnisse, sondern vielmehr auch unternehmerische Fehlentscheidungen des Schuldners selbst, können jedoch vermieden werden, wenn der (vorläufige) Sachwalter insgesamt aktiv in das Verfahren einbezogen wird und Schuldner und Sachwalter in offener Kommunikation zueinander stehen. Denn in diesem Fall können sowohl die Erfahrung als auch die insolvenzrechtliche Expertise des Sachwalters dazu beitragen, dass der Schuldner etwaige für die Gläubiger nachteilige Entscheidungen überhaupt nicht trifft, sondern die kommunizierte Einschätzung des Sachwalters in sein Handeln miteinfließen lässt. Diese Art der aktiven Einbindung des Sachwalters liegt nicht nur im Interesse des Schuldners, sondern vielmehr im Interesse der Gläubiger. Die nachträgliche Sanktion im Wege der Nachteilsanzeige nach § 274 Abs. 3 InsO ist nur dann interessengerecht, wenn der Schuldner bewusst gegen Empfehlungen des Sachwalters oder insgesamt mit Schädigungsabsicht handelt. Im Übrigen ist den Gläubigern, die an der bestmöglichen Aufrechterhaltung und Mehrung der Insolvenzmasse interessiert sind, mehr gedient, wenn sich der (vorläufige) Sachwalter bereits zuvor als Ansprechpartner positioniert und als neutrale Instanz zu den unternehmerischen Entscheidungen des Schuldners seine Einschätzung abgibt. Zum einen bleibt dem Schuldner in diesem Fall die Möglichkeit, sein Handeln entsprechend auszurichten, zum anderen wird nur so die

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

vollständige Information des Sachwalters und damit auch der Gläubiger gewährleistet. Insoweit kann die aktive Teilnahme des (vorläufigen) Sachwalters am Verfahren für den Erfolg der Eigenverwaltung folglich entscheidend sein. Aufgrund der Tatsache, dass die aktive Einbindung des Sachwalters im Interesse 209 aller Verfahrensbeteiligten liegt, erscheint die fehlende Verknüpfung von Zustimmung und Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts in § 275 Abs. 1 InsO sachgerecht und ausreichend. Der Einholung der Zustimmung und der damit verbundenen aktiven Einbindung des Sachwalters könnte jedoch durch die Verwendung einer mehr verpflichtenden Formulierung größerer Nachdruck verliehen werden (siehe hierzu unten Rn. 599 f.).

b) Kassenführungsbefugnis, § 275 Abs. 2 InsO Als wichtiges Mitwirkungsinstrument des Sachwalters fungiert auf zweiter Stufe 210 das Recht zur Übernahme der Kassenführung. Gemäß § 275 Abs. 2 InsO kann der Sachwalter verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur von ihm entgegengenommen und Zahlungen nur durch ihn geleistet werden. Ausweislich des Wortlauts des § 275 Abs. 2 InsO („kann vom Schuldner verlangen“) handelt es sich dabei um einen schuldrechtsähnlichen Anspruch des Sachwalters gegen den Schuldner, der zunächst geltend gemacht werden muss.358) Dieses als Kassenführungsbefugnis des Sachwalters bezeichnete Verlangen steht allein im pflichtgemäßen Ermessen des Sachwalters („kann“). Der Anspruch des Sachwalters besteht kraft Gesetzes; einer gerichtlichen Anordnung der Kassenführung durch das Insolvenzgericht bedarf es nicht. Eine solche ist infolge des abschließenden Charakters des § 275 Abs. 2 InsO sowohl als Sicherungsmaßnahme auf Grundlage des § 21 Abs. 1 InsO, wie auch als rein deklaratorische Anordnung unzulässig.359) Über § 270a Abs. 1 S. 2 InsO findet die Regelung des § 275 Abs. 2 InsO auch im Eröffnungsverfahren auf den vorläufigen Sachwalter Anwendung.

aa) Zweck der Übernahme der Kassenführung Die Übernahme der Kassenführung soll unwirtschaftliche Bargeschäfte des Schuld- 211 ners und rechtswidrige Geldabflüsse ausschließen, die kurzfristige Kreditaufnahme ohne Zustimmung des Sachwalters unterbinden und nicht zuletzt die Überwachungstätigkeit des Sachwalters erleichtern.360) Ein konkreter Anlass oder eine konkrete ___________ 358) Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 551. 359) Foltis, in: FK-InsO, § 275 Rn. 20; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 16; Undritz/ Schur, ZIP 2016, 549, 551; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 64; a. A. tendenziell Thole, DB 2015, 662, 668; offen gelassen hingegen Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 426e, Fußn. 557. 360) So bereits Bley/Mohrbutter, VglO (1979) § 57 Rn. 3; Foltis, in: FK-InsO, § 275 Rn. 6; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 275 Rn. 25.

75

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Gefährdung muss nicht vorliegen, der Sachwalter kann nach seinem pflichtgemäßen Ermessen und ohne Begründung, die Befugnis zur Kassenführung vielmehr schon dann an sich ziehen, wenn er nur annimmt, der Verbleib dieser führe zu einer Gefährdung von Gläubigerbelangen oder zu einer ungleichmäßigen Befriedigung.361) Damit korrespondiert jedoch auch die Verpflichtung, die Kassenführung zu übernehmen, sobald ein konkreter Anlass hierzu besteht.362)

bb) Umfang der Kassenführungsbefugnis des (vorläufigen) Sachwalters (1) Übernahme des gesamten Zahlungsverkehrs 212 Übernimmt der Sachwalter die Kassenführung, so sind nach dem Wortlaut des § 275 Abs. 2 InsO alle ein- und ausgehenden Zahlungen und Gelder betroffen. Die Übernahme der Kassenführung umfasst damit die Befugnis, über die Konten des Schuldners zu verfügen, indem der Sachwalter Abhebungen vornimmt, Überweisungen veranlasst oder Einzahlungen tätigt. Der Schuldner muss dem Sachwalter hierzu Zugriff auf die schuldnerischen Konten ermöglichen.363) Umfasst sind jedoch auch solche Geschäfte, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Kontenführung stehen, wie beispielsweise die Erteilung von Quittungen sowie außergerichtliche Zahlungsaufforderungen und Mahnungen.364) Zu diesem Zweck hat der Sachwalter ein Sonderkonto einzurichten,365) wobei die Befugnis zur Begründung eines solchen Kontos als Annex zur berechtigten Entgegennahme dieser Zahlungen folgen muss (vgl. hierzu ausführlich unten Rn. 308 f.).

(2) Modell der modifizierten Kassenführung 213 Übernimmt der Sachwalter den gesamten Zahlungsverkehr sowie die damit einhergehenden Rechte und Pflichten, kann dies bereits bei mittelgroßen Unternehmen einen hohen administrativen Aufwand verursachen, der zu einem sanierungshemmenden Zeitverzug führen kann.366) Aus diesem Grund plädiert die Praxis für das Modell einer „modifizierten Kassenführungsbefugnis“. Demnach soll der Sachwalter im Rah___________ 361) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 52; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 7; Mönning, in: Festschrift Wellensiek, S. 653; anders noch zur Vergleichsordnung Bley/Mohrbutter, VglO (1979) § 57 Rn. 25, wonach der Vergleichsverwalter von der Befugnis nur Gebrauch machen durfte, wenn ein ausreichender Grund für die Annahme bestand, dass der Schuldner unwirtschaftliche Bargeschäfte oder eine rechtswidrige Vermögensabschöpfung vornehmen wird. 362) Foltis, in: FK-InsO, § 275 Rn. 21; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 7. 363) Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 552. 364) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 8 spricht insoweit von „Hilfsgeschäften“; Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 53 von „Sachzusammenhang“; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 19 von „Hilfsmaßnahmen“. 365) Vgl. BGH, Urt. v. 19.5.1988 – III ZR 38/87 ZIP 1988, 1136; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 7. 366) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 70 ff.; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 401.

76

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

men des ihm in § 275 Abs. 2 InsO eingeräumten Ermessens nicht nur über das „ob“ der Kassenführung, sondern vielmehr auch über das „wie“ entscheiden und damit die Kassenführung je nach individuellem Bedarf auch in verringertem Umfang ausüben können. Das Modell der modifizierten Kassenführung, das auf Hofmann367) zurückgeht, 214 schlägt die folgenden, dem Einzelfall jeweils anzupassende Modifikationen vor: x

Zahlungseingänge werden bei Barzahlung vom Schuldner, im Übrigen durch den Sachwalter mithilfe eines Sonderkontos entgegengenommen.

x

Zahlungsausgänge soll bis zu einem bestimmten, durch den Sachwalter festgelegten Volumen der Schuldner leisten dürfen, im Übrigen leistet der Sachwalter oder erteilt seine Freigabe.

x

Hierfür stattet der Sachwalter das schuldnerische Unternehmen auch mit dem für das Tagesgeschäft notwendigen Betrag an Liquidität aus.

Die Modifikationen können im Einzelfall dahinter zurückbleiben oder darüber hi- 215 nausgehen und sich beispielsweise auch auf bestimmte Geschäftszweige oder Rechtsverhältnisse erstrecken.368) Gerade mit Blick auf mittlere und große eigenverwaltende Unternehmen ist diesem 216 Modell der Vorzug zu geben. Würde vom Sachwalter verlangt werden, ausnahmslos alle Zahlungseingänge entgegen zunehmen und ausnahmslos alle Zahlungen zu leisten, wäre ein normales Tagesgeschäft nicht mehr denkbar. Der Sachwalter müsste vielmehr rund um die Uhr auch für noch so alltägliche Bargeschäfte verfügbar sein, was selbst bei der aktivsten Rollenwahrnehmung nicht geleistet werden kann. Solange die soeben genannten oder andere Modifikationen der Wahrung der Gläubigerinteressen nicht widersprechen, spricht nichts dagegen, dem Sachwalter im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens Gestaltungsfreiheit einzuräumen. Der Verweis des § 275 Abs. 2 InsO auf „alle“ Gelder und Zahlungen ist richtigerweise so zu verstehen, als dass damit nur die maximale Übernahmebefugnis festgelegt wird, die konkrete Ausgestaltung im Einzelfall aber dahinter zurückbleiben kann.369)

cc) Wirkung der Übernahme der Kassenführung Ebenso wie die Zustimmung nach § 275 Abs. 1 InsO, ist auch der Übergang der 217 Kassenführungsbefugnis auf den Sachwalter nach § 275 Abs. 2 InsO eine rein intern wirkende Maßnahme ohne Außenwirkung.370) Mit den Worten von Foltis be___________ 367) 368) 369) 370)

Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 70 ff. Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 404; zustimmend Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 552. Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 403. Anstelle aller Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 8; Tetzlaff/Kern, in: MünchKommInsO, § 275 Rn. 20.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

schrieben, verliert der Schuldner zwar die Befugnis zur Kassenführung, behält aber gleichzeitig die diesbezügliche Rechtsmacht.371) Es kommt nicht zu einem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Sachwalter, diese behält vielmehr der Schuldner.372) Der Sachwalter wird folglich auch nicht, wie etwa hinsichtlich der Ansprüche aus § 280 InsO, als Partei kraft Amtes tätig (siehe hierzu unten Rn. 260 ff.), sondern handelt im Rahmen der Kassenführung vielmehr als gesetzlicher Vertreter373) aufgrund gerichtlicher Anordnung der Eigenverwaltung und in Vollmacht des Schuldners.374) Mangels Parteistellung ist dem Sachwalter eine gerichtliche Geltendmachung offener Forderungen ebenso entzogen wie die Verfügung über etwaige Forderungen in Form eines Verzichts oder Vergleichs; etwaige Klagen sind somit vom Schuldner selbst zu erheben bzw. gegen diesen zu richten.375)

218 Mangels Außenwirkung haben Zahlungen Dritter, die an den Schuldner geleistet werden, weiterhin schuldbefreiende Wirkung im Sinne des § 362Abs. 1 BGB. Ebenso sind auch durch den Schuldner geleistete Zahlungen im Außenverhältnis wirksam. Vorhandene und erlangte Gelder hat der Schuldner jedoch an den Sachwalter auszuhändigen.376) Infolge der beim Schuldner verbliebenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis kann er auch weiterhin durch seine Rechtshandlungen die Masse verpflichten; insoweit hat der Sachwalter kein Erfüllungsverweigerungsrecht, etwaige zugehörige, selbst wirtschaftlich sinnlose Masseverbindlichkeiten sind vielmehr durch den Sachwalter zu begleichen.377)

dd) Eignung der Kassenführungsbefugnis als wirksames Kontrollmittel 219 Zwar darf der Sachwalter nicht sehenden Auges den Eintritt der Masseunzulänglichkeit beschleunigen, so dass er eine drohende Masseunzulänglichkeit anzuzeigen (§ 285 InsO, vgl. hierzu unten Rn. 258 f.) und die ausstehenden Forderungen unbefriedigt zu lassen hat.378) Unterhalb dieser Schwelle bleibt dem Sachwalter jedoch auch hier lediglich die Möglichkeit, ein etwaiges Fehlverhalten des Schuldners, wie beispielsweise die Begründung sinnloser Verbindlichkeiten, den Gläubigern und dem ___________ 371) Foltis, in: FK-InsO, § 275 Rn. 22. 372) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 53; a. A.: Ringstmeier, in: FAK-InsO, § 275 Rn. 8 der von einer alleinigen Verfügungsbefugnis des Sachwalters ausgeht. 373) So ausdrücklich BGH, Urt. v. 19.5.1988 – III ZR 38/87 ZIP 1988, 1136, 1260 zum Vergleichsverwalter. 374) Ganz überwiegende Ansicht, vgl. nur Foltis, in: FK-InsO, § 275 Rn. 26; Fiebig, in: HmbKo-InsO, § 275 Rn. 13; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 8; Tetzlaff/Kern, in: MünchKommInsO, § 275 Rn. 19; i. E. auch Ringstmeier, in: FAK-InsO, § 275 Rn. 8; hierzu kritisch Undritz/ Schur, ZIP 2016, 549, 553. 375) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 53; Foltis, in: FK-InsO, § 275 Rn. 33. 376) Foltis, in: FK-InsO, § 275 Rn. 23; Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 53. 377) Fiebig, in: HmbKo-InsO, § 275 Rn. 16; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 20; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 275 Rn. 8. 378) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 55.

78

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Gericht nach § 274 Abs. 3 InsO nachträglich anzuzeigen. Ein echtes Eingriffsinstrument dahingehend, die Begründung von Verbindlichkeiten wirksam zu verhindern, ist mit § 275 Abs. 2 InsO hingegen nicht verbunden. Nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Außenwirkung kann daher auch bei Übernahme der Kassenführung auf eine enge Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Schuldner und Sachwalter nicht verzichtet werden. Hat der Sachwalter die Kassenführungsbefugnis übernommen, so kann dieser vielfach am besten beurteilen, welche Verbindlichkeiten wirtschaftlich sinnvoll sind und welche Zahlungen geleistet werden sollten sowie umgekehrt, welche Zahlungen eine in seinem Ermessen stehende Anzeige nach § 274 Abs. 3 InsO auslösen. Nur durch eine enge Abstimmung zwischen Sachwalter und Schuldner kann die Masse bestmöglich im Sinne der Gläubiger genutzt und geschont werden, so dass sich der Sachwalter weder auf die Zahlung auf Anweisung des Schuldners, noch auf die nachträgliche Anzeige nach § 274 Abs. 3 InsO beschränken sollte. Sinnvoller erscheint es vielmehr, wenn der Sachwalter bereits vor Begründung der jeweiligen Verbindlichkeit als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Nur durch diese aktive Einbringung und Kommunikation zwischen Schuldner und Sachwalter kann das Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung unter Sanierung des schuldnerischen Unternehmens erreicht werden.

c)

Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts

Außerhalb der Mitwirkungsrechte des § 275 InsO hält die Insolvenzordnung jedoch 220 echte Eingriffsbefugnisse des Sachwalters mit Außenwirkung bereit. So kann das Insolvenzgericht über den Regelfall des § 275 Abs. 1 InsO hinaus mit echter Außenwirkung anordnen, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur wirksam sind, wenn der Sachwalter ihnen zustimmt (Zustimmungsvorbehalt).

aa) Anordnung im eröffneten Verfahren (1) Zustimmungsvorbehalt gemäß § 277 InsO Der Zustimmungsvorbehalt kann im eröffneten Verfahren gemäß § 277 Abs. 1 InsO 221 entweder durch die Gläubigerversammlung379) oder in unaufschiebbaren Fällen (Eilfällen) durch einen absonderungsberechtigten Gläubiger oder Insolvenzgläubiger beantragt werden, § 277 Abs. 2 InsO. Der Sachwalter hingegen hat keine Antragsbefugnis (vgl. zum diesbezüglichen Änderungsbedarf unten Rn. 621 f.). Anders als der Antrag nach § 277 Abs. 2 InsO, in dem Tatsachen glaubhaft gemacht 222 werden müssen, die eine Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit zur Abwendung von Nachteilen erforderlich erscheinen lassen, bedarf der Antrag der Gläubigerversammlung nach § 277 Abs. 1 InsO keiner Begründung.380) Bei einem formell kor___________ 379) Mit einfacher Mehrheit, vgl. § 76 Abs. 2 InsO. 380) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 277 Rn. 2.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

rekten Antrag der Gläubigerversammlung hat das Gericht diesem vielmehr stattzugeben, ohne zu prüfen, ob die Maßnahmen zum Schutz der Gläubiger geboten sind.381) In formeller Hinsicht muss sich sowohl der Antrag nach § 277 Abs. 1 InsO als auch nach Abs. 2 auf bestimmte Rechtsgeschäfte beziehen, was bereits der Wortlaut des § 277 Abs. 1 S. 1 InsO nahelegt; ein umfassender Zustimmungsvorbehalt für Rechtsgeschäfte jeglicher Art ist auf Grundlage des § 277 InsO hingegen nicht möglich.382) Es ist allerdings zulässig, den Antrag auf eine bestimmte Gruppe von Rechtsgeschäften zu beschränken, die sodann beispielsweise anhand ihres Volumens („Verpflichtungen und Verfügungen, die einen Betrag von EUR X übersteigen“)383) oder auch anhand ihrer Gegenstände („Verfügungen über Grundstücke“) definiert werden.384)

(2) Anordnung von Amts wegen 223 Obwohl der Wortlaut des § 277 InsO mit Blick auf das Antragserfordernis eigentlich unzweideutig ist, ist eine Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit von Amts wegen durch das Insolvenzgericht bei Anordnung der Eigenverwaltung seit langem Gegenstand einer umfassenden Diskussion. Dies geht mitunter zurück auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Duisburg, welches auf Grundlage von § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 24 Abs. 1, § 277 Abs. 1 InsO analog die Möglichkeit einer Anordnung von Amts wegen bejahte und zwar für alle Verfügungen der Schuldnerin, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören.385) Nach Ansicht des Gerichts war diese Anordnung erforderlich und zulässig, da sie der Sicherung der Rechtmäßigkeit der Verfahrensabwicklung durch den Schuldner diente (§ 21 Abs. 1 S. 1 InsO). Die Entscheidung ist sowohl auf Zustimmung,386) gleichermaßen jedoch auf Kritik gestoßen.387)

224 Vielfach wird von den Befürwortern einer amtswegigen Anordnung das praktische Bedürfnis für eine Anordnungskompetenz des Gerichts benannt. Angesichts der Tatsache, dass der Sachwalter kein eigenes Antragsrecht habe und zwischen Verfahrenseröffnung und erster Gläubigerversammlung im Extremfall bis zu 3 Monate ___________ 381) Landfermann, in: HK-InsO, § 277 Rn. 6; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 277 Rn. 5; GrafSchlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 277 Rn. 7. 382) Landfermann, in: HK-InsO, § 277 Rn. 1; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 15. 383) So beispielsweise AG München, Beschl. v. 14.6.2002 – 1502 IN 879/02 JurionRS 2002, 36063. 384) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 277 Rn. 2; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 16; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 277 Rn. 7. 385) AG Duisburg, Eröffnungsbeschl. v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02 ZIP 2002, 1636. 386) Foltis, in: FK-InsO, § 277 Rn. 2; Fiebig, in: HmbKo-InsO, § 277 Rn. 2; differenzierend hingegen Gundlach/Müller, ZInsO 2010, 2181 soweit andernfalls eine Ablehnung der Eigenverwaltung erfolgen müsste sowie für eine zeitliche Befristung Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 277 Rn. 3.; zustimmend i. E. auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 102; AG Düsseldorf, Beschl. v. 10.7.2014 – 504 IN 124/14 ZInsO 2014, 2389; Gundlach, DStR 2002, 2092. 387) Landfermann, in: HK-InsO, § 277 Rn. 4; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 277 Rn. 4; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 7; Kluth, ZInsO 2002, 1001, 1003; Graf-Schlicker, in: GrafSchlicker InsO, § 277 Rn. 3; Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 277 Rn. 4.

80

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

vergehen können (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO), bestehe die Gefahr, dass die Anordnung nach § 277 Abs. 1 InsO zu spät komme. Um gläubigerschädigende Handlungen zu vermeiden, könne dieser Zeitraum ohne Verfahrenssicherung nicht auskommen.388) Ausgangspunkt der Kritiker hingegen ist zunächst der entgegenstehende Wortlaut 225 des § 277 InsO sowie die im Rahmen der Eigenverwaltung vorgegebene Rollenverteilung von Gläubigern und Gericht.389) Das System der Eigenverwaltung zeichne sich durch eine starke Gläubigerautonomie aus, deren besondere Ausprägung sich in § 277 InsO finde. Würde dem Gericht die Kompetenz zugesprochen werden, entgegen der ausdrücklichen Antragsberechtigung die Zustimmungsbedürftigkeit von Amts wegen anzuordnen, stelle dies einen unzulässigen Eingriff in eben diese Gläubigerautonomie dar.390) Laut Kluth fehlt es für eine analoge Anwendung zudem an einer Regelungslücke. Zwar sei die Gläubigerversammlung infolge ihrer Vielköpfigkeit ein teils schwerfälliges und zeitaufwendiges Gremium, diese Problematik sei aber seitens des Gesetzgebers durch die Möglichkeit der Anordnung in Eilfällen gemäß § 277 Abs. 2 InsO hinreichend berücksichtigt.391) Es ist tatsächlich davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine § 21 Abs. 2 S. 1 226 Nr. 2 InsO entsprechende Sonderregelung in § 277 Abs. 2 InsO etabliert hat. Denn § 277 Abs. 2 InsO entspricht insoweit der Regelung des § 21 Abs. 1 S. 1 i. V. Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO, als dass in beiden Fällen die Anordnung erforderlich sein muss, um „nachteilige Veränderungen“ (§ 21 Abs. 1 S. 1 InsO) bzw. „Nachteile für die Gläubiger“ (§ 277 Abs. 2 S. 1 InsO) zu vermeiden. Zudem ist einem Rückgriff auf § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO, ob nun analog392) oder über § 270 Abs. 1 S. 2 InsO direkt393) entgegenzuhalten, dass die Norm offensichtlich auf das vorläufige Verfahren zugeschnitten ist. Eine Anwendung kommt damit für das Eröffnungsverfahren (siehe hierzu nachfolgend Rn. 228 f.), nicht aber im eröffneten Verfahren in Betracht. Und schließlich und ganz maßgeblich kann nicht außer Acht bleiben, dass der Gesetzgeber trotz Kenntnis der Rechtsprechung des Amtsgerichts Duisburgs und der sich daraus entwickelten Diskussion im Schrifttum eine entsprechende Änderung des § 277 InsO auch im Rahmen des ESUG nicht für erforderlich gehalten hat.394) Eine Anordnungsbefugnis des Insolvenzgerichts von Amts wegen, ob nun gemäß 227 § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO (analog) oder § 277 InsO analog, ist demnach abzulehnen. ___________ 388) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 277 Rn. 3; vgl. auch Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 578. 389) Landfermann, in: HK-InsO, § 277 Rn. 4; Kluth, ZInsO 2002, 1001, 1003. 390) Landfermann, in: HK-InsO, § 277 Rn. 4; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 7; Kluth, ZInsO 2002, 1001, 1003; Kluth, NZI 2003, 22. 391) Kluth, ZInsO 2002, 1001, 1003. 392) AG Duisburg, Eröffnungsbeschl. v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02 ZIP 2002, 1636, 1641; Foltis, in: FK-InsO, § 277 Rn. 2; Gundlach, DStR 2002, 2092. 393) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 277 Rn. 3. 394) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 7.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

bb) Anordnung im Eröffnungsverfahren 228 Fraglich ist darüber hinaus, ob die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit auch im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung zulässig ist. Diese Frage wird insbesondere im Rahmen der Begleichung von Steuerverbindlichkeiten (siehe hierzu Rn. 394 f.) sowie bei der Begründung von Masseverbindlichkeiten (siehe hierzu unten Rn. 356 f.) relevant.

(1) Rechtsgrundlage (a) Analoge Anwendung von § 277 InsO oder § 275 InsO 229 Da § 270a Abs. 1 S. 2 InsO nicht auf § 277 InsO verweist, scheidet eine direkte Anwendung dieser Vorschrift aus. Auch eine analoge Anwendung von § 277 InsO kommt bereits mangels existenter Antragsberechtigten nicht in Betracht.395) Die aktivlegitimierten Personengruppen, namentlich die Gläubigerversammlung sowie die absonderungsberechtigten Gläubiger und Insolvenzgläubiger, stehen im Eröffnungsverfahren noch nicht fest.396) § 277 InsO enthält hier eine eindeutige gesetzliche Aufgabenverteilung, die nicht im Wege einer doppelten Analogie abgeändert werden.397) Ebenso wenig kommt eine analoge Anwendung des § 275 Abs. 1 InsO in Betracht, da dieser, wie aufgezeigt, bereits die notwendige Rechtsfolge der Unwirksamkeit im Außenverhältnis nicht bereitstellt (vgl. hierzu oben Rn. 198 f.).398)

(b) Vorläufige Sicherungsmaßnahme nach § 21 Abs. 1 InsO 230 Eine Analogie ist für die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts im Eröffnungsverfahren jedoch auch nicht erforderlich. Gemäß § 270 Abs. 1 S. 2 InsO gelten für das Verfahren die allgemeinen Vorschriften, soweit nicht die §§ 270 ff. InsO etwas anderes bestimmen. Dieser Verweis gilt für die Eigenverwaltung und ebenso uneingeschränkt für das Eröffnungsverfahren.399) Zwar soll das Gericht gemäß § 270a Abs. 1 Nr. 2 InsO davon absehen, anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Dies steht einer Anwendung von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO jedoch nicht entgegen. Zum einen handelt es sich bei § 270a Abs. 1 S. 1 InsO lediglich um eine Sollvorschrift, zum anderen soll lediglich von einem „alle Verfügungen“ betreffenden, also einem ___________ 395) Für eine Analogie noch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 104, nunmehr ablehnend Hofmann, Eigenverwaltung, S. 111. 396) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270a Rn. 9; Obermüller, ZInsO 2011, 1809, 1815. 397) Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 270a Rn. 24; a. A. noch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 104. 398) Klinck, ZIP 2013, 853, 861; Undritz, BB 2012, 1551, 1555; a. A.: AG Köln, Beschl. v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12 ZInsO 2012, 790 (vgl. hierzu unten Rn. 356 f.). 399) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 33; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 2; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270a Rn. 5.

82

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

umfassenden Zustimmungsvorbehalt im Sinne des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO abgesehen werden. Soweit der Zustimmungsvorbehalt in Anlehnung an § 277 InsO jedoch nur bestimmte Rechtsgeschäfte erfasst, ist dieses „Weniger“ nicht von der Einschränkung des § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO erfasst, sondern vielmehr auf Grundlage der Generalklausel des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO zulässig.400) Die Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts durch das Gericht ist 231 auch mit dem das Eigenverwaltungsverfahren bestimmenden Grundsatz der Gläubigerautonomie vereinbar. Denn bei der auf § 21 Abs. 1 S. 1 InsO gestützten Anordnung handelt es sich um eine vorläufige Maßnahme, die lediglich auf begrenzte Zeit, namentlich für die Dauer des Eröffnungsverfahrens besteht. Dass die Anordnung vorläufiger Maßnahmen im Eröffnungsverfahren zulässigerweise aus dem Entscheidungsbereich der Gläubiger herausgenommen werden kann, zeigt bereits der Verweis des § 270b Abs. 2 S. 3 InsO auf die Regelungen des § 21 InsO.

(2) Erforderlichkeit der Maßnahme Wie jede vorläufige Sicherungsmaßnahme nach § 21 InsO muss die Anordnung des 232 Zustimmungsvorbehalts im konkreten Fall erforderlich sein, um bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens eine gläubigerbenachteiligende Vermögensveränderung zu vermeiden, § 21 Abs. 1 S. 1 InsO.401) Das Gericht entscheidet hierüber nach pflichtgemäßen Ermessen von Amts wegen.402) Die Anordnung kann jedoch durch die Verfahrensbeteiligten und damit insbesondere durch den Schuldner und den vorläufigen Sachwalter angeregt werden. Diese Anregung bindet das Insolvenzgericht zwar nicht, kann jedoch als Anlass genommen werden, die amtswegige Anordnung einer Sicherungsmaßnahme zu überprüfen.403)

cc) Anordnungsbeschluss und Rechtsmittel Liegen die Voraussetzungen zur Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts, ob im 233 eröffneten Verfahren oder im Eröffnungsverfahren, vor, so sind die zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfte auch im Anordnungsbeschluss bestimmt zu bezeichnen.404) Aus Gründen der Rechtsklarheit muss der Beschluss insoweit selbsterklärend ___________ 400) Vgl. auch Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270a Rn. 9; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 270a Rn. 18; so auch AG Heilbronn, Beschl. v. 23.3.2016 – 12 IN 149/16 NZI 2016, 582, 583; ohne Begründung AG Düsseldorf, Beschl. v. 10.7.2014 – 504 IN 124/14 ZInsO 2014, 2389. 401) Vgl. zur Erforderlichkeit insbesondere die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts betreffend Steuerverbindlichkeiten und Abgaben zur Sozialversicherung unten Rn. 422 ff. 402) BGH, Beschl. v. 1.12.2005 – IX ZB 208/05 NZI 2006, 122, 123; Hölzle, in: K. Schmidt, InsO, § 21 Rn. 9 m. w. N. 403) BGH, Beschl. v. 1.12.2005 – IX ZB 208/05 NZI 2006, 122, 123; Frege/Keller u. a., Insolvenzrecht, Rn. 587; Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 21 Rn. 42; Pape/Lüke, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 21 Rn. 19. 404) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 277 Rn. 10; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 277 Rn. 5.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

sein. Aus ihm muss unmissverständlich zu erkennen sein, welche Rechtsgeschäfte der Zustimmungsbedürftigkeit unterliegen.405) Infolge der Bindung an die Parteianträge darf das Gericht über die im Gläubiger(versammlungs-)Antrag nach § 277 InsO bestimmt bezeichneten Rechtsgeschäfte nicht hinausgehen, § 4 InsO i. V. m. § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO.406) Die Anordnung gemäß § 277 InsO ist gemäß § 277 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 9 InsO öffentlich bekanntzumachen und sodann gemäß § 277 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 31 InsO im Handelsregister bzw. in gleichgestellte Register einzutragen. Die gerichtliche Anordnung nach § 277 InsO ist unanfechtbar.

234 Wird der Zustimmungsvorbehalt im Eröffnungsverfahren gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 InsO angeordnet, so ist von Gesetzes wegen keine öffentliche Bekanntmachung vorgesehen. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 InsO ist lediglich der umfassende Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO, nicht hingegen eine Anordnung auf Grundlage von § 21 Abs. 1 InsO bekannt zu machen. Das Erfordernis der öffentlichen Bekanntmachung muss jedoch richtigerweise angesichts der umfassenden Außenwirkung auch bei Anordnung des besonderen Zustimmungsvorbehalts gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 InsO gelten. Der Rechtsverkehr ist über diese Drittwirkung in Kenntnis zu setzen, so dass von einer Veröffentlichungspflicht des Insolvenzgerichts auszugehen ist. Wie bereits hinsichtlich der Bekanntmachung der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters, ist die Bekanntmachung in das Ermessen des Gerichts gestellt (siehe hierzu oben Rn. 125 f.), wobei dieses angesichts der weitreichenden Folgen des Zustimmungsvorbehalts richtigerweise auf null reduziert sein muss.407)

dd) Rechtsfolge des besonderen Zustimmungsvorbehalts 235 Wurde ein Zustimmungsvorbehalt gemäß § 277 InsO oder im Eröffnungsverfahren auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO angeordnet, hat der Schuldner vor Vornahme des betroffenen Rechtsgeschäfts die Zustimmung des (vorläufigen) Sachwalters einzuholen. Der (vorläufige) Sachwalter entscheidet über die Erteilung der Zustimmung nach pflichtgemäßem Ermessen.408) Auch insoweit handelt es sich, wie bei § 275 Abs. 1 InsO, um das Erfordernis einer vorherigen Zustimmung im Sinne des § 183 BGB (Einwilligung).409) Erteilt der Sachwalter die Zustimmung, kann ihn unter Umständen eine Schadensersatzpflicht gemäß § 61 InsO treffen (vgl. hierzu unten Rn. 382 f.).

___________ 405) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01 NZI 2002, 543, 546. 406) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 23. 407) I. E. auch Hofmann, Eigenverwaltung, S. 112, der jedoch § 23 Abs. 1 S. 1 InsO für analog anwendbar erachtet. Zur mangelnden Regelungslücke und dem daraus resultierenden Verbot einer analogen Anwendung von § 23 InsO, siehe jedoch bereits oben Rn. 125 f. 408) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 277 Rn. 7; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 34. 409) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 35.

84

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Unterlässt der Schuldner die Einholung der Zustimmung oder nimmt er das Rechts- 236 geschäft entgegen einer ausdrücklich verweigerten Zustimmung vor, ist das Rechtsgeschäft – im Gegensatz zu § 275 Abs. 1 InsO – im Außenverhältnis (schwebend) unwirksam. Insoweit handelt es sich um eine absolute, gegenüber jedermann wirkende Unwirksamkeit.410) Infolge dieser Außenwirkung ist nach übereinstimmender Ansicht und anders als im Regelfall des § 275 Abs. 1 InsO (vgl. oben Rn. 198 f.), auch eine nachträgliche Zustimmung im Sinne der §§ 184, 185 BGB (Genehmigung) möglich.411) Wird die Genehmigung jedoch verweigert, führt dies zur endgültigen Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts.412) Erhaltene Gegenleistungen sind gemäß § 277 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 81 Abs. 1 S. 3 InsO nur herauszugeben, soweit die Masse noch bereichert ist. Die Geltendmachung der Unwirksamkeit obliegt als insolvenztypische Aufgaben (vgl. hierzu oben Rn. 163 f.) dem (vorläufigen) Sachwalter.413) Wird der Zustimmungsvorbehalt gerichtlich angeordnet, handelt es sich folglich um 237 ein echtes Eingriffsinstrument des Sachwalters, das mit Wirkung im Außenverhältnis geeignet ist, etwaige nachteilige Rechtshandlungen des Schuldners zu verhindern. Angesichts der fehlenden Praxistauglichkeit der Nachteilsanzeige (siehe hierzu bereits zuvor), erscheint es daher umso wichtiger, dieses Eingriffsinstrument über die Möglichkeit der Anordnung nach § 21 Abs. 1 InsO bereits im Eröffnungsverfahren zur Verfügung zu stellen.

d) Zustimmung zu personellen Wechseln, § 276a S. 2 InsO Gemäß § 276a S. 2 InsO ist auch die Abberufung oder Neubestellung von Mitglie- 238 dern der Geschäftsleitung nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt. Die Norm des § 276a InsO betrifft den Innenbereich der Gesellschaft und hat durch das ESUG Einzug in die Insolvenzordnung gefunden, mit dem Ziel, das Verhältnis der innergesellschaftlichen Kompetenzordnung zur Eigenverwaltung zu klären und einen Gleichlauf zum Regelinsolvenzverfahren zu erreichen.414) Mangels Verweis in § 270a Abs. 1 S. 2 InsO und fehlender verfassungsrechtlicher Rechtfertigung, findet § 276a InsO nach hier vertretener Ansicht nur im eröffneten Verfahren, nicht hingegen im Eröffnungsverfahren Anwendung (vgl. hierzu oben Rn. 89 f.). Gemäß § 276a S. 1 InsO haben der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder 239 entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners. ___________ 410) Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 137; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 277 Rn. 6; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 40. 411) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 40; Foltis, in: FK-InsO, § 277 Rn. 8. 412) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 277 Rn. 6; Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 65. 413) Foltis, in: FK-InsO, § 277 Rn. 8; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 39. 414) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 42: „dient dazu, das Verhältnis der Eigenverwaltung zu den gesellschaftsrechtlichen Bindungen der Geschäftsleitung zu klären“; vgl. auch Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, S. Rn. 142 ff. m. w. N.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Damit dieses Verbot der Einflussnahme nicht letztlich durch einen missbräuchlichen Austausch der Geschäftsleitung umgangen wird, wurde die Neubestellung oder Abberufung von Mitglieder der Geschäftsleitung gemäß § 276a S. 2 InsO unter das Zustimmungserfordernis des Sachwalters gestellt.415) Das Zustimmungserfordernis lässt die innergesellschaftliche Kompetenzordnung insoweit unberührt, als weiterhin die Gesellschafterversammlung416) bzw. das jeweils zuständige Organ über die Abberufung oder Neubestellung zu beschließen haben.417) Stimmt der Sachwalter dem Beschluss des zuständigen Gesellschaftorgans jedoch nicht zu, ist die beschlossene Abberufung oder Neubestellung unwirksam. Es handelt sich bei der Zustimmung bereits nach dem Wortlaut um eine Wirksamkeitsvoraussetzung, die folglich für den Innenbereich der Gesellschaft Außenwirkung entfaltet.418)

240 Der Sachwalter hat die Zustimmung zu erteilen, wenn die Maßnahme nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt, § 276a S. 3 InsO. Nachteile in diesem Sinne sind alle Sachverhalte, die die Befriedigungsaussichten der Gläubiger beeinträchtigen.419) Insoweit hat der Sachwalter nach pflichtgemäßen Ermessen zu prognostizieren, ob die Maßnahme zu einer derartigen Beeinträchtigung führen wird, und die Zustimmung in einem solchen Fall zu versagen.420) Gemäß der §§ 97, 98, 101 InsO besteht die Pflicht der Gesellschaftsorgane, um eine belastbare Prognoseentscheidung zu ermöglichen, dem Sachwalter die erforderlichen Informationen zu erteilen.421)

241 Bei Vorliegen eines non-liquet ist umstritten, ob der Sachwalter die Zustimmung zu erteilen hat. Die Formulierung des § 276a S. 3 InsO, wonach die Zustimmung zu erteilen ist, wenn die Maßnahme „nicht zu Nachteilen für die Gläubiger“ führt, spricht jedoch dafür, dass es dem Sachwalter möglich sein muss, sicher zu prognostizieren, dass die Abberufung oder Neubestellung der Geschäftsleitung zu keinen Nachteile für die Gläubiger führen wird.422) Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit bei den Gesellschafterorganen.423) Können diese, infolge der Neutra___________ 415) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 42; Landfermann, in: HK-InsO, § 276a Rn. 4. 416) § 46 Nr. 5 GmbHG. 417) Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 276a Rn. 5; Ringstmeier, in: FAK-InsO, § 276a Rn. 7; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 276a Rn. 28; Riggert, in: Braun-InsO, § 276a Rn. 3 „insolvenzrechtlicher Wirksamkeitsvorbehalt“. 418) Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 550. 419) Klöhn, in: MünchKomm-InsO, § 276a Rn. 58. 420) Klöhn, in: MünchKomm-InsO, § 276a Rn. 58; Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 276a Rn. 5; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 276a Rn. 11 mit Verweis auf den Wortlaut der Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 42 („führen wird“). 421) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 276a Rn. 31; Ringstmeier, in: FAK-InsO, § 276a Rn. 9. 422) Anders wäre dies zu beurteilen, wenn § 276a S. 3 InsO so formuliert wäre, dass die Zustimmung nur dann verweigert werden könne, wenn die Abberufung zu Nachteilen führen wird. In diesem Fall läge die Beweislast beim Sachwalter, der das Vorliegen von Nachteilen positiv prognostizieren müsste, so dass bei neutralen Geschäften die Zustimmung zu erteilen wäre. 423) Landfermann, in: HK-InsO, § 276a Rn. 13.

86

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

lität der Maßnahme, keinen plausiblen Grund für die Abbestellung der Geschäftsleitung darlegen, so ist richtigerweise davon auszugehen, dass der Sachwalter seine Zustimmung nach pflichtgemäßen Ermessen zu versagen hat.424) Dafür spricht auch der Sinn und Zweck des § 276a S. 2 InsO, der dem missbräuchlichen Austausch der Geschäftsleitung Grenzen setzen soll. Ein solcher kann jedoch auch hinter scheinbar neutralen Maßnahmen stehen. Aus dem Wortlaut des § 276a S. 3 InsO („ist zu erteilen“) ist jedoch ersichtlich, 242 dass die Gesellschaftsorgane bei Nichtvorliegen von Nachteilen einen Anspruch auf die Erteilung der Zustimmung haben.425) Soweit daraus geschlossen wird, dass die Entscheidung des Sachwalters über die Zustimmung justiziabel und die Zustimmung mittels Leistungsklage vor den Zivilgerichten einklagbar sei,426) ist dem zu widersprechen. Tatsächlich findet § 6 Abs. 1 InsO keine direkte Anwendung, da es sich nicht um eine Entscheidung des Insolvenzgerichts handelt.427) Dennoch kann der Sinn und Zweck dieser Norm nicht ausgeblendet bleiben. Die in § 6 Abs. 1 InsO enthaltene Beschränkung dient dem Ziel, den zügigen Fortgang des Insolvenzverfahrens zu sichern.428) Die Eigenverwaltung soll möglichst rechtsmittelfrei gehalten werden, um den Zweck des Verfahrens nicht zu gefährden.429) In diesem Zusammenhang wäre es systemfremd und kontraproduktiv, die Entscheidung des Sachwalters aus § 276a S. 3 InsO der Justiziabilität der Zivilgerichte zu unterstellen. Die Eigenverwaltung bietet vielmehr bereits selbst das richtige Eingriffsinstrument. Da der Sachwalter der Aufsicht des Insolvenzgerichts untersteht, können die Beteiligten bei rechtswidrig versagter Zustimmung ein Einschreiten des Insolvenzgerichts nach § 58 InsO anregen (siehe hierzu unten Rn. 361 f.).430) Das Insolvenzgericht, das mit den Einzelheiten des Verfahrens betraut ist, ist zudem am besten geeignet, die Rechtmäßigkeit des Handelns des Sachwalters zu überprüfen.

e)

Mitwirkung des Sachwalters bei der Ausübung insolvenzspezifischer Gestaltungsrechte, § 279 InsO

Bedingt durch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners, sind dem 243 Schuldner, neben der Betriebsfortführung, auch die Mehrzahl der insolvenzspezifi___________ 424) So auch Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 178; Landfermann, in: HK-InsO, § 276a Rn. 13; a. A. Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 276a Rn. 5; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 90 Rn. 37; Ströhmann/Längsfeld, NZI 2013, 271, 275. 425) Klöhn, in: MünchKomm-InsO, § 276a Rn. 59. 426) Vgl. Riggert, in: Braun-InsO, § 276a Rn. 5; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 276a Rn. 6. 427) So zutreffend Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 276a Rn. 5. 428) Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 110. 429) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 276a Rn. 11. 430) So auch Klöhn, in: MünchKomm-InsO, § 276a Rn. 61; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 276a Rn. 11; Folts, in: FK-InsO, § 276a Rn. 12; a. A. Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 276a Rn. 5; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 276a Rn. 6 (Leistungsklage).

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

schen Gestaltungsrechte, wie insbesondere die Ausübung der Wahl- und Kündigungsrechte der §§ 103 ff. InsO, übertragen. Der Schuldner befindet sich jedoch auch hier in keinem „kontrollfreien“ Raum. Auch die Ausübung der insolvenzspezifischen Gestaltungsrechte unterliegt vielmehr der Aufsicht des Sachwalters.

aa) Einvernehmen des Sachwalters im Rahmen gegenseitiger Verträge, § 279 S. 2 InsO 244 § 103 InsO stellt die Grundnorm für die Behandlung beidseitig noch nicht oder nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge in der Insolvenz dar und wird im Übrigen durch die Spezialvorschriften der §§ 104 ff. InsO ergänzt. Gemäß § 103 InsO hat der Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren ein Erfüllungswahlrecht hinsichtlich nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge. Es obliegt demnach der Entscheidung des Insolvenzverwalters, ob er bei einem nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag die Erfüllung verlangt (§ 103 Abs. 1 InsO) oder diese ablehnt (§ 103 Abs. 2 InsO). Ebenso obliegt beispielsweise die Kündigung von Mietund Pachtverhältnissen gemäß § 109 InsO und die Kündigung von Arbeitsverhältnissen gemäß § 113 InsO im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter.

245 Da die Wahl- und Kündigungsrechte der §§ 103 ff. InsO unmittelbar mit der vom Schuldner ausgeübten Geschäftsführung zusammenhängen, sind diese Rechte gemäß § 279 S. 1 InsO in der Eigenverwaltung dem Schuldner und nicht dem Sachwalter übertragen.431) Die Wahrnehmung der in §§ 103 ff. InsO bezeichneten Rechte ist gemäß § 279 S. 2 InsO jedoch an das Einvernehmen des Sachwalters geknüpft.

246 Worin der Unterschied zwischen dem in § 279 S. 2 InsO verwendeten Begriff des „Einvernehmens“ im Vergleich zu dem in § 275 Abs. 1 InsO verwendeten Begriff der „Zustimmung“ liegt, wird durch das Gesetz nicht beantwortet und in der juristischen Literatur, soweit ersichtlich, nicht diskutiert. Sowohl in § 275 Abs. 1 InsO als auch in § 279 S. 2 InsO wird der Begriff jedoch im Rahmen einer „Soll“-Bestimmung verwendet, so dass ein Unterschied jedenfalls nicht anhand der Rechtsfolge festgemacht werden kann. Vom Sprachgebrauch ausgehend beurteilt, scheint der Begriff des „Einvernehmens“ weniger strenge Anforderungen als eine „Zustimmung“ zu vermitteln. Tatsächlich dürfte in der Praxis jedoch kein Unterschied zwischen den Begrifflichkeiten liegen. Beide Begriffe sind vielmehr auf ein Einverständnis des Sachwalters gerichtet, das mündlich, schriftlich oder elektronisch erfolgen kann.432) Gleichzeitig setzen beide Formen des Einverständnisses eine entsprechende Information des Sachwalters voraus.433) Es ist damit vielmehr davon auszugehen, dass die Begriffe „Einverständnis“ und „Zustimmung“ im Rahmen der §§ 275 ff. InsO ___________ 431) Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225.; Tetzlaff/Kern, in: MünchKommInsO, § 279 Rn. 5 m. w. N. 432) Foltis, in: FK-InsO, § 279 Rn. 12. 433) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 279 Rn. 7; Foltis, in: FK-InsO, § 279 Rn. 9.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

synonym verwendet werden. Konsequenterweise und in Einklang mit § 275 Abs. 1 InsO ist daher auch das Einverständnis nach § 279 S. 2 InsO als vorheriges, im Sinne einer Einwilligung (§ 183 BGB), zu verstehen (siehe hierzu bereits oben Rn. 204 f.).

bb) Rechtsfolge des fehlenden Einvernehmens Anders als hinsichtlich des in § 279 S. 3 InsO vorgesehenen Zustimmungserfor- 247 dernis des Sachwalters (siehe hierzu nachfolgend Rn. 250 f.), ist das Einvernehmen des Sachwalters jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Ein Verstoß gegen § 279 S. 2 InsO hat auf die Wirksamkeit des Erfüllungswahl- oder Kündigungsrechts vielmehr keine Auswirkung. Etwas anderes gilt lediglich, wenn ein Zustimmungsvorbehalt nach § 277 InsO angeordnet wurde, denn in diesem Fall geht der (speziellere) Zustimmungsvorbehalt dem Einvernehmen nach § 279 S. 2 InsO vor und ersetzt dieses.434) Übt der Schuldner sein Wahl- oder Kündigungsrecht entgegen des Einvernehmens 248 des Sachwalters in einer Art und Weise aus, die zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, kann der Sachwalter dies grundsätzlich lediglich zum Anlass für eine Nachteilsanzeige nach § 274 Abs. 3 InsO nehmen.435) Auch hier ist jedoch fraglich, ob dieses Vorgehen der rein nachträglichen Sanktion für das Eigenverwaltungsverfahren förderlich ist. Richtig ist, dass die Gläubiger über ein etwaiges Fehlverhalten des Schuldners im Wege der Anzeige nach § 274 Abs. 3 InsO informiert werden müssen, um über die Beantragung eines Zustimmungsvorbehalts nach § 277 InsO oder die Aufhebung der Eigenverwaltung entscheiden zu können. Solange der Schuldner jedoch, wie es regelmäßig der Fall sein wird, keine Schädigungsabsicht verfolgt, erscheint es im Sinne des Verfahrens jedoch zielführender, dass der Sachwalter bereits vor der Ausübung der Rechte aus § 103 InsO durch den Schuldner in den Sachverhalt einbezogen wird und den Schuldner, soweit erforderlich, mit seiner insolvenzrechtlichen Expertise in der Entscheidungsfindung unterstützt. Diese proaktive Einbindung des Sachwalters liegt im Interesse aller Beteiligten. Der Schuldner kann auf den insolvenzrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Sachverstand des Sachwalters zurückgreifen und stärkt durch eine Einbindung desselben das unerlässliche Vertrauen der Gläubiger in die Eigenverwaltung. Die Gläubiger hingegen können aufgrund der Neutralität des Sachwalters davon ausgehen, dass der Sachwalter den Schuldner sachgerecht hinsichtlich der Ausübung der Wahl- und Kündigungsrechte berät. Damit sinkt zum einen das Risiko, dass das Handeln des Schuldners zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Falls sich der Schuldner dennoch gegen die ausdrückliche Empfehlung des Sachwalters entschließt, sichert ___________ 434) Vgl. Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225, wonach die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts von der Regelung des § 279 S. 2 InsO „unberührt“ bleibt; so auch Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 279 Rn. 10. 435) Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

die aktive Einbindung des Sachwalters zumindest die umfassende Information der Gläubiger. Dies zeigt erneut, wie essentiell die aktive Einbindung des Sachwalters für den Fortgang des Verfahrens sein kann.

249 Aufgrund der Tatsache, dass diese Art der Einbindung des Sachwalters gerade auch im Interesse des Schuldners liegt, erscheint die fehlende Verknüpfung von Zustimmung und Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts in § 279 S. 2 InsO sachgerecht und ausreichend. Um dem Erfordernis des Einvernehmens und damit der aktiven Einbindung des Sachwalters mehr Nachdruck zu verleihen, wäre jedoch eine Ersetzung der „Soll“-Formulierung durch die Verwendung einer verpflichtenderen Formulierung zu erwägen (siehe hierzu unten Rn. 599).

cc) Zustimmung zu weitreichenden arbeitsrechtlichen Entscheidungen, § 279 S. 3 InsO 250 Als Teil der in § 279 S. 1 InsO vorgesehenen Übertragung der Wahl- und Kündigungsrechte der §§ 103 ff. InsO, obliegen dem Schuldner diese Rechte auch in Bezug auf arbeitsrechtliche Verträge und Vereinbarungen. Hinsichtlich der in den §§ 120, 122 und 126 InsO statuierten arbeitsrechtlichen Entscheidungen sieht § 279 S. 3 InsO jedoch spezielle Voraussetzungen vor. Insoweit soll der Schuldner die ihm obliegenden Rechte nicht lediglich im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben; gemäß § 279 S. 3 InsO kann der Schuldner diese Rechte vielmehr nur wirksam ausüben, wenn der Sachwalter zustimmt.

251 Die Sonderbehandlung der in den §§ 120, 122 und 126 InsO genannten Rechte ist der Tatsache geschuldet, dass der Schuldner mittels dieser Rechte auch ohne Zustimmung des Betriebsrats in die Rechtsstellung einer Vielzahl von Arbeitnehmern gleichzeitig eingreifen kann und es sich mithin um besonders weitreichende Entscheidungen handelt.436) Die Regelung des § 279 S. 3 InsO entfaltet hier folglich eine arbeitnehmerschützende Funktion.437)

252 Bereits der Wortlaut des § 279 S. 3 InsO macht hinreichend deutlich, dass die Zustimmung des Sachwalters absolute Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Liegt die Zustimmung des Sachwalters nicht vor, ist die Ausübung der Rechte zunächst schwebend unwirksam. Wie im Rahmen des § 276a S. 2 InsO muss jedoch auch hier eine nachträgliche Genehmigung möglich sein.

___________ 436) Dabei handelt es sich um die vorzeitige Kündigung von Betriebsvereinbarungen (§ 120 InsO), der Antrag auf gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung (§ 122 InsO) und das Recht des Schuldners, beim Arbeitsgericht die soziale Rechtsfertigung der Entlassung bestimmter Arbeitnehmer feststellen zu lassen (§ 126 InsO), vgl. Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225; Foltis, in: FK-InsO, § 279 Rn. 5. 437) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 279 Rn. 4.

90

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

f)

Einvernehmen des Sachwalters bei der Verwertung von Sicherungsgut, § 282 Abs. 1 InsO

Zwar ist dem Schuldner als unmittelbare Folge seiner Verwaltungs- und Verfügungs- 253 befugnis gemäß § 282 Abs. 1 S. 1 InsO auch das Recht zur Verwertung von Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen, übertragen, auch insoweit sieht das Gesetz jedoch Mitwirkungsrechte des Sachwalters vor. Grundsätzlich gelten hinsichtlich der Verwertung die allgemeinen Vorschriften der 254 §§ 165 bis 173 InsO mit der Abweichung, dass der Schuldner an die Stelle des Insolvenzverwalters tritt. Abweichende Regelungen werden in § 282 Abs. 1 S. 2 und S. 3 InsO lediglich für die Kosten der Feststellung und Verwertung getroffen (siehe hierzu auch unten Rn. 513 f.). Der Schuldner soll das ihm übertragene Verwertungsrecht jedoch gemäß § 282 Abs. 2 InsO im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben. Die Regelung entspricht in ihrer Formulierung § 279 S. 2 InsO (siehe hierzu vorstehend Rn. 244 ff.), weshalb auch ein Verstoß gegen § 282 Abs. 2 InsO keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Verwertungshandlung hat.438) Infolge der fehlenden Außenwirkung ist es auch hier nicht zielführend, wenn sich 255 der Sachwalter auf eine nachträgliche Kontrolle der vorgenommenen Verwertungshandlungen beschränkt oder den Schuldner „sehenden Auges“ etwaige nachteilige Verwertungshandlung vornehmen lässt und diese lediglich im Nachhinein den Gläubigern nach § 274 Abs. 3 InsO anzeigt. Im Sinne des Verfahrens und im Interesse der Gläubiger sollte vielmehr auch im Rahmen der Verwertung eine hinreichende Kommunikation und kontinuierliche Abstimmung zwischen Schuldner und Sachwalter erfolgen. Dies gilt insbesondere, da der Sachwalter regelmäßig detaillierte rechtliche Kenntnisse über die Voraussetzungen und Konsequenzen von Sicherungsgut hat. Ist der Sachwalter in eine geplante Verwertungshandlung frühzeitig eingebunden, ist zum einen sichergestellt, dass er die notwendigen Informationen besitzt und Alternativen kennt, um belastbar über die Erteilung seines Einvernehmens zu entscheiden. Macht er in diesem frühen Stadium deutlich, sein Einvernehmen versagen zu wollen, kann der Schuldner sein Handeln zudem nochmals überprüfen und möglicherweise an der Empfehlung des Sachwalters ausrichten. Die frühzeitige Einbindung des Sachwalters kann damit eine bestmögliche Verwertung sicherstellen und liegt letztlich im Interesse der Gläubiger. Auch wenn der Sachwalter aufgrund seiner insolvenzrechtlichen Expertise vielfach 256 besser geeignet sein wird, die Verwertung zu übernehmen, kann eine freiwillige Übertragung dieser auf den Sachwalter hingegen nicht als zulässig erachtet werden.439) ___________ 438) Vgl. Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 226; sowie anstelle vieler Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 282 Rn. 6. 439) Wie hier Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 282 Rn. 6; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 282 Rn. 4; a. A. Foltis, in: FK-InsO, § 282 Rn. 18 Riggert, in: Braun-InsO, § 282 Rn. 7; Landfermann, in: HK-InsO, § 282 Rn. 7.

91

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Wie aufgezeigt, ist die Verwertung des Sicherungsguts durch § 282 InsO ausdrücklich dem Schuldner zugewiesen. Diese Aufgabenverteilung des Gesetzgebers, die unmittelbar an die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners anknüpft, kann nicht als dispositiv betrachtet werden.440) Es handelt sich vielmehr um eine originäre Aufgabe der Betriebsfortführung, die dem Schuldner in der Systematik der Eigenverwaltung nicht entzogen werden kann. Gleiches muss hinsichtlich der Übertragung der Verwertung auf den Sachwalter durch Beschluss der Gläubigerversammlung gelten.441) Soweit der zuvor beschriebene aktive Austausch zwischen Schuldner und Sachwalter erfolgt, bedarf es einer solchen freiwilligen Übernahme oder Übertragung durch die Gläubigerversammlung jedoch auch nicht. Der Schuldner kann bereits durch die rechtzeitige Einbindung des Sachwalters und den aktiven Austausch von dessen Expertise profitieren; die Entscheidung über die Art und Weise der Verwertung muss jedoch letztlich dem Schuldner vorbehalten bleiben.

3.

Originäre Aufgaben des Sachwalters

257 Dem Sachwalter obliegen ab Verfahrenseröffnung neben den Aufsichts- und Mitwirkungspflichten (siehe hierzu vorstehend, S. 75 ff. und 86 ff.) auch originäre eigene Aufgaben, namentlich die Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 285 InsO (siehe nachfolgend a)), die Geltendmachung der Anfechtungsrechte der §§ 129 bis 147 InsO und der Haftungsansprüche der §§ 92, 93 InsO (§ 280 InsO, siehe nachfolgend b)), die Bearbeitung der Gläubigerforderungen (siehe nachfolgend c)) sowie die Ausarbeitung und/oder Überwachung des Insolvenzplans gemäß § 284 InsO (siehe nachfolgend d)).442) Dem vorläufigen Sachwalter weist das Gesetz hingegen keine originären Aufgaben in eigener Zuständigkeit zu.443)

a) Anzeige der Masseunzulänglichkeit, § 285 InsO 258 Während im Regelinsolvenzverfahren die Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 InsO dem Insolvenzverwalter obliegt, ist diese Aufgabe gemäß § 285 InsO im Eigenverwaltungsverfahren durch den Sachwalter wahrzunehmen. Hiermit soll gewährleistet werden, dass eine Masseunzulänglichkeit dem Insolvenzgericht schnellstmöglich und zuverlässig zur Kenntnis gereicht wird.444)

259 Der Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung sah zu anfangs noch eine Feststellung der Masseunzulänglichkeit durch das Insolvenzgericht auf Antrag des Sachwal___________ 440) 441) 442) 443) 444)

92

A. A. Riggert, in: Braun-InsO, § 282 Rn. 7; Foltis, in: FK-InsO, § 282 Rn. 19. Landfermann, in: HK-InsO, § 282 Rn. 7; a. A. Foltis, in: FK-InsO, § 282 Rn. 19. Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 3. Vgl. jedoch zur analogen Anwendung des § 284 InsO im Eröffnungsverfahren unten Rn. 282 f. Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 285 Rn. 1; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 285 Rn. 3.

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

ters oder des Schuldners vor.445) Ziel der doppelten Antragszuständigkeit war die möglichst rasche Feststellung der Masseunzulänglichkeit nach ihrem Eintritt.446) Die Doppelzuständigkeit von Schuldner und Sachwalter wurde im Zuge der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zur Insolvenzordnung jedoch ohne weitere Begründung gestrichen.447) Dennoch gilt das dort statuierte Verfahrensziel, die Masseunzulänglichkeit möglichst rasch festzustellen, unverändert weiter. Aus diesem Grund hat der Sachwalter nicht nur die eingetretene Masseunzulänglichkeit im Sinne des § 208 Abs. 1 S. 1 InsO sondern vielmehr auch schon die drohende Masseunzulänglichkeit im Sinne des § 208 Abs. 1 S. 2 InsO anzuzeigen.448)

b) Insolvenzanfechtung und Geltendmachung der Haftung, § 280 InsO aa) Erfasste Ansprüche Gemäß § 280 InsO ist ausschließlich der Sachwalter befugt, die Haftung nach den 260 §§ 92, 93 InsO für die Insolvenzmasse geltend zu machen sowie Rechtshandlungen nach den §§ 129 ff. InsO anzufechten. Im System der Eigenverwaltung, in dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Schuldner verbleibt, stellt dies einen gesetzlich normierten Bruch dar (siehe hierzu unten Rn. 299 f.).449) Ausweislich der Gesetzesbegründung wurde jedoch der Sachwalter für geeigneter gehalten, diese Rechte geltend zu machen.450) Die in § 280 InsO angelegte Aufgabenverteilung ist angesichts der erfassten An- 261 sprüche auch sinnvoll. § 92 InsO stellt keine eigene Anspruchsgrundlage dar, überträgt jedoch im Regelinsolvenzverfahren die Geltendmachung von Gesamtschäden der Insolvenzgläubiger auf den Insolvenzverwalter.451) Erfasst sind damit Ansprüche, die die Gläubiger gemeinschaftlich, beispielsweise durch eine Verkürzung der Insolvenzmasse, gegen den Schuldner oder Dritte haben, womit letztendlich ein Wettlauf der Gläubiger vermieden und Schadensersatzansprüche allen betroffenen Gläubigern gleichmäßig zugutekommen können.452) Durch § 93 InsO wird die Geltendmachung von Ansprüchen gegen persönlich haftende Gesellschafter einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit453) oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien ___________ 445) 446) 447) 448) 449) 450) 451) 452) 453)

Vgl. § 346 RegE-InsO, Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 63. Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 226. Vgl. Begr. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302, S. 123. Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 285 Rn. 2; Foltis, in: FK-InsO, § 285 Rn. 1; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 285 Rn. 7. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 280 Rn. 1; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 280 Rn. 1. Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 92 Rn. 2. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 92 Rn. 2; Brandes/Gehrlein, in: MünchKomm-InsO, § 92 Rn. 1. Gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO sind dies die offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft, Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, Partenreederei sowie die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung.

93

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

ab Verfahrenseröffnung auf den Insolvenzverwalter übertragen. Erfasst sind damit insbesondere Ansprüche der akzessorischen Gesellschafterhaftung auf Grundlage von § 128 HGB.454) Durch die §§ 129 ff. InsO obliegt schließlich die Anfechtung von gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen dem Insolvenzverwalter.

262 Die von § 280 InsO erfassten Ansprüche richten sich folglich vielfach gegen die Gesellschafter und organschaftlichen Vertreter des schuldnerischen Unternehmens selbst, womit eine sachgerechte Verfolgung der Ansprüche durch diese regelmäßig nicht zu erwarten wäre. Darüber hinaus betrifft gerade die Insolvenzanfechtung oftmals Personen, die mit dem Schuldner (persönlich) eng verbunden sind. Diese Rechtsnähe sowie die damit verbundenen besonderen Interessenkonflikte können sich zulasten der Gläubigergesamtheit auswirken und verbieten es, dem Schuldner die Geltendmachung der Ansprüche zu belassen. Eine Übertragung auf den Insolvenzverwalter und in der Eigenverwaltung auf den Sachwalter ist damit konsequent und dient dazu, etwaige Interessenkonflikte zu vermeiden.455)

bb) Analoge Anwendung des § 280 InsO auf Ansprüche mit vergleichbaren Konfliktpotential 263 Diese Interessenkonflikte bestehen typischerweise jedoch auch außerhalb der in § 280 InsO normierten Ansprüche. Insoweit erschließt sich die gesetzgeberische Beschränkung der Befugnisse des Sachwalters auf die Geltendmachung der Ansprüche aus den §§ 92, 93 und §§ 129 ff. InsO nicht. Richtigerweise muss vielmehr die Geltendmachung aller Ansprüche, die sich gegen Mitglieder des Schuldnerorgans richten und damit regelmäßig einem derartigen Interessenkonflikt ausgesetzt sind, in den Aufgabenbereich des Sachwalters fallen.

264 Dies betrifft insbesondere x

Ansprüche aus gesellschaftsrechtlicher Organhaftung gemäß § 43 GmbHG und § 93 Abs. 2 AktG sowie

x

Ansprüche aus Masseschmälerungshaftung gemäß § 64 GmbHG und § 93 Abs. 3 AktG.456)

265 Denn auch diese Ansprüche richten sich gegen die geschäftsführenden Organe, die die Geltendmachung dieser Ansprüche infolge der bestehenden Verwaltungs- und

___________ 454) Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 93 Rn. 15. 455) Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 90 Rn. 80; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 280 Rn. 2. 456) Foltis, in: FK-InsO, § 280 Rn. 2; Landfermann, in: HK-InsO, § 280 Rn. 4; Kirchhof, in: MünchKomm-InsO, § 280 Rn. 3; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 295 f.; so auch bereits Hofmann, ZIP 2007, 260, 262; i. E. auch Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 90 Rn. 81.

94

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Verfügungsbefugnis selbst (mit-)verantworten würden.457) Die zuvor geschilderte gefährliche Rechtsnähe besteht hier also gleichfalls. Eine Ausklammerung dieser Ansprüche würde die mit § 280 InsO verfolgte gesetzliche Intention ins Leere laufen lassen. Die fehlende Inbezugnahme dieser Ansprüche kann hier lediglich als Redaktionsfehler ausgelegt werden, weshalb § 280 InsO bei pflichtwidriger Schädigung durch Mitglieder des Schuldnerorgans analog anzuwenden ist.458) Über den direkten Anwendungsbereich des § 280 InsO hinaus, muss die Geltendmachung dieser Ansprüche in den Aufgabenbereich des Sachwalters fallen.

cc) Rechtsfolge Soweit es um die Vermögenspositionen der §§ 92, 93 InsO, die Geltendmachung des 266 Rückgewähranspruchs aus § 143 InsO sowie die Geltendmachung der gesellschaftsrechtlichen Organhaftung geht, wird der Sachwalter wie ein Insolvenzverwalter tätig.459) Er ist bezüglich der Anfechtungsrechte Partei kraft Amtes, womit ihm neben der Erklärung und der Geltendmachung der Anfechtung nach § 143 InsO auch die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche obliegt.460) Er ist folglich prozessführungsbefugt und führt etwaige Prozesse in eigenem Namen, wobei sein Handeln als Partei kraft Amtes den Schuldner unmittelbar berechtigt und verpflichtet. Konsequenterweise ist dem Sachwalter in diesen Prozessen gemäß § 116 Nr. 1 InsO auch Prozesskostenhilfe zu gewähren. Die im Rahmen seines Handelns nach § 280 InsO begründeten Verbindlichkeiten 267 stellen infolge der Parteistellung Masseverbindlichkeiten dar.461) Gleichzeitig sind dem Schuldner alle Verfügungen über die betreffenden Ansprüche untersagt, insbesondere darf er sich nicht über Anfechtungsansprüche vergleichen, geschweige denn einen diese Ansprüche betreffenden Verzicht erklären.462) Gerade die Durchsetzung der Insolvenzanfechtungsansprüche hat – infolge ihres 268 Liquiditätsbeschaffungspotentials – für den Erfolg der Eigenverwaltung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.463) Der Sachwalter ist bei der Geltendmachung dieser Ansprüche und insbesondere bei der Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen jedoch auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen. Soweit Foltis die Durch___________ 457) Im Regelinsolvenzverfahren bedarf es deswegen keiner gesonderten Regelung, da die Geltendmachung dieser Ansprüche automatisch dem verwaltungs- und verfügungsbefugten Insolvenzverwalter übertragen ist. 458) Zimmer, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 48 Rn. 11. 459) „Quasi-Insolvenzverwalter“ vgl. Foltis, in: FK-InsO, § 280 Rn. 1. 460) Anstelle aller Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 280 Rn. 3; Ringstmeier, in: FAK-InsO, § 280 Rn. 4; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 975 ff. 461) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 280 Rn. 5. 462) Landfermann, in: HK-InsO, § 280 Rn. 5; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 280 Rn. 8. 463) Vgl. auch Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 280 Rn. 10.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

setzung der Mitwirkungsrechte durch den Erlass geeigneter Anordnungen durch das Insolvenzgericht analog § 270 Abs. 1 S. 2 i. V. m § 21 InsO erreichen möchte,464) besteht hierfür kein Bedürfnis. Der Schuldner ist bereits nach §§ 274 Abs. 2 S. 2, 22 Abs. 3 InsO zur Mitwirkung verpflichtet und etwaige Verstöße hat der Sachwalter nach § 274 Abs. 3 InsO zur Anzeige zu bringen. Über § 22 Abs. 3 InsO ergeben sich zudem hinreichende Möglichkeiten, die Mitwirkung des Schuldners auch zwangsweise durchzusetzen (vgl. hierzu unten Rn. 366 f.).

c)

Aufgaben im Zusammenhang mit der Unterrichtung der Gläubiger

aa) Prüfung von Verzeichnissen und Rechnungslegung, § 281 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 InsO 269 Der Sachwalter hat überdies die seitens des Schuldners zu erstellenden Verzeichnisse sowie dessen Rechnungslegung gemäß § 281 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2 InsO zu überprüfen, schriftlich über etwaige Einwendungen Stellung zu nehmen sowie im Berichtstermin seine zugehörigen Erklärungen abzugeben, § 281 Abs. 2 S. 2 InsO. Auch wenn der Sachwalter in § 74 InsO nicht ausdrücklich genannt ist, muss seine Teilnahmeberechtigung an der Gläubigerversammlung spätesten aus der ihm nach § 281 Abs. 2 S. 2 InsO übertragenen Pflicht folgen.465)

270 Durch die Einbindung des Sachwalters nach § 281 InsO soll die objektive und vollständige Unterrichtung der Gläubiger gesichert werden, die auf vollständiger und wahrer Tatsachengrundlage im nachfolgenden Berichtstermin über die Fortführung des Unternehmens entscheiden sollen.466) Insoweit handelt es sich um eine insolvenzspezifische Pflicht; erfüllt der Sachwalter diese nicht oder nicht ordnungsgemäß, droht ihm eine Inanspruchnahme nach § 60 InsO (siehe unten Rn. 373 f.).

271 Der Sachwalter muss die durch den Schuldner erstellten Verzeichnisse und Vermögensübersichten inhaltlich prüfen und mit seiner eigenen Einschätzung vergleichen. Soweit seiner Ansicht nach Einwendungen zu erheben sind, hat er die Grundlagen dieser substantiiert darzulegen.467) Um die mit der Kontrolle bezweckte Objektivität und Vollständigkeit zu gewährleisten, benötigt der Sachwalter einen vollumfassenden und lückenlosen Überblick. Eine stichprobenhafte Prüfung kann hingegen nicht genügen.468) Der Kenntnisstand des Sachwalters unterscheidet sich damit nicht mehr maßgeblich von einem, die Verzeichnisse selbst erstellenden Insolvenzver___________ 464) Foltis, in: FK-InsO, § 280 Rn. 13. 465) Knof, in: Uhlenbruck InsO, § 74 Rn. 7. 466) Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225; Landfermann, in: HK-InsO, § 281 Rn. 1; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 281 Rn. 23. 467) Foltis, in: FK-InsO, § 281 Rn. 17. 468) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 281 Rn. 31; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 281 Rn. 1; a. A. Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 281 Rn. 3; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 281 Rn. 2.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

walters (vgl. hierzu auch unten Rn. 296 f.). Reicht die eigene Expertise des Sachwalters zu einer umfassenden Prüfung ausnahmsweise nicht aus, kann er sich auf Kosten der Masse der Hilfe eines Sachverständigen bedienen.469)

bb) Unterstützung des Schuldners bei der Unterrichtung der Gläubiger Die Übertragung der mit der Unterrichtung der Gläubiger zusammenhängenden Auf- 272 gaben auf den Schuldner ist notwendige Folge der schuldnerischen Verwaltungsund Verfügungsbefugnis.470) Gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 InsO hat der Schuldner das Verzeichnis über die Massegegenstände (§ 151 InsO), das Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) sowie die Vermögensübersicht (§ 153 InsO) zu erstellen. Auch ohne Verweis von § 281 Abs. 1 InsO auf die Vorschrift des § 154 InsO ist anerkannt, dass spätestens eine Woche vor dem Berichtstermin (§ 156 InsO) eine Niederlegung der Verzeichnisse auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts erfolgt sein muss. Die folgt zum einen bereits aus dem Verweis von § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auf die allgemeinen Vorschriften, zum anderen aus dem mit der Niederlegung verfolgten Zweck. Auch die Verzeichnisse werden zur Information der Gläubiger erstellt, um diese in die Lage zu versetzen, im Berichtstermin gemäß § 157 InsO über den Verfahrensfortgang zu entscheiden. Da ohne rechtzeitige und umfassende Möglichkeit zur Einsichtnahme eine derartige Entscheidung jedoch nicht möglich ist, muss auch im Rahmen der Eigenverwaltung die Niederlegung erfolgen, um die hinreichende Information der Gläubiger sicherzustellen.471) Dem Schuldner obliegt gemäß § 281 Abs. 2 S. 1 InsO auch der nach § 156 Abs. 1 273 InsO im Berichtstermin zu erstattende Bericht über die wirtschaftliche Lage, die Ursachen der Insolvenz sowie die Fortführungsaussichten. Schließlich sind dem Schuldner gemäß § 281 Abs. 3 S. 1 InsO sowohl die insolvenzrechtlichen Rechnungslegungspflichten des § 66 InsO als auch die duale Rechnungslegung nach § 155 InsO auferlegt. Die Pflichten des Schuldners zur Buchführung und externer Rechnungslegung nach handels- und steuerrechtlichen Grundsätzen bleiben durch die Eigenverwaltung damit unberührt.472) Anders als im Regelinsolvenzverfahren verliert der Schuldner durch Anordnung der Eigenverwaltung nicht seine steuerrechtliche Handlungsfähigkeit, so dass ihn die dualen Rechnungslegungspflichten entgegen § 155 Abs. 1 S. 2 InsO nicht nur hinsichtlich des insolvenzfreien Vermögens, sondern auch in Bezug auf die Insolvenzmasse treffen.473) ___________ 469) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 281 Rn. 31; Foltis, in: FK-InsO, § 281 Rn. 17; a. A. Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 281 Rn. 3. 470) Begr. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302, S. 225. 471) Allgemeine Meinung, vgl nur Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 281 Rn. 20; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 281 Rn. 6; Foltis, in: FK-InsO, § 281 Rn. 16. 472) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 281 Rn. 30; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 281 Rn. 12. 473) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 281 Rn. 30.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

274 Die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben des § 281 InsO erfordert nicht nur Kenntnisse des materiellen Insolvenzrechts sondern auch ein hohes Maß an betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Kenntnissen, über die nicht jeder eigenverwaltende Schuldner zwangsläufig verfügt. Mehr als ein Mindestmaß an wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Kenntnissen kann auch bei einem eigenverwaltenden Schuldner nicht verlangt werden. Einen Ablehnungsgrund für die Anordnung der Eigenverwaltung kann dies jedoch nicht darstellen (vgl. hierzu bereits oben Rn. 54 f.).474) Außerhalb der zuvor geschilderten Prüfungspflichten wird dem Sachwalter von einem überwiegenden Teil des Schrifttums insoweit jede Form der unterstützenden Tätigkeit abgesprochen, obwohl dieser vielfach über einen Großteil der notwendigen Expertise verfügt und auf entsprechende Erfahrungswerte zurückblicken kann. So wird vertreten, bei der Aufstellung der Verzeichnisse sei eine Mitwirkung oder Hilfestellung des Sachwalters insgesamt unzulässig; der Schuldner habe bei fehlenden Kenntnissen vielmehr externe Hilfestellungen in Anspruch zu nehmen.475) Dem ist nur teilweise zuzustimmen. Tatsächlich kann die eindeutige Aufgabenzuweisung des § 281 InsO nicht umgangen werden, indem der Sachwalter die dem Schuldner nach § 281 InsO obliegenden Aufgaben übernimmt. Dies gilt insbesondere für Aufgaben, die infolge ihrer Komplexität und ihres Umfangs auch ein Insolvenzverwalter im Regelverfahren regelmäßig an Steuerberater oder andere externe Dritte auslagert, wie beispielsweise die Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten nach den §§ 155, 66 InsO. Bei der Erstellung der Verzeichnisse nach § 281 Abs. 1 InsO kommt es jedoch vielfach auch auf detaillierte insolvenzrechtliche Kenntnisse an, über die der Sachwalter zweifellos verfügt, die jedoch nicht bei jedem Schuldner vorausgesetzt werden können.476) Denn es wäre ein völlig falsches Signal, die Eigenverwaltung grundsätzlich nur solchen Schuldner zugänglich zu machen, die über eine fundierte insolvenzrechtliche Expertise verfügen oder entsprechende Berater einkaufen. Richtigerweise muss es als Aufgabe des Sachwalters angesehen werden, den Schuldner bei Erfüllung seiner Aufgaben aus § 281 InsO beratend zu begleiten und zu unterstützen. Ein nennenswerter zusätzlicher Arbeitsaufwand ist damit für den Sachwalter selten verbunden.477) Dies gilt umso mehr als sich der Sachwalter, um die mit seiner Kontrolle bezweckte Objektivität zu gewährleisten, ohnehin einen lückenlosen Überblick verschaffen muss, so dass sich sein Kenntnisstand von dem eines Insolvenzverwalters nicht maßgeblich unterscheidet (siehe hierzu auch unten Rn. 296 ff.). Sein Arbeitsaufwand erhöht sich ___________ 474) Tendenziell a. A. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 281 Rn. 18 Eigenverwaltung nur in „Ausnahmefällen“. 475) So Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 281 Rn. 6; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 281 Rn. 1; Foltis, in: FK-InsO, § 281 Rn. 17. 476) A. A. Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1829, wonach die Eigenverwaltung durch die insolvenzrechtliche Expertise des Schuldners geprägt sei, unabhängig davon, ob sie in seiner Person oder durch einen Berater gewährleistet werde. 477) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 281 Rn. 3.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

folglich nicht merklich, wenn er bereits im Stadium der Erstellung dem Schuldner beratend zur Seite steht. Eine Unterstützung des Schuldners bei der ihm nach § 281 InsO obliegenden Aufgaben ist damit sinnvoll und auch angezeigt (vgl. hierzu auch unten Rn. 284 ff.).

d) Bearbeitung von Gläubigerforderungen Die die Bearbeitung von Gläubigerforderungen betreffenden Aufgaben hat das Ge- 275 setz zwischen Sachwalter und Schuldner aufgeteilt. Während der Sachwalter hinsichtlich der Feststellung der Forderungen (§ 174 bis § 186 InsO) an die Stelle des Insolvenzverwalters tritt478), ist der Schuldner für das Verteilungsverfahren nach den §§ 186 bis 199 InsO zuständig und tritt insoweit wiederum an die Stelle des Insolvenzverwalters (siehe hierzu nachfolgend Rn. 279 f.). Auch hier zeigt die Aufgabenverteilung, dass dem Schuldner möglichst solche Aufgaben entzogen sind, die regelmäßig Interessenkonflikten unterliegen und damit etwaigem Missbrauch leicht zugänglich sind.

aa) Führung der Insolvenztabelle Dem Sachwalter obliegen alle mit der Insolvenztabelle zusammenhängenden Auf- 276 gaben (§§ 174 – 186 InsO). Dies erfasst insbesondere die Erstellung und Führung der Insolvenztabelle. Die Übertragung der mit der Forderungsfeststellung verbundenen Aufgaben auf den Sachwalter kann Missbrauchsgefahren entgegenwirken. Dass die Führung der Insolvenztabelle durch den Sachwalter wahrzunehmen ist, folgt nicht aus dem Gesetz, wohl aber aus einem Umkehrschluss aus § 270c S. 2 InsO, wonach der Sachwalter die Anmeldung der Forderungen entgegen zu nehmen hat.479) Mangels Existenz einer Insolvenztabelle im Eröffnungsverfahren und fehlenden Verweises von § 270a Abs. 1 S. 2 InsO auf § 270c InsO trifft den Sachwalter die Pflicht zur Führung der Insolvenztabelle erst ab Verfahrenseröffnung.480) Wie auch im Regelinsolvenzverfahren ist eine Anmeldung vor Verfahrenseröffnung beim vorläufigen Sachwalter wirkungslos.481) Vor Aufnahme der Forderungen in die Insolvenztabelle hat der Sachwalter diese 277 auf ihre formale Vollständigkeit hin zu überprüfen. Insoweit unterscheidet sich sein ___________ 478) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 283 Rn. 6; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 283 Rn. 15. 479) Anstelle vieler Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rn. 3; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 283 Rn. 5; zuletzt auch BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, 798. 480) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270c Rn. 1. 481) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rn. 6; Jungmann, in: K. Schmidt, InsO, § 174 Rn. 5; Kießner, in: FK-InsO, § 174 Rn. 62; a. A. Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 174 Rn. 14; Holzer, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 28 Rn. 3.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Vorprüfungsrecht nicht von dem des Insolvenzverwalters.482) Liegen die Mindestanforderungen im Sinne des § 174 InsO (Nennung von Forderungsgrund und -betrag, Unterzeichnung) nicht vor oder besteht ein offensichtlicher Mangel, kann der Sachwalter die Forderung zurückweisen. Eine Zurückweisung aus materiell-rechtlichen Gründen kann aufgrund der rein beurkundenden Tätigkeit an dieser Stelle nicht erfolgen.483) Weist der Sachwalter die Eintragung einer Forderung zurück, können die betroffenen Gläubiger über § 58 InsO ein Einschreiten des Insolvenzgerichts anregen (siehe hierzu unten Rn. 362 ff. zutreffend, falls konkreter gewünscht Rn. 365).484)

278 Die Tabelle ist nach erfolgter Prüfung mit den Anmeldungen und beigefügten Urkunden mindestens in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsicht niederzulegen, § 175 Abs. 1 InsO. Nach Ablauf der Niederlegungsfrist findet der bereits mit Eröffnungsbeschluss terminierte (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und auch in der Eigenverwaltung abzuhaltende Prüfungstermin statt, § 176 InsO. Bestehen Zweifel am materiell-rechtlichen Bestand einer Forderungen oder ihrer Qualität als Insolvenzforderung, so kann in diesem Termin Widerspruch gegen die Anmeldung erhoben werden. Widerspruchsbefugt sind neben den Gläubigern auch Schuldner und Sachwalter, § 283 Abs. 1 InsO. Eine im Prüfungstermin bestrittene Forderung gilt gemäß § 283 Abs. 1 S. 2 InsO als nicht festgestellt; dem betroffenen Gläubiger bleibt sodann die Möglichkeit gegen den Bestreitenden Klage auf Feststellung zur Tabelle zu erheben (§§ 179, 180 InsO).485)

bb) Prüfung des Verteilungsverzeichnisses, § 283 Abs. 2 S. 2 InsO 279 Nach dem Prüfungstermin weiterhin unbestrittene sowie bestrittene Forderungen, letztere soweit sie Gegenstand einer Klage auf Feststellung zur Tabelle sind, werden in das Verteilungsverzeichnis (§ 188 InsO) aufgenommen. Dieses ist durch den Schuldner zu erstellen, dem sodann auch die Verteilung selbst obliegt. Gemäß § 283 Abs. 2 S. 2 InsO hat der Sachwalter dieses Verzeichnis zu überprüfen und schriftlich zu erklären, ob Einwendungen zu erheben sind. Zu überprüfen hat er den formalen Inhalt des Verteilungsverzeichnisses, also die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorgaben durch den Schuldner. Materiell-rechtliche Einwendungen, die sich gegen den Bestand der Forderung als solche richten, sind hingegen bereits im Prüfungstermin vorzubringen und folglich nicht Teil der Prüfungspflicht des Sachwalters (vgl. zuvor).486) ___________ 482) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rn. 9. 483) Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 175 Rn. 5; Riedel, in: MünchKomm-InsO, § 175 Rn. 11; Jungmann, in: K. Schmidt, InsO, § 174 Rn. 37. 484) Ringstmeier, in: FAK-InsO, § 270c Rn. 6. 485) Hierzu ausführlich Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 283 Rn. 15. 486) Materiell-rechtliche Prüfung der Forderung ist mit der Feststellung zur Tabelle abgeschlossen, vgl. Füchsl/Weishäupl/Kebekus/Schwarzer, in: MünchKomm-InsO, § 188 Rn. 3.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Welche Folgen etwaige Einwendungen des Sachwalters haben, ist in § 283 Abs. 2 280 InsO hingegen nicht geregelt. Im Regelinsolvenzverfahren erhobene Einwendungen der Gläubiger gegen die Vollständigkeit und Richtigkeit des Verteilungsverzeichnisses haben gemäß § 194 InsO eine gerichtliche Entscheidung zur Folge. Ob auch Einwendungen des Sachwalters eine § 194 InsO entsprechende Entscheidung des Gerichts veranlassen, wird uneinheitlich beantwortet.487) Bereits der Wortlaut des § 283 Abs. 2 S. 2 InsO, wonach der Sachwalter nicht selbst Einwendungen „zu erheben“, sondern sich schriftlich darüber zu erklären hat, ob solche „zu erheben sind“, spricht zutreffender Weise gegen eine analoge Anwendung von § 194 InsO. Die Formulierung spricht vielmehr dafür, dass sich der Sachwalter schriftlich erklärt und diese Erklärung den Gläubigern als Grundlage dient, um zu entscheiden, ob sie eigene Einwendungen erheben.488) Gegen eine (analoge) Anwendung von § 194 InsO spricht jedoch auch die Tatsache, dass Einwendungen gegen das Verzeichnis der individuellen Rechtsverfolgung der Gläubiger dienen,489) der Sachwalter jedoch nicht Interessenvertreter der Gläubiger in diesem Sinne ist (vgl. hierzu oben Rn. 130), sondern vielmehr Unabhängigkeit zu wahren hat. Der Sachwalter ist damit richtigerweise auf die Abgabe einer Stellungnahme beschränkt. Diese ist entsprechend § 188 S. 2 InsO mit dem Verteilungsverzeichnis zur Einsicht aller Beteiligten auf der Geschäftsstelle niederzulegen.490) Auch bei der Prüfungspflicht nach § 283 Abs. 2 S. 2 InsO handelt es sich folglich um 281 ein Instrument der nachgelagerten Kontrolle. Grundsätzlich sollte jedoch vermieden werden, dass der Sachwalter nachträglich Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis erheben muss, da dies zu einem Vertrauensverlust der Gläubiger beitragen kann. Hier sollte vielmehr eine vorherige Abstimmung zwischen Schuldner und Sachwalter dergestalt erfolgen, dass der Sachwalter bereits aktiv in die Erstellung der Verzeichnisse eingebunden ist und etwaige Bedenken bereits zu diesem Zeitpunkt äußern kann.491) Nur mit einem aktiven Tätigwerden bei kontinuierlicher Kommunikation kann das Verfahren im Sinne aller Verfahrensbeteiligten erfolgreich geführt werden.

e)

Ausarbeitung des Insolvenzplans und Überwachung der Planerfüllung, § 284 InsO

Der Sachwalter kann gemäß § 284 Abs. 1 S. 1 InsO schließlich durch die Gläubiger- 282 versammlung mit der Ausarbeitung des Insolvenzplans beauftragt werden. Wird der ___________ 487) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 283 Rn. 23; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 283 Rn. 6; Landfermann, in: HK-InsO, § 283 Rn. 7; a. A.: Foltis, in: FK-InsO, § 283 Rn. 8. 488) Im Ergebnis auch Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 283 Rn. 11; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 15 Rn. 42; Landfermann, in: HK-InsO, § 283 Rn. 7. 489) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 283 Rn. 27. 490) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 283 Rn. 22; Landfermann, in: HK-InsO, § 283 Rn. 7. 491) So tendenziell auch Riggert, in: Braun-InsO, § 283 Rn. 7.

101

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Auftrag an den Schuldner gerichtet, so stellt die beratende Mitwirkung nach § 284 Abs. 1 S. 2 InsO keine originäre, sondern vielmehr eine Mitwirkungsaufgabe des Sachwalters dar. Soweit der Insolvenzplan im Sinne von § 260 Abs. 1 InsO die Überwachung der Planerfüllung vorsieht, ist diese gemäß § 284 Abs. 2 InsO zwingend durch den Sachwalter vorzunehmen. Insoweit handelt es sich um einen Teil des originären Aufgabenbereichs des Sachwalters.

283 Im Eröffnungsverfahren ist die Regelung des § 284 InsO nicht direkt anwendbar. Zum einen fehlt es an einem Verweis der §§ 270a, 270b InsO, zum anderen existiert noch keine Gläubigerversammlung, die Schuldner oder Sachwalter mit der Erstellung des Plans beauftragen könnte. Dennoch besteht im Eröffnungsverfahren und insbesondere im Schutzschirmverfahren nach § 270b bereits regelmäßig das Erfordernis, den Insolvenzplan auszuarbeiten. Aus diesem Grund geht der BGH in diesem Zusammenhang davon aus, dass der vorläufige Sachwalter in entsprechender Anwendung von § 284 Abs. 1 S. 1 InsO mit Zustimmung des Schuldners durch den vorläufigen Gläubigerausschuss mit der Erarbeitung beauftragt werden kann.492)

4.

Resümee

a) Effektiver Gläubigerschutz durch den aktiven Sachwalter 284 Der Blick auf die zuvor dargestellten Aufgaben des Sachwalters zeigt, dass dem Sachwalter nur ausnahmsweise absolute Eingriffsbefugnisse mit Außenwirkung zugeteilt sind. Hinsichtlich der meisten, dem Schuldner übertragenen Aufgaben setzt der Gesetzgeber hingegen auf eine Zusammenarbeit von Schuldner und Sachwalter, die sich überwiegend in den nicht konstitutiv wirkenden Zustimmungs- und Einvernehmenserfordernissen der §§ 275 ff. InsO niederschlägt. Dem Sachwalter ist insoweit als einziges Sanktionsmittel die Nachteilsanzeige nach § 274 Abs. 3 InsO an die Hand gegeben ist, auf die er im Sinne der Gläubiger und des Verfahrens jedoch nicht verwiesen werden sollte. Zum einen ist die Anzeigepflicht vielfach nicht praxisgerecht, zum anderen stellt sie lediglich ein Mittel der nachträglichen Sanktion dar und wird aufgrund des damit verbundenen Vertrauensverlusts regelmäßig zu einem Scheitern der Eigenverwaltung führen (siehe hierzu zuvor). Die Funktion der Nachteilsanzeige sollte daher in dem damit verbundenen Druckmittel des Sachwalters gesehen werden und eine Ausübung lediglich als ultima ratio erfolgen.

aa) Praktische Notwendigkeit eines aktiven Sachwalters 285 Eine sachgerechte Wahrnehmung der dem Sachwalter übertragenen Aufgaben kann vielmehr nur durch eine aktive Einbindung des Sachwalters in das Verfahren erreicht werden. Dies bringt zum einen den Vorteil, dass der Sachwalter näher an den Entscheidungen des Schuldners ist und aufgrund des damit verbundenen detaillierteren ___________ 492) BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 76.

102

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Einblicks auch die ihm zugewiesene Kontrollfunktion besser ausüben kann. Zum anderen kann der Sachwalter durch ein aktives Tätigwerden das Verfahren mit seiner Expertise begleiten, etwaige Fehlentscheidungen des Schuldners bereits in ihrer Entstehung positiv beeinflussen und schließlich auch im Rechtsverkehr für das notwendige Vertrauen sorgen. In vielen Verfahren besteht ein praktisches Bedürfnis für eine derartige Tätigkeit des 286 Sachwalters. Denn dem Schuldner sind in der Eigenverwaltung Aufgaben zugeteilt, die im Regelinsolvenzverfahren sonst durch einen Insolvenzverwalter wahrgenommen werden. Der Schuldner muss grundsätzlich in der Lage sein, die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können. Dennoch erfordert das Verfahren in Eigenverwaltung zum Teil tiefgehende insolvenzrechtlichen, steuerrechtliche oder betriebswirtschaftliche Kenntnisse und kommunikativen Fähigkeiten, über die die überwiegende Anzahl der Schuldner bzw. geschäftsführenden Organen nicht verfügt. Dabei kann es nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, die Eigenverwaltung auf die wenigen bis nicht vorhandenen Fälle zu beschränken, in denen der Schuldner diese spezifische Expertise mitbringt. Gleichzeitig kann es auch nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen sein, ein Insolvenzverfahren zu schaffen, dass ausschließlich mit dem Einkauf externer Sanierungsberater vollzogen werden kann.493) Der seitens des Gesetzgebers so hervorgehobene Kostenvorteil eines Eigenverwaltungsverfahrens, wäre hierdurch vielfach neutralisiert. Mehr noch, die Beauftragung eines Sanierungsberaters oder Sanierungsgeschäftsführers kann aufgrund der gesetzlich der Höhe nach nicht begrenzten Vergütung schnell höhere Kosten als ein vergleichbares Regelinsolvenzverfahren verursachen. Konsequenterweise muss dann jedoch die Frage gestellt werden, ob die Anordnung der Eigenverwaltung aufgrund von Nachteilen für die Gläubiger im Sinne von § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO nicht regelmäßig zu versagen wäre (siehe hierzu bereits oben Rn. 54 ff.). Gestattet man es dem Sachwalter hingegen, das Verfahren aktiv zu begleiten, so kann dies dazu beitragen, dass der Sachwalter im Vorfeld des bei ihm einzuholenden Einverständnisses in die Entscheidungsfindung mit eingebunden wird und der Schuldner so die Möglichkeit hat, die Expertise des Sachwalters in die Ausrichtung seines Handelns miteinfließen zu lassen. Daneben ist es oftmals auch das Marktumfeld des Schuldners, das eine aktive Rol- 287 lenwahrnehmung erforderlich macht. In der Praxis knüpfen viele Geschäftspartner die weitere Zusammenarbeit mit dem Schuldner an die Person des (vorläufigen) Sachwalters. Der Sachwalter kann hier als vertrauensbildendes Korrelat zur Insolvenzreife des schuldnerischen Unternehmens wirken, ohne dessen Auftreten eine erfolgreiche Betriebsfortführung vielfach nicht möglich ist (vgl. hierzu auch unten ___________ 493) A. A. wohl Rendels/Zabel, InDat-Report 2/2016, 52, 54, wonach bei kleineren Unternehmen, die keine Liquidität für die Beauftragung eines Beraters haben, die Eigenverwaltung besser nicht angeordnet werden solle.

103

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Rn. 448 ff.). Zu einer aktiven Wahrnehmung der Sachwalterrolle muss folglich auch die Möglichkeit gehören, dass der Sachwalter an der Seite des Schuldners gegenüber Lieferanten und anderen Vertragspartnern nach außen in Erscheinung tritt, Verhandlungen begleitet und als Bindeglied zwischen den Beteiligten fungiert (vgl. hierzu auch unten, Rn. 448 ff.).

bb) Zulässigkeit des aktiven Sachwalters 288 Trotz dieses praktischen Bedürfnisses hat sich der Begriff des „aktiven Sachwalters“ im Zusammenhang mit der Eigenverwaltung in Rechtsprechung und Literatur zuletzt fast zu einem Unwort entwickelt. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Sachwalter, soweit er sich aktiv im Verfahren positioniert, automatisch eine gewisse beratende und unterstützende Funktion einnimmt.

289 Richtig ist zwar, dass der Sachwalter kein „Berater des Schuldners“ sein darf. Der Sachwalter hat als unabhängige Instanz das übergeordnete Gebot der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (§ 1 InsO) zu wahren und ist damit in erster Linie den Gläubigerinteressen verpflichtet. Eine Beratung des Schuldners im Sinne einer einseitigen Interessenwahrnehmung und -gebundenheit ist mit der notwendigen Unabhängigkeit des Sachwalters nicht zu vereinen. (vgl. zur (Un-) Zulässigkeit eines gesonderten Beratungsvertrags ausführlich unten Rn. 573 ff.). Dem Sachwalter muss es jedoch gestattet sein, sich innerhalb des Verfahrenszwecks als neutrale Instanz im Sinne der Gläubiger und einer erfolgreichen Sanierung aktiv am Verfahren und an der Sanierung des Unternehmens zu beteiligen.494)

290 Die Vorschriften zur Eigenverwaltung enthalten zu der Frage, ob dem Sachwalter eine beratende und unterstützende Funktion erlaubt ist, keine eindeutige Regelung. Lediglich in § 284 Abs. 1 S. 2 InsO ist eine beratende Mitwirkung des Sachwalters ausdrücklich vorgesehen, soweit dieser von der Gläubigerversammlung mit der Ausarbeitung des Insolvenzplans beauftragt wurde (siehe hierzu oben Rn. 282 f.).495)

291 Aufgrund der Tatsache, dass eine aktive Rollenwahrnehmung des Sachwalters nicht ausdrücklich gesetzlich normiert ist, wird teilweise vertreten, der Sachwalter habe sich auf eine rein passive Aufsichtsfunktion zu beschränken, eine unterstützende oder beratende Funktion sei ihm hingegen nicht möglich.496) Das Eigenverwaltungsverfahren dürfe ausschließlich solchen Schuldnern zugänglich gemacht werden, die über die erforderlichen rechtlichen Kenntnisse und kommunikativen Fähigkeiten verfügen. Fehle es an diesen Kenntnissen, habe der Schuldner diese Expertise entweder extern durch die Beauftragung von Sanierungsberatern oder die Bestellung ___________ 494) I. E. auch Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 487 ff. 495) So auch Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1073. 496) So beispielsweise Buchalik/Schröder u. a., ZInsO 2016, 1445, 1449; Frind, Insbüro 2016, 14, 19; Ehlers, ZInsO 2015, 1417, 1419; Landfermann, in: HK-InsO, § 270a Rn. 14.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

eines Sanierungsgeschäftsführers einzukaufen oder die Eigenverwaltung dürfe nicht angeordnet werden.497) Diese nicht zuletzt auch von Sanierungsberatern vertretene Ansicht verkennt jedoch, 292 dass das Gesetz gerade kein Leitbild eines passiven Sachwalters statuiert. Die gesetzliche Ausgestaltung lässt vielmehr unterschiedliche Ausprägungen zu. Nicht jedes Eigenverwaltungsverfahren ist gleich gelagert; es hängt vielmehr vom konkreten Verfahren und dessen individuellen Bedarf ab, mit welcher Intensität der Sachwalter die ihm übertragenen Aufgaben ausüben muss. Auch der Gesetzgeber hat dies erkannt. So wurden durch die Möglichkeit der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts und die Übernahme der Kassenführung bereits zwei Wege in das Gesetz aufgenommen, um auf den individuellen Bedarf des konkreten Eigenverwaltungsverfahrens zu reagieren. So kann sich der Sachwalter in einem einfach gelagerten Verfahren mit einem insolvenzrechtlich versierten und kooperativen Schuldner ausschließlich auf seine passiven Mindestpflichten, namentlich die Ausübung der Kontroll- und Überwachungsfunktion, beschränken. In diesem Fall wird das Gericht einen Zustimmungsvorbehalt nicht anordnen, die Gläubiger einen solchen auch regelmäßig nicht beantragen, der Sachwalter das Kassenführungsrecht nicht übernehmen und auch im Übrigen nicht im Rechtsverkehr nach außen in Erscheinung treten. Der Sachwalter befindet sich in diesem Fall vielmehr in einer passiven Beobachterrolle. Maßgeblich muss vielmehr sein, dass eine Kontrolle des Schuldners durch den Sach- 293 walter gesichert ist, was nur durch einen unabhängigen Sachwalter erreicht werden kann. Die Unterstützung als aktiver Sachwalter wahrt jedoch die notwendige Unabhängigkeit, da diese nicht interessengebunden zugunsten des Schuldners erfolgt, sondern der Sachwalter vielmehr weiterhin als neutrale und unabhängige Instanz fungiert und durch seine Tätigkeit letztlich die Interessen der Gläubiger, lediglich in einer anderen Ausprägung, vertritt.498) Für die Zulässigkeit solcher Unterstützungsmaßnahmen spricht auch ein Vergleich 294 zu den Regelungen der VglO. Wie aufgezeigt, beruhen sowohl die Eigenverwaltung als auch die Rolle des Sachwalters in wesentlichen Teilen auf diesem nationalen Vorbild. Insbesondere die Aufgaben des Vergleichsverwalters finden sich heute beinahe wortgleich in der Insolvenzordnung wieder (siehe hierzu oben Rn. 24 ff.) Hinsichtlich des Vergleichverwalters war es jedoch anerkannt, dass dieser den Schuldner im Rahmen des Verfahrenszwecks unterstützt und berät (vgl. oben Rn. 28). Da der Aufgabenbereich des Sachwalters eng an den des Vergleichsverwalters angelehnt ___________ 497) Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1829; Buchalik/Schröder u. a., ZInsO 2016, 1445, 1449; Frind, Insbüro 2016, 14, 19. 498) Für eine zulässige „insolvenzrechtliche Beratung“ durch den Sachwalter Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1073 ff., 1086; i. E. auch Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 489 die von einer „gläubigerschützenden Beratung“ sprechen; vgl. auch Zimmer, ZInsO 2013, 2305, 2307; für eine Unterstützung bei der Erfüllung von „gerichtsspezifischen Erwartungen und Anforderungen“ auch Flöther, ZInsO 2014, 465, 466.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

ist,499) ist auch dies ein Argument dafür, dass auch dem Sachwalter eine Unterstützung und Beratung erlaubt sein muss.500) Das im Vergleich zur Vergleichsordnung veränderte Ziel der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung (siehe hierzu oben Rn. 168) steht diesem Vergleich dabei nicht entgegen, denn wie zuvor ausgeführt, erfolgt diese Unterstützung nicht interessengebunden zugunsten des Schuldners, sondern vielmehr im Sinne des Verfahrens und im Interesse der Gläubiger. Dasselbe Verständnis des Aufgabenbereichs des Sachwalters hatte wohl auch der Gesetzgeber, der bei Schaffung der Insolvenzordnung selbstverständlich davon ausging, dass der Sachwalter die Geschäftsführung „kontrolliert und unterstützt“501).

295 Soweit es das konkrete Verfahren erfordert, muss dem Sachwalter eine aktive Wahrnehmung seiner Rolle folglich möglich sein. Darunter hat nicht nur die Zurverfügungstellung seiner vorhandenen Expertise zum Erreichen einer erfolgreichen Sanierung zu fallen. Auch das Erscheinen des Sachwalters nach außen, beispielsweise durch eine Begleitung des Schuldners bei Vertragsverhandlungen, muss erfasst sein. Nimmt der Sachwalter seine Rolle derart wahr, dient dies ausschließlich den Interessen der Gläubiger. Der Sachwalter hat sich insoweit jedoch auf beratende und unterstützende Tätigkeiten zu beschränken. Eine (vollständige) Übernahme der dem Schuldner übertragenen Aufgaben, wie insbesondere die operative Geschäftsführung, widerspricht hingegen dem Leitbild der Eigenverwaltung und muss daher unzulässig sein.502)

b) Der aktive Sachwalter als „Quasi-Insolvenzverwalter“? 296 Auch wenn der Sachwalter seine Rolle in der vorstehend beschriebene Form aktiv teilnimmt, handelt es sich bei dem aktiven Sachwalter jedenfalls nicht um einen „Quasi-Insolvenzverwalter“. Die gesetzliche Intention der Eigenverwaltung, dem Schuldner die originären Aufgaben der Betriebsfortführung zu überlassen und gerade keinen Insolvenzverwalter zu bestellen, wird auch bei einer aktiven Rollenwahrnehmung nicht umgangen. Die in der Eigenverwaltung vorgesehene Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen Schuldner und Sachwalter wird vielmehr auch bei einer derartigen Wahrnehmung der Sachwalterrolle gewahrt.

297 Der aktive Sachwalter begleitet das Verfahren lediglich unterstützend, steht dem Schuldner mit seiner Expertise als Ansprechpartner zur Verfügung und unterstützt diesen im Rahmen der Betriebsfortführung und Sanierung. Wie zuvor dargestellt erfolgt diese Tätigkeit unabhängig von den Interessen des Schuldners und vielmehr im Interesse der Gläubiger. Indem sich der Sachwalter, sowohl intern als auch extern, in die Betriebsfortführung einbinden lässt und diese begleitet, kann er zum einen ___________ 499) 500) 501) 502)

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Vgl. Landfermann, in: HK-InsO, § 274 Rn. 11. So auch Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1074. Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. Vgl. auch Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1087, wonach strategische und unternehmerische Entscheidungen dem Schuldner allein obliegen müssen.

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

den Verfahrensfortgang positiv beeinflussen und zum anderen das notwendige Vertrauen im Rechtsverkehr schaffen. Die Umsetzung der jeweiligen Maßnahmen selbst, verbleibt hingegen beim Schuldner, der die Letztentscheidungsbefugnis hat. Im Gegensatz zum Regelinsolvenzverwalter können dem Sachwalter keine Aufgaben der Betriebsfortführung zur eigenständigen Wahrnehmung übertragen werden. Der aktive Sachwalter erhebt sich auch nicht auf der Ebene seines Kenntnisstandes 298 auf die Stufe eines Quasi-Insolvenzverwalters. Zwar muss der aktive Sachwalter, um seine Aufgaben sachgemäß wahrnehmen zu können, einen vollumfassenden Überblick über die Vermögensverhältnisse des Schuldners und seine Geschäftstätigkeit haben. Dies gilt jedoch ebenso für einen rein passiv tätigen Sachwalter. Denn unabhängig von der Frage, inwieweit der Sachwalter das Verfahren über seinen Mindestaufgabenbereich hinaus unterstützt, ist der Sachwalter im Vergleich zum Insolvenzverwalter letztlich nur von einem Bruchteil der Aufgaben befreit. So treffen ihn selbst zwar nicht die Rechnungslegungspflichten (Schlussrechnung, § 66 InsO), die Pflicht zur Erstellung des Berichts an die Gläubigerversammlung (§ 79 InsO) sowie der Erstellung des Vermögensverzeichnisses (§ 153 InsO), er muss die seitens des Schuldners aufgestellten Verzeichnisse jedoch überprüfen und mit seiner Stellungnahme versehen (siehe hierzu bereits oben). Die ordnungsgemäße Wahrnehmung dieser Aufgaben erfordert einen detaillierten Einblick in die Vermögensverhältnisse des Schuldners. Gleiches gilt hinsichtlich der Wahrnehmung der dem Sachwalter übertragenen Mitwirkungsaufgaben. Auch wenn sich ein passiver Sachwalter auf die bloße Kontrolle eines ihm vorgeschlagenen Rechtsgeschäfts oder einer beabsichtigten Maßnahme beschränkt, muss er, um sein Einverständnis erteilen zu können, belastbare und umfassende Informationen haben. Folglich muss selbst der Kenntnisstand eines passiven Sachwalters überwiegend dem eines Insolvenzverwalters entsprechen,503) womit sich der Arbeitsaufwand eines aktiven wie passiven Sachwalters ohnehin vielfach nur unmerklich von dem eines Insolvenzverwalters unterscheidet.504)

II. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in der Eigenverwaltung 1.

Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners

Dem Sachwalter sind folglich umfangreiche Kontrollpflichten auferlegt, die nach 299 hier vertretener Ansicht im Einzelfall, soweit erforderlich, durch Unterstützungsmaßnahmen gesäumt werden. Die Eigenverwaltung wird jedoch maßgeblich durch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners geprägt, dem in erster Linie die Aufgaben der Betriebsfortführung obliegen. Wie aufgezeigt, korrespondiert damit nicht nur das Recht zur Geschäftsführung selbst, sondern vielmehr umfangreiche weitere Rechte und Pflichten, wie beispielsweise die Ausübung der Wahl- und Kündigungsrechte nach § 279 S. 1 InsO (vgl. hierzu bereits oben Rn. 243 f.), die Verwer___________ 503) Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 26; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 50. 504) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 73.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

tung des Sicherungsguts nach § 282 Abs. 1 InsO (vgl. hierzu oben Rn. 253) oder die Verteilung der Insolvenzmasse nach § 283 InsO (vgl. hierzu oben Rn. 279).

300 Die dogmatische Grundlage der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners in der Eigenverwaltung ist Gegenstand einer umfassenden literarischen Diskussion.

a) Rechtsstellung des Schuldners im eröffneten Verfahren 301 Während teilweise, gleichlaufend mit dem umgangssprachlichen Wortgebrauch, davon ausgegangen wird, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach Verfahrenseröffnung beim Schuldner verbleibt, er diese also behält505), geht die mittlerweile überwiegende Ansicht zutreffender Weise davon aus, dass der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch den Eröffnungsbeschluss erhält.506) Der Schuldner handelt demnach nicht kraft eigener Privatautonomie, sondern als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten, der sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht aus der gerichtlichen Anordnung ableitet.507)

302 Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 270 Abs. 1 InsO, wonach der Schuldner nicht berechtigt bleibt, sondern ihm vielmehr die originär insolvenzspezifische Befugnis, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, mit Anordnung der Eigenverwaltung erst eingeräumt wird.508) Auch die aus der Eigenverwaltung resultierenden umfassenden Rechte und Pflichten des Schuldners, wie die Ausübung des Erfüllungswahlrechts nach den §§ 103, 279 InsO sowie die eintretende Trennung zwischen dem vom Insolvenzbeschlag umfassten und dem insolvenzfreien Vermögen, lassen sich nur sinnvoll begründen, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners eine insolvenzspezifische Befugnis darstellt.509) Denn wie sollte unter Fortgeltung der eigenen Privatautonomie beispielsweise argumentiert werden, dass sich der Schuldner unter Anwendung von § 279 S. 1 i. V. m. §§ 103 ff. InsO von Verträgen lösen kann, die er vor Anordnung der Eigenverwaltung selbst eingegangen ist.510) Schließlich würde die Gegenansicht den Anordnungsbeschluss (§§ 270, 27 InsO) auf eine rein deklaratorische Wirkung reduzieren.511) ___________ 505) LAG Stuttgart, Beschl. v. 3.7.2014 – 10 TaBV 3/14 ZIP 2014, 1455; tendenziell auch Landfermann, in: HK-InsO, § 270 Rn. 30. 506) So Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 6; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 12; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 141; Foltis, in: FK-InsO, § 270 Rn. 15; Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 270a Rn. 13. 507) Pape/Uhlenbruck u. a., Insolvenzrecht, S. 39. 508) Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 149. 509) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 270 Rn. 1. 510) Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 149; Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 6. 511) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 12.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Dieser Streit ist nicht nur dogmatischer Natur, sondern erlangt insbesondere dann 303 Relevanz, wenn es um die Wirksamkeit insolvenzzweckwidriger Handlungen geht. Als Amtswalter hat der Schuldner sein Handeln am Verfahrensziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung auszurichten.512) Insolvenzzweckwidrige Handlungen sind damit entsprechend den allgemeinen Grund- sätzen, die auch im Rahmen der Eigenverwaltung Anwendung finden, unwirksam.513) Würde der Schuldner seine Verfügungsmacht hingegen aus seiner fortgeltenden eigenen Privatautonomie ableiten, müssten diese Handlungen wirksam bleiben, was das Ziel des § 1 InsO jedoch konterkarieren würde. Als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten entscheidet er auch über die Aufnah- 304 me und Fortführung von Prozessen gemäß der §§ 85, 86 InsO.514) Die Rechtsprechung des BGH, wonach mit Anordnung der Eigenverwaltung eine Prozessunterbrechung nach § 240 ZPO eintritt, der Schuldner jedoch die Prozessführungsbefugnis behält und damit Partei eines etwaigen Rechtsstreits bleibt, erscheint dabei zweifelhaft.515) Der Schuldner ist mit Verfahrenseröffnung hinsichtlich des Sondervermögens Insolvenzmasse vielmehr und ebenso wie der Insolvenzverwalter Partei kraft Amtes.516) Damit lässt sich eine andere Behandlung nicht begründen; der Schuldner hat einen Prozess damit ebenso wie der Insolvenzverwalter in Prozessstandschaft zu führen oder fortzusetzen.517) Konsequenterweise hat der Schuldner bei Führung eines Prozesses damit auch einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe gemäß § 116 Nr. 1 InsO.518)

b) Rechtsstellung des Schuldners im Eröffnungsverfahren Während des Eröffnungsverfahrens lässt sich die Stellung des Schuldners als Amts- 305 walter in eigenen Angelegenheiten hingegen nicht begründen. Die zuvor angesprochenen insolvenzspezifischen Befugnisse, die eine insolvenzrechtliche Rechtsmachtzuweisung erfordern würden, erhält der Schuldner erst mit dem Eröffnungsbeschluss.519) ___________ 512) Pape/Uhlenbruck u. a., Insolvenzrecht, S. 39. 513) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 270 Rn. 1; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 149; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 276 Rn. 21; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 17; zur Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Handlungen im Allgemeinen vgl. nur BGH, Beschl. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06 NZI 2008, 365; BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99 NZI 2002, 375, 376; vgl hierzu auch unten Rn. 573 ff. 514) So bereits Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 12. 515) BGH, Beschl. v. 7.12.2006 – V ZB 93/06 ZIP 2007, 249, 250. 516) Vgl. Eckardt, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 32 Rn. 9 m. w. N. 517) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 12; a. A. Landfermann, in: HK-InsO, § 270 Rn. 33; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 90 Rn. 3. 518) Vgl. auch Weber, ZInsO 2014, 2151; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 18; a. A. LAG Stuttgart, Beschl. v. 3.7.2014 – 10 TaBV 3/14 ZIP 2014, 1455; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 90 Rn. 3. 519) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 31.

109

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Es existiert auch keine förmliche Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung, die die besondere Verfügungsmacht des Schuldners begründen könnte.520) Die „Anordnung“ der vorläufigen Eigenverwaltung erfolgt vielmehr durch die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters. § 270a InsO begründet damit keine Verfügungsmacht eigener Art, sondern regelt vielmehr die Bestellung des vorläufigen Sachwalters unter gleichzeitigem Verzicht auf insolvenzrechtlich geprägte Beschränkungen der Verfügungsmacht nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO.521) Aus diesem Grund ist richtigerweise davon auszugehen, dass der Schuldner im Eröffnungsverfahren aufgrund seiner eigenen fortgeltenden Privatautonomie und nicht als Amtswalter handelt.522)

2.

Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Sachwalters

306 Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse wird jedoch nicht ausnahmslos durch den Schuldner ausgeübt, sondern steht in einem abgegrenzten Bereich vielmehr ausnahmsweise dem Sachwalter zu.

307 Wie festgestellt, wird der Sachwalter hinsichtlich der Geltendmachung der Haftung gemäß der §§ 92, 93 InsO, der Geltendmachung der Insolvenzanfechtung sowie der Geltendmachung der übrigen konfliktanfälligen Ansprüche gemäß § 280 InsO wie ein Insolvenzverwalter tätig (siehe hierzu bereits oben Rn. 260 ff.). Innerhalb dieses Rahmens ist der Sachwalter ausnahmsweise und in Durchbrechung zu § 270 Abs. 1 InsO vollumfassend verwaltungs- und verfügungsbefugt.523) Der Sachwalter begründet im Zusammenhang mit der Ausübung der ihm nach § 280 InsO übertragenen Rechte Masseverbindlichkeiten, handelt in einem Prozess als Partei kraft Amtes und berechtigt und verpflichtet durch sein Handeln folglich unmittelbar die Insolvenzmasse.524)

3.

Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Erlöse der Insolvenzanfechtung

308 Die Geltendmachung der von § 280 InsO erfassten Ansprüche bringt jedoch zwangsläufig auch die Einziehung der entsprechenden Forderungen mit sich, womit sich die Frage stellt, ob sich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Sachwalters auch auf die bereits eingezogenen Erlöse erstreckt oder diese dem Schuldner zukommt. ___________ 520) A. A. Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270a Rn. 12 wonach bereits in der Anordnung nach § 270a InsO ein Konstitutivakt liege, durch den der Schuldner in die Amtswalterstellung einrücke. 521) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 31. 522) So auch Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 270a Rn. 13; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 31. 523) Anstelle vieler Foltis, in: FK-InsO, § 280 Rn. 1. 524) Vgl. Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 280 Rn. 2 m. w. N.

110

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

In der Praxis bietet es sich in der Regel an, dass der Sachwalter zur Einziehung der Er- 309 löse in der Regel ein Sonderkonto eröffnet. Gerade mit Blick auf die Ansprüche der §§ 92, 93 InsO ist die Führung eines Sonderkontos praktikabel, denn die dort geltend gemachten Ansprüche stehen nicht dem Schuldner, sondern vielmehr den geschädigten Gläubigern zu; die Erlöse sind von der sonstigen Insolvenzmasse als Sondermasse getrennt zu halten und an die Berechtigten zu verteilen.525) Die Berechtigung, ein solches Konto zu begründen, muss wie beim vorläufigen Insolvenzverwalter als Annex zur Berechtigung des Sachwalters, die Forderungen einzuziehen, zwangsläufig bestehen.526) Das Sonderkonto ist ein Konto, das einem bestimmten Zweck dient, für den Schuldner als Kontoinhaber eingerichtet wird und für das der Sachwalter verfügungsberechtigt ist.527) Rechtsträger und Verfügungsberechtigter sind damit nicht identisch. Das sich auf dem Sonderkonto befindliche Vermögen stellt als zweckgebundenes Vermögen innerhalb der Insolvenzmasse eine Sondermasse dar. Der Ansicht, dass die Insolvenzordnung im Rahmen der Eigenverwaltung die Bildung einer Sondermasse nicht vorsehe,528) kann hingegen nicht gefolgt werden. Es ist vielmehr zwischen der Einrichtung der Sondermasse über ein Sonderkonto selbst und der anschließenden Verfügungsbefugnis des Sachwalters über diese Erlöse zu unterscheiden. Die realisierten Beträge sind damit regulärer Bestandteil der Insolvenzmasse.529) Die 310 Einziehung über ein Sonderkonto ändert daran nichts, denn auch das Vermögen einer Sondermasse ist Teil einer einzigen Insolvenzmasse und dient lediglich einem bestimmten Zweck.530) Auch der BGH hat in seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 2007 und 2008 bestätigt, dass Zahlungseingänge auf ein Sonderkonto – im Gegensatz zu einem Anderkonto – in die Insolvenzmasse fallen.531) Die Einziehung über ein Sonderkonto trifft damit noch keine Aussage über die sich anschließende Verfügungsberechtigung des Sachwalters.532) Dies ist losgelöst von der Problematik der Sondermasse differenzierend zu betrachten. Ist das Recht zur Kassenführung beim Schuldner verblieben, kann eine Verfügungs- 311 berechtigung des Sachwalters über die Erlöse nur schwerlich begründet werden. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist er berechtigt, „Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 InsO anzufechten“. Seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht damit so weit, wie es von der Anfechtung bis hin zur (prozessualen) Geltendmachung ___________ Ringstmeier, in: FAK-InsO, § 280 Rn. 6. Überzeugend Schulte-Kaubrügger, ZIP 2012, 1400, 1403. Schulte-Kaubrügger, ZIP 2012, 1400, 1402. So Buchalik/Hiebert, ZInsO 2015, 1953. Haarmeyer, in: MünchKomm-InsO, MüKo InsO § 22a Rn. 5; Ringstmeier, in: FAK-InsO, § 280 Rn. 5. 530) Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 35 Rn. 13. 531) BGH, Urt. v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06 ZInsO 2007, 1228; BGH, Urt. v. 18.12.2008 – IX ZR 192/07 ZInsO 2009, 521. 532) Tendenziell dies verkennend Buchalik/Hiebert, ZInsO 2015, 1953, 1954. 525) 526) 527) 528) 529)

111

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

der Rückforderung nötig ist. Sind die Erlöse jedoch dem Konto gutgeschrieben, ist die Anfechtung formal beendet. Der Wortlaut sowie die Regierungsbegründung lassen nicht erkennen, dass eine sich anschließende Befugnis, auch über die Erlöse verfügen zu dürfen, vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Gegen eine solche Befugnis spricht vielmehr die grundsätzliche Kompetenzverteilung in der Eigenverwaltung, in der die Regelung des § 280 InsO einen klaren Bruch darstellt. Nur ausnahmsweise, zur Vermeidung etwaiger Interessenkonflikte, sind dem Sachwalter die Insolvenzanfechtung und die Geltendmachung der Haftungsansprüche zugewiesen. Die hier vertretene Ausweitung der von § 280 InsO erfassten Ansprüche auf Ansprüche mit vergleichbaren Gefährdungspotential (siehe hierzu oben Rn. 264) kann lediglich deshalb erfolgen, da eine offensichtliche Regelungslücke besteht, die angesichts der Vergleichbarkeit der Fälle aller Wahrscheinlichkeit nach auf einem Redaktionsversehen beruht. Im Übrigen hat § 280 InsO im System der Eigenverwaltung jedoch Ausnahmecharakter, so dass eine Ausdehnung der insolvenzverwalterähnlichen Stellung des Sachwalters auch auf die Erlöse nicht in Betracht kommen kann.

312 Soweit der Sachwalter jedoch einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch gegen die Insolvenzmasse hat, kommt die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts in Betracht.533) Buchalik/Hiebert ist aber insoweit zuzustimmen, als ein „vorsorgliches Zurückbehaltungsrecht“ für potentielle oder künftige fällige Ansprüche des Sachwalters mit den Voraussetzungen des § 273 BGB, der jedenfalls einen bereits fälligen Anspruch voraussetzt, nicht vereinbar ist.534) Im Regelfall hat Sachwalter die eingezogenen Beträge somit der Insolvenzmasse zuzuführen.535)

313 Eine Verfügungsberechtigung über die Erlöse ist jedoch dann zu bejahen, wenn der Sachwalter das Kassenführungsrecht des § 275 Abs. 2 InsO an sich gezogen hat. In diesem Fall ist der Sachwalter zwar nicht Partei kraft Amtes, handelt aber als gesetzlicher Vertreter des Schuldners und in dessen Vollmacht, woraus sich die Berechtigung ergibt, über die Konten des Schuldner und damit auch das Sonderkonto zu verfügen (vgl. insoweit oben Rn. 210 f.).

4.

Die Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung

314 Als unmittelbare Folge der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis unterfallen dem Schuldner die mit der Betriebsfortführung zusammenhängenden Aufgaben. Die Eigenverwaltung ist zwar nicht ausschließlich, wohl aber vornehmlich auf die Sanierung eines Unternehmens mittels Betriebsfortführung gerichtet.536) Wie im 1. Teil ___________ 533) Vgl. zum Zurückbehaltungsrecht aufgrund eines zu beanspruchenden Vorschusses nach § 9 InsVV unten Rn. 501. 534) Buchalik/Hiebert, ZInsO 2015, 1953, 1955. 535) Ringstmeier, in: FAK-InsO, § 280 Rn. 6; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 280 Rn. 5. 536) Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 86 Rn. 13; so auch BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 65.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

dargestellt, beruht die Eigenverwaltung unter anderem auf dem Vorbild des U.S.amerikanischen Chapter 11 Verfahrens (siehe oben Rn. 35), worin auch die Konzeption des Gesetzgebers gründet, die Eigenverwaltung insbesondere im Rahmen von Betriebsfortführungen anzuwenden und dabei die Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung zu nutzen. Um eine Unternehmensfortführung bewältigen zu können, muss das Unternehmen 315 jedoch zwangsläufig neue Verbindlichkeiten eingehen. Sei es zur Abdeckung der gewöhnlichen Betriebskosten, zum Erwerb neuer Produktionsmittel oder zur Generierung der so wichtigen neuen Liquidität.537) Die Fortführungsfinanzierung ist zum Gelingen einer erfolgreichen Sanierung unerlässlich und Kernfrage538) jeglicher Unternehmensfortführung (siehe hierzu auch oben Rn. 143 f.). Da es sich bei der Eigenverwaltung auch schon im Eröffnungsverfahren jedoch um keine stille Sequestration handelt, sondern die Anordnung nach § 270a InsO richtigerweise bekannt zu machen ist (vgl. hierzu oben Rn. 125 f.), ist sowohl den bisherigen als auch den neuen Vertragspartnern die Krisensituation des Unternehmens bekannt.539) Die Geschäftspartner des Schuldners müssen also trotz dieser Kenntnis bereit sein, Vertragsbeziehungen mit dem Schuldner neu einzugehen oder fortzusetzen, wozu sie nur im Austausch gegen probate Sicherungsmittel bereit sein werden. Da aber in einem (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren äquivalente Sicherhei- 316 ten oder notwendige Mittel, um alle Lieferanten gegen Vorkasse zu bezahlen, kaum mehr vorhanden sein werden, wird sowohl den Geschäftspartnern des Schuldners als auch den kreditgebenden Banken daran gelegen sein, ihre Forderungen mindestens mit dem Rang einer künftigen Masseverbindlichkeit auszustatten.540) Zum einen können Masseverbindlichkeiten im eröffneten Verfahren vorrangig befriedigt werden (§ 53 InsO), zum anderen ist die Begleichung von Masseschulden nach der Rechtsprechung des BGH „anfechtungsfest“, also einer Insolvenzanfechtung entzogen.541) Eine Betriebsfortführung wird in der Regel somit nur bewerkstelligt werden, wenn 317 den verunsicherten Geschäftspartnern des Schuldners mindestens die Stellung von Massegläubigern eingeräumt werden kann.542) Obwohl der Gesetzgeber bereits bei der Entwicklung der Insolvenzordnung erkannt hat, dass die Fortführungsfinanzierung unerlässlich ist und dem Bedürfnis der Kreditgeber nach einer ausreichenden ___________ 537) Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 270a Rn. 14. 538) Uhlenbruck, in: Mönning, Betriebsfortführung, § 1 Rn. 46. 539) Vgl. zur Publizitätspflicht im Eröffnungsverfahren auch oben, Seite 41 ff.; a. A. Hölzle, in: K. Schmidt, InsO, § 23 Rn. 4 für eine „stille Vorbereitung der Sanierung“ bis zur Verfahrenseröffnung. 540) Blankenburg, ZInsO 2016, 1337, 1338. 541) BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13 NZI 2014, 321, 322; auf die vielfach problematische Frage, ob ein Bargeschäft vorliegt, kommt es dann nicht an, vgl. Blankenburg, ZInsO 2016, 1337, 1338. 542) Frind, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Borchardt/Frind 2.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Sicherung gegenübersteht, verwundert es umso mehr, dass dieses Erfordernis im Rahmen des Eigenverwaltungsverfahren nicht konsequent umgesetzt wurde.543)

a) Eröffnetes Verfahren 318 Die Begründung von Masseverbindlichkeiten ist im eröffneten Verfahren unproblematisch. Das Recht, Masseverbindlichkeiten zu begründen, ist im eröffneten Verfahren dem Schuldner zugewiesen, folgt aus dessen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und beruht auf der Stellung des Schuldners als Amtswalter.544) Der Sachwalter hingegen begründet mangels Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis grundsätzlich keine Masseverbindlichkeiten. Er kann dies nur dort, wo er ausnahmsweise wie ein Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes tätig wird, weshalb sich seine Kompetenz zur Begründung von Masseverbindlichkeiten auf die im Zusammenhang mit der Geltendmachung der ihm nach § 280 InsO (analog) zugewiesenen Aufgaben beschränkt (siehe hierzu oben Rn. 266 ff.).

319 Die Qualifikation als Masseverbindlichkeit beruht in beiden Fällen auf der Regelung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. InsO, wonach es sich bei Verbindlichkeiten, die in anderer Weise als durch Handlungen des Insolvenzverwalters durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, um Masseverbindlichkeiten handelt. Diese werden gemäß § 53 InsO neben den Kosten des Insolvenzverfahrens vorweg, also vor den Insolvenzforderungen, aus der Masse befriedigt.

b) Eröffnungsverfahren 320 Im Eröffnungsverfahren leitet der Schuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hingegen nicht aus einer gerichtlichen Anordnung ab, sondern handelt vielmehr aufgrund seiner eigenen fortgeltenden Privatautonomie (siehe hierzu zuvor Rn. 305 f.). Als bloßes Privatrechtssubjekt fehlt es ihm – ohne entsprechende Ermächtigung – an der Kompetenz, bestimmte Forderungen in den Rang einer späteren Mas___________ 543) Vgl. Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 216: „Für das Gelingen einer Sanierung wird häufig entscheidend sein, dass dem Unternehmen nach der Bestätigung des Sanierungsplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Kredite gewährt werden, mit denen die schwierige Anlaufzeit nach dem Insolvenzverfahren überbrückt wird. Solche Kredite werden aber in dem erforderlichen Umfang nur gewährt werden, wenn der Kreditgeber einigermaßen sicher sein kann, dass er auch im Falle eines Scheiterns der Sanierung und der Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens seinen Rückzahlungsanspruch durchsetzen kann.“ 544) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 133; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 18; Undritz, BB 2012, 1551, 1555 nach a. A. gründet die Kompetenz des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten in § 275 Abs. 1 InsO vgl. Oppermann/Smid, ZInsO 2012, 862, 864; Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 38; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rn. 160; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 13, dies ist jedoch abzulehnen, § 275 Abs. 1 regelt vielmehr nur die interne Aufgabenverteilung zwischen Schuldner und Sachwalter und hat als Soll-Regelung keine Außenwirkung, vgl. Undritz, BB 2012, 1551, 1555; Klinck, ZIP 2013, 853, 859.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

severbindlichkeit zu erheben.545) Erst Recht gilt dies für den vorläufigen Sachwalter, dem es im Eröffnungsverfahren ausnahmslos an der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse fehlt.

aa) Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO Im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO ist eine Ermächtigungsmöglichkeit zu- 321 gunsten des Schuldners ausdrücklich vorgesehen. Soweit der Schuldner gleichzeitig mit der Eigenverwaltung das Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO beantragt, hat das Gericht gemäß § 270b Abs. 3 S. 1 InsO auf seinen Antrag hin anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet. Die Möglichkeit, den vorläufigen Sachwalter zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen, sieht das Gesetz in § 270b InsO hingegen nicht vor. Insoweit handelt es sich um eine gebundene Entscheidung; dem Gericht steht kein 322 Ermessen zu.546) Ausweislich der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses kann der Schuldner wählen, ob er sich mit einer Globalermächtigung ausstatten lässt oder die Erteilung einer Einzelermächtigung anregt.547) Wird eine Globalermächtigung erteilt, so steht es nicht in Belieben des Schuldners, ob er im Einzelfall Masseverbindlichkeiten oder Insolvenzforderungen begründet; maßgeblich ist vielmehr allein die gesetzliche Regelung (§ 55 Abs. 2 InsO).548) Der Schuldner steht in diesem Fall einem vorläufigen starken Insolvenzverwalter gleich. Dem Schuldner kann nach allgemeiner Ansicht jedoch auch eine Einzelermächtigung 323 zur Begründung von Masseverbindlichkeiten erteilt werden. Auf welcher Grundlage dies im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO erfolgt, ist jedoch umstritten. Zum einen wird vertreten, die Einzelermächtigung sei als Minus von der Regelung 324 des § 270b Abs. 3 InsO erfasst, womit es sich auch bei der Erteilung einer Einzelermächtigung, soweit beantragt, um eine gebundene Entscheidung handeln würde.549) Eine andere Ansicht sieht die Erteilung einer Einzelermächtigung hingegen im Alternativverhältnis zu § 270b Abs. 3 InsO, die ausschließlich auf Grundlage von § 270b Abs. 2 S. 3 i. V. m. § 21 Abs. 1 InsO als Sicherungsmaßnahme und un___________ 545) Klinck, ZInsO 2014, 365. 546) Anstelle vieler Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270b Rn. 13; Kern, in: MünchKomm-InsO, § 270b Rn. 107. 547) Begr. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 17/5711, S. 37. 548) BGH, Urt. v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15 ZInsO 2016, 1421, 1422. 549) AG Ludwigshafen, Beschl. v. 10.4.2014 – 3 f IN 27/14 ZInsO 2014, 853, 854; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270b Rn. 13; Landfermann, in: HK-InsO, § 270b Rn. 43; Foltis, in: FKInsO, § 270 b Rn. 40; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 270b Rn. 74; offen zur Rechtsgrundlage BGH, Urt. v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15 ZInsO 2016, 1421; Kern, in: MünchKommInsO, § 270b Rn. 111.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

ter Ausübung pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts angeordnet werden könne.550) Infolge des Vorhandenseins oder Fehlens eines gerichtlichen Ermessens ist dieser Streit nicht nur rein akademischer Natur.

325 Richtigerweise gibt jedoch bereits der Wortlaut der Begründung des Rechtsausschusses hier hinreichend Aufschluss. Der Schuldner hat demnach abzuwägen, ob es sinnvoller ist, bei Gericht Einzelermächtigungen „anzuregen“ oder sich mit einer globalen Ermächtigung ausstatten zu lassen. Die Verwendung des Begriffs der Anregung im Gegensatz zu einem Antrag, wie er nach § 270b Abs. 3 InsO zu stellen wäre, lässt bereits einen hinreichend sicheren Rückschluss auf ein Ermessen des Gerichts bei der Erteilung einer Einzelermächtigung zu. Da dem Gericht bei einer Anordnung nach § 270b Abs. 3 InsO jede Ermessensausübung versagt ist, kommt als Rechtsgrundlage einer Einzelermächtigung folglich nur eine Anordnung gemäß § 270b Abs. 2 S. 3 i. V. m. § 21 Abs. 1 S. 1 InsO in Betracht. Die Gesetzesmaterialien sind nach hier vertretener Ansicht insoweit eindeutig.551)

326 Soweit die Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Einzelermächtigung letztlich umstritten ist, so ist doch die Zulässigkeit der gerichtlichen Anordnung sowohl als Global- als auch als Einzelermächtigung im Schutzschirmverfahren gesetzlich geregelt.

bb) Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO 327 Dies ist für das Eröffnungsverfahren in „einfacher“ Eigenverwaltung hingegen nicht der Fall. Eine mit § 270b Abs. 3 InsO vergleichbare Regelung findet sich in § 270a InsO nicht, woraus eine der meist diskutierten und gravierendsten Schwachstellen des geltenden Eigenverwaltungsverfahrens resultiert. Denn soweit die im Eröffnungsverfahren begründeten Verbindlichkeiten bloße Insolvenzforderungen darstellen würden, wäre die Bereitschaft der Geschäftspartner, die Geschäftsbeziehung mit sich in der Krise befindlichen Unternehmen fortzusetzen, naturgemäß rapide gesenkt. Dies gilt umso mehr, als der Sachwalter das aus dem Regelinsolvenzverfahren bekannte Mittel der Zahlungszusage angesichts der weitreichenden persönlichen Haftung nur vorsichtig formulieren wird (vgl. hierzu unten Rn. 448 f.). Der Schuldner würde sich folglich schwer tun, (un-)echte Massekredite zu generieren geschweige ___________ 550) Riggert, in: Braun-InsO, § 270b Rn. 14; Fiebig, in: HmbKo-InsO, § 270b HmbKo-InsO Rn. 34; AG Hannover, Beschl. v. 15.7.2016 – 908 IN 460/16 – 2 ZInsO 2016, 1535, 1538 sowie LG Hannover, Beschl. v. 22.8.2016 – 11 T 30/16 ZInsO 2015, 1861, 1863; ausweislich des Tatbestands des LG Dresden, Urt. v. 11.9.2013 – 1 O 1168/13 ZInsO 2013, 1962 stützte auch die Vorinstanz (AG Lüneburg) die Einzelermächtigung auf die §§ 21, 22 InsO; vgl. auch Klinck, ZIP 2013, 853, 858; Klinck, ZInsO 2014, 365, 370. 551) So auch AG Hannover, Beschl. v. 15.7.2016 – 908 IN 460/16 – 2 ZInsO 2016, 1535, 1538 mit Verweis auf BGH, Urt. v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15 ZInsO 2016, 1421, Rn. 18, der diese Eindeutigkeit jedoch nicht zu entnehmen ist; Swierczok, ZInsO 2016, 2366, 2370; Klinck, ZInsO 2014, 365, 370.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

denn Lieferbeziehungen fortzusetzen.552) Die daraus resultierenden Lieferstopps und Produktionsverzögerungen wären unvermeidbar.553) Gerade das Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung, das zur Förderung von Sanierungen geschaffen wurde, würde sich so als besonders sanierungsfeindlich erweisen und eine erfolgreiche Eigenverwaltung bereits im Anfangsstadium konterkarieren.554) Zur Frage, ob und in welchem Umfang eine Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten erteilt werden kann, bestehen in Rechtsprechung und Literatur jedoch unterschiedliche Ansätze, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen.

cc) Lösungsansätze (1) Keine Ermächtigung im Eröffnungsverfahren Nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Fulda sowie zuletzt einer Entscheidung 328 des Amtsgerichts Hannover soll die Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO mangels Rechtsgrundlage überhaupt nicht möglich sein.555) Nach Ansicht beider Gerichte scheidet sowohl eine Ermächtigung des Schuldners, als auch des Sachwalters aus. Eine Einzelermächtigung des Schuldners in Anlehnung an die Einzelermächtigung 329 eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 InsO kommt nach Ansicht des Amtsgerichts Fulda bereits mangels Vergleichbarkeit der Fälle nicht in Betracht. Das Amtsgericht Fulda erkannte zwar, dass die Fortführung im Antragsverfahren die Begründung von Massekrediten zwingend notwendig macht, im Gegensatz zum starken vorläufigen oder schwachen vorläufigen mit Einzelermächtigungen versehenen Insolvenzverwalter treffe jedoch weder den Schuldner noch den vorläufigen Sachwalter in der Eigenverwaltung eine Fortführungspflicht. Die Einzelermächtigung sei somit nicht nötig, um gesetzliche Pflichten zu erfüllen. Soweit die Begründung von Masseverbindlichkeiten erforderlich sei, bliebe der Weg über die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, namentlich die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 270a Abs. 1 i. V. m §§ 21 Abs. 1 Nr. 1, 22 InsO. Zwar solle das Gericht im Eröffnungsverfahren von vorläufigen Sicherungsmaßnahmen absehen, dies gelte aber nicht, wenn eine derartige Maßnahme, wie die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, notwendig sei.556) Das Amtsgericht Hanno-

___________ Lambrecht/Michelsen, ZInsO 2015, 2520, 2521. Buchalik/Kraus, ZInsO 2013, 815, 817; Blankenburg, ZInsO 2016, 1337, 1338. Klinck, ZIP 2013, 853, 855. AG Fulda, Beschl. v. 28.3.2012 – 91 IN 9/12 ZIP 2012, 1471; AG Hannover, Beschl. v. 1.7.2016 – 908 IN 460/16 juris, Rn. 18; ebenso Riggert, in: Braun-InsO, § 270a Rn. 6. 556) AG Fulda, Beschl. v. 28.3.2012 – 91 IN 9/12 ZIP 2012, 1471. 552) 553) 554) 555)

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

ver folgte dieser Ansicht und wählte ebenfalls die „Lösung“ über die Bestellung eines vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters.557)

330 Diese Begründung läuft der Zielsetzung des Gesetzgebers und insbesondere auch der Zielsetzung des ESUG jedoch explizit zuwider. Das ESUG hat die Eigenverwaltung in das Eröffnungsverfahren vorverlagert. Die frühere Praxis, unmittelbar nach Antragstellung einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen, wurde bewusst und ausdrücklich aufgegeben. Ein aussichtsreicher Antrag auf Eigenverwaltung soll gerade nicht schon dadurch unterbunden werden, dass dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Unternehmensvermögen entzogen wird und die Geschäftspartner infolgedessen ihr Vertrauen in die Geschäftsleitung und das Sanierungskonzept verlieren.558) Die Notwendigkeit zur Begründung von Masseverbindlichkeiten besteht in jedem auf Betriebsfortführung gerichteten Eröffnungsverfahren. Die angebotene Lösung würde folglich im Regelfall dazu führen, dass ein vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter eingesetzt werden müsste, was die Zahl der Eigenverwaltungsverfahren nicht erhöhen, sondern zurückgehen lassen würde. Das mit dem ESUG verbundene Ziel des Gesetzgebers, die Eigenverwaltung attraktiver zu machen, indem Antragshindernisse beseitigt werden, wäre dadurch konterkariert. Die Ansicht ist folglich abzulehnen.

(2) Originäres Recht des Schuldners 331 Absolut gegenteilig hierzu findet sich die erstmals durch das Amtsgericht Montabaur vertretene und zeitweise auch durch das Amtsgericht Hannover bestätigte Ansicht, eine Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten sei im Eröffnungsverfahren nicht erforderlich, da diese Kompetenz dem Schuldner bereits originär zustehe.559) Insbesondere das Fehlen einer § 270b Abs. 3 InsO entsprechenden Regelung in § 270a InsO zeige, dass der Gesetzeber selbstverständlich davon ausgegangen sei, dass der Schuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung selbst Masseverbindlichkeiten begründen könne.560) Dafür sollen auch systematische Gründe sprechen: Der Schuldner trete mit Anordnung der Eigenverwaltung in die Stellung entsprechend eines vorläufigen starken Insolvenzverwalters ein. Da die Regelung des § 275 InsO, wonach der Schuldner nur mit Zustimmung des Sachwalters bestimmte Verbindlichkeiten begründen solle, über § 270a Abs. 1 S. 2 InsO auch im

___________ 557) AG Hannover, Beschl. v. 1.7.2016 – 908 IN 460/16 juris, Rn. 27. 558) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 39. 559) So AG Montabaur, Beschl. v. 27.12.2012 – 14 IN 282/12 NZI 2013, 350; AG Hannover, Beschl. v. 30.4.2015 – 909 IN 294/15 ZInsO 2015, 1112, 1113; i. E. auch LG Erfurt, Urt. v. 16.10.2015 – 8 O 196/15 ZIP 2015, 2181, 2182; Foltis, in: FK-InsO, § 270a Rn. 22; i. E. auch Frind, ZInsO 2011, 2249, 2260; Frind, ZInsO 2012, 1099, 1100. 560) AG Montabaur, Beschl. v. 27.12.2012 – 14 IN 282/12 NZI 2013, 350, 351.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Eröffnungsverfahren Anwendung finde, sei dieses „Befugnisregime“ in das Eröffnungsverfahren übertragen worden.561) Auch diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Zum einen übt der Schuldner zwar auch 332 im Eröffnungsverfahren die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis aus, dies beruht jedoch wie dargestellt nicht auf einer besonderen insolvenzrechtlichen Befugnis sondern vielmehr auf seiner eigenen fortgeltenden Privatautonomie (vgl. oben Rn. 305 f.). Der Schuldner ist damit, anders als der Insolvenzverwalter, nicht Partei kraft Amtes und kann mit einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter, dessen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf richterlichem Beschluss beruht, nicht gleichgestellt werden.562) Könnte der Schuldner allein aus seiner Rechtsstellung heraus Masseverbindlichkeiten begründen, würde er eine Rechtsmacht erhalten, die sonst nur durch gerichtliche Anordnung zu erlangen ist.563) Auch durch die Anwendbarkeit von § 275 InsO im Eröffnungsverfahren kann ein ori- 333 ginäres Recht des Schuldners nicht begründet werden. Die Regelung des § 275 InsO ist nur eine solche zur internen Aufgabenverteilung und hat keine Außenwirkung (siehe hierzu oben Rn. 198 f.). Schon im eröffneten Verfahren lässt sich das Recht des Schuldners, Masseverbindlichkeiten zu begründen, nicht auf § 275 Abs. 1 InsO stützen,564) so dass dies erst Recht für das Eröffnungsverfahren gelten muss.565) Schließlich hätte ein originäres Recht des Schuldners zur Begründung von Massever- 334 bindlichkeiten weitreichende Konsequenzen. Die unbegrenzte Rechtsmacht, Masseverbindlichkeiten zu begründen, könnte bereits im Eröffnungsverfahren zu einer übermäßigen Vorbelastung der Insolvenzmasse führen, was die Fortführungsliquidität ebenso, wenn auch umgekehrt, belasten und das sich anschließende Eigenverwaltungsverfahren gefährden würde.566) Ein originäres Recht des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten lässt sich folglich nicht begründen.567) Es bedarf vielmehr einer entsprechenden Ermächtigung. Auf welcher gesetzlichen Grundlage diese Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungs___________ 561) AG Hannover, Beschl. v. 30.4.2015 – 909 IN 294/15 ZInsO 2015, 1112; ebenso Foltis, in: FK-InsO, § 270a Rn. 22; Frind, ZInsO 2012, 1099, 1101. 562) So auch Klinck, ZIP 2013, 853, 859 m. w. N.; tendenziell auch BGH, Beschl. v. 24.3.2016 – IX ZR 157/14 ZInsO 2016, 903 (siehe hierzu nachfolgend Rn. 348). 563) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 114. 564) So auch Undritz, BB 2012, 1551, 1555; Klinck, ZIP 2013, 853, 859; OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 1605/13 ZIP 2015, 1937. 565) So auch Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270a Rn. 6; Fiebig, in: HmbKo-InsO, § 270a Rn. 34. 566) Pape, ZInsO 2013, 2129, 2134. 567) So unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung auch AG Hannover, Beschl. v. 1.7.2016 – 908 IN 460/16 juris, Rn. 9 und im nachfolgenden Nichtabhilfeverfahren AG Hannover, Beschl. v. 15.7.2016 – 908 IN 460/16 – 2 ZInsO 2016, 1535 sowie in der Beschwerdeinstanz LG Hannover, Beschl. v. 22.8.2016 – 11 T 30/16 ZInsO 2015, 1861, 1863, alle unter Verweis auf BGH, Beschl. v. 24.3.2016 – IX ZR 157/14 ZInsO 2016, 903 (siehe hierzu unten Rn. 347 f).

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

verfahren des § 270a InsO erfolgen kann und wem sie zu erteilen ist, wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte jedoch uneinheitlich beantwortet.

(3) Einzelermächtigung des vorläufigen Sachwalters 335 Nach Ansicht des Amtsgerichts Hamburg ist die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO hingegen erforderlich und auch zulässig. Das Gericht erachtet insoweit den vorläufigen Sachwalter als richtigen Ermächtigungsadressaten.568)

336 Der vorläufige Sachwalter werde gemäß § 270a Abs. 1 S. 2 anstelle eines vorläufigen Insolvenzverwalters bestellt. Aus diesem Grund könne das Gericht diesen ebenso wie den vorläufigen Insolvenzverwalter einzelfallbezogen mit Befugnissen ausstatten. Eine Ermächtigung des Schuldners scheidet nach Ansicht des Amtsgerichts Hamburg hingegen aus. Die Regelung des § 270b InsO sei insgesamt auf den Sonderfall der fehlenden Zahlungsunfähigkeit zugeschnitten, so dass auch eine analoge Anwendung von § 270b Abs. 3 InsO ausscheide.569)

337 Auch dieser Ansicht ist nach hier vertretener Ansicht nicht zu folgen. Das Amtsgericht Hamburg missinterpretiert die Regelung des § 270a Abs. 1 S. 2 InsO, wonach anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters ein vorläufiger Sachwalter eingesetzt wird. Dies bedeutet nicht, dass der vorläufige Sachwalter im Eröffnungsverfahren die Rechtstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters einnimmt und mit dessen Befugnissen ausgestattet werden kann, sondern vielmehr, dass auf die Bestellung eines solchen verzichtet, gleichzeitig aber ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird. Dass dieser dieselben Kompetenzen wie ein vorläufiger Insolvenzverwalter haben soll, kann weder der Vorschrift selbst noch der Gesetzesbegründung zu § 270a InsO entnommen werden.570) Die Aufgabenverteilung zwischen Schuldner und Sachwalter orientiert sich vielmehr bereits im Eröffnungsverfahren an denselben Grundsätzen wie im eröffneten Verfahren. Der Sachwalter nimmt überwiegend kontrollierende und unterstützende Tätigkeiten wahr, während die geschäftstypischen Aufgaben in den Aufgabenbereich des Schuldners fallen (vgl. hierzu oben Rn. 163 f.). Die Fortführung des Betriebs und damit auch zwangsläufig die Begründung von Masseverbindlichkeiten muss als geschäftstypische Maßnahme folglich in den Aufgabenbereich des Schuldners fallen. Soweit nun der vorläufige Sachwalter zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt werden würde, käme es zu einer unerwünschten Vermischung von Kontroll- und Fortführungsaufgaben im Eröffnungsverfahren.571) ___________ 568) AG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2012 – 67 g IN 74/12 NZI 2012, 566. 569) Vgl. AG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2012 – 67 g IN 74/12 NZI 2012, 566. 570) So auch AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12 ZIP 2012, 1470; LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12 NZI 2013, 91, 92. 571) Vgl. AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12 ZIP 2012, 1470.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Die Ermächtigung des vorläufigen Sachwalters wäre darüber hinaus auch system- 338 widrig. Die Befugnisse des vorläufigen Sachwalters können nicht weiter gehen als die Befugnisse des Sachwalters im eröffneten Verfahren, dem die Befugnis zur Begründung von Masseverbindlichkeiten grundsätzlich572) gerade nicht zusteht und auch nicht durch Einzelermächtigung eingeräumt werden kann.573) Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen jedoch die Befugnisse des vorläufigen Sachwalters denen des Sachwalters im eröffneten Verfahren entsprechen.574) Gegen die Ermächtigung des vorläufigen Sachwalters sprechen mit Blick auf die 339 Haftung des vorläufigen Sachwalters auch systematische Bedenken. Die Regelung des § 274 Abs. 1 InsO verweist nicht auf die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO. Dies ist nur folgerichtig, da Masseverbindlichkeiten im eröffneten Verfahren grundsätzlich nur durch den Schuldner begründet werden. Die Haftungsnorm des § 61 InsO findet auf den Sachwalter im eröffneten Verfahren lediglich bei Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts über § 277 Abs. 1 S. 3 InsO (siehe hierzu unten Rn. 379 ff.), sowie, nach hier vertretener Ansicht, hinsichtlich der im Rahmen von § 280 InsO begründeten Verbindlichkeiten Anwendung (siehe hierzu unten Rn. 391 f.). Im Eröffnungsverfahren, in dem § 274 InsO entsprechend anzuwenden ist, würde 340 es damit an einer anwendbaren Haftungsgrundlage für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten fehlen. Auch wenn diese Lücke möglicherweise im Wege der Analogie geschlossen werden könnte, zeigt das Fehlen eines entsprechenden Verweises von § 274 Abs. 1 InsO auf § 61 InsO, dass es nicht Intention des Gesetzgebers gewesen sein kann, den vorläufigen Sachwalter zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen. Im Gegenteil, aus dem fehlenden Verweis kann nach hier vertretener Ansicht vielmehr die entgegengesetzte Systematik geschlossen werden, nämlich den Sachwalter weder im eröffneten Verfahren noch im Eröffnungsverfahren zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen. Schließlich spricht auch die Regelung des § 270b Abs. 3 InsO gegen die Ermächti- 341 gung des vorläufigen Sachwalters. § 270b Abs. 3 InsO sieht explizit und ausschließlich die Möglichkeit vor, den Schuldner zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen. Folgt man der Ansicht des Amtsgerichts Hamburg, hätte dies zwangsläufig zur Folge, dass in der vorläufigen Eigenverwaltung und im Schutzschirmverfahren personenverschiedene Ermächtigungen stattfinden würden, und das, obwohl das Schutzschirmverfahren lediglich eine Variante der vorläufigen Eigenverwaltung darstellt.575) Dogmatisch lässt sich diese Unterscheidung nicht begrün___________ 572) Zur Ausnahme im Rahmen von § 280 InsO vgl. oben Rn. 266 sowie Rn. 318. 573) So auch AG Köln, Beschl. v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12 ZInsO 2012, 790; LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12 NZI 2013, 91, 92. 574) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 39. 575) I. E. auch Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270a Rn. 6; Undritz, BB 2012, 1551, 1553; siehe hierzu auch oben Rn. 65.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

den, so dass angesichts der Fülle der entgegensprechenden Argumente auch die Ansicht des Amtsgerichts Hamburgs abzulehnen ist.

(4) Einzelermächtigung des Schuldners 342 Der überwiegende Teil der Rechtsprechung sowie des Schrifttums sehen folglich in dem eigenverwaltenden Schuldner das richtige Ermächtigungssubjekt.576) Zur Begründung wird insoweit auf die Generalklausel des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO zurückgegriffen.

343 Die Anordnung auf die Regelung des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO zu stützen, ist nicht nur konsequent, sondern auch dogmatisch zulässig. Gemäß § 270 Abs. 1 S. 2 InsO gelten für die Eigenverwaltung die Vorschriften des allgemeinen Teils – und damit auch § 21 InsO – entsprechend, soweit die §§ 270 ff. InsO nicht anderes bestimmen. Nach überwiegender Ansicht erstreckt sich der Verweis auf die allgemeinen Vorschriften auch auf das Eröffnungsverfahren.577) Die Anwendung von § 21 Abs. 1 InsO ist auch unter systematische Gesichtspunkten zulässig. Gemäß § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO soll das Gericht von einem allgemeinen Verfügungsverbot sowie von einem allgemeinen Zustimmungsvorbehalt zugunsten eines vorläufigen Insolvenzverwalters absehen. Die Regelung des § 270a Abs. 1 S. 1 InsO bezieht sich damit auf Anordnungen nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Im Umkehrschluss ist daraus jedoch zu schließen, dass der Gesetzgeber im Übrigen von der Geltung der allgemeinen Vorschriften, mindestens jedoch von der Geltung des § 21 InsO für das Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO ausging (siehe hierzu bereits oben Rn. 230 f.).578)

344 Dass § 270b Abs. 2 S. 3 InsO hier ausdrücklich auf § 21 InsO verweist, spricht hingegen nicht gegen eine Anwendung von § 21 InsO im „einfachen“ Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO, denn es ist bereits kein Grund ersichtlich, weshalb lediglich im Schutzschirmverfahren Sicherungsmaßnahmen möglich sein sollen. Sinn und Zweck des Verweises von § 270b Abs. 2 S. 3 InsO auf § 21 InsO ist folglich nicht die Geltung der dort genannten Sicherungsmaßnahmen anzuordnen, sondern vielmehr die übrigen, nicht genannten Sicherungsmaßnahmen im Gleichlauf mit § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO auszuschließen.579) ___________ 576) Vgl. nur AG Köln, Beschl. v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12 ZInsO 2012, 790; AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12 ZIP 2012, 1470; LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12 NZI 2013, 91; unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung nunmehr auch AG Hannover, Beschl. v. 15.7.2016 – 908 IN 460/16 – 2 ZInsO 2016, 1535 sowie bestätigend LG Hannover, Beschl. v. 22.8.2016 – 11 T 30/16 ZInsO 2015, 1861, 1853; vgl. auch Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 270a Rn. 14; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 6; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 270a Rn. 21. 577) Allgemeine Meinung, vgl. nur; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270 Rn. 33; Foltis, in: FK-InsO, § 270a Rn. 9; Kern, in: MünchKomm-InsO, § 270a Rn. 27; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270a Rn. 5 m. w. N. 578) Undritz, BB 2012, 1551, 1553. 579) Lambrecht/Michelsen, ZInsO 2015, 2520, 2521; Blankenburg, ZInsO 2016, 1337, 1341.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Gegen die Anordnung einer Ermächtigung auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO 345 spricht schließlich auch nicht die Existenz des § 270b Abs. 3 S. 1 InsO bzw. deren Umkehrschluss.580) Aus der Tatsache, dass im Schutzschirmverfahren eine ausdrückliche Regelung für die Begründung von Masseverbindlichkeiten besteht, kann nicht im Umkehrschluss geschlossen werden, dass eine Ermächtigung im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO überhaupt nicht möglich sein soll. Zum einen geht der Regelungsgehalt des § 270b Abs. 3 S. 1 InsO über die Mög- 346 lichkeit der Anordnung der Massebegründungskompetenz hinaus: § 270b Abs. 3 S. 1 InsO ist nicht nur Rechtsgrundlage für die Ermächtigung, sondern nimmt dem Insolvenzgericht bei Vorliegen eines derartigen Antrags im Schutzschirmverfahren vielmehr jede Entscheidungskompetenz (gebundene Entscheidung, siehe hierzu oben Rn. 321 f.).581) Das Nichtvorhandensein einer mit § 270b Abs. 3 S. 1 InsO vergleichbaren Regelung in § 270a InsO kann also lediglich den Schluss zulassen, dass dem Insolvenzgericht bei der Anordnung der Einzelermächtigung nach § 21 Abs. 1 InsO ein Ermessen zusteht.582) Zum anderen enthält § 270b Abs. 3 InsO lediglich Regelungen zur Erteilung einer Globalermächtigung, nicht jedoch solche zur Erteilung von Einzelermächtigungen, weshalb auch insoweit keine negativen Rückschlüsse gezogen werden können.583) Schließlich besteht in beiden Arten des Eröffnungsverfahrens dem Grunde nach dasselbe Bedürfnis, erfolgreich Masseverbindlichkeiten begründen zu können. Das Schutzschirmverfahren stellt lediglich eine Spielart584) des Eigenverwaltungsverfahrens dar und ist nicht mehr, sondern gleichermaßen auf das Ziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung gerichtet. Es besteht somit kein plausibler Grund beide Verfahren derart unterschiedlich zu behandeln. Die Anordnung der Einzelermächtigung muss ausweislich § 21 Abs. 1 S. 1 InsO im konkreten Fall jedoch erforderlich sein, um bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens eine gläubigerbenachteiligende Vermögensveränderung zu vermeiden.

(5) (Teil-)Klarheit durch den IX. Zivilsenat des BGH Der BGH hat sich zu dieser äußert praxisrelevanten Frage bisher nicht abschließend 347 geäußert. Zwar lag ihm die Entscheidung des Amtsgerichts Fulda (siehe hierzu oben, ___________ 580) So jedoch AG Hannover, Beschl. v. 1.7.2016 – 908 IN 460/16 juris, Rn. 20 f.; a. A. – wenn auch nur als obiter dictum – im Nichtabhilfeverfahren AG Hannover, Beschl. v. 15.7.2016 – 908 IN 460/16 – 2 ZInsO 2016, 1535 sowie nachfolgend LG Hannover, Beschl. v. 22.8.2016 – 11 T 30/16 ZInsO 2015, 1861, 1863. 581) Swierczok, ZInsO 2016, 2366, 2370; vgl. auch Fiebig, in: HmbKo-InsO, § 270a Rn. 34; Landfermann, in: HK-InsO, § 270a Rn. 26. 582) Ebenso Undritz, BB 2012, 1551, 1555; Klinck, ZIP 2013, 853, 859; Lambrecht/Michelsen, ZInsO 2015, 2520, 2521. 583) AG Hannover, Beschl. v. 15.7.2016 – 908 IN 460/16 – 2 ZInsO 2016, 1535, 1538 m. w. N. 584) Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 88 Rn. 42; siehe hierzu auch oben Rn. 65 f.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Rn. 328 f.) in zweiter Instanz zur Rechtsbeschwerde vor, der IX. Zivilsenat erachtete jedoch bereits die durch das Landgericht Fulda als unbegründet abgewiesene sofortige Beschwerde mangels Anfechtbarkeit des Unterlassens von Sicherungsmaßnahmen und damit zwangsläufig auch die ihm vorliegende Rechtsbeschwerde für unzulässig, so dass es zu einer abschließenden Entscheidung in der Sache nicht kam.585) Der BGH verneinte die analoge Anwendung des § 21 Abs. 1 S. 2 InsO (Beschwerderecht) auf das Unterlassen einer Sicherheitsmaßnahme und stellte fest, dass in § 270a InsO ein Antrag auf Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ebenso wenig vorgesehen sei wie eine sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Ermächtigung. Soweit daraus teilweise geschlossen wird, der BGH habe die Zulässigkeit der Einzelermächtigung nach § 21 Abs. 1 S. 1 InsO im Rahmen von § 270a InsO verneint, kann dem nicht gefolgt werden.586) Der BGH schloss in diesem Fall lediglich eine (analoge) Anwendung des Rechts zur sofortigen Beschwerde nach § 21 Abs. 1 S. 2 InsO, nicht aber eine Anwendung des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO aus.587)

348 In einem weiteren Verfahren ließ der BGH nochmals die Möglichkeit verstreichen, abschließend für Rechtsklarheit zu sorgen.588) Im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden stellte wiederum der IX. Zivilsenat zwar fest, dass es im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO einer Form der Ermächtigung bedarf, der eigenverwaltende Schuldner also nicht originär zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt ist. Der BGH versäumte es jedoch für das Verfahren nach § 270a InsO abschließend, und sei es nur in einem obiter-dictum Stellung zu nehmen. In einer Darstellung des gegenwärtigen Streitstandes wurden die Entscheidungen des Amtsgericht Montabaur und Amtsgericht Hannover, wonach es infolge der originären Kompetenz des Schuldner zur Begründung von Masseverbindlichkeiten keiner Ermächtigung bedürfe (vgl. hierzu oben Rn. 331 f.), zwar richtungsweisend als „vereinzelte Auffassung“ bezeichnet, womit sich zumindest diese Ansicht zukünftig nicht mehr halten lassen wird,589) der BGH beließ es jedoch bei einer Streitstanddarstellung ohne im Ergebnis festzustellen, auf welcher Grundlage eine Ermächtigung im Eröffnungsverfahren möglich sein soll.590) ___________ 585) BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 43/12 NZI 2013, 342. 586) So aber Pleister/Tholen, ZIP 2013, 525, 526; Geißler, ZInsO 2013, 531, 535. 587) Vallender/Weissinger, NZI 2013, 342; Klinck, ZIP 2013, 853, 860; Lambrecht/Michelsen, ZInsO 2015, 2520, 2521. 588) BGH, Beschl. v. 24.3.2016 – IX ZR 157/14 ZInsO 2016, 903. 589) So auch AG Hannover, Beschl. v. 1.7.2016 – 908 IN 460/16 juris; AG Hannover, Beschl. v. 15.7.2016 – 908 IN 460/16 – 2 ZInsO 2016, 1535; LG Hannover, Beschl. v. 22.8.2016 – 11 T 30/16 ZInsO 2015, 1861; Swierczok, ZInsO 2016, 2366, 2367; Blankenburg, ZInsO 2016, 1337, 1338. 590) Vgl. Kritik von Blankenburg, ZInsO 2016, 1337.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

(6) Zwischenergebnis Wie die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, ist die Ermächtigung des Schuld- 349 ners auf Grundlage des § 270a Abs. 1 S. 3 i. V. § 21 Abs. 1 S. 1 InsO die einzig überzeugende und auch dogmatisch richtige Möglichkeit, auch im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung die Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermöglichen. Zwar erfolgt eine solche Anordnung, wie jede Sicherungsmaßnahme, von Amts wegen, der Schuldner kann den Erlass einer solchen jedoch jedenfalls anregen. Eine solche Anregung bindet das Insolvenzgericht zwar nicht, kann jedoch als Anlass genommen werden, die amtswegige Anordnung einer Sicherungsmaßnahme zu überprüfen.591) Gleichzeitig mit der Anregung sollte der Schuldner bereits konkretisiert darlegen, welche Verbindlichkeiten von der Einzelermächtigung erfasst sein sollten und warum die Ermächtigung im Sinne von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO erforderlich ist.592) Ob das Gericht die Anordnung erlässt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen.593) Nur soweit die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten angeordnet wird, steht dem Schuldner das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. Gegen das Unterlassen der Anordnung kann er hingegen, wie der BGH zuletzt nochmals bestätigt hat, nicht vorgehen.

dd) Umfang der Ermächtigung im Eröffnungsverfahren (1) Einzel- oder Globalermächtigung des Schuldners Ob im Rahmen von § 270a InsO auch eine umfassende gerichtliche Anordnung da- 350 hingehend zulässig ist, dass alle seitens des Schuldners begründeten Verbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren Masseverbindlichkeiten darstellen (sog. Globalermächtigung), ist die in diesem Kontext nächste strittige Frage.594) Wie festgestellt, kann dies bereits mangels planwidriger Regelungslücke jedenfalls nicht auf Grundlage von § 270b Abs. 3 S. 1 InsO analog erfolgen.595) Fraglich ist vielmehr, ob die Erteilung einer Globalermächtigung auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO möglich ist. Für die Zulässigkeit einer Globalermächtigung spricht jedenfalls nicht die Existenz 351 der Regelung des § 270b Abs. 3 S. 1 InsO. Im Gegenteil: in diesem Zusammenhang ___________ 591) BGH, Beschl. v. 1.12.2005 – IX ZB 208/05 NZI 2006, 122, 123; Frege/Keller u. a., Insolvenzrecht, Rn. 587; Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 21 Rn. 42; Pape/Lüke, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 21 Rn. 19. 592) Vgl. zur andernfalls automatischen Erteilung einer Globalermächtigung im Verfahren nach § 270b InsO BGH, Urt. v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15 ZInsO 2016, 1421, 1422. 593) Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 21 Rn. 42; Pape/Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 21 Rn. 19. 594) Für die Möglichkeit einer Globalermächtigung u. a. Klinck, ZIP 2013, 853, 861; Marotzke, DB 2013, 1283, 1289; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 115 („starke vorläufige Eigenverwaltung“); i. E. auch OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 1605/13 ZIP 2015, 1937. 595) Vgl. auch AG Hannover, Beschl. v. 15.7.2016 – 908 IN 460/16 – 2 ZInsO 2016, 1535, 1536; LG Hannover, Beschl. v. 22.8.2016 – 11 T 30/16 ZInsO 2015, 1861, 1863.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

lässt die Existenz und Entstehungsgeschichte des § 270b Abs. 3 S. 1 InsO vielmehr negative Rückschlüsse zu.596) Ausweislich der Begründung des Rechtsausschusses zum ESUG hat der Schuldner abzuwägen, ob er die Erteilung einer Einzelermächtigung anregt oder sich vom Gericht mit einer globalen Ermächtigung ausstatten lässt.597) Bereits dies zeigt, dass der Regelungsgehalt des § 270b Abs. 3 S. 1 InsO nicht nur darin besteht, dass dem Gericht bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags kein Ermessen zusteht. Die gebundene Entscheidung wird vielmehr untrennbar mit der Erteilung einer Globalermächtigung verknüpft. Würde die Regelung des § 270b Abs. 3 S. 1 InsO für das Schutzschirmverfahren nicht bestehen, wäre die Anordnung nicht nur in das Ermessen des Gerichts gestellt, sondern, wie die Gesetzesbegründung deutlich macht, vielmehr auch auf die Erteilung von Einzelermächtigungen beschränkt. Die Einfügung der Regelung des § 270b Abs. 3 S. 1 InsO war damit notwendig, um eine Globalermächtigung im Schutzschirmverfahren überhaupt zu ermöglichen. Inwieweit diese Entscheidung des Gesetzgebers sinnvoll war, ist angesichts der dort ebenso bestehenden Gefahr der Auszehrung der Insolvenzmasse mit möglicherweise weitreichenderen Konsequenzen598) zwar fraglich, sie zeigt jedoch, dass § 270b Abs. 3 S. 1 InsO hier die Ausnahme statuiert.

352 Die Erteilung einer Globalermächtigung ist vielmehr mit Blick auf den Schutz der Insolvenzmasse sowie einem Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren abzulehnen.599) Im Regelinsolvenzverfahren wird in der Praxis aus gutem Grund die Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters präferiert. Denn die Bestellung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters birgt die Gefahr, dass die Insolvenzmasse noch im Eröffnungsverfahren durch die Masseverbindlichkeiten aufgezehrt wird.600) Aus diesem Grund wurde die Figur der Einzelermächtigung durch die Rechtsprechung entwickelt. Die Globalermächtigung hätte die analoge Anwendbarkeit von § 55 Abs. 2 InsO zur Folge, was wiederum dazu führt, dass unter den Voraussetzungen des § 55 ___________ 596) Dagegen Swierczok, ZInsO 2016, 2366, 2372. 597) Vgl. Begr. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 17/5711, S. 37. 598) Die dann möglicherweise eintretende Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), deren Nichtvorhandensein für die Anordnung des Schutzschirmverfahrens essentiell ist, kann die Aufhebung des Verfahrens durch das Insolvenzgericht zur Folge haben, vgl. Klinck, ZIP 2013, 853, 856, der dann jedoch hinsichtlich der Globalermächtigung im Rahmen von § 270a InsO insofern inkonsequent ist, als er diese auch im „einfachen“ Eröffnungsverfahren für zulässig, wenn auch nicht förderlich erachtet. 599) Ebenso Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 270a Rn. 22; i. E. auch AG Essen, Beschl. v. 3.2.2015 – 163 IN 14/15 ZInsO 2015, 700, 701; Pape, ZIP 2013, 2285, 2292; a. A. Swierczok, ZInsO 2016, 2366, 2371; ausweislich des Tatbestands der Entscheidung BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637 erteilte auch das Amtsgericht Ravensburg dem Schuldner eine Generalermächtigung und benannte die von der Anordnung erfassten Verbindlichkeiten nur exemplarisch aber nicht abschließend („insbesondere“). 600) Klinck, ZIP 2013, 853, 854; Klinck, ZInsO 2014, 365; vgl. auch zuletzt BGH, Urt. v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15 ZInsO 2016, 1421, 1422, wonach es bei Erteilung einer Globalermächtigung gerade nicht im Belieben des Schuldners steht, ob er im Einzelfall Masseverbindlichkeiten oder Insolvenzforderungen begründet.

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B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Abs. 2 S. 2 InsO auch sämtliche Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnisses als Masseverbindlichkeiten zu begleichen wären. Dies würde zu einer unüberschaubaren Verschmälerung der Insolvenzmasse und Verschlechterung der Liquiditätslage zulasten der Gläubiger führen.601) Die Einzelermächtigung hingegen birgt den Vorteil der selektiven Möglichkeit zur Begründung von Masseverbindlichkeiten, was letzten Endes auch zur Sanierung des Unternehmens beitragen kann.602) Zudem darf nicht verkannt werden, dass die Anordnung der Einzelermächtigung 353 im Rahmen von § 270a InsO nur deshalb auf § 21 Abs. 1 S. 1 InsO gestützt werden kann, da die Anordnung erforderlich ist, um bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens eine gläubigerbenachteiligende Vermögensveränderung zu vermeiden. Soweit dem Schuldner nun jedoch eine Globalermächtigung erteilt werden würde, bestünde die Gefahr der nachteiligen Vermögensveränderung fort, wenn auch aus anderen Gründen. Zwar sind die Masseverbindlichkeiten zur Fortführung des Betriebs zwingend notwendig, soweit jedoch sämtliche begründete Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten darstellen, droht infolge der Aufzehrung der Insolvenzmasse ebenso eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage, die es zu verhindern gilt. Für die Erteilung einer Einzelermächtigung spricht schließlich auch ein Vergleich 354 zum Regelinsolvenzverfahren. So muss auch die Einzelermächtigung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren nach der Rechtsprechung des BGH dem Konkretisierungsgebot entsprechen.603) Das Insolvenzgericht darf den Insolvenzverwalter infolge seiner Massesicherungspflicht und aus Gründen der Rechtssicherheit nur zur Begründung einzelner, im Voraus genau festgelegter Masseverbindlichkeiten ermächtigen.604) Zwar sind diese Grundsätze nicht uneingeschränkt auf den Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren übertragbar605), angesichts der „Erforderlichkeit“ des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO hat das Insolvenzgericht jedoch entsprechend zu prüfen, welche jeweiligen Befugnisse notwendig sind, um die nachteiligen Veränderungen der Vermögenslage zu verhindern. Angesichts dessen erweist sich eine Globalermächtigung auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO als unzulässig.606)

___________ 601) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 123. 602) Blankenburg, ZInsO 2016, 1337, 1338. 603) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270a Rn. 15 mit Verweis auf Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 270a Rn. 22. 604) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01 NZI 2002, 543. 605) Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 270a Rn. 22. 606) So auch Blankenburg, ZInsO 2016, 1337, 1344; Klinck, ZInsO 2014, 365, 371; Pape, ZIP 2013, 2285, 2292; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270a Rn. 20; Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 270a 22.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

(2) Zwischenergebnis 355 Sowohl unter dem Gesichtspunkt der Massesicherung als auch angesichts des Regelungsgehalts des § 270b Abs. 3 S. 1 InsO ist die Erteilung einer Globalermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO richtigerweise abzulehnen. Ordnet das Gericht auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO an, dass der Schuldner zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt wird, so kann dies nur im Wege der Einzelermächtigung hinsichtlich bestimmter, genau zu bezeichnender Verbindlichkeiten erfolgen.

ee) Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts des vorläufigen Sachwalters 356 Soweit der hier vertretenen Ansicht der Zulässigkeit der Einzelermächtigung gefolgt wird, ist umstritten, ob und auf welcher Rechtsgrundlage das Gericht die Ermächtigung des Schuldners zusätzlich an die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters knüpfen kann.607)

357 Sofern die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts im Eröffnungsverfahren auf § 275 InsO analog gestützt wird, kann dies nicht überzeugen.608) Es handelt sich bei § 275 InsO um eine reine Soll-Vorschrift, die lediglich die Mitwirkungsrechte des Sachwalters begründet, der jedoch im Außenverhältnis keine Wirkung zukommt.609) Da ein Verstoß das Entstehen der Masseverbindlichkeit schon nicht verhindern würde, kann § 275 InsO bereits nicht die gewünschte Rechtsfolge liefern.610)

358 Der Zustimmungsvorbehalt kann auch nicht ohne Verursachung von Widersprüchen auf § 277 Abs. 1 S. 2 InsO (analog) gestützt werden.611) Zwar ist die Zustimmung nach § 277 Abs. 1 S. 2 InsO Wirksamkeitsvoraussetzung gegenüber Dritten612) und würde damit die passende Rechtsfolge bereitstellen, eine direkte Anwendung scheitert jedoch bereits daran, dass § 270a Abs. 1 S. 2 InsO ausschließlich auf die §§ 274, 275 InsO verweist und § 277 InsO ausdrücklich nicht in Bezug genommen ist.613) ___________ 607) Dafür Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 270a Rn. 19; Landfermann, in: HK-InsO, § 270a Rn. 30; Kern, in: MünchKomm-InsO, § 270a Rn. 44; Marotzke, DB 2013, 1283, 1289; Pape, ZInsO 2013, 2129, 2135; AG Köln, Beschl. v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12 ZInsO 2012, 790; AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12 ZIP 2012, 1470; i. E: auch AG Heilbronn, Beschl. v. 23.3.2016 – 12 IN 149/16 NZI 2016, 582; offen gelassen durch BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 70; ablehnend hingegen Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270a Rn. 6; Undritz, BB 2012, 1551, 1555; Frind, NZI 2014, 977, 978; BAKinso e. V., ZInsO 2014, 2566, 2567; Ehlers, ZInsO 2015, 1417, 1418. 608) So aber AG Köln, Beschl. v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12 ZInsO 2012, 790; offen gelassen LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12 NZI 2013, 91. 609) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 275 Rn. 15. 610) Klinck, ZIP 2013, 853, 861; Hofmann, EWiR 2012, 359, 360. 611) So aber Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 125; Hofmann, EWiR 2012, 359, 360; wohl auch Klinck, ZIP 2013, 853, 861. 612) Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 277 Rn. 1; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 109. 613) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270a Rn. 6; Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker InsO, § 270a Rn. 24.

128

B. Die Aufgabenverteilung von Schuldner und (vorläufigem) Sachwalter

Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, da es bereits an der notwendigen Regelungslücke fehlt (vgl. hierzu bereits oben Rn. 228 f.). Wie das Amtsgericht München jedoch zutreffend erkannt hat, bedarf es jedoch auch 359 weder eines Rückgriffs auf § 275 InsO noch auf § 277 InsO (analog); die Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts ist vielmehr bereits von der Generalklausel des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO gedeckt. Die Generalklausel findet, wie bereits ausgeführt, richtigerweise auch im Eröffnungsverfahren Anwendung. Das Gericht soll gemäß § 270a Abs. 1 Nr. 2 InsO nur davon absehen, einen umfassenden Zustimmungsvorbehalt anzuordnen. Die Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts ist folglich auch im Eröffnungsverfahren auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO möglich (siehe zur Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 InsO bereits eingehend oben Rn. 230 f. sowie Rn. 342 ff.). Der Zustimmungsvorbehalt muss als Sicherungsmaßnahme erforderlich sein, um 360 nachteilige Veränderungen für die Gläubiger zu verhindern, § 21 Abs. 1 S. 1 InsO. Die Anordnung bietet sich als zusätzliches Korrektiv gerade dann an, wenn der Schuldner zur Begründung einer Vielzahl von, wenn auch einzeln bestimmter, Masseverbindlichkeiten ermächtigt wurde. In diesem Fall kann der Zustimmungsvorbehalt erforderlich sein, um die Masse vor einer übermäßigen Belastung zu schützen.614) Soll der Schuldner hingegen nur hinsichtlich einer überschaubaren Anzahl von Verbindlichkeiten ermächtigt werden und wurde der vorläufige Sachwalter vor der Ermächtigung bereits angehört, bedarf es der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts dann nicht, wenn der vorläufige Sachwalter keine Bedenken gegen die Ermächtigung angemeldet, sondern vielmehr sein Einverständnis erklärt hat.615)

ff) Fazit Obwohl zwischenzeitlich davon ausgegangen werden kann, dass sich sowohl hin- 361 sichtlich des „ob“ der Ermächtigung, hinsichtlich des richtigen Ermächtigungsadressaten, des Umfangs der Ermächtigung sowie hinsichtlich der Möglichkeit der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts eine wohl vorherrschende Ansicht gebildet hat, besteht hinsichtlich der Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren in der Praxis noch eine erhebliche Unsicherheit. Angesichts der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats ist lediglich davon auszugehen, dass sich die Ansicht, der Schuldner begründe originär Masseverbindlichkeiten und müsse nicht gerichtlich ermächtigt werden, zukünftig nicht vertreten lassen wird. Im Übrigen fehlt es jedoch an abschließender Rechtsklarheit. Sowohl dem Schuldner als auch dem vorläufigen

___________ 614) AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12 ZIP 2012, 1470, 1471; Marotzke, DB 2013, 1283, 1283. 615) AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12 ZIP 2012, 1470, 1471.

129

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Sachwalter ist aus diesem Grund zu einer offenen Kommunikation mit dem Insolvenzgericht und notfalls zur Stellung mehrerer Hilfsanträge zu raten.616)

C. Gerichtliche Aufsicht I.

Kontrolle durch das Insolvenzgericht

362 Wie der Insolvenzverwalter steht auch der Sachwalter bei der Erfüllung seiner Aufgaben unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. So verweist § 274 Abs. 1 InsO hinsichtlich der gerichtlichen Aufsicht auf die entsprechende Anwendung des § 58 InsO. Infolge des Verweises in § 270a Abs. 1 S. 2 InsO gilt dies gleichermaßen für den vorläufigen Sachwalter im Eröffnungsverfahren.

363 Die Auffassung, dass aus der gesteigerten Gefährdung von Gläubigerinteressen in der Eigenverwaltung eine „erhöhte Kontrolldichte“ des Insolvenzgerichts folge,617) hat sich nicht durchgesetzt. Dennoch ist infolge der Besonderheiten der Eigenverwaltung § 58 InsO teils modifiziert anzuwenden. Gemäß § 58 Abs. 1 S. 2 InsO kann das Insolvenzgericht vom Insolvenzverwalter jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung verlangen. Da der Sachwalter im Gegensatz zum Regelinsolvenzverfahren jedoch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht ausübt und er keine weitergehenden Auskünfte geben kann, als er berechtigt und verpflichtet ist einzuholen, muss unter „Geschäftsführung“ im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 2 InsO vielmehr das dem Sachwalter übertragene Pflichtenbündel von Aufsichts- und Mitwirkungspflichten sowie originärer Aufgaben zu verstehen sein.618) Das Recht, Auskünfte oder Berichte zu verlangen, erfasst neben mündlichen oder schriftlichen Sachstandsberichten des Sachwalters beispielsweise auch das Recht, Zwischenrechnungen und Geschäftsunterlagen anzufordern.619) Letztlich steht es aber im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, wie und in welcher Intensität das Gericht die Aufsicht im Einzelfall ausübt.620)

364 Das Gericht hat das Handeln des Sachwalters auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (Rechtsaufsicht); eine Zweckmäßigkeitskontrolle findet hingegen nicht statt.621) ___________ 616) Vallender/Weissinger, NZI 2013, 342, 344; anschaulich zur Stellung von drei Hilfsanträgen der Tatbestand des AG Hannover, Beschl. v. 15.7.2016 – 908 IN 460/16 – 2 ZInsO 2016, 1535. 617) So Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 679; dies ablehnend hingegen Pape, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 274 Rn. 38 m. w. N.; Landfermann, in: HK-InsO, § 274 Rn. 7. 618) Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 16; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 34; Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 58 Rn. 14. 619) Schmidberger, NZI 2011, 928, 929. 620) BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZB 2/09 NZI 2010, 147; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 58 Rn. 13; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 40; Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 41. 621) Frind, in: HmbKo-InsO, § 58 Rn. 3; Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 58 Rn. 10; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 58 Rn. 11; Ries, in: K. Schmidt, InsO, § 58 Rn. 3; a. A. Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 58 Rn. 20 auch Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte.

130

C. Gerichtliche Aufsicht

Die Rechtsaufsicht erfasst neben der Informationsbeschaffung nach § 58 Abs. 1 S. 2 InsO auch die (nicht formgebundene) Beanstandung von Rechtsfehlern.622) Soweit der Sachwalter, wie beispielsweise im Rahmen der Erteilung seiner Zustimmung nach § 275 Abs. 1 S. 1 InsO, Ermessensentscheidungen trifft, ist es dem Insolvenzgericht jedoch verwehrt, im Wege der Aufsicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Sachwalters zu setzen.623) Das Gericht hat die Ermessensausübung des Sachwalters vielmehr zu akzeptieren, solange dieser nicht insolvenzzweckwidrig agiert oder pflichtverletzend tätig wird.624) Da die Aufsichtspflicht von Amts wegen wahrgenommen wird, können Gläubiger 365 oder der Schuldner Aufsichtsmaßnahmen gegen den Sachwalter lediglich anregen.625) Ein formeller Antrag ist folglich als Anregung auszulegen.626) Das Insolvenzgericht hat auf entsprechende Informationen durch Amtsermittlungen (§ 5 Abs. 1 InsO) zu reagieren.627) Lehnt das Gericht nach entsprechender Anregung ein Tätigwerden ab, so ist ein Rechtsmittel der Gläubiger gegen diese Entscheidung nicht gegeben.628) Das Gericht kann bei Verletzung seiner Auskunftspflicht jedoch Amtshaftungsansprüchen ausgesetzt sein.629)

II. Sanktionsmaßnahmen des Insolvenzgerichts Erfüllt der Sachwalter die ihm obliegenden Pflichten nicht oder nicht ordnungsge- 366 mäß, so sind dem Insolvenzgericht Sanktionsmaßnahmen möglich. So kann das Insolvenzgericht gemäß § 274 Abs. 1 i. V. m. § 58 Abs. 2 InsO Zwangsmaßnahmen anwenden oder den Sachwalter gemäß § 274 Abs. 1 i. V. m. § 59 InsO aus seinem Amt entlassen.

1.

Zwangsmaßnahmen

Das Gericht kann gemäß § 58 Abs. 2 S. 1 InsO zur Durchsetzung der Auskunftspflich- 367 ten nach vorheriger Androhung zunächst ein Zwangsgeld gegen den Sachwalter festsetzen. Das Ergreifen dieser Aufsichtsmaßnahme steht im Ermessen des Ge___________ 622) Ausführlich Ries, in: K. Schmidt, InsO, § 58 Rn. 3 wobei str., ob das Gericht auch die Aufhebung/Rückgängigmachung einer rechtswidrigen Maßnahme anweisen kann, vgl. zum Streitstand Ries, in: K. Schmidt, InsO, § 58 Rn. 17; gegen eine verbindliche Entscheidungskompetenz des Gerichts auch Schmidberger, NZI 2011, 928, 930. 623) Lissner, ZInsO 2012, 957, 958. 624) Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 58 Rn. 10; Lissner, ZInsO 2012, 957, 958. 625) Rein, NJW-Spezial 2015, 213, 214; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 58 Rn. 12. 626) Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 58 Rn. 12. 627) Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 58 Rn. 19. 628) BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 136/05 NZI 2006, 593. 629) Lissner, ZInsO 2012, 957, 963; Ries, in: K. Schmidt, InsO, § 58 Rn. 24; Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 58 Rn. 38.

131

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

richts.630) Dieses kann im Einzelfall bis zu 25.000 EUR betragen (§ 58 Abs. 2 S. 2 InsO). Die Anordnung von Zwangshaft ist infolge des abschließenden Charakters von § 58 Abs. 2 InsO hingegen unzulässig.631) Die Begrenzung der Höhe nach gilt jedoch lediglich je Festsetzung, so dass mit Rücksicht auf den Beugecharakter der Maßnahme für denselben Pflichtenverstoß weitere Zwangsgelder festgesetzt werden können, falls der Sachwalter seinen Pflichten nach Festsetzung und Vollstreckung des ersten Zwangsgeldes nicht nachgekommen ist.632) Nimmt der Sachwalter die erzwungene Handlung nach Festsetzung des Zwangsgeldes vor, ist die Beitreibung des Zwangsgeldes selbst bei Rechtskraft des Bescheids mangels Strafcharakter der Anordnung unzulässig.633)

368 Auch § 58 Abs. 2 InsO sieht kein Antragsrecht der Verfahrensbeteiligten vor. Wie alle anderen Aufsichtsmaßnahmen kann die Festsetzung eines Zwangsgelds nach § 58 Abs. 2 InsO durch die Verfahrensbeteiligten jedoch aber auch nur angeregt werden.634) Lehnt das Gericht ein Tätigwerden jedoch ab, ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BGH kein Rechtsmittel statthaft.635) Erlässt das Gericht jedoch einen Zwangsgeldbeschluss, steht dem Sachwalter gemäß § 58 Abs. 2 S. 3 InsO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu (§ 6 InsO).

2.

Entlassung des Sachwalters

369 Reichen die Zwangsmittel des § 58 InsO nicht aus, bleibt als äußerstes Mittel die Entlassung des Sachwalters aus seinem Amt gemäß § 59 InsO.636) Die Entlassung kann von Amts wegen, auf Antrag des Sachwalters selbst, des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung erfolgen, erfordert aber in allen Fällen gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 InsO das Vorliegen eines wichtigen Grundes.637) Einzelne Gläubiger sowie der Schuldner können die Entlassung lediglich anregen.638) Der Sachwalter ist vor der Entscheidung anzuhören, § 59 Abs. 1 S. 3 InsO. ___________ 630) Ries, in: K. Schmidt, InsO, § 58 Rn. 3; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 58 Rn. 13. 631) BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZB 175/08 NZI 2010, 146, 147 vorgehend LG Göttingen, Beschl. v. 3.7.2008 – 10 T 73/08 ZInsO 2008, 1143; a. A. AG Göttingen, Beschl. v. 16.6.2008 – 74 IN 11/07 n. V.; Foltis, ZInsO 2010, 545, 549. 632) BGH, Beschl. v. 14.4.2005 – IX ZB 76/04 NZI 2005, 391, 392; BGH, Beschl. v. 11.12.2014 – IX ZB 42/14 ZInsO 2015, 303, 304. 633) Vgl. BGH, Beschl. v. 11.12.2014 – IX ZB 42/14 ZInsO 2015, 303, 304. 634) BGH, Beschl. v. 2.3.2006 – IX ZB 225/04 JurionRS 2006, 11835. 635) BGH, Beschl. v. 2.3.2006 – IX ZB 225/04 JurionRS 2006, 11835. 636) Entlassung nur dann gerechtfertigt, wenn die Zwangsmittel des § 59 Abs. 2 InsO erfolglos geblieben sind, vgl. LG Göttingen, Beschl. v. 4.7.2003 – 10 T 37/03 ZInsO 2003, 858, 860. 637) Da die Eigenverwaltung einen handlungswilligen Sachwalter voraussetzt, sollte bei Entlassung auf eigenen Wunsch an das Bestehen eines wichtigen Grundes keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, vgl. Ries, in: K. Schmidt, InsO, § 59 Rn. 9. 638) BGH, Beschl. v. 2.3.2006 – IX ZB 225/04 JurionRS 2006, 11835; Schmidberger, NZI 2011, 928, 929; Ries, in: K. Schmidt, InsO, § 59 Rn. 12.

132

D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

Ein die Entlassung rechtfertigender wichtiger Grund liegt nach ständiger Recht- 370 sprechung des BGH zu § 59 InsO vor, wenn eine Pflichtverletzung des Verwalters feststeht und es in Anbetracht der Erheblichkeit der Pflichtverletzung, insbesondere ihrer Auswirkungen auf den Verfahrensablauf und die berechtigten Belange der Beteiligten, sachlich nicht mehr vertretbar erscheint, den Verwalter in seinem Amt zu belassen.639) Eine Störung des Vertrauensverhältnisses kann infolge des mit der Entlassung verbundenen Eingriffs in das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 GG nur dann eine Entlassung rechtfertigen, wenn die Störung in einem festgestellten pflichtwidrigen Verhalten des Verwalters wurzelt, das objektiv geeignet ist, das Vertrauen des Insolvenzgerichts in die Amtsführung schwer und nachhaltig zu beeinträchtigen.640) Eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Insolvenzgericht und dem Verwalter, die auf persönlichem Zwist beruht, reicht für die Entlassung hingegen selbst dann nicht aus, wenn ein gedeihliches Zusammenarbeiten nicht mehr zu erwarten ist.641) Neben einem schuldhaften Nicht- oder Schlechtbetreiben des Verfahrens kommen als taugliche Entlassungsgründe insbesondere Verstöße gegen die notwendige Unabhängigkeit in Betracht, wie beispielsweise die Nichtanzeige einer bestehenden Interessenkollision oder die Bevorzugung einzelner Gläubigergruppen.642) Darüber hinaus ist aber auch die persönliche Integrität des Sachwalters von entscheidender Bedeutung, so dass beispielsweise auch strafbare Handlungen in anderen Verfahren eine Entlassung rechtfertigen können.643) Gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts steht gemäß § 59 Abs. 2 InsO sowohl dem 371 Sachwalter als auch den in § 59 Abs. 1 InsO genannten Antragstellern das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu, § 6 InsO. Wurde der Antrag durch die Gläubigerversammlung gestellt, so ist bei Ablehnung des Antrags jeder einzelne Insolvenzgläubiger beschwerdeberechtigt, § 59 Abs. 2 S. 2 InsO.644)

D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters Angesichts seines vielfältigen Aufgabenbereichs ist der Sachwalter einer Vielzahl 372 von Haftungsrisiken ausgesetzt. Dabei kann die Haftung des Sachwalters grundsätzlich als Ausgleich der ihm übertragenen Rechtsmacht verstanden werden.645) ___________ 639) BGH, Beschl. v. 8.12.2005 – IX ZB 308/04 NJW-RR 2006, 697, 698; BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZB 35/09 NZI 2009, 604, 605; BGH, Beschl. v. 17.3.2011 – IX ZB 192/10 NZI 2011, 282, 283. 640) BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 21/11 NJW-RR 2012, 952, 953. 641) BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 21/11 NJW-RR 2012, 952, 953; BGH, Beschl. v. 19.4.2012 – IX ZB 23/11 ZInsO 2012, 928, 929. 642) Vgl. Frind, in: HmbKo-InsO, § 59 Rn. 6, mit einer Viezahl von Beispielen für Entlassungsgründe. 643) Ries, in: K. Schmidt, InsO, § 59 Rn. 5 m. w. N. 644) Ausführlich Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 59 Rn. 24. 645) Vgl. Andres, in: Andres/Leithaus/Dahl, InsO, § 61 Rn. 1.

133

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Neben einer Haftung gemäß § 274 Abs. 1 i. V. m. § 60 InsO für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten (siehe nachfolgend I.) kann den Sachwalter, trotz des Fehlens von Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, auch eine Haftung für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten treffen (siehe nachfolgend II.). Daneben bestehen für den Sachwalter auch Haftungsgefahren aus dem Steuerrecht (siehe nachfolgend III.) sowie aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (siehe nachfolgend IV).

I.

Haftung für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten

373 § 274 Abs. 1 InsO verweist bezüglich der Haftung des Sachwalters auf die Haftung des Insolvenzverwalters gemäß § 60 und § 62 InsO. Über den Verweis in § 270a Abs. 1 S. 2 InsO auf § 274 InsO trifft die Haftung aus § 60 InsO auch den vorläufigen Sachwalter im Eröffnungsverfahren.

374 Gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 InsO ist der (vorläufige) Sachwalter daher den Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen (siehe zu den Aufgaben des (vorläufigen) Sachwalters oben Rn. 168 ff.). Beteiligte im Sinne des § 60 InsO sind alle Personen, denen gegenüber der (vorläufige) Sachwalter besondere Pflichten nach der Insolvenzordnung zu erfüllen hat, also insbesondere der Schuldner, die Insolvenz- und Massegläubiger, Aus- und Absonderungsberechtigte sowie die Mitglieder des Gläubigerausschusses.646) Gegenüber potentiellen Vertragspartnern des Schuldners (Neugläubigern) treffen den Sachwalter hingegen keine insolvenzspezifischen Pflichten, insbesondere trifft ihn keine Warn- oder Aufklärungspflicht.647) Mangels Beteiligtenstellung scheidet eine Haftung gegenüber Neugläubigern vielmehr aus.648)

375 Die Haftung nach § 60 InsO hat sich an dem im Vergleich zu einem Insolvenzverwalter reduzierten Aufgabenkreis des (vorläufigen) Sachwalters zu orientieren. Der Sachwalter wird lediglich mit Blick auf die Aufgaben aus § 280 InsO als Partei kraft Amtes tätig und handelt hier nicht nur als Aufsichtsorgan, sondern vielmehr als Ausführungsorgan (siehe hierzu oben Rn. 260 ff.). Hinsichtlich der ihm nach § 280 InsO übertragenen Rechte und Pflichten ist die Haftung des Sachwalters folglich der Haftung eines Insolvenzverwalters vollständig gleichzusetzen.649)

___________ 646) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 50 m. w. N.; mit einem hypothetischeren Ansatz hingegen Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 22 und Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 8: Personen, die Beteiligte wären, wenn es sich statt der Handlung des Schuldners um die Handlung eines Insolvenzverwalters in einem Regelinsolvenzverfahren handeln würde. 647) Anstelle vieler Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 274 Rn. 5. 648) Vgl. Flöther, in: Kübler, HRI, § 18 Rn. 51; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 51. 649) Allg. Meinung, vgl. nur Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 280 Rn. 5; Pape, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 274 Rn. 52.

134

D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

In den übrigen Fällen kann die Haftung des (vorläufigen) Sachwalters hingegen nicht 376 so weit reichen wie die eines Insolvenzverwalters, sondern muss sich vielmehr an den reduzierten Einflussnahmemöglichkeiten orientieren.650) Die Hauptpflicht des Sachwalters liegt in der Überwachung des Schuldners, so dass jede Pflichtverletzung des Schuldners zugleich eine Pflichtverletzung des Sachwalters infolge unzureichender Überwachung darstellen könnte.651) Um die Ausuferung einer Haftung des (vorläufigen) Sachwalters zu vermeiden, muss dessen Pflichtverletzung folglich im Einzelfall konkret festgestellt werden. Dazu ist in einem ersten Schritt festzustellen, welche konkreten insolvenzspezifischen Pflichten dem Sachwalter welchem Beteiligten gegenüber oblagen und sodann in einem zweiten Schritt, inwieweit die Schädigung bei pflichtgemäßer Ausübung der jeweiligen Pflicht überhaupt zu verhindern gewesen wäre (Kausalität).652) Die Haftung nach § 60 Abs. 1 InsO setzt Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus. Entspre- 377 chend § 60 Abs. 1 S. 2 InsO ist Maßstab für die Haftung des (vorläufigen) Sachwalters die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sachwalters, der sich an den speziellen Anforderungen seines Amts im konkreten Fall zu orientieren hat.653) Hier haben die Besonderheiten des Einzelfalls wie auch der jeweilige Verfahrensstand Berücksichtigung zu finden.654) So können an einen zum vorläufigen Sachwalter personenverschiedenen (endgültigen) Sachwalter kurz nach Verfahrenseröffnung nicht dieselben Anforderungen gestellt werden, wie an einen solchen, der das Verfahren bereits seit längerer Zeit oder auch schon im Eröffnungsverfahren begleitet hat und bei dem daher einen wesentlich fundierterer Einblick in Geschäftsführung, Buchhaltung und Finanzen vorausgesetzt werden kann. Der Sachwalter hat für das Verschulden eigener Angestellter wie eigenes Verschulden 378 einzustehen; ein solches ist ihm gemäß § 278 BGB zuzurechnen.655) Soweit sich der Sachwalter jedoch zur Erfüllung der insolvenzspezifischen Pflichten der Angestellten des Schuldners bedienen muss, hat er ausweislich § 60 Abs. 2 InsO nur für ein Überwachungsverschulden einzustehen, solange die eingesetzten Personen nicht offensichtlich ungeeignet sind.656) Insoweit kommt dem Sachwalter hinsichtlich des ___________ 650) Flöther, in: Kübler, HRI, § 18 Rn. 39; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 52 f.; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 8. 651) Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 22. 652) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 277 Rn. 53; Frind, NZI 2014, 977; i. E. auch Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 25. 653) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 8. 654) So bereits Begr. Regierungsentwurf InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 129; vgl. auch Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 26. 655) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 70; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 50. 656) Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 28; Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 60 Rn. 100; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 8.

135

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Auswahl- und Überwachungsverschuldens also eine Exkulpationsmöglichkeit zu, die ihm mit Blick auf seine eigenen Erfüllungsgehilfen hingegen versagt ist.

II. Haftung für nichterfüllbare Masseverbindlichkeiten 379 Ein Sonderfall657) der insolvenzspezifischen Haftung nach § 60 InsO ist in § 61 InsO geregelt. Gemäß § 61 S. 1 InsO ist der Verwalter einem Massegläubiger zum Schadensersatz verpflichtet, wenn eine durch die Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründete Masseverbindlichkeit aus der Masse nicht voll erfüllt werden kann.

1.

Grundsatz: Keine persönliche Haftung des Sachwalters

380 Da Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung grundsätzlich nicht durch den Sachwalter sondern durch den eigenverwaltenden Schuldner begründet werden (siehe hierzu oben Rn. 314 ff.), trifft den Sachwalter für bei Fälligkeit nicht erfüllbare Masseverbindlichkeiten keine Haftung nach § 61 InsO. In § 274 Abs. 1 InsO ist die Haftung nach § 61 InsO von der Verweisungskette ausgenommen. Diese Ausklammerung ist deshalb sachgerecht, da eine Haftung für Masseverbindlichkeiten, auf deren Entstehung der Sachwalter keine tatsächliche Einflussnahmemöglichkeit hat, nicht gerechtfertigt wäre.658)

381 Etwas anderes gilt auch nicht, wenn der Sachwalter gemäß § 275 Abs. 1 S. 1 InsO seine Zustimmung zur Begründung einer Masseverbindlichkeit erklärt hat oder eine Masseverbindlichkeit gemäß § 275 Abs. 1 S. 2 InsO oder § 279 S. 2 InsO im Einvernehmen mit dem Sachwalter begründet wurde. Beide Arten des Einverständnisses lassen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners unberührt und entfalten zudem keine Außenwirkung (siehe hierzu oben). Da der Sachwalter folglich auch hier auf die Begründung der Masseverbindlichkeit keine tatsächliche Einflussnahme hat, kann er konsequenterweise nicht Haftungssubjekt des § 61 InsO sein.

2.

Ausnahme: Erteilung einer besonderen Zustimmung

382 Dieser Grundsatz der fehlenden persönlichen Haftung nach § 61 InsO ist jedoch zu durchbrechen, falls ein besonderer Zustimmungsvorbehalt des (vorläufigen) Sachwalters angeordnet wurde.

a) Eröffnetes Verfahren 383 Im eröffneten Verfahren ist die Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts auf Grundlage des § 277 Abs. 1 InsO zulässig (vgl. insoweit S. 97 f.). In die___________ 657) Vgl. Klopp/Kluth/Pechartscheck, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 23 Überschrift zu Rn. 24 f. 658) Unstreitig zum eröffneten Verfahren vgl. S. 109, Str. hingegen zum Eröffnungsverfahren vgl. S. 109 f.; Zur bestehenden Ausnahme im Rahmen des § 280 InsO vgl. S. 150.

136

D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

sem Fall sieht § 277 Abs. 1 S. 3 InsO ausdrücklich eine entsprechende Anwendung des § 61 InsO und damit eine Haftung des Sachwalters für nicht erfüllbare Masseverbindlichkeiten vor.659) Ist ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet, so trifft den Sachwalter eine Prüfungspflicht hinsichtlich der Vertretbarkeit und Finanzierbarkeit der Verbindlichkeit; er übernimmt stärkere Verantwortung und gelangt insoweit in die Stellung eines Geschäftsherrn.660) Der Sachwalter hat gemäß § 277 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 61 S. 1 InsO für die ab Anordnung des Zustimmungsvorbehalts mit seiner Zustimmung begründeten Masseverbindlichkeiten bei Nichterfüllbarkeit einzustehen. Die Haftung ist in diesem Fall auch gerechtfertigt, da der Sachwalter aufgrund der Außenwirkung dieses Zustimmungsvorbehalts die Möglichkeit hat, die wirksame Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner auch tatsächlich zu verhindern. Der Sachwalter kann jedoch nach § 61 S. 2 InsO einen Entlastungsbeweis führen, 384 soweit er bei Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichend wird. Ausreichend ist insoweit, dass die Massezulänglichkeit wahrscheinlicher als die Masseunzulänglichkeit ist.661) Im Regelinsolvenzverfahren kann der Insolvenzverwalter den Entlastungsbeweis 385 nach § 61 S. 2 InsO im Allgemeinen nur führen, wenn er eine plausible Liquiditätsplanung erstellt und diese bis zum Zeitpunkt der Begründung der der Verbindlichkeit ständig überprüft und aktualisiert.662) Dieses Erfordernis kann nach allgemeiner Ansicht nicht unverändert auf den Sachwalter übertragen werden. Der im Vergleich zum Insolvenzverwalter eingeschränkte Aufgabenbereich des Sachwalters hat vielmehr entsprechende Berücksichtigung zu finden. So ist es nicht Teil des Aufgabenbereichs des Sachwalters eine Liquiditätsplanung zu erstellen und diese während des Verfahrens fortlaufend zu aktualisieren; diese Aufgabe fällt vielmehr in den Aufgabenbereich des verwaltungs- und verfügungsbefugten Schuldners.663) Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Sachwalter zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufsichts- und Mitwirkungspflicht einen vollumfassenden Überblick über das schuldnerische Vermögen und damit auch dessen Liquidität haben muss (siehe zum erforderlichen Kenntnisstand des Sachwalters oben Rn. 296 f.). Infolge der ihm übertragenen Aufsichtspflichten ist davon auszugehen, dass der Sachwalter regelmäßig einen Überblick darüber hat, welche Masseverbindlichkeiten bereits begründet wurden und wie sich die Liquiditätssituation des Schuldners aktuell darstellt. An___________ 659) A. A. Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 61 Rn. 3. 660) Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 37; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 277 Rn. 7; Flöther, in: Kübler, HRI, § 18 Rn. 41; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270a Rn. 22. 661) Begr. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302, S. 129. 662) St. Rspr. vgl. nur BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03 NZI 2005, 222, 223; Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 61 Rn. 26 m. w. N. 663) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 56; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 274 Rn. 6; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 560.

137

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

gesichts dessen erscheint es sachgerecht, dem Sachwalter eine Prüfungspflicht aufzuerlegen, diese jedoch auf die durch den Schuldner erstellte Liquiditätsplanung zu beschränken.664) Die seitens des Schuldners erstellte Liquiditätsplanung hat der Sachwalter vor Erteilung seiner Zustimmung auf Schlüssigkeit und Plausibilität zu überprüfen. Durfte der Sachwalter auf dieser Grundlage eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Massezulänglichkeit prognostizieren, so kann er den Entlastungsbeweis nach § 61 S. 2 InsO erfolgreich führen.

386 Auch wenn der Wortlaut des § 61 S. 2 InsO („bei der Begründung der Verbindlichkeit“) darauf hindeutet, dass die Prognose (auch noch) bei Abschluss des Rechtsgeschäfts positiv ausfallen muss, muss Anknüpfungspunkt des Entlastungsbeweises vielmehr allein die aktive Handlung des Sachwalters, also die Erteilung der Zustimmung, sein.665) Da der Zeitraum zwischen Erteilung der Zustimmung und Abschluss des Rechtsgeschäfts durch den Schuldner für den Sachwalter nicht kontrollierbar und seinem Einflussbereich entzogen ist, wäre ein späterer Anknüpfungspunkt oder eine Ausdehnung dessen nicht begründbar. § 61 S. 2 InsO ist auch insoweit modifiziert anzuwenden.666)

b) Eröffnungsverfahren 387 Die Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts ist jedoch nicht nur im eröffneten Verfahren auf Grundlage von § 277 InsO, sondern nach hier vertretener Ansicht auch im Eröffnungsverfahren auf Grundlage von §§ 270 Abs. 1 S. 2 i. V. m § 21 Abs. 1 S. 1 InsO zulässig (vgl. hierzu oben Rn. 228 f.). Erteilt der vorläufige Sachwalter seine Zustimmung zu einem bestimmten Rechtsgeschäft nicht, kommt dieser Verweigerung dieselbe Außenwirkung wie im eröffneten Verfahren zu, d. h. die ohne Zustimmung des vorläufigen Sachwalters begründeten Verbindlichkeiten sind unwirksam.

388 Soweit ein solcher besonderer Zustimmungsvorbehalt angeordnet ist, kann der vorläufige Sachwalter die wirksame Begründung von Masseverbindlichkeiten also ebenso wirksam verhindern wie im eröffneten Verfahren. Gleichzeitig ist eine § 277 Abs. 1 S. 3 InsO entsprechende Haftung des vorläufigen Sachwalters für die mit seiner Zustimmung begründeten Verbindlichkeiten nicht gesetzlich normiert.

389 Hinreichende Gründe, weshalb der Sachwalter für die mit seiner Zustimmung nach § 277 Abs. 1 S. 1 InsO begründeten Masseverbindlichkeiten persönlich haften soll, während der vorläufige Sachwalter für die mit seiner Zustimmung nach § 270 Abs. 1 ___________ 664) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 59; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 277 Rn. 7; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 274 Rn. 6; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 560. 665) Foltis, in: FK-InsO, § 277 Rn. 13. 666) Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 277 Rn. 23; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 277 Rn. 37.

138

D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

S. 2 i. V. m § 21 Abs. 1 S. 1 InsO begründeten Masseverbindlichkeiten von einer Haftung freigestellt sei sollte, sind dabei jedoch nicht ersichtlich. Es handelt sich vielmehr um eine vergleichbare Interessenlage: Auch der vorläufige Sachwalter übernimmt bei derartigen zustimmungsbedürftigen Verbindlichkeiten eine besondere Prüfungspflicht hinsichtlich der Vertretbarkeit und Finanzierbarkeit des Rechtsgeschäfts.667) Es besteht folglich eine Regelungslücke, die richtigerweise mittels analoger Anwendung des § 61 InsO zu schließen ist.668) Auch hier ist § 61 InsO jedoch modifiziert anzuwenden. Um den Entlastungsbeweis 390 zu führen, muss auch der vorläufige Sachwalter die schuldnerische Liquiditätsprognose auf Schlüssigkeit und Plausibilität geprüft haben. Diese Prüfung muss zu dem Schluss geführt haben, dass die bestehende Masse mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die Erfüllung der fraglichen Verbindlichkeiten ausreichen wird. Darüber hinaus ist in Anlehnung an die zum vorläufigen Insolvenzverwalter entwickelten Einschränkungen zu berücksichtigen, inwieweit dem vorläufigen Sachwalter eine entsprechende Einarbeitung und damit belastbare Überprüfung der schuldnerischen Liquiditätsplanung bisher überhaupt möglich war. Es ist nicht davon auszugehen, dass der vorläufige Sachwalter den gleichen „vollständigen Überblick“ wie der Sachwalter des eröffneten Verfahrens haben kann. Gleichzeitig kann die Begründung von Masseverbindlichkeiten zur Verwirklichung der Fortführung nicht so lange hinausgeschoben werden, bis der vorläufige Sachwalter diesen Überblick erlangt hat. Die Situation des vorläufigen Sachwalters muss daher im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 61 InsO dahingehend besonders berücksichtigt werden, als dass ihm eine ausreichende Prüfungszeit zugestanden werden muss, um die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des schuldnerischen Unternehmens zu erfassen und eine zuverlässige Prüfung der schuldnerischen Liquiditätsplanung vornehmen zu können.669) Die ihm vorliegenden Informationen muss er jedoch gewissenhaft prüfen, so dass davon auszugehen ist, dass sich seine Haftung mit fortschreitender Einarbeitungszeit immer mehr der des (endgültigen) Sachwalters annähert.

3.

Ausnahme: Begründung von Masseverbindlichkeiten bei Ausführung der Pflichten aus § 280 InsO

Eine weitere Durchbrechung des Grundsatzes der mangelnden persönlichen Haftung 391 des Sachwalters nach § 61 InsO kommt bei Wahrnehmung der ihm nach § 280 InsO übertragenen Pflichten in Betracht. Wie festgestellt, handelt der Sachwalter hinsichtlich dieser originären Aufgaben als Partei kraft Amtes und ist insofern vollumfas___________ 667) Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270a Rn. 22. 668) Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 564 f.; i. E. auch Marotzke, DB 2013, 1283, 1287; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270a Rn. 22. 669) So zum vorläufigen Insolvenzverwalter Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 61 Rn. 33; Schoppmeyer, in: MünchKomm-InsO, § 61 Rn. 36.

139

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

send verwaltungs- und verfügungsbefugt; die in diesem Zusammenhang durch sein Handeln begründeten Verbindlichkeiten stellen infolge seiner Parteistellung ausnahmsweise Masseverbindlichkeiten dar (siehe hierzu oben Rn. 266 f.). Als solche, durch den Sachwalter begründeten Verbindlichkeiten, kommen insbesondere die Kosten für die Einholung eines Gutachtens über die Erfolgsaussichten eines etwaigen Prozesses oder etwa die Beauftragung eines Dritten mit der rechtlichen Durchsetzung etwaiger Anfechtungsansprüche in Betracht (siehe zur Zulässigkeit dieser Aufgabendelegation unten Rn. 505 f.).670)

392 Wenn das Gesetz jedoch bereits für die mit der Zustimmung des Sachwalters eingegangenen Verbindlichkeiten im Rahmen eines angeordneten Zustimmungsvorbehalts eine Haftung nach § 61 InsO vorsieht, muss dies erst recht für die von ihm selbst begründeten Masseverbindlichkeiten gelten. In § 280 InsO ist ein entsprechender Verweis auf die entsprechende Anwendung des § 61 InsO zwar nicht enthalten, diese offensichtlich bestehenden Regelungslücke ist jedoch durch eine analoge Anwendung von § 61 InsO zu schließen.671) Hinsichtlich des nach § 61 S. 2 InsO möglichen Entlastungsbeweises sind die bereits dargestellten Modifikationen vorzunehmen (siehe hierzu zuvor Rn. 383 f.).

393 Den Sachwalter trifft damit richtigerweise für die Masseverbindlichkeiten eine persönliche Haftung nach § 61 InsO, die dieser in Ausführung der ihm nach § 280 InsO übertragenen Aufgaben begründet hat. In Betracht kommt damit auch eine persönliche Haftung für die Prozesskostenerstattungsansprüche der gegnerischen Partei. Diese stellen grundsätzlich Masseverbindlichkeiten dar.672) Eine Haftung des Sachwalters für die gegnerischen Prozesskosten ist jedoch in Einklang mit der korrespondierenden ständigen Rechtsprechung des BGH zum Regelinsolvenzverfahren abzulehnen. Die Haftung des § 61 InsO dient dem Schutz der Interessen der Massegläubiger, die Leistungen oder sonstige Vermögensvorteile an die Masse erbringen und so eine Unternehmensfortführung ermöglichen.673) Der Prozessgegner hingegen hat sich nicht dazu verpflichtet, Leistungen an die Masse zu erbringen, so dass seine Lage nicht mit der eines Massegläubigers gleichzusetzen ist.674) Es fehlt damit bereits an einer „Begründung“ im Sinne des § 61 S. 1 InsO. In der Eigenverwaltung kann nicht anderes gelten, so dass auch den Sachwalter keine Haftung für nicht erfüllbare Prozesskostenerstattungsansprüche trifft. ___________ 670) Vgl. Foltis, in: FK-InsO, § 280 Rn. 14. 671) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 274 Rn. 6; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 73; für eine unmittelbare Anwendung von § 61 InsO hingegen Foltis, in: FK-InsO, § 280 Rn. 14; Riggert, in: Braun-InsO, § 280 Rn. 4; a. A. Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 274 Rn. 9 „bewusste Haftungslücke“. 672) Vgl. BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03 NZI 2005, 155. 673) BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03 NZI 2005, 155; Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 61 Rn. 10; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 274 Rn. 6. 674) BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03 NZI 2005, 155.

140

D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

III. Haftung für die Nichtabführung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Verbindlichkeiten 1.

Problemaufriss

Solange der Betrieb fortgeführt wird, entstehen naturgemäß fortlaufend sozialver- 394 sicherungsrechtliche und steuerrechtliche Verbindlichkeiten gegenüber Fiskus und Krankenkassen. Die Nichtabführung geschuldeter Steuern und insbesondere fälliger Sozialversicherungsbeiträge wird durch den Gesetzgeber dabei konsequent sanktioniert. Führt der Schuldner bzw. seine Organe die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht ab, droht eine Strafbarkeit nach § 266a i. V. m. § 14 StGB.675) Die Nichtabführung von Umsatz- oder Lohnsteuer verwirklicht hingegen den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 26b UStG bzw. § 380 AO i. V. m. §§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 38 Abs. 3 Satz 1 EStG.676) Schuldner oder Geschäftsführung können für die Nichtabführung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zudem gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m § 266a StGB persönlich in Anspruch genommen werden. Gegenüber dem Fiskus droht den in den §§ 34, 35 AO bezeichneten Personen schließlich eine persönliche Inanspruchnahme nach § 69 AO, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.677) Dieses Strafbarkeits- und Haftungsrisiko kollidiert ab Stellung des Insolvenzantrags 395 jedoch mit grundlegenden insolvenzrechtlichen Prinzipien, wie dem Gebot der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung nach § 1 InsO, sowie der aus § 15a InsO abzuleitenden Massesicherungspflicht.678) Mit der Massesicherungspflicht geht zudem gleichzeitig die Gefahr einer persönlichen Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG einher. Gemäß § 64 S. 1 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geleistet werden.679)

___________ 675) Die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung sind vom Tatbestand des § 266a StGB hingegen nicht erfasst, so dass eine Abführung dieser Beiträge mangels Strafbewährung in der Praxis zu unterlassen ist, vgl. Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 194; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 486. 676) Kahlert, ZIP 2012, 2089, 2090. 677) In der Insolvenz einer natürlichen Person/Einzelkaufmanns scheidet eine Haftung des (Steuer)Schuldners selbst nach § 69 AO hingegen aus, da ein (Steuer)Schuldner nicht Haftender in eigener Sache sein kann (Haftung als Einstehen für fremde Schuld), vgl. BFH, Urt. v. 2.5.1984 – VIII R 239/82 BFHE 141, 312; Rüsken, in: Klein, AO, § 69 Rn. 10 m. w. N. 678) Sonnleitner/Winkelhog, BB 2015, 88, 96. 679) Kritisch zur Entwicklung der diesbezügliche Rechtsprechung Altmeppen, in: Festschrift Goette, S. 2; sowie ausführlich zu den drohenden Haftungsrisiken Thole, DB 2015, 662, 665.

141

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

a) Handhabung der Konfliktlage im Regelinsolvenzverfahren 396 Dieser Konflikt zwischen steuerrechtlichen Pflichten einerseits und der Vermögenssicherungspflicht andererseits ist im eröffneten Regelinsolvenzverfahren weitestgehend gelöst. Im Eröffnungsverfahren hingegen hängt die Konfliktlage von den angeordneten Sicherungsmaßnahmen ab.

aa) Folgen der Bestellung eines vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters 397 Wird im Eröffnungsverfahren, wie regelmäßig, ein vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt, wird dieser seine Zustimmung zur Abführung der Beträge verweigern. Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur scheidet eine Strafbarkeit und persönliche Haftung des Geschäftsführers für die Nichtabführung der geschuldeten Beiträge dann bereits aufgrund tatsächlicher Unmöglichkeit aus.680) Die finanzgerichtliche Rechtsprechung hingegen erachtet die Erfüllung von Steuerpflichten bei Einsetzung eines vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters nicht per se als unmöglich. Im Einzelfall könne, abhängig von der konkreten Situation und Kooperationsbereitschaft des vorläufigen Insolvenzverwalters, vielmehr ein Einwirken des Schuldners auf den vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter und dessen Zustimmungserteilung gefordert werden.681) Diese Ansicht, die offenbar verkennt, dass der Zustimmungsvorbehalt Außenwirkung hat,682) führt dazu, dass der Schuldner jedenfalls nicht tatenlos zusehen darf, wenn der Insolvenzverwalter der Steuerzahlung nicht zustimmt.683) Es bedarf vielmehr eines Versuchs der Einwirkung, dem jedoch, da die Anforderungen seitens der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht näher spezifiziert wurden, weiterhin das Risiko der Haftung nach § 69 InsO innewohnt.684)

398 Lediglich der die Zustimmung verweigernde vorläufige schwache Insolvenzverwalter ist in diesem Fall keiner Strafbarkeit oder Haftung ausgesetzt: Eine Strafbarkeit nach § 266a StGB kommt mangels Arbeitgeberfunktion und damit Tätereigenschaft des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters nicht in Betracht.685) Darüber hinaus ___________ 680) Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354, 2355; Hiebert, ZInsO 2015, 1242, 1243; zur Unmöglichkeit im Rahmen von § 266a StGB vgl. Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 10; a. A. Laroche/Wollenweber, ZInsO 2016, 2225, 2229 die in einer abgesprochenen Zustimmungsverweigerung ein nach § 266a StGB strafbares kollusives Zusammenwirken sehen. 681) BFH, Beschl. v. 19.2.2010 – VII B 190/09 ZIP 2010, 1900, 1901; FG Köln, Urt. v. 25.2.2014 – 10 K 2954/10 DStRE 2015, 945. 682) Thole, DB 2015, 662, 663. 683) Rüsken, in: Klein, AO, § 69 Rn. 129. 684) Eingehend zu dieser Problematik Thole, DB 2015, 662, 663 („gekünstelter Versuch der der Erfüllung“). 685) Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 11; Borchardt, in: HmbKo-InsO, Anhang Insolvenzstrafrecht – § 266a StGB Rn. 7; a. A. Laroche/Wollenweber, ZInsO 2016, 2225, 2229, vgl. bereits Fußn. 680.

142

D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

ist der schwache vorläufige Insolvenzverwalter auch weder Vermögensverwalter nach § 34 Abs. 3 AO, noch verfügungsbefugt im Sinne des § 35 AO686), womit auch eine Haftung nach § 69 AO ausscheidet. Im Rahmen der vorläufigen schwachen Insolvenzverwaltung ist es vielmehr der Schuldner, der im Sinne des § 34 Abs. 1 AO steuerzahlungsverpflichtet bleibt.687)

bb) Folgen der Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters oder endgütligen Insolvenzverwalters Ab Verfahrenseröffnung geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß § 80 399 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über, so dass auch hier eine Strafbarkeit und persönliche Haftung des Schuldners ausscheidet. Wem ein Zugriff auf das Unternehmensvermögen entzogen und eine Begleichung der sozialversicherungsrechtlichen Beiträge damit rechtlich unmöglich ist, kann einer Strafbarkeit und damit einer Haftung nach § 266a StGB nicht ausgesetzt sein.688) Mangels Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen enden zudem die steuerlichen Pflichten des Geschäftsführers nach § 34 Abs. 1 AO, so dass auch eine Haftung der Geschäftsführung für nichtabgeführte Steuerverbindlichkeiten nach § 69 AO nicht in Betracht kommt.689) Gleiches gilt im Eröffnungsverfahren, soweit ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde (starker vorläufiger Insolvenzverwalter, § 22 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 1. Alt. InsO).690) Sowohl der vorläufige starke Insolvenzverwalter als auch der Insolvenzverwalter sind 400 jedoch unstreitig Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO, so dass sie bei Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nach § 69 AO haften.691) Eine Haftung nach § 69 AO setzt jedoch voraus, dass die Handlung des Insolvenzverwalters kausal für die Pflichtverletzung, also ursächlich dafür gewesen war, dass die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren mit ihrer Forderung ausfällt. Daran fehlt es, wenn die Masse bei Fälligkeit ohnehin nicht zur Befriedigung der Forderungen ausgereicht hätte.692) Stehen zwar Mittel zur Verfügung, reichen diese jedoch nicht zur Tilgung ___________ 686) BFH, Beschl. v. 30.12.2004 – VII B 145/04 BFH/NV 2005, 665; Sander, in: FAK-InsO, § 22 Rn. 128; Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 22 Rn. 209; Rüsken, in: Klein, AO, § 34 Rn. 23. 687) Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 22 Rn. 209. 688) BGH, Urt. v. 18.11.1997 – VI ZR 11-97 NJW 1998, 1306; Perron, in: Schönke/Schröder StGB, § 266a Rn. 10; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 92 Rn. 211 m. w. N.; Plagemann, NZS 2000, 8, 10. 689) Rüsken, in: Klein, AO, § 34 Rn. 10; Koenig, in: Koenig, AO, § 34 Rn. 19; Thole, DB 2015, 662. 690) BGH, Urt. v. 18.11.1997 – VI ZR 11-97 NJW 1998, 1306; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 92 Rn. 211; m. w. N.; Thole, DB 2015, 662, 663. 691) Rüsken, in: Klein, AO, § 34 Rn. 22; Rose, ZIP 2016, 1520, 1521. 692) BFH, Urt. v. 16.3.1988 – I R 129/83 BFH/NV 1989, 409; BFH, Urt. v. 19.12.1995 – VII R 53/95 ZIP 1996, 429; OFD Karlsruhe, Verfügung v. 1.6.2010 – S 0190/2; Frotscher, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 22 Rn. 96; Rose, ZIP 2016, 1520, 1523.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

sämtlicher Steuerschulden, so genügt der Insolvenzverwalter seiner Pflicht, indem er das Finanzamt quotenmäßig unter Berücksichtigung der Verteilungsreihenfolge des § 209 InsO befriedigt (Grundsatz der anteiligen Tilgung).693)

b) Besonderheiten in der vorläufigen Eigenverwaltung 401 Im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung kann der Konflikt zwischen steuerrechtlichen und insolvenzrechtlichen Pflichten noch gravierendere Folgen haben.694) Da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Schuldner liegt, ist der (vorläufige) Sachwalter steuerrechtlich nicht als Vertreter der Insolvenzmasse i. S. v. §§ 34, 35 AO anzusehen.695) Der Schuldner bleibt Inhaber seiner Rechte und die Geschäftsführung hat weiterhin gemäß § 34 Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten des schuldnerischen Unternehmens zu erfüllen. Infolge des Be- bzw. Erhalts696) der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis fehlt es an der im Regelinsolvenzverfahren rechtlichen und tatsächlichen Unmöglichkeit.

402 Führt der Geschäftsführer zur Umgehung der oben geschilderten Strafbarkeit nach § 266a StGB und persönlichen Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB bzw. § 69 AO jedoch die öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten ab, droht ihm eine mögliche Inanspruchnahme nach § 64 S. 1 GmbHG.697) Darüber hinaus wird dem Unternehmen durch die Zahlung weitere, gerade im Anfangsstadium so wichtige Liquidität entzogen, was die Betriebsfortführung nicht nur erschwert, sondern sogar unmöglich machen kann. Schließlich ist die Bezahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen möglicherweise durch den vorläufigen Sachwalter als nachteilig für die Gläubiger zu beurteilen und dem Insolvenzgericht gemäß § 274 Abs. 3 InsO anzuzeigen.698) Das Insolvenzgericht kann dies schlimmstenfalls zum Anlass nehmen, das Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung aufzuheben.699) ___________ 693) BFH, Urt. v. 5.3.1991 – VII R 93/88 ZIP 1991, 1008, 1009; BVerwG, Urt. v. 9.12.1988 – 8 C 13/87 NJW 1989, 1873, 1874; Schmittmann, in: Mönning, Betriebsfortführung, § 36 Rn. 82; grundlegend zum kausalen Schaden Rose, ZIP 2016, 1520, 1523; sowie Thole, DB 2015, 662, 663. 694) Steuer- und Sozialversicherungsrechtliche Verbindlichkeiten, die ab Verfahrenseröffnung entstehen, stellen hingegen Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. InsO dar, so dass deren Begleichung für den Schuldner im eröffneten Verfahren ohne haftungsrechtliche Konsequenzen bleibt. 695) König, in: RSI Handbuch, § 36 Rn. 21; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 274 Rn. 49; zur Ausnahme im Rahmen der Kassenführungsbefugnis vgl. unten Rn. 433 ff. 696) Zur unterschiedlichen Terminologie, vgl. oben Rn. 301. 697) § 64 GmbHG findet nach überwiegender Ansicht auch im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung Anwendung, vgl. hierzu eingehend Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405; Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 432; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 21 m. w. N. 698) Kahlert, ZIP 2012, 2089; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 7. 699) Sonnleitner/Winkelhog, BB 2015, 88, 96; Thole, DB 2015, 662, 665: Kahlert, ZIP 2012, 2089.

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

Die Begleichung von Steuerverbindlichkeiten und die Abführung der Arbeitneh- 403 merbeiträge zur Sozialversicherung können jedoch richtigerweise nur dann als Verstoß gegen die Massesicherungspflicht verstanden werden, wenn Fiskus und Sozialträger bloße Insolvenzgläubiger im Sinne des § 38 InsO sind.700) Soweit es sich hingegen um Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO handelt, ist davon auszugehen, dass der Masse ein Äquivalent als Gegenleistung zugeführt wurde, weshalb eine Masseschmälerung nicht vorliegt.701) Folglich kann den Schuldner in diesem Fall mangels Masseschmälerung auch keine Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG treffen. Konsequenterweise darf die Erfüllung von Masseverbindlichkeiten auch keine An- 404 zeigepflicht des vorläufigen Sachwalters nach § 274 Abs. 3 S. 1 InsO auslösen. Voraussetzung einer Anzeigepflicht des vorläufigen Sachwalters ist eine durch die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu erwartende Gläubigerbenachteiligung (siehe hierzu oben Rn. 181 f.). Im Regelinsolvenzverfahren ist es anerkannt, dass es bei der Erfüllung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt, da auch der Insolvenzverwalter diese Befriedigung hätte gewähren müssen.702) Im Rahmen der Nachteilsanzeige nach § 274 Abs. 3 InsO, die letztlich sicherstellen soll, dass den Gläubiger dasselbe Schutzniveau wie im Regelinsolvenzverfahren gewährleistet wird (siehe hierzu oben Rn. 56), kann folglich kein anderer Maßstab gelten. Soweit der Schuldner folglich Masseverbindlichkeiten oder Verbindlichkeiten, die später zu Masseverbindlichkeiten umqualifiziert werden (§ 55 Abs. 4 InsO), bezahlt, darf der vorläufige Sachwalter dies richtigerweise nicht zum Anlass nehmen, eine Nachteilsanzeige nach § 274 Abs. 3 InsO an das Insolvenzgericht und die Gläubigern vorzunehmen.703) Fraglich ist also, ob Steuerverbindlichkeiten sowie die Arbeitnehmerbeiträge zur 405 Sozialversicherung Masseverbindlichkeiten darstellen. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Regelungen des § 55 InsO auf das Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung Anwendung finden. Dabei ist zwischen dem Eröffnungsverfahren nach § 270b InsO sowie dem Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO zu unterscheiden.

aa) Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO In Betracht kommt zunächst die Qualifikation der öffentlich-rechtlichen Forderungen 406 als Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 4 InsO. Die Regelung des § 55 Abs. 4 InsO wurde im Zuge des Haushaltsbegleitgesetz 2011 eingeführt. Ziel der ___________ 700) So auch Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270 Rn. 21; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 525; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 520. 701) Wesentliches Merkmal einer Masseverbindlichkeit, vgl. Hefermehl, in: MünchKomm-InsO, § 55 Rn. 14. 702) Huber, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 46 Rn. 64; Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 55 Rn. 157. 703) Ohne diese Differenzierung hingegen Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 8, wonach der vorläufige Sachwalter die Zahlung von Steuern als sorgfaltswidrig beurteilen muss.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Regelung war es, Nachteile der Steuerverwaltung im Rahmen der Unternehmensfortführung durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter auszugleichen.704) Während die meisten Gläubiger aktiv entscheiden konnten, ob sie weiterhin mit dem Schuldner bzw. vorläufigen Insolvenzverwalter zusammenarbeiten und sich durch alternative Sicherungsmittel, wie die Leistung nur gegen Vorkasse, gegen drohende Verluste schützen können, entstanden Steuerverbindlichkeiten im Rahmen der Unternehmensfortführung automatisch, ohne dass sich der Fiskus gegen Verluste irgendwie absichern konnte.705) Durch die Einführung von § 55 Abs. 4 InsO werden Steuerverbindlichkeiten, die der vorläufige schwache Insolvenzverwalter oder der Schuldner mit dessen Zustimmung begründet hat, nunmehr nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet und sind so der späteren Insolvenzanfechtung entzogen (sog. „Fiskusprivileg“).

407 Eine direkte Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO auf das Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung scheitert am eindeutigen Wortlaut des § 55 Abs. 4 InsO. Demnach sind nur solche Steuerverbindlichkeiten erfasst, die vom vorläufigen Insolvenzverwalter oder mit dessen Zustimmung begründet wurden. Seit den Änderungen des ESUG wird bei Antragstellung jedoch kein vorläufiger Insolvenzverwalter, sondern vielmehr ein vorläufiger Sachwalter bestellt. Auch eine analoge Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO kommt nicht in Betracht. Insoweit ist maßgeblich, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine Ausweitung von § 55 Abs. 4 InsO auf das Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung entschieden hat.706) Während die Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf des ESUG noch eine Ausweitung auf solche Steuerverbindlichkeiten empfahl, die „von einem vorläufigen Sachwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Sachwalters oder vom Schuldner während eines Eröffnungsverfahrens nach § 270a Absatz 1 begründet worden sind“707), sprach sich die Bundesregierung im nachfolgenden Gesetzesentwurf gegen eine derartige Erweiterung von § 55 Abs. 4 InsO aus.708) Die Bundesregierung wies richtigerweise darauf hin, dass eine Qualifikation als Masseverbindlichkeit nur in Betracht komme, wenn die Verbindlichkeit dem Insolvenzverwalter auf Grundlage einer amtlichen Liquidationsmaßnahme zugerechnet werden könne, was bei einer selbständigen Begründung durch den eigenverwaltenden Schuldner nicht der Fall sei.709) Angesichts dieser eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung, scheidet folglich auch eine analoge Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO auf die vorläufige Eigenverwaltung mangels Regelungslücke aus. ___________ 704) Verbindlichkeiten, begründet durch einen starken vorläufigen Insolvenzverwalters gelten hingegen bereits durch § 55 Abs. 2 S. 1 InsO als Masseverbindlichkeiten. 705) Begr. Regierungsentwurf HBeglG 2011, BT-Drucks. 17/3030, S. 43. 706) Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2547. 707) Begr. Stellungnahme Bundesrat, BR-Drs. 127/11 (B), S. 5. 708) Begr. Regierungsentwurf ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 68. 709) Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 43.

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

Anders wurde dies jedoch durch das Landgericht Erfurt in einer Entscheidung aus 408 dem Jahr 2015 gesehen.710) Im Rahmen der Frage der insolvenzrechtlichen Qualifikation von Steuerverbindlichkeiten in der vorläufigen Eigenverwaltung wendete das Landgericht § 55 Abs. 4 InsO im Rahmen einer teleologischen Auslegung entsprechend auf das Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung an. Die Entscheidung ist in der Literatur auf umfassende Kritik gestoßen711) und wurde in zweiter Instanz durch das Thüringer Oberlandesgericht auch abgeändert.712) Das Berufungsgericht erkannte, dass infolge des bewussten Verzichts der Ausweitung von § 55 Abs. 4 InsO auf das Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung mangels planwidriger Regelungslücke kein Raum für eine analoge Anwendung bestehe.713) Auch unter Berücksichtigung von § 55 Abs. 2 InsO stellen Steuerforderungen und Ar- 409 beitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung keine Masseverbindlichkeiten dar. Eine direkte Anwendung dieser Norm scheidet ebenfalls mangels Existenz eines vorläufigen Insolvenzverwalters aus. Auch eine analoge Anwendung von § 55 Abs. 2 InsO kommt richtigerweise nicht in Betracht. Denn es ist zu berücksichtigen, dass für den Fall, dass der Schuldner mittels Globalermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt wurde in § 270b Abs. 3 S. 2 InsO eine entsprechende Anwendung von § 55 Abs. 2 InsO ausdrücklich normiert ist. Wäre der Gesetzgeber von einer allgemeinen Geltung des § 55 Abs. 2 InsO im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung ausgegangen, hätte es des besonderen Verweises in § 270b Abs. 3 S. 2 InsO nicht bedurft. Es ist somit davon auszugehen, dass § 55 Abs. 2 InsO außerhalb des Anwendungsbereiches des § 270b InsO keine Anwendung findet.714) Der Schuldner steht im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung nach § 270a InsO folglich ungeschützt im Konflikt zwischen Massesicherungs- und Steuerzahlungspflichten.

bb) Schutzschirmverfahren, § 270b InsO Im Schutzschirmverfahren ist hingegen zu differenzieren. Soweit der Schuldner über 410 § 21 Abs. 1 S. 1 InsO zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Wege der Einzelermächtigung ermächtigt wurde (siehe hierzu oben Rn. 321 f.), gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Soweit dem Schuldner jedoch eine Globalermächtigung nach § 270b Abs. 3 S. 1 InsO erteilt wurde, erklärt § 270b Abs. 3 S. 2 InsO die Regelung des § 55 Abs. 2 InsO für entsprechend anwendbar. ___________ 710) 711) 712) 713)

LG Erfurt, Urt. v. 16.10.2015 – 8 O 196/15 ZIP 2015, 2181. Anstelle vieler Sterzinger, NZI 2016, 32, 33; Kahlert, EWiR 2015, 709. OLG Jena, Urt. v. 22.6.2016 – 7 U 753/15 NZI 2016, 784. OLG Jena, Urt. v. 22.6.2016 – 7 U 753/15 NZI 2016, 784, Rn. 15; so auch zuvor bereits Landry, jurisPR-HaGesR 5/2016 Anm. 5. 714) Bornemann, in: FK-InsO, § 55 Rn. 49; Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Borchardt/Frind 2.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

411 Der Schuldner tritt insoweit in die Stellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Sämtliche von ihm begründeten Verbindlichkeiten stellen gemäß § 55 Abs. 2 InsO Masseverbindlichkeiten dar, ohne dass dies im Einzelfall in seinem Belieben steht.715) Dies gilt auch für die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, die als Bestandteile des Bruttolohnanspruchs ebenfalls nach § 55 Abs. 2 S. 2 InsO als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind.716) Grundsätzlich steht der Schuldner im Schutzschirmverfahren damit nicht im haftungsbewehrten Spannungsfeld zwischen steuerrechtlichen Pflichten und insolvenzrechtlicher Vermögenssicherungspflicht.

412 Hinsichtlich der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung im Zusammenhang mit der Beantragung von Insolvenzgeld war dies bislang jedoch umstritten. Dies ist der Tatsache geschuldet, das bislang offen war, ob neben § 55 Abs. 2 InsO auch § 55 Abs. 3 InsO bei Erteilung einer Globalermächtigung im Schutzschirmverfahren nach § 270b Abs. 3 InsO anwendbar ist.717)

413 Hintergrund der Regelung des §§ 55 Abs. 3 InsO ist der folgende: Nimmt der Arbeitnehmer Insolvenzgeld nach § 165 SGB III in Anspruch, so geht sein Anspruch auf Arbeitsentgelt gemäß § 169 S. 1 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit über. Es handelt sich dabei um einen gesetzlich angeordneten Fall der Legalzession.718) Der Charakter des Arbeitsentgeltanspruchs als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 2 S. 2 InsO) wird durch den Forderungsübergang grundsätzlich nicht berührt, so dass der Anspruch auch nach Übergang auf die Bundesagentur eine Masseverbindlichkeit darstellen würde (§§ 412, 401 Abs. 2 BGB). Diese Besserstellung der Bundesagentur für Arbeit wird durch die Regelung des § 55 Abs. 3 S. 1 InsO verhindert. Demnach werden die auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Arbeitsentgeltansprüche zu Insolvenzforderungen zurückgestuft; die Bundesagentur kann diese folglich nur als Insolvenzgläubigerin geltend machen.719) Gleiches gilt gemäß § 55 Abs. 3 S. 2 InsO für die rückständigen Beiträge zur Sozialversicherung, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

414 Aufgrund dieser Regelung bestand folglich die Gefahr, dass der Schuldner, soweit er die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung abführt, Forderungen befriedigt, die zwar ursprünglich Masseverbindlichkeiten darstellen, nach § 55 Abs. 3 S. 2 InsO jedoch zu Insolvenzforderungen zurückgestuft werden. In diesem Fall würde er durch die Beitragsabführung seine insolvenzrechtliche Pflicht zur Massesicherung verlet___________ 715) BGH, Urt. v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15 ZInsO 2016, 1421, 1422. 716) BGH, Urt. v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15 ZInsO 2016, 1421, 1423. 717) Die wohl h. M. geht von einer analogen Anwendbarkeit des § 55 Abs. 3 InsO aus, vgl. LG Hamburg, Urt. v. 19.11.2014 – 303 O 335/13 ZInsO 2015, 451, 455; Geißler, ZInsO 2013, 531, 537; Frind, ZInsO 2012, 1099, 1104. 718) Mutschler, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, § 169 SGB III Rn. 1. 719) Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 55 Rn. 44 m. w. N.; Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 55 Rn. 103.

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

zen. Gleichzeitig wäre die Zahlung auf Insolvenzforderungen als gläubigerbenachteiligende Handlung nach § 274 Abs. 3 InsO anzuzeigen. Der 9. Zivilsenat hat hier durch Beschluss vom 16. Juni 2016 jedoch für Klarheit 415 gesorgt. Zunächst erklärte der BGH in Einklang mit der bisher herrschenden Meinung die Regelung des § 55 Abs. 3 InsO im Schutzschirmverfahren für analog anwendbar, wenn der Schuldner nach § 270b Abs. 3 S. 1 InsO zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt wurde.720) Der BGH stellte jedoch klar, dass eine Rückstufung zu Insolvenzforderungen nach § 55 Abs. 3 S. 2 InsO analog nur dann erfolge, wenn die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung noch nicht abgeführt wurden. Dies ist dem Wortlaut des § 55 Abs. 3 S. 2 InsO geschuldet, der die Rückstufung an die Voraussetzung knüpft, dass die Ansprüche noch gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben, was gerade nicht der Fall ist, wenn der Schuldner diese Ansprüche bezahlt hat und diese durch Erfüllung erloschen sind (§ 362 BGB).721) Soweit der Schuldner die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung abführt, han- 416 delt es sich also (dauerhaft) um Masseverbindlichkeiten, so dass ihn nach hier vertretener Ansicht weder eine Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG treffen darf, noch der vorläufige Sachwalter dies zum Anlass nehmen darf oder muss, eine Nachteilsanzeige nach § 274 Abs. 3 S. 1 InsO vorzunehmen.

2.

Lösungsansätze in der vorläufigen Eigenverwaltung

Soweit der Schuldner jedoch außerhalb der Globalermächtigung des § 270b Abs. 3 417 InsO bloße Insolvenzforderungen begründet, haben sich in Rechtsprechung, Literatur und Praxis, um dieses „Haftungsdilemma“722) zu lösen, unterschiedliche Lösungsansätze gebildet.

a) Kassenführungsrecht des Sachwalters Das Amtsgericht Hamburg ordnete in einem Fall zur Vermeidung künftiger insol- 418 venzzweckwidriger Handlungen des Schuldners, die Übertragung des Kassenführungsrechts auf den vorläufigen Sachwalter gemäß der §§ 270a, 275 Abs. 2 InsO

___________ 720) BGH, Urt. v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15 ZInsO 2016, 1421, 1423. 721) BGH, Urt. v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15 ZInsO 2016, 1421, 1424; so auch LG Hamburg, Urt. v. 19.11.2014 – 303 O 335/13 ZInsO 2015, 451, 456; damit ist zwar der bisher vielfach empfohlenen Praxis, die Arbeitnehmerbeiträge abzuführen und sodann im Wege der Anfechtung nach Verfahrenseröffnung zurückzuholen, die Grundlage entzogen (siehe hierzu unten Rn. 425 f.), dies ist mangels Rückstufung zu Insolvenzforderungen nach hier vertretener Ansicht jedoch nun auch nicht mehr nötig; a. A. mit umfassender Kritik an der Entscheidung des BGH Pleister/Kunkel, ZIP 2017, 153. 722) Frind, ZInsO 2015, 22.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

an.723) Die Lösung des Amtsgerichts Hamburg ist aus mehreren Gründen jedoch abzulehnen:

419 Zum einen ist die Übernahme der Kassenführung ein gesetzlicher Anspruch des Sachwalters (vgl. hierzu oben Rn. 210 ff.). Es besteht gerade keine gerichtliche Kompetenz die Übertragung anzuordnen, auch nicht rein deklaratorisch. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 275 Abs. 2 InsO liegt die Übernahme ausschließlich im pflichtgemäßen Ermessen des Sachwalter; der Anspruch wird allein durch ihn ausgeübt.724) Das Insolvenzgericht kann hier lediglich Anregungen geben, besitzt aber keine Anordnungsbefugnis.725) Die Regelung des § 275 Abs. 2 InsO ist insoweit als abschließende Regelung zu betrachten, so dass die Anordnung der Kassenführung durch den Sachwalter auch nicht auf § 21 InsO gestützt werden kann.726)

420 Darüber hinaus ist die Lösung des Amtsgerichts Hamburg auch nicht zielführend. Die Übernahme der Kassenführungsbefugnis ist eine rein intern wirkende Maßnahme ohne Außenwirkung (vgl. hierzu oben Rn. 210 f.). Der Sachwalter handelt in diesem Bereich zwar als gesetzlicher Vertreter des Schuldners, übernimmt jedoch nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis. Diese verbleibt vielmehr beim Schuldner. Eine rechtliche Befugnis, Verfügungen des Schuldners mit Wirkung im Außenverhältnis zu verhindern, erlangt der Sachwalter folglich nicht.727) Der Schuldner hat nicht nur weiterhin die rechtliche Möglichkeit auf die Konten zuzugreifen und Zahlungen zu betätigen, solange der Sachwalter nicht ein Sonder- oder Anderkonto eingerichtet hat, kann der Schuldner diese Zahlung auch tatsächlich selbst leisten.728) Ein Zugriff auf das Vermögen wird dem eigenverwaltenden Schuldner damit schon nicht unmöglich.

421 Zudem ist es anerkannt, dass der Sachwalter selbst wirtschaftlich sinnlose Verbindlichkeiten zu begleichen hat, soweit der Schuldner diese wirksam als Masseverbindlichkeiten begründet hat.729) All dies zeigt, dass trotz Kassenführungsbefugnis des Sachwalters letztlich der Schuldner die Fäden in der Hand behält. Dass die Zahlung von Steuerforderungen einen internen Verstoß gegen die Regelung des § 275 Abs. 2 InsO darstellt, wird die finanzgerichtliche Rechtsprechung ebenso unbeeindruckt lassen wie der Verstoß gegen die Massesicherungspflicht und den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz. Ein Vorrang der insolvenzrechtlichen Vorgaben vor der Pflicht ___________ 723) 724) 725) 726)

AG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2014 – 67b IN 196/14 ZInsO 2014, 2390. AG Hannover, Beschl. v. 8.5.2015 – 909 IN 264/15 ZIP 2015, 1893, 1894. Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 551. Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 551; a. A. tendenziell Thole, DB 2015, 662, 668; Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 426b. 727) Schädlich, NWB 2016, 1600, 1609. 728) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 65; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 492; a. A. Hunsalzer, ZInsO 2014, 1748, 1749, die Zahlung sei dem Schuldner vielmehr faktisch unmöglich. 729) Siehe hierzu oben Rn. 218 sowie Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 556.

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

zur Steuerzahlung wird durch diese nicht anerkannt. Wie die Rechtsprechung zum Regelinsolvenzverfahren zeigt, bedarf es vielmehr einer tatsächlichen oder rechtlichen Unmöglichkeit des Schuldners oder seiner Organe, die Zahlungen zu leisten. Eine solche ist mit § 275 Abs. 2 InsO jedoch nicht zwingend verbunden, so dass davon auszugehen ist, dass die Finanzgerichte, solange der Schuldner noch faktischen Zugriff auf die Konten hat, eine Haftung oder Strafbarkeit auf Grundlage von § 266a StGB nicht als suspendiert erachten werden.730)

b) Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters Einen anderen Lösungsweg wählten das Amtsgericht Heilbronn und das Amtsge- 422 richt Düsseldorf. Auf Grundlage des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO erließen sie einen Zustimmungsvorbehalt dahingehend, dass die Begleichung öffentlich-rechtlichen Forderungen (Zahlungen auf Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. v. § 37 AO sowie Zahlungen auf Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung i. S. v. § 266a StGB) nur mit Zustimmung des Sachwalters erfolgen darf.731) Eine Strafbarkeit des Schuldners bzw. seiner Organe wird so vermieden, da dem Schuldner die Abführung der Beiträge dem Schuldner bei verweigerter Zustimmung des Sachwalters rechtlich unmöglich ist (vgl. zur Außenwirkung des Zustimmungsvorbehalts oben Rn. 394 f.). Die Lösung über einen Zustimmungsvorbehalt gemäß § 270 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 21 Abs. 1 S. 1 InsO ist in Rechtsprechung und Schrifttum jedoch auf Kritik gestoßen. Für Frind entbehrt die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts im Eröffnungsverfahren bereits jeder Rechtsgrundlage.732) Er verweist auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg,733) in welchem ein Zustimmungsvorbehalt zur Masseverbindlichkeitsbegründung angeordnet worden sei, was in der Literatur und anderer unterinstanzlicher Rechtsprechung „unisono“ auf Ablehnung gestoßen sei.734) Zwar ist dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg tatsächlich entgegengetreten worden, die Kritik bezog sich jedoch nicht darauf, dass das Gericht einen Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Sachwalters anordnete. Ein solcher wurde in der Entscheidung des Amtsgerichts weder angeordnet noch angedacht. Das Gericht ermächtigte gerade nicht den Schuldner zur Begründung von Masseverbindlichkeiten und stellte die Begründung sodann (zusätzlich) unter den Vorbehalt der Zustimmung des Sachwalters, sondern ermächtigte vielmehr den vorläufigen Sachwalter selbst zur Begrün___________ 730) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 492; i. E. auch Schädlich, NWB 2016, 1600, 1609; Gortan, NZI 2016, 982, 984. 731) AG Heilbronn, Beschl. v. 23.3.2016 – 12 IN 149/16 NZI 2016, 582; ohne Begründung AG Düsseldorf, Beschl. v. 10.7.2014 – 504 IN 124/14 ZInsO 2014, 2389. 732) Frind, ZInsO 2015, 22; Frind, ZInsO 2012, 1099, 1103; so auch bereits zur Begründung von Masseverbindlichkeiten, siehe oben Rn. 356 f. 733) AG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2014 – 67b IN 196/14 ZInsO 2014, 2390. 734) Frind, ZInsO 2015, 22, 24; ebenso AG Hannover, Beschl. v. 8.5.2015 – 909 IN 264/15 ZIP 2015, 1893.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

dung von Masseverbindlichkeiten, was, wie bereits dargestellt, zu Recht auf Kritik stieß (vgl. hierzu oben Rn. 335 f.). Aus der Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg und der sich anschließenden Diskussion in der Praxis kann damit nicht der Schluss auf eine mangelnde Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO über § 270a Abs. 1 S. 2 InsO im Eröffnungsverfahren gezogen werden. Im Gegenteil, die Anwendung des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO und die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts für bestimmte Rechtsgeschäfte ist auch im Eröffnungsverfahren allgemein anerkannt (vgl. hierzu bereits oben Rn. 228 f.) und wird gerade als zusätzliches Korrektiv im Zusammenhang mit der Massebegründungskompetenz des Schuldners angewandt (vgl. hierzu oben Rn. 356 f.).

423 Soweit darüber hinaus eingewandt wird, die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts sei nicht von der Rechtsgrundlage des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO gedeckt, kann auch diesem Argument, jedenfalls in seiner Pauschalität, nicht gefolgt werden.735) Gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 InsO kann das Gericht alle Maßnahmen treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung der Vermögenslage zu verhüten. Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts nach Abwägung der Verhältnismäßigkeit.736)

424 Die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts wie durch das Amtsgericht Heilbronn erfolgt, dient gerade der Vermeidung einer solchen nachteiligen Veränderung der Vermögenslage. Erfolgt diese nicht, ist der Schuldner zur Abwehr der persönlichen Haftung und Strafbarkeit gehalten, die Beträge abzuführen. Der damit verbundene Liquiditätsabfluss kann eine unmittelbar nachteilige Veränderung der Vermögenslage darstellen und für sich bereits eine Sicherungsmaßnahme nach § 21 Abs. 1 S. 1 InsO rechtfertigen.737) Denn das Vorhandensein notwendiger Liquidität ist gerade im Anfangsstadium eines jeden Insolvenzverfahrens für den Aus- und Fortgang des Verfahrens entscheidend. Welche nachteiligere Veränderung der Vermögenslage gilt es zu verhüten, wenn nicht eine solche, die geeignet ist, den Fortgang des Verfahrens und damit die Sanierung des Unternehmens unmittelbar zu gefährden? Den Gläubigern hilft es wenig, dass die Beiträge möglicherweise nach Verfahrenseröffnung im Wege der Anfechtung zurückerlangt werden können (vgl. hierzu nachfolgend Rn. 425), wenn es zu einer Verfahrenseröffnung mangels notwendiger Liquidität im Eröffnungsverfahren nicht mehr kommt.738) Die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts dient in diesem Fall nicht dem alleinigen Schutz des Schuldners,739) son___________ 735) So jedoch Laroche/Wollenweber, ZInsO 2016, 2225, 2226. 736) Pape/Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 21 Rn. 15; Hölzle, in: K. Schmidt, InsO, § 21 Rn. 9. 737) Vgl. auch Thole, DB 2015, 662, 669, der innerhalb dieses Rahmens auch die direkte Untersagung der betreffenden Zahlungen über die Anordnung eines speziellen Verfügungsverbots erwägt. 738) Vgl. Gortan, NZI 2016, 982, 983, der darauf hinweist, dass Steuerzahlungen und Sozialversicherungsabgaben insbesondere bei Großunternehmen schnell im mehrstelligen Bereich liegen können. 739) So jedoch Laroche/Wollenweber, ZInsO 2016, 2225.

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

dern vielmehr der Vermeidung eines unnötigen und möglicherweise fatalen Liquiditätsabflusses und damit schließlich auch der Sicherung der Verfahrensfortsetzung.740) Ob die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts für öffentlich-rechtliche Forderungen erforderlich ist, ist wie jede Anordnung einer Sicherungsmaßnahme eine Frage des Einzelfalls. Das Merkmal der Erforderlichkeit verbietet eine routinemäßige Anordnung von Sicherungsmaßnahmen,741) so dass das Gericht nicht in jedem Eröffnungsverfahren den Vorbehalt anordnen darf, sondern vielmehr unter enger Abstimmung mit dem Sachwalter ermitteln muss, ob der zu erwartende Liquiditätsabfluss eine konkrete Gefährdung der Gläubigerinteressen bewirkt und damit zu verhindern ist.742) Verfügt ein Unternehmen hingegen über ausreichende Liquidität, so stellt auch der zeitweilige Abfluss der Steuerzahlungen keine für die Gläubiger nachteilige und zu verhindernde Veränderung der Vermögenslage dar, da die Beträge im Wege der Anfechtung nach Verfahrenseröffnung zurückerlangt werden können (siehe hierzu nachstehend unter cc)). In diesem Fall muss auf die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts verzichtet werden. Soweit jedoch erforderlich, ist festzuhalten, dass die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zulässig ist.

c)

Zahlung unter dem Vorbehalt der Anfechtung

Um sich gegen die mögliche Haftung zu schützen, wird schließlich vielfach eine Lö- 425 sung mithilfe der insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften empfohlen. Dabei wird die zuständige Stelle über den erfolgten Eröffnungsantrag informiert und die Zahlungen anschließend unter dem Vorbehalt einer späteren Anfechtung geleistet (sog. Anfechtungslösung). Soweit von Schädlich allein die hypothetische Möglichkeit der späteren Anfechtung 426 zur Vermeidung einer Haftung und Strafbarkeit angedacht wird, macht diese Lösung mit Blick auf die bestehende Divergenz der zivil-, steuer- und strafrechtlichen Rechtsprechung hingegen nur eingeschränkt Sinn.743) Lediglich der 2. und 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs lehnen eine zivilrechtliche Haftung des Schuldners bei späterer hypothetischer Anfechtung ab. Da die Pflichtverletzung im Falle einer hinzugedachten erfolgreichen Anfechtung zu keinem Schaden bei der Sozialkasse geführt hätte, fehlt es nach Ansicht des BGH bereits an der notwendigen haftungsausfül-

___________ 740) Vgl. auch Thole, DB 2015, 662, 668, der in diesem Zusammenhang von einer fragwürdigen Verschwendung von Ressourcen spricht. 741) Vallender, in: Uhlenbruck InsO, § 21 Rn. 3; AG Düsseldorf, Beschl. v. 8.2.2011 – 503 IN 20/11 ZInsO 2011, 438, 439. 742) I. E. auch Thole, DB 2015, 662, 669. 743) Schädlich, NZI 2016, 444, 445.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

lenden Kausalität.744) Nach jüngst bestätigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist ein solch hypothetischer Kausalverlauf einer Anfechtung für die Haftungsinanspruchnahme nach § 69 AO hingegen unbeachtlich.745) Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des 5. Strafsenats des BGH für die Strafbarkeit nach § 266a StGB, auf welche die potentielle Anfechtbarkeit der Zahlungen ebenso wenig Einfluss haben soll.746)

427 Angesichts der damit weiter drohenden steuerrechtlichen Haftung und Strafbarkeit setzt das Funktionieren der Anfechtungslösung vielmehr voraus, dass die Beträge tatsächlich abgeführt werden.747) Eine Haftung wegen Verletzung der Massesicherungspflicht gemäß § 64 S. 1 GmbHG droht dem Geschäftsführer dadurch nicht. Da es dem Geschäftsführer angesichts der andernfalls bestehenden Haftungsrisiken nicht zugemutet werden kann, sich straf- und haftbar zu machen, geht der BGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Abführung der öffentlich-rechtlichen Forderungen nach Eintritt der Insolvenzreife mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns im Sinne des § 64 S. 2 GmbHG vereinbar ist, so dass die Haftung aus § 64 S. 1 GmbHG zurücktritt.748)

428 Nach Eröffnung des Verfahrens kann der Sachwalter die geleisteten Zahlungen gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechten und die Beiträge gemäß § 143 Abs. 1 InsO zurückverlangen. Gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, anfechtbar, wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Da die Kenntnis des Fiskus bzw. Sozialversicherungsträgers für die spätere erfolgreiche Anfechtung unerlässlich ist, sollte die Mitteilung des Eröffnungsantrags an die zuständige Stelle beweisrechtlich verwertbar dokumentiert werden.

429 Dieses Vorgehen führt jedoch nur dann zum Erfolg, wenn es sich bei den Forderungen des Fiskus und des Sozialträger im Eröffnungsverfahren um Insolvenzfor___________ 744) BGH, Urt. v. 14.11.2000 – VI ZR 149/99 NZI 2001, 138, 139; BGH, Urt. v. 18.4.2005 – II ZR 61/03 NZI 2005, 447, 448; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.9.2014 – I-21 U 38/14 NZI 2015, 517, 519. 745) BFH, Urt. v. 5.6.2007 – VII R 65/05 DStR 2007, 1722, 1724; BFH, Urt. v. 26.1.2016 – VII R 3/15 ZInsO 2016, 922, 924; Rüsken, in: Klein, AO, § 69 Rn. 72; Intemann, in: Koenig, AO, § 69 Rn. 55. 746) BGH, Beschl. v. 9.8.2005 – 5 StR 67/05 NJW 2005, 3650, 3652. 747) Da § 266a StGB auf die Abführung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung keine Anwendung findet, hat eine Zahlung auf diese Beiträge hingegen zu unterbleiben, vgl. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 486. 748) BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06 ZInsO 2007, 660, 661 zu § 92 Abs. 3 S. 2 AktG; BGH, Urt. v. 29.9.2009 – II ZR 162/07 ZInsO 2008, 1205, 1206; BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09 ZInsO 2011, 440, 441.

154

D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

derungen im Sinne des § 38 InsO handelt. Bei einer Qualifikation als Masseverbindlichkeiten wäre die Forderung hingegen einer späteren Anfechtung entzogen. Wie festgestellt kann der Schuldner richtigerweise jedoch auch nur dann in das beschriebene „Haftungsdilemma“ kommen, wenn er Insolvenzforderungen befriedigt (siehe hierzu oben Rn. 401 ff.). Soweit es sich um Masseverbindlichkeiten handelt, bedarf es bereits keiner der aufgezeigten Möglichkeiten zur Vermeidung einer späteren Inanspruchnahme. Hinsichtlich der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung hat der BGH für den 430 Fall, dass der Schuldner nach § 270b Abs. 3 S. 1 InsO im Wege der Globalermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt wurde, wie ausgeführt, für abschließende Rechtsklarheit gesorgt. Wie festgestellt, werden die ursprünglich als Masseforderungen entstandenen Forderungen gemäß § 55 Abs. 3 S. 2 InsO nur dann zu Insolvenzforderungen zurückgestuft, wenn sie nicht beglichen wurden (siehe hierzu oben Rn. 410 ff.). Der bisher in der Praxis vorgenommenen Lösung, diese Forderungen zur Vermeidung einer Haftung im Wege der hier beschriebenen Anfechtungslösung zu begleichen und nach Verfahrenseröffnung zurückzuholen, wurde durch diese Entscheidung nunmehr zwar die Grundlage entzogen; die Abführung der Beträge birgt für den Schuldner nach hier vertretener Ansicht aufgrund ihrer (endgültigen) Qualifikation als Masseverbindlichkeiten jedoch auch keine Haftungsgefahren mehr. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass dem Unternehmen durch die Abführung der 431 Beträge wichtige Liquidität entzogen wird. Neben der generellen Gefahr der Aufzehrung der Insolvenzmasse ist dies ein weiterer Aspekt, der gegen die Beantragung und Erteilung einer Generalermächtigung im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung spricht. Auch im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO sollte folglich besser die Erteilung von Einzelermächtigungen angeregt werden, hinsichtlich derer sodann ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet werden kann. Damit kann dem Unternehmen in mehrfacher Hinsicht notwendige Liquidität erhalten bleiben.

d) Stellungnahme Im Übrigen sind sowohl die Anfechtungslösung als auch die Anordnung eines be- 432 sonderen Zustimmungsvorbehalts nach hier vertretener Ansicht dem Grunde nach zulässig und im Ergebnis auch zielführend. Grundsätzlich ist aus Gründen der Praktikabilität die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts vorzugswürdig. So kann das mit der Anfechtungslösung verbundene Hin- und Herzahlen, das lediglich zu einer „Scheinbefriedigung“ des Fiskus749) führt, vermieden und die ohnehin knappe Liquidität gerade in der kritischen Phase des Eröffnungsverfahrens nachhaltig geschont werden. Gerade im Zusammenhang mit der Begründung von Steuerverbindlichkei___________ 749) So Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354, 2356.

155

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

ten entsprechen solche Zustimmungsvorbehalte mittlerweile auch der insolvenzrechtlichen Praxis.750) Wie jedoch festgestellt, bedarf es einer konkreten Erforderlichkeit der Anordnung nach § 21 Abs. 1 S. 1 InsO. Liegt eine solche nicht vor hat das Insolvenzgericht auf diese Art der Sicherungsmaßnahme zu verzichten. In diesem Fall ist die Begleichung der Beträge unter der Beachtung der Anfechtungslösung vorzunehmen.

3.

Steuerrechtliche Haftung des kassenführungsbefugten Sachwalters gemäß § 69 AO

433 Unabhängig von der Frage der Möglichkeiten zur Vermeidung einer Haftung des Schuldners unter Zuhilfenahme des Sachwalters kommt auch eine eigene steuerrechtliche Haftung des Sachwalters in Betracht. Wie festgestellt treffen den Sachwalter mangels Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis die steuerrechtlichen Pflichten des Insolvenzverwalters grundsätzlich nicht. Anders als der starke vorläufige Insolvenzverwalter und der endgültige Insolvenzverwalter ist er grundsätzlich kein Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO und folglich auch kein Haftungssubjekt des § 69 AO (siehe hierzu oben Rn. 401 f.). Etwas anderes könnte jedoch gelten, wenn der Sachwalter die Kassenführungsbefugnis nach § 275 Abs. 2 InsO übernommen hat. Die Frage, welche Auswirkungen die Übernahme der Kassenführung auf die steuerrechtliche Haftung des Sachwalters hat, ist umstritten und stellt sich gleichermaßen in vorläufiger Eigenverwaltung wie auch im eröffneten Verfahren.

434 Die Übernahme der Kassenführung hat als rein interne Maßnahme keine Außenwirkung (siehe hierzu oben Rn. 210 ff.). Der (vorläufige) Sachwalter ist damit auch im Falle des § 275 Abs. 2 InsO jedenfalls nicht Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO. Er könnte jedoch gemäß § 69 i. V. m. § 35 AO als Haftungssubjekt in Betracht kommen. Gemäß § 35 AO hat derjenige, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters im Sinne von § 34 Abs. 1 AO, soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

a) Kassenführungsbefugter Sachwalter als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO 435 Der kassenführungsbefugte (vorläufige) Sachwalter müsste also zunächst Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO sein. Eine solche Einordnung des Sachwalters wird von einem Teil des Schrifttums aufgrund der fehlenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis abgelehnt. Der Sachwalter fungiere als reine „Zahlstelle“, die rein intern wirkende Maßnahme der Kassenführung könne keine Verfügungsberechtigung begründen.751) Der Sachwalter sei nur zur Ausführung und Entgegennahme von Zah___________ 750) Mit Verweis auf eine Reihe weiterer nicht veröffentlichter Entscheidungen Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354, 2358. 751) So Sonnleitner/Winkelhog, BB 2015, 88, 96.

156

D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

lungen berechtigt, was keine Verfügungen, sondern bloße Realakte darstelle.752) Eine Verfügungsberechtigung sei daraus folglich nicht abzuleiten. Mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 AO kann dieser Ansicht nicht 436 gefolgt werden. Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO ist jeder, der rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und als Verfügungsberechtigter auftritt.753) Der Verfügungsberechtigte muss also zunächst die Fähigkeit haben, auf Grund bür- 437 gerlich-rechtlicher Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirksam zu handeln.754) Unter Verfügung ist allgemein ein Rechtsgeschäft zu verstehen, das unmittelbar darauf abzielt, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben.755) In Abgrenzung hierzu sind Realakte rein tatsächliche, den rechtlichen Status nicht verändernde Handlungen.756) Neben Veräußerungen gehören auch die Belastung mit und die Begleichung von Verbindlichkeiten zu den Verfügungen.757) Übernimmt der Sachwalter die Kassenführungsbefugnis, so handelt er innerhalb die- 438 ses eingeschränkten Bereichs, namentlich der Entgegennahme und Leistung von Zahlungen, wie dargestellt, als gesetzlicher Vertreter des Schuldners in dessen Vollmacht (siehe hierzu oben Rn. 210 ff.). Auch wenn die jeweilige Verfügung auf einer Anweisung des Schuldners beruht, nimmt er durch das Recht, über die Konten des Schuldners zu verfügen und Zahlungen anzuweisen, die zivilrechtliche Verfügungsmacht im Außenverhältnis wahr. Insoweit kann er sich bei der Anweisung offensichtlich verfahrenszweckwidriger Handlungen auch über den Willen des Schuldners hinwegsetzen.758) Diese, wenn auch gegenständlich beschränkte rechtliche Verfügungsmöglichkeit ist ausreichend, um eine Verfügungsbefugnis im Sinne des § 35 AO zu begründen.759)

b) Auftreten in fremden Namen Um die Pflichtenstellung des § 35 AO auszulösen, muss der Verfügungsberechtigte 439 darüber hinaus auch als solcher aufgetreten, also im Rechtsverkehr nach außen in ___________ 752) Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2548. 753) Begr. Regierungsentwurf AO, BT-Drs. IV/1982, S. 111; BFH, Beschl. v. 8.12.2010 – VII B 102/10 BFH/NV 2011, 740; BFH, Urt. v. 21.2.1989 – VII R 165/85 GmbHR 1989, 520. 754) BFH, Beschl. v. 8.12.2010 – VII B 102/10 BFH/NV 2011, 740. 755) BGH, Urt. v. 4.5.1987 – II ZR 211/86 NJW 1987, 3177; Bayreuther, in: MünchKomm-BGB, § 185 Rn. 3; Koenig, in: Koenig, AO, § 35 Rn. 2. 756) FG Hessen, Urt. v. 29.11.1991 – 4 K 1379/91 (n. rk.) ZIP 1992, 687; Koenig, in: Koenig, AO, § 35 Rn. 2. 757) Koenig, in: Koenig, AO, § 35 Rn. 2. 758) Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 556. 759) Zustimmend Krüger, ZInsO 2013, 578, 579; Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1407; Thole, DB 2015, 662, 670; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 30; Foltis, in: FK-InsO, § 275 Rn. 26; König, in: RSI Handbuch, § 36 Rn. 44.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Erscheinung getreten sein.760) Ein Auftreten im Rechtsverkehr ist regelmäßig bereits in der Tilgung von Verbindlichkeiten durch Unterzeichnung und Vornahme von Überweisungen sowie dem Einzug von Forderungen zu sehen.761) Die Möglichkeit, über die Mittel eines anderen zu verfügen, stellt nach dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers eine solche Machtbefugnis dar, die es rechtfertigt, den Verfügenden einem gesetzlichen Vertreter unabhängig davon gleichzustellen, wem gegenüber er die Verfügung vorgenommen hat.762)

440 Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung des BFH das Auftreten als Verfügungsberechtigter gegenüber irgendjemanden ausreichend, auch wenn es sich dabei um eine begrenzte Öffentlichkeit, wie lediglich die Organe der Gesellschaft handelt.763) Die Entgegennahme von Geldern oder Leistung von Zahlungen begründet die Möglichkeit des Sachwalters über die Mittel des Schuldners zu verfügen, was unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BFH ein ausreichendes Erscheinen im Rechtsverkehr darstellt. Ein körperliches in Erscheinung treten oder Auftreten gegenüber Nichtgesellschaftern ist hingegen nicht erforderlich.764)

c)

Rechtliche und tatsächliche Erfüllungsmöglichkeit

441 Die Regelung des § 35 AO erfährt jedoch durch § 35 2. HS. AO eine gewichtige Einschränkung.765) Demnach treffen den Verfügungsberechtigten die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters nur, soweit er diese rechtlich und tatsächlich auch erfüllen kann. Die Vorschrift des § 35 AO zielt damit einerseits als tatsächliches Moment auf die Verfügungsmacht ab und setzt andererseits die rechtliche Möglichkeit zur Erfüllung steuerlicher Pflichten voraus.766)

442 Das Fehlen ausreichend verfügbarer Mittel zur Tilgung ist dabei keine Frage des § 35 2. Hs. AO, sondern lässt auf Tatbestandsebene der Haftungsgrundnorm des § 69 AO vielmehr bereits die Pflichtverletzung, spätestens jedoch die Kausalität entfallen (vgl. hierzu und zum Grundsatz der anteiligen Tilgung bereits oben Rn. 396 ff.).767) ___________ 760) BFH, Beschl. v. 8.12.2010 – VII B 102/10 BFH/NV 2011, 740; Rüsken, in: Klein, AO, § 35 Rn. 7; Koenig, in: Koenig, AO, § 35 Rn. 7. 761) BFH, Urt. v. 13.9.1988 – VII R 35/85 BFH/NV 1989, 139; Koenig, in: Koenig, AO, § 35 Rn. 8. 762) BFH, Urt. v. 27.11.1990 – VII R 20/89, BStBl. II 1991, 284 BB 1991, 1323, 1324; Loose, in: Tipke/Kruse, AO, § 35 Rn. 11; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 35 Rn. 5. 763) BFH, Urt. v. 5.8.2010 – V R 13/09 BFH/NV 2011, 81; BFH, Urt. v. 24.4.1991 – I R 56/89 BFH/NV 1992, 76; Rüsken, in: Klein, AO, § 35 Rn. 7. 764) A. A. Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 555, die ein offenes Auftreten gegenüber Gläubigern, Drittschuldnern oder Kreditinstituten fordern. 765) Koenig, in: Koenig, AO, § 35 Rn. 1. 766) Schmitz/Wulf, in: MünchKomm-StGB, § 370 AO Rn. 327; Loose, in: Tipke/Kruse, AO, § 35 Rn. 1 m. w. N. 767) A. A. wohl Rüsken, in: Klein, AO, § 35 Rn. 21, der bereits den Anwendungsbereich des § 35 AO insoweit beschränkt.

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

aa) Aufgabenbereich als Gegenstand der rechtlichen und tatsächlichen Erfüllbarkeit Die rechtliche und tatsächliche Erfüllbarkeit erfordert nach einer überwiegenden 443 Ansicht in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung jedoch, dass die Erfüllung der Steuerpflichten auch tatsächlich Teil des Aufgabenbereichs des Verfügungsberechtigten ist. So hat die Rechtsprechung hinsichtlich der Einordnung eines Prokuristen als Verfügungsberechtigter mehrfach entschieden, dass ein Prokurist nur in Anspruch genommen werden kann, wenn auch die Wahrnehmung steuerlicher Interessen des Geschäftsherrn zu seinem Pflichtenkreis gehört oder er tatsächlich die steuerlichen Angelegenheiten erledigt hat.768) Auch wenn die Prokura nach § 49 Abs. 1 HGB zu allen Arten gerichtlicher und außergerichtlicher Geschäfte ermächtigt und nach außen nicht wirksam eingeschränkt werden kann (§ 50 Abs. 1 HGB), kann aus der Prokura allein nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass der Prokurist bevollmächtigt und beauftragt ist, die steuerlichen Pflichten des Unternehmens wahrzunehmen.769) Nur soweit der Prokurist im konkreten Fall mit der Wahrnehmung steuerlicher Interessen betraut war oder die steuerlichen Angelegenheiten tatsächlich erledigt hat, treffen ihn die steuerlichen Pflichten des gesetzlichen Vertreters. Mit Blick auf die Rechtsfolge des § 35 AO scheint dieses Erfordernis zu einem Zir- 444 kelschluss zu führen: Die Rechtsfolge des § 35 AO ist, dass der Verfügungsberechtigte die steuerlichen Pflichten eines gesetzlichen Vertreters hat. Gleichzeitig wird bereits auf Tatbestandsebene verlangt, dass die Erfüllung steuerlicher Pflichten Teil des Aufgabenbereichs des Verfügungsberechtigten ist, so dass sich die Frage stellt, welchen Regelungsgehalt § 35 AO dann noch hat. Die Gesetzesmaterialien geben hierüber keinen Aufschluss. Ausweislich der Begründung zu § 35 2. HS. AO sollte die Einfügung der Worte rechtlich und tatsächlich erfüllbar zwar klarstellen, dass die tatsächliche Erfüllbarkeit allein nicht ausreicht. Als rechtliche Verfügungsbefugnis wurde jedoch nicht die Betrauung mit steuerlichen Pflichten, sondern ausdrücklich die Fähigkeit verstanden, im Außenverhältnis wirksam zu handeln.770) Es ist damit fraglich, ob der Gesetzgeber ursprünglich beabsichtigt hat, die rechtliche Verfügungsmöglichkeit so auszulegen, dass der Aufgabenbereich auch die Erfüllung steuerlicher Pflichten erfassen muss und so den Anwendungsbereich des § 35 AO einzuschränken. Angesichts der nunmehr bereits seit Jahrzehnten bestehenden finanzgerichtlichen Rechtsprechung, der auch der Bundesfinanzhof nicht entgegen-

___________ 768) FG Köln, Beschl. v. 7.10.2003 – 5 V 2047/03 juris, Rn. 39; FG Saarland, Beschl. v. 16.2.2006 – 2 V 389/05 juris, Rn. 25; in zweiter Instanz i. E. bestätigt BFH, Beschl. v. 23.4.2007 – VII B 92/06 DStRE 2007, 1210, 1211; FG Hamburg, Beschl. v. 13.8.2012 – 6 V 51/12 juris, Rn. 39. 769) FG Bremen, Urt. v. 17.3.1992 – II 135/86 juris, Rn. 39. 770) Begr. Bericht Finanzausschuss, BT-Drucks. 7/4292, S. 19.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

getreten ist, ist jedoch davon auszugehen, dass sich eine derartige Auslegung des § 35 2. HS. AO durchgesetzt hat.771)

445 Unter Zugrundelegung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zu § 35 2. Hs AO ist die Norm damit folgendermaßen zu lesen: „Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt und mit steuerliche Pflichten betraut ist oder diese wahrnimmt, hat insoweit die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO).“ Die Regelung des § 35 AO schafft damit weder neue steuerliche Pflichten, noch erweitert sie den bürgerlich-rechtlich bestimmten Pflichtenkreis.772) Die Regelung knüpft vielmehr an bereits zugeteilte oder tatsächlich wahrgenommene Pflichten an, stellt die damit verbundenen Pflichten in ihrer Intensität denen eines gesetzlichen Vertreters gleich und sorgt so letztlich für die Möglichkeit einer Haftungsinanspruchnahme nach § 69 AO.

bb) Aufgabenbereich des kassenführungsbefugten Sachwalters 446 Dem kassenführungsbefugten Sachwalter kommt diese Rechtsprechung mit Blick auf die Haftungsgefahren des § 69 AO deutlich zugute. Eine Verfügungsberechtigung im Sinne des § 35 AO kann damit nur und auch nur insoweit angenommen werden, als die Erfüllung steuerlicher Pflichten Teil seines Aufgabenbereichs ist oder er diese tatsächliche (überobligatorisch) wahrnimmt.773)

447 Wie festgestellt, verliert der Schuldner mit Anordnung der Eigenverwaltung nicht seine steuerrechtliche Handlungsbefugnis. Über die Regelung des § 281 Abs. 3 S. 1 InsO bleiben durch die Eigenverwaltung auch die Pflichten des Schuldners zur steuerrechtlichen Rechnungslegung unberührt. Der Sachwalter kann den Schuldner nach hier vertretener Ansicht zwar, aber eben auch nur, unterstützen (siehe hierzu bereits oben Rn. 284 ff.). Insbesondere die Rechnungslegungspflichten (§ 140 ff. AO) sowie die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen (§§ 149 ff. AO) fallen damit nicht in den Aufgabenbereich des Sachwalters, so dass ihn insoweit nicht die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters nach § 35 AO treffen können.774) Etwas anderes kann auch nicht hinsichtlich der Entrichtung der fälligen Steuer gelten. Zwar sollen mit Übernahme der Kassenführung durch den Sachwalter alle eingehenden Gelder nur an ihn und alle ausgehenden Zahlungen nur durch ihn geleistet werden, § 275 Abs. 2 InsO, der Schuldner behält jedoch seine Verwaltungs- und Verfügungsbe___________ 771) Dafür auch Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 31; Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 555; a. A. tendenziell Koenig, in: Koenig, AO, § 35 Rn. 13 der ausschließlich auf die rechtliche Verfügungsmacht abstellt. Undritz/Schur, ZIP 2016, 549; Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 555. 772) So übereinstimmend FG Köln, Beschl. v. 7.10.2003 – 5 V 2047/03 juris, Rn. 42; FG Saarland, Beschl. v. 16.2.2006 – 2 V 389/05 juris, Rn. 27; FG Köln, Beschl. v. 7.10.2003 – 5 V 2047/03 juris, Rn. 42; vgl. auch bereits zu § 108 RAO, BFH, Urt. v. 19.7.1984 – V R 70/79 ZIP 1985, 120, 121; FG Bremen, Urt. v. 17.3.1992 – II 135/86 juris. 773) Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 555; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 32. 774) So auch Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 572.

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

fugnis und der Sachwalter fungiert insoweit lediglich als sein gesetzlicher Vertreter (siehe hierzu bereits oben Rn. 210 ff). Die rein intern wirkende Kassenübernahme ändert an den fehlenden steuerrechtlichen Pflichten des Sachwalters nichts. Zwar hat der Sachwalter infolge der Kassenführungsbefugnis die tatsächliche und rechtliche Verfügungsmöglichkeit, diese ist jedoch wie soeben aufgezeigt gerade nicht ausreichend. Mangels bestehender steuerlicher Pflichten des Sachwalters ist vielmehr davon auszugehen, dass eine rechtliche Erfüllbarkeit im Sinne des § 35 2. HS. AO zu verneinen ist.775) Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn der Sachwalter den ihm zugewiesenen Wirkungskreis überschreitet und steuerliche Pflichten tatsächlich (überobligatorisch) wahrnimmt.776)

IV. Haftung für Zahlungszusagen Neben der Haftung für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten kann den Sach- 448 walter auch eine Haftung nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen treffen. Von dem unter zuvor dargestellten Grundsatz der fehlenden persönlichen Haftung des Sachwalters für nichterfüllbare Masseverbindlichkeiten kann es dann, außerhalb des Zustimmungsvorbehalts, unter bestimmten Voraussetzungen weitere Ausnahmen geben. Besondere Relevanz erlangt die Haftung nach allgemeinen Schadensersatzrecht bei 449 der Erteilung von Zahlungszusagen durch den Sachwalter. Die Existenz von Zahlungszusagen ist der Tatsache geschuldet, dass viele Geschäftspartner, die im Rahmen einer Betriebsfortführung zur Zusammenarbeit mit dem insolventen Unternehmen bewegt werden sollen, diese vielfach von dem persönlichen Vertrauen in die Person des vorläufigen Sachwalters abhängig machen und die Aussage des Sachwalter als „neutraler Dritter“, der nicht im Lager des Schuldners steht, bevorzugen.777) Folglich tritt oftmals, trotz fehlender Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, der Sachwalter gegenüber Lieferanten, Banken und anderen Vertragspartnern nach außen in Erscheinung und unterstützt den Schuldner aktiv bei der Verhandlung der Verträge. Insoweit kommt dem Sachwalter wie auch dem Insolvenzverwalter im Regelverfahren als unabhängiger, rechtlich und moralisch niemandem außer den Gläubigerinteressen Verpflichteten erhebliches Potential zu, das Vertrauen des Marktes zu stärken.778) Eine solche aktive Rollenwahrnehmung ist keinesfalls unzulässig, die gesetzliche Ausgestaltung lässt nach hier vertretener Ansicht vielmehr unterschiedliche Modelle zu (vgl. hierzu oben Rn. 284 ff.). ___________ 775) Undritz/Schur, ZIP 2016, 549, 555; i. E. auch Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 32. 776) BFH, Urt. v. 19.7.1984 – V R 70/79 ZIP 1985, 120, 121; FG Köln, Beschl. v. 7.10.2003 – 5 V 2047/03 juris, Rn. 42. 777) Lau, DB 2014, 1417, 1420. 778) Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 3.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

450 So ist es vielfach üblich, dass die Gläubiger bei Vertragsabschluss nicht nur auf die Unterschrift des Schuldners, sondern auch auf eine entsprechende Unterschrift des Sachwalters bestehen. Darüber hinaus wird in der Praxis die weitere Zusammenarbeit oftmals sogar von einer persönlichen Zusage des Sachwalters, dass die Erfüllung sämtlicher zukünftiger Verbindlichkeiten gesichert ist (sog. Zahlungs- oder Erfüllungszusagen), abhängig gemacht. Dies gilt umso mehr, wenn der Schuldner nicht oder nicht in diesem Umfang zur Masseschuldbegründung ermächtigt wurde und die Gläubiger das Bedürfnis nach zumindest einem, aus ihrer Sicht probaten, Sicherungsmittel haben. Der Sachwalter fungiert in diesen Fällen dann vielfach als „Kreditversicherer“ des Schuldners.779)

451 Sobald der Sachwalter nun die Verträge (mit-) unterschreibt, oder gar Zusagen hinsichtlich der Erfüllbarkeit der Forderungen abgibt, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dieses Handeln auf seine persönliche Haftung hat.

1.

Rechtliche Qualifikation von Zahlungszusagen

452 Die Frage nach der Qualifikation solcher Verhaltensweisen ist dabei keine Besonderheit des Eigenverwaltungseröffnungsverfahrens, sondern aus dem Eröffnungsverfahren einer Regelinsolvenz bei Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters bekannt. In Betracht kommt zum einen die Qualifikation der Zahlungszusage als Vertrag eigener Art mit der Folge eines eigenständigen Erfüllungsanspruchs des Zusagenempfängers. Zum anderen ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo.

a) Begründung eines eigenständigen Erfüllungsanspruchs 453 In Anlehnung an die bestehende Rechtsprechung zum vorläufigen Insolvenzverwalter können Zahlungszusagen des Sachwalters als selbständiges Garantieversprechen oder Schuldbeitritt qualifiziert werden und damit einen eigenständigen Erfüllungsanspruch begründen.

aa) Selbständiger Garantievertrag 454 Der selbständige Garantievertrag ist gesetzlich nicht geregelt, jedoch als Vertrag eigener Art i. S. d. § 311 Abs. 1 BGB infolge der umfassenden Vertragsfreiheit der Parteien zulässig und allgemein anerkannt.780) Im Rahmen eines Garantievertrags übernimmt ein Garant gegenüber einem Gläubiger (Garantienehmer) die Verpflichtung, für den Eintritt eines bestimmten Erfolges einzustehen und den Gläubiger schadlos zu halten, falls sich ein bestimmtes Risiko realisiert.781) Es handelt sich dabei ___________ 779) Flöther, ZInsO 2014, 465, 466. 780) Habersack, in: MünchKomm-BGB, vor § 765 Rn. 16. 781) St. Rspr. vgl. BGH, Urt. v. 28.10.1954 – IV ZR 122/54 WM 1955, 265; BGH, Urt. v. 18.6.2001 – II ZR 248/99 ZIP 2001, 1496; Bydlinski, in: MünchKomm-BGB, vor § 414 Rn. 23; Looschelders, in: Staudinger BGB, § 427 Rn. 22.

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

um eine verschuldensunabhängige Erfüllungshaftung.782) Der Garantievertrag begründet sodann eine selbständige Verbindlichkeit, die, im Gegensatz zur Bürgschaft, nicht vom Bestehen der zugrundeliegenden Verbindlichkeit abhängig ist.783) Der Garant tilgt bei Eintritt des Garantiefalls seine eigene Verbindlichkeit, ohne dass dies ein Erlöschen der gesicherten Forderung bewirkt.784) Tritt der Gewährleistungsfall ein, hat der Garant den Garantienehmer nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB so zu stellen, als ob der garantierte Erfolg entstanden oder der Schaden nicht eingetreten wäre, folglich also das positive Interesse zu ersetzen.785) Der Garantievertrag hat damit sehr weitreichende (haftungsrechtliche) Folgen. Da- 455 her ist durch Auslegung unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB), ob der Garant tatsächlich eine derart weite persönliche Verpflichtung eingehen wollte.786) Seitens der Rechtsprechung wurde insoweit die folgende Auslegungsregel entwickelt: Hat der Garant ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erfüllung der fremden Schuld, stellt dies einen wesentlichen Anhaltspunkt für das Vorliegen eines selbständigen Garantievertrages dar.787) Ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Sachwalters an der Erfüllung der fremden 456 Schuld wird jedoch, ebenso wie beim vorläufigen Insolvenzverwalter, bei korrekter Auslegung im Regelfall nicht ersichtlich sein. Tritt der Sachwalter im Rahmen von Zahlungszusagen nach außen in Erscheinung, versteht sich sein Interesse an der Erfüllung der Forderung, als Teil der Ausübung seines Amtes, in welchem er im Sinne der Gläubiger den Schuldner bei der Betriebsfortführung unterstützt und damit dem Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung und folglich auch einer erfolgreichen Sanierung dient. Hinzu kommt, dass der Sachwalter, im Gegensatz zu einem vorläufigen Insolvenzverwalter, weder zur Betriebsfortführung verpflichtet ist, noch eine aktive Unterstützerrolle übernehmen muss. Bei Beschränkung der Tätigkeit allein auf die gesetzlich vorgesehenen Kontroll- und Aufsichtspflichten kann sich der Sachwalter ebenso vollständig auf eine passive Funktion beschränken und gegenüber Lieferanten und Gläubigern folglich gar nicht in Erscheinung treten (siehe hierzu oben Rn. 284 ff.).

___________ 782) Habersack, in: MünchKomm-BGB, vor § 765 Rn. 16 m. w. N. 783) Keine Akzessorietät, vgl. BGH, Beschl. v. 30.3.1982 – III ZR 144/81 WM 1982, 632; Habersack, in: MünchKomm-BGB, vor § 765 Rn. 16. 784) Looschelders, in: Staudinger BGB, § 427 Rn. 22. 785) BGH, Urt. v. 10.2.1999 – VIII ZR 70-98 NJW 1999, 1542, 1544. 786) Siehe zu einer solch notwendigen Auslegung, BAG, Urt. v. 25.6.2009 – 6 AZR 210/08 NZA 2009, 1273. 787) Eindeutig BGH, Urt. v. 15.11.1963 – Ib ZR 206/62 WM 1964, 61; BGH, Urt. v. 12.2.1981 – IVa ZR 103/80 NJW 1981, 2295; missverständlich insoweit Hinkel, ZInsO 2007, 1018, der das Eigeninteresse nicht als Anhaltspunkt, sondern als Voraussetzung für das Vorliegen eines Garantievertrages sieht; ebenso Undritz, EWiR 2004, 445, 446.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

457 Regelmäßig wird die Funktion des Sachwalters jedoch in einer aktiveren Form ausgeübt und geht über die reine Ausübung der Kontrolle und Aufsicht hinaus. Doch selbst wenn der Sachwalter unterstützend tätig wird, will er eine außerhalb seiner Amtssphäre liegende eigene Verpflichtung typischerweise nicht begründen.788) Das Bestreben, eine Betriebsfortführung im Sinne einer erfolgreichen Sanierung zu unterstützen kann nicht die Annahme rechtfertigen, der Sachwalter wolle dieses Ziel unter Einsatz seines eigenen Vermögens erreichen.789) Er handelt insbesondere bei aktiver Wahrnehmung seiner Position vielmehr fremdbezogen für die Masse und zum Vorteil der Gläubiger. Ein Garantieversprechen des Sachwalters wird folglich nur in besonders gelagerten, atypischen Fällen in Betracht kommen.790)

458 Die Rechtsprechung ist jedoch insoweit nicht konsistent. Trotz des offensichtlich fehlenden Eigeninteresses wurden Äußerungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters bereits mehrfach als persönliche Garantiezusagen ausgelegt. So wurde die schriftliche Aussage eines vorläufigen Insolvenzverwalters, durch die er ausdrücklich auf seine Funktion als solcher hinwies, gleichzeitig aber bestätigte, dass die jeweiligen Zahlungen „durch das Insolvenzsonderkonto sichergestellt“ seien als Garantieerklärung qualifiziert, mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter bei Masseunzulänglichkeit persönlich für die Forderungen einstehen musste.791) Nach Ansicht des entscheidenden Oberlandesgerichts Celle war der konkrete Wortlaut der Bestätigung unter Zugrundelegung eines objektiven Empfängerhorizonts ausschließlich im Sinne einer verbindlichen Zusage mit Garantiecharakter zu verstehen; der Insolvenzverwalter sei insoweit auch nicht schutzwürdig, da er um die rechtliche Wirkung von Zusagen und Zusicherungen hätte wissen müssen. Schließlich habe der Insolvenzverwalter auch keinen Vorbehalt erklärt, der einer Garantiehaftung entgegenstehen könnte.

459 Diese Argumentation überzeugt nicht. Der Insolvenzverwalter wies in dem, dem Oberlandesgericht Celle vorliegenden Fall nicht nur deutlich auf sein Handeln in Funktion als vorläufiger Insolvenzverwalter hin, sondern bestätigte ausschließlich die Sicherstellung der Zahlungen durch das Insolvenzsonderkonto. Allein die in diesem Satz enthaltenen Informationen sowie die Wortwahl zeigen eindeutig, dass der Verwalter die Masse verpflichten, nicht hingegen sich selbst einer unbeschränkten persönlichen Haftung für fremde Schuld unterwerfen wollte. Infolge des fehlenden Rechtsbindungswillens handelte es sich insoweit um eine Wissenserklärung und keine Willenserklärung.792) Auch ein persönliches Eigeninteresse, das auch und trotz des recht eindeutigen entgegenstehenden Wortlauts ein Anhaltspunkt für einen Garantievertrag gewesen wäre, war ausweislich des Sachverhalts nicht ersichtlich und ___________ 788) I. E. auch Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 60 Rn. 3. 789) Vgl. OLG Rostock, Urt. v. 4.10.2004 – 3 U 158/03 ZIP 2005, 220, 221 zum vorläufigen Insolvenzverwalter; hierzu auch Ferslev, EWiR 2005, 313. 790) Ebenso mit Blick auf den vorläufigen Insolvenzverwalter Hinkel, ZInsO 2007, 1018. 791) Vgl. OLG Celle, Urt. v. 21.10.2003 – 16 U 95/03 NZI 2004, 89. 792) Meyer, Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 153.

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

wurde seitens des Oberlandesgerichts Celle auch nicht thematisiert. Schließlich trägt auch das Fehlen eines Vorbehalts das Urteil nicht, denn ein solcher wäre nur dann erforderlich, wenn eine Auslegungsregel für die Übernahme einer Garantie bestehen würde.793) Dies ist jedoch nicht der Fall, so dass aus dem Fehlen eines Vorbehalts auch keine Rückschlüsse auf das Vorliegen einer Garantie gezogen werden dürfen.

bb) Rechtsgeschäftlicher Schuldbeitritt Zahlungszusagen des Sachwalters können auch als rechtsgeschäftlicher Schuldbei- 460 tritt qualifiziert werden. Auch der Schuldbeitritt ist gesetzlich nicht geregelt, seine Zulässigkeit folgt als Vertrag eigener Art ebenso aus der umfassenden Vertragsfreiheit der Parteien.794) Im Rahmen eines Schuldbeitritts verpflichtet sich der Beitretende gegenüber einem Gläubiger für die Schuld eines anderen (sog. Erstschuldner) mit zuhaften; der Gläubiger erhält also neben dem Erstschuldner einen weiteren, gleichrangigen und selbständigen Schuldner.795) Es handelt sich dann um eine freiwillig begründete Gesamtschuldnerschaft im Sinne der §§ 421 ff. BGB, auf die die §§ 43, 44 InsO Anwendung finden.796) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist der Schuldbeitritt an keine besondere Form gebunden.797) Im Gegensatz zum Garantievertrag setzt der Schuldbeitritt das Bestehen der Erst- 461 schuld voraus, geht bei deren Nichtbestehen also ins Leere.798) Ist der Schuldbeitritt jedoch einmal wirksam zur Entstehung gelangt, ist er in seinem weiteren Fortbestand von der Erstschuld unabhängig.799) Inhalt und Umfang der Verpflichtung richten sich lediglich in der Sekunde ihrer Begründung nach der Hauptschuld.800) Hauptschuld und die mittels Schuldbeitritt entstandene Verpflichtung sind ab diesem Zeitpunkt nur noch über ihre bestehende gesamtschuldnerische Tilgungsgemeinschaft miteinander verbunden.801) Der Beitretende wird also gleichrangiger, nicht subsidiärer Schuldner, ohne in die vertraglichen Rechte einzutreten.802) Auch hinsichtlich der Annahme eines Schuldbeitritts ist durch Auslegung unter Wür- 462 digung der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB), ob der Bei___________ 793) 794) 795) 796) 797) 798) 799) 800) 801) 802)

Undritz, EWiR 2004, 445, 446. Bydlinski, in: MünchKomm-BGB, vor § 414 Rn. 10. Horn, in: Staudinger BGB, Vor § 765 Rn. 396. Bydlinski, in: MünchKomm-BGB, vor § 414 Rn. 10; Schmidt, in: RSI Handbuch, § 33 Rn. 141. BGH, Urt. v. 31.1.1991 – III ZR 150/88 NJW 1991, 3095, 3098; BGH, Urt. v. 8.12.1992 – XI ZR 96/92 NJW 1993, 584. BGH, Urt. v. 15.1.1987 – III ZR 222/85 NJW 1987, 1698, 1699; Horn, in: Staudinger BGB, Vor § 765 Rn. 396. Keine Akzessorietät, vgl. Horn, in: Staudinger BGB, Vor § 765 Rn. 396; Bydlinski, in: MünchKomm-BGB, vor § 414 Rn. 23. Rieble, in: Staudinger BGB, § 414 Rn. 25. Rieble, in: Staudinger BGB, § 414 Rn. 25; Horn, in: Staudinger BGB, Vor § 765 Rn. 416. Horn, in: Staudinger BGB, Vor § 765 Rn. 415.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

tretende tatsächlich eine selbständige persönliche Haftung eingehen wollte. Auch hier ist das Bestehen eines eigenen, unmittelbaren Interesses des Beitretenden, ob wirtschaftlicher oder rechtlicher Art, ein wichtiger Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Schuldbeitritts.803) Ein Schuldbeitritt des Sachwalters wird damit ebenso wie der Garantievertrag nur in atypisch gelagerten Fällen in Betracht kommen.804) Die diesbezüglichen Ausführungen gelten entsprechend.

b) Haftung auf Schadensersatz infolge eines Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c.) 463 Daneben ist auch ein Schadensersatzanspruch gegen den Sachwalter aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) gemäß §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB in Betracht zu ziehen.

464 Gemäß § 311 Abs. 3 BGB kann ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch gegenüber einem Dritten, der nicht selbst Vertragspartei ist, entstehen, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Verletzt der Dritte die vorvertraglichen Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB kann er unter den weiteren Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein. Im Gegensatz zu den zuvor dargestellten Erfüllungsansprüchen ist dieser jedoch auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet. Die durch die Rechtsprechung entwickelten wichtigsten Fallgruppen der Dritthaftung sind die Sachwalterhaftung und die Haftung des Prokurators in rem suam.805)

465 Sachwalter im Sinne des § 311 Abs. 3 BGB ist, wer ohne Vertragspartner oder dessen Vertreter zu sein, auf der Seite eines Vertragspartners an dem Zustandekommen des Vertrages beteiligt ist und dabei über das normale Vertrauen hinaus der anderen Vertragspartei eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für Bestand und Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts bietet.806)

466 Gleiches gilt, wenn der Dritte ein eigenes und unmittelbares wirtschaftliches Interesse am Verhandlungsabschluss hat, das so stark ist, dass er wirtschaftlich gesehen ___________ 803) BGH, Urt. v. 25.9.1980 – VII ZR 301/79 NJW 1981, 47. 804) A. A OLG Stuttgart, Urt. v. 14.7.1988 – 11 U 73/87 ZIP 1988, 1344, das bereits die Bestätigung, dass „alle berechtigten Forderungen (…) sichergestellt sind und die Zahlungen entsprechend den vereinbarten Zahlungsbedingungen geleistet werden“ als Schuldbeitritt qualifiziert, ohne dass ein außerhalb der Amtspflicht des Vergleichsverwalters bestehendes Eigeninteresse thematisiert wurde oder ersichtlich war; vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 26.5.2004 – 3 U 287/03 ZInsO 2004, 865 wo jedoch die weitreichende Bestätigung des Insolvenzverwalters vorlag, er werde für die Bezahlung der erbrachten Leistungen „persönlich aufkommen“. 805) Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 174; Löwisch/Feldmann, in: Staudinger BGB, § 311 Rn. 167. 806) J. Laws, in: Pape/Graeber. Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3 L. Rn. 1599.

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

gleichsam die eigentliche Partei bildet und in eigener Sache verhandelt (Prokurator in rem suam).807) In beiden Fällen entsteht ausnahmsweise zwischen dem Vertragspartner und dem 467 Dritten ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB. Verletzt der Dritte sodann schuldhaft und rechtswidrig eine gegenüber dem Vertragspartner bestehende Pflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB, ist er diesem nach §§ 311 Abs. 3, 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.

aa) Inanspruchnahme besonderen Vertrauens Wie festgestellt, scheidet ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Sachwalters infolge 468 der Fremdbezogenheit seines Handelns im Normalfall aus (vgl. oben Rn. 453 f.). Der Sachwalter ist damit regelmäßig nicht Prokurator in rem suam. In Betracht kommt jedoch die Inanspruchnahme eines besonderen Vertrauens im Sinne der Sachwalterhaftung.

(1) Kein besonderes Vertrauen durch Amtsübernahme allein Hinsichtlich des vorläufigen Insolvenzverwalters ist es anerkannt, dass dessen 469 „normale“ Auftragserteilung nicht ausreicht, um ein Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 3 InsO zu begründen, denn der Insolvenzverwalter handelt mit Wirkung für die Masse und verpflichtet ausschließlich diese.808) Es muss vielmehr ein darüber hinausgehender besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen werden, indem der Verwalter beim Vertragspartner ein zusätzliches, von ihm persönlich ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Durchführbarkeit des vereinbarten Geschäfts hervorruft.809) Diese allgemeinen Grundsätze sind auf den (vorläufigen) Sachwalter gänzlich über- 470 tragbar. Eine Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss kann diesen, aufgrund seiner geringeren Befugnisse, erst recht nicht allein auf Grundlage seiner Stellung als Sachwalter, sondern nur dann treffen, wenn weitere vertrauensbegründende Umstände hinzutreten, die die Annahme eines persönlichen Vertrauensverhältnis rechtfertigen. Da, wie bereits dargestellt, die Geschäftspartner den Vertragsabschluss oftmals vom persönlichen Vertrauen in die Person des Sachwalters abhängig machen, sind Zahlungszusagen des Sachwalters fraglos geeignet, ein solch persönliches Vertrauensverhältnis zu begründen. Dies gilt insbesondere, da die jeweiligen Vertragspartner in aller Regel durch die Erteilung einer solchen Zusage in ihrem Entschluss zum Vertragsschluss beeinflusst werden. In Anlehnung an die bestehende Rechtspre___________ 807) Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 175. 808) OLG Frankfurt, Urt. v. 8.3.2007 – 26 U 43/06 ZInsO 2007, 548, 549; Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 179. 809) BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 114/01 ZIP 2005, 1327, 1328; BGH, Urt. v. 12.10.1989 – IX ZR 245/88 ZIP 1989, 1584, 1587; Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 60 Rn. 47.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

chung zu Zahlungszusagen eines vorläufigen (schwachen) Insolvenzverwalters, bedarf es jedoch konkreter Anhaltspunkte tatsächlicher Art, dass eine über den Vertragsschluss hinausgehende persönliche Verantwortung übernommen wurde.810) Dies ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung durch Auslegung der Erklärung zu ermitteln.811)

(2) (Geringe) Anforderungen der Rechtsprechung 471 Betrachtet man die diesbezügliche Rechtsprechung zu Zahlungszusagen des Regelinsolvenzverwalters, zeigt sich, dass ein besonderes Vertrauen oftmals auch ohne konkrete Anhaltspunkte oder sogar bei Vorliegen entgegenstehender Anhaltspunkte bejaht wird. So deutete beispielsweise das Oberlandesgericht Schleswig die Mitteilung des vorläufigen Insolvenzverwalters, dass „die Kosten für Warenlieferungen ab Anordnung der vorläufigen Insolvenz aus der Insolvenzmasse übernommen werden“, trotz des eindeutigen Verweises auf die Masse, als einen solchen Vertrauenstatbestand, die der Vertragspartner als Absicherung auffassen durfte.812) Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Schleswig wäre der Vertragspartner ohne das Schreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht davon ausgegangen, dass die Gegenleistung gesichert ist und hätte folglich den Vertrag nicht abgeschlossen.

472 Ebenso entschied das Oberlandesgericht Rostock hinsichtlich der Zusage eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters, dass er „dieser Bestellung zugestimmt habe und für die Bezahlung garantiere“813) sowie zuletzt das Oberlandesgericht Frankfurt hinsichtlich der Bestätigung eines vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters, dass „die Kosten (…) aus der Masse im vorläufigen Insolvenzverfahren beglichen“ werden würden.814)

473 Hervorzuheben ist, dass sich auch die vorgenannten Entscheidungen zunächst mit der Prüfung eines Erfüllungsanspruchs auf Grundlage einer selbständigen Garantie bzw. eines Schuldbeitritts auseinandergesetzt, einen solchen jedoch entsprechend den zuvor dargestellten Gründen und damit entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Celle argumentativ überzeugend abgelehnt haben (vgl. hierzu oben Rn. 453 f.). Dies ist in Anbetracht des Wortlauts, der dem Oberlandesgerichts Rostock zur Entscheidung vorgelegten Zahlungszusage umso bemerkenswerter, als dort, im Gegensatz zu den sonstigen Ausgangsfällen, das Wort „Garantie“ durch den Insolvenzverwalter sogar ausdrücklich verwendet wurde. Dies bestätigt nochmals, dass die Annahme einer ver___________ 810) J. Laws, in: Pape/Graeber. Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3 L. Rn. 1606. 811) Vgl. zu einer eingehenden Einzelfallprüfung LG Trier, Urt. v. 23.3.2009 – 6 O 204/08 ZInsO 2009, 1208. 812) OLG Schleswig, Urt. v. 31.10.2003 – 1 U 42/03 NZI 2004, 92. 813) OLG Rostock, Urt. v. 4.10.2004 – 3 U 158/03 ZIP 2005, 220; wobei insoweit aufgrund des Vorliegens eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters der Rückgriff auf §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB verwunderlich ist, hätte eine Haftung in diesem Fall doch ebenso und wohl vorrangig auf § 61 InsO gestützt werden können, vgl hierzu eingehend Ferslev, EWiR 2005, 313, 314. 814) OLG Frankfurt, Urt. v. 8.3.2007 – 26 U 43/06 ZInsO 2007, 548.

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D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

schuldensunabhängigen Haftung, wie durch das Oberlandesgericht Celle erfolgt, ohne Zutreten zusätzlicher Anhaltspunkte nicht haltbar aber auch nicht notwendig ist. Zu kritisieren ist jedoch, dass, mit Ausnahme des dem Oberlandesgericht Rostock 474 zur Entscheidung vorgelegten Falles, die jeweiligen Erklärungen des Insolvenzverwalters ihrem Wortlaut nach keine Anhaltspunkte für die Übernahme einer persönlichen Verantwortung gegeben haben. Der Insolvenzverwalter wies in beiden Fällen unzweideutig auf die Übernahme der Kosten durch die Insolvenzmasse hin und vermied, anders als im Fall des Oberlandesgerichts Rostock, die Verwendung der ersten Person.815) Gemessen an der Voraussetzung, dass zum Ausdruck gebracht werden muss, persönlich eine (zusätzliche) Einstandspflicht übernehmen zu wollen, hätte eine Sachwalterhaftung nach § 311 Abs. 3 BGB in beiden Fällen bereits auf dieser ersten Stufe abgelehnt werden müssen. Der Wortlaut einer Zahlungszusage ist aber grundsätzlich geeignet, ein solches be- 475 sonderes Vertrauen zu begründen. So können insbesondere Zusagen in der ersten Person („garantiere ich“, „stelle ich sicher“, „übernehme ich Gewähr“) sowie die Verwendung des eigenen Briefkopfs als tatsächliche Anhaltspunkte für eine persönliche Gewähr des Sachwalters angesehen werden. Formulierungen dieser Art sollten daher möglichst vermieden werden.816)

bb) Schuldhafte Pflichtverletzung Kann das Vorliegen eines Schuldverhältnisses nach § 311 Abs. 3 BGB bejaht wer- 476 den, trifft den Sachwalter allein durch das Bestehen eines solchen jedoch noch keine Haftung. In einem weiteren Schritt ist vielmehr zu prüfen, ob der Sachwalter die ihm aus § 241 Abs. 2 BGB erwachsenden vorvertraglichen Pflichten auch tatsächlich schuldhaft verletzt hat und deshalb ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB besteht. Betrachtet man die bestehende Rechtsprechung zur Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters aus c.i.c., so erscheint dieses Erfordernis jedoch zum Teil verkannt zu werden.817) Gemäß § 241 Abs. 2 BGB ist jeder Teil zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechts- 477 güter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Umfang und Inhalt der Rücksichtnahmepflicht hängen vom jeweiligen Schuldverhältnis (bei Verträgen: vom Vertragszweck), der Verkehrssitte und den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs ab.818) ___________ 815) OLG Schleswig, Urt. v. 31.10.2003 – 1 U 42/03 NZI 2004, 92; OLG Frankfurt, Urt. v. 8.3.2007 – 26 U 43/06 ZInsO 2007, 548. 816) Zu einem möglichen Formulierungsvorschlag einer (unbedenklichen) Zahlungszusage siehe unten Rn. 484 f. 817) Vgl. OLG Rostock, Urt. v. 4.10.2004 – 3 U 158/03 ZIP 2005, 220, das die Haftung des Insolvenzverwalters aus cic bereits allein aufgrund des in Anspruch genommenen besonderen Vertrauens bejaht und auf die erforderliche Pflichtverletzung überhaupt nicht eingeht. 818) Bachmann, in: MünchKomm-BGB, § 241 Rn. 52.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

478 Die aus § 241 Abs. 2 BGB jedenfalls unstreitig erwachsenden Aufklärungspflichten819) gehen nicht so weit, als dass der Sachwalter den Gläubiger über die mit dem Vertragsschluss verbundenen Risiken allgemein aufzuklären hätte. Wer mit einem Schuldner kontrahiert, der bekanntermaßen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, wenngleich in Eigenverwaltung, gestellt hat, muss sich über die damit im allgemeinen einhergehenden Risiken, die Geschäfte mit der Insolvenzmasse naturgemäß mit sich bringen, bewusst sein und nicht gesondert darauf hingewiesen werden.820)

479 Anders verhält es sich, wenn der Sachwalter Zusagen dahingehend abgibt, dass die Forderungen (nach seinem derzeitigen Kenntnisstand) aus der Masse erfüllt werden, ohne dass seine Einschätzung auf einer belastbaren Kalkulation beruht (sog. Aussagen ins Blaue hinein). Ist der Forderungsausfall überwiegend wahrscheinlich, darf eine entsprechende Zusage besseren Wissens nicht abgegeben werden und der Sachwalter haftet persönlich im Fall der Nichterfüllung. Durfte der Sachwalter umgekehrt zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung auf Grundlage einer belastbaren Kalkulation hingegen von der Erfüllbarkeit der Forderungen ausgehen, so ist eine Pflichtverletzung, selbst bei späterer Nichterfüllbarkeit der Forderungen, nicht begründbar. Die Erstellung einer solchen Kalkulation bzw. eines Liquiditätsplans liegt zwar nicht im Aufgabenbereich des Sachwalters, in Anlehnung an die Ausführungen zum Entlastungsbeweis nach § 61 S. 2 InsO kann hier jedoch auf die seitens des Schuldners zu erstellende Liquiditätsplanung zurückgegriffen werden, die der Sachwalter auf ihre Plausibilität und Schlüssigkeit zu überprüfen hat (siehe hierzu oben Rn. 384 f.). Lässt diese zum Zeitpunkt der Abgabe der Zahlungszusage den Schluss auf die spätere Erfüllbarkeit der Forderung zu, so ist dem Sachwalter bereits keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Liegt eine schuldnerische Liquiditätsplanung jedoch nicht vor und kann der Sachwalter seine Einschätzung nicht auf eine eigene belastbare Kalkulation stützen, muss er sich einer Aussage zur Erfüllbarkeit einer Forderung hingegen enthalten.

480 Durfte der Sachwalter auf dieser Grundlage von der Erfüllbarkeit der Forderung ausgehen, so ist eine Haftung, wenn nicht bereits auf Stufe der Pflichtverletzung, spätestens im Rahmen der Verschuldensprüfung abzulehnen. Das Verschulden wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zwar vermutet, der Sachwalter muss sich jedoch dann exkulpieren können, wenn zum Zeitpunkt der Abgabe der Zahlungszusage die Nichterfüllung für ihn nicht vorhersehbar war. Dieses Ergebnis wird durch die Wertung des § 61 S. 2 InsO gestützt, die im Rahmen der allgemeinen zivilrechtlichen Haftung aus c.i.c. einzufließen hat. Nach § 61 S. 2 InsO haftet der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten dann nicht, wenn er bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich ___________ 819) Bachmann, in: MünchKomm-BGB, § 241 Rn. 52. 820) So bereits BGH, Urt. v. 14.4.1987 – IX ZR 260/86 ZIP 1987, 650, 652 zum Konkursverwalter; sowie Bähr, ZIP 1998, 1553, 1561 zum Sequester der Konkursordnung.

170

D. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters

zur Erfüllung nicht ausreichen würde (vgl. zur Entlastung nach § 61 S. 2 InsO, oben Rn. 384 f.). Er kann sich also durch den Nachweis entlasten, dass die vorhandene und künftige Masse nach objektiven Kriterien zur Erfüllung der Masseverbindlichkeit voraussichtlich ausgereicht hätte, oder indem er beweist, dass er die Masseunzulänglichkeit im maßgeblichen Handlungszeitpunkt nicht erkennen konnte.821) Die Übertragung dieser Wertung auf die Haftung des Sachwalters oder auch vorläu- 481 figen Insolvenzverwalters, führt zu sachgerechten Ergebnissen. Wie auch im Rahmen des § 61 S. 2 InsO, ist für ein pflichtgemäßes Verhalten oder die Entlastung vorauszusetzen, dass die der Zahlungszusage zugrunde liegende Kalkulation belastbar ist, also von zutreffenden Anhaltspunkten ausgegangen wurde.822) Die Tatsache, dass der Sachwalter nur zum Zeitpunkt der Abgabe der Zahlungszu- 482 sage von der Erfüllbarkeit berechtigterweise ausgehen konnte, führt jedoch nicht dazu, dass eine Haftung aus §§ 311 Abs. 3, 280 Abs. 1 BGB dann überhaupt nicht mehr in Betracht kommt. Im Gegensatz zu seiner Zustimmung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten (vgl. zum dort maßgeblichen Zeitpunkt oben Rn. 386) können den Sachwalter hier auch sog. nachvertragliche Schutzpflichten treffen. Nimmt ein Dritter nicht nur für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsabschluss, sondern auch für die Vertragsdurchführung in besonderen Maße Vertrauen für sich in Anspruch, so erwächst daraus auch für die Zeit nach Abschluss des Vertrages eine Schutzpflicht, auf die insoweit anvertrauten Interessen Rücksicht zu nehmen.823) Die Zahlungszusage eines Verwalters ist ein Paradebeispiel für die Entstehung nachvertraglicher Schutzpflichten, denn die Zusage erstreckt sich nicht nur auf den Vertragsabschluss, sondern gerade auf die ordnungsgemäße Vertragserfüllung. Stellt der Sachwalter folglich nach Vertragsschluss fest, dass die (weitere) Vertragsfortführung nicht mehr gewährleistet ist, trifft ihn aus § 241 Abs. 2 BGB die Pflicht, den jeweiligen Vertragspartner über die wesentlichen Umstände zu informieren und vor weiteren schädlichen Dispositionen zu schützen.824) Unterlässt er schuldhaft eine entsprechende Aufklärung, ist er dem betroffenen Gläubiger dem Grunde nach zum Schadensersatz gemäß §§ 311 Abs. 3, 280 Abs. 1 BGB verpflichtet. Der Schadensersatzanspruch wird in vielen Fällen jedoch durch Kausalitätserwägungen begrenzt sein, nämlich dann, wenn die Leistung des Gläubigers zum Zeitpunkt der nachvertraglichen Pflichtverletzung bereits vollständig erbracht war und die Pflichtverletzung für den entstandenen Schaden im Sinne der § 249 ff. BGB nicht mehr kausal werden konnte.

___________ 821) 822) 823) 824)

Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 61 Rn. 25. Lind, in: FAK-InsO, § 61 Rn. 7; Jahntz, in: FK-InsO, § 61 Rn. 10. BGH, Urt. v. 19.12.1977 – II ZR 164/76 NJW 1978, 1374, 1375. Die nachvertraglichen Schutzpflichten erlangen gerade in Bezug auf Sukzessivlieferungsverträge besondere Bedeutung, so auch beim Urteil des OLG Frankfurt, Urt. v. 8.3.2007 – 26 U 43/06 ZInsO 2007, 548.

171

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

cc) Umfang der Haftung 483 Als Rechtsfolge einer Pflichtverletzung nach § 241 Abs. 2 BGB ist der Vertragspartner so zustellen, als wäre die Pflichtverletzung nicht begangen, der Vertrag also nicht geschlossen worden (Ersatz des negativen Interesses). Im Gegensatz zum Garantievertrag ist ein etwaiger Gewinnanteil vom Schadensersatzanspruch aus c.i.c. damit nicht erfasst. Die Haftung kann im Übrigen immer nur so weit gehen, wie auch die Zusage des Verwalters ging. Gibt der Sachwalter beispielsweise, angelehnt an den Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt, die unbeschränkte Zusage dahingehend ab, dass die Kosten aus der Masse im Eröffnungsverfahren beglichen werden würden, so muss eine Inanspruchnahme nach Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens ausscheiden, da dieser Verfahrensabschnitt nicht von der Erklärung umfasst war.825)

2.

Stellungnahme

484 Ob den Sachwalter außerhalb der §§ 60 ff. InsO eine persönliche Haftung trifft, ist damit eine Frage des Einzelfalls sowie eine Frage der Auslegung der jeweiligen Erklärung (§§ 133, 157 BGB). Es kann jedoch festgehalten werden, dass unter Berücksichtigung der vorstehenden Voraussetzungen eine bloße Unterschrift des Sachwalters unter einem Vertrag, ohne weitergehende Zusagen, keinesfalls genügen kann, um einen Erfüllungsanspruch des Gläubigers oder einen Schadensersatzanspruch auf Grundlage einer c.i.c. zu begründen.826)

485 Zahlungszusagen im engeren Sinne können hingegen, je nach konkreter Ausgestaltung, die Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme des Sachwalters bergen. Als vertrauensfördernde Maßnahmen sind diese in der Praxis aber üblich und oftmals sogar unumgänglich. Dies nicht zuletzt, da potenzielle Gläubiger die Erteilung von Zahlungszusagen infolge ihrer Marktmacht auch tatsächlich durchsetzen können.827) Dies gilt gerade, da die Anzahl von Geschäftspartnern, die überhaupt zu einer Zusammenarbeit bereit sind, für ein insolventes Unternehmen begrenzt ist.828) Natürlich darf der Sachwalter, wie dargestellt, keine Aussagen „ins Blaue hinein“ treffen, soweit er jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt berechtigterweise von der Erfüllbarkeit der Forderungen ausgehen kann, muss ihm die Abgabe einer Zahlungszusage im Sinne der Ermöglichung der Betriebsfortführung in einem haftungsfreien Raum auch möglich sein.829) Diese Lösung liegt auch im Interesse der Vertragspartner. Sie können sich angesichts des andernfalls bestehenden persönlichen Haftungsrisikos darauf verlassen, dass die Zusage des Sachwalters in diesem Moment nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt ist. Gleichzeitig besteht die Sicherheit, dass eine persönliche Haftung ein___________ 825) So auch Hinkel, ZInsO 2007, 1018, 1019 m. w. N. 826) I. E. auch Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 60 Rn. 3. 827) A. A. Lau, DB 2014, 1417, 1420 „Zahlungszusagen kann und wird ein vorläufiger Sachwalter jedoch i. d. R. nicht erteilen“. 828) Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Borchardt/Frind 2. 829) Frind, NZI 2007, 65, 70.

172

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

greift, falls diese Aussagen ohne fundierte Grundlage getätigt wurden. Die Erteilung einer Zahlungszusage wird so für die Vertragspartner belastbarer und letztlich sogar wertvoller. Verschlechtert sich die Liquiditätssituation entgegen der Prognose des Sachwalters, so stellt dies ein allgemeines Geschäftsrisiko dar, das von jedwedem Marktteilnehmer in Kauf genommen werden muss. Dass in diesem Fall eine persönliche Haftung des Sachwalters regelmäßig ausscheidet, ist dann jedoch sachgerecht. Die Rechtsprechung musste sich, soweit ersichtlich, noch nicht mit den Folgen einer 486 Zahlungszusage eines (vorläufigen) Sachwalters beschäftigen, es ist jedoch zu hoffen, dass die Gerichte die praktische Relevanz von Zahlungszusagen als vertrauensbildende Maßnahme erkennen und die Haftung des Sachwalters entsprechend der dargestellten Grundsätze sinnvoll beschränken. Der Sachwalter darf ebenso wenig wie der vorläufige Insolvenzverwalter als ein potenziell universell einsetzbares Personalsicherungsmittel für Geschäftspartner insolventer Betriebe begriffen werden.830) Dies hätte im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren gar die gravierenderen Konsequenzen, da die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten dort nicht die Regel ist und Zahlungszusagen als Sicherungsmittel somit noch häufiger gefordert werden. Falls die Rechtsprechung der persönlichen Haftung hier keine sachgerechten Grenzen setzt, wird ein jeder Sachwalter vermeiden, Zusagen irgendeiner Art abzugeben, und sich angesichts der drohenden Haftung vielmehr in eine passive Rolle zurückzuziehen.831) Denn der Blick auf die Haftung bestätigt, je aktiver sich der Sachwalter am Verfahren beteiligt, desto mehr steigt sein Haftungsrisiko.832) Das Fehlen der vertrauensbildenden Wirkung, die ein am Sanierungsprozess aktiv 487 beteiligter Sachwalter mit sich bringt, würde wiederum dazu führen, dass die Bereitschaft der Gläubiger zur weiteren Zusammenarbeit weiter abnimmt und die Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren letztlich schlechthin unmöglich wird. Gemessen an dem Kernanliegen des ESUG, nämlich die weitere Erleichterung der Sanierung von Unternehmen zu fördern, wäre dies das völlig falsche Signal und würde die Popularität der Eigenverwaltung, gerade aus Sicht der Sachwalter, weiter maßgeblich schmälern.833)

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters Ein besonderer Vorteil eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung liegt schließlich, 488 auch nach Ansicht des Gesetzgebers, in der durch diese Verfahrensart möglichen Kos___________ 830) Vgl. Nöll, ZInsO 2004, 1058, 1063. 831) Zur möglichen aktiven und passiven Rolle eines Sachwalters vgl. Madaus, KTS 2015, 115, 129; zu den Vorteilen eines „kreativen und dynamischen“ Sachwalters vgl. Rendels, in: Festschrift Kübler, S. 579. 832) Madaus, KTS 2015, 115, 129. 833) Nöll, ZInsO 2004, 1058, 1063, der überdies zutreffend darauf hinweist, dass die Haftung aus Garantie o. ä. nicht von der Haftpflichtversicherung gedeckt wird, da insoweit ein zusätzliches Risiko geschaffen wird.

173

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

tenersparnis.834) Dies ist, wie nachfolgend aufzuzeigen ist, der Tatsache geschuldet, dass die Vergütung des Sachwalters deutlich niedriger ist als die eines Insolvenzverwalters, womit die nach den §§ 53, 54 Nr. 2 i. V. m § 274 Abs. 1 InsO vorweg zu befriedigenden Kosten des Insolvenzverfahrens geringer ausfallen. Grundsätzlich kann zwischen der Vergütung des Sachwalters (nachfolgend unter I.) und der Vergütung des vorläufigen Sachwalters (nachfolgend unter II.) unterschieden werden.

I.

Vergütung des Sachwalters

489 Die Vergütung des Sachwalters ist in den §§ 10 bis 13 InsVV geregelt. Gemäß § 10 InsVV gelten für die Vergütung des Sachwalters die allgemeinen Vorschriften der §§ 1 bis 9 InsVV entsprechend, soweit nicht in den §§ 10 bis 13 InsVV etwas anderes bestimmt ist.

1.

Regelvergütung

490 Nach § 12 Abs. 1 InsVV erhält der Sachwalter für seine Tätigkeit 60 Prozent der für einen Insolvenzverwalter bestimmten Vergütung. Damit geht nicht nur, wie anfänglich aufgezeigt, die Rolle des Sachwalters, sondern auch die Vergütung desselben in ihren Grundzügen auf die Vergleichsordnung und die Vergütung des Vergleichsverwalters zurück. Nach § 9 VglVO erhielt der Vergleichsverwalter 50 Prozent der Vergütung des Konkursverwalters. Ausweislich des Verordnungsentwurfs der InsVV sollte durch die Erhöhung von 50 Prozent auf 60 Prozent dem im Verhältnis zum Vergleichsverwalter größeren Aufgabenbereich des Sachwalters Rechnung getragen werden.835)

2.

Gewährung von Zu- und Abschlägen

491 Abweichend vom Regelsatz des § 12 Abs. 1 InsVV ist gemäß § 12 Abs. 2 InsVV eine höhere Vergütung in Form von Zuschlägen insbesondere dann möglich, wenn durch das Insolvenzgericht ein Zustimmungsvorbehalt nach § 277 Abs. 1 InsO angeordnet wurde (vgl. hierzu oben Rn. 220 f.). Bereits der Wortlaut des § 12 Abs. 2 InsVV („insbesondere“) zeigt eindeutig, dass die Aufzählung nicht abschließend ist, die Anordnung nach § 277 Abs. 1 InsO vielmehr ein Regelbeispiel für die Gewährung eines Zuschlags darstellt. Daneben gilt über § 10 InsVV vielmehr auch § 3 Abs. 1 InsVV, wonach in bestimmten Fällen eine den Regelsatz übersteigende Vergütung festgesetzt werden kann.

a) Anwendbarkeit von § 3 InsVV 492 Der einschränkenden Meinung, dass aus der Existenz des § 12 Abs. 2 InsVV im Umkehrschluss abgeleitet werden könne, der Verordnungsgeber habe im Übrigen keine ___________ 834) Landfermann, in: HK-InsO, vor §§ 270 ff. Rn. 19. 835) Verordnungsentwurf des Bundesministeriums für Justiz, Begründung zu § 12 InsVV, abgedruckt in Leonhardt/Smid/Zeuner, InsVV, Anhang 1; vgl. auch Amberger, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsVV, § 12 Rn. 2 m. w. N; vgl. auch die bereits deutlich intensivierten Prüfpflichten des Sachwalters im Vergleich zum Vergleichsverwalter, hierzu oben S: 65 f.

174

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

weiteren Zuschläge für erforderlich gehalten,836) kann nicht gefolgt werden. Ein diesbezüglicher Wille lässt sich weder aus der Verordnung selbst noch aus der Verordnungsbegründung entnehmen. § 3 Abs. 1 InsVV setzt vielmehr die Vorgabe in § 63 Abs. 1 S. 3 InsO um, der über § 274 Abs. 1 InsO auch auf den Sachwalter Anwendung findet.837) Gemäß § 63 Abs. 1 S. 3 InsO ist durch Abweichung vom Regelsatz dem Umfang und den Schwierigkeiten der Geschäftsführung des Verwalters Rechnung zu tragen. Soweit § 3 InsVV auf die Eigenarten des Eigenverwaltungsverfahrens anwendbar ist, hat die Norm folglich uneingeschränkte Geltungsberechtigung.838) Nach § 3 InsVV ist die Regelvergütung des Sachwalters folglich zu erhöhen oder 493 auch zu kürzen, wenn die Aufgaben qualitativ oder quantitativ diejenigen eines gewöhnlichen Verfahrens der Eigenverwaltung übersteigen oder dahinter zurückbleiben.839) Dabei sind auch die § 3 Abs. 1 und Abs. 2 InsVV genannten Beispiele nicht abschließend („insbesondere“), sondern zeigen lediglich exemplarisch, welche Tätigkeiten der Gesetzgeber als zuschlagsfähig erachtet hat.840) Übt der Sachwalter also die ihm zugeteilten Regelaufgaben in durchschnittlichem Umfang und in Form einer rein passiven Überwachung und Aufsicht aus, verbleibt es bei der Vergütung nach § 12 Abs. 1 InsVV. Nimmt er seine Rolle hingegen in der bereits dargestellten Weise als aktiver Akteur wahr (vgl. hierzu oben Rn. 284 ff.) oder trifft er in seiner Aufgabenausübung auf rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten und ist sein Arbeitsumfang daher überdurchschnittlich erhöht, so ist eine Erhöhung der Regelvergütung durch Zuschlag gerechtfertigt.

b) Zuschlagsfähige Tätigkeiten Eine Erhöhung außerhalb der Regelbeispiele des § 3 InsVV kommt somit beispiels- 494 weise dann in Betracht, wenn der Sachwalter die Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO übernommen hat (vgl. Rn. 210 f.) oder sich eine Regelaufgabe als überdurchschnittlich umfangreich oder als besonders anspruchsvoll erweist, beispielsweise die Ausübung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen oder die Geltendmachung der Haftung aus §§ 92, 93 InsO (vgl. oben Rn. 260 f.).841) Entsprechend § 3 Abs. 1 ___________ 836) So Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 8, die daraus eine restriktive Anwendung von § 3 InsVV folgern. 837) Amberger, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsVV, § 3 Rn. 1; Riedel, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 3 InsVV Rn. 1. 838) Dies entspricht auch der inzwischen h. M. in der Rechtsprechung, vgl. nur AG Münster, Beschl. v. 18.1.2016 – 74 IN 65/14 juris; LG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2015 – 3 T 194/15 ZInsO 2016, 185, 187; LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 29.1.2015 – 8 T 94/14 NZI 2015, 570, 571; i. E. auch LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13 NZI 2014, 123. 839) Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 12 InsVV Rn. 9. 840) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 3 Rn. 53. 841) Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 12 InsVV Rn. 9; Amberger, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsVV, § 12 Rn. 17.

175

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

lit. e) InsVV ist eine Erhöhung auch dann festzusetzen, soweit der Sachwalter mit der Ausarbeitung des Insolvenzplans nach § 284 Abs. 1 S. 1 InsO beauftragt wurde (vgl. oben Rn. 279 f.). Eine damit verbundene Planüberwachung gemäß §§ 284 Abs. 2, 260 Abs. 1 InsO wird nach § 6 Abs. 2 InsVV hingegen gesondert festgesetzt und rechtfertig damit keinen Zuschlag.842)

495 Einigkeit besteht sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung insoweit, dass Zuschläge nur für solche Tätigkeiten erteilt werden können, die auch Teil des gesetzlichen Aufgabenbereichs des Sachwalters sind.843) Nimmt der Sachwalter Tätigkeiten außerhalb des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs wahr, kann er eine Erhöhung seiner Vergütung nicht beanspruchen. Der Frage, welche Aufgaben der Sachwalter wahrnehmen darf und ob eine Unterstützung des Verfahrens Teil seines Tätigkeitsbereichs ist, kommt damit auch hier maßgebliche Bedeutung zukommt.

496 Gemessen an dem auf S. 74 dargestellten Schaubild zur Aufgabenverteilung zwischen Schuldner und Sachwalter muss ein Zuschlag jedenfalls für Tätigkeiten aus dem originären Aufgabenbereichs des Sachwalters sowie für Tätigkeiten aus dem Bereich, in dem sich Aufgaben von Schuldner und Sachwalter überschneiden, zulässig sein. Keinen Zuschlag kann der Sachwalter hingegen verlangen, soweit er originäre Aufgaben des Schuldners, wie beispielsweise das schuldnerische Vermögen betreffende Verwertungshandlungen, selbst wahrnimmt.

497 Neben den Zuschlägen in § 3 Abs. 1 InsVV können gemäß § 3 Abs. 2 InsVV auch Abschläge vom Regelsatz vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang sollte jedoch berücksichtigt werden, dass dem im Vergleich zum Insolvenzverwalter geringeren Aufgabenbereich bereits durch die herabgesetzte Regelvergütung nach § 12 Abs. 1 InsVV Rechnung getragen wurde.844) Dies ist auch dann entgegenzuhalten, soweit vertreten wird, dass Abschläge in solchen Verfahren gerechtfertigt sind, in denen die Prüfungsaufgaben des Sachwalters keinen großen Aufwand erfordern845), denn die Prüfungsaufgaben des Sachwalters unterscheiden sich zum Teil nur unwesentlich von denen eines Insolvenzverwalters (vgl. hierzu oben Rn. 298). Eine (dann weitere) Herabsetzung für den Fall, dass die Prüfpflichten ausnahmsweise tatsächlich nicht denen eines Insolvenzverwalters entsprechen, ist keinesfalls gerechtfertigt. Abschläge sollten vielmehr äußerst restriktiv zu handhaben sein und nur in ___________ 842) Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 12 InsVV Rn. 10; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 10; Amberger, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsVV, § 12 Rn. 19; a. A. Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 77; Prasser, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 12 InsVV Rn. 7. 843) H. M., vgl. LG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2015 – 3 T 194/15 ZInsO 2016, 185; AG Essen, Beschl. v. 27.3.2015 – 163 IN 170/14 ZInsO 2015, 973; Prasser, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 12 InsVV Rn. 6; bestätigt zuletzt durch BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 47; BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 61 (siehe hierzu unten Rn. 526 ff.). 844) Zutreffend Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 10. 845) So Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rn. 78.

176

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

Ausnahmefällen in Betracht kommen, wie beispielsweise bei vorzeitiger Beendigung der Eigenverwaltung nach § 272 Abs. 1 InsO (vgl. auch § 3 Abs. 2 lit. c) InsVV). Für welche Tätigkeiten dem Sachwalter Zuschläge gewährt werden können oder Ab- 498 schläge vorzunehmen sind, hat in Rechtsprechung und Literatur zuletzt für Kontroversen gesorgt. Diese knüpfen überwiegend an die Vergütung des vorläufigen Sachwalters an, was dessen unklarer Vergütungssituation geschuldet ist, jedoch letztlich gleichermaßen für den (endgültigen) Sachwalter gilt. Aus diesem Grund ist hinsichtlich der einzelnen Zuschlagstatbestände auf die Ausführungen zum vorläufigen Sachwalter zu verweisen (vgl. unten Rn. 519 f.).

c)

Höhe der Zuschläge

Die Höhe der Zuschläge ist im Einzelfall je nach konkreten Arbeitsaufwand des Sach- 499 walters zu bestimmen und letztlich einer Gesamtwürdigung zu unterziehen. Entspricht der „Mehraufwand“ einer vergleichbaren zuschlagsfähigen Tätigkeit eines Insolvenzverwalters, so ist nach hier vertretener Ansicht der Zuschlag in gleicher Höhe wie einem Insolvenzverwalter zu gewähren, ohne wiederum eine Kürzung dieses Zuschlags auf 60 Prozent vorzunehmen.846) Soweit vertreten wird, in der Eigenverwaltung seien Zuschläge grundsätzlich nur in „deutlich“ verminderter Höhe zu gewähren, ist diese Aussage in ihrer Pauschalität abzulehnen.847) Ein verminderter Zuschlag ist jedenfalls bei obligatorischen Aufgaben des Sachwalters regelmäßig abzulehnen, da sich diese in ihrem Arbeitsaufwand vielfach nicht vom Regelinsolvenzverfahren unterscheiden. Soweit der Sachwalter überwachend oder beratend tätig wird, kann ein gewisser Abschlag gerechtfertigt sein, dies ist jedoch eine Frage des Einzelfalls und sollte keinesfalls generalisierend erfolgen (siehe hierzu auch unten Rn. 539 ff.).

3.

Auslagen

Gemäß §§ 10, 4 Abs. 2 InsVV sind dem Verwalter die ihm entstandenen Auslagen 500 zu erstatten. Gemäß § 8 Abs. 3 InsVV kann der Verwalter dabei nach seiner Wahl entweder die tatsächlich entstandenen Auslagen ersetzt verlangen oder einen Pauschalsatz fordern. Dieser Pauschalsatz ist der Höhe nach begrenzt und beträgt im ersten Jahr 15 Prozent, danach 10 Prozent der Regelvergütung. Auch hier besteht jedoch eine absolute Grenze848), die für den Sachwalter gemäß § 12 Abs. 3 InsVV, anstelle ___________ 846) Vgl. BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 58 „Zuzuerkennende Zuschläge erhöhen den Regelbruchteil um den Vomhundertsatz, der als Zuschlag gewährt wird“; sowie bereits Prasser, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 12 InsVV Rn. 8, mit Verweis auf BGH, Beschl. v. 4.11.2004 – IX ZB 52/04 ZIP 2004, 2448, wonach die Zuschläge eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit dem gleichen Hundertsatz wie die eines endgültigen Insolvenzverwalters zu bemessen sind, falls diese Umstände sich nicht von denen unterscheiden, die bei dem endgültigen Insolvenzverwalter zu einem Zuschlag führen würden. 847) So auch für das eröffnete Verfahren Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1829, 1833. 848) Lorenz, in: FK-InsO, Anhang V – § 12 InsVV Rn. 17.

177

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

der in § 8 Abs. 3 InsVV vorgesehenen EUR 250,00, auf maximal EUR 125.00 pro Monat reduziert ist. Soweit Haarmeyer/Mock Zweifel an der Zulässigkeit eines pauschalierten Auslagenersatzes äußern, entbehren diese, angesichts der eindeutigen Regelung des § 12 Abs. 3 InsVV, jeder Grundlage.849)

4.

Festsetzung der Vergütung und Vorschuss

501 Die Vergütung ist nach § 10 i. V. m. § 8 InsVV auf Antrag des Sachwalters durch das Insolvenzgericht festzusetzen. Der Antrag soll gestellt werden, wenn die Schlussrechnung an das Gericht gesandt wird, § 8 Abs. 1 S. 2 InsVV.

a) Vorschuss auf die Vergütung 502 Über § 10 InsVV ist auch die Vorschussregelung des § 9 InsVV auf den Sachwalter entsprechend anwendbar.850) Gemäß § 9 InsVV kann sich der Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse einen Vorschuss auf die Vergütung und die Auslagen entnehmen, wenn das Insolvenzgericht dem zustimmt. Insoweit handelt es sich um eine Teilvergütung, die in jeweils gewährter Höhe zum Erlöschen des bestehenden Anspruchs führt und bei späterer Masseunzulänglichkeit keiner Rückzahlungsverpflichtung unterliegt.851) Bleibt die endgültige Vergütungsfestsetzung nach § 8 InsVV jedoch hinter dem gewährten Vorschuss zurück, so sind etwaige zu viel gezahlte Beträge nach § 812 BGB zurückzuerstatten.852)

b) Entnahmerecht des Sachwalters 503 Da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch den Schuldner ausgeübt wird, besteht ein eigenes Entnahmerecht des Sachwalters grundsätzlich nicht. Der Sachwalter muss seinen Vorschuss in diesem Fall vielmehr in entsprechender Anwendung von § 8 InsVV auf Antrag als Massekostenanspruch nach § 54 Abs. 2 InsO festsetzen lassen.853) Hat der Sachwalter über die sich auf einem Sonderkonto befindlichen Erlöse aus der Insolvenzanfechtung die Verfügungsbefugnis, so kommt in Höhe des gerichtlich genehmigten Vorschusses auch ein Zurückbehaltungsrecht in Betracht (vgl. zu dieser Problematik oben Rn. 308 ff.). Soweit die Kassenführungsbefugnis nach § 275 Abs. 2 InsO durch den Sachwalter übernommen wurde, ist hingegen von einem generellen Entnahmerecht in eigener Rechtszuständigkeit auszugehen.854) Die Vor___________ 849) So jedoch Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1, 8. 850) Allgemeine Meinung, anstelle vieler Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 12 InsVV Rn. 17. 851) Lorenz, in: FK-InsO, Anhang V – § 12 InsVV Rn. 5; Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 12 InsVV Rn. 19. 852) BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02 NZI 2003, 31, 32. 853) Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 12 InsVV Rn. 17. 854) Haarmeyer/Mock, InsVV, S. § 12 Rn. 17; Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 12 InsVV Rn. 17.

178

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

schusshöhe hat sich an den bis zu diesem Zeitpunkt bereits erbrachten Sachwalterleistungen unter Einbeziehung etwaiger nachweislich zu erwartender Zuschüsse nach § 3 InsVV zu orientieren.855)

5.

Einsatz besonderer Sachkunde

Nach überwiegender Ansicht findet über § 10 InsVV auch die Regelung des § 5 504 InsVV auf den Sachwalter Anwendung.856) § 5 Abs. 1 InsVV statuiert für den als Rechtsanwalt zugelassenen Insolvenzverwalter ein Entnahmerecht, soweit dieser Tätigkeiten wahrgenommen hat, die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter üblicherweise an einen solchen nach § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV übertragen, also ausgelagert hätte (sog. „Delegation an sich selbst“857). Die Höhe dieses Anspruchs richtet sich ausweislich der Regelung in § 5 Abs. 1 InsVV nach den Vorgaben des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).

a) Delegationsfähige Tätigkeiten aa) Allgemeine Anforderungen der Delegationsfähigkeit Welche Tätigkeiten von § 5 InsVV gesondert vergütet werden, ist anhand der Qua- 505 lifikation eines durchschnittlichen Verwalters zu bestimmen. Grundgedanke des § 5 InsVV ist, dass der durchschnittliche Normalverwalter gerade keine Qualifikation, Fähigkeiten oder Kenntnisse eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers haben muss.858) Für den Sachwalter, der dem gleichen Anforderungsprofil wie ein Insolvenzverwalter unterliegt (§§ 274 Abs. 1, 56 InsO), kann nicht anderes gelten. Nicht erstattungsfähig, da bereits nicht delegationsfähig im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 3 506 InsVV, sind solche Aufgaben, die der Sachwalter höchstpersönlich erbringen muss. In Anlehnung an die hierzu zum Insolvenzverwalter entwickelten Grundsätze fällt hierunter jedenfalls die Teilnahme des Sachwalters an Terminen des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung, die Erstellung des Insolvenzplans, soweit von den Gläubigern hierzu beauftragt, sowie die Abgabe der Anfechtungserklärung nach den §§ 129 ff. InsO.859) ___________ 855) BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02 NZI 2003, 31, 2; Prasser, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 9 InsVV Rn. 12; Lorenz, in: FK-InsO, Anhang V – § 9InsVV Rn. 16. 856) Prasser, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 12 InsVV Rn. 11; Lorenz, in: FK-InsO, Anhang V – § 12 InsVV Rn. 16; Mock, in: Uhlenbruck InsO, § 63 Rn. 34; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 5 Rn. 53; a. A. inzwischen Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1, 8. 857) Stoffler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 5 InsVV Rn. 4. 858) Prasser/Stoffler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, vor § 1 InsVV Rn. 24; Stoffler, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 4 InsVV Rn. 25. 859) Stoffler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 4 InsVV Rn. 21.

179

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

bb) Delegationsfähige Tätigkeiten des Sachwalters 507 Im Übrigen ist für den Sachwalter umstritten, für welche Tätigkeiten eine Sondervergütung nach § 5 InsVV verlangt werden kann. Im Regelinsolvenzverfahren obliegt es dem Insolvenzverwalter zu entscheiden, ob er die Aufgaben, die eine besondere Sachkunde erfordern, selbst erledigt und einen Zuschlag im Sinne von § 3 InsVV verlangt, sie selbst erledigt und die Gebühren nach § 5 InsVV entnimmt oder sie schließlich auf einen Dritten überträgt, der wiederum einen Anspruch gegen die Masse erwirbt, § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV.860)

(1) Knüpfung der Delegationsfähigkeit an die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis 508 Teilweise wird vertreten, der Sachwalter könne die Masse nicht schuldrechtlich verpflichten, da ihm im Gegensatz zum Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis fehle.861) Mangels Möglichkeit einer Delegation auf Dritte nach § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV, sei auch eine Delegation an sich selbst ausgeschlossen. Eine Ausnahme sehen die Vertreter dieser Ansicht lediglich für die Wahrnehmung der in § 280 InsO statuierten Rechte, da der Sachwalter insoweit vollumfassend verwaltungs- und verfügungsbefugt ist (vgl. hierzu oben Rn. 266 f. und Rn. 306).862) Nimmt der als Rechtsanwalt zugelassene Sachwalter damit ausnahmsweise863) die Prozessführung für das schuldnerische Unternehmen wahr, so entsteht auch nach dieser einschränkenden Ansicht ein Gebührenanspruch nach § 5 InsVV, wenn das Verfahren dem Anwaltszwang unterliegt. Doch auch ohne Anwaltszwang muss der Sachwalter einen Vergütungsanspruch nach § 5 InsVV verwirklichen, wenn im konkreten Fall auch ein Normalverwalter „angemessener Weise“ einen Rechtsanwalt zur Prozessführung beauftragt hätte.864) Hierzu ist aus einer ex-ante Sicht zu beurteilen, ob der Prozess mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden war und nicht zuletzt auch eine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte.865)

(2) Knüpfung der Delegationsfähigkeit an den Aufgabenbereich des Sachwalters 509 Richtigerweise ist der Sachwalter jedoch auch außerhalb der Rechte des § 280 InsO befugt, Aufgaben auf Dritte (§ 4 Abs. 1 S. 3 InsO) und damit auch an sich selbst zu ___________ 860) Ganter, NZI 2016, 377, 378 mit Verweis auf BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZB 162/11 NZI 2012, 372, 374. 861) Vgl. Zimmer, ZInsO 2013, 2305, 2308; Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1, 8. 862) Zimmer, ZInsO 2013, 2305, 2309. 863) Dem Sachwalter obliegt aufgrund der vollumfassenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Geltendmachung der Ansprüche aus § 280 InsO auch die Prozessführung, vgl. hierzu oben Rn. 162 und Rn. 266 f.). 864) Zum Insolvenzverwalter vgl. BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04 NZI 2005, 103, 104; Lorenz, in: FK-InsO, Anhang V – § 5 InsVV Rn. 8 m. w. N. 865) Stoffler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 4 InsVV Rn. 68; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 5 Rn. 23 m. w. N.

180

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

delegieren.866) Maßgeblich muss lediglich sein, dass es sich um eine Aufgabe aus dem Aufgaben- und Pflichtenkreis des Sachwalters handelt.867) Aufgaben aus dem originären Aufgabenkreis des Schuldners kann der Sachwalter bereits nicht wahrnehmen und folglich auch nicht delegieren; einen etwaigen Dienstleister für die Masse bestimmt hier vielmehr der Schuldner.868) Der Anwendungsbereich des § 5 InsVV ist damit bereits automatisch wesentlich verringert. Denn für den überwiegenden Teil der originären Aufgaben des Sachwalters wird eine „besondere“ Sachkunde im Sinne des § 5 InsVV, die die Einschaltung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters erfordert, nicht erforderlich sein. Soweit dies ausnahmsweise der Fall ist, steht auch die mangelnde Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Sachwalters nicht entgegen. Die Regelung des § 4 Abs. 1 S. 3 InsO stellt hier eine Spezialregelung dar, die eine Vertretungsmacht des Sachwalters für die Insolvenzmasse begründet.869) Kraft dieser Vertretungsmacht ist richtigerweise davon auszugehen, dass der Sachwalter – ebenso wie der Insolvenzverwalter – Aufgaben aus seinem Aufgabenbereich, die besondere Sachkunde erfordern, nach seiner Wahl entweder an sich selbst (§ 5 InsVV) oder einen Dritten (§ 4 Abs. 1 S. 3 InsVV) delegieren oder die Aufgabe selbst wahrnehmen und einen Zuschuss nach § 3 InsVV verlangen kann. Hat der Sachwalter die Tätigkeiten auf sich selbst im Sinne des § 5 InsVV dele- 510 giert, ist jedoch zu beachten, dass mangels Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Sachwalters ein eigenes Entnahmerecht des Sachwalters grundsätzlich ausscheidet. Wie auch im Rahmen des Vorschusses ist der Anspruch in diesem Fall vielmehr als Massekostenanspruch gemäß § 54 Nr. 2 InsO in entsprechender Anwendung des § 8 InsVV festzusetzen.870) Eine Entnahme aus eigener Rechtszuständigkeit ist jedoch auch hier möglich, wenn der Sachwalter die Kassenführungsbefugnis übernommen hat. Darüber hinaus kommt in diesem Fall auch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts in Betracht (vgl. hierzu bereits oben Rn. 501 f.).

b) Qualifikation des Vergütungsanspruchs Der aus § 5 InsVV resultierende Vergütungsanspruch wird nach überwiegender An- 511 sicht grundsätzlich als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ___________ 866) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 14; tendenziell auch Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 48, der § 280 InsO nur beispielhaft, nicht jedoch abschließend, aufzählt; ohne Beschränkung auf § 280 InsO auch Prasser, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 12 InsVV Rn. 11; Lorenz, in: FKInsO, Anhang V – § 12 InsVV Rn. 16. 867) So auch beim Insolvenzverwalter, vgl. Haarmeyer/Mock, InsVV, § 5 Rn. 29. 868) Foltis, in: FK-InsO, § 274 Rn. 48. 869) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 14. 870) Lorenz, in: FK-InsO, Anhang V – § 12 InsVV Rn. 16; sowie zum Vorschussanspruch nach § 9 InsVV Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 12 InsVV Rn. 17; Haarmeyer/ Mock, InsVV, § 12 Rn. 15, 17.

181

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

und nicht als Massekosten im Sinne des § 54 Nr. 2 InsO qualifiziert.871) Die Vertreter dieser Ansicht ziehen einen Vergleich zur Beauftragung eines Dritten nach § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV. Da dessen Forderungen unstreitig auch Masseverbindlichkeiten darstellen, könne für den Verwalter im Rahmen des § 5 InsVV nichts anderes gelten. Der Sachwalter wird insoweit wie ein beauftragter Anwalt behandelt.872) Der BGH hat sich zu dieser Frage zuletzt unter Geltung der Konkursordnung geäußert und die Honoraransprüche des Konkursverwalters als Massekosten qualifiziert.873) Den Vergleich mit der Beauftragung eines Dritten, dessen Honoraransprüche auch als Masseverbindlichkeiten qualifiziert werden, lehnte der BGH dabei ausdrücklich ab; sämtliche Ansprüche des Konkursverwalters hätten vielmehr denselben Rang.874)

512 Somit ist fraglich, ob der seitens der Literatur angeführte Vergleich zur Beauftragung eines Dritten überzeugen kann. Zwar findet sich zur sog. Delegation an sich selbst, im Unterschied zur Konkursordnung, nunmehr in § 5 InsVV eine ausdrückliche Regelung, diese statuiert jedoch lediglich die gesonderte Entnahme aus der Insolvenzmasse, lässt im Übrigen aber keinen Rückschluss auf die Qualifikation des Honoraranspruchs zu. Es ist somit vielmehr davon auszugehen, dass die Rechtsprechung des BGH damit unverändert Geltung beansprucht und der Vergütungsanspruch des Sachwalters aus § 5 InsVV Massekosten darstellen. Dagegen spricht auch nicht der im Vergleich zu § 58 Nr. 2 KO veränderte Wortlaut von § 54 Nr. 2 InsO, der nunmehr „Vergütungen und Auslagen“ erfasst.875) Im Gegenteil, gerade die Verwendung der Mehrzahl spricht dafür, dass auch die Sondervergütung nach § 5 InsVV als Kosten des Insolvenzverfahrens zu qualifizieren ist. Folglich sind die Ansprüche aus § 5 InsVV im Falle einer etwaigen Masseinsuffizienz nach hier vertretener Ansicht vorrangig zu befriedigen (§§ 207 Abs. 3 S. 1, 208 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

6.

Ermittlung der Berechnungsgrundlage

a) Anwendbarkeit von § 1 InsVV 513 Die Vergütung des Sachwalters berechnet sich gemäß § 10 i. V. m. § 1 Abs. 1 S. 1 InsVV nach dem Wert der Insolvenzmasse zum Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung; Basis der Berechnungsgrundlage ist damit die Schlussrechnung.876) Im Falle einer ___________ 871) Riedel, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 5 InsVV Rn. 1; Pape/Schaltke, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 54 Rn. 60; Stoffler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 5 InsVV Rn. 8; Sinz, in: Uhlenbruck InsO, § 54 Rn. 21; Keller, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., § 129 Rn. 29; a. A. AG Essen, Beschl. v. 7.2.2003 – 163 IK 12/02 juris. 872) Bäuerle, in: Braun-InsO, § 54 Rn. 31. 873) BGH, Urt. v. 17.12.1970 – VII ZR 39/69 NJW 1971, 381. 874) BGH, Urt. v. 17.12.1970 – VII ZR 39/69 NJW 1971, 381, 382. 875) § 58 Nr. KO erfasste „Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse“. 876) Wobei die Schlussrechnung anders als im Regelinsolvenzverfahren durch den Schuldner selbst erstellt wird, vgl. oben Rn. 273.

182

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

vorzeitigen Beendigung des Verfahrens tritt an die Stelle des tatsächlichen Werts der Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens, § 1 Abs. 1 S. 2 InsVV. Wie sich die für die Berechnungsgrundlage maßgebliche Insolvenzmasse im Ein- 514 zelnen berechnet, regelt § 1 Abs. 2 InsVV. So sind etwaige nach § 5 InsVV entnommene oder beanspruchte Honoraransprüche des Sachwalters gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 InsVV von der Berechnungsgrundlage in Abzug zu bringen.

b) Berücksichtigung von Massegegenständen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV Daneben enthält § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV Sonderregelungen zur Berücksichtigung von 515 Massegegenständen, die mit einem Absonderungsrecht belastet sind.877) Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 3 InsVV sind mit Absonderungsrechten belastete Gegenstände grundsätzlich nur mit ihrem Verwertungsüberschuss zu berücksichtigen. Der Überschuss entspricht regelmäßig dem Verwertungserlös abzüglich der Kosten der Feststellung und der Kosten der Verwertung, §§ 170, 171 InsO. Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn der Verwalter die Gegenstände verwertet hat. 516 In diesem Fall ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 InsVV nicht der Erlösüberschuss, sondern der Verwertungserlös zu berücksichtigen, womit dem erhöhten Arbeitsaufwand, den der Verwalter zur Erfüllung der ihm obliegenden Verwertungspflicht erbringen muss, Rechnung getragen wird.878) Da der Verwertungserlös letztlich jedoch an den Absonderungsgläubiger ausgekehrt wird und die Masse nur die Feststellungskosten erhält, enthält § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 InsVV das hier notwendige Korrektiv. Demnach darf der Mehrbetrag der Vergütung, der auf die Absonderungsgegenstände entfällt, 50 Prozent der zugeflossenen Feststellungskosten nicht übersteigen.879) Die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV ist auf den Sachwalter nicht ohne weiteres 517 zu übertragen. Zum einen steht das Verwertungsrecht in der Eigenverwaltung gemäß § 282 Abs. 1 S. 1 InsO dem Schuldner zu. Der Sachwalter hat insoweit lediglich ein Mitwirkungsrecht, als der Schuldner das Verwertungsrecht nur im Einvernehmen mit dem Sachwalter wahrnehmen soll, § 282 Abs. 2 InsO (vgl. hierzu oben Rn. 253 f.). Mangels eigenen Verwertungsrechts des Sachwalters scheidet damit jedenfalls eine Berücksichtigung des Verwertungserlöses gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 InsVV aus.880) Eine Berücksichtigung des Verwertungsüberschusses gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 3 518 InsVV ist hingegen grundsätzlich möglich. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, ___________ 877) Gegen eine Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV hingegen Keller, in: HK-InsO, § 12 InsVV Rn. 4. 878) Riedel, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 1 InsVV Rn. 19; Prasser/Stoffler, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 1 InsVV Rn. 30. 879) Ausführlich zur vorzunehmenden Vergleichsberechnung Prasser/Stoffler, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 1 InsVV Rn. 32. 880) Anstelle vieler Prasser, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 12 InsVV Rn. 4.

183

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

dass Kosten der Feststellung im Sinne von § 171 Abs. 1 InsO in der Eigenverwaltung gemäß § 282 Abs. 1 S. 2 InsO nicht erhoben werden. Als Überschuss können folglich nur die Kosten der Verwertung im Sinne von § 171 Abs. 2 InsO angesetzt werden, die jedoch gemäß § 282 Abs. 1 S. 3 InsO auf die tatsächlich entstandenen Kosten zuzüglich Umsatzsteuer beschränkt sind.881) Der damit möglicherweise nicht berücksichtigte erhöhte Arbeitsumfang des Sachwalters, der aus seiner Mitwirkungspflicht aus § 282 Abs. 2 InsO resultiert, kann unter gewissen Voraussetzungen über die Gewährung eines Zuschusses berücksichtigt werden.882)

II. Vergütung des vorläufigen Sachwalters 1.

Höhe der Regelvergütung

519 Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters ist in der InsVV nicht gesondert geregelt. Im Gegensatz zum (endgültigen) Sachwalter ist der vorläufige Sachwalter von der Überschrift des zweiten Abschnitts der InsVV nicht ausdrücklich erfasst.883) Dass dessen Tätigkeit, gerade im Hinblick auf Art. 12 GG, aber nicht unvergütet bleiben kann, entspricht der allgemeinen Meinung.884) Wie und in welcher Höhe sich die Vergütung des vorläufigen Sachwalters gestaltet, ist neben der Kompetenz zur Begründung von Masseverbindlichkeiten eines der wohl diskussionsreichsten Themen der Eigenverwaltung nach Inkrafttreten des ESUG. Bevor der BGH in seinem Grundsatzbeschluss vom 21. Juli 2016 erstmals Stellung zu dieser Frage nahm (siehe hierzu unten Rn. 526 ff.), hatten sich in Rechtsprechung und Literatur insoweit drei Meinungsstände gebildet, auf die im Folgenden überblicksartig eingegangen werden soll.

a) 25 Prozent der Regelvergütung des Insolvenzverwalters 520 Nach einer Ansicht soll der vorläufige Sachwalter analog § 63 Abs. 3 S. 2 InsO, § 11 InsVV eine Vergütung in Höhe von 25 Prozent der Regelvergütung des Insolvenzverwalters (§ 2 Abs. 1 InsVV) erhalten.885) Dafür spreche bereits die Regelung des § 270a Abs. 2 S. 1 InsO, wonach der vorläufige Sachwalter anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters bestellt werde. Da auch die Tätigkeit des vorläufigen (schwachen) Insolvenzverwalters vorrangig von seiner Aufsichtstätigkeit bzw. Überwa___________ 881) Prasser, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 12 InsVV Rn. 4; missverständlich hingegen Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 12 InsVV Rn. 7; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 5; Lorenz, in: FK-InsO, Anhang V – § 12 InsVV Rn. 6. 882) Vgl. zur Zuschlagsfähigkeit von Regelaufgaben unten Rn. 556. 883) Vgl. Überschrift des zweiten Abschnitts „Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Sachwalters und des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren“. 884) Anstelle vieler Mock, ZInsO 2014, 67. 885) Vgl. nur Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 588; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 270a Rn. 4; Lorenz, in: FK-InsO, Anhang V – § 12 InsVV Rn. 32; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 91; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 599; Lau, DB 2014, 1417, 1422; eingehend Schur, ZIP 2014, 757, 760.

184

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

chungspflicht geprägt werde, seien zudem auch Rechtstellung und Aufgabenbereiche beider vorläufigen Verwalter vergleichbar, so dass sich insoweit auch die gleiche Vergütung rechtfertige.886) Die analoge Anwendung von § 63 Abs. 3 S. 2 InsO auf den vorläufigen Sachwalter 521 lässt sich unter rein formalen Gesichtspunkten begründen. Gemäß § 270a Abs. 1 S. 2 InsO finden die §§ 274, 275 InsO auf den vorläufigen Sachwalter entsprechende Anwendung. Damit gilt der in § 274 Abs. 1 InsO enthaltene Verweis auf die §§ 62 bis 65 InsO und damit auch auf § 63 Abs. 3 S. 2 InsO ebenso für den vorläufigen Sachwalter. Dennoch ist diese bislang lediglich in der Literatur vertretene Ansicht vielfach auf Kritik gestoßen. Durch eine analoge Anwendung von § 63 Abs. 3 S. 2 InsO werde der in der Eigenverwaltung so wichtige Vorteil der Kostenersparnis neutralisiert.887) Maßgeblich fehlt es für die Kritiker jedoch an der notwendigen Vergleichbarkeit der Aufgabenbereiche von vorläufigem Sachwalter und vorläufigem Insolvenzverwalter. Diese wiesen vielmehr grundlegende strukturelle Unterschiede auf. Da der Aufgabenbereich des vorläufigen Sachwalters deutlich hinter dem eines vorläufigen Insolvenzverwalters zurückbleibe, sei eine gleich hohe Regelvergütung nicht zu rechtfertigen.888)

b) 15 Prozent der Regelvergütung des Insolvenzverwalters Nach einer in der untergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend vertretenen An- 522 sicht soll der vorläufige Sachwalter hingegen 15 Prozent der Regelvergütung des Insolvenzverwalters erhalten.889) Diese Ansicht stützt sich auf eine zweifach analoge Anwendung, zum einen § 12 InsVV, zum anderen § 63 Abs. 3 S. 2 InsO. Der vorläufige Sachwalter erhält demnach in Anlehnung an den vorläufigen Insolvenzverwalter 25 Prozent, wobei Ausgangspunkt nicht die Vergütung des Insolvenzverwalters, sondern die Vergütung des Sachwalters in Höhe von 60 Prozent ist. Damit wird das Vergütungsverhältnis vorläufiger Insolvenzverwalter – Insolvenzverwalter unter einer Art Dreisatz-Rechnung890) auf das Verhältnis vorläufiger Sachwalter – Sachwalter übertragen. Genau hier liegt nach Ansicht der Kritiker jedoch der Fehler. Da das Verhältnis von 1:4 den konkreten Unterschieden in Haf___________ 886) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 588; Schur, ZIP 2014, 757, 761. 887) Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1, 13. 888) Exemplarisch AG Münster, Beschl. v. 18.1.2016 – 74 IN 65/14 juris, Rn. 95; LG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2015 – 3 T 194/15 ZInsO 2016, 185, 188; Mock, ZInsO 2014, 67, 67; Haarmeyer/ Mock, ZInsO 2016, 1, 13. 889) AG Köln, Beschl. v. 13.11.2012 – 71 IN 109/12 ZIP 2013, 426; AG Essen, Beschl. v. 17.1.2014 – 164 IN 135/13 ZInsO 2014, 464; LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13 NZI 2014, 123; AG Ludwigshafen, Beschl. v. 10.4.2014 – 3 f IN 27/14 ZInsO 2014, 853; AG Wuppertal, Beschl. v. 26.5.2014 – 145 IN 751/13 ZIP 2015, 541; AG Essen, Beschl. v. 9.7.2015 – 163 IN 170/14 ZIP 2015, 1796; LG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2015 – 3 T 194/15 ZInsO 2016, 185; AG Münster, Beschl. v. 18.1.2016 – 74 IN 65/14 juris; Zipperer, in: Uhlenbruck InsO, § 270a Rn. 32; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 21. 890) So Schur, ZIP 2014, 757, 760.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

tung und Pflichtenumfang von vorläufigen und endgültigen Insolvenzverwalter entspreche, setze die Übertragung dieses Vergütungsverhältnisses die Proportionalität der Verhältnisse voraus. An eben dieser Proportionalität fehle es jedoch; der vorläufige Sachwalter trage nicht lediglich ¼ der Pflichten und des Risikos des endgültigen Sachwalters.891) Die proportionale Reduzierung auf 1:4 rechtfertigt sich im Regelinsolvenzverfahren insbesondere durch die nach Verfahrenseröffnung vorzunehmende, aufwendige Verwertung.892) Die in der Eigenverwaltung maßgebliche Überwachungs- und Aufsichtstätigkeit trifft vorläufigen und endgültigen Sachwalter hingegen gleichermaßen.

c)

60 Prozent der Regelvergütung des Insolvenzverwalters

523 Schließlich wird vertreten, der vorläufige Sachwalter erhalte 60 Prozent der Vergütung des Insolvenzverwalters.893) Nach den Vertretern dieser Ansicht, zu denen als erstes das Amtsgericht Göttingen zählte, haben vorläufiger Sachwalter und (endgültiger) Sachwalter einen grundsätzlich vergleichbaren Aufgabenbereich; es bestehe kein Kompetenzgefälle. Im Gegenteil: der Aufgabenumfang des vorläufigen Sachwalters ginge bei Anordnung eines Schutzschirmverfahrens sogar über den des (endgültigen) Sachwalters hinaus.894) Etwaigen Unterschieden im Tätigkeitsbereich sei im Einzelfall in einem zweiten Schritt durch die Gewährung von Zuschlägen oder Vornahme von Abschlägen Rechnung zu tragen.

524 Legt man eine rein formale Betrachtungsweise zugrunde, so lässt sich auch diese Ansicht grundsätzlich begründen. Für den vorläufigen Sachwalter sind gemäß § 270a Abs. 1 S. 2 InsO die §§ 274, 275 InsO entsprechend anzuwenden. Damit lässt sich argumentieren, dass der aus § 274 Abs. 1 InsO i. V. m. §§ 63, 65 InsO, § 12 InsVV folgende Vergütungsanspruch des Sachwalters entsprechend für den vorläufigen Sachwalter gilt.895)

525 Gegen diese Ansicht wurden jedoch systematische Bedenken vorgebracht. Die Vergütung im Regelinsolvenzverfahren zeige deutlich, dass der Gesetzgeber seit jeher zwischen Eröffnungsverfahren und eröffnetem Verfahren Vergütungsunterschiede treffe.896) Darüber hinaus lasse sich gegen die grundsätzlich stimmige formale Betrachtungsweise einwenden, dass der Verweis der §§ 274, 275 InsO ebenso § 63 Abs. 3 ___________ 891) Schur, ZIP 2014, 757, 760; Budnik, NZI 2014, 247, 249; Rattunde/Stark, Sachwalter, S. Rn. 599 ff. 892) AG Göttingen, Beschl. v. 28.11.2012 – 74 IN 160/12 ZInsO 2012, 2413, 2415. 893) AG Göttingen, Beschl. v. 28.11.2012 – 74 IN 160/12 ZInsO 2012, 2413; AG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2013 – 67g IN 419/12 ZIP 2014, 237; hierzu auch Hofmann, EWiR 2014, 155; AG Potsdam, Beschl. v. 8.1.2015 – 35 IN 748/12 ZIP 2015, 1799; zustimmend auch Schmücker, jurisPR-InsR 5/2013, Anm. 5. 894) Eingehend Budnik, NZI 2014, 247, 249; vgl. auch Prasser, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 12 InsVV Rn. 20. 895) Schur, ZIP 2014, 757, 758. 896) Schur, ZIP 2014, 757, 758; Plathner, NZI 2014, 124, 125; Rattunde/Stark, Sachwalter, S. Rn. 597.

186

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

S. 2 InsO erfasst, so dass auch die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift, wie aufgezeigt, formalen Gesichtspunkten entspricht.897) Schließlich würden viele Aufgaben erst ab Verfahrenseröffnung entstehen, so dass der (endgültige) Sachwalter, abgesehen vom Schutzschirmverfahren, regelmäßig ein „Mehr“ an Aufgaben zu erfüllen habe.898) Eine Regelvergütung in gleicher Höhe lasse sich damit nicht rechtfertigen.

d) Grundsatzbeschluss des IX. Zivilsenats des BGH vom 21. Juli 2016 Der BGH hat sich zu den umstrittenen Fragen der Vergütung des vorläufigen Sach- 526 walters erstmals in einem Grundsatzbeschluss vom 21. Juli 2016 geäußert und seine Rechtsauffassung mit Beschluss vom 22. September 2016 nochmals bestätigt und weiter konkretisiert.899)

aa) Einheitliche Vergütungsfestsetzung von vorläufigen Sachwalter und Sachwalter So unterschiedlich die bisher in untergerichtlicher Rechtsprechung und Literatur 527 vertretenen Lösungsansätze waren, so hatten sie doch gemein, dass ein eigenständiger Vergütungsanspruch des vorläufigen Sachwalters bejaht wurde. Dem ist der IX. Zivilsenats des BGH nunmehr entgegengetreten. In seinen besagten Beschlüssen lehnte der Senat die Existenz eines eigenständigen Vergütungsanspruchs des vorläufigen Sachwalters vielmehr ausdrücklich ab. Zwar stellte der Senat in Einklang mit der in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht klar, dass die Vergütung des vorläufigen Sachwalters angesichts von Art. 12 GG nicht unvergütet bleiben könne, für einen selbständig zu berechnenden Vergütungsanspruch des vorläufigen Sachwalters bestehe jedoch kein Raum.900) Dass der Gesetzgeber bei Schaffung des ESUG die Notwendigkeit einer Regelung zur eigenständigen Vergütung des vorläufigen Sachwalters übersehen habe, sei auszuschließen. Wäre der Gesetzgeber andererseits von der entsprechenden Anwendung der Vergütungsregelungen für den vorläufigen Insolvenzverwalter ausgegangen, so hätte er dies bei Einführung des ESUG klargestellt. Diese Argumente ließen nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, die Vergütung des Sachwalters, einschließlich der des vorläufigen Sachwalters, sei bereits ausreichend geregelt.901) ___________ 897) Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 596. 898) So beispielsweise die Führung der Insolvenztabelle, Anzeige der Masseunzulänglichkeit, Prüfung der Schlussrechnung, Prüfung und Durchsetzung der Insolvenzanfechtung, vgl. Rattunde/ Stark, Sachwalter, Rn. 598; Schur, ZIP 2014, 757, 759. 899) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077. 900) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 28; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 32. 901) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 31; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 35.

187

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

bb) Vergütung des vorläufigen Sachwalters als „Zuschlag“ 528 Auf dieser Grundlage sieht der BGH lediglich Raum für eine einheitliche Festsetzung der Vergütung von vorläufigem und endgültigem Sachwalter. Bleibe der Sachwalter, wie regelmäßig, auch im eröffneten Verfahren im Amt, so sei auf seinen Vergütungsanspruch von 60 Prozent ein „Zuschlag“ für seine Tätigkeit (auch) als vorläufiger Sachwalter hinzuzufügen. Der Sachwalter könne auf Antrag einen Vorschuss erhalten, der unter den Voraussetzungen des § 9 InsVV zu bewilligen ist. Wird der vorläufige Sachwalter hingegen ausnahmsweise nicht auch nach Verfahrenseröffnung zum (endgültigen) Sachwalter bestellt, so sei seine Vergütung bei Abschluss des Verfahrens anteilig festzusetzen.902) Wird das Verfahren eröffnet, so sei in diesem Fall die Regelung des § 9 InsVV so auszulegen, dass der vorläufige Sachwalter einen Vorschuss beanspruchen kann, ohne dass es den in § 9 S. 2 InsO vorgesehenen Zeitablauf von 6 Monaten bedürfe.903)

cc) Höhe des zu gewährenden Zuschlags 529 In Beantwortung der in diesem Zusammenhang nächsten Frage, welche Höhe dieser „Zuschlag“ auf die Vergütung des Sachwalters habe, stellt der Senat zunächst klar, dass Sachwalter und vorläufiger Sachwalter über strukturell vergleichbare Aufgaben und Befugnisse verfügen, die je nach Verfahrensstadium lediglich unterschiedlich ausgeprägt sein können.904) Aus diesem Grund sei lediglich Raum für eine Anwendung von § 12 InsVV, der über die §§ 270a Abs. 1 S. 2, 274 Abs. 1 InsO i. V. m. § 65 InsO für den vorläufigen Sachwalter entsprechend gelte.905) Einer entsprechenden (zusätzlichen) Anwendung von § 63 Abs. 3 InsO, § 11 InsVV erteilte der Senat hingegen eine deutliche Absage. Der BGH zeigt ausführlich auf, dass die Tätigkeit von vorläufigem Sachwalter und vorläufigem Insolvenzverwalter nicht in diesem Maße vergleichbar sei. Dies zeige sich bereits dadurch, dass ersterer im Gegensatz zum vorläufigen Insolvenzverwalter gerade keine eigenen Eingriffs- und Sicherungsbefugnisse habe906). Zudem habe sich der Gesetzgeber mit Inkrafttreten des ESUG aktiv gegen die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters für das Eigenverwaltungseröffnungsverfahrens entschieden. Diese eindeutige Wertung könne nicht dadurch unterlaufen werden, dass der vorläufige Sachwalter nun doch nur eine andere Bezeichnung für den vorläufigen Insolvenzverwalter im Regelverfahren darstelle.907) ___________ 902) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 28; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 38. 903) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 54; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 38. 904) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 38. 905) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 39. 906) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 43. 907) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 47.

188

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

Trotz der betonten strukturellen Gleichheit von (endgültigem) und vorläufigem Sach- 530 walter kann nach Ansicht des Senats die Höhe der Regelvergütung des (endgültigen) Sachwalters nicht unverändert auf den vorläufigen Sachwalter übertragen werden, womit auch für diese in Rechtsprechung und Literatur vertretene Ansicht künftig kein Raum mehr sein wird. Zum einen sei das Eröffnungsverfahren regelmäßig von wesentlich kürzerer Dauer als das eröffnete Eigenverwaltungsverfahren.908) Zum anderen gingen die Aufgaben des (endgültigen) Sachwalters regelmäßig über die des vorläufigen Sachwalters hinaus, was bereits der Blick auf § 270c S. 2 InsO und die §§ 276a bis 285 InsO bestätige.909) Andererseits könnten die Aufgaben des vorläufigen Sachwalters gerade im Eröffnungsverfahren besonders viel Arbeitsaufwand erfordern.910) Unter Zugrundelegung dessen und nun doch unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH zum vorläufigen Insolvenzverwalter, kommt der Senat sodann etwas unvermittelt zu dem Schluss, die Vergütung des vorläufigen Sachwalters mit 25 Prozent der Vergütung des Insolvenzverwalters nach § 2 Abs. 1 InsVV zu bemessen.911) Der Sachwalter erhält damit für seine Tätigkeit vor und nach Verfahrenseröffnung eine einheitliche Vergütung von 85 Prozent der Vergütung des Insolvenzverwalters.

dd) Stellungnahme Die Entscheidung des BGH schafft zunächst Rechtsklarheit. Angesichts der enorm 531 divergierenden Ansichten ist dies grundsätzlich zu begrüßen. Letztlich kann die Entscheidung jedoch nur mit Blick auf die Höhe des „Zuschlags“ von 25 Prozent der Vergütung des Insolvenzverwalters nach § 2 Abs. 1 InsVV überzeugen.

(1) Zutreffende Vergütungshöhe Das Gesetz postuliert für den vorläufigen Sachwalter weniger Aufgaben als für den 532 endgültigen Sachwalter, so dass eine gleich hohe Regelvergütung der beiden im Regelfall nicht angemessen sein kann. Ist der Aufgabenbereich des vorläufigen Sachwalters ausnahmsweise höher, wie beispielsweise im Schutzschirmverfahren, kann dieser Tatsache durch die Gewährung eines entsprechenden Zuschlags Rechnung getragen werden. Auf der anderen Seite bleiben die Aufgaben des vorläufigen Sachwalters aufgrund der von Beginn an bestehenden Pflicht zur Überwachung und Begleitung der Eigenverwaltung nicht in einem solchen Maß hinter denen des endgültigen Sachwalters zurück, das einem Verhältnis von 1:4 entsprechen und damit eine Regelvergütung in Höhe von 15 Prozent (25 Prozent der Sachwaltervergütung) recht___________ 908) 909) 910) 911)

BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 48. BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 49. BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 44. BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 49; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 36; vgl. auch Keller, NZI 2016, 753, 756.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

fertigen würde.912) Die seitens des BGH als angemessen beurteilte Vergütung von 25 Prozent der Regelvergütung des Insolvenzverwalters bildet vielmehr das abzubildende Verhältnis von Pflichten- und Haftungsumfang nach und wurde deswegen auch nicht zuletzt, wenn auch aus anderer Herleitung, von der überwiegenden Anzahl der Praktiker präferiert (vgl. hierzu oben Rn. 520 f.).

(2) Einheitliche Vergütungsfestsetzung abzulehnen 533 Der Entscheidung des BGH ist jedoch zu widersprechen, soweit er die Vergütung in Höhe von 25 Prozent lediglich als „Zuschlag“ gewährt.

(a) Fehlende Rechtsgrundlage 534 Dabei bleibt völlig unklar, auf welche gesetzliche Grundlage dies gestützt wird. Die sich allgemein mit Zuschlägen auseinandersetzende Regelung des § 3 InsVV ist nicht als Rechtsgrundlage geeignet. § 3 InsVV setzt die Vorgaben des § 63 Abs. 1 S. 3 InsO um, wonach dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters im konkreten Einzelfall durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung zu tragen ist. Bei der vorläufigen Sachwaltung handelt es sich jedoch nicht um einen Tatbestand, der im Einzelfall zu einem erhöhten Umfang oder Schwierigkeit der Tätigkeit des Sachwalters führt, sondern vielmehr um den Regelfall, der einem jeden Eigenverwaltungsverfahren vorausgeschaltet ist. Mangels Vergleichbarkeit der Fälle scheidet eine entsprechende Anwendung von § 3 InsVV aus.913) Etwaige andere Rechtsgrundlagen sind nicht ersichtlich, weshalb die Lösung über die Gewährung eines Zuschlags bereits aufgrund des Fehlens einer entsprechenden Rechtsgrundlage abzulehnen ist.

535 Soweit dem Vergütungsanspruch des vorläufigen Sachwalters die Selbständigkeit abgesprochen wird, wirkt die Entscheidung des BGH vielmehr als Kunstgriff, mit dem die Anerkennung einer Regelungslücke, für die nach Ansicht des Senats anscheinend keine passende Lückenfüllung existiert, vermieden wird.

(b) Praktische Schwierigkeiten 536 Tatsächlich ist die einheitliche Festsetzung jedoch nur für ein idealtypisches Eigenverwaltungsverfahren mit einem dreimonatigen Eröffnungsverfahren, einer Verfahrenseröffnung unter Beibehaltung des Sachwalters und einem Abschluss nach weiteren sechs Monaten geeignet.914) In einer Vielzahl der Fälle wird dieses Idealbild jedoch nicht erreicht werden. Die Fälle, in denen Vorverfahren und Eröffnungs___________ 912) So auch Schur, ZIP 2014, 757, 760; Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 599 ff. siehe zu dieser Kritik oben Rn. 522. 913) I. E. auch Hackenberg, ZInsO 2017, 204, 205. 914) Fuhst, jurisPR-InsR 22/2016 Anm. 2; Keller, NZI 2016, 753, 755.

190

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

verfahren bedeutend länger dauern oder der vorläufige Sachwalter nicht auch zum endgültigen Sachwalter bestellt wird, existieren in der Praxis ebenso wie diese, in denen ein vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren letztlich doch als gewöhnliches Insolvenzverfahren eröffnet wird. In all diesen Fällen, die vom idealtypischen Bild eines Eigenverwaltungsverfahrens abweichen, wird die seitens des BGH angedachte einheitliche Vergütung jedoch zu Schwierigkeiten und ungerechtfertigten Nachteilen führen. So erkennt der BGH zwar an, dass der vorläufige Sachwalter im Fall eines Personenwechsels einen Anspruch auf anteilige Vergütung hat, jedoch erfolgt auch in diesen Fällen eine Festsetzung erst mit Abschluss des Verfahrens.915) Dies kann für den vorläufigen Sachwalter eine erhebliche wirtschaftliche Belastung darstellen. Über diese Schwachstelle kann auch die Möglichkeit und Vereinfachung der Vorschussgewährung aufgrund ihres bloß vorläufigen Charakters nicht hinweghelfen.916) Die endgültige Vergütungsfestsetzung nach Verfahrensabschluss kann mitunter erst Jahre später erfolgen, was für den Sachwalter eine nicht zu rechtfertigende Rechtsunsicherheit birgt.917) Darüber hinaus ist die Lösung der einheitlichen Vergütung auch mit Blick auf die 537 nach § 3 InsVV zu gewährenden Zuschläge abzulehnen. Vielfach kann es hier zu Überschneidungen kommen, wenn, wie regelmäßig, ein zuschlagsauslösender Tatbestand in beiden Verfahrensstadien verwirklicht wird. Die daraus resultierenden Abgrenzungsschwierigkeiten sind unvermeidbar. Zugleich ist zu beachten, dass der mit der zuschlagsbegründenden Tätigkeit verbundene Mehraufwand in Eröffnungsverfahren und eröffneten Verfahren voneinander abweichen und im Eröffnungsverfahren im Einzelfall sogar auch größer sein kann. Der dann einheitlich zu gewährende Zuschlag müsste dies berücksichtigen und in einem solchen Fall auch insgesamt entsprechend größer ausfallen. Angesichts der ohnehin restriktiven Handhabung der Gewährung von Zuschlägen in der Eigenverwaltung – dem Grunde und der Höhe nach – (siehe hierzu bereits zuvor Rn. 491 f. sowie unten Rn. 539 ff.) besteht jedoch die Gefahr, dass der jeweils angefallene Mehraufwand des vorläufigen Sachwalters nicht hinreichend gewürdigt wird, sondern in der dann vorzunehmenden Gesamtbetrachtung untergeht.918)

(c) Systematische Bedenken Schließlich widerspricht das einheitliche Vergütungsmodell auch der gesetzlichen 538 Systematik. Zwar ist auch das Eröffnungsverfahren Teil des Insolvenzverfahrens919), ___________ 915) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 28. 916) Eine Verbindlichkeit folgt erst durch die gerichtliche Festsetzung nach § 8 InsVV bei Verfahrenabschluss, so dass die Gefahr besteht, etwaige zu viel gezahlte Beträge verzinst zurückgewähren zu müssen, vgl. hierzu Graeber, DZWIR 2016, 514, 515. 917) Hackenberg, ZInsO 2017, 204, 206. 918) Vgl. auch Keller, NZI 2016, 753, 755; so auch Hackenberg, ZInsO 2017, 204, 205. 919) Hirte, in: Uhlenbruck InsO, vor § 11 Rn. 1.

191

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

dennoch zeigt die Vergütung des Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren, dass der Gesetzgeber die Verfahrensabschnitte jedenfalls mit Blick auf die Vergütung selbständig und unabhängig voneinander betrachtet. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb dies im Eigenverwaltungsverfahren, das spätestens seit dem ESUG auch zwei derartige, durch den Eröffnungsbeschluss klar voneinander abgegrenzte Verfahrensstadien mit unterschiedlichen Aufgabestellungen aufweist, anders sein sollte.920) Die Argumentation des BGH bringt hier keinen Aufschluss. Die vorgenannten Argumente sprechen vielmehr dafür, die Systematik des selbständigen Vergütungsanspruchs eines vorläufigen Verwalters auch in der Eigenverwaltung zu berücksichtigen. Richtigerweise muss die Vergütung des vorläufigen Sachwalters daher gesondert festgesetzt werden.

2.

Gewährung von Zu- und Abschlägen

a) Allgemeines 539 Auch die Vergütung des vorläufigen Sachwalters kann nach überwiegender Meinung mit Zu- oder Abschlägen versehen werden. Dies war bereits vor der Grundsatzentscheidung des BGH zum einheitlichen Vergütungsanspruch in Rechtsprechung und Literatur anerkannt.921) Geht man in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH nunmehr von einem einheitlichen Vergütungsanspruch aus, so findet § 3 InsVV bereits über den unmittelbar anwendbaren Verweis in § 10 InsVV auch auf den vorläufigen Sachwalter entsprechende Anwendung.922) Da Zuschläge richtigerweise nur für solche Tätigkeiten erfolgen können, die auch tatsächlich Teil des Aufgabenbereichs des Sachwalters sind (vgl. hierzu oben Rn. 491 f.), hängt das „ob“ der Gewährung von Zuschüssen, wie bereits dargestellt, vorrangig davon ab, wie der Aufgaben- und Tätigkeitsbereichs des vorläufigen Sachwalters definiert wird.

540 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH existieren insoweit keine „FaustregelTabellen“.923) Es ist vielmehr Aufgabe des Tatrichters im Einzelfall alle in Frage ___________ 920) Keller, NZI 2016, 753, 757; i. E. auch Hackenberg, ZInsO 2017, 204, 205. 921) Vgl. nur AG Essen, Beschl. v. 9.7.2015 – 163 IN 170/14 ZIP 2015, 1796; LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 29.1.2015 – 8 T 94/14 NZI 2015, 570; LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13 NZI 2014, 123; Schur, ZIP 2014, 757, 763; Prasser, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 12 InsVV Rn. 31; Keller, in: HK-InsO, § 12 InsVV Rn. 15; Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 12 InsVV Rn. 23; a. A. soweit erkennbar nur Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 22, weshalb es verwundert, wenn dieselben das „ob“ der Gewährung von Zu- und Abschlägen als bislang „stark umstritten“ bezeichnen, vgl. Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1829, 1832. 922) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 55; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 41; LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2102. 923) BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 201/05 ZInsO 2007, 370; BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 59; mit einem umfangreichen Angebot von Faustregeln hingegen Haarmeyer/Mock, InsVV, § 3 Rn. 86 ff.; Prasser/Stoffler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 3 InsVV 64.

192

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

kommenden Zu- und Abschlagstatbestände zu überprüfen und einer abschließenden Gesamtwürdigung zu unterziehen. Bisher ergangene Entscheidungen anderer Gericht sind grundsätzlich geeignet, Orientierungshilfen zu bieten.924) Der BGH vertritt jedoch die Ansicht, dass die Zuschläge in der Eigenverwaltung aufgrund der vorauszusetzenden insolvenzrechtlichen Expertise des Schuldners regelmäßig deutlich geringer auszufallen haben als im Regelinsolvenzverfahren.925) Soweit es sich um geschäftstypische Aufgaben des Schuldners handelt, der Sachwalter also nur überwachend und beratend tätig wird (vgl. hierzu Schaubild, S. 74), wird eine gewisse Kürzung regelmäßig, jedoch nicht ausnahmslos, angebracht sein. Dies sollte jedoch keinesfalls pauschal vorgenommen werden, sondern muss richtigerweise vielmehr eine Frage des Einzelfalls bleiben. Nimmt der Sachwalter hingegen eine seiner originären, zuschlagsbegründenden Aufgaben wahr, so kann ein im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren deutlich reduzierter Zuschlag richtigerweise kaum begründet werden. Denn im Rahmen der originären Aufgabenwahrnehmung, wie beispielsweise der Kassenführung oder der Ausübung eines Zustimmungsvorbehalts spielt eine etwaige insolvenzrechtliche Expertise des Schuldners vielfach nur eine untergeordnete Bedeutung. Das Bestehen einer solchen wird den Arbeitsaufwand des Sachwalters im Vergleich zu einem Insolvenzverwalter nicht merklich reduzieren, so dass in diesen Fällen zwar eine gewisse, jedenfalls aber keine deutliche Kürzung angebracht erscheint.926)

b) Die relevantesten Zu- und Abschläge im Überblick Auch wenn es eine Frage des Einzelfalls bleibt, ob und in welcher Höhe Zuschläge 541 zu gewähren oder Abschläge vorzunehmen sind, kann sich doch eine Tendenz abzeichnen, welche Tätigkeiten des Sachwalters überhaupt geeignet sind, einen Zuschlag zu begründen. Folglich sollen nachfolgend die relevantesten Zu- und Abschläge – auch unter Berücksichtigung der bisher zu dieser Thematik ergangenen Rechtsprechung – untersucht werden.

aa) Unternehmensfortführung Ob die Tatsache, dass das Unternehmen fortgeführt wird, einen Zuschlag auf die 542 Regelvergütung des vorläufigen Sachwalters rechtfertigen kann, wird uneinheitlich beantwortet. Das Landgericht Bonn beispielsweise lehnte einen beantragten Zuschlag für eine durch den Sachwalter begleitete Betriebsfortführung vollständig ab.927) Nach Ansicht des Gerichts sei jede Eigenverwaltung auf Betriebsfortführung ge___________ 924) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 59; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 45. 925) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 81. 926) A. A. Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1829, 1833, die anscheinend ausnahmslos dafür plädieren, einen Reduzierungsfaktor von 10 zur Anwendung zu bringen. 927) LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13 NZI 2014, 123.

193

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

richtet, so dass eine solche im Rahmen der Vergütung keinen zusätzlichen Ansatz mehr erhalten könne.928) Dieser Begründung ist in ihrer Pauschalität jedoch zu widersprechen. Denn auch wenn die Eigenverwaltung im überwiegenden Teil ihrer Anwendungsfälle und damit regelmäßig auf Sanierung mittels Fortführung gerichtet ist, kann jedoch sie gleichermaßen mit dem Verfahrensziel der Liquidation beantragt werden (vgl. hierzu bereits oben Rn. 46).

543 Eine ähnliche Argumentation verfolgte das Landgericht Freiburg. Das Gericht erkannte zwar, dass die Eigenverwaltung nicht zwingend eine Betriebsfortführung voraussetze, sah jedoch infolge der Regelmäßigkeit einer Betriebsfortführung, die in diesem Zusammenhang stehenden Tätigkeiten des Sachwalters als Regelaufgaben an, die folglich bereits von der Regelvergütung gedeckt seien und damit keinen Zuschlag rechtfertigen könnten.929) Auch dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Sie würde dazu führen, dass ein Sachwalter, der eine Betriebsfortführung in einem überdurchschnittlichen Verfahren mit überdurchschnittlicher Schwierigkeit begleitet, ebenso vergütet wird wie ein Sachwalter, dessen Verfahren entweder von Beginn an überhaupt nicht auf Fortführung gerichtet war oder bei dem die Fortführung nur von sehr kurzer Dauer oder nur durchschnittlicher Schwierigkeit ist. Sowohl in der Überwachung als auch im Rahmen der Unterstützungshandlungen macht eine Betriebsfortführung regelmäßig jedoch einen erheblichen Unterschied und kann von unterschiedlichster Intensität sein. Diese grundsätzlich von der Regelvergütung als abgegolten zu betrachten, würde dem durch das BVerfG aufgestellten verfassungsrechtlichen Gebot, dem Verwalter eine auf den Einzelfall bezogene angemessene Vergütung zu gewähren, widersprechen.930) Darüber hinaus ist es anerkannt, dass auch die Erledigung von Regelaufgaben zu einer Erhöhung der Regelvergütung führen kann, was gleichermaßen für den Sachwalter gelten muss (siehe hierzu unten Rn. 556).931) Richtigerweise ist die Betriebsfortführung in der Eigenverwaltung damit im Einzelfall geeignet, einen Zuschlag zu begründen.932)

544 Dass Betriebsfortführung nicht gleich Betriebsfortführung ist, bestätigte auch der IX. Zivilsenat in seinen bereits benannten Grundsatzbeschlüssen.933) Der Senat er___________ 928) LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13 NZI 2014, 123, 124; so auch LG DessauRoßlau, Beschl. v. 29.1.2015 – 8 T 94/14 NZI 2015, 570, 572. 929) LG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2015 – 3 T 194/15 ZInsO 2016, 185; so auch LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 29.1.2015 – 8 T 94/14 NZI 2015, 570, 752; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 10; offen gelassen durch AG Essen, Beschl. v. 27.3.2015 – 163 IN 170/14 ZInsO 2015, 973, 974. 930) BVerfG, Beschl. v. 9.2.1989 – 1 BvR 1165/87 ZIP 1989, 382; Lorenz, in: FK-InsO, Anhang V – § 3 InsVV Rn. 2. 931) BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZB 234/06 NZI 2008, 38, 39; LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2103. 932) i. E. auch AG Essen, Beschl. v. 9.7.2015 – 163 IN 170/14 ZIP 2015, 1796, 1797. 933) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077; i. E. auch bereits AG Essen, Beschl. v. 9.7.2015 – 163 IN 170/14 ZIP 2015, 1796.

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E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

kannte, dass die Begleitung und Überwachung einer Betriebsfortführung Arbeitskraft in unterschiedlichen Umfang erfordern kann und die Überwachungstätigkeit lediglich in ihren notwendigen Grundmaßnahmen Teil der Regeltätigkeit und damit von der Regelvergütung gedeckt ist. Negativ abgegrenzt scheidet nach Ansicht des Senats die Gewährung eines Zuschlags daher beispielsweise aus, wenn der Schuldner in einem durchschnittlichen Verfahren die Überwachung und Kontrolle jederzeit ermöglicht, die Unterlagen und Daten aufbereitet und vollständig zur Verfügung stellt und jederzeit Auskunft gibt.934) Im Umkehrschluss lässt sich daraus schließen, dass erschwerende Umstände, wie beispielsweise das Vorliegen eines Großverfahrens, rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten sowie die zeitliche Dauer im Einzelfall, Berücksichtigung finden müssen. Eine Betriebsfortführung ist damit im Einzelfall geeignet, einen Zuschlag zu rechtfertigen. Dafür sprechen nicht zuletzt auch systematische Erwägungen. Wie bereits festge- 545 stellt, findet die Regelung des § 3 InsVV über § 10 InsVV auf die Vergütung des vorläufigen Sachwalters Anwendung, solange die §§ 11 bis 13 InsVV nichts anderes bestimmen. Damit gilt für den (vorläufigen) Sachwalter auch die Regelung des § 3 Abs. 1 lit. b) InsVV, wonach ein Zuschlag zu gewähren ist, wenn der Verwalter das Unternehmen fortgeführt hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist. Gemäß § 3 Abs. 1 lit. b) InsVV, setzt die Gewährung eines Zuschusses lediglich voraus, dass die Masse durch die Fortführung nicht entsprechend größer geworden ist, da es andernfalls zu einer Doppelberücksichtigung über die Erhöhung der Berechnungsgrundlage und die Zuschlagsgewährung kommen würde.935) Zwar führt der (vorläufige) Sachwalter das Unternehmen nicht selbst fort, der Se- 546 nat verweist in diesem Zusammenhang jedoch zutreffender Weise auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Betriebsfortführung und die Bemühungen bei Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen für einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter einen Zuschlag rechtfertigen kann, obwohl nach dem Wortlaut des Gesetzes die Betriebsfortführung nicht Teil seines Aufgabenbereichs ist und er das Unternehmen folglich nicht selbst fortführt.936) Für den vorläufigen Sachwalter kann damit nichts anderes gelten.937) Der pauschale Verweis auf eine außergewöhnliche Belastung reicht zur Rechtfertigung eines Zuschlags dabei jedoch nicht aus. ___________ 934) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 67; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 55 beide mit Verweis auf Haarmeyer/ Mock, ZInsO 2016, 1, 6. 935) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 68; ausführlich Haarmeyer/ Mock, ZInsO 2016, 1829, 1834. 936) Vgl. § 22 Abs. 1 S. 1 i. V. m. S. 2 Nr. 2 InsO wonach ein Fortführungsauftrag nur für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter (verwaltungs- und verfügungsbefugt) normiert ist. 937) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 66; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 54; dementsprechend LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2103.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Der erhöhte Prüfungsaufwand muss vielmehr durch Tatsachenvortrag belegt und damit konkret substantiiert dargelegt werden.938)

bb) Zustimmungsvorbehalt 547 Im eröffneten Verfahren ist die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts nach § 277 Abs. 1 InsO, wie die Regelung des § 12 Abs. 2 InsVV ausdrücklich normiert, geeignet, eine den Regelsatz übersteigende Vergütung zu rechtfertigen. Zwar ist § 277 Abs. 1 InsO wie aufgezeigt im Eröffnungsverfahren nicht anwendbar, die Anordnung kann für einzelne Rechtsgeschäfte jedoch zulässigerweise auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO ergehen (vgl. hierzu oben Rn. 228 ff.). Wird eine solche Sicherungsmaßnahme erlassen, ist kein Grund ersichtlich, den damit ebenfalls verbundenen erhöhten Arbeitsaufwand des vorläufigen Sachwalters nicht mittels eines Zuschlages zu berücksichtigen.939) Insoweit ist jedoch hervorzuheben, dass die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts nicht zwingend ist. Wird ein solcher also angeordnet, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zustimmungsvorbehalt mit dem Zuschlag der Betriebsfortführung abgegolten ist.940) Zwar gehört die Ausübung eines Zustimmungsvorbehalts, wie der BGH zutreffend klarstellt, im weitesten Sinne zur Unternehmensfortführung; da eine Betriebsfortführung jedoch auch ohne Zustimmungsvorbehalt des (vorläufigen) Sachwalters möglich ist, muss die Anordnung eines solchen gesondert berücksichtigt werden. Ob dies durch eine ausdrückliche und deutliche Erhöhung des Zuschlages zur Betriebsfortführung oder eine gesonderte Festsetzung geschieht, ist dem Tatrichter zu überlassen.

548 Auch im Regelinsolvenzverfahren rechtfertigt die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts allein keinen generellen Zuschlag in pauschaler Höhe. Es ist vielmehr im Einzelfall auf die konkrete Dauer, Art und Umfang der Tätigkeit abzustellen.941) Gleiches muss folglich für das Eigenverwaltungsverfahren gelten. Ein im Vergleich zum Regelverfahren „deutlich“ reduzierter Zuschlag kann hier jedoch nicht argumentiert werden.942) Auch wenn die Ausübung der Geschäftsführung beim Schuldner liegt, hat der Sachwalter bei Anordnung einer Zustimmungsvorbehalts das jeweilige Rechtsgeschäft, nicht zuletzt aufgrund der möglichen Haftungsgefahren, ___________ 938) LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2103; Buchalik/Schröder, ZInsO 2016, 2231, 2233. 939) Allg. Meinung, vgl. nur BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 70; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 61; LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13 NZI 2014, 123, 124. 940) So jedoch Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1829, 1835. 941) Vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – IX ZB 10/03 ZIP 2003, 1612; Vuia, in: K. Schmidt, InsO, § 63 Rn. 42. 942) A. A. tendenziell BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 70; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 61; vgl. auch Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1829, 1835.

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E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

einer ähnlich intensiven Prüfung zu unterziehen wie ein Insolvenzverwalter. Eine Reduktion kann jedoch insoweit gerechtfertigt sein, als, anders als bei Anordnung eines umfassenden Zustimmungsvorbehalts nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO, nicht alle, sondern nur einzelne im Voraus bestimmte Rechtgeschäfte erfasst sind.

cc) Übernahme der Kassenführung Auch die Übernahme der Kassenführung durch den (vorläufigen) Sachwalter begrün- 549 det nach allgemeiner Meinung einen Zuschlagstatbestand.943) Sowohl im Eröffnungsals auch im eröffneten Verfahren führt die Übernahme der Kassenführung zu einem erheblichen Mehraufwand des (vorläufigen) Sachwalters.944) Zudem ist die Übernahme der Kassenführung nicht zwingend, sondern obliegt vielmehr der Ermessensentscheidung des Sachwalters (vgl. hierzu oben, 92 f.). Die mit der Kassenführung verbundene erhebliche Ausweitung der Aufgaben muss sich damit regelmäßig in der Gewährung eines Zuschlags widerspiegeln.

dd) Sanierungsbemühungen Uneinheitlich wurde bisher die Zuschlagsfähigkeit von Bemühungen des Sachwalters 550 im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen bewertet. Das Landgericht Dessau-Roßlau lehnte beispielsweise einen Zuschlag für Sanierungsbemühungen des vorläufigen Sachwalters ab.945) Das Gericht vertrat die Ansicht, die Sanierung habe durch den Schuldner selbst zu erfolgen und eine die Sanierung begleitende und überwachende Tätigkeit des Sachwalters sei als originäre Aufgabe bereits von dessen Regelvergütung gedeckt.946) Soweit der Sachwalter darüber hinausgehende Aufgaben übernommen habe, könne infolge seiner engen Aufgabenbegrenzung kein Zuschlag erfolgen. Auch hier hat der IX. Zivilsenat in seinen Beschlüssen aus dem Jahr 2016 für Klarheit gesorgt. Der Senat erkannte richtigerweise, dass es nicht die Aufgabe des Sachwalters ist, 551 in eigener Zuständigkeit die verschiedenen Möglichkeiten der Sanierung zu analysieren und eigenständig Konzepte zu erarbeiten; dies sei vielmehr Aufgabe des Schuldners.947) Der BGH stellte jedoch auch klar, dass zwischen der Entwicklung eines Sanierungskonzepts in eigener Verantwortung einerseits und der Unterstützung und ___________ 943) BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 68; BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 79AG Essen, Beschl. v. 9.7.2015 – 163 IN 170/14 ZIP 2015, 1796, 1798; LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 29.1.2015 – 8 T 94/14 NZI 2015, 570, 572. 944) Schur, ZIP 2014, 757, 763. 945) LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 29.1.2015 – 8 T 94/14 NZI 2015, 570. 946) LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 29.1.2015 – 8 T 94/14 NZI 2015, 570, 752. 947) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 72; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 62.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

Beratung des Schuldners bei der Entwicklung und Umsetzung eines solchen andererseits zu unterscheiden ist. Entwickelt der Schuldner ein Sanierungskonzept und arbeitet dieses aus, so ist es sehr wohl Teil des Aufgabenbereichs des Sachwalters, dieses Konzept auf seine Plausibilität und Umsetzbarkeit zu überprüfen und die Auswirkungen für die Gläubiger abzuschätzen. In diesem Zusammenhang trifft der BGH eine weitere maßgebliche Grundaussage: der Sachwalter hat die Eigenverwaltung des Schuldners im Rahmen seiner Überwachungs- und Kontrolltätigkeit „beratend zu begleiten“.948) Diese beratende Tätigkeit äußert sich nach Ansicht des Senats bei Sanierungskonzepten dahingehend, dass der Sachwalter sich rechtzeitig in die Erarbeitung der Konzepte einbinden lässt und seine Expertise einbringt. Der BGH hat insoweit für Klarheit gesorgt, so dass der mit der Überwachung und Begleitung einer Sanierung verbundene Mehraufwand im Rahmen der Erhöhung der Regelvergütung zu berücksichtigen ist.

ee) Zusammenarbeit mit dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss 552 Auch die Existenz eines vorläufigen Gläubigerausschusses kann geeignet sein, einen Zuschuss zu begründen. Besteht ein solcher, ist regelmäßig von einem Mehraufwand des Sachwalters an Kommunikation und Abstimmung auszugehen. Da ein (vorläufiger) Gläubigerausschuss auch in der Eigenverwaltung nicht obligatorisch ist (vgl. hierzu oben Rn. 93 ff.), muss der zusätzliche Arbeitsaufwand durch die Gewährung eines entsprechenden Zuschlages ausgeglichen werden.949) Da nach Ansicht des BGH der Gläubigerausschuss im Einzelfall auch geeignet sein kann, den Sachwalter zu entlasten, erachtet der BGH jedoch einen Zuschlag geringen Umfangs für angemessen.950)

553 Dieser Ansicht ist in ihrer Generalisierung jedoch zu widersprechen. Es sollte vielmehr im Einzelfall geprüft werden, welcher zusätzliche Arbeitsaufwand durch den vorläufigen Gläubigerausschuss tatsächlich verursacht wurde und welche Entlastung andererseits tatsächlich eingetreten ist. Insoweit ist zu beachten, dass die mögliche Entlastungsfunktion des Gläubigerausschusses konstant ist, die damit weniger ins Gesamtgewicht fallen muss, je höher der Zusatzaufwand des vorläufigen Sachwalters ist. Tatsächlich kann die bloße Existenz eines vorläufigen Ausschusses mit durchschnittlichem Kommunikationsaufwand einen nur geringen Zuschlag begründen. Ist das Eröffnungsverfahren jedoch beispielsweise von langer Dauer oder nimmt der vorläufige Sachwalter an überdurchschnittlich vielen Ausschusssitzungen teil, so muss ___________ 948) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 73; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 64; so auch LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2103. 949) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 76; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 69; LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2105; LG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2015 – 3 T 194/15 ZInsO 2016, 185, 188; AG Wuppertal, Beschl. v. 26.5.2014 – 145 IN 751/13 ZIP 2015, 541, 542. 950) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 76.

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E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

dies einen entsprechend höheren Zuschlag rechtfertigen.951) Der (vorläufige) Sachwalter sollte daher die Zahl und Dauer der Treffen sowie den erforderlichen Vor- und Nachbereitungsaufwand zur hinreichenden Substantiierung dieses Mehraufwandes dokumentieren.952)

ff) Arbeitsrechtliche Fragen Auch eine große Anzahl von Arbeitnehmern kann einen Zuschlagstatbestand aus- 554 lösen.953) Die bloße Existenz einer Mehrzahl von Arbeitnehmern ist dabei nicht ausreichend, in diesem Fall ist vielmehr davon auszugehen, dass dem damit verbundenen Aufwand bereits über den Zuschlag zur Betriebsfortführung hinreichend Rechnung getragen wurde. Die Anzahl der Arbeitnehmer muss sich beispielsweise vielmehr in arbeitsrechtliche Fragen niedergeschlagen haben. Dass arbeitsrechtliche Fragen generell geeignet sein können, einen Zuschlag zu begründen, zeigt bereits die Regelung des § 3 Abs. 1 lit. d) InsVV. Dies muss auch im (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren entsprechend gelten. Denn auch wenn die Ausübung arbeitsrechtlicher Maßnahmen Aufgabe des Schuldners ist, so hat der (vorläufige) Sachwalter die Maßnahmen des Schuldners doch zu überwachen und insoweit beratend zur Seite zu stehen.954) Übt der Schuldner beispielsweise Personalmaßnahmen aus, so steigt dieser Überwachungs- und Beratungsaufwand exponentiell mit der Anzahl der Arbeitnehmer. Als Anhaltspunkt, ab welcher Mitarbeiterzahl der Sachwalter „erheblich“ im Sinne von § 3 Abs. 1 lit. b) in Anspruch genommen wurde, also ein Zuschlag gerechtfertigt ist, sollte auf die Rechtsprechung des BGH zum Regelinsolvenzverfahren zurückgegriffen werden, wonach arbeitsrechtliche Fragen bis zu einer Arbeitnehmeranzahl von 20 von der Regelvergütung abgegolten sind.955) Aus § 3 Abs. 1 lit. d) InsVV folgt darüber hinaus, dass auch eine Insolvenzgeld- 555 vorfinanzierung einen Zuschlag begründen kann. Dies ist auch sachgerecht, da die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld einen immensen (Mehr-) Aufwand begründen kann. Die Arbeitnehmer müssen informiert, die erforderlichen Erklärungen eingeholt, Verhandlungen mit den finanzierenden Banken geführt und schließlich muss die Zustimmung der Agentur für Arbeit eingeholt werden, § 118 Abs. 4 SGB II.956) Zwar obliegt die Insolvenzgeldvorfinanzierung und die damit verbundenen Tätigkei___________ 951) Anschaulich insoweit LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2105; AG Münster, Beschl. v. 18.1.2016 – 74 IN 65/14 juris, Rn. 163. 952) Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1829, 1835. 953) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 77; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 66; tendenziell auch LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13 NZI 2014, 123, 124; a. A. LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 29.1.2015 – 8 T 94/14 NZI 2015, 570, 572. 954) I. E. auch BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 77. 955) BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – IX ZB 120/06 ZIP 2007, 826, 827Prasser/Stoffler, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 3 InsVV Rn. 69. 956) Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 11 InsVV Rn. 65.

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3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

ten grundsätzlich dem Schuldner, der (vorläufige) Sachwalter wird jedoch auch hier unterstützend und überwachend tätig.957) Gestaltet sich die Insolvenzgeldvorfinanzierung folglich als zeit- und aufwandsintensiv, so ist der damit gleichzeitig verbundene erhöhte Aufwand des Sachwalters der Überwachung nicht durch die Regelvergütung oder einen Zuschlag zur Betriebsfortführung abgegolten, sondern muss mittels eines gesonderten Zuschlags ausgeglichen werden.958) In diesem Zusammenhang erscheint es gerechtfertigt, dem Sachwalter einen im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren verminderten Zuschlag zu gewähren. Eine wie seitens Haarmeyer/Mock vorgenommene drastische Reduktion auf einen 1,5 prozentigen Zuschlag wird im überwiegenden Teil der Fälle jedoch abzulehnen sein.959) Hier wird in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Betriebsfortführung vielmehr anzuerkennen sein, dass die Begleitung einer komplexen Insolvenzgeldvorfinanzierung ähnlich aufwendig sein kann als die Beantragung dieser selbst.960)

gg) Zuschlagsfähigkeit von Regelaufgaben am Beispiel des § 275 Abs. 1 InsO 556 Auch die Wahrnehmung von Regelaufgaben durch den (vorläufigen) Sachwalter muss grundsätzlich geeignet sein, einen Zuschlag zu begründen.

557 Soweit dagegen eingewandt wird, Regelaufgaben seien bereits von der Regelvergütung gedeckt seien und könnten damit keinen Zuschlag begründen,961) kann dem nicht gefolgt werden. Insoweit ist nochmals hervorzuheben, dass die Regelvergütung lediglich den Aufwand des Verwalters in einem abstrakten Normalverfahren, also in einem Verfahren von durchschnittlicher Schwierigkeit, Dauer und Aufwand ausgleicht.962) Nach einem durch das BVerfG für den Konkursverwalter aufgestellten und auf den Sachwalter zu übertragenden verfassungsrechtlichen Gebot, ist jedoch jeweils eine auf den Einzelfall bezogene angemessene Vergütung zu gewähren.963) Dieses Gebot wird durch die Regelungen des § 63 Abs. 1 S. 3 InsO und § 3 InsVV umgesetzt. ___________ 957) So ausdrücklich BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 80; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 70. 958) I. E. auch BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 80; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 70; so auch LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 29.1.2015 – 8 T 94/14 NZI 2015, 570, 572; a. A. AG Essen, Beschl. v. 9.7.2015 – 163 IN 170/14 ZIP 2015, 1796, 1798; LG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2015 – 3 T 194/15 ZInsO 2016, 185, 187. 959) Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1829, 1833. 960) So ausdrücklich zur Betriebsfortführung BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 66; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 54. 961) So beispielsweise LG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2015 – 3 T 194/15 ZInsO 2016, 185 zur Betriebsfortführung, vgl. hierzu ausführlich oben Rn. 542 f. 962) Vuia, in: K. Schmidt, InsO, § 63 Rn. 37; zum „Normalverfahren“ ausführlich Prasser/Stoffler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 63 Rn. 51 sowie kritisch Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorbemerkung Rn. 28. 963) BVerfG, Beschl. v. 9.2.1989 – 1 BvR 1165/87 ZIP 1989, 382; Lorenz, in: FK-InsO, Anhang V – § 3 InsVV Rn. 2; Prasser/Stoffler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 3 InsVV Rn. 8.

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E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

Geht die Wahrnehmung einer dem Sachwalter zugewiesenen (Regel-) Aufgabe al- 558 so deutlich über das Normalmaß hinaus, so muss konsequenterweise ein Zuschlag gewährt werden. Dass in einem solchen Fall auch die Erledigung von Regelaufgaben zu einer Erhöhung der Regelvergütung führen kann, ist durch den BGH anerkannt.964) Soweit der (vorläufige) Sachwalter also beispielsweise in außergewöhnlichen Umfang der Eingehung von Verbindlichkeiten widersprechen oder eine Vielzahl von Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsverkehr gehören, prüfen musste, so wird auch die Mitwirkungstätigkeit des § 275 Abs. 1 InsO als Zuschlagstatbestand in Betracht zu ziehen sein.965)

hh) Zahl der Gläubiger Richtigerweise ist auch die Anzahl der Gläubiger geeignet, einen Zuschlag auf die 559 Regelvergütung zu begründen. Im eröffneten Verfahren ergibt sich dies bereits daraus, dass der Sachwalter die Insolvenztabelle zu führen hat (vgl. hierzu oben Rn. 276 ff.) und eine Mehrzahl an Gläubigern mit einem erhöhten Arbeitsaufwand des Sachwalters einhergeht. Wie auch im Regelverfahren kann eine hohe Gläubigeranzahl jedoch auch bereits im Eröffnungsverfahren eine zusätzliche Arbeitsbelastung zur Folge haben.966) Zwar fällt die Information der Gläubiger, wie der BGH klargestellt hat, nicht in den Aufgabenbereich des Sachwalters, er hat die zugehörigen Schreiben des Schuldners jedoch im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit zu überprüfen und kann insoweit auch Anregungen geben.967) Diese Überwachungs- und Beratungstätigkeit kann bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Zusatzaufwands einen Zuschlag rechtfertigen. Ab welcher Gläubigerzahl von einem außergewöhnlichen Zusatzaufwand auszugehen ist und ein entsprechender Zuschlag gerechtfertigt ist, wurde seitens des BGH offen gelassen. Als Anhaltspunkt kann jedoch auf die in diesem Zusammenhang seitens der Kommentarliteratur entwickelten Werte für das Regelinsolvenzverfahren zurückgegriffen werden, wonach eine Gläubigeranzahl bis 100 als Normalwert gilt.968)

___________ 964) BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZB 234/06 NZI 2008, 38, 39; LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2103. 965) Schur, ZIP 2014, 757, 764; i. E. auch LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2103, das den Zuschlag letztlich infolge mangelnder Substantiierung der außergewöhnlichen Belastung ablehnte. 966) I. E. BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 80; ohne Begründung AG Wuppertal, Beschl. v. 26.5.2014 – 145 IN 751/13 ZIP 2015, 541, 542; für das Regelinsolvenzverfahren Prasser/Stoffler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 11 InsVV Rn. 88. 967) So BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 80. 968) Prasser/Stoffler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 11 InsVV Rn. 88; Stephan, in: MünchKomm-InsO, Anhang zu § 65, § 11 InsVV Rn. 65; so auch LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2104; für eine zwischenzeitliche Überholung dieser Werte hingegen Haarmeyer/Mock, InsVV, § 3 Rn. 90.

201

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

ii) Verhandlungsführung 560 Auch wenn die Aufgabe des (vorläufigen) Sachwalters primär in der Kontrolle und Überwachung des Schuldners liegt, so ist, wie festgestellt, eine aktive Begleitung der Eigenverwaltung im Sinne einer beratenden Unterstützung nicht nur wünschenswert, sondern zum Gelingen der Sanierung auch vielfach erforderlich. Dass der Sachwalter das Verfahren beratend zu begleiten hat, hat auch der BGH im Rahmen von Sanierungsbemühungen ausdrücklich bestätigt (vgl. hierzu oben Rn. 542). Gleichzeitig versagt die Rechtsprechung jedoch einen gesonderten Zuschlag für die Information von Kunden und Lieferanten sowie komplexe Verhandlungsführung durch den (vorläufigen) Sachwalter. So lehnte das Landgericht Freiburg einen für intensive Verhandlungen mit ausländischen Gläubigern beantragten Zuschuss ab.969) Die Verhandlungsführung sei Aufgabe des eigenverwaltenden Schuldners. Soweit sich der Sachwalter in diese einbringe, handele es sich um eine „überobligatorische“ Aufgabe, für die keine Vergütung und damit auch kein Zuschlag erfolgen könne.970) Nach Ansicht des BGH scheidet darüber hinaus ein Zuschlag für die Information von Kunden und Lieferanten ebenso wie für das aktive Führen von Verhandlungen mit Kreditgebern aus, da es sich insoweit nicht um Aufgaben des vorläufigen Sachwalters handele.971) Dem ist nur teilweise zuzustimmen. Es ist nach dem gesetzlichen Leitbild der Eigenverwaltung nicht Aufgabe des Sachwalters, die Verhandlungsführung mit Gläubigern, Lieferanten und potentiellen Beteiligten vollständig zu übernehmen. Diese geschäftstypischen Aufgaben obliegen vielmehr dem Schuldner. Soweit der BGH dem Sachwalter jedoch jede Form der Mitgestaltung versagt und ihn vielmehr auf eine rein passive Position verdrängt, kann dem nicht gefolgt werden. Als vertrauensbildendes Korrelat ist es vielfach unerlässlich, dass der Sachwalter die Verhandlungsführung des Schuldners begleitet (vgl. hierzu oben Rn. 448 f.). Diese Unterstützungsmaßnahmen müssen nach hier vertretener Ansicht vom Aufgabenprofil des Sachwalters umfasst und auch zulässig sein (vgl. hierzu ausführlich oben Rn. 284 ff.). Ob diese Maßnahmen dann einen gesonderten Zuschlag begründen oder die aktive Begleitung der Verhandlungsführung des Schuldners mit Gläubigern und Lieferanten als integraler Bestandteil der Betriebsfortführung bereits von diesem Zuschlag gedeckt ist, muss eine Frage des Einzelfalls sein.

jj) Erarbeitung oder Überwachung eines Insolvenzplans 561 Wie bereits festgestellt, kann der Sachwalter bereits im Eröffnungsverfahren durch den vorläufigen Gläubigerausschuss mit Zustimmung des Schuldners entsprechend § 284 Abs. 1 S. 1 InsO mit der Erarbeitung eines Insolvenzplans beauftragt werden ___________ 969) LG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2015 – 3 T 194/15 ZInsO 2016, 185. 970) LG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2015 – 3 T 194/15 ZInsO 2016, 185, 187. 971) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 67; BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 55.

202

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

(siehe hierzu oben Rn. 284). Für diese gestaltende Tätigkeit ist dem Sachwalter bereits gemäß § 3 Abs. 1 lit. e) InsVV ein Zuschlag zu gewähren.972) Infolge des identischen Mehraufwands ist auch hier kein rechtfertigender Grund ersichtlich, weshalb dieser (deutlich) hinter einem im Regelinsolvenzverfahren zu gewährenden Zuschlag zurückbleiben sollte. Wird der Sachwalter jedoch nicht mit der Erarbeitung des Insolvenzplans beauftragt, 562 so verbleibt diese Aufgabe beim eigenverwaltenden Schuldner. Der (vorläufige) Sachwalter wirkt jedoch auch in diesem Fall entsprechend § 284 Abs. 1 S. 2 InsO beratend mit (siehe hierzu oben Rn. 282 f.). Da die Existenz eines Insolvenzplans, jedenfalls im Verfahren nach § 270a InsO, nicht obligatorisch ist, stellt die zugehörige Überwachung des Sachwalters einen deutlichen Mehraufwand dar, der richtigerweise mittels Zuschlag auszugleichen ist. Im Verfahren nach § 270b InsO muss dies grundsätzlich auch gelten. Dass die Erstellung eines Insolvenzplans dort obligatorisch ist, darf nicht dazu führen, dass die Überwachung des Plans durch den Sachwalter als bereits abgegoltene Regelaufgabe gilt.973) Da der Sachwalter sowohl im Verfahren nach § 270a InsO als auch im Schutzschirmverfahren eine gleich hohe Regelvergütung erhält, muss der mit der Planüberwachung verbundene Mehraufwand mittels Zuschlag berücksichtigt werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Sachwalter in einem Verfahren nach § 270a InsO ohne Insolvenzplan und einem Verfahren nach § 270b InsO mit Insolvenzplan letztlich gleich vergütet wird. Etwas anderes kann nur gelten, wenn bereits die Tatsache, dass es sich um ein Schutzschirmverfahren handelt, einen gesonderten Zuschlag auslöst.

kk) Abschlag aufgrund der Tätigkeit eines Sanierungsberaters Soweit bislang zum Teil vertreten wurde, dass die Tätigkeit eines vorinsolvenzlichen 563 Sanierungsberaters oder das Vorhandensein eines speziellen Sanierungsgeschäftsführers (CRO) einen Abschlag hinsichtlich der Vergütung des Sachwalters rechtfertigen kann,974) hat der BGH dieser Auffassung eine Absage erteilt. In seinem Grundsatzbeschluss vom 21. Juli 2016 stellte er fest, dass die mittels eines solchen Beraters vermittelte Expertise in jedem Eigenverwaltungsverfahren selbstverständlich zugrunde zu legen ist, wobei irrelevant sei, ob der Schuldner sich diese Kenntnis selbst verschaffe oder zu diesem Zweck Berater einstelle. Das Vorhandensein dieser Expertise sei folglich bereits im Rahmen der geringeren Zuschläge berücksichtigt, weshalb sich eine (weitere) Berücksichtigung im Rahmen eines Abschlags verbiete.975) ___________ 972) BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 71/14 ZInsO 2016, 2077, Rn. 77. 973) A. A. LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2104, wonach die Überwachung des Insolvenzplans „Regelaufgabe“ sei und daher einen außergewöhnlichen Umstand erfordere. 974) So Haarmeyer/Mock, InsVV, § 3 Rn. 125; Mock, ZIP 2014, 445, 448. 975) Vgl. BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 81; LG Duisburg, Beschl. v. 14.9.2016 – 7 T 24/16 ZInsO 2016, 2101, 2105.

203

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

564 Dieser Entscheidung ist insofern zu widersprechen, als für eine pauschale Verringerung der Zuschlagshöhe aufgrund des Bestehens einer insolvenzrechtlichen Expertise des Schuldners in der Eigenverwaltung kein Raum ist. Es muss vielmehr im Einzelfall geprüft werden, inwieweit sich die zuschlagsfähige Tätigkeit des (vorläufigen) Sachwalters sich von der eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters im konkreten Fall unterscheidet (siehe hierzu oben Rn. 539 f.). Dem BGH ist jedoch letztlich in dem gefundenen Ergebnis zuzustimmen. Tatsächlich kann die Tätigkeit eines Sanierungsberaters/CRO keinesfalls einen Abschlag rechtfertigen. Wie ausgeführt, kann der Sachwalter nach hier vertretener Ansicht das Verfahren aktiv unterstützen und insoweit auch eine beratende Funktion einnehmen. Dabei handelt es sich jedoch um keine Pflicht, sondern vielmehr um ein Recht, dass der (vorläufige) Sachwalter wahrnehmen kann, wenn das konkrete Verfahren sein aktives Tätigwerden erfordert (siehe hierzu oben Rn. 284 ff.). Beteiligt sich der (vorläufige) Sachwalter aktiv am Verfahren, so ist ihm für diese – nicht obligatorische – Tätigkeit konsequenterweise ein Zuschlag zu gewähren. Ist diese Unterstützung jedoch nicht nötig, sei es, da die Expertise intern durch einen erfahrenen Sanierungsgeschäftsführer sichergestellt ist oder durch externe Sanierungsberater beschafft wird, ist dem Sachwalter dieser gesonderte Zuschlag nicht zu gewähren. Die zusätzliche Vornahme eines Abschlags würde in diesem Fall zu einer doppelt (negativen) Berücksichtigung führen und hat aus diesem Grund zu unterbleiben.

c)

Fazit

565 Der Umfang der Gewährung von Zuschlägen nach § 3 InsVV hängt unmittelbar mit der Definition des zulässigen Aufgabenbereichs des (vorläufigen) Sachwalters zusammen. Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, dass die Rechtsprechung den Aufgabenbereich des (vorläufigen) Sachwalters sehr einschränkend definiert. Im Sinne der Gläubiger als auch der Funktionsfähigkeit der Eigenverwaltung ist dem jedoch zu widersprechen.

566 Zwar sieht das Gesetz die Aufgabe des Sachwalters vorrangig in der Überwachung des Schuldners, wie bereits dargestellt, ist sein Tätigkeitsbereich jedoch nicht auf Passivität beschränkt. Nach hier vertretener Ansicht sind Unterstützungshandlungen des (vorläufigen) Sachwalters, die die Betriebsfortführung und Sanierung betreffen, zwar nicht Teil seines obligatorischen Aufgabenbereichs, aber dennoch als Ausprägung seiner Aufsichts- und Mitwirkungspflichten erfasst. Im Interesse einer erfolgreichen Sanierung muss die aktive Teilnahme des Sachwalters am Verfahren in Zusammenarbeit mit dem eigenverwaltenden Schuldner zulässig sein (vgl. hierzu bereits S. 126 ff.), so dass auch konsequenterweise ein Zuschlag zu gewähren ist, wenn der Sachwalter als Bindeglied und Ansprechpartner zwischen den Beteiligten fungiert und im Sinne einer erfolgreichen Betriebsfortführung gegenüber Lieferanten und Vertragspartnern aktiv in Erscheinung tritt

204

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

3.

Einsatz besonderer Sachkunde

Fraglich ist zudem, ob der vorläufige Sachwalter einen Anspruch auf Sondervergü- 567 tung nach § 5 InsVV für den Einsatz besonderer Sachkunde begründen kann. Soweit in der Literatur bereits die Anwendbarkeit des § 5 InsVV auf den (endgültigen) Sachwalter abgelehnt wurde, so muss dies erst recht für den vorläufigen Sachwalter gelten. Infolge des beschränkten Aufgabenbereichs des vorläufigen Sachwalters könne es bereits keine notwendige Übertragung im Sinne des § 5 InsVV geben.976) Mit anderen Worten: Den vorläufigen Sachwalter können im Eröffnungsverfahren schon keine Aufgaben treffen, die eine besondere Sachkunde im Sinne des § 5 InsVV voraussetzen könnten. Dem ist jedoch zu widersprechen. Zwar sind die Rechte aus § 280 InsO, aus denen regelmäßig Sonderaufgaben im Sinne des § 5 InsVV erwachsen, erst ab Verfahrenseröffnung durch den endgültigen Sachwalter zu erfüllen, der vorläufige Sachwalter kann jedoch gleichwohl auf Aufgaben treffen, die im Einzelfall eine besondere Sachkunde im Sinne des § 5 InsVV voraussetzen. Maßgeblich ist auch hier lediglich, dass es sich um eine Aufgabe aus dem Pflichtenkreis des vorläufigen Sachwalters handelt. Nach hier vertretener Ansicht muss es dem (vorläufigen) Sachwalter gestattet sein, den 568 Schuldner bei der Eigenverwaltung zu unterstützen. Im Rahmen dieser Unterstützung ist es dem Sachwalter in gewissen Maße auch erlaubt, den Schuldner zu beraten (vgl. hierzu oben Rn. 284 ff.). Nimmt sich der Sachwalter in dem erlaubten Umfang beispielsweise insolvenzrechtlichen Fragstellungen an, für die der Schuldner sonst einen externen Sanierungsberater beauftragt hätte, so muss es der Wahl des Sachwalters obliegen, für diese Tätigkeit entweder einen Zuschlag nach § 3 InsVV oder eine Sondervergütung nach Maßgabe des § 5 InsVV zu verlangen. Dem (vorläufigen) Sachwalter hier eine Vergütung nach § 5 InsVV zu versagen, wäre für das erklärte Ziel der Eigenverwaltung, namentlich die erfolgreiche Sanierung, äußerst kontraproduktiv. Die Einschaltung eines externen Sanierungsberater wird regelmäßig mit höheren Kosten verbunden sein, nicht zuletzt, da ein solcher, im Gegensatz zum (vorläufigen) Sachwalter, eine Einarbeitungszeit benötigt, die ihrerseits auch vergütet werden muss. Umgekehrt sind die Auswirkungen zu betrachten, die eine Versagung der Sondervergütung nach § 5 InsVV mit sich bringen würden. Die Regelung des § 5 InsVV kann für besonders qualifizierte Verwalter einen Anreiz darstellen, sich als Sachwalter bestellen zu lassen und sich sodann aktiv in das Verfahren einzubringen.977) Wird eine Vergütung für besondere Sachkunde hingegen versagt, wird ein (vorläufiger) Sachwalter diese letztlich nicht zur Verfügung stellen und sich auf die passive Überwachung beschränken. Wie festgestellt, kann ein Schuldner dieses Verfahren regelmäßig jedoch nicht alleine bewerkstelligen. Sei es, da ein Auftreten des Sachwalters für das Vertrauen des Geschäftsverkehrs unerlässlich ist oder schlicht da dem Schuldner tiefgehende insol___________ 976) So Mock, ZInsO 2014, 67, 70; i. E. auch Zimmer, ZInsO 2013, 2305, 2309. 977) Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 54 Rn. 9.

205

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

venz-, steuer- oder betriebswirtschaftsrechtliche Kenntnisse fehlen. Das Eigenverwaltungsverfahren nur hoch ausgebildeten Schuldnern zu eröffnen, kann dabei nicht der richtige Weg sein. Die Konsequenz der Unanwendbarkeit von § 5 InsVV wäre die Einschaltung externer Sanierungsberater als Regelfall, wovon Masse und letztlich auch die Gläubiger regelmäßig jedoch nicht profitieren.

569 Soweit es sich folglich um eine Aufgabe aus dem Aufgabenbereich des vorläufigen Sachwalters handelt und andernfalls eine Delegation an einen externen Rechtsanwalt erforderlich gewesen wäre, ist richtigerweise davon auszugehen, dass eine Delegation an den vorläufigen Sachwalter mit der Vergütungsfolge des § 5 InsVV erfolgen kann.

570 Dass der vorläufige Sachwalter keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis besitzt, kann schließlich auch hier einer Anwendbarkeit von § 5 InsVV nicht entgegenstehen. Wie bereits festgestellt, folgt die zur Delegation notwendige Vertretungsbefugnis in diesem Fall aus der Sonderregelung des § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV (siehe hierzu bereits oben Rn. 505 ff.).

4.

Ermittlung der Berechnungsgrundlage

571 Mit seinem Grundsatzbeschluss hat sich der BGH gleichzeitig der umstrittenen Problematik der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Sachwalters entledigt.978) Aufgrund der entsprechenden Anwendung von § 12 InsVV und der Gewährung eines einheitlichen Vergütungsanspruchs bedürfe es keiner Abweichungen von der Berechnungsgrundlage.979) Der Zuschlag bemisst sich folglich nach dem Wert der Insolvenzmasse, auf den sich die Schlussrechnung bezieht. Infolge der eindeutigen Absage einer entsprechenden Anwendung der den vorläufigen Insolvenzverwalter betreffenden Regelungen, ist nunmehr auch klargestellt, dass bei diesem vorzunehmende Abweichungen gemäß § 63 Abs. 3 S. 4 InsO i. V. m. § 11 Abs. 2 InsVV für den vorläufigen Sachwalter keine Rolle spielen. Die umstrittene Frage, wie Gegenstände, an denen Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, in die Berechnungsgrundlage einfließen, ist nach Ansicht des BGH somit in gleicher Weise wie beim endgültigen Sachwalter zu beantworten. Insoweit kann auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen werden (siehe oben Rn. 513 f.).

572 Der Entscheidung des BGH zur identischen Berechnungsgrundlage begegnen jedoch gravierenden Bedenken, die sich ausnahmsweise nicht ausschließlich in einer Schlechterstellung des vorläufigen Sachwalters, sondern vielmehr auch in einer Ungleichbehandlung des endgültigen Sachwalters äußern können. Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters, also der zu gewährende „Zuschlag“, geht von derselben Schlussrechnung aus, auf deren Grundlage auch die Vergütung des Sachwalters errechnet ___________ 978) So auch Keller, NZI 2016, 753, 755. 979) BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14 ZInsO 2016, 1637, Rn. 50.

206

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

wird. Damit kann der vorläufige Sachwalter von etwaigen Massemehrungen profitieren, die zum Teil gar nicht seiner Tätigkeit, sondern vielmehr dem Tätigwerden des endgültigen Sachwalters geschuldet sind. So beispielsweise etwaige für die Masse durchgesetzte und dieser zugeführte Ansprüche aus der Insolvenzanfechtung oder sonstige Massemehrungen, die ohne die aktive Mitgestaltung des endgültigen Sachwalters nicht eingetreten wären.980) Umgekehrt wirkt sich die durch etwaige Fehlentscheidungen des (endgültigen) Sachwalters geschmälerte Masse auch negativ auf die Vergütung des vorläufigen Sachwalters aus. All dies ist jedoch Ausfluss der seitens des BGH gewählten Lösung über die einheitliche Vergütung. Die einheitliche Berechnungsgrundlage kommt einer Zurechnung von massemehrenden oder masseschmälernden Handlungen gleich, die sich jedenfalls bei Personenverschiedenheit der Sachwalter so nicht rechtfertigen lässt.

III. Vergütung der Beratungsleistungen des Sachwalters Schließlich stellt sich die Frage, ob der (vorläufige) Sachwalter hinsichtlich seines 573 Vergütungsanspruchs auf die Regelungen der InsVV beschränkt ist. Angesichts der zuvor aufgezeigten restriktiven Beurteilung des Aufgabenbereichs des Sachwalters in der Rechtsprechung und der damit häufig einhergehenden Versagung von Zuschlägen und Sondervergütungen, verwundert es nicht, dass Sachwalter auf anderem Wege, also außerhalb der gerichtlichen Festsetzung nach § 8 InsVV, versuchen, eine Vergütung für ihre tatsächliche Arbeitsleistung zu erhalten.

1.

Unzulässigkeit des Abschluss eines privatrechtlichen Beratungsvertrags

So beispielsweise in einem Fall, der ebenfalls dem zuvor bereits geschilderten Daily- 574 cer-Verfahren entstammt und zunächst dem Landgericht Dresden und sodann in 2. Instanz dem Oberlandesgericht Dresden zur Entscheidung vorlag.981) Der zunächst bestellte vorläufige Sachwalter, dessen Bestellung zum endgültigen Sachwalter durch das Amtsgericht Stendal infolge des Vorwurfs fehlender Unabhängigkeit abgelehnt wurde, machte gegen die Schuldnerin nach seiner Abbestellung gerichtlich Honorarforderungen geltend.982) Die Forderungen bezogen sich zwar auf Leistungen, die zu einem Zeitpunkt erbracht wurden, als der Kläger als vorläufiger Sachwalter bestellt war, jedoch stützte er seinen Vergütungsanspruch nicht auf die Regelungen der InsVV, sondern vielmehr auf einen gesondert abgeschlossenen Beratungsvertrag. Der Kläger machte geltend, von der zur Masseschuldbegründung ermächtigten Schuldnerin gesondert mit der Lösung einer Vielzahl insolvenzrechtlicher Probleme beauftragt worden zu sein, so dass die erbrachten Beratungsleistungen als Masseverbind___________ 980) So auch Hackenberg, ZInsO 2017, 204, 206. 981) OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 1605/13 ZIP 2015, 1937; LG Dresden, Urt. v. 11.9.2013 – 1 O 1168/13 ZInsO 2013, 1962. 982) Vgl. zum Dailycer-Verfahren und dem Vorwurf mangelnder Unabhängigkeit bereits oben Rn. 133 ff.

207

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

lichkeiten vorrangig zu befriedigen seien. Damit stellt sich die Frage, ob es dem (vorläufigen) Sachwalter gestattet ist, sich in privatrechtlicher Eigenschaft gesondert von der Schuldnerin zur Beratung beauftragen zu lassen.

575 Das Landgericht Dresden hat der Klage in erster Instanz vollumfänglich stattgegeben. Bei der Beauftragung des Klägers zur Erbringung von Rechtsrat handele es sich um die Inanspruchnahme einer Dienstleistung, die von der Ermächtigung zur Begründung von Lieferantenverbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen erfasst sei.983) Nach Auffassung des Gerichts war die gesonderte Beauftragung des Klägers außerhalb seiner Tätigkeit als vorläufiger Sachwalter wirksam und auch notwendig, da es eine Vielzahl „insolvenzrechtlicher Probleme“ zu lösen gab.984)

576 Der Auffassung des Landgerichts Dresden kann nicht gefolgt werden. Anders als die vorangegangene Tätigkeit des Sachwalters als Sanierungsberater (siehe hierzu bereits oben Rn. 133 ff.) ist die Beauftragung des Sachwalters als Berater in privater Eigenschaft im laufenden Verfahren vielmehr mit der notwendigen Unabhängigkeit des Sachwalters nicht zu vereinbaren und schlicht unwirksam.

a) Verstoß gegen das Unabhängigkeitserfordernis 577 Wird der Sachwalter privatrechtlich als Berater verpflichtet, so ist er innerhalb seines gesonderten Beratungsauftrags bereits kraft Gesetzes allein seinem Auftraggeber, also den Interessen des Schuldners, und nicht den Gläubigerinteressen verpflichtet.985) Beide Tätigkeiten, die Tätigkeit als Sachwalter und als Berater, verlaufen dabei parallel und sind faktisch nicht voneinander zu trennen. Während der Sachwalter also einerseits seine Kontroll- und Aufsichtsfunktion im Interesse der Gläubiger ausüben soll, begründet er gleichzeitig eigene Verbindlichkeiten in Form des Beratungshonorars, die er wiederum auf ihre Angemessenheit zu überprüfen hat. Dabei ist es unerheblich, ob es sich dabei um einen Sanierungsberater oder um eine Beratung hinsichtlich einer Vielzahl „insolvenzrechtlicher Probleme“ handelt. Es entsteht ein Interessenwiderstreit, der zu einer Befangenheit des Sachwalters führen kann und mit seiner notwendigen Unabhängigkeit nicht zu vereinbaren ist.

b) Evident insolvenzzweckwidrige Handlung 578 Auch das Oberlandesgericht Dresden erkannte in zweiter Instanz, dass die privatrechtliche Beauftragung des Sachwalters als Berater die Unabhängigkeit des Sachwalters entfallen lässt.986) Das Oberlandesgericht Dresden folgerte daraus zutreffend die Unwirksamkeit der Beauftragung. ___________ 983) LG Dresden, Urt. v. 11.9.2013 – 1 O 1168/13 ZInsO 2013, 1962. 984) LG Dresden, Urt. v. 11.9.2013 – 1 O 1168/13 ZInsO 2013, 1962, 1965. 985) Frind, ZInsO 2013, 2302 stellt in diesem Zusammenhang treffend die Frage nach dem „janusköpfigen Sachwalter“. 986) OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 1605/13 ZIP 2015, 1937, 1941.

208

E. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

Handlungen des Insolvenzverwalters, die unmittelbar oder mittelbar einen objekti- 579 ven und evidenten Verstoß gegen den Insolvenzzweck und insbesondere gegen die vornehmste Aufgabe, die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO), begründen, sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH unwirksam und können die Masse nicht verpflichten.987) Der Abschluss eines derartigen Beratervertrages durch den Schuldner, der in der Eigenverwaltung eine Vielzahl der dem Insolvenzverwalter übertragenen Rechte und Pflichten wahrnimmt, ist in diesem Sinne insolvenzzweckwidrig und deshalb unwirksam. Der durch die Beauftragung des Sachwalters als Berater entstehende Interessenkon- 580 flikt hätte dem Gericht angezeigt werden müssen, womit notwendigerweise die Entlassung des Sachwalters aus seiner Bestellung verbunden gewesen wäre. Der damit verbundene Sachwalterwechsel stellt jedoch einen Eingriff in die geordnete Abwicklung des Verfahrens dar und belastet die Insolvenzmasse mit Unsicherheiten. Die Einarbeitung eines neuen Sachwalters im laufenden Verfahren kann nicht nur Reibungen hervorrufen, sondern ist regelmäßig mit einem Zeitverlust verbunden. Letztlich werden dadurch die Sanierungsaussichten eines Unternehmens beeinträchtigt und mittelbar die gleichmäßige und bestmögliche Befriedigung der Gläubiger gefährdet. Diese Konsequenz hätten Schuldner und Sachwalter bei Abschluss des Beratervertrages bewusst sein müssen.988) Infolge dieser evidenten Insolvenzzweckwidrigkeit ist die Beauftragung des Sachwalters mit Beratungsleistungen unwirksam.

2.

Vergütung der Beratung über die Regelungen der InsVV

Die Unwirksamkeit einer gesonderten Beauftragung des Sachwalters in privater Ei- 581 genschaft führt jedoch nicht dazu, dass Beratungsleistungen des Sachwalters grundsätzlich unvergütet bleiben müssen. Je nach konkreter Ausgestaltung der Beratungsleistungen lässt sich eine Beratung des Sachwalters, und möglicherweise auch der geschilderte Ausgangsfall, vielmehr über die Regelungen der InsVV lösen. Der Sachwalter kann nach hier vertretener Ansicht seine Rolle aktiv wahrnehmen und 582 soll und darf sich neben seiner Kontroll- und Aufsichtsfunktion unterstützend in das Verfahren einbringen. Denn zum einen kann sich der Sachwalter bereits nach der Rechtsprechung des BGH nicht auf eine nachlaufende Kontrolle beschränken (vgl. hierzu oben Rn. 550 f.), zum anderen muss die Unterstützung des Schuldners im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgabenbereiche im Sinne einer erfolgreichen Sanierung zulässig sein (vgl. hierzu oben Rn. 284 ff.). Damit besteht in gewissem Maße oftmals auch eine beratende Funktion des Sachwalters.989) Diese ist sodann entweder durch die Regelvergütung des Sachwalters abgedeckt oder, je nach konkreter Aus___________ 987) OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 1605/13 ZIP 2015, 1937, 1941; BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99 NZI 2002, 375; Hirte/Ede, in: Uhlenbruck InsO, § 129 Rn. 152. 988) OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 1605/13 ZIP 2015, 1937, 1942. 989) So auch Rattunde/Stark, Sachwalter, Rn. 487 f.

209

3. Teil: Der Sachwalter in der Eigenverwaltung

gestaltung, im Rahmen von Zuschlägen gesondert zu berücksichtigen (vgl. hierzu oben Rn. 539 ff.).

583 Alternativ kommt auch die Anwendung von § 5 InsVV in Betracht. Zwar ist Voraussetzung für eine Anwendung nach § 5 InsVV, dass es sich um Tätigkeiten handelt, die der Sachwalter innerhalb seines Pflichtenkreises ausübt;990) nach der hier vertretenen Ansicht kann eine unterstützende Tätigkeit des Sachwalters jedoch, wenn nicht als Teil des Pflichtenkreises, so doch aber als Teil des Aufgabenkreises des Sachwalters verstanden werden. Folglich ist der Weg über die Regelung des § 5 InsVV dem Grunde nach eröffnet, so dass, je nach konkreter Ausgestaltung der jeweiligen Tätigkeit, diese auf Grundlage des RVG abgerechnet und aus der Insolvenzmasse hätten entnommen werden können.

584 Soweit in diesem Zusammenhang eingewandt wird, der Sachwalter sei kein Berater des Schuldners991), ist dem zwar teilweise zuzustimmen, dabei ist jedoch zu differenzieren: Richtig ist, dass der Sachwalter angesichts seiner Funktion als unabhängiges Kontrollorgan kein Berater des Schuldners in dem Sinne sein kann, als dass er im Sinne eines Geschäftsbesorgungsvertrags von den Interessen seines Auftraggebers, dem Schuldner, geleitet wird.992) Der Sachwalter kann aber sehr wohl neutraler Berater des schuldnerischen Unternehmens in dem Sinne sein, als er seine Expertise zur Verfügung stellt und dabei von den Interessen der Gläubiger und letztlich dem Ziel einer erfolgreichen Gläubigerbefriedigung geleitet wird. Stellt der Sachwalter aber im Rahmen einer aktiven Ausfüllung seiner Rolle seine Expertise zur Lösung insolvenzrechtlicher Fragestellungen zur Verfügung, ist er nicht von den Interessen des Schuldners geleitet, sondern verfolgt allein das übergeordnete Ziel einer erfolgreichen Sanierung und damit der optimalen Befriedigung der Gläubiger. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Dresden ist eine „Notwendigkeit“ einer gesonderten Beauftragung damit nicht angezeigt, wenn sich die Befassung mit den insolvenzrechtlichen Fragestellungen im Rahmen des Pflichtenkreises des Sachwalters bewegt.993) Würde man im Rahmen der Eigenverwaltung für insolvenzrechtliche Fragestellungen zwangsläufig die Zuziehung eines externen Beraters erfordern, würde dies den Sachwalter nicht nur zu einer ungewollten Passivität verdammen, sondern auch unnötige zusätzliche Kosten produzieren (vgl. hierzu oben Rn. 284 ff.). ___________ 990) Vgl. hierzu oben Rn. 505. 991) Drastisch Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1, 7 die eine beratende Funktion des Sachwalters jeglicher Art ablehnen: Der Schuldner müsse die Eigenverwaltung entweder alleine bewältigen können oder externen Rat in Anspruch nehmen; andernfalls müsse auf die Eigenverwaltung verzichtet werden; vgl. zu diesem einschränkenden Leitbild der Eigenverwaltung auch Haarmeyer/Mock, ZInsO 2016, 1829. 992) Geschäftsbesorgungsvertrag ist eine Tätigkeit, die „im Interesse eines anderen innerhalb einer fremden wirtschaftlichen Interessensphäre“ erfolgt, vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1958 – IV ZR 78/58 WM 1959, 165. 993) Vgl. LG Dresden, Urt. v. 11.9.2013 – 1 O 1168/13 ZInsO 2013, 1962, 1965.

210

4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen A. Reformbedarf der Eigenverwaltung unter spezieller Berücksichtigung der Rolle des Sachwalters Die vorstehende Untersuchung hat eine Vielzahl von Schwächen des Eigenverwal- 585 tungsverfahrens offenbart, die entweder unmittelbar mit der Figur des Sachwalters zusammenhängen oder letztlich durch diesen mit beeinflusst werden. Gerade aufgrund der fehlenden Beschwerdefähigkeit der überwiegenden Anzahl der Fragestellungen ist mit einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung mittels Schaffung von Rechtsklarheit durch den BGH jedoch nicht zu rechnen. Um die Eigenverwaltung weiter funktionsfähig zu halten und in ihrer Relevanz weiter zu steigern, ist folglich ein Handeln des Gesetzgebers erforderlich. Die nachfolgenden rechtspolitischen Erwägungen enthalten mit Blick auf die zuvor aufgedeckten Schwächen, soweit erforderlich, Gedankenansätze, wie eine derartige notwendige Reform des Eigenverwaltungsverfahrens unter besonderer Berücksichtigung des Sachwalters erfolgen kann.

I.

Änderungen betreffend den Aufgabenbereich des (vorläufigen) Sachwalters

1.

Flexibilisierung des Aufgabenbereichs des Sachwalters

Die maßgeblichste Änderung der geltenden Vorschriften der Eigenverwaltung hat sich 586 im Aufgabenbereich des Sachwalters zu vollziehen.

a) Zulässigkeit eines aktiven Sachwalters Die überwiegend vorgenommene starre Grenzziehung im Rahmen des Aufgaben- 587 bereichs des Sachwalters stellt sich als derzeit größtes Sanierungshindernis dar und entspricht keinesfalls dem tatsächlichen Bedürfnis der Praxis. Folgt man der Ansicht, der Sachwalter habe sich ausschließlich auf seine passiven Kontrollfunktionen zu beschränken, so steht dem Sachwalter lediglich das aufsichtsrechtliche Mittel der Nachteilsanzeige zur Verfügung. Dieses ist jedoch weder praxisgerecht, noch liegt die damit verbundene rein nachträgliche Sanktion im Interesse der Gläubiger (siehe hierzu oben Rn. 186 ff.). Deren Interesse dient es viel mehr, wenn sich der Sachwalter bereits auf der vorgelagerten Stufe in das Verfahren einbringt und den Schuldner in der Entscheidungsfindung unterstützt. Beschränkt man den Sachwalter auf eine rein passive Beobachterfunktion hat dies 588 die weitere Folge, dass ein Eigenverwaltungsverfahren lediglich mit dem Einkauf externer Sanierungsberater oder Sanierungsgeschäftsführer bewerkstelligt werden kann. Die damit regelmäßig verbundene Kostenbelastung liegt jedoch ebenso wenig im Interesse der Gläubiger und kann auch nicht Intention des Gesetzgebers gewesen sein (siehe hierzu oben Rn. 284 ff.).

211

4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen

589 Insgesamt wird die vertrauensstärkende Funktion der Rolle des Sachwalters verkannt. Dieser ist als neutrale, in keinem Lager stehende Person für die meisten Gläubiger unverzichtbar, um das notwendige Vertrauen in das kriselnde Unternehmen aufrechtzuerhalten. Weder ein Schuldnerberater geschweige denn ein Sanierungsgeschäftsführer kann dieses, speziell mit der Unabhängigkeit des Sachwalters verknüpfte, Vertrauen des Marktes für sich in Anspruch nehmen.

590 Soweit die Eigenverwaltung als erfolgreiches Sanierungsinstrument etabliert werden soll, bedarf es eines Umdenkens in Rechtsprechung und Literatur. Es muss zunächst akzeptiert werden, dass es keine „one size fits all“ Lösung994) geben kann. Jedes Eigenverwaltungsverfahren hat vielmehr individuelle Bedürfnisse, so dass der Aufgabenbereich des Sachwalters flexibler gestaltet werden muss. Soweit im Einzelfall erforderlich, muss es dem Sachwalter möglich sein, seine Rolle aktiv zu gestalten und den Schuldner innerhalb des Verfahrens zu unterstützen. Dazu muss es ihm gestattet sein, seine vorhandene Expertise einzusetzen und den Schuldner bei seinen Aufgaben im Sinne der Gläubiger und unter Wahrung seiner Neutralität zu beraten. Zudem muss akzeptiert werden, dass es vielfach der Sachwalter ist, der das Vertrauen des Marktes stärkt und damit eine Betriebsfortführung positiv beeinflussen kann. Ihm soll nicht die Verhandlungsführung mit Gläubigern übertragen, sondern lediglich die Möglichkeit zugestanden werden, den Schuldner bei etwaigen Verhandlungen zu unterstützen. Dies kann jedoch nicht mittels eines passiven Beobachters vollzogen werden, sondern bedarf eines Sachwalters, dem es gestattet ist, aktiv nach außen in Erscheinung zu treten.

b) Erkenntnisse der US-amerikanischen Rechtspraxis 591 Auch in der US-amerikanischen Rechtspraxis wurde die Ineffizienz eines Nebeneinanders von Restrukturierungsberater und Verwalter erkannt. Da die Eigenverwaltung, wie eingangs dargestellt, in großen Teilen auf den Erkenntnissen des Chapter 11-Verfahrens beruht (siehe hierzu oben Rn. 35 f.), können und sollen die insoweit gefundenen Erkenntnisse auch für das deutsche Eigenverwaltungsverfahren berücksichtigt werden.

aa) Final Report des American Bankruptcy Institutes 592 Anlässlich der in etwa alle 40 Jahre anstehenden Überprüfung des US-amerikanischen Sanierungsrechts wurde im Januar 2012 seitens des American Bankruptcy Instituts („ABI“) eine Kommission zur Untersuchung des Chapter 11 Verfahrens eingesetzt („Commission to study the reform of Chapter 11“). Die seitens der Kommission im Dezember 2014 veröffentlichte abschließende Stellungnahme (sog. Final Report) ___________ 994) So auch Siemon/Harder, NZI 2016, 434, 436 zu den Erkenntnissen der ABI Commission.

212

A. Reformbedarf der Eigenverwaltung

hält trotz ihrer gleichzeitig geäußerten Bedenken995) am Modell der Eigenverwaltung dem Grunde nach fest, spricht sich jedoch für die Einsetzung eines neutralen und unabhängigen Masseverwalters („estate neutral“) aus.996) Der estate neutral soll für die Kontrolle des Schuldners sorgen und in Fällen ein- 593 gesetzt werden, in denen ein trustee nicht bestellt wurde, die Einsetzung jedoch im besten Interesse der Gesellschaft liegt oder aus wichtigem Grund erforderlich ist.997) In kleinen und mittleren Unternehmen soll der estate neutral den Schuldner zudem in Fragen des operativen Geschäfts, Finanzfragen, zum Inhalt des Sanierungsplans und in den zugehörigen Verhandlungen beraten. In Großverfahren soll er vorrangig Streitsituationen lösen und Informationsasymmetrien vermeiden.998) Der estate neutral dient damit zum einen einer besseren Kontrolle des Schuldners, wird gleichzeitig jedoch mit einer unterstützenden Funktion versehen, indem er dem Schuldner in kleineren und mittleren Verfahren beratende Hilfestellung leistet, um das übergeordnete Sanierungs- und Werterhaltungsziel zu erreichen.999) Seitens der Kommission ausführlich beraten wurde auch die gesetzliche Regelung 594 eines statutory reorganization executive (Restrukturierungsgeschäftsführer), der durch den Schuldner vorgeschlagen werden könnte, das operative Geschäft des Schuldners führen und in unterstützender Funktion direkt mit den am Verfahren beteiligten Parteien zusammenarbeiten würde.1000) Nicht zuletzt aus Kostengründen stimmte die Kommission letztendlich gegen die Einführung einer solchen Regelung, berücksichtigte den möglichen positiven Effekt dieser Position jedoch ausdrücklich bei Ausgestaltung der Rolle des estate neutral.1001)

bb) Folgerungen für das deutsche Eigenverwaltungsverfahren Die hinreichende Kontrolle des Schuldners ist im deutschen Eigenverwaltungsver- 595 fahren bereits durch die obligatorische Einsetzung des Sachwalters gesichert. Die Erkenntnisse der Kommission zur Einsetzung eines estate neutral können jedoch im Übrigen berücksichtigt werden. Insbesondere der Verzicht auf die gesetzliche Normierung der obligatorischen Einsetzung eines reorganization executive zeigt, dass das Nebeneinanders von Restrukturierungsberater und Verwalter als ineffizient identifiziert wurde und deshalb nach Ansicht der Kommission nicht zum Regelfall werden sollte. Gleichzeitig erachtet die Kommission in kleinen und mittleren Ver___________ 995) Final Report des American Bankruptcy Institutes, S. 21. 996) Angesichts der dargestellten fehlenden Relevanz des examiners in der Praxis (vgl. hierzu auch oben Rn. 43 f.), soll dessen Funktion im Gegenzug gänzlich gestrichen werden. 997) Final Report des American Bankruptcy Institutes, S. 32. 998) Siemon/Harder, NZI 2016, 434, 436; Final Report des American Bankruptcy Institutes, S. 37. 999) Siemon/Harder, NZI 2016, 434, 437. 1000) Final Report des American Bankruptcy Institutes, S. 38. 1001) Final Report des American Bankruptcy Institutes, S. 38; Siemon/Harder, NZI 2016, 434, 436.

213

4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen

fahren eine Unterstützung des Schuldners durch den estate neutral nicht nur als zulässig, sondern als sinnvoll.

596 Betrachtet man die Eigenverwaltungsverfahren in Deutschland, so laufen diese regelmäßig auf ein kostenintensives Nebeneinander von Sachwalter und Sanierungsberatern hinaus. Die Nachfrage nach Sanierungsberatern ist angesichts der einschränkenden Lehre und Rechtsprechung, die zum Teil die Zulässigkeit jeglicher mitwirkender Funktion des Sachwalters verneint, immens. Jedes Unternehmen hat jedoch unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen und damit auch unterschiedliche Anforderungen. Es gibt Fälle, in denen auf die Tätigkeit eines externen Sanierungsberaters, beispielsweise aufgrund des Umfangs der Tätigkeiten, nicht verzichtet werden kann. Genauso gut kann jedoch in den überwiegenden Fällen von kleinen oder mittelständischen Eigenverwaltungsverfahren die Beratung zu Sanierungszwecken auch durch die Mitwirkung des Sachwalters erfolgen. Durch diese Ausfüllung der Rolle könnten nicht nur Kosten gespart werden. Nochmals ist hervorzuheben, dass eine beratende Funktion des Sachwalters in Form eines zulässigen Auftretens nach außen zudem geeignet ist, das Vertrauen des Geschäftsverkehrs, ohne das eine Unternehmensfortführung in der Regel unmöglich ist, zu stärken.

597 Dem Sachwalter sollte damit, wie auch seitens der ABI Kommission vorgesehen, die Möglichkeit belassen werden, eine aktive Rolle wahrzunehmen, den Schuldner beratend zu unterstützen und gegenüber Verhandlungspartnern als vertrauensbildende Maßnahme in Erscheinung zu treten. Ihm hingegen die Reaktionsmöglichkeiten auf die individuelle Situation eines Unternehmens zu nehmen und ihm sodann – zwar folgerichtig – für diese vorgeblich „überobligatorischen“ Aufgaben die Vergütung zu versagen, konterkariert den Erfolg und die Attraktivität der Eigenverwaltung. Die derzeit sehr eng gesetzten gesetzlichen Aufgaben stellen einen Geburtsfehler des ESUG1002) dar, den es im Sinne des Erfolgs dieser Verfahrensart zu beheben gilt.

c)

Anpassung der Regelungen der InsO

598 Zur Schaffung von Rechtsklarheit sollte die Zulässigkeit der aktiven Rollenwahrnehmung des Sachwalters folglich als mögliche Aufgabe im Rahmen der §§ 270 ff. InsO festgehalten werden. Dabei wäre eine gesetzliche Normierung unter Abänderung von § 274 Abs. 2 InsO unter Einfügung eines neuen Absatzes 3 beispielsweise wie folgt denkbar: „§ 274 Rechtstellung des Sachwalters: (1) (…) (2) 1Der Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. 2§ 22 Abs. 3 InsO gilt entsprechend.

___________ 1002) So auch Ganter, NZI 2016, 377, 383.

214

A. Reformbedarf der Eigenverwaltung (4) Der Sachwalter ist unter Wahrung seiner Unabhängigkeit und unter Berücksichtigung von § 1 InsO zur beratenden Mitwirkung berechtigt. (3) (…).“

2.

Stärkung der Mitwirkungsrechte des Sachwalters

Um dieser aktiven Teilnahme des Sachwalters auch im Übrigen mehr Geltung zu 599 verschaffen, sollten die nicht mit Außenwirkung versehenen Mitwirkungshandlungen des Sachwalters in § 275 Abs. 1 S. 1 InsO und § 279 S. 2 InsO mit mehr Nachdruck formuliert werden. Wie festgestellt, wirken sowohl die Zustimmung nach § 275 Abs. 1 S. 1 InsO als auch das in § 279 S. 2 InsO vorgesehene Einvernehmen des Sachwalters rein intern. Beide Regelungen betreffen jedoch regelmäßig Rechtshandlungen des Schuldners mit bedeutendem Umfang, deren sachgerechte Wahrnehmung im besonderen Interesse der Gläubiger liegt. Etwaige, die Gläubiger benachteiligende Handlungen des Schuldners lassen sich je- 600 doch vielfach bereits auf einer dem Einverständnis vorgelagerten Stufe vermeiden. Wird der Sachwalter früh genug in die Entscheidungsfindung des Schuldners im vorgenannten Sinne aktiv eingebunden, so kann der dann stattfindende Austausch zwischen Schuldner und Sachwalter möglicherweise dazu beitragen, dass nachteilige Rechtshandlungen nicht unternommen werden. Beispielsweise indem dem Schuldner erst bewusst wird, dass Nachteile mit der geplanten Rechtshandlung verbunden sind oder ihm durch den Input des Sachwalters gleichermaßen geeignete Handlungsalternativen bewusst werden. Dies nutzt letztlich nicht nur den Gläubigern, sondern auch dem Schuldner, der von der Expertise des Sachwalters profitiert. Eine regelmäßig allen Verfahrensbeteiligten schadende Nachteilsanzeige kann so vermieden werden. Da die Einbindung des Sachwalter bereits im eigenen Interesse des Schuldners liegt, 601 erscheint die fehlende Knüpfung von Zustimmung und Einverständnis an die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts als sachgerecht und ausreichend. Dennoch vermittelt die derzeitige „Soll“-Formulierung einen gewissen Eindruck der Freiwilligkeit, den es zu beheben gilt. Um dem Einverständnis des Sachwalters mehr Nachdruck zu verleihen und eine frühere aktive Verfahrensteilnahme desselben zu fördern, sollte eine entsprechende Anpassung der Regelungen in § 275 Abs. 1 und § 279 S. 2 InsO erwogen werden. Diese könnte wie folgt erfolgen:

602 1

„§ 275 Mitwirkung des Sachwalters (1) Beabsichtigt der Schuldner Verbindlichkeiten einzugehen, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, so hat er zuvor die Zustimmung des Sachwalters einzuholen. 2Auch Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll er nicht eingehen, wenn der Sachwalter widerspricht.“

215

4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen

603 Sowie in § 279 InsO: § 279 Gegenseitige Verträge 1Die Vorschriften über die Erfüllung der Rechtsgeschäfte und die Mitwirkung des Betriebsrats (§§ 103 bis 128) gelten mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters der Schuldner tritt. 2Der Schuldner hat seine Rechte nach diesen Vorschriften im Einvernehmen mit dem Sachwalter auszuüben. 3Die Rechte nach den §§ 120, 122 und 126 kann er wirksam nur mit Zustimmung des Sachwalters ausüben.

3.

Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts im Eröffnungsverfahren

604 Der vorläufige Sachwalter kann nach hier vertretener Ansicht auch nach gegenwärtiger Rechtslage bereits im Eröffnungsverfahren mit einem besonderen Zustimmungsvorbehalt betraut werden. Dieser Zustimmungsvorbehalt kann als vorläufige Sicherungsmaßnahme im Einzelfall auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO angeordnet werden (siehe hierzu oben Rn. 228 f.).

605 Da die Anwendbarkeit von § 21 InsO im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO trotz des Verweises von § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auf die allgemeinen Vorschriften jedoch umstritten ist, sollte zur Schaffung abschließender Rechtsklarheit die Anwendbarkeit von § 21 InsO im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO und insbesondere die Möglichkeit der Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts gesetzlich normiert werden.

606 Dies ist, wie festgestellt, mit dem Grundgedanken des § 270a InsO vereinbar, da die Regelung des § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO lediglich die Anwendung von § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO und damit Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts betrifft. Die Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts als „Weniger“ ist hingegen nicht von § 270a InsO betroffen und folglich zulässig (siehe hierzu oben Rn. 228 f.). Zur Klarstellung der Anwendbarkeit von § 21 InsO auch im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO bietet sich jedoch an, die derzeit in § 270b Abs. 2 S. 3 InsO aufgeführte ausdrückliche Normierung zulässiger, vorläufiger Sicherungsmaßnahmen in die Regelung des § 270a InsO zu übernehmen und damit „vor die Klammer“ zu ziehen. In Einklang mit § 277 Abs. 3 S. 1 InsO und infolge der vergleichbaren Wirkung, sollte auch hier eine öffentliche Bekanntmachung vorgesehen werden. Dies könnte in einem neu einzufügenden Absatz 2 erfolgen. Zur Schaffung abschließender Rechtsklarheit sollte insbesondere die Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts als Regelbeispiel mit aufgeführt werden. Der neu einzufügende Absatz 2 könnte demnach wie folgt gestaltet werden: „§ 270a InsO: Eröffnungsverfahren. (1) (…) (2) 1Das Gericht kann vorläufige Maßnahmen nach § 21 Absatz 1 und 2 Nummer 1a, 3 bis 5 anordnen. 2Das Gericht kann insbesondere

216

A. Reformbedarf der Eigenverwaltung 1. anordnen, dass bestimmte Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters wirksam sind; § 277 Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend. (3) (…).“

In § 270b InsO reicht sodann ein entsprechender Verweis auf die Geltung des neuen 607 § 270a Abs. 2 InsO aus. Unter Aufrechterhaltung der Sonderregelung des § 270b Abs. 2 S. 3 2. Hs. InsO ist § 270b Abs. 2 S. 3 1. Hs. InsO im Übrigen zu streichen (siehe zu der dann neuen Fassung des § 270b Abs. 3 InsO unten Rn. 615 f.).

4.

(Vorläufige) Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 InsO auf Antrag des Sachwalters

Während also im Eröffnungsverfahren die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts 608 von Amts wegen durch das Insolvenzgericht bei Erforderlichkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 InsO möglich ist, kann nach derzeitiger Gesetzeslage eine Anordnung im eröffneten Verfahren nur auf Antrag der Gläubigerversammlung oder auf Antrag eines einzelnen Gläubigers ergehen, § 277 Abs. 1 und 2 InsO (siehe hierzu oben Rn. 221 ff.).

a) Notwendigkeit eines Antragsrechts des Sachwalters Sowohl im Eröffnungsverfahren als auch im eröffneten Verfahren dient die Anord- 609 nung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts dem Schutz der Gläubiger vor nachteiligen Rechtsgeschäften des Schuldners.1003) Ob die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit im Einzelfall angemessen und erforderlich ist, kann jedoch am besten durch den Sachwalter beurteilt werden, der von allen Verfahrensbeteiligten unstreitig den besten Einblick in das Handeln des Schuldners hat. Soweit Umstände vorliegen, die aus seiner Sicht die Anordnung nach § 277 Abs. 1 InsO erforderlich machen, hat er diese gemäß § 274 Abs. 3 InsO dem Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss anzuzeigen. Soweit dieser Umstand die Unaufschiebbarkeitsschwelle des § 277 Abs. 2 InsO nicht erreicht ist oder es einem einzelnen Gläubiger nicht gelingt, eine solche glaubhaft zu machen, liegt die Entscheidung über die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts nach § 277 InsO nur noch in den Händen der Gläubigerversammlung. Dies ist aus Gründen der das Verfahren bestimmenden Gläubigerautonomie auch folgerichtig. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich bei der Gläubigerversammlung um ein recht schwerfälliges Organ handelt, deren Einberufung nicht nur kosten- sondern insbesondere zeitintensiv ist.1004) Soweit im Einzelfall ein schnelles Eingreifen erforderlich sein sollte, kann über den „Umweg“ der Gläubigerversammlung daher wertvolle Zeit vergehen. ___________ 1003) Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 277 Rn. 1. 1004) Vgl. Madaus, KTS 2015, 115, 132; auf die Schwerfälligkeit des Organs verweist auch Kluth, ZInsO 2002, 1001, 1003.

217

4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen

b) Wahrung der Gläubigerautonomie 610 Angesichts dessen und der Nähe des Sachwalters zum Verfahren erscheint es daher sinnvoll, dem Sachwalter ein vorläufiges Antragsrecht nach § 277 Abs. 1 InsO zu erteilen.1005) Die Gewährung eines abschließenden Antragsrechts hingegen wäre mit dem Grundgedanken der Eigenverwaltung nicht vereinbar. Spätestens seit Inkrafttreten des ESUG ist das Verfahren durch den Begriff der Gläubigerautonomie geprägt. Dies setzt jedoch voraus, dass alle wesentlichen Entscheidungen letzten Endes bei den Gläubigern liegen müssen. Auch die Regelung des § 275 Abs. 2 InsO, nach welcher die Entscheidung über die Übernahme Kassenführungsbefugnis allein beim Sachwalter liegt, kann kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Zwar liegt die Entscheidung über die Übernahme der Kassenführung ausschließlich im alleinigen Ermessen des Sachwalters, dabei handelt es sich jedoch um eine rein interne Maßnahme, der keine Außenwirkung zukommt (siehe hierzu oben Rn. 210 f.). Alle Maßnahmen, die wie der Zustimmungsvorbehalt nach § 277 Abs. 1 InsO eine endgültige Außenwirkung begründen, müssen jedoch letztlich der Entscheidungshoheit der Gläubiger unterliegen.

c)

Anpassung der Regelungen der InsO

611 Neben dem bindenden Antragsrecht der Gläubigerversammlung sollte folglich ein Antragsrecht des Sachwalters in die Regelung des § 277 Abs. 1 InsO aufgenommen werden, wonach bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung ein Zustimmungsvorbehalt, ähnlich einer vorläufigen Sicherungsmaßnahme, angeordnet werden kann. Dieses Ergebnis kann dann durch die Gläubigerversammlung in der nächsten Versammlung bestätigt oder rückgängig gemacht werden. Durch das mit § 277 InsO verbundene Haftungsrisiko aus § 61 InsO ist gleichzeitig sichergestellt, dass der Sachwalter von seinem Antragsrecht nicht leichtfertig Gebrauch machen, sondern dieses auf geeignete und erforderliche Fälle beschränken wird. Das Antragsrecht des Sachwalters sowie die Vorläufigkeit dieser Anordnung könnte mithilfe der folgenden Abänderung des § 277 Abs. 1 InsO und Einfügung eines neuen Satz 3 erreicht werden: „§ 277 InsO Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit. (1) 1Auf Antrag der Gläubigerversammlung oder auf Antrag des Sachwalters ordnet das Insolvenzgericht an, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur wirksam sind, wenn der Sachwalter ihnen zustimmt. 2§ 81 Abs. 1 Satz 2 und 3 und § 82 gelten entsprechend. 3Erfolgt die Anordnung auf Antrag des Sachwalters, so entscheidet die Gläubigerversammlung in der nächstfolgenden Versammlung über das Fortbestehen der Anordnung. 4Stimmt der Sachwalter der Begründung einer Masseverbindlichkeit zu, so gilt § 61 entsprechend. (2) (…).“

___________ 1005) Ähnlich auch Foltis, in: FK-InsO, § 277 Rn. 2 sowie Gravenbrucher Kreis, ZIP 2015, 2159, 2163, die anregen, die Anordnung nach § 277 InsO in das Ermessen des Gerichts zu stellen.

218

A. Reformbedarf der Eigenverwaltung

5.

Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 280 InsO

Durch die Regelung des § 280 InsO wird dem Sachwalter nach derzeitiger Gesetzes- 612 lage die Geltendmachung der Ansprüche aus den §§ 92, 93 InsO sowie die Insolvenzanfechtung gemäß der §§ 129 ff. InsO übertragen. Diese besondere Aufgabenzuweisung dient dazu, etwaige Interessenkonflikte zu vermeiden und eine sachgerechte Durchsetzung der Ansprüche im Sinne der Gläubiger zu sichern (siehe hierzu oben, Rn. 260 ff.). Vergleichbare Interessenkonflikte bestehen jedoch auch hinsichtlich der übrigen, die Organwalter und Gesellschafter betreffenden Ansprüche, deren Geltendmachung außerhalb des § 280 InsO eben dieser betroffenen Personengruppen selbst obliegt oder durch diese beeinflusst werden können. Dazu zählen beispielsweise die Organhaftungsansprüche aus §§ 43 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG oder Ansprüche gegen die Gesellschafter aus Kapitalerhaltungs- und Existenzvernichtungshaftung (siehe hierzu oben Rn. 260 f.). In Bezug auf diese Ansprüche findet § 280 InsO nach hier vertretener Ansicht analoge Anwendung. Um die derzeit bestehende Regelungslücke zu schließen, sollte der Anwendungs- 613 bereich des § 280 InsO erweitert und die Geltendmachung aller Ansprüche, die sich gegen Organe des Schuldners richten, auf den Sachwalter übertragen werden. Insoweit könnte § 280 InsO um den folgenden Satz 2 erweitert werden: „§ 280 Haftung, Insolvenzanfechtung. 1Nur der Sachwalter kann die Haftung nach den §§ 92 und 93 für die Insolvenzmasse geltend machen und Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 anfechten. 2Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person eröffnet, können Haftungsansprüche gegen Organwalter und Gesellschafter nur durch den Sachwalter geltend gemacht werden.“

6.

Kein Änderungsbedarf hinsichtlich der Kassenführungsbefugnis des (vorläufigen) Sachwalter

Soweit hinsichtlich des Aufgabenbereichs des (vorläufigen) Sachwalters teilweise die 614 generelle Übertragung der Kassenführungsbefugnis von Gesetzes wegen gefordert wird,1006) besteht hierfür tatsächlich kein Bedarf. Wie aufgezeigt, sollte der Aufgabenbereich des Sachwalters vielmehr flexibel gehalten werden, um auf die jeweiligen Erfordernisse eines Verfahrens im Einzelfall eingehen zu können. So wie es dem Sachwalter nach hier vertretener Ansicht möglich sein sollte, sich bei entsprechender Notwendigkeit aktiv in das Verfahren einzubringen, einen Zustimmungsvorbehalt zu beantragen und den Schuldner innerhalb des Verfahrenszwecks zu unterstützen, muss es ihm in einfach gelagerten Fällen auch möglich sein, sich auf seine gesetzlichen Mindestpflichten der Überwachung und Kontrolle zu beschränken. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die generelle Übertragung der Kassenhoheit, die sonst unstreitig einen Zuschlag im Sinne des § 3 InsVV begründet (siehe hierzu oben Rn. 491 f.), dann auch konsequenterweise in einer höheren ___________ 1006) So beispielsweise Rendels/Zabel, InDat-Report 1/2016, 44, 48.

219

4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen

Regelvergütung niederschlagen müsste. Dies stellt jedoch in Verfahren, die aufgrund ihrer guten Vorbereitung oder da sie einfach gelagert sind, eine Übernahme der Kassenführung nicht erfordert hätten, einen unnötigen Kostenfaktor dar. Die Übernahme der Kassenführung sollte demnach vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Sachwalters verbleiben, der, wie bereits aufgezeigt, am besten beurteilen kann, welchen Grad an Sachwaltung ein Verfahren im Einzelfall erfordert. Aus demselben Grund erscheint auch ein direktes Mitspracherecht der Gläubiger nicht erforderlich.1007)

II. Allgemeine verfahrensbezogene Änderungen 1.

Klare Regelungen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO

615 Auch die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO bedarf einer eindeutigen gesetzlichen Regelung. Nach hier vertretener Ansicht ist dies mittels Einzelermächtigung auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO zulässig, wobei richtigerweise an den Schuldner als Ermächtigungssubjekt anzuknüpfen ist (siehe hierzu oben Rn. 228 ff.). Obwohl diese Ansicht zwischenzeitlich als wohl vorherrschende Meinung bezeichnet werden kann, birgt die fehlende gesetzliche Normierung nach wie vor Rechtsunsicherheiten. Die Verfahrensbeteiligten können nicht darauf vertrauen, dass die Insolvenzgerichte der hier vertretenen Ansicht folgen, weshalb die Stellung mehrerer Hilfsanträge in der Praxis derzeit die Regel ist. Diese Unwägbarkeiten sind jedoch geeignet, das Vertrauen des Schuldners und der Gläubiger in die Eigenverwaltung zu erschüttern und eine erfolgreiche Unternehmensfortführung zu gefährden. Zur Schaffung abschließender Rechtssicherheit sollte die Kompetenz des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten daher gesetzlich normiert werden.

616 Zur Erledigung des dogmatischen Streits sollte ein Verweis auf die Möglichkeit, den Schuldner mittels Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen, als weiteres Regelbeispiel im neu gefassten § 270a Abs. 2 InsO aufgeführt werden. Gleichzeitig sollte verdeutlicht werden, dass die Ermächtigung zusätzlich an die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters gebunden und beide Sicherungsmaßnahmen folglich verknüpft werden können (siehe hierzu oben Rn. 356 ff.). Die Anordnung eines solchen Zustimmungsvorbehalts bietet sich als zusätzliches Korrektiv gerade dann an, wenn dem Schuldner Einzelermächtigungen in größerem Ausmaß erteilt wurden.1008)

___________ 1007) So jedoch das Thesenpapier des Gravenbrucher Kreis, ZIP 2015, 2159, 2163. 1008) So auch AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12 ZIP 2012, 1470, 1471.

220

A. Reformbedarf der Eigenverwaltung

Die empfohlene Neufassung von § 270a Abs. 2 InsO n. F. könnte demnach folgen- 617 dermaßen ergänzt werden: „§ 270a InsO: Eröffnungsverfahren. (1) 1Ist der Antrag des Schuldners nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen, 1. dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder 2. anzuordnen, dass alle Verfügungen nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. 2

Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters wird in diesem Fall ein vorläufiger Sachwalter bestellt, auf den die §§ 274 und 275 entsprechend anzuwenden sind. (2) 1Das Gericht kann vorläufige Maßnahmen nach § 21 Absatz 1 und 2 Nummer 1a, 3 bis 5 anordnen. 2Das Gericht kann insbesondere 1. anordnen, dass bestimmte Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters wirksam sind; § 277 Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend; 2. den Schuldner zur Begründung einzelner Masseverbindlichkeiten ermächtigen. Das Gericht kann anordnen, dass die Begründung einer Masseverbindlichkeit nur wirksam ist, wenn der Sachwalter zustimmt. (3) (…).“

Angesichts der mit der Erteilung einer Globalermächtigung verbundenen Gefahr der 618 vorzeitigen Aufzehrung der Insolvenzmasse (siehe hierzu oben Rn. 350 ff.) sowie der automatischen Qualifikation von Steuerverbindlichkeiten und Sozialversicherungsbeiträgen als Masseverbindlichkeiten (siehe zu dieser Problematik oben Rn. 410 ff.) sollte zur Sicherung der im Eröffnungsverfahren notwendigen Liquidität auch die Regelung des § 270b Abs. 3 InsO abgeändert werden. Zum Schutz der Insolvenzmasse sollte die Ermächtigung auch im Schutzschirmverfahren auf einzelne Masseverbindlichkeiten beschränkt werden. Der Verweis auf § 55 Abs. 2 InsO hat dann zu entfallen. Die Möglichkeit der Erteilung einer Globalermächtigung sollte im Sinne der Liquiditätsschonung hingegen entfallen und die Anordnung in das pflichtgemäße Ermessen des Insolvenzgerichts gestellt werden. Dies kann über die Anordnung nach § 21 Abs. 1 S. 1 InsO erreicht werden, weshalb sich ein Verweis auf die entsprechende Geltung des neuen § 270a Abs. 2 n. F. anbietet. § 270b InsO könnte daher wie folgt lauten: „§ 270b Vorbereitung einer Sanierung. (1) (…) (2) (…) (3) 1§ 270a Abs. 2 gilt entsprechend. 2Das Gericht hat Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 Nummer 3 anzuordnen, wenn der Schuldner dies beantragt. (4) (…).“

221

4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen

2.

Maßvolle Lockerung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 S. 3 InsO

619 Die Anordnung eines Verfahrens in Eigenverwaltung setzt nach allgemeiner Ansicht eine solide Vorbereitung des Verfahrens voraus.1009) Aus diesem Grund wird der Schuldner sich regelmäßig vorgerichtlich insolvenzrechtlich beraten lassen (müssen). Nach derzeitiger Rechtslage ist die Person, die eine derartige Beratung im Stadium vor Insolvenzantragstellung vorgenommen hat, regelmäßig vom Amt des (vorläufigen) Sachwalters suspendiert. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 InsO lediglich festlegt, dass eine vorgerichtliche Beratung „in allgemeiner Form“ für die Beurteilung der Unabhängigkeit unschädlich ist. Dies ist jedoch, wie festgestellt, nicht praxisgerecht und auch nicht zweckmäßig. Mögliche Synergieeffekte und Kostenersparnisse, die aufgrund der bereits erfolgten Einarbeitung des Sachwalters im Stadium vor der Insolvenz entstehen können, werden so von Beginn an ausgeschlossen. Allein durch die vorangegangene Tätigkeit als Sanierungsberater ist jedoch nicht zwingend eine Gefährdung der notwendigen Unabhängigkeit des Sachwalters zu bejahen. Dies sollte, wie dargestellt, vielmehr im Einzelfall geprüft werden. Soweit sich etwaige Interessenkonflikte auf feststehende Teilbereiche beschränkt, kann die Einsetzung eines Sondersachwalters erwogen werden (siehe hierzu oben Rn. 133 ff.).

620 In der gegenwärtigen Regelung des § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 InsO sollte folglich der Begriff allgemeine Beratung durch Beratung ersetzt werden. Damit ist lediglich sichergestellt, dass diese nicht pauschal zu einem Ausschluss führt. Soweit eine vorangegangene Beratung im konkreten Fall jedoch Zweifel an der Unabhängigkeit des Sachwalters aufkommen lassen, ist das Gericht nicht gehindert, eine andere Person zu bestellen. Ebenso wie im Rahmen eines Vorschlags der Verfahrensbeteiligten nach § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 InsO bleibt das Auswahlermessen des Gerichts vielmehr unberührt (siehe hierzu oben Rn. 131 ff.).

3.

Antragsrecht des Sachwalters zur Aufhebung der Eigenverwaltung

621 Stellt der Sachwalter bei seiner Tätigkeit Nachteile für die Gläubigerinteressen fest, steht ihm nach derzeitiger Gesetzeslage als unmittelbare Sanktion ausschließlich die Nachteilsanzeige gemäß § 274 Abs. 3 InsO zur Verfügung. Ein Recht zur Aufhebung der Eigenverwaltung bzw. zur Beantragung dieser steht ihm hingegen nicht zu; ein diesbezüglich Antrag kann außer dem Schuldner selbst nur die Gläubigerversammlung mit Kopf- und Stimmenmehrheit sowie ein einzelner Gläubiger stellen, letzterer jedoch nur dann, wenn zu erwartende erhebliche Nachteile glaubhaft gemacht wurden (siehe hierzu oben Rn. 70 f.).

622 Aus praktischer Sicht stellt dies jedoch oftmals ein stumpfes Schwert dar. Hinsichtlich des Antragsrechts der Gläubigerversammlung ist zu berücksichtigen, dass die ___________ 1009) Drastisch AG Hamburg, Beschl. v. 19.12.2013 – 67 c IN 501/13 NZI 2014, 312, das eine Anordnung der Eigenverwaltung sogar ablehnte, da der Schuldner vorgerichtlich nicht insolvenzrechtlich beraten wurde.

222

A. Reformbedarf der Eigenverwaltung

Einberufung derselben zum einen sehr zeitaufwendig und kostspielig1010) ist, zum anderen dass es umstritten ist, ob dem Sachwalter auch ein eigenes Antragsrecht auf Einberufung der Gläubigerversammlung nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 InsO zusteht (siehe hierzu oben Rn. 193 f.). Erkennt der Sachwalter folglich Nachteile für die Gläubiger, die derart schwerwiegend sind, dass sie eine Aufhebung des Eigenverwaltungsverfahrens rechtfertigen, muss er diese Nachteile zunächst dem Gericht und dem Gläubigerausschuss nach § 274 Abs. 3 InsO anzeigen. Es ist dann Aufgabe des Gerichts eine Gläubigerversammlung von Amts wegen oder auf Antrag des Gläubigerausschusses einzuberufen, um der Gläubigerversammlung einen Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung zu ermöglichen. Vielfach kann in diesen Fällen vom Zeitpunkt der Anzeige über die Einberufung der Gläubigerversammlung bis hin zur Abstimmung wertvolle Zeit vergehen, ohne dass einem möglicherweise missbräuchlichen Verhalten des Schuldners Einhalt geboten wird. Hinsichtlich der Aufhebung der Eigenverwaltung auf Antrag eines einzelnen Gläu- 623 bigers ist hingegen zu berücksichtigen, dass dies der Glaubhaftmachung eines individuellen erheblichen Nachteils bedarf, was regelmäßig allenfalls gesicherten Gläubigern im Einzelfall gelingt.1011) Zudem steht dem Schuldner in diesem Fall gemäß § 272 Abs. 2 S. 3 i. V. m § 6 InsO der Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde zu. Zwar entfaltet diese gemäß § 570 Abs. 1 ZPO keine aufschiebende Wirkung,1012) gemäß § 570 Abs. 3 ZPO besteht jedoch die Möglichkeit zur Aussetzung der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Entscheidung. Die Aussetzung bewirkt, dass das Verfahren in dem rechtlichen und tatsächlichen Zustand verbleibt, in dem es sich bei der Entscheidung befunden hat,1013) womit weiterhin die Gefahr besteht, dass die Eigenverwaltung zunächst aufrecht erhalten bleibt.1014) Schließlich darf nicht verkannt werden, dass es der Sachwalter ist, der typischerweise 624 den besten Einblick in das Verfahren hat und etwaige drohende Nachteile als erster erkennt. Die Zuerkennung eines eigenen Antragsrechts des Sachwalters könnte zudem dessen Position nachhaltig stärken und durch die Zurverfügungstellung einer scharfen Sanktionsmöglichkeit gleichzeitig einen positiven Einfluss auf die Kooperationsbereitschaft des eigenverwaltenden Schuldners haben. Eine Aufhebung auf Antrag des Sachwalters sollte jedoch nicht voraussetzungslos 625 erfolgen. Aufgrund der Reichweite der Aufhebung der Eigenverwaltung sollte der Antrag vielmehr an das Vorliegen konkreter Umstände, durch welche erhebliche Nachteile für die Gläubiger zu erwarten sind und, soweit ein Gläubigerausschuss bestellt ist, an dessen Zustimmung geknüpft werden.1015) ___________ 1010) Vgl. Madaus, KTS 2015, 115, 132. 1011) Madaus, KTS 2015, 115, 132. 1012) BGH, Urt. v. 11.4.2013 – IX ZR 122/12 NZI 2013, 489, 490; Sternal, in: HK-InsO, § 6 Rn. 32. 1013) Ganter/Lohmann, in: MünchKomm-InsO, § 6 Rn. 13. 1014) Madaus, KTS 2015, 115, 132. 1015) I. E. auch das Thesenpapier des Gravenbrucher Kreis, ZIP 2015, 2159, 2162.

223

4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen

626 Die Regelung des § 272 InsO könnte folglich folgendermaßen ergänzt werden: „§ 272 Aufhebung der Eigenverwaltung. (1) Das Insolvenzgericht hebt die Anordnung der Eigenverwaltung auf, 1. (…) 4. wenn dies vom Sachwalter beantragt wird und zu erwarten ist, dass die Eigenverwaltung zu erheblichen Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Ist ein Gläubigerausschuss bestellt, bedarf der Antrag zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung des Gläubigerausschusses. (2) 1Der Antrag eines Gläubiger nach Absatz 1 Nummer 2 und der Antrag des Sachwalters nach Absatz 1 Nummer 4 ist nur zulässig, wenn die jeweils genannten Voraussetzungen glaubhaft gemacht werden. 2Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Schuldner zu hören. 3Gegen die Entscheidung nach Absatz 1 Nummer 2 steht dem Gläubiger und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (3) Zum Insolvenzverwalter kann der bisherige Sachwalter bestellt werden.“

4.

Regelungen zur Aufhebung der Eigenverwaltung im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO

627 Auch vor der Eröffnung des Verfahrens muss zum Schutz der Gläubiger die Möglichkeit bestehen, die bisherigen Anordnungen aufzuheben, um den Übergang in ein Regelinsolvenzverfahren zu ermöglichen. Das Gesetz sieht ein ausdrückliches Antragsrecht derzeit nur in § 270b Abs. 4 S. 1 InsO vor, mit der Folge, dass das Verfahren als „einfaches“ Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO oder als Regelinsolvenzverfahren fortgeführt wird. Richtigerweise muss jedoch auch im Verfahren nach § 270a InsO ein Antragsrecht der Gläubiger existieren. Die Aufhebung sollte infolge ihrer weitreichenden, vielfach endgültig eintretenden Rechtsfolgen angesichts des Grundsatzes der Gläubigerautonomie nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt werden. Aus diesem Grund ist die Regelung des § 270b Abs. 4 S. 1 InsO nach hier vertretener Ansicht bereits jetzt im Verfahren nach § 270a InsO entsprechend anzuwenden (siehe hierzu oben Rn. 76 ff.). Zur Schaffung abschließender Rechtssicherheit sollte die Regelung des § 270b Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 InsO in die Regelung des § 270a InsO implementiert werden und damit sozusagen „vor die Klammer“ gezogen werden.

628 Die Neuregelung in § 270a InsO könnte unter Einfügung eines neuen Absatzes 41016) folgendermaßen erfolgen: „§ 270a Eröffnungsverfahren (1) 1Ist der Antrag des Schuldners nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen, 1. dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder

___________ 1016) § 270a Abs. 3 InsO n. F. entspricht dem derzeitigen § 270a Abs. 2 InsO, der als Folge der zuvor vorgeschlagenen Einfügung eines neuen Absatzes 2 versetzt wurde.

224

A. Reformbedarf der Eigenverwaltung 2. anzuordnen, dass alle Verfügungen nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. 2 Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters wird in diesem Fall ein vorläufiger Sachwalter bestellt, auf den die §§ 274 und 275 entsprechend anzuwenden sind.

(3) (…) (4) 1Das Gericht hebt die Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 auf, wenn 1. der vorläufige Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt oder 2. ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein Insolvenzgläubiger die Aufhebung beantragt und Umstände bekannt werden, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird; der Antrag ist nur zulässig, wenn kein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt ist und die Umstände vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden. 2

Nach Aufhebung der Anordnung entscheidet das Gericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.“

In § 270b Abs. 4 S. 1 InsO reicht dann ein entsprechender Verweis auf die neue Re- 629 gelung in § 270a InsO aus. Da die Aussichtslosigkeit einer Sanierung im Verfahren nach § 270a InsO, das unstreitig auch auf Liquidation gerichtet sein kann, keinen Aufhebungsgrund normieren kann, sollte die Regelung des § 270b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 InsO dort jedoch entsprechend bestehen bleiben. Die Regelung des § 270b Abs. 4 S. 1 InsO könnte dementsprechend wie folgt abgeändert werden: „§ 270b Vorbereitung einer Sanierung. (1) (…) (…) (4) 1§ 270a Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend. 2Das Gericht hebt die Anordnung nach Absatz 1 vor Ablauf der Frist auch dann auf, wenn die angestrebte Sanierung aussichtslos geworden ist. 3Der Schuldner oder der vorläufige Sachwalter haben dem Gericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen. 4Nach Aufhebung der Anordnung oder nach Ablauf der Frist entscheidet das Gericht über die Fortführung des Verfahrens nach § 270a oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.“

5.

Öffentliche Bekanntmachung der Bestellung des vorläufigen Sachwalters

Konkreter Änderungsbedarf ergibt sich schließlich auch hinsichtlich der öffentli- 630 chen Bekanntmachung der Bestellung des vorläufigen Sachwalters. Die insoweit bestehenden Unsicherheiten tragen nicht dazu bei, die Eigenverwaltung im Ansehen der Gläubiger zu steigern. Im Rahmen eines Regelinsolvenzverfahrens ist es den Gläubigern aufgrund der angeordneten Sicherungsmaßnahmen und der daraus resultierenden Bekanntmachungspflicht regelmäßig möglich, von der Antragstellung Kenntnis zu erlangen. Dies ist, soweit mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Verfahren in Eigenverwaltung beantragt und folglich „lediglich“ ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird, hingegen nicht zwingend der Fall. 225

4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen

Zum einen steht die Bekanntmachung im Ermessen des Insolvenzgerichts, zum anderen ist selbst dies nicht einheitlich anerkannt, so dass es hier zu einer abweichenden regionalen Handhabung kommen kann.

631 Für ein insolvenzrechtliches Geheimverfahren darf jedoch nach hier vertretener Ansicht kein Raum sein. Angesichts der mit der öffentlichen Bekanntmachung verbundenen Warn- und Zustellungsfunktion, die, wie aufgezeigt, auch gleichermaßen innerhalb des Eröffnungsverfahrens der Eigenverwaltung erfüllt werden muss (siehe hierzu oben Rn. 113 ff.), sollte die Bekanntmachung folglich gesetzlich normiert werden. Durch eine derartige Regelung wäre gleichzeitig dem einfachen Gesetzesvorbehalt des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung genüge getan, womit nicht mehr der „Umweg“ über das Vorliegen einer konkludenten Einwilligung des Schuldners in die Grundrechtsverletzung gesucht werden müsste.

632 Die bestehende Regelung des § 270a Abs. 1 InsO sollte folglich um einen neuen Satz 3 ergänzt werden, der die öffentliche Bekanntmachung nach § 9 InsO ausdrücklich vorsieht: „§ 270a InsO: Eröffnungsverfahren. (1) 1Ist der Antrag des Schuldners nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen, 1. dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder 2. anzuordnen, dass alle Verfügungen nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. 2 Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters wird in diesem Fall ein vorläufiger Sachwalter bestellt, auf den die §§ 274 und 275 entsprechend anzuwenden sind. 3Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.

(…).“

III. Änderungen betreffend die Haftung des (vorläufigen) Sachwalters nach § 61 InsO 633 Die Haftung des (vorläufigen) Sachwalters bedarf zur Schaffung von Rechtssicherheit einer abschließenden gesetzlichen Regelung.

634 Nach derzeitiger Gesetzeslage findet die Haftungsnorm des § 61 InsO lediglich bei Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts im eröffneten Verfahren nach § 277 Abs. 1 S. 3 InsO entsprechenden Anwendung. Richtigerweise trifft den vorläufigen Sachwalter jedoch auch bei Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO im Eröffnungsverfahren (siehe hierzu oben Rn. 231 ff.) sowie hinsichtlich der durch ihn im Rahmen von § 280 InsO begründeten Verbindlichkeiten (siehe hierzu oben Rn. 391 ff.) eine Haftung nach § 61 InsO.

226

A. Reformbedarf der Eigenverwaltung

1.

Geltung des § 61 InsO bei Anordnung eines besonderen Zustimmungsvorbehalts im Eröffnungsverfahren

Durch die vorstehend aufgeführte Neufassung des § 270a InsO unter Einfügung eines 635 neuen Absatz 2 wurde die Möglichkeit der Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten sowie die Möglichkeit zur Anordnung eines bestimmten Zustimmungsvorbehalts auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO für das Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung normiert. Soweit das Gericht beide Anordnungen verknüpft und die Einzelermächtigung des Schuldners folglich unter den Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Sachwalters stellt, muss der vorläufige Sachwalter für die mit seiner Zustimmung begründeten Verbindlichkeiten haften. Dies ergibt sich bereits aus dem notwendigen Gleichlauf mit § 277 Abs. 1 S. 3 InsO (siehe hierzu oben Rn. 231 ff.). Aus diesem Grund sollte die Haftung des vorläufigen Sachwalters entsprechend § 61 InsO im neuen § 270a Abs. 2 InsO normiert werden. Der Verweis auf die entsprechende Geltung des § 61 InsO könnte demnach wie folgt erfolgen: „§ 270a InsO: Eröffnungsverfahren. (1) 1Ist der Antrag des Schuldners nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen, 1. dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder 2. anzuordnen, dass alle Verfügungen nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. 2 Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters wird in diesem Fall ein vorläufiger Sachwalter bestellt, auf den die §§ 274 und 275 entsprechend anzuwenden sind.

(2) 1Das Gericht kann vorläufige Maßnahmen nach § 21 Absatz 1 und 2 Nummer 1a, 3 bis 5 anordnen. 2Das Gericht kann insbesondere 1. anordnen, dass bestimmte Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters wirksam sind; § 277 Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend; 2. den Schuldner zur Begründung einzelner Masseverbindlichkeiten ermächtigen. Das Gericht kann anordnen, dass die Begründung einer Masseverbindlichkeit nur wirksam ist, wenn der Sachwalter zustimmt. Stimmt der Sachwalter der Begründung einer Masseverbindlichkeit zu, so gilt § 61 InsO entsprechend. (3) (…).“

2.

Geltung des § 61 InsO bei Begründung von Masseverbindlichkeiten im Zusammenhang mit § 280 InsO

Neben der Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 280 InsO auf Ansprüche 636 aus gesellschaftsrechtlicher Organhaftung, sollte in § 280 InsO ein Verweis auf die Haftung des Sachwalter normiert werden. Der Sachwalter handelt im Rahmen der ihm nach § 280 InsO übertragenen Rechte ausnahmsweise als Partei kraft Amtes und begründet insoweit selbständig Masseverbindlichkeiten. Konsequenterweise muss er für diese nach § 61 InsO haften, was derzeit über eine analoge Anwendung der Norm 227

4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen

gelöst wird (siehe hierzu oben Rn. 391 ff.). Diese Regelungsglücke sorgt jedoch für Rechtsunsicherheit und sollte folglich durch einen entsprechenden Verweis in § 280 S. 3 InsO n. F. auf die Regelung des § 61 InsO geschlossen werden: „§ 280 Haftung. Insolvenzanfechtung. 1Nur der Sachwalter kann die Haftung nach den §§ 92 und 93 für die Insolvenzmasse geltend machen und Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 anfechten. 2Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person eröffnet, können Haftungsansprüche gegen Organwalter und Gesellschafter nur durch den Sachwalter geltend gemacht werden. 3§ 61 InsO gilt entsprechend.“

IV. Änderungen der InsVV 637 Abschließend besteht auch hinsichtlich der die Vergütung des vorläufigen Sachwalters betreffenden Regelungen der InsVV ein dringender Regelungsbedarf.

638 Der Grundsatzbeschluss des BGH vom 21. Juli 2016 hat hier zwar in gewissen Maße für Rechtsklarheit gesorgt, die Entscheidung des BGH zur einheitlichen Vergütungsfestsetzung von vorläufigen Sachwalter und Sachwalter findet jedoch, wie ausgeführt, keine gesetzliche Grundlage und ist darüber hinaus nicht sach-, geschweige denn praxisgerecht (siehe hierzu oben Rn. 531 ff.). Angesichts der aus der Rechtsprechung des BGH resultierenden ungerechtfertigten wirtschaftlichen Belastung des vorläufigen Sachwalters sowie der aufgrund der einheitlichen Berechnungsgrundlage eintretenden Zurechnung von masseschmälernden und massemehrenden Handlungen und der damit verbundenen Schlechterstellung der Sachwalter, ist ein Einschreiten des Gesetzgebers erforderlich. Lediglich die Eigenständigkeit des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Sachwalters kann sachgerechte Ergebnisse erzielen. Aus diesem Grund sollte die Vergütung des vorläufigen Sachwalters gesondert in einem neu einzufügenden § 12a InsVV geregelt werden. Die Höhe dieses Vergütungsanspruchs sollte nach hier vertretener Ansicht 25 Prozent der Regelvergütung des Insolvenzverwalters betragen (siehe hierzu oben Rn. 531 ff.).

639 Darüber hinaus besteht für die sich abzeichnende Tendenz, dem Sachwalter nur eingeschränkt und wenn, lediglich deutlich verringerte Zuschläge zu gewähren, nach hier vertretener Ansicht keine Rechtfertigung. Dieser Tendenz kann jedoch bereits durch die hier vorgeschlagene Normierung der Zulässigkeit von dem Verfahrenszweck dienenden Mitwirkungshandlungen in § 270 InsO (siehe hierzu oben Rn. 586 ff.) begegnet werden. Damit könnte sich zukünftig nicht mehr vertreten lassen, derartige Unterstützungsmaßnahmen des Sachwalters seien überobligatorische Aufgaben und könnten folglich keinen Zuschlag rechtfertigen. Obwohl sich auch der BGH für eine Anwendung von § 3 InsVV auf den vorläufigen Sachwalter ausgesprochen hat, sollte zur Schaffung von abschließender Rechtssicherheit ein entsprechender Verweis sowohl in § 12 Abs. 2 InsVV als auch im neu zu schaffenden § 12a InsVV erfolgen. Das Regelbeispiel der Festsetzung einer den Regelsatz übersteigenden Ver-

228

B. Fazit

gütung bei Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts sollte in Gleichklang mit § 12 Abs. 2 InsVV auch für die Vergütung des vorläufigen Sachwalters normiert werden. Die Regelung der Vergütung des vorläufigen Sachwalters in einem neu zu schaf- 640 fenden § 12a InsVV könnte demnach folgendermaßen erfolgen: „§ 12a Vergütung des vorläufigen Sachwalters. (1) Der vorläufige Sachwalter erhält in der Regel 25 vom Hundert der für den Insolvenzverwalter bestimmten Vergütung. (2) 1§ 3 InsVV gilt entsprechend. 2Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn das Insolvenzgericht gemäß § 270a Abs. 2 Nummer 1 der Insolvenzordnung angeordnet hat, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters wirksam sind.“

B. Fazit Um die Eigenverwaltung in ihrer Funktionsfähigkeit zu steigern, sollte die Rolle des 641 Sachwalters an die Bedürfnisse der Praxis angepasst werden. Der Sachwalter sollte nicht nur mit weiteren Eingriffsbefugnissen ausgestattet werden, sondern allgemein in die Lage versetzt werden, sich bei Bedarf aktiv am Verfahren zu beteiligen. Zwar soll die Eigenverwaltung auch nach der Intention des Gesetzgebers kein Regelverfahren für die Sanierung insolventer Unternehmen werden,1017) sondern vielmehr den Regelfall der Anordnung bei Vorliegen der Voraussetzungen der Eigenverwaltung darstellen.1018) Die Definition der vorzuliegenden Voraussetzungen hat sich seit Inkrafttreten des ESUG jedoch in die falsche Richtung entwickelt. Durch die regelhafte Verdrängung des Sachwalters auf eine passive Beobachterfunktion kann das Verfahren nur noch mit der Einschaltung externer Sanierungsberater und/oder Sanierungsgeschäftsführer gemeistert werden, deren Beauftragung von manchen Gerichten bereits als ungeschriebene Anordnungsvoraussetzung gesehen wird. Insbesondere kleine und mittlere Verfahren können diese Mehrfachbelastung der Insolvenzmasse jedoch nicht tragen und scheiden daher gegenwärtig für ein Verfahren in Eigenverwaltung von Beginn an aus. Doch auch bei den Unternehmen, die eine derartige verfahrensbegleitende Beratung finanzieren können, muss kritisch hinterfragt werden, ob die Eigenverwaltung überhaupt noch die seitens des Gesetzgeber ausgemachten Vorteile für Gläubiger und Schuldner, namentlich Kontinuität und Kostenvorteil, bringen kann oder die Anordnung nicht vielmehr zu versagen ist. Darüber hinaus muss die Praxis auch die vertrauensfördernde Funktion des Sachwalters anerkennen, ohne die ein Eigenverwaltungsverfahren vielfach nicht erfolgreich bestritten werden kann. ___________ 1017) So Frind, ZInsO 2011, 2249, 2260 wonach das Eigenverwaltungsverfahren künftig regelhaft das normale Insolvenzverfahren werden solle. 1018) AG Hamburg, Beschl. v. 2.7.2013 – 67 e IN 108/13 NZI 2013, 903; Kübler, in: Kübler, HRI, § 1 Rn. 26; Haarmeyer, ZInsO 2013, 2345; Graf-Schlicker, ZInsO 2013, 1765, 1767.

229

4. Teil: Rechtspolitische Erwägungen

642 Wird dem Sachwalter eine beratende Mitwirkung am Verfahren ermöglicht, kann dieser im Einzelfall auf den individuellen Bedarf eines Verfahrens eingehen. Damit kann zum einen in kleineren und mittleren Verfahren auf die Einschaltung eines Sanierungsberaters möglicherweise vollständig verzichtet werden. Doch auch in Großverfahren bringt die aktive Mitwirkung des Sachwalters, wie aufgezeigt, vielfältige Vorteile und dient den Gläubigerinteressen letztlich mehr als eine nachträgliche Sanktion im Wege der Nachteilsanzeige.

643 Den aktiven Sachwalter als möglichen und zulässigen Akteur des Verfahrens zu begreifen, erfordert zwar ein Umdenken der gegenwärtigen Rechtspraxis. Soweit dieses Umdenken jedoch erfolgt, kann die Veränderung der Rolle des Sachwalters sowohl zum Erreichen des vorrangigen Zwecks des Verfahrens, namentlich der bestmöglichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung beitragen, als auch das nachgelagerte volkswirtschaftliche Ziel fördern: Die erfolgreiche Sanierung eines Unternehmens. Der Gesetzgeber kann mit wenigen gesetzgeberischen Handgriffen dazu beitragen, die Funktionsfähigkeit, Relevanz und Akzeptanz der Eigenverwaltung in Deutschland nachhaltig zu stärken und die Eigenverwaltung zu einem verfahrensgerechten und den Marktbedürfnissen entsprechenden Sanierungsinstrument zu machen.

230

Stichwortverzeichnis

Abschlag 491 ff., 499, 523, 539 ff., 564 f. American Bankruptcy Institute 591 ff. Anfechtungsvorbehalt 425 ff. Anordnung Eigenverwaltung 53 ff. Anzeigepflichten – Masseunzulänglichkeit 258 ff. – Nachteile Siehe Nachteilsanzeige Aufsicht, gerichtliche 362 ff. Bekanntmachung, öffentliche

113 ff., 182, 234, 606, 630 ff. Berater Siehe Sanierungsberater Beratung 133 ff., 289, 294, 551, 573 ff., 619 f. Beratungskosten 57 Beschwerde Siehe Rechtsmittel

Change of Control Klauseln 143 ff. Chapter 11 USBC 35 ff., 47, 591 f. – Estate neutral 593 – Examiner 43 f. – Reform Chapter 11 592 ff. – Trustee 37 ff. – Verwalter 35 – Vorbild für Eigenverwaltung 35 f. Debtor in possession

36 ff.

Eigenverwaltung – Anordnung 53 ff. – Aufgabenverteilung 163 ff. – Aufhebung 71 ff., 187, 190, 207, 248, 621 ff. – Beendigung 70 ff. – Eröffnungsverfahren 61 ff. – Nachträgliche Anordnung 68 f., 107 ff. – Rechtsmittel gegen (Nicht-) Anordnung 60 – Schutzschirm Siehe Schutzschirmverfahren – Vorläufige Siehe Vorläufige Eigenverwaltung – Vorteile 49 Einvernehmen 244 ff., 253 ff., 284, 381, 517, 599 ff. Ermessen 64, 69, 82, 126, 182, 184, 203, 210, 232, 235, 240, 322, 346, 363 f., 367, 419, 423, 549, 610, 618, 627 Eröffnungsbeschluss

Fortführungskosten

Siehe Kosten

Garantievertrag 454 ff., 473, 483 Gesellschaftsrechtliche Kompetenzverteilung 84 ff. Gläubigerausschuss – Arten 94 – vorläufiger 92 ff., 96, 99 ff., 122, 128, 283, 552, 561 Gläubigerautonomie 73, 92 f. 225, 231, 609 f., 627 Gläubigergleichbehandlung 120, 174, 421, 572 Gläubigerversammlung 91 – Antragsrecht 193 ff. – Einberufung 181, 193 ff., 609, 622 – Erste 104, 224 – Mehrheiten 69 Haftung Sachwalter (vorläufiger)

372 ff. – Entlastungsbeweis 384 ff., 390, 392, 479 – Insolvenzspezifische Pflichten 373 ff. – Masseverbindlichkeiten 379 ff. – Steuer- und sozialversicherungsrechtliche 394 ff. – Zahlungszusagen 448 ff.

Insolvenzgeld 412 f., 555 Insolvenzforderung 181, 278, 319, 322, 327, 413 f., 429 f. Insolvenzplan 65, 122, 133, 141, 257, 282 f., 290, 494, 506, 561 f. Insolvenztabelle 276 ff., 559 Kassenführung

210 ff. – Haftung, steuerrechtliche 433 ff. – Modifizierte 213 ff. – Umfang 212 ff. – Wirkung 217 Kopfmehrheit 69, 73 Kosten 57 f., 137, 286, Kosten des Insolvenzverfahrens 319, 488, 512

Liquiditätsplanung/-prognose

385, 390,

479

231

Stichwortverzeichnis

Masseverbindlichkeiten, Begründung von 314 ff. – Besondere Relevanz 315 f. – Eröffnungsverfahren 327 ff. – Haftung Sachwalter 380 ff. – Schutzschirmverfahren 321 ff. – Umfang 350 ff. – Zustimmungsvorbehalt 356 ff.

Nachteilsanzeige

181 ff., 248, 284, 404, 587, 600 – Adressaten 181 f. – Auslöser 183 ff. – Haftung 184 – Zeitpunkt 184, 186 Nachteilsprognose 54, 57

Prozessführung 162, 266, 304, 508 Prozesskostenhilfe 266, 304 Rechnungslegung

269 ff., 273 f., 298, 447 Rechtsmittel 60, 64, 74, 105, 233, 242, 349, 365, 368, 371 Regelinsolvenzverfahren, Übergang 78, 144, 190, 627

Sachwalter (vorläufiger) – Aktiver 206 ff., 219, 248, 256, 281, 284 ff., 578 ff. – Anfechtung 260 ff. – Anzeigepflichten 181 ff., 258 ff. – Aufsichtspflichten 168 ff. – Bestellung 81 ff. – Entlassung 369 ff. – Haftung Siehe Haftung des Sachwalters – Insolvenzplan 282 f. – Insolvenztabelle 276 – Kassenführung Siehe Kassenführung – Kenntnisstand 297 f. – Masseunzulänglichkeit 257 – Nachteilsanzeige 181 ff., 248, 284, 404, 587, 600 – Prozessführungsbefugnis 162, 266 – Prüfung von Verzeichnissen 269 ff. – Qualifikation 127 – Rechtstellung 162 – Sachwalter zur Abwicklung des Vergleichs 33 – Unabhängigkeit 102, 129 ff., 280, 289, 370, 574 ff., 619 f.

232

– Vergütung Siehe Vergütung Sachwalter – Verteilungsverzeichnis 279 – Vorschlag des Schuldners 83 ff. – Vorschlag der Gläubiger 92 ff. – Zustimmung 198 ff. Sanierungsberater 57, 133 ff., 160, 188, 286, 291 f., 563 f., 568, 577, 588, 596, 619, 641 Sanktionsmaßnahmen 366 Schlussrechnung 273, 298, 501, 513 Schuldbeitritt 460 ff. Schuldner – Aufgabenverteilung 163 ff. – Mitwirkungspflichten 176 ff. – Rechtstellung 299 ff. – Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis Siehe Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis Schutzschirmverfahren 65 ff. – Anordnung 66 – Anspruch 66 – Aufhebung 76 ff., 629 Sicherungsmaßnahmen, vorläufige 64, 210, 230 ff., 324, 329, 344, 349, 360, 396, 423 f., 547, 604, 605 Sondersachwalter 139, 619 Stimmenmehrheit 73, 621

Unterstützung des Schuldners

14, 28, 41, 58, 248, 272 ff., 288 ff., 447, 456 f., 495, 555, 560, 568, 582 f., 587, 590

Verfügungsverbot, allgemeines

62, 343, 399 Vergleichsordnung 20 ff. – Vergleichsordnung 1927 22 f. – Vergleichsordnung 1935 24 ff. Vergleichsverwalter 21, 25 ff. – Aufgaben 28 ff., 168, 294 – Aufsicht 31 f. – Haftung 31 f. – Vergütung 490 Vergütung Sachwalter 489 ff. – Abschläge 491 – Auslagen 500 – Beratungsleistungen 573 ff. – Berechnungsgrundlage 513 ff. – Festsetzung 501 ff. – Regelvergütung 490 – Sachkunde 504 – Zuschläge 491 ff.

Stichwortverzeichnis Vergütung vorläufiger Sachwalter 519 ff. – Berechnungsgrundlage 571 ff. – Sachkunde 567 ff. – Vergütungshöhe 519 ff. – Zuschläge 539 ff. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis 217, 299 ff., 401, 449, 503 – Erlöse der Insolvenzanfechtung 308 ff. – Sachwalter 306 f. – Schuldner 299 ff. Vorbehalt der Anfechtung Siehe Anfechtungsvorbehalt Vorläufige Eigenverwaltung – Aufhebung 76 ff., 627 ff. – Öffentliche Bekanntmachung 113 ff. – Vorschlag 93 ff.

Zuschläge

491 ff., 528, 539 ff., 582, 639 Zuschlagshöhe 499 Zustimmung 197 ff., 220 ff., 284, 381, 599 ff. – Anordnung von Amts wegen 223 – Außergewöhnlicher Geschäftsbetrieb 198 ff. – Personelle Wechsel 238 ff. – Weitreichende arbeitsrechtliche Entscheidungen 250 ff. Zustimmungsvorbehalt, besonderer 220 ff., 235, 359, 383, 387 f., 432, 604 ff., 609, 634 ff.

233