E-Banking im Privatkundengeschäft: Eine Analyse strategischer Handlungsfelder [1 ed.] 9783896448804, 9783896731494

Das Buch behandelt strategische Handlungsfelder für das E-Banking im Privatkundengeschäft, die in der Literatur bislang

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E-Banking im Privatkundengeschäft: Eine Analyse strategischer Handlungsfelder [1 ed.]
 9783896448804, 9783896731494

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E-Banking im Privatkundengeschäft

Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim Herausgeber: Prof. Dr. Joh. Heinr. v. Stein

Band 33

Joh. Heinr. von Stein / Holger G. Köckritz Friedrich Trautwein (Hrsg.)

E-Banking im Privatkundengeschäft Eine Analyse strategischer Handlungsfelder

Verlag Wissenschaft & Praxis

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme E-Banking im Privatkundengeschäft. Eine Analyse strategischer

Handlungsfelder/hrsg. von Joh. Heinr. von Stein ; Holger G. Köckritz; Friedrich Trautwein. - Sternenfels : Verl. Wiss, und Praxis, 2002 (Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim ; Bd. 33) ISBN 3-89673-149-1 NE: Stiftung Kreditwirtschaft : Studienreihe der Stiftung ...

ISBN 3-89673-149-1 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2002 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich ge­ schützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber­ rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und straf­ bar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mi­ kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektro­ nischen Systemen. Printed in Germany

VORWORT DES HERAUSGEBERS Mit der Studienreihe möchte die Stiftung Kreditwirtschaft wissenschaftliche Arbeiten, die an der Universität Hohenheim zu bank- und finanzwirtschaftlichen Themen entstanden sind, einem interessierten Fachpublikum zugänglich machen. Die veröffentlichten Schriften sollen Information bieten und den Gedankenaus­ tausch zwischen Universität und Praxis fordern.

Die Bankwirtschaft befindet sich in einer strukturellen Umbruchsituation. Dabei ist das E-Banking ein wesentlicher Faktor der Veränderung insbesondere des Privatkundengeschäfts, wie die jüngsten Entwicklungen im deutschen Kreditge­ werbe eindringlich vor Augen fuhren. Die großen Schwierigkeiten, vor denen gerade auf E-Banking spezialisierte Banken nach der vorangegangenen Euphorie stehen, rücken ins Bewusstsein, dass E-Banking nicht nur eine Vielzahl an Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten bietet, sondern auch zu erheblichen Problemen für die Geschäftspolitik führen kann. Der Band greift diese Entwicklung auf. Von ihren grundlegenden Feldern ausge­ hend werden zunächst technikgetriebene Marktveränderungen untersucht. Darauf aufbauend analysieren die Autoren die Konsequenzen aus dem veränderten Wettbewerbsumfeld für die Untemehmungs- und Marktpolitik von Kreditinstitu­ ten. Von den Nutzergruppen ausgehend verdeutlichen sie die Notwendigkeit einer auch hier am Nachfrageverhalten orientierten Geschäftspolitik und entwi­ ckeln eine Konzeption für ein Electronic Customer Relationship Modell. Seine Entstehung verdankt der vorliegende Band dem Hauptseminar zur Kredit­ wirtschaft im Sommersemester 2001. Die Arbeiten zeigen, dass auch in diesem Rahmen wissenschaftlich fundierte Forschung geleistet wird und gehaltvolle Arbeiten entstehen. Durch die enge Kooperation mit Praxispartnem, in diesem Fall mit der Deutsche Bank AG und dem Sparkassenverband Baden-Württem­ berg, wurde zudem ein enger Realitätsbezug hergestellt.

Ich wünsche dem neuen Band der Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft reges Interesse und fruchtbare Wirkung.

Hohenheim, im Dezember 2001 Prof. Dr. Joh. Heinr. v. Stein

INHALTSÜBERSICHT

Johann Heinrich von Stein Strategische Entwicklungsfelder im E-Banking................................................... 1

Andreas Bülow, Holger G. Köckritz

Technikgetriebene Marktveränderungen.............................................................. 7 Jan Müller, Friedrich Trautwein

E-Banking in der Unternehmungs- und Marktpolitik der Kreditinstitute........... 39

Uwe Rathausky, Friedrich Trautwein Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking ..................................... 75 Sascha Braun, Holger G. Köckritz

Konzeption des Electronic Customer Relationship Management..................... 109

JOHANN HEINRICH VON STEIN

STRATEGISCHE ENTWICKLUNGSFELDER IM E-BANKING Einleitung Der rasante Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnik ist eine der wichtigsten Veränderungskräfte in der Bankenwelt. Bankleistungen beruhen schließlich im wesentlichen auf Informationen und sind häufig standardisiert. Daher eignen sie sich besonders zur Digitalisierung und für den Einsatz elektro­ nischer Netze. In den vergangenen Jahren haben sich drei bedeutsame Entwicklungslinien des Technikeinsatzes in der Finanzdienstleistungsbranche abgezeichnet: Die Verbes­ serungen der Risikomanagementinstrumente, die Technisierung interner Prozesse sowie die Eröffnung neuartiger Vertriebswege. Dies ermöglichte es neuen Anbietern auf dem Markt für Finanzdienstleistungen Fuß zu fassen, und für die bestehenden Institute bedeutete es eine neue Dimensi­ on im Wettbewerb. So stellt das Entstehen der Direktbanken und -broker eine deutliche Verschärfung der Konkurrenz für die etablierten Institute dar. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil sie nicht durch die Kosten eines traditionellen Filialsystems und vertriebsorientiert ausgebildeter Mitarbeiter belastet sind. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an diese Unternehmungen.

In den letzten Monaten wurden nun allerdings ernüchternde Entwicklungsprog­ nosen geäußert, da mittlerweile angesichts der zahlreichen „Virtuellen Banken“ ohne Filialen und mit einem Standardproduktprogramm Konkurrenz im eigenen Lager geschaffen wurde. Mit der Insolvenz der Systracom, die als erster unab­ hängiger Onlinebroker im Herbst 2000 gestartet war, hat sich die Revolution wohl gegen ihr erstes eigenes Kind gewandt. Allerdings haben auch konzemab­ hängige Intemetbanken ihre Tätigkeit bereits eingestellt. Die Geschäftsmethoden und -prozesse des Bankgewerbes werden auch in Zu­ kunft aufgrund von Neuerungen und Verbesserungen der IKT einem ständigen Wandel ausgesetzt sein. Daher „könnten einige Banken aus Mangel an Informati­ onen, Kenntnissen oder Fähigkeiten die Risiken ihrer neuen Tätigkeitsbereiche

2

Strategische Entwicklungsfelder im E-Banking

falsch beurteilen.“1 Deshalb müssen die Kreditinstitute mögliche Strategien für ein erfolgreiches Electronic Banking Konzept sorgfältig prüfen und professionell umsetzen.

Electronic Banking Electronic Banking umfasst die Abwicklung von Geschäftsprozessen über elekt­ ronische Netze unter Einbeziehung von Banken. Der Begriff „E-Banking“ bein­ haltet in seiner umfassenden Bedeutung den Einsatz informations- und kommu­ nikationstechnischer Hilfsmittel in der Abwicklung des Bankgeschäfts und dieses selbst.2 E-Banking ist also nicht als Bankprodukt zu verstehen, sondern beschreibt die Art und Weise der Geschäftsabwicklung.

Dabei wird im weiteren Sinne zwischen Inter-Banken-Bereich, bankintemen Abläufen und der klassischen Beziehung zwischen Bank und Kunde unterschie­ den. Die folgenden Beiträge legen ihren Fokus schwerpunktmäßig auf die Aus­ prägung des Geschäfts mit Privatkunden und deshalb insbesondere auf die zunehmende Digitalisierung des Mengengeschäfts. 1 Duisenberg (2001), S. 4 2 Vgl. Köckritz (2001), S. 15

Strategische Entwicklungsfelder im E-Banking

3

Geschäftspolitische Motive des Electronic Banking Während vor einigen Jahren die Fortschritte der Informations- und Kommunika­ tionstechnik vornehmlich zur Kostenreduzierung genutzt wurden, wird heute versucht, den gesamten Geschäftsablauf technisch effizienter zu gestalten. Die Standardisierung und Digitalisierung von Bankprodukten und -dienstleistungen hat Synergiepotentiale und Effizienzgewinne begünstigt. Bei allen Vorteilen, die Electronic Banking der Finanzwelt versprach, wurden einige wichtige geschäfts­ politische Aspekte aber nicht ausreichend beachtet. Im Vordergrund geschäftspolitischer Überlegungen standen lange Zeit hauptsäch­ lich das Technikpotenzial und die Umsetzbarkeit sowie Implementierung neuer Techniken. Die einseitige Betrachtung aus dem Blickwinkel des Anbieters setzte den Bedarf und die Akzeptanz durch den Kunden für neue Techniken irrtümli­ cherweise voraus. Diese geschäftspolitische Sichtweise wird sich zu Gunsten des Kunden verändern. In zunehmendem Maße wird die Nachfragerseite bestimmen, welche Geschäftsstrategien den erhofften Erfolg liefern. Dem Electronic Banking muss folglich ein neuer Stellenwert in der Untemehmungs- und Marktpolitik eines Kreditinstitutes zugewiesen werden.

Technikgetriebene Marktveränderungen Besonders die technischen Neuerungen haben zu einer bemerkenswerten Verän­ derung im Bankenmarkt geführt. Die verbesserte Nutzung der technischen Infrastruktur hat es ermöglicht, den Kunden neue Zugangswege zu Bankleistun­ gen zu eröffnen. Die rasche Verbreitung und Akzeptanz der Endgeräte der Informations- und Kommunikationstechnik hat diesen Prozess zusätzlich begüns­ tigt. Der weitere Erfolg technischer Neuerungen wird eng einhergehen mit der Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse und -ansprüche.

Während bisher ein flächendeckendes Filialnetz Garant für eine hohe Markt­ durchdringung war und eine wirksame Marktzutritts-Barriere darstellte, können heute potentielle Wettbewerber durch E-Banking leichter in den Bankenmarkt eintreten. Ein Marktzutritt kann daher erfolgreich sein, wenn es dem Wettbewer­ ber gelingt, die Kunden von der Bedarfsgerechtigkeit seiner Leistungen und der Sicherheit der Systeme zu überzeugen.

Die Veränderungen, die durch Internet und E-Banking im Bankengewerbe hervorgerufen werden, gehen so tief wie selten zuvor. Doch auch wenn Informa­ tionen heute schneller verarbeitet und übermittelt werden, wird der Erfolg einer Unternehmung weiterhin stark von der emotional geprägten Beziehungsebene zwischen den Akteuren abhängen.

4

Strategische Entwicklungsfelder im E-Banking

E-Banking in der Unternehmungs- und Marktpolitik der Kreditinstitute

Ebenso wichtig ist die ganzheitliche, effiziente und innovative Integration der Technik in die Geschäftsstrategien der Bank. Die Untemehmungspolitik muss in ihren Überlegungen die Auswirkungen von E-Banking in für einzelne Kreditinstitute geeigneter Weise berücksichtigen. Generell gilt: während bei den reinen Direktbanken E-Banking die Basis der Gesamtstrategie bildet, sehen Universalbanken darin einen wichtigen Baustein zur Umsetzung ihrer komplexen Gesamtstrategie. Strategische Ansätze, wie z.B. Data Warehousing, MultiChannel-Management und Customer-Relationship-Management werden durch EBanking heute erfolgsorientiert und zukunftsweisend in den Geschäftsabläufen der Banken umgesetzt, um konkrete Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Für Banken ist es lebensnotwendig, sich intensiv mit ihrer technischen Positionierung und ihrem Innovations- und Technikmanagement zu beschäftigen. Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

Die technischen Veränderungen im Bankenmarkt haben durch eine erhöhte Markttransparenz zu einem Abbau der asymmetrischen Verteilung von Informa­ tionen zwischen Kunde und Bank geführt. Gleichzeitig muss die Bank den beständig zunehmenden und veränderlichen Kundenbedürfnissen gerecht werden. Dabei sind die Ansätze, die unterschiedlichen Nutzergruppen mittels Selbstseg­ mentierung im E-Banking kundenorientierter anzusprechen und zu betreuen richtungsweisend angesichts der Schwächen der klassischen Kriterien der Seg­ mentierung. Eine individuelle und personenbezogene Ansprache kann mit sol­ chen Ansätzen gefordert und der Anonymisierung des Kunden und schwächender Kundentreue entgegengewirkt werden.

Konzeption des Electronic Customer Relationship Management

Aufgrund der Homogenität der Produkte und der immer kürzeren Produktlebens­ zyklen müssen die Banken neue Strategien entwickeln, um sich von anderen Wettbewerbern zu differenzieren und Kunden an sich zu binden. Die sinkende Kundenbindung bedeutet zudem für die Kreditinstitute, dass ein Wechsel von der noch vorherrschenden Transaktionsorientierung hin zu einer klaren Kundenorien­ tierung stattfinden muss. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei, dass die Kundeorientierung nicht als Aufgabe einer funktionalen Einheit gesehen wird, sondern als unternehmerische Herausforderung in der gesamten Bank gelebt wird.

Strategische Entwicklungsfelder im E-Banking

5

Zu einer solchen systematischen Ausrichtung auf das Prinzip der Kundenorientie­ rung trägt das Customer Relationship Management wesentlich bei, indem die Einzelaktivitäten zu einem ganzheitlichen und strategischen Ansatz vereint werden. Ausblick Electronic Banking bleibt auch künftig ein wichtiges strategisches Feld für die Bankenwelt. Es wird allerdings nicht, wie ursprünglich von vielen Beobachtern angenommen, die gesamte Bankenwelt auf den Kopf stellen. Die Entwicklung des Electronic Banking hat in jüngster Vergangenheit Probleme und Widrigkeiten zu überstehen gehabt. Aus den bisherigen Erfahrungen heißt es nun, die richtigen Schlussfolgerungen und Lehren zu ziehen. Das vorliegende Werk geht dabei auf bislang nicht ausreichend beachtete Bereiche des Electronic Banking ein und liefert interessante Aspekte und Lösungsansätze für eine erfolg­ reiche Strategie auf diesem Gebiet.

Die weitere Zukunft des Electronic Banking steht dann unter einem guten Vor­ zeichen.

Strategische Entwicklungsfelder im E-Banking

Literaturverzeichnis Duisenberg, Willem F.: E-Economy: Brauchen wir künftig noch Banken?, Rede vor dem XVII. Deutschen Bankentag in Berlin am 4. April 2001, 10.12.2001, in: URL: http://www.ecb.int/key/01/sp010404_2de.htm. Köckritz, Holger G.: E-Banking: Entwicklungsstand und betriebswirtschaftliche Problemfelder, Stuttgart: Dt. Sparkassen-Verlag, 2001.

ANDREAS BÜLOW / HOLGER G. KÖCKRITZ

TECHNIKGETRIEBENE MARKTVERÄNDERUNGEN

Technikgetriebene Marktveränderungen

9

INHALTSVERZEICHNIS AB KÜRZUNGS VERZEICHNIS...................................................11 ABBILDUNGS VERZEICHNIS..................................................... 12

1

EINLEITUNG............................................................................... 13

2

GRUNDLEGUNG....................................................................... 14

3

2.1

Technische Entwicklungen............................................................... 14

2.2

Branchenstruktur-Modell nach Porter.................................................. 16

2.3

Informations- und Qualitätskosten....................................................... 18

MARKTVERÄNDERUNGEN ................................................. 21 3.1

3.2

3.3

3.4

3.5

Bedrohung durch potentielle Konkurrenten......................................... 21 3.1.1

Marktzutrittsbarrieren im Bankenmarkt..................................... 21

3.1.2

Mögliche Marktzutritte............................................................... 23

Verhalten der Nachfrager..................................................................... 24 3.2.1

Markttransparenz........................................................................ 24

3.2.2

Veränderte Kundenansprüche..................................................... 25

Anbieter im Bankmarkt........................................................................ 27

3.3.1

Veränderung der Anbieterzahl.................................................... 27

3.3.2

Effizienz und Risiken................................................................. 28

Innovationen durch E-Banking............................................................ 29

3.4.1

Individuelle Ausgestaltung von Produkten................................. 29

3.4.2

Finanzportale.............................................................................. 30

Vorleistungen........................................................................................ 31

10

Technikgetriebene Marktveränderungen

SCHLUSSBETRACHTUNG ....................................................33

4 4.1

Zusammenfassung................................................................................. 33

4.2

Fazit...................................................................................................... 34

LITERATURVERZEICHNIS......................................................... 35

Technikgetriebene Marktveränderungen

11

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ISDN

Integrated Services Digital Network

IT

Informationstechnologie

iTV

interaktives TV

HBCI

Homebanking Computer Interface

PIN

Personal Identification Number

RegTP

Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post

WAP

Wireless Application Protocol

12

Technikgetriebene Marktveränderungen

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1:

Internet Nutzer und PCs in Deutschland........................... 14

Abbildung 2:

Branchenstruktur-Modell nach Porter............................... 16

Abbildung 3:

Entwicklung der Bank-Zweigstellen in Deutschland....... 21

Abbildung 4:

Internet Nutzung (E-Banking Nutzer)............................... 25

Abbildung 5:

Einschätzung der Vorteile von E-Banking........................ 26

Technikgetriebene Marktveränderungen

13

1 Einleitung Thema und Ziel

Ziel des vorliegenden Beitrags ist die Beschreibung und Analyse von Verände­ rungen im Bankmarkt, die auf die Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnik zurückzufuhren sind. Im Mittelpunkt dieser Betrachtung steht das mit der rasanten Entwicklung des Internet verbundene E-Banking. Die sich aus den Veränderungen ergebenden strategischen Implikationen, sind nicht Gegenstand dieser Abhandlung. Betrachteter Markt

Im Rahmen dieses Beitrages werden als Bankgeschäfte alle Produkte und Dienst­ leistungen definiert, bei denen es um die Aufnahme, die Anlage oder den Trans­ port von Geld geht1. Um die Betrachtung zu erleichtern, werden die Bankgeschäfte zu einem gemeinsamen Markt zusammengefasst, der mit Bankmarkt bezeichnet wird. Die Betrachtung stellt dabei auf den Bankmarkt in Deutschland ab2. Technikgetriebene Marktveränderungen Marktveränderungen sind Veränderungen an Strukturen oder grundlegenden Prozessen in einem Markt. Sie können Auswirkungen auf die Rentabilität von Investitionen und den Erfolg von Strategien auf einem Markt haben. Von tech­ nikgetriebenen Veränderungen spricht man, wenn deren Ursache im technischem Fortschritt zu sehen sind. Vorgehensweise In Kapitel 2 werden zunächst die technischen Entwicklungstrends dargestellt, die zu möglichen Marktveränderungen führen können. Danach wird das Branchen­ struktur-Modell nach Porter vorgestellt, das für einen Markt verschiedene Struk­ turmerkmale festgelegt. In Kapitel 3 folgt die Analyse der Marktveränderungen anhand der im Porterschen Modell beschriebenen Merkmale. Kapitel 4 fasst die Ergebnisse zusammen und gibt einen Ausblick. 1 2

Vgl. Paul (2000), S. 1214 Zu einer europäischen Strategie der Deutschen Bank 24 AG siehe Lamberti (2001), S. 466ff.

14

Technikgetriebene Marktveränderungen

2 Grundlegung

2.1

Technische Entwicklungen

Im Zusammenhang mit dem Bankmarkt sind vor allem die technischen Neuerun­ gen interessant, durch die Zugangswege zum Kunden oder zur Bank berührt werden. Zu dieser Kategorie zählen die Verbreitung und verbesserte Nutzbarkeit des Internet, aber auch Mobile Banking oder der Zugangsweg via iTV. In jüngs­ ter Zeit werden sogar Datenverbindungen über das Stromnetz möglich3. Mit diesen neuen Zugangswegen eng verbunden ist die Absicherung der persönlichen Kundendaten vor Missbrauch. Beispiele für diesen Bereich technischer Neuerun­ gen sind der HBCI-Standard oder die Neuerungen auf dem Gebiet der Biometrik. Allerdings ist nicht alleine die technische Möglichkeit interessant, sondern vielmehr das tatsächliche Nutzungsverhalten der Kunden in der vorhandenen technischen Infrastruktur. Letztere Determinante bestimmt, ob der Kunde tech­ nisch in der Lage ist, neue Möglichkeiten des Banking zu nutzen, erstere ent­ scheidet, ob der Kunde dies zu nutzen bereit ist.

Technische Infrastruktur Eine wichtige Rolle spielt dabei die technische Ausstattung der privaten Haushal­ te. In den letzten Jahren ist hier eine stetige Verbesserung bei der PC-Ausstattung zu beobachten sowie eine Zunahme in der Nutzung des Internet.

Abbildung 1: 3 4

Internet Nutzer und PCs in Deutschland*

So bietet zum Beispiel die EnBW auf ihrer Homepage einen Intemetzugang via Stromnetz an. Vgl. BITKOM (2001), S. 10 und S. 13

Technikgetriebene Marktveränderungen

15

Damit neue Zugangswege vom Kunden in Betracht gezogen werden, müssen sie für ihn bequem nutzbar sein. Eine wichtige Rolle dabei spielen schnelle Daten­ verbindungen, beispielsweise ISDN5. Interessant für den Kunden sind dabei vor allem solche Techniken, die ein Minimum an Umrüstung und neuen Kenntnissen erfordern. Im Bereich der mobilen Kommunikation sind ferner eine umfassende Netzabdeckung wichtig sowie die Möglichkeit, Bankgeschäfte auch aus dem Ausland durchzuführen. Im vergangenen Jahr verzeichnete die mobile Kommu­ nikation den stärksten Zuwachs mit +105%6. Ein wesentlicher Faktor für die verbesserte Nutzung der technischen Infrastruktur sind die Preissenkungen seit 1997, im Festnetz wie auch in den Mobilfunknetzen. Tatsächliche Nutzung von Zugangswegen

Angaben der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) zufolge, nutzen Ende 2000 etwa 2,5 Mio. Mobilfunk-Teilnehmer das Wireless Application Protocol (WAP)7. Dies entspricht 5% aller Mobilfunkteilnehmer in Deutschland. Zur Zeit nutzen etwa 10% der Bankkunden die oben beschriebenen neuen Zugangswege zu Banken, knapp 90% vertrauen nach wie vor auf die Filiale als Zugangsweg8. Unter den neuen Medien sind Telefon- und InternetBanking die beliebtesten Zugangswege. Derzeit noch keine Bedeutung als Zu­ gangsweg hat das interaktive Fernsehen. Außerdem ist zu beobachten, dass einige Direktbanken begonnen haben, in verschiedenen Städten Kundenservice-Center einzurichten. Im Folgenden wird aufgrund seiner bereits breiten Akzeptanz bei den Kunden vor allem auf das Internet als neuem Zugangsweg eingegangen.

Ausblick In Zukunft werden die neuen Zugangswege weiter an Bedeutung gewinnen, zu Lasten der traditionellen Filiale. Großes Potential hat dabei das interaktive Fern­ sehen. Einerseits sind in Deutschland etwa 60% der Haushalte an das Kabel-TVNetz angeschlossen, andererseits wird interaktives Fernsehen noch wenig ge­ nutzt9. Das Internet als Zugangs- und Kommunikationsweg wird sicherlich an Bedeutung weiter zunehmen. Ausschlaggebend für den Erfolg eines E-BankingAngebots dürfte dabei die Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse und ansprüche sein. 5 6 7 8 9

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BITKOM (2001), S. 6 ff. für eine ausführliche Darstellung RegTP (2000), S. 19 RegTP (2000), S. 20 Deutsche Bank Research (2001), S. 6 European Banking, S. 157

16

2.2

Technikgetriebene Marktveränderungen

Branchenstruktur-Modell nach Porter

Für die Analyse der Marktveränderungen wird das Branchenstruktur-Modell von Porter zu Grunde gelegt10. Ursprünglich sollte mit dem Modell die Wettbewerbs­ intensität in einem Markt gemessen werden. Dazu wurden die strukturellen Merkmale einer Branche untersucht. Dies schließt sowohl die Umwelt-Faktoren als auch das Binnengefüge der Branche ein. In diesem Beitrag werden die Struk­ turmerkmale jedoch als Eckpunkte des Bankmarktes betrachtet, um die Markt­ veränderungen durch die technische Entwicklung strukturiert aufzeigen zu können. Märkte werden im Branchenstruktur-Modell durch fünf Merkmale definiert11. Ändern sich Elemente der Struktur-Merkmale, so liegen Marktverän­ derungen vor. Graphisch stellt sich das Modell wie folgt dar. Die Zahlen in Klammem beziehen sich dabei auf das jeweilige Kapitel dieses Beitrags.

Abbildung 2:

10 11 12

Branchenstruktur-Modell nach Porter'2

Im Verlaufe dieses Beitrags wird der Begriff Markt synonym zum Begriff Branche verwendet. Vgl. Porter (1992), S.26ff. Vgl. Porter (1992), S. 26

Technikgetriebene Marktveränderungen

17

Bedrohung durch potentielle Konkurrenten Wesentlich für das Ausmaß der Bedrohung bereits am Markt agierender Unter­ nehmungen sind Marktzutrittsbarrieren. Sie beeinflussen den Wettbewerbs­ druck, der von potentiellen Anbietern ausgeht. Im Rahmen der Analyse technik­ getriebener Marktveränderungen ist dieser Punkt von Bedeutung, weil neue Technik zumeist auch neue Möglichkeiten des Marktzutritts schafft. Dieses Merkmal ist eng verknüpft mit dem weiter unten beschriebenen Merkmal des Anbieterverhaltens.

Verhalten der Nachfrager Hier werden die wechselseitigen Einflüsse von technischer Neuerung und Kun­ denverhalten beschrieben. Interessante Fragen sind in diesem Zusammenhang, ob technische Neuerungen vom Kunden angenommen werden, und wenn ja, welche Verbesserungen sich für ihn durch die Nutzung ergeben. Solche Verbes­ serungen könnte ein bequemerer Zugang sein, aber auch Informations- und Suchkostenerspamisse oder der Aufbau von Nachfragermacht durch die Mög­ lichkeiten der Kommunikation mit anderen Bankkunden. Anbieter im Bankmarkt Bei diesem Merkmal werden Anbieterzahl und Anbieterverhalten untersucht. Anhand der Entwicklung der Anbieterzahlen kann beurteilt werden, ob die Unternehmungen einem Zwang zur Größe unterliegen oder nicht. Beim Anbie­ terverhalten sind vor allem die Produktgestaltung, die Auswirkungen etwaiger Veränderungen beim Nachfragerverhalten und Veränderungen der Effizienz zu betrachten. Da die technische Entwicklung neben Chancen auch Risiken birgt, ist zu untersuchen, welchen neuen Risiken sich die Anbieter gegenüber sehen.

Bedrohung durch innovative Produkte Aufgrund der technischen Entwicklung besteht die Gefahr, dass Produkte und Dienstleistungen technisch realisierbar werden, die durch bessere Eigenschaften bestehende Angebote vom Markt verdrängen könnten. Damit könnte sich eine Bank, die frühzeitig innovative und von den Kunden gewünschte Produkte anbietet, im Markt gegenüber den Banken mit langsamerer Anpassung verbes­ sern.

18

Technikgetriebene Marktveränderungen

Vorleistungen Durch die technische Entwicklung werden Banken zunehmend von Vorleistun­ gen abhängig. Dazu zählen vor allem Informationen über Kundengruppen, Bedürfnisse und Nachfrageverhalten. Es wird also zu betrachten sein, wie sich die Informations- und Kommunikationstechnik auf die Informationsbeschaffung und -Verarbeitung bei den Banken auswirkt. Außerdem ist in diesem Zusammen­ hang interessant, wie die Banken die notwendige technische Infrastruktur aufbauen.

Übertragbarkeit auf Veränderungen im Bankmarkt Es ist weiter kritisch zu diskutieren, ob sich das Modell von Porter für eine Analyse von Marktveränderungen in der Finanzdienstleistungsbranche eignet. Im Branchenstruktur-Modell werden fünf Strukturmerkmale eines Marktes beschrie­ ben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass über diese Merkmale ein Markt darstellbar ist. Verändert sich nun einer dieser Parameter, so kann man von einer Marktveränderung sprechen. Ist die beobachtete Veränderung auf die technische Entwicklung zurückzufuhren, so handelt es sich um eine technikgetriebene Veränderung. Betrachtet man also die von Porter dargestellten Merkmale und wie sie sich aufgrund der technischen Entwicklung verändern, so beschreibt man folgerichtig technikgetriebene Marktveränderungen. Der Bankmarkt selber wird durch verschiedene Elemente gekennzeichnet, die alle einem der oben genannten Strukturmerkmale zugeordnet werden können. Er kann insofern durch das Bran­ chenstruktur-Modell dargestellt werden. Daher ist es möglich, die Veränderungen im Bankmarkt aufgrund der Weiterentwicklung der Informations- und Kommu­ nikationstechnik mit dem Branchenstruktur-Modell darzustellen.

2.3

Informations- und Qualitätskosten

Bankdienstleistungen zeichnen sich durch ihre Immaterialität und Erklärungsbe­ dürftigkeit aus. Der Bankkunde muss also verlässliche Informationen über die Bankdienstleistung beschaffen können, um sich seinen Präferenzen gemäß entscheiden zu können. Insofern ist also auch die Frage zu stellen, wie sich technische Neuerungen auf die Informationsbeschaffung auswirken und wie Banken ihre Leistungen in der Qualität erkennbar signalisieren und differenzieren können.

Technikgetriebene Marktveränderungen

19

Externe Effekte und asymmetrische Informationsverteilung Die technischen Neuerungen, vor allem das Internet stellen dem Bankkunden eine Fülle von Informationen zur Verfügung, die er Tag und Nacht nutzen kann, das heißt: anytime and anywhere. Dies führt zu einer wesentlichen Senkung der Informationssuchkosten. Außerdem werden durch die Informationssuche des einzelnen Bankkunden positive externe Effekte für andere Bankkunden erzeugt. Dies geschieht zum Beispiel in News-Foren oder an „schwarzen Brettern“. Dadurch werden dem Einzelnen wesentlich mehr Informationen zugänglich und die Kosten der Informationssuche verringern sich für diesen Kunden. Problema­ tisch ist allerdings, dass beim Vorliegen positiver externer Effekte eine Menge an Informationen erzeugt wird, die geringer ist als die eigentlich effiziente Menge.

Aufgrund der Komplexität der Bankleistungen haben Banken bei einigen Produk­ ten allerdings einen natürlichen Informationsvorsprung vor ihren Kunden. Gleichzeitig haben die Kunden bei anderen Leistungen, beispielsweise Krediten einen Informationsvorsprung13. Es liegen also auf beiden Seiten asymmetrische Informationen vor. Im Folgenden sei der Informationsvorsprung der Kunden vernachlässigt. Der Informationsvorsprung der Banken ist einerseits auf Informa­ tionsskaleneffekte zurückzufuhren. Sie entstehen, weil die Banken häufiger als ihre Kunden gleichartige Transaktionen durchführen und mithin einen bessere Detailkenntnis für die einzelne Transaktion vorweisen können. Außerdem erlan­ gen die Banken im Rahmen des Entwicklungsprozesses zahlreiche Informationen über die Bankleistung, die dem außenstehenden Kunden nicht zugänglich sind.14 Der Kunde ist also gezwungen, entweder hohe Kosten auf sich zu nehmen, um diese Informationen zu erhalten oder er muss auf die Qualität der Informationen vertrauen, die ihm von der Bank angeboten werden. Qualität von Informationen

Die Menge an Informationen, die dem einzelnen Bankkunden zur Verfügung stehen wächst durch die technische Entwicklung. Außerdem bieten die Banken immer komplexere und individuell ausgestaltbare Bankleistungen an. Daher steigen für die Kunden die Kosten der Qualitätskontrolle und Qualitätsiriformati­ onen gewinnen zunehmend an Wert für die Kunden. Das heißt, einerseits sinken die Informationssuchkosten, andererseits steigen die Kosten für die Kontrolle der Qualität der Informationen. Für den Kunden bringt die technische Entwick-

13 14

Vgl. Büschgen (1998), S. 927 Siehe hierzu die Versuche diese Informationen dem Markt in preislich abgegoltener Form zur Verfügung zu stellen. Dadurch entstehen für Kreditinstitute „neue“ Geschäftsfelder.

20

Technikgetriebene Marktveränderungen

lung also nur dann eine Verbesserung für seinen Informationsgrad, wenn die Informationssuchkosten stärker sinken als die Kosten der Qualitätskontrolle steigen15.

Für Banken wird es also wichtiger den je, Signale über die Qualität ihrer Leistun­ gen zu senden. Dies dient dazu, Anbieter guter und Anbieter schlechter Qualität voneinander unterscheiden zu können. Als Signal wirkt dabei nur etwas, das nur von Anbietern guter Qualität gesendet werden und nicht von Anbietern schlechter Qualität imitiert werden kann. Ein klassisches Beispiel ist die Garantie. Sendet eine Bank also ein solches Signal, so kann der Bankkunde die Kosten seiner Qualitätskontrolle erheblich senken, weil er weiß, dass nur eine Bank mit Leis­ tungen guter Qualität ein solches Signal schicken kann. Anwendung der dargestellten Konzepte

Die oben dargestellten Überlegungen werden nicht in einem eigenen Kapitel auf die Veränderungen des Bankmarktes durch die technische Entwicklung ange­ wendet. Vielmehr werden innerhalb der Branchenstruktur-Analyse bei den einzelnen Elementen die Auswirkungen der technischen Entwicklung auf die Informationssuchkosten bzw. die Kosten der Qualitätskontrolle aufgezeigt.

15

Vgl. Vahrenkamp (1991) für eine weitergehende Erörterung

Technikgetriebene Marktveränderungen

21

3 Marktveränderungen

Bedrohung durch potentielle Konkurrenten

3.1 3.1.1

Marktzutrittsbarrieren im Bankenmarkt

Marktzutrittsbarrieren sind Gegebenheiten auf einem Markt, die den Markteintritt neuer Wettbewerber behindern16. Sie sind somit wesentliche Elemente der Markt­ struktur. Nicht dazu gezählt werden bürokratische Hürden, wie zum Beispiel Lizenzen oder eine Geschäftsbetriebserlaubnis. Dies hat seinen Grund darin, dass solche Hürden überwunden werden können, indem bestimmte rechtliche Voraus­ setzungen erfüllt werden17. Flächendeckendes Filialnetz Bisher stellten Filialen die einzige Möglichkeit dar, Kunden im PrivatkundenGeschäft zu erreichen. Der Aufbau eines flächendeckenden Filialnetzes war daher notwendig, um Produkte und Dienstleistungen überhaupt verkaufen zu können. Der Aufbau eines solchen Netzes ist für potentielle Anbieter mit enormen Investi­ tionen verbunden und stellt eine sehr wirksame Marktzutrittsbarriere dar. Mit der technischen Entwicklung verliert dieses Netz jedoch zunehmend an Bedeutung, weil das Filialnetz teilweise durch weitere Zugänge substituiert werden kann. Die Entwicklung ist in der folgenden Tabelle für einige Banken aufgezeigt.

^Genossenschaften

j Kreissparkassen ^Großbanken ^Gesamtzahl

Abbildung 3:

16 17 18

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Entwicklung der Bank-Zweigstellen in Deutschland™

Vgl. Baumöl, Panzar, Willig (1982), S. 4f., S. 282ff. Siehe dazu die bankregulatorischen Vorschriften des Kreditwesengesetzes (KWG) Vgl. Bundesbank (2001)

22

Technikgetriebene Marktveränderungen

Es ist erkennbar, dass die Großbanken als diejenigen, die als erstes E-Banking implementiert haben, prozentual am meisten Filialen abbauen. Die Gründe für diese Entwicklung sind einerseits die zeitliche und räumliche Unabhängigkeit des E-Banking. Um Kunden zu erreichen, ist eine physische Präsenz nicht mehr für alle Bankleistungen notwendig. Außerdem kann mit den E-Banking Programmen eine ähnliche Funktionalität wie in einer Filiale angeboten werden. Der Bau von Filialen ist für einen erfolgversprechenden Marktzutritt also nicht mehr notwen­ dig. Dadurch verliert die Marktzutrittsbarriere Filialnetz empfindlich an Bedeu­ tung und potentielle Wettbewerber können leichter in den Bankmarkt eintreten19. Vertrauen Die Zutritt eines neuen Marktteilnehmers ist dann erfolgreich, wenn es ihm gelingt, die Kunden von seiner Qualität und der Sicherheit seiner Systeme zu überzeugen. Dabei steigt die Bedeutung der Sicherheit für das Vertrauen des Kunden bei zunehmendem Einsatz elektronischer Zugangswege. Wie oben dargestellt, sieht sich der Kunde mit steigenden Kosten der Qualitätskontrolle konfrontiert. Um diese Kosten zu senken, muss beim Kunden Vertrauen aufge­ baut werden. Vertrauen in die Bank stellt somit eine Marktzutrittsbarriere dar20.

Es ist möglich, verschiedene neue Zugangswege über Sicherheitsstandards zu schützen, beispielsweise durch den HBCI-Standard für E-Banking. Solche Maß­ nahmen sind für den Kunden sichtbar, weil er zumeist daran mitwirkt, zum Beispiel, indem er eine PIN eingibt. Die Sicherheit des e-Banking wird nach einer Umfrage des Bundesverbandes deutscher Banken im Oktober 2000 von 86% der Online-Banking Nutzer und von 51% der Intemetnutzer für sicher gehalten21. Einem neuen Marktteilnehmer kann es allerdings schwerer fallen, beim Kunden Vertrauen in seine Kompetenz zu erzeugen. Es wird jedoch einfacher, die Quali­ tät der eigenen Produkte einer breiten Öffentlichkeit durch die neuen Zugangs­ wege zu signalisieren. Außerdem fällt es den Kunden leichter, die Angebote des eintretenden Marktteilnehmers zu überprüfen. Schließlich ist jeder neue Anbieter im Bankmarkt einem starken Wettbewerb ausgesetzt. Um sich also erfolgreich im Markt positionieren zu können, muss er gute Qualität zu niedrigen Preisen anbieten, um Kunden zu gewinnen und zu halten. Dies geht einher mit einer Stärkung der Position der Bankkunden. Die Überwindung der Marktzutrittsbar­ riere Vertrauen wird mithin ein wenig erleichtert, wenngleich die Überwindung dieser Barriere entscheidend ist für den Erfolg eines neuen Anbieters. 19 20 21

Bundesverband deutscher Banken (2001), S. 20f.; Köckritz (2001a), S.47, 66 Vgl. Höper (2000), S. 396 Siehe Blitz-Demoskopie (10/2000), S. 3

Technikgetriebene Marktveränderungen

3.1.2

23

Mögliche Marktzutritte

Aufgrund der gesunkenen Marktzutrittsbarrieren ist es für neue Wettbewerber tendenziell einfacher, in den deutschen Bankmarkt einzutreten. Es wird nun untersucht, welche Marktzutritte aufgrund der technischen Entwicklung möglich werden. Als potentielle Anbieter kommen dabei einerseits Banken und andere Finanzdienstleister und andererseits Nicht-Banken in Frage22.

Banken und andere Finanzdienstleister In dieser Gruppe muss zwischen jenen Unternehmungen unterschieden werden, die als Neugründungen in den Markt eintreten und solchen, die bereits an anderen Bankmärkten agieren und nun auch in Deutschland anbieten können. Für neuge­ gründete Unternehmungen können für die letzten Jahre eine Reihe von Beispielen angeführt werden. Hier sind vor allem Direktbanken und so genannte virtuelle Banken zu nennen. Virtuelle Banken sind solche Häuser, die nur im Internet „existieren“23. Deren Eintritte stellen eine wesentliche Veränderung der Markt­ struktur, vor allem im Wertpapier-Geschäft mit Privatkunden dar. Durch die geringeren Overheadkosten können diese Unternehmungen preisgünstig anbieten. Banken, die noch nicht in Deutschland anbieten, können im Prinzip über das Internet nach Deutschland expandieren, indem sie eine Homepage anbieten, die auf deutsche Verhältnisse zugeschnitten ist. Das gleiche gilt auch für deutsche Banken und deren Expansion ins Ausland. Diese veränderte strategische Situation zeigt eine grundlegende Markveränderung auf. Nicht-Banken Dies sind Unternehmungen, für die das Bankgeschäft nicht zum Kemgeschäft gehört. Eine Gruppe in diesem Bereich sind Unternehmungen aus der Informati­ ons- und Kommunikationsbranche. Ihre Stärken liegen im effizienten Einsatz moderner Technik, sie bieten keine eigenen Bankprodukte an. Vielmehr bieten sie eine Plattform für die Produkte von Banken und Finanzdienstleistem und schaffen für die Kunden Transparenz. Der Markteintritt dieser Unternehmungen erhöht somit den Wettbewerbsdruck auf die bereits vertretenen Anbieter24. Eine andere Gruppe von Nicht-Banken sind Industrieuntemehmungen. Ein Beispiel dafür ist Volkswagen mit seiner Tochter VW Financial Services. Ur­ 22

23 24

In der Literatur werden häufig die englischen Begriffe „Banks“ für Banken, „Near-Banks“ für andere Finanzdienstleister und „Non-Banks“ für Nicht-Banken verwendet. Vgl. Chou & Chou (2000), S. 53f. Vgl. Deutsche Bank Research (2000), S. 22

24

Technikgetriebene Marktveränderungen

sprünglich wurde diese Tochter aufgebaut, um Finanzierungen im Zusammen­ hang mit dem Kauf von Kraftfahrzeugen anbieten zu können. Mittlerweile bietet die „Volkswagen-Bank“ im Internet aber auch ein umfangreiches Sortiment an klassischen Bankprodukten an, so beispielsweise Tagesgeld, Kredite, Investment­ fonds oder Kreditkarten.

Zwischenfazit E-Banking erleichtert neuen Wettbewerbern grundsätzlich den Marktzutritt. Ursachen für diese Entwicklung sind die durch das Internet und E-Banking gesunkenen Marktzutrittsbarrieren. Zu nennen sind hier vor allem die gesunkene Bedeutung des Filialnetzes und die Möglichkeiten zur Vertrauensbildung im Internet. Im Jahr 2000 waren auf dem deutschen Bankenmarkt 25 Neugründun­ gen zu verzeichnen, darunter neun Kapitalanlagegesellschaften, acht Regional­ banken und sechs Zweigstellen ausländischer Banken25. Die bereits am Markt vertretenen Banken haben ebenfalls auf die Entwicklung reagiert und in den vergangenen Jahren eigene Direktbanken gegründet. Um den technischen Verän­ derungen gewachsen zu sein, streben viele am Markt tätigen Banken nach Tech­ nologie- und Innovationsführerschaft26. Dadurch entwickelt sich die technische Kompetenz und das Know-How der Banken zu einer neuen Marktzutrittsbarrie­ re27. Somit lässt sich zeigen, dass eine „neue“ Form der Marktzutrittsbarrieren entstanden ist. Inwiefern sich nun der Markzutritt insgesamt erleichtert hat, muss im Sinne einer Trade-off-Analyse weiteren Untersuchungen zugeführt werden und kann daher nicht abschließend beurteilt werden.

Verhalten der Nachfrager

3.2 3.2.1

Markttransparenz

Transparenz bezeichnet die Möglichkeit der Marktteilnehmer, Angebot und Nachfrage überblicken und vergleichen zu können. Die Betrachtung bezieht sich an dieser Stelle jedoch nur auf die Nachfrager, also die Bankkunden. Bei hoher Transparenz auf einem Markt sind die Kunden in der Lage, die Angebote ver­ schiedener Banken relativ schnell und mit geringen Kosten zu vergleichen. Für die Anbieter nimmt dadurch der Kosten- und Leistungsdruck zu. Ohne das

25 26 27

Vgl. Bundesbank (2001) Die Deutsche Bank hat für diesen Zweck eine eigene Abteilung Global Technologies aufgebaut. Vgl. Thiele (1998), S. 10

Technikgetriebene Marktveränderungen

25

Internet stehen Ihformationen nicht jederzeit und nur zu hohen Kosten zur Verfü­ gung, weil die Kunden zu verschiedenen Banken gehen müssen oder auf Verglei­ che von Verbraucherschutz-Organisationen angewiesen sind. Mit E-Banking jedoch stehen Informationen über Bankprodukte und -dienstleistungen jederzeit zur Verfügung28. Dies senkt die Informationssuchkosten wie bereits oben darge­ stellt und erleichtert den Vergleich von verschiedener Angebote. Jedoch bleiben die oben erwähnten Probleme der Beschaffung von Qualitätsinformationen bestehen. Wie die folgende Graphik zeigt, ist der Preisvergleich für Nutzer von E-Banking noch eine wesentliche Funktion des Internet.

3.2.2

Veränderte Kundenansprüche

Das Wesen der Bankprodukte und -dienstleistungen verändert sich durch EBanking nicht, nach wie vor geht es um die Aufnahme, die Anlage und den Transport von Geld. Wie oben gesehen, erhöht E-Banking die Markttransparenz für die Kunden. Vor allem aber schafft E-Banking aus Kundensicht ein großes Maß an Bequemlichkeit und Zeitersparnis30.

28 29 30

Vgl. Deutsche Bank Research (2000), S. 9 Vgl. Bundesverband deutscher Banken (2000) Vgl. Utzig (2001), S. 367

26

Technikgetriebene Marktveränderungen

Bequemlichkeit umfasst dabei den Komfort, seine Bankgeschäft von zu Hause aus erledigen zu können sowie die Möglichkeit verschiedene Konten bei ver­ schiedenen Banken problemlos zu verwalten31. Wie oben beschrieben, sinken zwar einerseits die Informationskosten, andererseits steigen dagegen die Quali­ tätskosten. Dieser Marktveränderung können die Banken begegnen, indem sie Signale senden oder anreizkompatible Verträge erstellen. Beide Maßnahmen können so gestaltet werden, dass sie auch über die neuen Zugangswege zur Verfügung stehen. Damit erfüllen die Banken nicht nur die Bedürfnisse der Kunden nach qualitativ hochwertigen Bankleistungen, sondern sie schaffen darüber hinaus einen Mehrwert in Form von Vertrauen der Kunden. Wie oben gesehen, kann dadurch eine Marktzutrittsbarriere aufgebaut werden. Gleichzeitig wird dadurch auch die Loyalität der Kunden gestärkt, ein wesentlicher Erfolgs­ faktor im Internet32. Wie die Vorteile des E-Banking eingeschätzt werden, stellt das folgende Schaubild dar.

Abbildung 5:

Einschätzung der Vorteile von E-Banking^

Es bleibt festzuhalten, dass der Wettbewerb im Bankmarkt durch die Verände­ rungen des Nachfragerverhaltens an Schärfe gewonnen hat. Für die Nachfrager bringt dies eine Verbesserung ihrer Markmacht (vgl. Beitrag Rathausky/Trautwein, Kapitel 3 Nachfrage verhalten im E-Banking). Dies stellt eine einschneidende Marktveränderung dar.

31 32 33

VgL Deutsche Bank Research (2000), S. 7 Vgl. Jacob, Knirsch, Turturica (2001), S. 122 Vgl. ComCult Branchenreport (2000), S. 27

Technikgetriebene Marktveränderungen

27

Anbieter im Bankmarkt

3.3 3.3.1

Veränderung der Anbieterzahl

Die Anbieterzahl ist ein Strukturmerkmal des Bankmarktes. Wie oben bereits erwähnt lässt sie Rückschlüsse auf mögliche Tendenzen bei der Größe der Anbie­ ter zu. Sinkende Anzahl an Anbietern im Bankmarkt Der deutsche Bankmarkt ist in den letzten Jahren durch sinkende Anbieterzahlen gekennzeichnet. Seit 1995 sank der Bestand an Kreditinstituten um 16%34. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist der durch den technischen Wandel zunehmende Wettbewerbsdruck. Einen zusätzlichen Impetus erhält die Entwick­ lung durch die Tatsache, dass Deutschland im europäischen Vergleich seit Jahren als „overbanked“ gilt35. Die Zahl der Großbanken änderte sich in den vergange­ nen Jahren abgesehen vom Eintritt der HypoVereinsbank nicht. In 2000 entfielen nahezu 95% aller Abgänge auf Fusionen bzw. Übernahmen, etwa 85% davon unter den Genossenschaften. Es ist allerdings nicht klar abgrenzbar, in wie weit diese Entwicklung alleine auf die technische Entwicklung zurückgeführt werden kann. Um dem Wettbewerbsdruck standhalten zu können, wird sich in Zukunft die Zahl der kleinen Banken durch Zusammenschlüsse verringern. Der damit verbundene Aufbau von Größe wird die für Deutschland typischen kleinen Genossenschaftsbanken und Sparkassen in ihrem Wesen nachhaltig verändern. Die Markzutritte betrafen vor allem Kapitalanlagegesellschaften, Regionalban­ ken, und die Zweigstellen ausländischer Banken. Letztere machten 26% der Neuzugänge aus. Dieses Ergebnis mag auf den ersten Blick paradox wirken: Einerseits sinken die Markzutritts-Barrieren, andererseits sinkt auch die Zahl der Kreditinstitute, d.h. die Konzentration nimmt zu. Allerdings ist der starke Rückgang in der Anzahl an Kreditinstituten vor allem auf Fusionen im Genossenschaftssektor zurückzufüh­ ren. Mithin ist also lediglich die durchschnittliche Größe der Anbieter gestiegen.

34 35

Zahlen siehe Bundesbank (2001), Anlage 1, S. 4 Vgl. Deutsche Bank Research (2000), S. 27

28

Technikgetriebene Marktveränderungen

3.3.2

Effizienz und Risiken

Effizienzsteigerungen Durch Kostensenkungen, vor allem durch economies of scale, können die Banken ihre Effizienz steigern36. Dabei soll durch die Technik nicht wie in der Vergan­ genheit nur die internen Prozesse effizienter gestaltet werden, sondern das gesam­ te Spektrum des Bankgeschäfts37. Vor allem die Tendenz zur Standardisierung von Produkten bringt für die Banken erhebliche Effizienzvorteile mit sich. Bei hoch-standardisierten Produkte sinkt jedoch auch die Kundenbindung sehr stark. Die Banken müssen also die Effizienzsteigerungen in Einklang mit dem Erhalt von Kundenbindungen bringen. Investitionen und Innovationszyklen Durch den technischen Fortschritt werden die Systeme immer komplexer und damit auch deutlich teurer. Die Investitionen sind jedoch notwendig, um dem steigenden Wettbewerbsdruck standhalten zu können. Durch die raschen Verän­ derungen unterliegen die Unternehmungen in ihren Entscheidungen zusätzlich einem gewissen Zeitdruck. Sie sind also bei den hohen und notwendigen Investi­ tionen hoher Unsicherheit ausgesetzt38. So kann es vorkommen, dass Produkte am Ende ihrer Entwicklung nicht mehr abgesetzt werden können, weil sich die Präferenzen der Kunden geändert haben. Diese Unsicherheiten gelten vor allem für Banken, die eine Rolle als Technologie- oder Innovationsführer anstreben.

Zunehmende Risiken für die Banken Die Veränderungen durch E-Banking erhöhen im Bankmarkt Transparenz, Wettbewerbsdruck und Kundenorientierung. Sie erhöhen aber auch die Risiken für die Banken. Vor allem die Gefahr, mit Konkurrenten technisch nicht mithal­ ten zu können birgt ein großes strategisches Risikopotential für die Banken. Die notwendigen Investitionsentscheidungen müssen jedoch schnell und sinnvoll getroffen werden. Auch die operativen Risiken erhöhen sich durch E-Banking, beispielsweise durch die Gewährleistung eines sicheren elektronischen Zahlungs­ verkehrs. Auch zahlreiche andere Risikofaktoren treten durch E-Banking hinzu,

36 37 38

Vgl, Chou & Chou (2000), S. 55 Vgl. Köckritz (2001a), S. 9ff. Vgl. Utzig (2001), S. 370

Technikgetriebene Marktveränderungen

29

sollen hier aber nicht erörtert werden39. Der Bankmarkt ändert sich in seinen technischen Rahmenbedingungen somit ständig und setzt die Anbieter kontinu­ ierlich Marktveränderungen aus. Zum Teil sind diese Änderungen sogar auf die strategischen Entscheidungen seitens der Anbieter zurückzufuhren, zum Beispiel die Konzentration auf eine bestimmte Technik.

Innovationen durch E-Banking

3.4

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, welche Innovationen durch EBanking entstehen und wie sich der Markt dadurch verändert. Der Begriff der Innovation umfasst dabei neue Produkte und Geschäftsmodelle. Bei der Produkt­ gestaltung spielt zunehmend Individualität, d.h. die Abstimmung auf die Bedürf­ nisse eines bestimmten Kunden, eine große Rolle. Dieser Zusammenhang wird als erstes betrachtet. Eine Innovation, die unmittelbar auf E-Banking zurückgefuhrt werden kann, ist die Geschäftsmodellentwicklung von Finanzportalen. Sie wird als zweites genauer dargestellt. 3.4.1

Individuelle Ausgestaltung von Produkten

Die Informations- und Kommunikationstechnik ermöglicht den Banken ein weites Feld an Produktinnovationen. Zum Teil sind diese Innovationen nur Reaktionen auf das veränderte Marktumfeld, insbesondere auf das Nachfrager­ verhalten. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Individualisierung von Produkten wichtig. Dabei werden Produkte auf einen Kunden individuell zuge­ schnitten, d.h. an seine Bedürfnisse angepasst. Die Gewinnung und Verarbeitung der dazu notwendigen Daten wurde erst mit der Weiterentwicklung der Compu­ tertechnik möglich. Im Rahmen des E-Banking besteht dadurch die Möglichkeit, Kundenbindung zu erzeugen. Gewinnung von Kundendaten E-Banking heißt, Bankgeschäfte über elektronische Medien abzuwickeln. Dabei fallen zahlreiche Daten über die Gewohnheiten und Präferenzen der Kunden an und werden gespeichert. Der einzelne Kunde ist für die Bank dann nicht mehr nur Element einer großen Masse, sondern ein Individuum mit einem gut bestimmba­ ren Profil. Dadurch können die Banken ihre Produkte an die Wünsche und

39

Vgl. Bundesbank (2000), S. 5Iff. Weitere Ausführungen finden sich bei Köckritz (2001b), S.18; Köckritz (2001c), S.73f.

30

Technikgetriebene Marktveränderungen

Präferenzen des einzelnen Kunden anpassen40. Dabei wird auch für Banken das sogenannte „data mining“ immer wichtiger, um die grundlegenden Trends und Ansprüche der Kunden erkennen und die eigenen Produkte ausrichten zu können (vgl. Beitrag Braun/Köckritz, Kapitel 3.1.2 Technische Umsetzung). Individualisierung als Marktveränderung

Die Individualisierung von Produkten fuhrt zu einer höheren Kundenzufrieden­ heit, weil individuelle Produkte sich näher an den Bedürfnissen der Kunden befinden als standardisierte. Gleichzeitig ist ein Umdenken bei den Banken erforderlich. Der Kunde muss als Partner betrachtet werden, mit dem gemeinsam das Produkt entwickelt wird. Dabei hat der Kunde die Initiative und trägt seinen Bedürfnissen Rechnung41. Verstärkt wird dieser Trend zur Individualisierung dadurch, dass die Wechselbereitschaft der Kunden gestiegen ist. Die Interaktion zwischen Kunde und Bank verändert sich wesentlich in Richtung einer Interakti­ on zwischen zwei Partnern.

3.4.2

Finanzportale

Finanzportale sind Plattformen, die verschiedene Produkte von verschiedenen Anbietern an einem Ort zusammenfassen. Dabei werden vor allem standardisierte Produkte angeboten, die wenig beratungsintensiv sind. Das Angebot an Produk­ ten und Dienstleistungen wird durch Informationen sowie Programme zu den relevanten Themen abgerundet. Bündelung von Informationen

Das Internet bietet jedem Benutzer ein umfangreiches Angebot an Informationen und mittels E-Banking werden auch zahlreiche Bankprodukte und Dienstleistungen zugänglich. Damit sich der einzelne Kunde in dieser Vielfalt nicht verliert, sammeln und bündeln Finanzportale diese Informationen und stellen sie übersichtlich dar42. Individuelle Produkte

Durch Finanzportale wird zunächst den Kunden der Überblick über das Angebot und die Auswahl des geeigneten Produktes erleichtert. Jedoch bieten 40 41 42

Vgl. Hühn (2000), S. 532 Vgl. Hühn (2000), S. 534 Vgl. Deutsche Bank Research (2000), S. 21f.

Technikgetriebene Marktveränderungen

31

Finanzportale auch für die Anbieter zahlreiche Chancen. So können Banken unter Einsatz eigener und fremder Produkte, das ist die eigentliche Revolution an Finanzportalen, den Kunden umfassende und maßgeschneiderte Lösungen anbieten43. Ferner können Kunden wesentlich besser betreut werden, beispiels­ weise durch den Zugriff auf Researchdaten einer Bank. Dadurch wird die Kun­ denbindung gestärkt und der eigene Name positiv transportiert44.

Marktveränderungen durch Finanzportale Finanzportale verändern die Rolle von Banken im Rahmen eines Bankgeschäftes. Die Bank ist nicht mehr nur Anbieter ihrer eigenen Produkte, sondern stellt für jeden Kunden individuelle Pakete von verschiedenen Anbietern zusammen. Sie nimmt eine umfangreiche Vermittlerrolle wahr. Dabei steht nicht der Verkauf eigener Produkte im Vordergrund, sondern der Verkauf kundengerechter Bedürfnisbefriedigungspakete. Bei der Bereitstellung eigener Produkte kon­ zentrieren sich die Banken auf ihre Kemkompetenzen, um den Kunden dort hochwertige und preisgünstige Produkte anbieten zu können. Eine Rückbesin­ nung auf Kemkompetenzen bedeutet jedoch gleichzeitig die Abkehr vom Allfi­ nanzkonzept. Dies ist eine wesentliche Veränderung der strategischen Ausrich­ tung von Banken45.

3.5

Vorleistungen

Die Banken sind grundsätzlich weniger abhängig von Zulieferern, als andere Industrien. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass Geld als Basis des Bank­ geschäfts keiner direkten Vorleistung bedarf, um weiterverkauft zu werden. Außerdem können physische Aspekte der Wertschöpfungskette vernachlässigt werden, weil Geld eine Information ist und daher problemlos digitalisiert werden kann46. Insofern soll hier nur kurz auf Vorleistungen eingegangen werden, die für die Banken in Zukunft wichtiger werden. Vorleistung technische Infrastruktur

Der Aufbau einer Infrastruktur für E-Banking stellt eine wesentliche Vorleistung dar, ohne die kein E-Banking Angebot möglich ist. Aufgrund der Komplexität

43 44 45 46

In einer produktionsorientierten Ausgestaltung bietet dies beispielsweise für Investmentprodukte www.fonds24.net und für Versicherungen www.einsurance.de, die zu Consors gehört. Vgl. Dambmann (2001), S. 200ff. Vgl. Bundesverband deutscher Banken (2001), S. 29 Vgl. Hühn (2000), S. 532

32

Technikgetriebene Marktveränderungen

dieser Systeme werden Kooperationen mit Spezialisten auf diesem Gebiet not­ wendig. Insofern könnte man von einer steigenden Abhängigkeit der Banken von technischen Vorleistungen sprechen. Dies wäre eine Marktveränderung, weil dadurch Treue- und Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen würden. Außerdem schaffen die notwendige technische Infrastruktur und vor allem das Wissen um deren effizienten Einsatz neue Marktzutrittsbarrieren im Bankmarkt. Es ist allerdings noch offen, ob diese Barrieren wirksamer sein werden als die diejeni­ gen, deren Überwindung durch die technische Entwicklung erleichtert wurde47. Vorleistung Information

Banken sind darüber hinaus für ihr Geschäft von zahlreichen Informationen abhängig. Beispiele dafür sind Finanzdaten oder auch Auskünfte über Kunden. Aufgrund der Masse an Informationen können die Banken ihren Informationsbe­ darf aus eigener Kraft nicht immer decken und gleichzeitig die hohe Qualität der Informationen gewährleisten. Das bedeutet, die Banken werden auch in Zukunft von Informationen abhängig sein, die von externen Anbietern wie zum Beispiel Marktforschungsinstitute bereitgestellt werden. Das macht eine sinnvolle und reibungslose Integration der Informationsbeschaffung und Verarbeitung notwen­ dig. Problematisch dabei sind vor allem die Schnittstellen zwischen externer Informationslieferung und interner Verarbeitung. Es ist ferner darauf zu achten, dass Informationen nicht redundant von verschiedenen Lieferanten erzeugt werden. Dies zu verhindern erfordert einen hohen organisatorischen Aufwand. Schließlich steigen auch für die Banken die Kosten der Qualitätskontrolle von Informationen während, gleichzeitig die Informationssuchkosten sinken. Es ergeben sich auch hier ähnliche Probleme asymmetrischer Informationen, wie im Kontext Kunde-Bank. Insgesamt stellt diese Entwicklung eine beachtliche Marktveränderung dar.

47

Inwiefern gerade dann auch das IT-Outsourcing eine relevante bankaufsichtliche Überwachung bedarf, wird in der Zukunft noch zu klären sein.

Technikgetriebene Marktveränderungen

33

4 Schlussbetrachtung

4.1

Zusammenfassung

Internet und E-Banking sind im technischen Fortschritt begründet und verändern den Bankmarkt nachhaltig. Die wichtigsten Veränderungen sind:

1. Die Kunden haben eine erheblich verbesserte Markttransparenz und können so die Produkte verschiedener Anbieter besser vergleichen. Die Kunden verlan­ gen deshalb verstärkt nach qualitativ hochwertigen und günstigen Produkten. Gleichzeitig steigt ihre Bereitschaft, die Bank zu wechseln (vgl. Beitrag Rathausky/Trautwein, Kapitel 3.2 Bankenloyalität). Die Position der Nachfrager wird also weiter gestärkt. 2. Internet und E-Banking erlauben neuen Wettbewerbern einen etwas einfache­ ren Eintritt in den Bankmarkt. Ursache dafür ist der Abbau von Marktzutrittsbar­ rieren. Vor allem wird der Vertrieb von Produkten auch ohne ein ausgebautes Filialnetz möglich. Außerdem kann im Internet Vertrauen in die eigene Kompe­ tenz und Sicherheit aufgebaut werden, durch geeignete Präsentationen und Informationen. Dadurch entsteht für die Banken jedoch zusätzlicher Wettbe­ werbsdruck durch neue Wettbewerber. Die Banken sind gezwungen, in die neuen Techniken zu investieren, um Kostensenkungspotentiale ausschöpfen zu können. Außerdem deutet die sinkende Zahl an Kreditinstituten in Deutschland, vor allem bei Genossenschaften und Sparkassen, einen zunehmenden Zwang zur Größe an. Die Position der Anbieter wird im Vergleich zu den Nachfragern geschwächt. 3. Um einerseits die Potentiale der neuen Techniken ausschöpfen und anderer­ seits den veränderten Kundenbedürfnissen gerecht werden zu können, entwickeln die Banken innovative Produkte und neue Plattformen für den Vertrieb ihrer Produkte. Der Kunde ist nicht mehr Teil einer Masse, sondern wird für die Bank ein erkennbares Individuum, weil sie in der Lage ist, die Informationen über ihn sinnvoll auszuwerten. Die Interaktion zwischen Anbietern und Nachfrager ändert sich grundlegend, weil die Initiative auf den Kunden übergeht.

34

Technikgetriebene Marktveränderungen

4. Durch den technologischen Fortschritt werden die angewendeten Systeme immer komplexer. Dadurch erhöht sich die Abhängigkeit der Banken von Spezi­ alwissen im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnik. Dieses Wissen kann entweder selber aufgebaut oder von externen Dienstleistern bezogen werden. Außerdem erhöht sich die Abhängigkeit der Banken von Informationen. Diese Informationen können zum Teil selber nicht beschafft werden. Die Banken werden von bestimmten Vorleistungen abhängig.

4.2

Fazit

E-Banking entwickelt sich nach den meisten Umfragen und Prognosen zu einem wichtigen Vertriebs- und Kommunikationskanal. Betrachtet man die relative Ruhe, in der sich das Bankgeschäft in den Jahrzehnten zuvor langsam weiterent­ wickelte, so muten die Veränderungen der letzten Jahre an wie ein plötzlicher Sprint bei einem gemütlichen Spaziergang. Die Veränderungen, die durch die technische Entwicklung hervorgerufen werden, sind von einer Grundsätzlichkeit, die selten zuvor beobachtet werden konnte. Im Bankgewerbe spielen Informationen und Psychologie eine große Rolle. Informa­ tionen sind plötzlich rund um die Uhr verfügbar, die Banken verlieren ihren Wissensvorsprung gegenüber den Kunden. Wichtiger aber noch als die Informa­ tion ist die psychologische Dimension. Sie bestimmt, wie sich Kunde und Bank begegnen. Wo früher die Bank aus einer Position der Stärke und Unangreifbar­ keit heraus handelte, ist sie nun einem harten Konkurrenzkampf ausgesetzt. Sie muss feststellen, dass der Kunde einfach geht, wenn die Bank seinen Ansprüchen nicht gerecht werden kann. Um dieser „neuen Psychologie“ gerecht werden zu können, muss die Bank zum Dienstleister am Kunden werden. Sie muss das Anliegen des Kunden zu ihrem eigenen Anliegen machen. Die Technik kann dabei nützliche Dienste leisten. Sie kann Informationen über Kunden sowie deren Bedürfnisse speichern, bündeln und auswerten. Die Technik kann helfen, aus zahllosen Modulen genau die richtigen auszuwählen, um das für den Kunden richtige Produkt zu schaffen. Aber die Technik kann keine Bezie­ hungen pflegen. Sie kann den Berater nicht immer ersetzen, der sich mit Intuition und Erfahrung in einen Kunden hineinversetzt und ihn versteht. Das bedeutet, es darf sich nicht nur an den Systemen etwas verändern, sondern es muss sich die Einstellung der Menschen verändern, damit die technischen Möglichkeiten den Menschen auch einen Zusatznutzen stiften. Und es bedeutet, dass der Mensch nach wie vor die wichtige Größe im Bankmarkt ist, nicht die Technik.

Technikgetriebene Marktveränderungen

35

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JAN MÜLLER I FRIEDRICH TRAUTWEIN

E-BANKING IN DER UNTERNEHMUNGSUND MARKTPOLITIK DER KREDIT­ INSTITUTE

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

41

INHALTSVERZEICHNIS ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS.................................................. 43

ABBILDUNGSVERZEICHNIS..................................................... 44 1

EINLEITUNG............................................................................. 45

2

BEEINFLUSSUNG DER UNTERNEHMUNGS­ POLITIK VON KREDITINSTITUTEN DURCH E-BANKING........................................................................ 46

3

2.1

Systematisierung der Bankuntemehmungspolitik............................... 46

2.2

Bankbetriebliches Zielsystem............................................................. 47

2.3

Bankuntemehmungskultur.................................................................. 49

BEEINFLUSSUNG DER MARKTPOLITIK VON KREDITINSTITUTEN DURCH E-BANKING........ 51 3.1

Systematisierung der Bankmarktpolitik.............................................. 51

3.2

Entscheidungsvorbereitung................................................................. 52

3.3

Marktpolitische Aktionsparameter...................................................... 53

3.4

3.3.1

Leistungspolitik......................................................................... 53

3.3.2

Preispolitik..................................................................................54

3.3.3

Vertriebspolitik.......................................................................... 56

Marktpolitische Ziele und Strategien.................................................. 59

42

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

4

STRATEGISCHE WETTBEWERBSVORTEILE DURCH E-BANKING............................................................... 64

5

FAZIT............................................................................................ 69

LITERATURVERZEICHNIS........................................................ 70

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

CIC

Customer Interaction Center

CLTV

Customer Lifetime Value

DAB

Direkt Anlage Bank

ECRM

Electronic Customer Relationship Management

ETB

European Transaction Bank

GPRS

General Packet Radio Services

IKT

Informations- und Kommunikationstechnik

PDA

Personal Digital Assistant

SMS

Short Message Services

UMTS

Universal Mobile Telecommunications Systems

WAP

Wireless Application Protocol

43

44

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1:

Kosten einer bargeldlosen Transaktion............................. 55

Abbildung 2:

Genutzte Vertriebskanäle bei der Inanspruchnahme von Bankdienstleitungen................................................... 56

Abbildung 3:

Veränderung des Bank-Zweigstellennetzes in Deutschland....................................................................... 57

Abbildung 4:

Kundenprozesse des Immobilienerwerbs.......................... 62

Abbildung 5:

Wettbewerbsstrategien nach Porter................................... 64

Abbildung 6:

Beurteilung neuer Techniken im Bankvertrieb zur Bildung von Wettbewerbs vorteilen.................................. 67

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

45

1 Einleitung

Während Banken vor fünf Jahren noch um die bloße Präsenz im Internet wettei­ ferten, sind heute mit einem bloßen Informationsangebot längst keine Marktantei­ le mehr zu gewinnen. Wer einfach nur da ist, ohne perfekten Kundenservice, Interaktivität, Abschluss- und Transaktionsmöglichkeiten zu bieten, könnte ebenso gut ganz auf eine Webseite verzichten. Kreditinstitute, die neue Möglich­ keiten, die sich durch die Technik bieten, immer noch isoliert von ihrer Gesamt­ strategie betrachten, werden schnell umdenken müssen. Der heutige Bankbetrieb benötigt eine innovative, effiziente und ganzheitliche Integration der Technik in seine Geschäftsstrategien.

In diesem Beitrag werden die Auswirkungen von E-Banking auf die Untemeh­ mungs- und Marktpolitik der Kreditinstitute analysiert. Weiter wird erörtert, wie E-Banking in die Geschäftsabläufe integriert werden sollte, um zu einer erfolg­ reichen und zukunftsträchtigen strategischen Ausrichtung der gesamten Bank zu gelangen.

46

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

2 Beeinflussung der Unternehmungspolitik von Kreditinstituten durch E-Banking

2.1

Systematisierung der Bankunternehmungspolitik

Die Bankuntemehmungspolitik bewältigt grundsätzliche Aufgaben zur Bestim­ mung der Grundlinien eines Kreditinstitutes auf längere Sicht.1 Diese Aufgaben können wie folgt umrissen werden? Untemehmungspolitik umfasst die originä­ ren, allgemeinen und langfristig wirksamen Entscheide, welche das Verhalten der Unternehmung auf lange Sicht bestimmen sollen. Diese Entscheide sollen das oberste Zielsystem der Unternehmung, das erforderliche Leistungspotential und die anzuwendenden Untemehmungsstrategien festlegen. Sie haben vor allem zum Ziel, das Überleben der Unternehmung in einer sich verändernden Umwelt durch Anpassung an langfristig wirksame Entwicklungstrends zu sichern. Außerdem gehören zur Untemehmungspolitik grundlegende Entscheidungen über zu bear­ beitende Märkte und anzubietende Marktleistungen. Träger dieser Entscheide ist grundsätzlich die oberste Führungsebene des Kredit­ instituts? Objekt der Problemstellung ist die Gesamtunternehmung. Untemehmungspolitische Entscheidungen dienen insofern der Ausrichtung und Koordina­ tion der nachgelagerten Handlungsstufen und Einzelstrategien im Sinne eines zielgerichteten, rationalen Gesamtverhaltens des Kreditinstituts. Die Teilbereiche der bankbetrieblichen Untemehmungsfuhrung „bankbetriebliches Zielsystem“ und „Bankunternehmungskultur“ weisen bezüglich der oben dargestellten Aufga­ ben in hohem Maße unternehmungspolitischen Charakter auf. Die Betrachtung der Untemehmungspolitik im Hinblick auf den Einfluss von E-Banking wird sich deshalb auf diese zwei Bereiche „bankbetriebliches Zielsystem“ und „Bankunter­ nehmungskultur“ konzentrieren.

1 2 3

Vgl. von Stein (2000), S. 1102 Vgl. im Folgenden Ulrich (1990), S. 21 Vgl. im Folgenden von Stein (2000), S. 1102

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

2.2

47

Bankbetriebliches Zielsystem

Das Zielsystem von Banken dient dazu, allgemeinere Intentionen, die eher in der Untemehmungskultur verankert sind, durch grundlegende untemehmungspolitische Ziele zu konkretisieren.4 Es handelt sich dabei um die von den maß­ geblichen Entscheidungsträgem autorisierten Maximen, die einen anzustreben­ den, zukünftigen Zustand beschreiben, der durch bankbetriebliches Handeln erreicht werden soll.

Dabei wird zwischen Sach- und Formalzielen unterschieden.5 Sachziele beziehen sich auf den Gegenstand eines Kreditinstitutes, also auf die Erstellung und den Absatz marktfähiger Bankleistungen hinsichtlich Geschäftsgebiet, Leistungspro­ gramm und Zielgruppen.6 Demgegenüber sind Formalziele instituts-individuell festzulegende Maximen, anhand derer vornehmlich der angestrebte ökonomische Erfolg eines Kreditinstituts zum Ausdruck kommt. Im Zuge der Risikoträgerfunktion des Eigenkapitals nimmt die Gewinnerzielung unter möglichen formalen bankbetrieblichen Zielsetzungen eine sehr wichtige Position ein.7 Das Wachstum des Geschäfts eines Kreditinstituts erfordert die parallele Ausweitung des Eigenkapitalanteils, die durch Thesaurierung von Gewinnen erzielt wird. Nur so kann eine angemessene und vorgeschriebene Absicherung des Geschäfts erfolgen. Die Erzielung von Gewinnen signalisiert dem Kunden Sicherheit. Außerdem bedeutet eine führende Position in der Ge­ winnhierarchie Ansehen, Einfluss und bessere Geschäftsmöglichkeiten. Weitere ökonomische Ziele können die Bildung eigenen Untemehmungsvermögens und Wachstums, beziehungsweise die Erhöhung von Marktanteilen sein.

Diese aufgeführten Formalziele sind sichtlich übergeordneter Natur. E-Banking, das dem gesamten Bankensektor immense Anstrengungen der Veränderung strategischer und struktureller Art und Weise abverlangt, übt auf diese hohe Ebene des Zielsystems einen vergleichsweise geringen Einfluss aus. E-Banking ändert nichts an der zuvor genannten Notwendigkeit der Gewinnerzielung. Im Hinblick auf die Bedeutung für die Gesamtstrategie muss zwischen einzelnen Bankentypen unterschieden werden. Bei klassischen Typen, z.B. Universalban­ ken und Sparkassen, ist E-Banking ein wichtiger Baustein in ihren komplexen 4 5 6

7

Vgl. im Folgenden von Stein (2000), S. 1109 Vgl. Büschgen (1981), S. 87 Vgl. Büschgen (1981), S. 88. Aufgrund der thematischen Verbundenheit mit dem nachfolgenden Kapitel, in dem der Einfluss von E-Banking auf die Marktpolitik abgehandelt wird, soll an die­ ser Stelle nicht näher auf Sachziele eingegangen werden. Vgl. im Folgenden Büschgen (1998), S. 510

48

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

Gesamtstrategien geworden. Der Einsatz von Informations- und Kommuni­ kationstechnik (IKT) an den Kundenschnittstellen kann für diese Institute jedoch nicht als eine Art Wunderwaffe bei der Umsetzung von z.B. Wachstumsstrategien gesehen werden. Oft sind es viele der alten Kunden, die auf die neuen Techniken umsteigen, um mit ihrer Bank in Kontakt zu treten. Bei reinen Direktbanken ist das anders. In diesen Instituten bildet E-Banking die Basis der Gesamtstrategie. Hier kann gesagt werden, dass durch Einfluss des E-Banking ein ganz neuer Banktyp entstanden ist. Somit ist E-Banking in diesen Instituten auch für die Umsetzung der Gewinn- und Wachstumsziele nahezu allein verantwortlich. Allerdings findet hier gerade ein Wandel statt. Auch Direktbanken setzen an ihren Kundenschnittstellen nicht mehr nur auf Technik. Als Vorreiter erweitert die Direkt Anlage Bank (DAB) in Ballungsräumen ihr virtuelles Angebot um reale Kundencenter.8 Sie verspricht sich davon Unterstützung bei der Gewinnung neuer Kunden und der Kundenbindung. Zudem erhält die virtuelle Bank so ein Gesicht. Dies unterstützt die Markenbildung der DAB. Selbst bei Direktbanken wird zukünftig die Technik nicht mehr allein für die Umsetzung von Gewinnund Wachstumszielen verantwortlich sein. Die These aus der Internet-Ökonomie „Kannibalisiere Dich selbst, bevor es jemand anderes tut!“9 wirft die Frage auf, ob, bedingt durch E-Banking in Form von Internet-Banking, auch bei Kreditinstituten eine Abkehr von Gewinnzielen Einzug gehalten hat. Aus Angst vor den negativen Folgen eines verspäteten Markteintritts tätigten viele Unternehmungen auf digitalen Märkten mit Informa­ tionsprodukten und informationsintensiven Leistungen frühzeitige, oft sehr kostspielige Investitionen in IKT. Diese Marktbeschreibung gilt auch gerade für den Finanzdienstleistungsmarkt. Nachrichten über erzielte Gewinne dieser New Economy Unternehmungen verursachten an der Börse während der ersten Inter­ neteuphorie Kurseinbrüche, während ausbleibende Gewinne auf hohe Investitio­ nen in IKT schließen ließen und mit steigenden Kursen belohnt wurden. Durch gesetzlich begründete Bedingungen, die an die bankbetrieblichen Formalziele geknüpft sind, beispielsweise bezüglich ständiger Zahlungsbereitschaft und Schuldendeckungsfähigkeit, ist bei Kreditinstituten eine derartig extreme Abkehr von bisherigen Inhalten der Zielkonzeptionen weniger möglich.

Wie bereits angedeutet, haben die bisher angesprochenen Ziele den Charakter von Oberzielen. Um diese zu verwirklichen, ist eine Zerlegung der Zielkonzep­ tion in Unterziele vorzunehmen.10 Anhand dieser Zerlegung kann sehr viel

’ ’ 10

Vgl. im Folgenden Kröner (2001), S. 182 Vgl. Zerdik (1999), S. 16 Vgl. Siewert (1983), S. 29

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

49

genauer auf den Einfluss des E-Banking eingegangen werden. Unter starkem Einfluss des E-Banking stehen z.B. Ziele hinsichtlich der Pflege der Kundenbe­ ziehungen, da der Einsatz von IKT an den Kundenschnittstellen für starke Verän­ derungen sorgt. Es ist deshalb notwendig geworden, diesbezüglich völlig neue Unterziele zu formulieren. Die Kundenbeziehung rückt in Zukunft direkt in den Mittelpunkt der strategischen Überlegungen von Kreditinstituten (vgl. Beitrag Braun/Köckritz).11

2.3

Bankunternehmungskultur

Die Untemehmungskultur beinhaltet Grundannahmen, Wertvorstellungen und Verhaltensnormen der Mitarbeiter.12 Sie prägt nachdrücklich die sichtbaren Entscheidungen, Handlungen und Aktivitäten im Untemehmungsalltag. Im Folgenden soll nun betrachtet werden, wie das E-Banking sich auf diesen Teilbereich der Untemehmungspolitik aus wirkt. Innerhalb der Banken führte die Computerisierung der Arbeitswelt mit ihrer fundamentalen Wirkung auf Art und Umfang der Kommunikation dazu, dass der persönliche Kontakt zwischen den Mitarbeitern stark zurück ging.13 Von derartigen Neuerungen bleibt die Kultur eines Kreditinstitutes nicht unberührt. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass gerade Bankuntemehmungskulturen durch ein über sehr lange Zeit konstant gebliebenes Geschäftsumfeld wenig im Umgang mit Veränderungen geübt sind.

Die absehbare völlige Durchdringung aller bankbetrieblichen Geschäftsbereiche durch IKT und ihre ganzheitliche Integration in die Gesamtstrategien der Kredit­ institute macht sogar eine Unterstützung der Akzeptanz technischer Neuerungen durch diesbezügliche untemehmungskulturelle Grundsätze notwendig, da so ein innovationsfreundliches Klima geschaffen werden kann. Zur Bewältigung der derzeitigen Phase der strategischen und strukturellen Neuorientierung des Ban­ kensektors, die durch die IKT ausgelöst wurde, sollte die Untemehmungskultur eine Bereitschaft für Veränderungen etablieren und die Kreativität und den Teamgeist der Mitarbeiter fördern. So kann die Fähigkeit der Institute bzw. ihrer Mitarbeiter, kontinuierlich neue Problemlösungen zu generieren, was durch die rasante Weiterentwicklung der für die Branche relevanten Technik notwendig ist, erhöht werden.

11 12 13

Ausführlich werden die Auswirkungen auf mögliche Unterziele im Kapitel „Beeinflussung der Marktpolitik von Kreditinstituten durch E-Banking“ betrachtet. Vgl. im Folgenden Rollberg (1996), S. 43 Vgl. von Stein (2000), S. 1105

50

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

Wettbewerbsvorteile sind in der Zukunft eher von kurzer Dauer, was eine ständige Wiederholung innovativer Problemlösungen erfordert.14 Untemehmenskulturen, die in hohem Maße zur Innovationsfähigkeit beitragen, zeichnen sich oft durch eine hohe Systemoffenheit aus.15 Merkmale dafür sind eine intensive untemehmungsexteme und -interne Informationsaufnahme und -abgabe, sowie direkter Kundenkontakt auch der mittleren und oberen Führungsebene. Des weiteren wird der Pflege des Umgangs mit externen, z.T. auch unkonventionellen Meinungsfuhrem und der ernsthaften Förderung von Fachpublikationen von Mitarbeitern viel Bedeutung beigemessen. In solchen Kulturen herrscht ein offener, stark informal geprägter, interner, innovationsbezogener Kommunika­ tionsstil, was sich durch ein fehlendes „Dienstweg-Denken“ bemerkbar macht und einen intensiven abteilungsübergreifenden Austausch von Erfahrungen ermöglicht. Die Einstellung gegenüber Teamarbeit und den aus der Zusammen­ arbeit resultierenden Konflikten ist grundsätzlich positiv. Wo es möglich ist, werden den Mitarbeitern Handlungsspielräume eingeräumt und so der Organisa­ tionsgrad begrenzt. Dadurch wird eine zielorientierte, delegative Führung gefor­ dert. Durch z.B. Trainingsanstrengungen der Unternehmung wird die Bedeutung des Humankapitals für den Untemehmungs- und Innovationserfolg betont. Dies wird auch durch Toleranz gegenüber unvermeidbaren Misserfolgen und der Belohnung von erfolgreichen Innovatoren erreicht. Eine Kultur, die diese Elemente umsetzt, kann selbst zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil werden. Da Untemehmungskulturen sich nicht kurzfristig entwickeln, ist ein solcher Wettbewerbs vorteil auch nicht schnell und einfach zu imitieren. Dies kann sich aber auch als Schwierigkeit bei der Nutzung des In­ struments „Untemehmungskultur“ zur Umsetzung von Bankzielen bemerkbar machen, da sich die Ziele schneller ändern können, als sich die Kultur entwi­ ckelt.16 Die neuen technischen Möglichkeiten des E-Banking machen heute stärker als bisher Bereitschaft und Fähigkeit zur Innovation zur Voraussetzung für bankbetrieblichen Erfolg.

14 15 16

Vgl. Wild (2000), S. 20 Vgl. im Folgenden Gerpott (1999), S. 147f. Vgl. Krause (1998), S. 149

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

51

3 Beeinflussung der Marktpolitik von Kredit­ instituten durch E-Banking

3.1

Systematisierung der Bankmarktpolitik

Die Marktpolitik einer Bank beschäftigt sich mit Entscheidungen, die sich auf die Steuerung und Regelung der marktbezogenen Handlungen beziehen und das Nachfrageverhalten von aktuellen und potentiellen Kunden beeinflussen sollen.17 Sie kann grob in drei Phasen unterteilt werden.18 Die Phase der Entscheidungs­ vorbereitung beinhaltet die Beschaffung, Analyse und Aufbereitung von Infor­ mationen. Darauf aufbauend folgt die Entscheidungsfindung im Hinblick auf die marktpolitischen Ziele und Strategien. Die hier festgelegten marktpolitischen Ziele ordnen sich den Oberzielen der Bankuntemehmungspolitik unter. Auf Ebene der Marktpolitik ist das Zielsystem detaillierter und reicht bis hin zu Vorgaben, die durch den Einsatz einzelner marktpolitischer Instrumente realisiert werden sollen. Die marktpolitischen Strategien konkretisieren das unternehmeri­ sche Verhalten der Bank, um die Umsetzung der Ziele nach der Entscheidungs­ findung zu ermöglichen. Darauf folgt die dritte Phase der Realisierung über die marktpolitischen Aktionsparameter Leistungspolitik, Preispolitik, Vertriebspolitik und Kommunikationspolitik. In den nächsten Abschnitten soll die Bankmarktpolitik anhand der Gliederung in diese drei Phasen bezüglich der Beeinflussung durch E-Banking betrachtet werden. Allerdings wird, entgegen der oben dargestellten Abfolge, nach der Entscheidungsvorbereitung bereits die Betrachtung der Realisation und ihrer Aktionsparameter erfolgen, um einen Überblick zu geben, welche Veränderungen das E-Banking auslöst und welche neuen Ansätze es in den einzelnen Bereichen ermöglicht. Erst dann wird auf die marktpolitischen Ziele und Strategien einge­ gangen, indem der Bezug zu dem zuvor Erläuterten hergestellt wird. So ergibt sich auch ein optimaler Anknüpfungspunkt für das vierte Kapitel, in dem strate­ gische Wettbewerbsvorteile analysiert werden sollen, die durch E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik möglicherweise zu erreichen sind.

17 18

Vgl. Büschgen (1998), S. 641 Vgl. im Folgenden Büschgen (1998), S. 645f.

52

3.2

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

Entscheidungsvorbereitung

Der Bereich Entscheidungsvorbereitung hat durch den Einsatz von IKT deutlich an Leistungsstärke gewonnen. Das Schlagwort lautet „Data Warehouse“ (vgl. Beitrag Braun/Köckritz, Kapitel 3.1.2 Technische Umsetzung). Dahinter verbirgt sich eine von den operationalen Systemen der Datenverarbeitung des Kreditinsti­ tuts abgetrennte Datenbank, die als untemehmungsweite Datenbasis allen Arten mariagementunterstützender Systeme zur Verfügung steht.19 Der daraus abgeleite­ te Begriff „Data Warehousing“ steht für das allgemeine Konzept, Daten aus unterschiedlichen Quellsystemen in ein einheitliches Format zu bringen und in einem Datenpool zu speichern, der über Benutzerschnittstellen für Auswertungen und Analysen zur Verfügung steht.20 Auf sie kann über verschiedene Abfrage­ werkzeuge zugegriffen werden. Eine weitere Komponente des Data Warehousing sind „Data Marts“.21 Dies sind spezialisierte, analytische Datenbanken für eine Abteilung, eine Arbeitsgruppe, eine Einzelperson oder für die Daten umfangreicher Applikationen. Die einzelnen Data Marts werden mit den übrigen analytischen Datenbanken verknüpft, um sie nicht zu isolieren. Im Vergleich zum zentralen Data Warehouse sind Data Marts weniger komplex. Das Datenmodell ist leichter verständlich und der Zugriff kann mitunter für den durchschnittlichen Endbenutzer effizienter gestaltet werden.

Einerseits mag die Immaterialität von Bankprodukten gerade bei der Werbung als nachteilig erscheinen. Andererseits ermöglicht sie eine problemlose, umfassende Digitalisierung und somit die Erfassung jeder bankbetrieblichen Information in einem Data Warehouse. Bei schneller Zugänglichkeit dieser Informationen stellt dieses System nicht nur eine sehr wirkungsvolle Unterstützung bei der Suche nach einer neuen strategischen Ausrichtung für eine Bank dar, sondern ermög­ licht auch kurzfristigere Reaktionen z.B. auf bestimmte Kundenpräferenzen.

19 20 21

Vgl. Mucksch, Behme (2000), S. 6 Vgl. Stahl, Wimmer (2000), S. 12 Vgl. im Folgenden Lusti (1999), S. 130

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

3.3

53

Marktpolitische Aktionsparameter

3.3.1

Leistungspolitik

Wichtige Ziele der Leistungspolitik sind der Hinzugewinn und die Verstetigung von Kundenbeziehungen durch entsprechende Leistungsarten und -programme sowie das Aufholen bzw. Ausbauen von Wettbewerbs Vorsprüngen bezüglich der Leistungen gegenüber Konkurrenzinstituten.22 Weiter strebt sie die Optimierung des Leistungsangebotes durch zeitlich besser verteilte Spitzenanforderungen an bereitgestellte Kapazitäten an.23 Die flexiblen und schnellen Analyse- und Auswertungsmöglichkeiten großer Informationsmengen, die der IKT-Einsatz wie im vorigen Abschnitt beschrieben ermöglicht, wirken sich auch auf die Leistungspolitik aus. Daten, die Aufschluss über Kundenpräferenzen bezüglich bestimmter Leistungsarten geben, ermögli­ chen eine zielgerichtete Leistungspolitik und lassen die Erfüllung individueller Kundenwünsche zu.

Besonders stark wird die aktuelle Leistungspolitik der Kreditinstitute durch das E-Banking im Vertriebswegemix geprägt. Ein breites Leistungsspektrum, Zugang rund um die Uhr und individuelle Ansprache sind die Anforderungen der Kun­ den, denen E-Banking-Lösungen gerecht werden sollen.24 Dies läuft konträr zur notwendigen Optimierung der Produktion und des Vertriebs der Banken, was eher die Standardisierung von Leistungen bedeutet. Der Kunde erwartet jedoch nicht nur alle Varianten an Bankleistungen, sondern will von der Versicherungs­ leistung bis zur Reisebuchung möglichst alles geboten bekommen. Dieser Ent­ wicklung können Kreditinstitute in aller Regel nur noch gerecht werden, indem sie bestimmte Leistungen von Drittanbietem beziehen.25

Betrachtet man die Komponente Internet-Banking, ist festzustellen, dass im Internet eher standardisierte, nicht verhandelbare Produkt- und Abwicklungs­ strukturen vorgegeben werden, während der stationäre Vertrieb künftig individu­ elle Service- und Beratungsleistungen anbietet, die sich jedoch preislich vom Internet-Angebot unterscheiden.26 Eine Möglichkeit, das Internet-Angebot durch mehr Individualität und Interaktivität aufzuwerten, ist der Einsatz innovativer

22 23 24 25 26

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Büschgen (1998), S. 672 Büschgen (1998), S. 673 im Folgenden Fischer (1999), S. 93f. Rauch, Penzel (2001), S. 295 Schröder (2000), S. 16

54

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

Value Added Services, von denen man sich auch einen weiteren Beitrag zur Kundenbindung verspricht.27 Dies sind Leistungen, die nicht unbedingt im direkten Zusammenhang mit von Banken üblicherweise angebotenen Leistungen stehen müssen. Die Nutzung dieser Leistungen wird nicht in Rechnung gestellt und wird neben der Möglichkeit zur Abwicklung von Transaktionen angeboten. Beispiele für bankfachliche Value Added Services sind Kalkulationstools zur Berechnung der Idealstruktur des Portfolios, Real-Time-Kurse, Chartanalysen, Limitüberwachung per E-Mail und Börsenspiele.28 Des weiteren sind Nachschla­ gewerke, Downloads, Diskussionsforen und Chatrooms denkbar.29

Neben den oben genannten leistungspolitischen Zielen ist die Steigerung des Cross-Selling ein bedeutendes Subziel der Leistungspolitik.30 Das InternetBanking ist eine optimale Basis für das Cross-Selling, das ein erhebliches De­ ckungsbeitragspotential birgt (vgl. Beitrag Rathausky/Trautwein, Kapitel 3.3 Cross-Selling).31 So können Intemetkunden durch das Surfen auf der Homepage der Bank auf weitere Produkte aufmerksam werden, die sowohl über das InternetBanking abwickelbar sind als auch zur Zeit noch außerhalb des Internet-Banking in Anspruch genommen werden müssen, wie z.B. oftmals die Immobilienfinan­ zierungen.

3.3.2

Preispolitik

Als übergeordnete Zielsetzung ist in der Preispolitik das Rentabilitätsziel von primärer Bedeutung.32 Es wird über produktivitäts- und marktgerichtete Subziele verfolgt. Zu den produktivitätsgerichteten zählt vor allem, dass über eine entspre­ chende Preisstellung beim Angebot mehrerer gleichartiger Leistungen der Kund­ schaft nahegelegt wird, diejenige Leistung nachzufragen, deren Erstellung für die Bank aufgrund noch freier Kapazitäten am günstigsten ist. Für das Erreichen eines bestimmten Absatzvolumens bzw. Marktanteils sind die marktgerichteten Ziele verantwortlich. E-Banking, hier speziell betrachtet die Komponente Internet-Banking, beeinflusst die Preispolitik besonders durch sein Einsparungspotential.33 Dies kann anhand einer durchschnittlichen, bargeldlosen Transaktion verdeutlicht werden.

27 28 29 30 31 32 33

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

im Folgenden Tauschek (2000), S. 23 Tauschek (2000), S. 24 Tauschek (2000), S. 25 Büschgen (1998), S. 673 im Folgenden Schierenbeck (1999), S. 35 im Folgenden Büschgen (1998), S. 678 im Folgenden Schierenbeck (1999), S. 33

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

Abbildung 1:

55

Kosten einer bargeldlosen Transaktion34

Durch den Einsatz von IKT kann so die Rentabilität von Banken gesteigert werden. Allerdings senkt wiederum die stärkere Verbreitung der Intemetnutzung diese Margen.35 Die hohe Markttransparenz im Internet und die daraus resultie­ rende Preissensitivität der Kunden ist dafür mit verantwortlich. Die Preispolitik steht vor dem Problem, dass ähnliche Leistungen zunehmend je nach Vertriebs­ form auf unterschiedlichen Preisniveaus angeboten werden. Die Schwierigkeit liegt darin, dem Kunden den Mehrwert einer qualifizierten Beratung und Indivi­ dualität des Leistungsangebotes über den stationären Vertrieb deutlich zu machen und damit höhere Preise gegenüber denen im Internet zu rechtfertigen. Besonders schwierig gestaltet sich dies, wenn es nicht um allzu komplexe Leistungen geht. Um die Kapazitäten des kostengünstigen Internet-Banking auszulasten sind Preissenkungen ein vielfach angewendetes Mittel. Durch die unvermeidbare Reaktion der Konkurrenzinstitute droht dadurch ein starker Margenverfall bei fortlaufenden Preissenkungen. Ursprüngliche Amortisationspläne für hohe Investitionen in IKT werden dann hinfällig. Eine Möglichkeit, diese Entwicklung abzubremsen, könnte der Einsatz von Value Added Services, die im Abschnitt 3.3.2 angesprochen wurden und der durch sie erzeugte Mehrwert für den Kun­ den, sein. Dieser zusätzliche Anreiz zur Nutzung des Internet-Banking könnte zu einer Abschwächung der Preissensitivität des Kunden fuhren.

34 35

Vgl. Schierenbeck (1999), S. 34 Vgl. im Folgenden Schröder (2000), S. 16

56

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

3.3.3

Vertriebspolitik

Die Aufgabe der bankbetrieblichen Vertriebspolitik ist es, für die Überwindung von Schwierigkeiten zu sorgen, die bei der Übermittlung der Leistungen an den Nachfrager entstehen können.36 Dazu gehört nicht nur die reine Zuführung der Bankdienstleistung sondern auch Kontakt-, Informations- und Beratungsaufga­ ben.

E-Banking hat dazu geführt, dass der Vertriebspolitik ganz neue Wege offen stehen, um diesen Aufgaben nachzukommen. So hat sich im Vertrieb das MultiChannel-Banking etabliert hat, bei dem Präsenzvertriebsformen mit technischen Vertriebskanälen - beispielsweise Selbstbedienungsautomaten, Telefon-Banking, Internet-Banking und Mobile-Banking - kombiniert werden (vgl. Beitrag Braun/ Köckritz, Kapitel 3.3.1: Multi-Channel-Kundenmanagement).37

aller Kunden Abbildung 2:

36 37 38

Genutzte Vertriebskanäle bei der Inanspruchnahme von Bank­ dienstleitungen38

Vgl. im Folgenden Büschgen (1998), S. 682 Vgl. Diedrich (2001), S. 58 Vgl. Schierenbeck (1999), S. 43

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

57

Es hat sich herausgestellt, dass der wahrscheinlich wichtigste neue Vertriebsweg, das Internet-Banking, die Anzahl der Filialen zwar sinken lässt, sie aber nie ganz ersetzen kann. Dies unterstreichen die Prognosen der Abbildungen 2 und 3.

Abbildung 3:

Veränderung des Bank-Zweigstellennetzes in Deutschland^

Die neuen Varianten an Vertriebsformen unterliegen nach wie vor einem ständi­ gen Wandel, da die Potentiale dieser einzelnen technischen Lösungen noch gar nicht genau absehbar sind. Im Bereich Telefon-Banking über Sprachcomputer geht der Trend momentan zur Spracherkennung, wodurch das lästige Tastendrü­ cken mehr und mehr der Vergangenheit angehört und auch der klassische Call Center bei bestimmten Leistungen verdrängt wird. Bezüglich des Banking über das Internet wird darauf abgezielt, dem Kunden ein Maximum an Interaktivität und Individualität anzubieten. Der jüngste Vetriebskanal ist das Mobile-Banking über das Handy, evtl, auch in Kombination mit einem Personal Digital Assistant (PDA), der über Infrarotschnittstelle mit dem Handy verbunden wird und durch das größere Display eine bequemere Bedienung zulässt.40 Bisher hat sich das Mobile-Banking per Short Message Services (SMS) aufgrund seiner Zuverlässig­ keit und geringer Kosten, sowohl für Nutzer als auch Anbieter, bewährt. Neuere und leistungsfähigere Standards wie z.B. Wireless Application Protocol (WAP), General Packet Radio Service (GPRS) oder Universal Mobile Telecommunicati­ ons Systems (UMTS) haben noch nicht den Verbreitungsgrad, den SMS über z.B.

39

40

Vgl. Hofmann, Löhr (2001), S. 90. Etwas niedrigere vergangenheitsbezogene Zahlen zur Anzahl der Zweigstellen nennt die Bundesbank. Vgl. Beitrag Bülow/Köckritz, Kapitel 3.1.1 Marktzu­ trittsbarrieren im Bankenmarkt. Vgl. im Folgenden Bamberg (2001), S. 26

58

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

in Deutschland ca. 48 Millionen SMS-fähige Mobiltelefone erzielt. Nach einer Prognose von Mummert und Partner werden die in Europa über das Handy umgesetzten Beträge bis 2003 auf 24 Milliarden Euro steigen. Eine Herausforde­ rung der Vertriebspolitik von Kreditinstituten liegt darin, die richtige Strategie hinsichtlich der Entwicklungen der nächsten Zukunft gerade in diesem Bereich zu finden. 3.3.4 Kommunikationspolitik Die Kommunikationspolitik soll gewährleisten, dass Informationen sowohl aktuelle als auch potentielle Einzelkunden oder Kundengruppen erreichen.41 Diese Informationen können sich auf die Bank selbst oder auf ihre Marktleistun­ gen beziehen. Das E-Banking beeinflusst die Kommunikationspolitik in zweierlei Hinsicht. Zum einen steht ihr das neue Kommunikationsmedium Internet zur Verfügung, zum anderen kommt es zu Änderungen des kommunizierten Inhalts. Aufgrund der Sensibilität von Bankleistungen, was Übertragungssicherheit und Datenschutz angeht, muss sich die Öffentlichkeitsarbeit von Kreditinstituten verstärkt mit Inhalten zu diesen Themen beschäftigen (vgl. Beitrag Rathausky/Trautwein, Kapitel 3.4 Vertrauensfaktor Sicherheit). Das Anbieten von Direct-Banking muss von einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden, die die Hemmnisse der Nutzung dieser Innovationen hinsichtlich der Datensicherheit in der Gesell­ schaft abbaut. Die Werbung dagegen muss für einen hohen Bekanntheitsgrad dieser innovativen Leistungen einer Bank sorgen. Andernfalls kann das volle Potential dieser Innovationen nicht ausgenutzt werden.

Eine Gefahr liegt darin, dass das einzelne Kreditinstitut hinter der auf dem PC des Kunden ablaufenden Software gesichtslos und austauschbar wird, was auch durch die allgemeine Homogenität von Bankleistungen unterstützt wird.42 Deshalb sollten Banken bei ihren Kunden ein Markenbewusstsein erzeugen und so ihre Kundenbeziehungen festigen. Schnelle, kompetente und flexible Beantwortung von Fragen stellt einen Weg dar, dieses Bewusstsein beim Kunden zu aktivieren. Hier setzt der Customer Interaction Center (CIC), ein wichtiges neues Element der Kommunikationspolitik, an.43 Er verzahnt die traditionellen Funktionen eines Call Centers mit den neuen Medien, z.B. dem Internet oder dem Mobile-Banking. Fachunspezifische Fragen beantworten die Servicemitarbeiter eines CIC direkt,

41 42 43

Vgl. im Folgenden Büschgen (1998), S. 690 Vgl. im Folgenden Heintzeler (2001), S. 244 Vgl. im Folgenden Veil, Behr, Ackert (2001), S. 45

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

59

komplexe Sachverhalte werden an die Fachleute weitergeleitet. Die bereits eingesetzte Technik Unified Messaging spielt dabei eine maßgebliche Rolle. Bei der Entgegennahme und Speicherung einer Nachricht wird nicht mehr unter­ schieden, ob es sich um Telefon, Fax, SMS, E-Mail oder einen Brief handelt. In der Bank werden alle Kundennachrichten so entgegengenommen und gespei­ chert, daß sie an einem PC bearbeitet werden können. Die umständliche Kontrol­ le verschiedener Schnittstellen zur Kontaktaufnahme zwischen Kunde und Bank entfällt. Unified Messaging bildet damit die technische Klammer bei der Verzah­ nung der verschiedenen Plattformen, auf denen der Kunde den Kontakt zur Bank herstellen kann und hilft so, dem Kunden gegenüber einheitlich und effizient aufzutreten.

3.4

Marktpolitische Ziele und Strategien

Nachdem die einzelnen Aktionsparameter hinsichtlich der Auswirkungen neuer Entwicklungen und Möglichkeiten durch das E-Banking betrachtet worden sind, soll nun auf die direkt damit verbundenen Konsequenzen für marktpolitische Ziele und Strategien eingegangen werden. Die Strategien leiten sich aus den marktpolitischen Zielen ab.44 Sie sind instrumentenübergreifend definiert und gewährleisten so einen zielbezogenen Einsatz der Marketinginstrumente. Die marktpolitischen Strategien stellen also die Verbindung zwischen den Zielen und den Aktionsparametem dar. Die Ziele der Markpolitik lassen sich in einen öko­ nomischen und einen psychographischen Zielbereich unterteilen.45 Größen des ökonomischen Zielbereichs sind z.B. Nettomargen. Die erhöhte Preistransparenz und die weniger persönliche Kundenansprache über das Internet beeinflussen das eigentlich hohe Einsparungspotential des Internet-Banking negativ. Beides wirkt sich auf die Kundenloyalität aus und hat bei Kreditinstitu­ ten dazu geführt, dass diese versuchen, der Kundensicherung vorwiegend durch das Herabsetzen der Margen nachzukommen. Um diese ertragsgefährdende Entwicklung, die bereits im Abschnitt 3.3.2 angesprochen wurde, zu stoppen, muss das Bankmanagement einen dauerhaften Wettbewerbs vorteil schaffen, der nicht von der Preisgestaltung abhängt.46 Die Schwierigkeit dabei ist, parallel die Kundenbedürfnisse nach einem Maximum an individueller Ansprache sowie einem Multi-Channel- und Multi-Produktangebot zu befriedigen und gleichzeitig 44 45

46

Vgl. im Folgenden Büschgen (1998), S. 658 Vgl. Büschgen (1998), S. 659. Da die Überlegungen dieser Arbeit sich auf das Privatkundenge­ schäft einer Universalbank beziehen und dabei Globalisierungsstrategien außen vor lassen, wird im Folgenden von einer Anlehnung an das bekannte Modell des Strategie-Würfels abgesehen. Vgl. Fischer (1999), S. 92

60

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

eine gewisse Disziplinierung der Kostenentwicklung bei höherer und effi­ zienterer Marktausschöpfung zu erreichen.47 Kreditinstitute müssen sich die Optimierung der Schnittstellen zwischen Kunden, Vertrieb und Marketing unter Berücksichtigung der bisherigen Gedanken als marktpolitisches Ziel setzen. Dies erfordert die Entwicklung einer geeigneten Strategie. Als Ansatzpunkt für Verbesserungen sind hauptsächlich marktpsychografische Zielgrößen heranzu­ ziehen und weniger ökonomische. Über die marktpsychografischen Zielgrößen können Verhalten und Einstellungen aktueller und potentieller Kunden beein­ flusst werden, um so indirekt die Erreichung ökonomischer Zielsetzungen zu unterstützen.48 Der Einfluss des E-Banking hat dazu geführt, dass von Kreditinsti­ tuten langjährig angewandte Grundsätze und Methoden aus der Marktpolitik teilweise hinfällig geworden sind oder einer sehr starken Intensivierung bedürfen.

Um unter Einbezug des E-Banking und speziell der darin enthaltenen Möglich­ keiten des Direct-Banking eine erfolgreiche Strategie zu entwickeln, muss das Kreditinstitut zunächst zwischen zwei Optionen wählen:49 Entweder es entschei­ det sich für eine Multi-Channel-Strategie, wie bereits im Abschnitt 3.3.3 ange­ sprochen wurde, oder sie gründet eine eigenständige Direktbank. Diese letzte Variante wurde in der Regel von den großen deutschen Banken umgesetzt. Aufgrund ausbleibender Profitabilität kam es jedoch bei manchen auch schon wieder zu einer Reintegration dieser Direktbanken in das Privatkundengeschäft des Mutterhauses. Viele amerikanische Banken dagegen setzten auf die MultiChannel-Strategie, bei der jedem einzelnen Kunden die Wahl des Vertriebskanals überlassen werden soll. Die momentane Entwicklung gibt eher der von den amerikanischen Banken bevorzugten Lösung recht.50 Als Vertriebswegespezialis­ ten angetretene Banken, die zu Beginn alternative Vertriebskonzepte in unter­ schiedlichen Teilbanken angeboten haben, vereinigen wieder mehr und mehr alle Vertriebswege in einer Hand. Diese Integration alternativer Vertriebswege steigert die Komplexität der Organisation im Inneren. Auf der einen Seite ist dies eine immense Herausforderung für das Management. Andererseits können aus der Lösung des Problems sehr wichtige Wettbewerbs vorteile hervorgehen, die nicht so leicht zu kopieren sind wie Produkt und Serviceinnovationen. Die unmittelbare Nachahmung wird aufgrund mangelnder äußerer Transparenz und dem nur langsamen Aufbau dieser komplexen Systeme verhindert. In der Litera­ tur wird dieses strategische Konzept „Multi-Channel-Management“ genannt.

47 48 49 50

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

im Folgenden Fischer (1999), S. 93-94 Büschgen (1998), S. 659 im Folgenden Kurzmeyer (1999), S. 129 im Folgenden Diedrich (2001), S. 58

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

61

Eine noch interessantere Strategie ist das „Electronic Customer Relationship Management (ECRM)“ (vgl. Beitrag Braun/Köckritz). Um ECRM erfolgreich anzuwenden, darf dieser Ansatz nicht nur im Rahmen der Marktpolitik umgesetzt werden. Im optimalen Fall umfasst das ECRM alle Bereiche einer Bank. Das Multi-Channel-Management kann als ein Teil des ECRM betrachtet werden. Die Umsetzung des ECRM verlangt der Gesamtuntemehmung ab, sich strategisch ganz auf den Kunden auszurichten, von der Produktentwicklung über Marketing und Vertrieb, bis hin zum Controlling.51 Dabei wird auf die Selektion, Akquisiti­ on, Entwicklung und Bindung profitabler Kunden über verschiedene Phasen der Wertschöpfungskette abgezielt. Der Untemehmungsfokus soll dabei fast aus­ schließlich auf Produkte mit eindeutiger Kundenorientierung gerichtet werden.

ECRM führt die bisher stattgefundenen Bemühungen bezüglich einer stärkeren Kundenausrichtung in einem systematischen Gesamtansatz unter Betonung der Langfristigkeit und Profitabilität einzelner Kundenbeziehungen zusammen.52 Es beinhaltet den Ansatz über die Determinanten Qualität, Schnelligkeit, Individua­ lisierung, Convenience und Preiswürdigkeit das Leistungs- und Dialogangebot so zu verbessern, dass es die Kundenbindung bedeutend steigert.53 Außerdem werden Beratungs- und Servicekonzepte klar von der Kundenattraktivität abhän­ gig gemacht.54 Die Unterscheidung von A-, B- oder C-Kunden ist zu ungenau. Interessanter ist das Konzept des „Customer Lifetime Value (CLTV)“, das Kunden nach zukünftig aus ihrer Geschäftsbeziehung zu erwartenden Ein- und Auszahlungen, aber auch nach ihrem Weiterempfehlungs- und Meinungsbil­ dungspotential segmentiert. So können knappe Kapazitäten in der persönlichen Beratung auf diejenigen Kunden konzentriert werden, von denen der Geschäftser­ folg der Bank tatsächlich abhängt. Ein anderer Ausdruck, der im Zusammenhang mit der Kundenausrichtung von Kreditinstituten aktuell Verwendung findet, lautet: „Der Kunde segmentiert sich selbst“. Damit geht man noch einen Schritt weiter. Es wird davon ausgegangen, in der vorherrschenden Vielfalt unterschied­ lichster Kundentypen kaum noch wesentliche, sich nur gering oder gar nicht überschneidende Kundensegmente mit speziellen, klar auszumachenden Potentia­ len und Anforderungen, ausfindig machen zu können. Vielmehr zeigt der Kunde selbst, z.B. durch sein „Klickverhalten“ auf den Intemetseiten der Bank, welche Dienstleistungen für ihn eine hohe Attraktivität aufweisen.

51 52 53 54

Vgl. im Folgenden Jaeger, Auer, Luef (2000), S. 89 Vgl. Walter (2000), S. 13 Vgl. Walter (2000), S. 14ff. Vgl. im Folgenden Walter (2000), S. 17

62

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

Ein sehr zukunftsweisendes und wichtiges Thema im Rahmen des ECRM ist die Unterstützung gesamter Kundenprozesse durch sogenannte Prozessportale.55 Über ein solches Portal wird der Kunde mit sämtlichen Produkten, Informationen und Dienstleistungen versorgt, die er bezüglich eines bestimmten Prozesses braucht.56 Die Grafik zeigt am Beispiel „Immobilienerwerb“, welche Leistungen ein Kunde hierzu noch beanspruchen könnte.57

Abbildung 4:

55 56 57 58

Kundenprozesse des Immobilienerwerbs52,

Vgl. Schmid, Bach, Österle (2000), S. 3 Vgl. Schmid, Bach, Österle (2000), S. 6 Vgl. Schmid, Bach, Österle (2000), S. 4 Vgl. Schmid, Bach, Österle (2000), S. 4

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

63

Prozessportale bieten eindeutig einen Mehrwert für den Kunden. Ein reelles, innovatives Beispiel ist die Seite www.yourhome.de der Credit Suisse, die Servi­ ces rund um den Immobilienerwerb bereit hält.59 Prozessorientierte Leistungen sind nicht grundsätzlich auf das Internet als Vertriebskanal beschränkt. Der Kunde kann, je nach Situation und Präferenz, beliebige Vertriebskanäle nutzen.60

59 60

Vgl. Schmid, Bach, Österle (2000), S. 4f. Vgl. Schmid, Bach, Österle (2000), S. 7

64

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

4 Strategische Wettbewerbsvorteile durch E-Banking Im Folgenden soll die Frage beantwortet werden, in wieweit der Einsatz von IKT in Banken zu strategischen Wettbewerbsvorteilen fuhren kann. Nach Porter gibt es drei Strategietypen, die Unternehmungen zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen aufgreifen können. Zu nennen sind: Das Anstreben einer umfassenden Kostenfuhrerschaft, Differenzierung oder die Konzentration auf Schwerpunkte.61 W e ttbe werb s vorteile niedrige Kosten

Differenzierung

weites

1. Kostenfuhrerschaft

2. Differenzierung

enges Ziel

3A. Kostenschwerpunkt

3B. Differenzierungs­ schwerpunkt

Wettbewerbsfeld

Abbildung 5:

Wettbewerbsstrategien nach Porter61

Die Anwendung eines Ansatzes erfordert die Konzentration auf die jeweils gewählte Strategie. Die Verfolgung mehrerer Hauptziele zugleich kann nur gelegentlich zum Erfolg fuhren. Die Kostenführerschaft beruht auf einem bedeutenden Kostenvorsprung einer Unternehmung innerhalb einer ganzen Branche. Bei dieser Zielsetzung bietet der Einsatz von IKT für Banken, speziell der Vertrieb über das Internet, konkrete Kostensenkungspotentiale. Dies ist bereits durch die Abbildung 1 im Abschnitt 3.3.2 hinsichtlich der Kosten einer bargeldlosen Transaktion veranschaulicht worden. 61 62

Vgl. im Folgenden Porter (1999), S. 70f. Vgl. Porter (1992), S. 32

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

65

Der Grundgedanke der Differenzierung besteht dagegen darin, Produkte oder Dienstleistungen einer Unternehmung zu differenzieren und so etwas zu schaffen, das in der ganzen Branche als einzigartig angesehen wird.63 Zu nennen sind hier die angesprochenen Value Added Services, die bei intelligentem Einsatz eine solche Einzigartigkeit der sonst sehr homogenen Bankleistungen erzeugen können. E-Banking ermöglicht somit auch die Erlangung des Wettbewerbs Vor­ teils, der sich aus einer Differenzierung ergibt.

Im Gegensatz zu den zwei genannten Strategien geht es bei der Konzentration auf Schwerpunkte nicht um die branchenweite Umsetzung von Zielen, sondern um eine wirkungsvollere und effizientere Umsetzung von eng begrenzten strate­ gischen Zielsetzungen.64 Dies bedeutet die Konzentration auf eine Marktnische bzw. ein Branchensegment, wobei in diesem wiederum die Kostenführerschaft oder Differenzierung angestrebt wird. Ein Beispiel hierfür ist die European Transaction Bank (ETB), die sich auf die Abwicklung konzentriert hat. Leistungsfähige IKT ermöglicht es ihr, für die Deutsche Bank und weitere Banken das gesamte Abwicklungsgeschäft durchzu­ fuhren. Die Fokussierung auf diesen Geschäftsbereich lässt Skaleneffekte entste­ hen, die zu einer Kostenfuhrerschaft im Bereich Abwicklung fuhren. OnlineBroker haben dagegen die Marktnische „Depotverwaltung über das Internet“ besetzt. Der erste Online-Broker hatte so mit Hilfe von E-Banking eine differen­ zierte Dienstleistung geschaffen, die im Branchensegment Depotverwaltung einzigartig war. Aus Gründen der Vollständigkeit muss gesagt werden, dass beim letzten Beispiel ebenfalls Aspekte der Kostenfuhrerschaft eine Rolle spielen. Der Wettbewerbsvorteil durch Differenzierung war bei Online-Brokern jedoch nur von kurzer Dauer. Ein derartiger Einsatz von IKT wurde sehr schnell von ande­ ren Anbietern imitiert.

Auch die zuvor betrachteten Strategien mit den jeweiligen Beispielen fur IKTEinsatz sind offensichtlich vor relativ schneller Imitation nicht gefeit. An diesem Punkt kann zwar festgestellt werden, dass durch E-Banking Wettbewerbs vorteile erlangt werden können. Jedoch bleibt die Frage offen, in wieweit diese langfristig und damit auch wirklich strategisch relevant sind. Deshalb soll nun in einem weniger allgemein gefassten Ansatz der Technikein­ satz speziell im Bankvertrieb hinsichtlich seiner Fähigkeit, langfristige, strategi­ sche Wettbewerbsvorteile zu erzeugen, überprüft werden.65 Folgende Kriterien, die von der Technik hinsichtlich der Erreichung von Wettbewerbs vorteilen, 63 64 65

Vgl. Porter (1999), S. 73 Vgl. im Folgenden Porter (1999), S. 75 Vgl. im Folgenden Wild (2000), S. 17

66

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

erfüllt werden müssen, wurden aus maßgeblicher Literatur zu diesem Thema herausgearbeitet: Die jeweilige Technik muss einen Beitrag zur UnternehmungsStrategie leisten. Für Konkurrenten darf keine Möglichkeit zur Imitation und Substitution der Technik bestehen. Außerdem muss das Angebot der Technik knapp sein. Das heißt, dass sie auf Faktormärkten nur begrenzt angeboten wird.

Die Frage ist, in welchem Umfang die im Bankvertrieb eingesetzte Technik diese Kriterien erfüllt.66 E-Banking kann durchaus einen wertvollen Beitrag zur Durch­ setzung der Untemehmungsstrategie liefern. Weniger ertragreiche Produkte werden über die neuen, kostengünstigeren Vertriebskanäle abgesetzt. Dadurch kann die Beratungsleistung der Mitarbeiter in Produktsegmenten wie z.B. dem Anlagegeschäft mit vermögenden Privatkunden, die höhere Deckungsbeiträge erwirtschaften, verstärkt werden. Für einzelne spezialisierte Banken, z.B. die Direktbanken ConSors, Comdirect Bank oder DAB, ist das Internet selbst die Basis des Geschäftsmodells. Für die Geschäftsstrategien von Banken leistet IKT somit einen wichtigen, manchmal sogar entscheidenden Beitrag. Die Tatsache, dass im Vertrieb, also an der Schnittstelle zwischen Bank und Kunden, nur Technik eingesetzt werden kann, die entsprechend weit verbreitet ist und sich bereits als Standard durchgesetzt hat, widerspricht allerdings dem Kriterium der Nicht-Imitierbarkeit.67 Andernfalls wäre die Erreichbarkeit hoher Kundenzahlen nicht gegeben, welche für den Vertrieb von grundsätzlicher Bedeutung ist. Technik, die Standardcharakter hat, ist aber grundsätzlich für jeden Konkurrenten am Markt zu erwerben. Allerdings stellt der hohe Mittelbe­ darf zur Implementierung neuer Techniken besonders für kleine Institute eine möglicherweise unüberwindbar Investitionshürde dar. Das kann dazu fuhren, dass beispielsweise Großbanken bestimmte Techniken als Standards etablieren, während kleinere Geldinstitute, die das Investitionsvolumen nicht aufbringen können, vom Markt verschwinden. Bei eingeschränkten Substitutionsmöglichkei­ ten würde dies für die Erlangung langfristiger Wettbewerbsvorteile sprechen. Gleichzeitig muss jedoch bei vorliegender Nicht-Substituierbarkeit der Technik die für den Vertrieb notwendige, weite Verbreitung vorliegen, was wiederum eine leichte Imitation voraussetzt. Bestes Beispiel für eine solche Technik die momentan sicher als nicht substituierbar zu betrachten ist, ist das Internet selbst. Denkbar wäre höchstens, dass einzelne, unbedeutendere Techniken substituiert werden. Banken müssen sich grundsätzlich auf die Techniken konzentrieren, die sich bereits etabliert haben und als Standard verbreitet sind. Daher werden diese gleichzeitig oder in Kürze ebenso von zahlreichen Konkurrenzinstituten einge­

66 67

Vgl. im Folgenden Wild (2000), S. 18 Vgl. im Folgenden Wild (2000), S. 18f.

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

67

setzt. Ein damit verbundener Wettbewerbs vorteil wäre wieder nur von sehr kurzer Dauer.

Die Voraussetzung der Knappheit wird sowohl von der Technik als auch von Endgeräten, die Standardcharakter besitzen und über einen ausreichend hohen Verbreitungsgrad in der Bevölkerung verfugen, nicht erfüllt.68 Techniklieferanten sind daran interessiert und sorgen dafür, dass alle Märkte mit Innovationen bedient werden. Kriterium

Situation neuer Technologien im Bankvertrieb

Realisierung von Wettbe­ werbsvortei­ len

Beitrag zur UnternehmungsStrategie

Möglichkeit zur Kostensenkung

möglich

Erweiterung des Vertriebspotentials bei Filialbanken Grundlage des Geschäftsmodells bei Direktbanken und Direct Brokern

NichtImitierbarkei t/ NichtSubstituierbarkeit

Erreichbarkeit hoher Kundenzahlen setzt die Anwen­ dung von Standards voraus

Knappheit

Standardsoftware

nicht möglich

Begrenzte Substitutionsmöglichkeiten

nicht möglich

Einsatz von Untemehmungsberatungen

Abbildung 6:

Beurteilung neuer Techniken im Bankvertrieb zur Bildung von Wettbewerbsvorteilen^

Abbildung 5 fasst das Ergebnis zusammen. Nur durch einen Beitrag zur Unter­ nehmung s Strategie ermöglicht E-Banking, wenn überhaupt, die Realisierung von langfristigen Wettbewerbs vorteilen. Dies ist jedoch nicht durch relativ einfache Strategien möglich, wie beispielsweise das Anbieten von Online-Depots, sondern nur durch ganzheitliche, sehr komplexe, strategische Ansätze. Hier ist besonders der Ansatz des ECRM zu nennen (vgl. Braun/Köckritz). Allerdings kann das Erzielen regelmäßiger temporärer Wettbewerbs vorteile durch E-Banking in der Summe auch dazu führen, ständig den Konkurrenten

68 69

Vgl. im Folgenden Wild (2000), S. 19 Vgl. Wild (2000), S. 19

68

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

einen Schritt voraus zu sein und diese vom Markt zu verdrängen.70 Der Wettbe­ werbsvorteil basiert dabei nicht auf einer einzelnen Technik, sondern liegt in der Fähigkeit der Bank, Zukunftstechnologien frühzeitig zu erkennen, ihr Potential für das Bankgeschäft abzuschätzen und ihre Chance auf eine weite Verbreitung bei den Kunden beurteilen zu können. Eine derartige Strategie kann als techni­ sche Führerschaft bezeichnet werden. Voraussetzung dafür ist aber ein qualifi­ ziertes Innovations- und Technikmanagement.

70

Vgl. im Folgenden Wild (2000), S. 20

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

69

5 Fazit Der Beitrag zeigt, dass E-Banking wesentlichen Einfluss auf die Untemehmungsund Marktpolitik von Kreditinstituten ausübt. Allerdings, ist es überwiegend durch komplexe Ansätze möglich, mit E-Banking langfristige Wettbewerbs­ vorteile zu erlangen. Um temporäre Wettbewerbsvorteile zu einem langfristigen strategischen Vorteil auszubauen, ist nicht nur ein leistungsfähiges Innovationsund Technikmanagement notwendig, sondern ganz besonders eine Bankunter­ nehmungskultur, die Mitarbeiter zu flexiblem, innovativem und mitdenkendem Handeln motiviert. Dabei trifft trotz aller neuen Techniken der Grundsatz „banking is people“ nach wie vor zu. Egal ob Mitarbeiter oder Kunde, der Ausgangspunkt für erfolgreiche untemehmungs- und marktpolitische Überlegungen sollte immer der Mensch mit seinen Fähigkeiten und Präferenzen sein. In Verbindung mit diesen Grundgedan­ ken stellt die Symbiose strategischer Ansätze, beispielsweise aus Data Warehou­ sing, Multi-Channel-Management und Electronic Customer Relationship Mana­ gement, und deren einzelnen Elementen einen richtigen Weg dar, das E-Banking völlig in die Geschäftsabläufe von Banken zu integrieren, um diese erfolgsorien­ tiert und zukunftsweisend auszurichten.

70

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

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Gerpott, Torsten J.: Strategisches Technologie- und Innovationsmanagement, Stuttgart 1999

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E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

71

Krause, Ralf H.: Bankbetriebliche Innovationsprozesse - Erscheinungsformen und Gestaltungsansätze, Wiesbaden 1998

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Lusti, Markus: Data Warehousing und Data Mining, Berlin 1999 Mucksch, Harry; Behme, Wolfgang: Das Data Warehouse-Konzept als Basis einer untemehmens-weiten Informationslogistik, in: Das Data WarehouseKonzept, hrsg. von Harry Mucksch und Wolfgang Behme, 4. Auf!., Wies­ baden 2000, S. 3-80 Porter, Michael E.: Wettbewerbs vorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten, 3. Aufl., Frankfurt a. M. 1992 Porter, Michael E.: Wettbewerbsstrategie: Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten, 10. Auf!., Frankfurt a. M. 1999 Rauch, Eberhard; Penzel, Hans-Gert: New Work - New Culture, in: Die Bank, 41. Jg.,Nr. 4, 2001, S. 292-295

Rollberg, Roland: Lean Management und CIM aus Sicht der strategischen Untemehmensfuhrung, Wiesbaden 1996

Schierenbeck, Henner: Die Vertriebskanäle der Zukunft im Privatkundenge ­ schäft, in: Basler Banken Studien: Tagungsband zum 6. Basler Banken­ tag, 19. November 1998: Multi Channel Distribution im Banking, hrsg. von Basler Bankenvereinigung, Wien 1999, S. 3-49

72

E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

Schmid, Roland E.; Bach, Volker; Österle, Hubert: Mit Customer Relations­ hip Management zum Prozessportal, in: Customer Relationship Manage­ ment in der Praxis - Erfolgreiche Wege zu kundenzentrierten Lösungen, hrsg. von Volker Bach und Hubert Österle, Berlin 2000, S. 3-55 Schröder, Gustav A.: E-Banking im Vertriebswegemix: mehr als „Flanken­ schutz“, in: Bank und Markt, 29. Jg., Nr. 12, 2000, S. 13-16

Siewert, Klaus-Jürgen: Bankbetriebliche Marktpolitik: Ziele, Rahmenbedin­ gungen, Entscheidungsgrundlagen, Berlin 1983 Stahl, Ernst; Wimmer, Andreas: Informationsverarbeitung in Banken, Innova­ tive Technologien und Konzepte, in: Banking and Information Technolo­ gy, 4. Jg., Band 1, Nr. 2, 2000, S. 7-17 von Stein, Johann H.: Bankuntemehmungspolitik, in: Obst, Georg; Hintner, Otto: Geld-, Bank- und Börsenwesen, hrsg. von Jürgen von Hagen und Johann Heinrich von Stein, 40. Aufl., Stuttgart 2000, S. 1101-1119

Tauschek, Philip: Internet Technologien für innovative Value Added Services zur Verstärkung der Kundenbindung, in: Banking and Information Tech­ nology, 4. Jg., Band 1, Nr. 4, 2000, S. 23-32

Ulrich, Hans: Untemehmungspolitik, 3. Aufl., Bem 1990 Veil, Michael; Behr, Rainer; Ackert, Christoph: Service im Internet, in: Bankmagazin, 50. Jg., Nr. 2, 2001, S. 44-46

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E-Banking in der Untemehmungs- und Marktpolitik

73

Wild, Oliver: Strategische Bedeutung neuer Technologien im Bankgeschäft, Teil 2: Wettbewerbsvorteile durch Technikeinsatz, in: Banking and Informati­ on Technology, 4. Jg., Band 1, Nr. 1, 2000, S. 17-20

Zerdick, Axel: Die Internet-Ökonomie: Strategien für die digitale Wirtschaft, Berlin 1999

UWE RATHAUSKY / FRIEDRICH TRAUTWEIN

NUTZERGRUPPEN UND NACHFRAGE­ VERHALTEN IM E-BANKING

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

77

INHALTSVERZEICHNIS ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS................................................

78

ABBILDUNGS VERZEICHNIS.....................................................79

1

EINFÜHRUNG............................................................................. 80

2

SEGMENTIERUNG VON NUTZERGRUPPEN............... 81

3

4

5

2.1

Klassische Segmentierung....................................................................81

2.2

Selbstsegmentierung im E-Banking..................................................... 82

2.3

One-to-One-Banking............................................................................. 83

NACHFRAGEVERHALTEN IM E-BANKING..................86 3.1

Bereitschaft zur Internet-Anwendung.................................................. 86

3.2

Bankenloyalität..................................................................................... 86

3.3

Dominanz der Marke............................................................................ 87

3.4

Vertrauensfaktor Sicherheit..................................................................90

3.5

Multi-Channel-Ansatz........................................................................... 92

ONLINE-BANKING................................................................... 93 4.1

Anzahl der Nutzer................................................................................. 93

4.2

Sozio-demographisches Profil.............................................................. 96

4.3

Cross-Selling......................................................................................... 99

SCHLUSSBETRACHTUNG................................................... 102

LITERATURVERZEICHNIS....................................................... 104

78

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS BAKred

Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen

BSI

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik

ECRM

Electronic Customer Relationship Management

EDV

Elektronische Datenverarbeitung

FGW

Forschungsgruppe Wahlen

Mio.

Millionen

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

79

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1:

Markenkenntnis und Alleinstellung................................... 88

Abbildung 2:

Relevanz des Interesses für Markennamen bei Internet-Nutzem................................................................ 89

Abbildung 3:

Barrieren für E-Business.................................................... 91

Abbildung 4:

Bewertung der Sicherheit im Online-Banking.................. 91

Abbildung 5:

Entwicklung der Online-Konten in Deutschland................ 94

Abbildung 6:

Kundenentwicklung im E-Brokerage.................................95

Abbildung 7:

Alter der Internet-Nutzer in Deutschland...........................96

Abbildung 8:

Alter der E-Brokerage-Nutzer in Deutschland...................97

Abbildung 9:

Genutzte Dienstleistungen im Online-Banking.................. 99

Abbildung 10:

Versicherungsabschluss über Internet.............................. 100

80

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

1 Einführung Wie im vorangegangenen Beitrag gezeigt, verändern aktuelle Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnik und die zunehmende Abwicklung von Bankgeschäften über elektronische Medien nachhaltig die Untemehmungsund Marktpolitik der Finanzinstitute.1 Technikbedingt vermindert sich durch eine erhöhte Markttransparenz die seither bestehende asymmetrische Verteilung von Informationen zwischen Kunde und Bank.2 Eine sukzessive Verschiebung der Marktmacht zu Gunsten der Kunden ist die Folge (vgl. Beitrag Bülow/Köckritz). Aus Sicht der Finanzinstitute entwickelt sich das Wissen über den Kunden und eine daraus resultierende stärkere Serviceorientierung mehr denn je zum ent­ scheidenden komparativen Wettbewerbsvorteil im E-Banking. Der vorliegende Beitrag nimmt sich eben diesem Schlüsselfaktor Kunde an und geht dabei den generellen Fragen nach, welche Möglichkeiten einer Segmentie­ rung in Nutzergruppen sich darstellen und wie sich das Nachfrageverhalten im E-Banking ausgestaltet. Weiterhin soll der Bereich Online-Banking Gegenstand einer spezifischeren Betrachtung sein. Der Beitrag beginnt zunächst mit einer Darstellung der Segmentierung von Nutzergruppen, wobei neben klassischen Ansätzen insbesondere die Möglichkeit veranschaulicht wird, heterogenen Nutzergruppen mittels Selbstsegmentierung im E-Banking und One-to-One-Banking gerecht zu werden. In einem nächsten Schritt werden, aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen, anhand exempla­ rischer Punkte das Nachfrageverhalten und damit grundsätzliche Verhaltensmus­ ter der Kunden im E-Banking sowie Entwicklungen und Auffälligkeiten näher betrachtet. Ein Übergang vom Allgemeinen zum Speziellen findet in Kapitel 4 statt. In einer konkreten Betrachtung wird der Bereich Online-Banking als Aus­ schnitt des E-Banking herausgegriffen und hinsichtlich Anzahl der Nutzer, sozio­ demographischem Profil, Nutzungsintensitäten und Möglichkeiten des CrossSelling untersucht. Eine Schlussbetrachtung mit kurzem Rückbezug und perspek­ tivischen Gedanken beschließt den Beitrag.

1 2

Vgl. Deutsche Bundesbank (2000), S. 43 Vgl. im folgenden Deutsche Bundesbank (2000), S. 51

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

81

2 Segmentierung von Nutzergruppen

2.1

Klassische Segmentierung

Ein segmentspezifisches Denken und das daraus resultierende strategische Han­ deln war bei Kreditinstituten für lange Zeit unterentwickelt. Insbesondere im Mengengeschäft wurde eher eine Politik des passiven Angebots betrieben, ohne auf entsprechende Kaufkraftverhältnisse, Bedürfnismuster oder unterschiedliches Nachfrageverhalten einzugehen.3 Doch mit der Erkenntnis einer aktiven, an den Wünschen der Kunden orientierten Geschäftspolitik begann man, den heteroge­ nen Gesamtmarkt in einzelne homogene Nutzergruppen zu teilen und mittels Marktforschung eine Basis für die Anwendung absatzpolitischer Instrumentarien zu finden. Um eine marktgerechte und serviceorientierte Absatzpolitik von Bankleistungen zu gewährleisten ist es erforderlich, die Kunden in möglichst scharf von einander trennbare und in sich homogene Nutzergruppen zu segmen­ tieren. Im Extremfall würde nach zahlreicher Differenzierung jeder Kunde für sich ein einzelnes Segment darstellen. Neben geographischen Kriterien werden häufig sozio-demographische Kriterien zur Segmentierung herangezogen.4 Man hat erkannt, dass das Nachfrageverhalten stark mit demographischen Merkmalen - Alter und Familienstand - und sozio­ ökonomischen Merkmalen - Einkommen, Beruf oder Bildung - korreliert. So zeigte sich beispielsweise in einer im Jahre 1973 entwickelten Studie, dass für den Aktienbesitz privater Haushalte die Merkmale schulische Bildung, Haus­ haltsnettoeinkommen und Beruf ausschlaggebend waren. Doch selbst demogra­ phisch gleich geartete Kunden können sich hinsichtlich ihres Verhaltens stark voneinander unterscheiden. Das verhaltensorientierte Kriterium mit einer explizi­ ten Segmentierung nach dem Nachfrageverhalten trägt diesem Umstand Rech­ nung. Dabei werden unter anderem Merkmale der Preissensitivität, Intensität oder der Bankenloyalität herangezogen. Im Gegensatz zu den eben beschriebenen relativ leicht messbaren Merkmalen und Kriterien liegt den psychographischen Kriterien der Versuch zugrunde, subjektiv erlebte Eindrücke und Eigenschaften hinsichtlich ihrer Motivation und persönlicher Einstellungen der Kunden zu ergründen.

3 4

Vgl. im folgenden Halsch (1995), S. 63ff. Vgl. im folgenden Halsch (1995), S. 72ff.

82

2.2

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

Selbstsegmentierung im E-Banking

Traditionelle Nutzergruppensegmentierung nach geographischen oder sozio­ demographischen Merkmalen mutet angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse ebenso anachronistisch an, wie der noch weitverbreitete Versuch, definierten Nutzergruppen ein hinsichtlich Beratung und Leistung abgestuftes Angebot zu unterbreiten.5 Dies bewirkt, dass lediglich den vermögenderen Kun­ den die gesamten Möglichkeiten an Betreuung und Beratung zur Verfügung stehen, während der Basiskunde diese Wahl nicht hat. Der entscheidende Denk­ fehler hierbei ist, unberücksichtigt zu lassen, dass der Kunde in verschiedenen Geschäftssparten trotz gleicher Nutzergruppenzugehörigkeit unterschiedlichen Bedarf haben kann. Es ist aus Ertragsgesichtspunkten für eine Bank unverständ­ lich, einem Kunden komfortablere Leistungsangebote nicht angedeihen zu lassen, nur weil er für ein etwaiges Anlagegeschäft nicht über das entsprechende Ein­ kommen oder Vermögen verfügt. Somit ist das Auswahlverfahren innerhalb einer für den Kunden selbst einzuschätzenden Bedarfssituation allemal einer klassi­ schen Segmentierung vorzuziehen.

Um den notwendigen Hochseilakt zwischen einer individuellen Kundenanspra­ che, atomisierten Nutzergruppen und den seither dargebotenen Bankleistungen bewältigen zu können, bedarf es einer gründlichen Verständnisänderung der kundenseitigen Wertschöpfungskette.6 Nach Prahalad besteht der Königsweg zur Überwindung dieser Crux in einer Kooption des Kunden. Er wird damit als Berater und Partner verstanden und in die sogenannte Extended Enterprise, die Weiterentwicklung von Porters traditioneller Wertkette als Netzwerksystem, eingebunden. Da das E-Banking in seiner Gesamtheit die Möglichkeit einer individuellen Ansprache bietet, kann sich der Kunde selbst segmentieren und nach seinen persönlichen Präferenzen die für ihn attraktivsten Produkte zusam­ menstellen. Die Auswirkungen sind frappierend. Zum einen wird aus Sicht der Banken die Segmentierung extemalisiert, zum anderen wird dem Postulat er­ wünschter Wechselbarrieren insoweit Rechnung getragen, als der Kunde persön­ lichen Einsatz und Engagement in die Auswahl seiner Produkte und Dienstleis­ tungen einbringen kann. Ähnlich der Softwarebranche ist es für den Nutzer sogar vorstellbar, bei der Erstellung neuer Produkte und Services selbst mit Anregun­ gen, Verbesserungen oder eigenen Konzepten mitzuwirken. Dies würde nicht nur zu einer Auslagerung der Kosten und Vermeidung von Fehlsegmentierungen führen, sondern erheblich zur Identifikation und Bankenloyalität beitragen. Denn,

5 6

Vgl. im folgenden Bühler (2000), S. 846ff. Vgl. im folgenden Hühn (2000), S. 533ff.

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

83

welcher Kunde will schon mit einem Institutswechsel sein eigenes Produkt verlassen? Auch kann die Selbstsegmentierung zu einer Verstärkung des Cross-Selling fuhren, da die Alternativen, aus einem erweiterten Angebot auszuwählen, deut­ lich zunehmen.7 Die Möglichkeiten der Kooption im E-Banking sind vielschich­ tig und lassen sich anhand mancher Vorreiter aus anderen Branchen erahnen:8 Jeff Bezos, Gründer von Amazon, fordert seine Kunden auf, online Rezensionen über verkaufte Bücher zu schreiben und bindet sie aktiv in die Akquisition neuer Kunden ein; bei Fiat sind die Kunden bereits für die Gestaltung des Interieurs zuständig. Warum sollten Finanzinstitute interessierten Nutzergruppen nicht auch bestimmte Produkte mit dem Anreiz gewisser Vergünstigungen zum Test anbie­ ten können? Dieses Verständnis einer Selbstsegmentierung im E-Banking würde aber nicht nur große Anforderungen an die Flexibilität stellen, sondern auch einen Paradigmenwechsel bei den Banken über die Art der Kundenbeziehung als solche voraussetzen.

2.3

One-to-One-Banking

Ausgehend von den eben dargestellten Möglichkeiten einer individuellen An­ sprache im E-Banking durch Selbstsegmentierung, soll nun die Interaktion zwischen Kunde und Bank mit der Erweiterung um eine persönliche Ansprache aufgezeigt werden. Da sich einzelne Nutzer aufgrund ihrer differierenden Präfe­ renzstruktur nur unzureichend klassifizieren und in Nutzergruppen segmentieren lassen, bedarf es auf dem Wege der Kenntlichmachung von Kundenwünschen einer persönlichen Kommunikation.

Bei dieser sogenannten Eins-zu-eins-Kommunikation ist es nicht das vorrangige Ziel, ’’mehr Käufer für seine Produkte zu finden, sondern mehr Produkte für seine Käufer”9. Es geht also in erster Linie um die Intensivierung und langfristige Gewährleistung einer bestehenden Kundenbeziehung, nicht um die bloße Erwei­ terung der Kundenbasis.10 Dafür eignet sich in einem ersten einfachen Schritt eine individuelle und auf die persönlichen Präferenzen zugeschnittene Startseite im Internet, die der Kunde nach Eingabe seiner Konto- und Identifikationsnummer aufrufen kann. Die Private Site der Deutschen Bank, um ein plastisches Beispiel zu geben, bietet, nach erfolgter namentlicher Begrüßung, in Tabellenform einen

7 8 9 10

Vgl. Bühler (2000), S. 851 Vgl. im folgenden Hühn (2000), S. 535 Reichardt (2000), S. 129 Vgl. im folgenden Reichardt (2000), S. 241 f.

84

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

Überblick über die eigenen Konten und Depots und stellt in einer weiteren Tabelle die wichtigsten Marktdaten, etwa aktuelle Devisen- und Aktienkurse oder Indizes, dar. Beide Übersichten lassen sich nach persönlichem Dafürhalten einrichten und verändern. Die vom Kunden am häufigsten aufgerufenen Funktio­ nen, zum Beispiel Auslandsüberweisungen oder das Zeichnen von Neuemissio­ nen, können direkt auf die Seite verlinkt werden, um so einen zügigen Zugriff zu gewährleisten. Daneben werden sowohl spezielle Analysen und Berichte von Wertpapierexperten angeboten, als auch nach verschiedenen Themen individuell ausgewählte Newsletter. Zumeist enden an diesem Punkt die maßgeschneiderten Angebote der Finanz­ dienstleister, obwohl die Technik rund um das Internet bereits heute Möglichkei­ ten eines interaktiven Informationsaustauschs und der gezielten Kundenansprache bietet, die über das One-to-One-Verständnis einer personalisierten Website hinausgehen. Dazu ist es jedoch notwendig, die alleinig auf Einzelkanälen basie­ rende Kommunikation zwischen Kunde und Bank zugunsten von Verbundkanä­ len aufzugeben.11 Die ausschließliche Nutzung eines Vertriebswegs stößt bei der Erbringung notwendiger Beratungsleistungen schnell an technische, organisatori­ sche, finanzielle und immanente Grenzen. Eine präzise und analytische Erfassung der Kundensituation und eine visuelle Veranschaulichung der Finanzdienstleis­ tung ist über Telefon genauso wenig möglich, wie das Internet einen qualifizier­ ten, persönlichen und mit Sympathien verbundenen Berater zur gemeinsamen Problemlösung bieten kann. Mit einer Verbindung der beiden Vertriebswege Internet und Telefon lassen sich aber die Grenzen überwinden und die Vorteile beider Einzelkanäle synergetisch zu einem leistungsstarken Beratungskonzept bündeln. So können Kunde und Berater gleichzeitig Daten über Internet austau­ schen und sich der Sprachkommunikation mittels Telefon bedienen. Der Kunde erhält dadurch eine nach seinen qualitativen und quantitativen Präferenzen individuell ausgestaltete und je nach Beratungsintensität mit unterschiedlichen Kostenpunkten versehene Finanzdienstleistung. Eine ex ante notwendige Seg­ mentierung in vielschichtige und strikt untergliederte Nutzergruppen entfällt dadurch weitestgehend. Um sich ausschließlich auf Kemkompetenzen und die Intensivierung der Beziehungen zum Endkunden beschränken zu können ist es für Banken sinnvoll, einzelne Dienstleistungen und Finanzprodukte an externe Lieferanten auszulagem, die aufgrund ihrer Skaleneffekte wesentlich kostengüns­ tiger produzieren können. Das dadurch entstehende Netzwerk an Anbietern ergibt eine virtuelle Organisation in der Form, dass alle Produkte und Dienstleistungen an der Schnittstelle zum Kunden zur Verfügung stehen. Die Initiative der Nach­

11

Vgl. im folgenden Buhl, Wolfersberger (2000), S. 201 f.

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

85

frage geht in diesem Prozess zumeist vom Kunden aus.12 Er formuliert seine individuellen Präferenzen innerhalb der verschiedenen Kanäle des E-Banking und stellt somit neben traditionellen Distributionskanälen den eigentlichen Point of Sale dar.

Wie sich eine systematische Umsetzung der Kundenorientierung bei Banken in technischer Hinsicht ausgestaltet und welche Möglichkeiten insbesondere das Internet dabei bietet, soll Gegenstand des nachfolgenden Beitrags sein. Nachdem nun die für Banken tragende Bedeutung des Wissens um Kundenpräfe­ renzen vor dem Hintergrund eines vollkommen neuen Verständnisses von Seg­ mentierung herausgearbeitet wurde, nimmt sich das folgende Kapitel eben diesen spezifischen Kundenpräferenzen an und untersucht das Nachfrage verhalten im EBanking anhand exemplarischer Punkte.

12

Vgl. im folgenden Birkelbach (1998), S. 35f

86

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

3 Nachfrageverhalten im E-Banking

3.1

Bereitschaft zur Internet-Anwendung

Die Bereitschaft zur Nutzung des Internets für Bankleistungen steigt beständig an.13 Dieser Trend wird auch in Zukunft insbesondere vor dem Hintergrund anhalten, dass die mit dem Internet vertrauten jüngeren Jahrgänge verstärkt in den Markt eintreten. Diese nachfolgenden Generationen sind von Kindesbeinen an mit diesem Medium aufgewachsen und werden es zusehends als Selbstver­ ständlichkeit des alltäglichen Gebrauchs in ihre Bankgeschäfte integrieren. Darüber hinaus wird sich der potentielle Anwenderkreis auch auf ehedem technikaverse Kunden erweitern, da sowohl Bedienungskomfort als auch Servicequa­ lität permanente Verbesserungen erfahren. Der potentielle Nutzerkreis lässt sich nicht nur an den Nutzerzahlen erkennen (vgl. Beitrag Bülow/Köckritz, Kapitel 2.1 Technische Entwicklungen) und der Tatsache, dass in Deutschland pro Tag ca. 15.000 Personen neu den Weg ins ’’Netz” beschreiten, sondern auch an der durchschnittlichen Verweildauer eines jeden Internet-Nutzers im Netz.14 Diese beläuft sich laut einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts AC Nielsen für den Monat August 2001 auf über 7,5 Stunden, wobei jeder deutsche InternetNutzer durchschnittlich an 16 Tagen pro Monat online ist.15 Die sukzessiven Steigerungsraten sind nach empirischen Studien als wichtiges Indiz für die gesteigerte Wahrscheinlichkeit eines Online-Kaufs zu werten.16

Bankenloyalität

3.2

Privatkunden waren bisher durch eine Vielzahl von Daueraufträgen und Last­ schriftverfahren vor allem technisch und über den persönlich Kontakt zum Kundenberater auch emotional stark an die jeweilige Hausbank gebunden.17 Ein Wechsel war folglich aufgrund der engen Verzahnung zwischen Kunde und Bank mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden. Um nun Aussagen über 13 14 15 16 17

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

im folgenden Häcker (1998), S. 127 Management Team (2000), S. 3 AC Nielsen (2001) Bauer (2000), S. 1141 im folgenden Gerard, Fulda (1996), S. 357ff.

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

87

die Bankenloyalität im E-Banking anstellen zu können, muss man den Grad der Vernetzung betrachten und die dem Kunden bei der Auflösung und bei der Anbahnung einer neuen geschäftlichen Beziehung entstehenden Kosten. Je höher diese sogenannten Switching Costs - u.a. Preis, Zeit, Bequemlichkeit - ausfallen, desto stärker stellt sich der Grad der Vernetzung und damit die Bankenloyalität dar. Das Internet ermöglicht jedoch die Transparenz und hierdurch zunehmende Preis-Leistungs-Vergleichbarkeit von Produkten unterschiedlicher Banken und erhöht somit den Druck auf die Preise angebotener Leistungen erheblich. Gleich­ zeitig wird eine kundenspezifische Abwicklung der Bankgeschäfte über das Netz ermöglicht. So kann sich beispielsweise jeder Kunde bequem von zu Hause aus eine eigene Maske für Daueraufträge und Lastschriften einrichten und gegebe­ nenfalls, quasi über Knopfdruck, die Bankverbindung wechseln. Die Switching Costs sinken dadurch ebenso dramatisch wie die Bankenloyalität selbst! Bildhaft gesprochen bedeutet dies: ’’Banking will become just another icon on someone’s computer”18. Aus Bankensicht bedeutet die verlorengegangene Loyalität insoweit ein immenses Gefahrenpotential, als eine Fluktuation einzelner Kunden oder kompletter Kundenschichten jederzeit und unerwartet einsetzen kann. Durch zufriedene Kunden und absolute Serviceorientierung kann ein Gutteil an Loyali­ tät aber wieder zurückgewonnen werden (vgl. Beitrag Braun/Köckritz).

Süchting und Paul weisen der empirischen Aufbereitung der Bankenloyalität eine tragende Rolle zu, kommen aber zu der Erkenntnis, dass Großbanken seither kaum Untersuchungen angestellt haben, um Kundenabgänge systematisch zu analysieren.19 Gerade bei der Festlegung des Marketing-Mix sollte der Berück­ sichtigung des jeweiligen Loyalitätssegments eine zentrale Rolle zukommen. Bei illoyalen und zumeist preissensitiven Nachfragern sind in der Außenkommunika­ tion vor allem bestimmte Produkteigenschaften und die preisliche Überlegenheit gegenüber der Konkurrenz herauszustellen, wohingegen loyalere Kunden stärker auf Institutswerbung und Markenpolitik ansprechen.

3.3

Dominanz der Marke

Eben diese explizite Positionierung in der Kundenwahmehmung einzugehen ist vonnöten, um sich von einem reinen Wettbewerb des Preises zu lösen. Grund­ sätzlich eignet sich hierzu die Etablierung eines Markennamens. Dies ist bei Banken natürlich umso schwieriger, als sich die angebotenen Produkte und Dienstleistungen sehr ähnlich sind, rechtfertigt aber im Vergleich zu anderen 18 19

Gerard, Fulda (1996), S. 359 Vgl. im folgenden Süchting, Paul (1998), S. 648ff.

88

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

Branchen nicht die in der folgenden Abbildung zu erkennende immense Diskre­ panz zwischen Markenkenntnis und Alleinstellung:

Abbildung 1:

Markenkenntnis und Alleinstellung®

Es zeigt sich, dass jeweils mehr als drei Viertel der Deutschen die großen Finanz­ institute kennen.21 In ihrem Bekanntheitsgrad sind sie damit mit der Marken­ kenntnis von Autos oder Luxusgütem zu vergleichen, assoziieren aber in der vorherrschenden Meinung, mit Ausnahme der Sparkasse, nur bei knapp einem Drittel ein unverwechselbares oder einzigartiges Image. Diese klaffende Diffe­ renz kennzeichnet das bei Banken im allgemeinen noch brachliegende Potential. Eine Aktivierung ist umso wichtiger, als die Bedeutung der Marke in der heuti­ gen Informationsgesellschaft weiter zunehmen wird. Mit dem Siegeszug des Internets und einer sich verstärkenden Reizüberflutung fällt es dem Kunden eminent schwer, die dargebotene Informationsflut zu sondieren. Die Aufmerk­ samkeit der Kunden wird zu einem knappen Gut. Dynamische Markenwerte, verbunden mit Attributen wie Popularität, Seriosität, Kompetenz und Vertrauen, sind ein entscheidendes Mittel, um der Aufmerksamkeit bestehender Kunden oder potentieller Neukunden gewahr zu werden.

20

21

Vgl. Eichelmann, Wild (2000), S. 840. Markenkenntnis: Konkrete Markenkenntnis bei Personen ab 14 Jahren Alleinstellung: Beurteilung als unverwechselbar/einzigartig bei Personen mit kon­ kreter Markenkenntnis. Vgl. im folgenden Eichelmann, Wild (2000), S. 840ff.

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

89

Ein alleiniger Preiswettbewerb ist vielerorts bereits ausgereizt. Der USamerikanische Online-Broker Charles Schwab konnte beispielsweise, trotz verhältnismäßig hoher Kommissionen und versteckter Gebühren, seine Position im Vergleich zur Konkurrenz - jüngst deutlich ausbauen.22 Für einen einzelnen, nicht in das Gebührenmodell eines Active Trader fallenden Kundenauftrag, berechnet der Marktführer stolze 29,95 US-Dollar.23 Bei anderen Anbietern lassen sich zwar Preise zwischen acht und fünfzehn Dollar realisieren, für den Kunden erscheinen diese Angebote dadurch aber keineswegs attraktiver.24

Die folgenden Zahlen belegen eindrucksvoll, welchen entscheidenden Faktor eine bekannte Marke für den Erfolg im Internet darstellen kann:

Abbildung 2:

Relevanz des Interesses für Markennamen bei Internet-Nutzern25

Zwei Drittel der Internet-Nutzer geben an, dass für sie die Marke eine hohe, respektive sehr hohe Relevanz besitzt.26 Sie erzeugt damit eine in jedem Fall kaufpsychologische und zwar nicht nur unterschwellig, sondern explizit geäußer­ te Reaktion.

Ein bestehender Untemehmungsname könnte bei zahlreichen Banken als funkti­ onaler Überbau zur Etablierung einer Dachmarke herangezogen werden.27 Unter 22 23 24 25 26 27

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Kuckelkorn (2000), S. 7 Schwab (2001) Kuckelkorn (2000), S. 7 Cramer (2000), S. 15 im folgenden Cramer (2000), S. 15 im folgenden Eichelmann, Wild (2000), S. 842

90

Nutzergruppen und Nachfrage verhalten im E-Banking

dieser Dachmarke müssten für jede Zielgruppe eigene Marken aufgebaut und kommuniziert werden, die beim Nachfrager einen emotionalen Mehrwert und eine Möglichkeit der Identifikation generieren könnten. Wie eine derartige Positionierung einer Bankmarke innerhalb eines bestehenden Konzerns ausgestal­ tet werden kann und sich damit unterschiedliche Assoziation ergeben, zeigen die Direktbanktöchter der privaten Großbanken. Allgemein bescheinigen 64,8 Prozent der Deutschen Bank 24 ”in" und dem Zeitgeist folgend zu sein, wohinge­ gen dieses Meinungsbild auf die Mutteruntemehmung nur zu 38,6 Prozent zutrifft.

3.4

Vertrauensfaktor Sicherheit

Untersuchungen bestätigen immer wieder, dass das mangelnde Vertrauen der Kunden in Zahlungen über das Internet als größter Hinderungsgrund für eine noch schnellere Verbreitung des E-Banking anzusehen ist. Laut einer von Arthur D. Little und der Giga Information Group unter Bankkunden durchgefuhrten repräsentativen Studie ist für annähernd die Hälfte der Befragten der Mangel an Sicherheit, Vertrauen und Vertraulichkeit die größte Barriere für das EBusiness.28

Die Wichtigkeit des kritischen Erfolgsfaktors Sicherheit für die digitale Ge­ schäftsabwicklung zwischen Kunde und Bank lässt sich auch daran ermessen, dass derzeit das BAKred, in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Deutsche Bundesbank, sicherheitstech­ nische Analysen von E-Banking Plattformen diverser Banken durchfuhren will, um damit der in offenen Systemen bestehenden Gefahr von Systemeinbrüchen oder der Zerstörung, beziehungsweise Verfälschung von sensiblen Daten zu begegnen.29

28 29

Vgl. Heydemann (2000), S. 640 Vgl. Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (2001)

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

Abbildung 3:

91

Barrieren für E-Business^

Da sich eine weitere Betrachtung des Faktors Sicherheit im Rahmen des Nachfra­ geverhaltens im E-Banking dem Umfang dieses Beitrags entziehen würde, sei abschließend auf Abbildung 4 verwiesen, die ein Umfrageergebnis der For­ schungsgruppe Wahlen zu diesem Thema veranschaulicht.

Abbildung 4: 30 31

Bewertung der Sicherheit im Online-Banking^

Vgl. Heydemann (2000), S. 640 Vgl. Bundesverband deutscher Banken (2000), S. 16

92

3.5

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

Multi-Channel-Ansatz

Die Loslösung des Angebots an Dienstleistungen von Lokalitäten wie der Bankfi­ liale umschreibt unter dem Begriff Dematerialisierung32 die multikanalen Zu­ gangswege, mit denen der Kunde in Kontakt zu seiner Bank treten kann. Grund­ sätzlich lassen sich eine Vielzahl diverser elektronischer Zugangswege unter­ scheiden. Die Erreichbarkeit im E-Banking stellt eine wichtige Determinante der Kundenzufriedenheit dar, wobei sich die Erreichbarkeit sowohl hinsichtlich der zeitlichen Verfügbarkeit als auch durch die Vielzahl der Zugangsmöglichkeiten definiert.33 Egal an welchem Ort Finanzprodukte nachgefragt werden, ob am Arbeitsplatz, zu Hause, unterwegs oder in der Filiale, das Internet bildet die vernetzende Grundlage aller für den Bankbetrieb nutzbarer kommunikativer Endgeräte.34 Der zunehmende Grad der Verbreitung des Internets und die fort­ schreitende Technik lassen eine weitere Integration und Vernetzung erwarten. Multi-Channel ist Trumpf! Die Kunden erwarten von den Banken keine bereitge­ stellten Insellösungen, sondern vielmehr, ihnen den Zugang zum gesamten angebotenen Leistungsspektrum selbst zu überlassen.35 Nach einer von der Boston Consulting Group erstellten Studie entfallen in den USA, zumeist Vorrei­ ter technologischer Entwicklungen für Europa, bereits 90 Prozent aller in der Finanzdienstleistungsbranche generierten Umsätze auf multikanale Anbieter, hingegen nur 10 Prozent auf Direktbanken.

Insoweit ist es nicht überraschend, dass sich 80 Prozent aller Kunden verschiede­ ne Zugangswege zu ihrer Bank und damit ein breiteres Spektrum an Schnittstel­ len wünschen.36 Nur jeweils 10 Prozent wollen ausschließlich online mit ihrem Kreditinstitut kommunizieren, beziehungsweise ausschließlich den persönlichen Berater einer Filiale aufsuchen. Das Internet wird im vorherrschenden Meinungs­ bild als ergänzendes Medium zum Beratungsgespräch angesehen, das, bei um­ fangreichen Erläuterungen komplexer Produkte, den Filialbesuch hingegen (noch) nicht gänzlich ersetzen kann (vgl. Beitrag Müller/Trautwein, Kapitel 3.3.3 Vertriebspolitik).

32 33 34 35 36

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Burchard (1996), S. 388 Gerard, Fulda (1996), S. 354 im folgenden Wild (2000), S. 15 im folgenden Vaino (1999) im folgenden Bundesverband deutscher Banken (2000), S. 19

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

93

4 Online-Banking Nachdem in den beiden vorangegangenen Kapiteln sowohl die Möglichkeiten einer neuartigen Segmentierung in Nutzergruppen im E-Banking als auch das Nachfrageverhalten generell herausgestellt wurden, veranschaulicht Kapitel 4 anhand spezieller Daten konkrete Entwicklungen im Bereich Online-Banking.

4.1

Anzahl der Nutzer

Online-Banking gewinnt mit zunehmendem Verbreitungsgrad an Popularität. In einer vom Bundesverband deutscher Banken beauftragten repräsentativen Studie der FGW Online wird erhoben, dass insgesamt 11 Prozent der Deutschen mo­ mentan Online-Banking nutzen und weitere 17 Prozent bereits ernsthaft darüber nachgedacht haben, ihre Bankgeschäfte zukünftig online abzuwickeln.37 Ende 2000 wurden nach Berechnungen der Deutschen Bundesbank und der Postbank (vgl. Abbildung 5) über 14 Mio. Konten online geführt.38 Dies ent­ spricht einer Steigerung von 1000 Prozent seit 1995, beziehungsweise einer jährlichen durchschnittlichen Steigerung von annähernd 60 Prozent. Natürlich sind derartig hohe Wachstumsraten aufgrund einer gewissen Marktsättigung für die Zukunft nicht zu erwarten, doch liegen die Schätzungen der online geführten Konten für das Jahr 2005 bei ungefähr 29 Mio. und würden somit einer durch­ schnittlichen Steigerung von 16 Prozent per anno entsprechen. Von den 14 Mio. Online-Konten, die in etwa 11 Prozent aller in Deutschland geführten Konten ausmachen, entfallen 30 Prozent (4,2 Mio.) auf Sparkassen und 18 Prozent (2,5 Mio.) auf Volks- und Raiffeisenbanken. Aus der Riege der Privaten Banken nimmt die Deutsche Bank 24 mit einem absoluten Anteil von 10 Prozent oder 1,42 Mio. Konten die größte Position ein. Eine vermeintliche Diskrepanz der Zahlen zwischen Bevölkerungsanteil und Online-Konten erklärt sich in der gleichzeitigen Führung mehrerer Konten durch eine Person.

37 38

Vgl. Bundesverband deutscher Banken (2000), S. 16 Vgl. im folgenden Manager Magazin (2001)

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

94

Abbildung 5:

Entwicklung der Online-Konten in Deutschland*9

Die Attraktivität des Aktienhandels über Internet hat nicht nur insgesamt die starke Entwicklung der Nutzer- und Kontenzahlen im Online-Banking geprägt. In Verbindung mit einer Sensibilisierung der Bevölkerung für den Kapitalmarkt entwickelte sich insbesondere seit der Emission der Deutschen Telekom im Jahre 1996 eine dynamische Aktienkultur, die der enormen Steigerung der Kundenzah­ len im Bereich E-Brokerage Vorschub leisten konnte. Das folgende Schaubild zeigt eine aus dem Jahre 1999 stammende Prognose der Kundenentwicklung.

39

Vgl. Management Team (2000), S. 3 und Manager Magazin (2001)

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

95

Erstaunlicherweise hat die tatsächliche Entwicklung im Jahre 2000 diese nur ein Jahr zuvor erstellte Prognose deutlich übertroffen. Laut einer Studie von Forrester betrug die Kundenzahl zum Jahresende 2000 2,5 Mio. und damit 67 Prozent mehr als die avisierten 1,5 Mio.41 Während die Anzahl der Online-Konten insge­ samt um 40 Prozent im Jahr 2000 zulegte, legte der Bereich E-Brokerage - weit über den Erwartungen liegend - um über 250 Prozent zu und nahm damit die prognostizierte Entwicklung für das Folgejahr vorweg.

In einer Phase überschwänglicher Euphorie an den Börsen im Frühjahr 2000 schafften es die vier größten deutschen Direkt-Broker (ConSors, Direktanlage­ bank, Comdirect und Deutsche Bank 24), zusammen arbeitstäglich annähernd 6.000 neue Depots zu eröffnen.42 Doch die Hochstimmung ist verflogen und musste einem bis dato 18-monatigen Abschwung weichen, der verdeutlicht, wie sehr die Direkt-Broker von der allgemeinen Börsenstimmung und dem damit eng verbundenen Verhalten der Nutzer abhängig sind. Eine dramatisch zurückgehende Zahl an Neukunden, verbunden mit einem sinkenden Umsatz- und Einlagevolumen, sowie steigende Kosten und ein kannibalisierender Wettbewerb, lassen die momentane Krise der Branche offenbar werden. Diese Entwicklung unterstreicht die Wichtigkeit der in den vorangegan­ genen Kapiteln gemachten Ausführungen zum Nachfrage verhalten und den 40 41 42

Vgl. Landesbank direkt (2001), S. 9 Vgl. Forrester (2001), S. 5 Vgl. Landesbank direkt (2001), S. 8

96

Nutzergruppen und Nachfrage verhalten im E-Banking

Nutzergruppen, um den Kunden einen Mehrwert bieten und sich im Wettbewerb differenzieren zu können. Dennoch geht Forrester derzeit von einer langfristig stark wachsenden Kundenbasis im Bereich E-Brokerage aus und schätzt die Nutzerzahl bis Ende 2005 sogar auf 7 Mio.43 Dies würde einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von 23 Prozent entsprechen und damit deutlich höher ausfallen, als die prognostizierten 16 Prozent (siehe oben) des gesamten Marktes fur Online-Banking.

Sozio-demographisches Profil

4.2 Alter:

Wie aus Abbildung 7 ersichtlich wird, rekrutiert sich in Deutschland die Mehr­ zahl der Internet-Nutzer aus den Bevölkerungsschichten mittleren Alters. Im Vergleich zu einer früheren Erhebung hat sich die Alterspyramide allerdings deutlich verflacht. Sowohl die jüngeren als auch im besonderen die älteren Nutzergruppen bedienen sich verstärkt des Mediums Internet.44

Abbildung 7:

43 44 45

Alter der Internet-Nutzer in Deutschland^

Vgl. Forrester (2001), S. 13 Vgl. W3B (2001) Vgl. W3B (2001)

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

97

Betrachtet man im Vergleich dazu exemplarisch die Altersstruktur im EBrokerage und damit einen Ausschnitt des Online-Banking, ergibt sich eine auffällige Verschiebung des obigen Gesamtbildes zu Gunsten älterer Bevölke­ rungsgruppen. Die jüngere (bis 30 Jahre) und mittlere Altersgruppe (im Bereich zwischen 31 und 40 Jahren) nutzt E-Brokerage anteilsmäßig schwächer als das Internet. Demgegenüber stellt die Altersgruppe der über 50 Jährigen bei den Internet-Nutzem lediglich 14 Prozent, wohingegen sie im Bereich E-Brokerage 27 Prozent aller Kunden ausmacht. Noch deutlicher fällt der Unterschied aus, wenn man die einjährige Verschiebung der aufgeteilten Altersgruppen berück­ sichtigt. Insgesamt zeigt die Verteilung der Nutzer über alle Alterssegmente hinweg, dass E-Brokerage, und damit auch Online-Banking, nicht nur jüngeren vorbehalten ist, sondern alle Altersbereiche anspricht.

Abbildung 8:

46

Alter der E-Brokerage-Nutzer in Deutschland46

Vgl. Cramer (2000), S. 20

98

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

Beruf: Nach einer von Forrester im Jahre 2001 durchgefuhrten Studie bilden Angestellte mit über der Hälfte aller Nutzer die Mehrheit im Online-Banking.47 Daneben sind Selbständige mit über 10 Prozent und Studierende mit etwa 10 Prozent ver­ gleichsweise häufig vertreten. In einer weiteren von Forit erhobenen repräsentativen Marktstudie geben im Bereich E-Brokerage 35 Prozent der Befragten an, zur Berufsgruppe der nicht Leitenden Angestellten und Beamten zu zählen, gefolgt von Leitenden Angestell­ ten mit 24 Prozent und Selbständigen mit 17 Prozent; Rentner sind mit erstaunli­ chen 13 Prozent relativ häufig vertreten.48 Beide unabhängigen Analysen kom­ men zu einem ähnlichen Ergebnis. Es ist festzustellen, dass Online-Banking in seiner Gesamtheit eine Vielzahl unterschiedlicher Berufsgruppen anspricht und nicht nur einzelnen, möglicherweise bildungselitären Bevölkerungsschichten zuzurechnen ist.

Einkommen und Vermögen:

Inwieweit sich Online-Banking zu einer Commodity der allgemeinen Bevölke­ rung entwickelt hat, lässt sich neben den bereits aufgezeigten demographischen Merkmalen auch an der finanziellen Situation der Nutzer ermessen. Bei etwa der Hälfte aller Befragten beträgt das monatliche Haushaltsnettoeinkommen zwi­ schen 1.500 und 3.000 Euro und ist damit in bezug auf die Höhe als durchschnitt­ lich anzusehen.49 Das Anlagevermögen zeigt ein ähnliches Bild. Dieses liegt bei 60 Prozent der Anleger unter 10.000 Euro monatlich; lediglich 7 Prozent verfü­ gen über ein Anlagevermögen von mehr als 50.000 Euro und sind als eher wohlhabende Retail-Kunden einzustufen.

Die relativ ausgewogenen demographischen Merkmale insgesamt lassen eine vielschichtige Nutzungsintensität vermuten. Das folgende Kapitel nimmt sich eben dieser Untersuchung an.

47 48 49

Vgl. im folgenden Forrester (2001), S. 16 Vgl. Forit (2000), S. 37 Vgl. im folgenden Forrester (2001), S. 16

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

4.3

99

Cross-Selling

Annähernd 30 Prozent der Befragten haben Forrester angegeben, in den letzten drei Monaten über 50 Anwendungen fur Online-Banking genutzt zu haben.50 Dies umfasst zum Beispiel sowohl Abfragen des Kontostandes und Überweisungen als auch Einrichtungen, beziehungsweise Änderungen von Daueraufträgen. Weitere 20 Prozent gaben an, mehr als 30 Anwendungen genutzt zu haben und unterstrei­ chen damit die hohe allgemeine Nutzungsintensität. Während gerade klassische und alltägliche Bankleistungen - Abfrage des Kontostands und Überweisung von beinahe allen genutzt wurden, verhält es sich mit der Nachfrage nach bran­ chenfremden Dienstleistungen offensichtlich etwas reservierter. Ein Cross-Selling hinsichtlich Bauspar- und Versicherungsabschlüssen findet nur in seltenen Fällen statt. Eine Aufschlüsselung der Dienstleistungen zeigt das folgenden Schaubild.

Abbildung 9:

Genutzte Dienstleistungen im Online-Banking5'

Es wurde zwar lediglich ein Betrachtungszeitraum von drei Monaten für die Untersuchung herangezogen, das Ergebnis ist aber insbesondere vor dem Hinter­ grund einer von der Forschungsgruppe Wahlen durchgefuhrten Umfrage äußerst interessant.

50 51

Vgl. im folgenden Forrester (2001), S. 17 Vgl. Forrester (2001), S. 17

100

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

Abbildung 10: Versicherungsabschluss über Internet52

In dieser wurden Internet-Nutzer befragt, ob für sie der komplette Abschluss einer privaten Lebens- beziehungsweise Rentenversicherung über das Internet denkbar wäre.53 Während sich 17 Prozent der in dieser repräsentativen Telefon­ umfrage erhobenen Internet-Nutzer vorstellen können, eine derartige Versiche­ rung in vollem Umfang über das Medium Internet abzuschließen, sind es bei der Online-Umfrage mit einem Anteil von 43 Prozent weit mehr als doppelt so viele.54 Das Ergebnis der Untersuchung zeigt zum einen, dass aufgrund der Affinität der Online-Befragten zum Internet eine größere Aufgeschlossenheit für einen Abschluss vorherrscht und zum anderen, dass die erhobenen 43 Prozent den 3 Prozent aus der Umfrage von Forrester auf den ersten Blick völlig entge­ genstehen. Hierbei ist aber zu beachten, dass lediglich ein Betrachtungszeitraum von drei Monaten gewählt wurde und eine Versicherung ohnehin relativ selten und in unregelmäßigen Abständen abgeschlossen wird. Insoweit spiegelt das Ergebnis das vorhandene und zum erheblichen Teil brachliegende Potential des Cross-Selling im Online-Banking eindrucksvoll wieder. Aktuelle Entwicklungen in Richtung Allfinanz und Bankassekuranzen machen nun auch branchenfremde Dienstleistungen zu einem ökonomisch relevanten Thema für Banken und Versicherungen. Vor dem Hintergrund des aufgezeigten Bedarfs an versicherungstypischen und internetbasierten Dienstleistungen ist es

52 53 54

Vgl. Forschungsgruppe Wahlen Online (2000), S. 29 Vgl. Forschungsgruppe Wahlen Online (2000), S. 29 Vgl. Forschungsgruppe Wahlen Online (2000), S. 29

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

101

für Banken wichtig, diese vorhandenen Kundenpotentiale zu nutzen, um damit den in den vorangegangen Kapiteln geschilderten heterogenen Kundenpräferen­ zen zu entsprechen, die Bankenloyalität zu erhöhen und dem Postulat einer lebenslangen und umfassenden Kundenbeziehung nachkommen zu können.

102

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

5 Schlussbetrachtung „Der Fortschritt ist nur eine Verwirklichung von Utopien“, konstatierte Oscar Wilde in „Lehren und Sätze zum Gebrauch für die Jugend“. Wie recht er mit diesem Ausspruch hatte, lässt sich an den jüngsten Entwicklungen und Verände­ rungen im Bankgewerbe ermessen. Der technische Fortschritt hat nicht nur zu einer revolutionären Virtualisierung von Bankdienstleistungen und E-Banking im allgemeinen geführt, sondern zusammen mit veränderten Lebensgewohnheiten der Nutzer auch zu einem deutlich veränderten Nachfrageverhalten beigetragen. Die in diesem Beitrag aufgezeigten vielschichtigen Komponenten des Nachfrage­ verhaltens im Privatkundengeschäft erwachsen aus einem technisch bedingten Hinzugewinn bankspezifischen Wissens und beständig zunehmenden, atomisier­ ten und veränderlichen Kundenbedürfnissen. Um diesen Entwicklungen und Präferenzen gerecht zu wurden, wurden Möglich­ keiten der Segmentierung heterogener Nutzergruppen veranschaulicht. Dabei zeigte sich, dass das Bankgeschäft als „Dialog mit dem Kunden“55 verstanden werden muss, diesem eine aktive Rolle im partnerschaftlichen Prozess der Kom­ munikation zukommen sollte und traditionelle Kriterien der Segmentierung als obsolet zu betrachten sind. Nur mittels einer individuellen und persönlichen Ansprache können die unterschiedlichen Bedürfnismuster des einzelnen Kunden erfasst und zügig umgesetzt werden. Die nähere Betrachtung eines Ausschnitts von E-Banking in Kapitel 4 diente insbesondere dem Brückenschlag zwischen bis dato allgemeinen Untersuchungen und dem Aufzeigen aktueller Entwicklungen des äußerst populären und mit enormen Wachstumsraten versehenen Bereichs Online-Banking. Dabei wurde neben einem insgesamt ausgewogenen sozio-demographischen Profil der Nutzer und teils differenten Nutzungsintensitäten speziell das augenscheinlich vorherr­ schende Cross-Selling-Potential herausgearbeitet.

Ein Blick in die Zukunft lässt vermuten, dass sich das Nachfrageverhalten im E-Banking ebenso dynamisch und diskontinuierlich entwickeln wird wie der technologische Wandel selbst. Finanzdienstleister werden sich immer schneller auf verändernde Situationen und Kundenbedürfnisse einstellen müssen. Die ständig zunehmende Atomisierung der Präferenzen erfordert eine Perfektionie­ rung der unmittelbaren Kommunikation zwischen Kunde und Bank. Auf Basis traditioneller Nutzersegmentierungen unterbreitete Angebote an Produkten und 55

Hafner (2000), S. 424

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

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Dienstleistungen müssen zu Gunsten von spezifischer und individueller Inan­ spruchnahme durch den Kunden aufgegeben werden. Für Banken stellt sich die Erfordernis eines effizienten Customer Relationship Management Systems, um die von den Kunden gewünschten Leistungen herauszufiltem. Insoweit schließt der folgende Beitrag nahtlos an die bestehende Thematik an.

So wie alle bisher vollzogenen Neuerungen des E-Banking im vorhinein nur schwerlich zu erahnen oder zu begreifen waren, werden uns auch im Jahre 2010 die heutigen finanztechnischen Möglichkeiten wohl eher antiquiert erscheinen.56 Wohin uns die elektronische Revolution letztendlich trägt, vermag bei den derzeitigen Wachstumsraten und Veränderungen niemand vorherzusagen. Fest steht aber, dass sich die traditionelle Bankenlandschaft auf ihrem Weg zur virtu­ ellen Organisation im Internet weiterhin großen Veränderungen und einem steten Wandel unterziehen muss.

In einer zunehmenden und verstärkt medialen Allfinanz darf der Bogen an Komplexität jedoch nicht überspannt werden. Realitätsnähe und Sinnhaftigkeit angebotener Leistungen müssen im Einklang mit den Wünschen eines jeden Kunden stehen. Eben dieser Kontakt zum Kunde darf durch die fortschreitende Technisierung weder entpersonalisiert noch anonymisiert werden.

56

Vgl. im folgenden Erlingheuser (1998), S. 55ff.

104

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

LITERATURVERZEICHNIS AC Nielsen: Internet Usage Statistics, August 2001, Germany, in: URL: http://epm.netratings.com/de/web/NRpublicreports.usagemonthly, Zugriff: 10.11.2001

Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen: Deutsche Bankenaufsicht fuhrt sicherheitstechnische Analysen von E-Banking-Plattformen durch, 18.01.2001, in: URL: http://www.BAKred.de, Zugriff: 10.11.2001

Bauer, Hans u.a.: Barrieren des elektronischen Einzelhandels - Eine empirische Studie zum Kaufverhalten im Internet, in: Zeitschrift für Betriebswirt­ schaft, 70. Jahrgang (2000) 10, S. 1133-1156 Birkelbach, Jörg: Cyber Finance, Finanzgeschäfte im Internet, 2. Auflage, Wiesbaden 1999 Bundesverband deutscher Banken: E-Commerce als Bankleistung, aus der Reihe „Daten, Fakten, Argumente“, 2. Auflage, Berlin Oktober 2000 Buhl, Hans-Ulrich; Wolfersberger, Peter: One-to-one-Banking, in: Riekeberg, Marcus und Stenke, Karin: Banking 2000 - Perspektiven und Projekte, Wiesbaden 2000, S. 189-211

Burchard, Ulrich: Virtual-Banking - Navigation durch Chancen und Risiken, in: Die Banken auf dem Weg ins 21. Jahrhundert, hrsg. von International Bankers Forum e.V., Wiesbaden 1996, S. 385-403 Bühler, Wilhelm: Kundenbindung durch Wahlangebotsstrategien, in: Die Bank (2000) 12, S. 846-851

Cramer, Jürgen: E-Commerce: Wie viel man doch falsch machen kann! In: Bank und Markt (2000) 6, S. 14-20

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

105

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Forit: [email protected] Internet- und Online-Wertpapierhandel in Deutschland, Studie, Frankfurt am Main 2000 Forrester: Banking und Brokerage der Zukunft, Studie, Frankfurt am Main Februar 2001

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als

Security-

Hühn, Matthias: Der Kunde als Consultant, in: Die Bank (2000) 8, S. 532-535

Kuckelkorn, Dieter: Härterer Wettbewerb unter US-Online-Broker, in: Börsen­ zeitung (2000) 161, S. 7

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Süchting, Joachim; Paul, Stephan: Bankmanagement, 4. Auflage, Stuttgart 1998 Tschammer-Osten, Berndt u.a.: Handbuch: Direkt-Banking, Aachen 1998

Nutzergruppen und Nachfrageverhalten im E-Banking

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SASCHA BRAUN / HOLGER G. KÖCKRITZ

KONZEPTION DES ELECTRONIC CUSTOMER RELATIONSHIP MANAGEMENT

Konzeption des ECRM

111

INHALTSVERZEICHNIS ABKÜRZUNGS VERZEICHNIS.................................................112

ABBILDUNGSVERZEICHNIS................................................... 113 1

EINLEITUNG........................................................................... 114

2

GRUNDLEGUNG VON ECRM.......................................... 116

3

2.1

Definition von CRM............................................................................ 116

2.2

Definition von ECRM.......................................................................... 118

2.3

Ziele von ECRM.................................................................................. 119

ENTWICKLUNG EINER ERFOLGREICHEN ECRM- STRATEGIE..................................................... 122 3.1

Kundenanalyse.................................................................................... 122

3.1.1

Kundensegmentierung.............................................................. 122

3.1.2

Technische Umsetzung............................................................. 123

3.1.3

Bewertung der Kundenprofitabilität......................................... 126

3.2

Marktbearbeitungsstrategien............................................................... 133

3.3

Operative Umsetzung der Marktbearbeitung..................................... 134

3.3.1

Multi-Channel-Kundenmanagement...................................... 135

3.3.2

Weiterentwicklung des klassischen Call Center..................... 136

3.3.3 3.4

4

Beschwerdemanagement als Element der Kundenbindung.... 138

Lernen aus der Kundenbeziehung....................................................... 139

FAZIT..........................................................................................141

LITERATURVERZEICHNIS...................................................... 143

112

Konzeption des ECRM

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS CIC

Customer Interaction Center

CRM

Customer Relationship Management

CLV

Customer Lifetime Value

ECRM

Electronic Customer Relationship Management

IKT

Informations- und Kommunikationstechnik

Konzeption des ECRM

113

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1:

ECRM-Konzeption...........................................................120

Abbildung 2:

The Development of Lifetime Value............................... 127

Abbildung 3:

Berechnung des CLV...................................................... 128

Abbildung 4:

Ablauf und Berechnungsformel eines KundenScoring-Modells.............................................................. 130

Abbildung 5:

Beispiel kumulierter Gewinne innerhalb des Kundenstamms................................................................ 132

Abbildung 6:

Schematische Darstellung der operativen Umsetzung von ECRM.................................................... 135

114

Konzeption des ECRM

1 Einleitung Während der letzten Jahre hat sich der Wettbewerb in der Finanzdienstleistungs­ branche grundlegend verändert. Auf der Nachfrageseite sehen sich die Banken Kunden gegenüber, die über Zugang zu spezifischen und qualitativ hochwertigen Informationen verfügen und so ihre Erwartungshaltung stark angehoben haben. Ausführlich wird dies im vorigen Beitrag erläutert (vgl. Rathausky/Trautwein). Eine Folge dieser Entwicklung ist die Abnahme der Kundenloyalität, ausgedrückt in höherer Wechselbereitschaft und eine Verteilung des Geldvermögens auf mehrere Kreditinstitute.1

Wie schon aufgezeigt wurde (vgl. Bülow/Köckritz), ist auf der Anbieterseite ein deutlicher Trend zur Globalisierung zu erkennen, wobei klassische Banken durch technikgetriebene Marktveränderungen mit einer Wettbewerbsintensivierung durch die Markteintritte von Non- und Near-Banks konfrontiert werden. Auf­ grund der Homogenität der Produkte und immer kürzeren Produktlebenszyklen2 müssen die Banken neue Strategien entwickeln, um sich von der Konkurrenz zu differenzieren und die Kunden zu binden bzw. neue Kunden zu akquirieren. Die Schlüsselstrategie in diesem Zusammenhang heißt Kundenorientierung. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei, dass die Kundenorientierung nicht als Aufgabe einer funktionalen Einheit, sondern als zentrale unternehmerische Herausforderung angesehen wird.3 Das Ziel dieses Beitrags besteht nun darin, anhand der Konzeption des Customer Relationship Management (CRM) eine systematische Umsetzung der Kundenori­ entierung in Banken aufzuzeigen. Des Weiteren soll analysiert werden, inwiefern durch technische Lösungen neue Vertriebskanäle geschaffen werden und somit auch der CRM-Gedanke um eine elektronische Komponente erweitert wird. In diesem Fall spricht man von Electronic Customer Relationship Management (ECRM). Am Ende wird deutlich, wie eine erfolgreiche ECRM-Strategie konzi­ piert sein muss und worin die kritischen Erfolgsfaktoren liegen.

Zunächst wird anhand der Definition von CRM und einer Abgrenzung gegenüber den Maßnahmen des klassischen Marketing die Grundlage für das Verständnis dieser Konzeption geschaffen. Anschließend erfolgt mit Bezug auf die Technisie­ rung eine Definition von ECRM. In Kapitel 2.3 werden schließlich die Ziele von

1 2 3

Vgl. Platzek (2000), S. 12ff. Vgl. Herrmann, Jasny, Vetter (1999), S. 11 Vgl. Herrmann, Jasny, Vetter (1999), S. 11

Konzeption des ECRM

115

ECRM erläutert. Diese bilden die Basis für die weiteren Ausführungen, in denen eine Bezugnahme hinsichtlich des Zielerreichungsgrades vorgenommen wird. Anschließend wird der Entwicklungsprozess einer erfolgreichen ECRM-Strategie analysiert. Ausgangspunkt ist hierbei eine Kundenanalyse, in deren Rahmen auf die Segmentierung, die technische Umsetzung sowie die Problematik der Profita­ bilitätsbewertung eingegangen wird. Aufbauend auf dieser Ist-Kundenanalyse werden im weiteren Verlauf unterschiedliche Soll-Marktbearbeitungsstrategien betrachtet. Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der Darstellung der (operati­ ven) Umsetzung dieser Marktbearbeitungsstrategien und dabei speziell mit der Multi-Channel Strategie, den Customer Interaction Centern (CIC) und dem Prozess des Beschwerdemanagements. Schließlich kulminiert die ECRMStrategie in der Phase des kontinuierlichen Lernens aus der Kundenbeziehung.

Abschließend wird anhand der möglichen Zielerreichung eine Bewertung des ECRM vorgenommen und auf Entwicklungstendenzen sowie Erfolgsfaktoren eingegangen.

116

Konzeption des ECRM

2 Grundlegung von ECRM

2.1

Definition von CRM

In der Literatur gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen und Abgren­ zungen von CRM. Im Folgenden soll die gebräuchlichste Definition dargestellt und eine Abgrenzung zum klassischen Marketing4 vorgenommen werden, um die durch CRM eintretenden Veränderungen und Vorteile zu verdeutlichen. Customer Relationship Management (CRM) ist der aktive sowie systematische Aufbau und die Pflege von Kundenbeziehungen. 5 Basis dieser untemehmungsübergreifenden Strategie ist ein wissenschaftliches Konzept, das an den Universi­ täten von Atlanta, Cranfield und Stockholm aufgrund wachsender Kritik am traditionellen Marketingansatz entwickelt wurde.6 Beim CRM geht es folglich um die Antizipierung und das Managen der Bedürfnisse aktueller sowie potentieller Kunden. Die Grundidee einer One-to-One Beziehung zwischen Kunde und Kreditinstitut ist allerdings nicht neu. Sie wird prinzipiell von jedem kleinen Lebensmittelhändler um die Ecke angewandt, der spezifisch auf die individuellen Bedürfnisse seiner Kunden eingehen kann.7 Das einzig Neue ist, dass diese Idee durch ständige Verbesserungen im Bereich der Informations- und Kommunikati­ onstechniken (IKT) nunmehr auf eine beliebig hohe Anzahl von Kunden an­ wendbar wird. Unumgänglich für dieses Beziehungsmanagement ist eine unter­ nehmungsweite Pflege bzw. ein untemehmungsweiter Zugang zu den spezifi­ schen Kundendaten sowie eine Verankerung der CRM-Idee in der Untemehmungskultur der Banken. Nur durch die Integration von Front- und Back-Office kann eine erfolgreiche, ganzheitliche Kundenorientierung praktiziert werden. Nur so wird sich die Strategie positiv auf die Wertschöpfung der Banken auswirken können. Um den Neuheitswert von CRM zu verdeutlichen, bedarf es einer Abgrenzung zum klassischen Marketingansatz. Grundlage für diese Abgrenzung ist ein zwei­ dimensionaler Wertewandel, der sich einerseits in einer fortlaufenden Indivi­ dualisierung der Kundenbedürfnisse und auf der anderen Seite in durch techni­ sche Neuerungen entstandener Mobilität ausdrückt. 4 5 6 7

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Nieschlag, Dicht!, Hörschgen (1997), S. 1058 Reichardt (2000), S. 104 Rapp (2000), S. 42 Brown (2000), S. xii

Konzeption des ECRM

117

Beim klassischen Marketing liegt der Fokus eindeutig auf der Neukundenakquisi­ tion, um die Anzahl der abgewanderten Kunden zu kompensieren. Die Kunden werden dabei alle grundsätzlich gleich behandelt und es findet keine Segmentie­ rung dahingehend statt, die unterschiedlichen Wertschöpfungsbeiträge der Kun­ den zu analysieren.8 Im Rahmen des CRM haben die Banken erkannt, dass es weitaus sinnvoller ist, sich auf die Erhaltung und Pflege des bestehenden Kun­ denstammes zu konzentrieren. Bei Maßnahmen wie Cross- oder Up-Selling entstehen geringere Kosten als bei der Neukundenakquisition und die Erfolgsra­ ten liegen um ein Mehrfaches höher. Zusätzlich werden die Kunden nach unter­ schiedlichen Kriterien segmentiert (vgl. dazu Kapitel 3.3.1), um die heterogene Masse in homogene Cluster zu unterteilen und in einer One-to-One Beziehung auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen. Durch diese Vorgehens weise werden die Banken der ersten Dimension des oben beschriebenen Wertewandels gerecht. Ein weiterer Nachteil des klassischen Marketing besteht in der Tatsache, dass kein systematisches Kundenbeziehungsmanagement zur Steigerung der Kunden­ bindung bzw. Kundenzufriedenheit stattfindet und die Ursachen für die Abwan­ derung unzufriedener Kunden nicht untersucht werden. In diesem Zusammen­ hang ist die Kommunikation ungezielt auf die Masse ausgerichtet und es entste­ hen somit enorme Kosten und Ineffizienz durch hohe Streu Verluste. Zusätzlich leiden die Kunden heutzutage unter einer Informationsüberflutung, da sie ständig unterschiedlichen Werbemedien ausgesetzt sind und die Inhalte nur noch partiell wahrgenommen werden.9 Im Gegensatz dazu beschäftigt sich CRM durch syste­ matisches Kundenbeziehungsmanagement eingehend mit den Abwanderungsur­ sachen unzufriedener Kunden. Hierbei wird versucht, Kunden zurückzugewinnen und neu zu binden, da wiedergewonnene Kunden auch im Hinblick auf positive Weiterempfehlungen im persönlichen Umfeld enormes Wertschöpfungspotential beinhalten. Die Kommunikation ist auf einer individuellen One-to-One Anspra­ che aufgebaut und somit sowohl effizienter als auch mit geringeren Kosten verbunden. Durch diese Ausrichtung werden die Kunden nicht mehr wahllos, sondern zielgerichtet angesprochen.

Das klassische Marketing ist durch die reine Produktfokussierung gekennzeich­ net. Dabei versuchen die Unternehmungen, für den maximalen Absatz ihrer Produkte so viele Kunden wie möglich zu finden.10 In Anlehnung an die Strategie des Total Quality Management zielen Verbesserungen hierbei auf eine Optimie-

8 9 10

Vgl. Rapp (2000), S. 28f. Vgl. im folgenden Rapp (2000), S. 25ff. Vgl. im folgenden Rapp (2000), S. 43ff.

118

Konzeption des ECRM

rung der internen Prozesse im Bereich der Produktions- und Funktionsorientie­ rung. Beim CRM wird der Kunde in den Mittelpunkt gerückt. Nun geht es um die Unterstützung der Wertschöpfungsprozesse der Kunden sowie eine kontinuierli­ che Weiterentwicklung mit den Kundenbedürfnissen in einer langfristigen und idealerweise lebenslangen Geschäftsbeziehung.11 Ein gutes Beispiel für die Beachtung der Kundenlebenszeitperspektive liefert der Finanzdienstleister MLP, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Kunden lebenslang zu begleiten und ihnen in jeder Lebensphase ein entsprechendes Produkt anzubieten.

Im Rahmen der Kundenorientierung verändert sich die Strategie von der Anprei­ sung eines einmaligen Massenproduktes zur individuellen Maßfertigung (Custo­ mization).12 Der Kundennutzen kann in diesem Zusammenhang definiert werden, als „die subjektive und dynamische Wertschätzung eines Kunden über die Nütz­ lichkeit eines Produktes (Dienstleistung) zur Bedürfnisbefriedigung, welche auf der Wahrnehmung und den Erwartungen über die eigenen Kosten sowie die erhaltene Leistung basiert.“13 Um einen möglichst hohen Nutzen für den Kunden zu erzielen, müssen vor allem die genannten Komponenten wie Dynamik und Subjektivität beachtet werden. Der Dynamik kann man in diesem Zusammenhang nur mittels einer permanenten Anpassung der Leistungspalette an sich verändern­ de Bedürfnisstrukturen gerecht werden. Mit der Subjektivität wird wiederum der zweidimensionale Werte wandel angesprochen, dem hier durch Beachtung der individuellen Bedürfnisse bzw. der Präferenzen hinsichtlich Vertriebskanal Rechnung getragen werden sollte. Diese Anforderungen können nur durch CRM mittels einer One-to-One Beziehung erfüllt werden. Das klassische Marketing wäre hier ungeeignet.

2.2

Definition von ECRM

Electronic Customer Relationship Management (ECRM) wird oftmals fälschli­ cherweise als eigenständige Strategie betrachtet, die unabhängig implementiert werden kann. Tatsächlich beschreibt ECRM allerdings die Technisierung von CRM bzw. die Verknüpfung von CRM mit E-Commerce und verschiedenen Webtechniken.14 Mit ECRM wird also die technische Plattform der CRM Soft­ ware durch web-basierte Anwendungen erweitert und mit dem Internet als neuem Zugangskanal ausgestattet. Eine Untersuchung der MetaGroup, die zeigt, dass

11 12 13 14

Vgl. Köckritz (2001a), S. 40 Vgl. Rapp (2000), S. 45 Glutz (1999), S. 37 Vgl. Schimmel-Schloo (2000), o.S.

Konzeption des ECRM

119

2002 jeder dritte Kundenkontakt über das Internet erfolgen wird, verdeutlicht wie wichtig ECRM zukünftig für die Finanzdienstleistungsbranche sein wird.15 Die erfolgreiche Implementierung von ECRM kann nur auf Basis einer bestehen­ den CRM-Strategie erfolgen. Präzisiert wird dies durch folgende Aussage: „If you can’t get the trains running, don’t even bother thinking about the high-speed ones.“16

Auf der Grundlage dieser Abgrenzung können nun im Folgenden die Ziele von ECRM analysiert werden.

2.3

Ziele von ECRM

In diesem Kapitel werden zunächst die Hauptziele der ECRM-Konzeption darge­ stellt. Im weiteren Verlauf des Beitrags soll überprüft werden, ob bzw. in wel­ chem Maße diese Ziele mit der ECRM-Strategie erreichbar sind. Ergänzend werden noch einige Nebenziele aufgeführt. Zu den primären Zielen gehört neben einer Erhöhung der Kundenzufriedenheit und einer Festigung der Kundenbindung auch die Steigerung der Profitabilität der einzelnen Kundenbeziehungen. Kundenzufriedenheit wird dadurch erreicht, dass die vom Kunden wahrgenommenen Leistungen mit seiner Erwartungshaltung kongruent sind. Um eine genaue Analyse der Kundenerwartungen vorzunehmen bedarf es einer mehrstufigen Segmentierung der Kunden (vgl. dazu Kapitel 3.1.1). Anschließend kann im Rahmen einer One-to-One Beziehung gezielt auf die spezifischen Bedürfnisse eingegangen werden. Sieht man einmal von unfrei­ willigen Bindungsformen wie vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen und marktbedingten Einschränkungen ab, spielt die Kundenzufriedenheit eine zentra­ le Rolle hinsichtlich der Kundenbindung. „Kundenbindung umfasst sämtliche Maßnahmen eines Unternehmens, die darauf abzielen, sowohl die bisherigen Verhaltensweisen als auch die zukünftigen Verhaltensabsichten eines Kunden gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen positiv zu gestalten, um die Beziehung zu diesem Kunden für die Zukunft zu stabilisieren beziehungsweise auszuweiten.“17 Um diese „positive Gestaltung“ durchzufuhren, bedarf es unter­ schiedlicher operativer Maßnahmen, die im Rahmen von Kapitel 3.3 ausführli­ cher behandelt werden. Die Kundenbindung ist wiederum eine entscheidende Voraussetzung für die Steigerung der Profitabilität im Zusammenhang mit lebenslangen Kundenbeziehungen. Diese Konzeption des Customer Lifetime 15 16 17

Vgl. MetaGroup zitiert in Schimmel-Schloo (2000), o.S. Sims (2000), o.S. Bruhn, Homburg (2000), S. 8

120

Konzeption des ECRM

Value (CLV) wird in Kapitel 3.1.3 eingehend erläutert und ist im Zusammenhang mit der Gewinnorientierung als Hauptziel der Banken von besonderer Bedeutung. Die Systematik dieser Zielerreichung lässt sich anhand von Abbildung 1 verdeut­ lichen. Als erstes werden die beschriebenen Hauptziele aufgefuhrt, die sich mittels unterschiedlicher Marktbearbeitungsstrategien (Kapitel 3.2) verwirklichen lassen. Basis hierfür ist eine Analyse und Segmentierung des vorhandenen Kundenstamms mit Hilfe technischer Verfahren (Kapitel 3.1). Auf die operative Umsetzung wird in Kapitel 3.3 noch näher eingegangen.

Abbildung 1:

ECRM-Konzeption

Konzeption des ECRM

121

Als Nebenziel kann als erstes die Steigerung der durchschnittlichen Kundenwert­ schöpfung durch Maßnahmen wie Cross- oder Up-Selling genannt werden. Ein wichtiges Instrument hinsichtlich dieser Zielsetzung stellt die Vertriebsform über das Internet dar. In diesem Zusammenhang wird www auch mit „wo immer, wann immer, wie immer“18 übersetzt und verkörpert die ständige Verfügbarkeit hinsichtlich Zugangsort und Zeitpunkt (2. Dimension des Wertewandels, Mobili­ tät) sowie die Flexibilität (1. Dimension des Wertewandels, Individualisierung) hinsichtlich unterschiedlicher Nutzungsmöglichkeiten. Zusätzlich kann mit dem Internet als neuem Vertriebskanal das Ziel der Kosten­ senkung bezüglich der Kundenkontakte verwirklicht werden. Die Kosten eines Call Centers liegen bei einem zwanzigstel im Vergleich zum direkten Face-toFace Kontakt und die Kosten des Self-Service im Internet liegen wiederum nur bei einem zwanzigstel verglichen mit einem Kontakt im Call Center.19 Diese Zahlen offenbaren zwar das enorme Einsparungspotential, es darf aber nicht vergessen werden, dass im Rahmen des ECRM nicht alle direkten Filialkontakte auf den Self-Service ins Internet verlagert werden können. Der Trend liegt eher in einer teilweisen Verlagerung der Leistungsabwicklung ins Internet, verbunden mit einer Unterstützung durch Call Center bzw. Customer Interaction Center (CIC). Die Konzeption der CIC wird in Kapitel 3.3.2 ausführlich erläutert. Ein weiterer Punkt ist die Fokussierung auf die Verkürzung der Verkaufszyklen, um den Kunden innerhalb kürzerer Zeitspannen neue Produkte zu vermitteln. Außerdem weisen zufriedene Kunden eine geringere Preissensibilität auf und sind somit oftmals bereit, höhere Preise für eine Leistung zu bezahlen. Im glei­ chen Zusammenhang steht auch die Zielsetzung der Steigerung der „Share of Wallets“ d.h. die Erhöhung des Anteils der Gesamtausgaben, den der Kunde für einen bestimmten Leistungsbereich bei einem Anbieter ausgibt.20

Abschließendes Ziel ist die Effektivitätssteigerung der Marketingmaßnahmen durch individuelle Ansprache der Kunden und die Generierung einer breiten Wissensbasis über die Kunden und den Markt, um diese Vorteile bei der Anspra­ che potentieller Neukunden nutzen zu können.

18 19 20

Hutzeler (2001 ),S. 244 Brown (2000), S. xiv Vgl. Rapp (2000), S. 47

122

Konzeption des ECRM

3 Entwicklung einer erfolgreichen ECRMStrategie In diesem Abschnitt werden die Phasen analysiert, die idealerweise bei der Fokussierung der Finanzdienstleister auf die Kundenbedürfnisse durchlaufen werden sollten. Mit Rückblick auf die dargestellten Ziele von ECRM soll in diesem Zusammenhang verdeutlicht werden, wie eine erfolgreiche ECRMStrategie aufgebaut werden muss und welche spezifischen Vorteile das Internet dabei bieten kann.

3.1 3.1.1

Kundenanalyse Kundensegmentierung

Aufbauend auf der im vorangegangenen Beitrag dargestellten Analyse von Nutzergruppen- und Nachfrageverhalten (vgl. Rathausky/Trautwein), müssen die Banken eine Kundensegmentierung durchführen. Nur so wird der im Rahmen des Wertewandels dargestellten Individualisierung Rechnung getragen und die heterogenen Kundenbedürfnisse können befriedigt werden. Dadurch wird die Kundenbindung erhöht. Dies ist letztendlich die Grundlage für eine gezielte Steigerung der Kundenprofitabilität. Entscheidend ist, dass im Rahmen des ECRM die traditionellen ökonomischen Segmentierungsansätze nicht den Anforderungen der Aufdeckung individueller Kundenbedürfnisse entsprechen. Folglich wird ein mehrdimensionaler Ansatz notwendig, der nicht nur sozioökonomische Größen, wie Einkommen und Ver­ mögen beinhaltet, sondern auch Vergangenheitsdaten und Kundenbedürfnisstruk­ turen berücksichtigt. Resultat ist eine zweistufige Segmentierung in Form einer Makro- bzw. Mikrosegmentierung. Im Rahmen der Makrosegmentierung werden die Kunden nach Deckungsbeiträgen und Ertragspotenzialen eingeteilt. Im zweiten Schritt, der Mikrosegmentierung, ist es notwendig, die Bankkunden nach dem vorübergehenden Banknutzungsverhalten zu unterteilen. Hierbei sind Daten über genutzte Produkte und Vertriebswege von besonderer Bedeutung. Um außerdem auch auf die Bedarfspotenziale eingehen zu können, sind weitere Kriterien wie Risikoneigung oder Anlage- bzw. Kreditbedarfe unumgänglich.

Konzeption des ECRM

123

Ergänzend werden soziodemographische Kriterien in Form von Alter, Familien­ stand und Bildungsniveau herangezogen.21

Nur mittels einer ausführlichen Wissensbasis ist es den Banken möglich, das Ziel der Kundenorientierung auch in der Praxis erfolgreich umzusetzen und trotz individueller One-to-One Beziehungen unter Kostengesichtspunkten eine partiel­ le Standardisierung einzufuhren. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Segmentie­ rung der Kunden ist eine Betrachtung der Dynamik der Kundenbedürfnisse. Das bedeutet, dass die Segmente kontinuierlich neu definiert werden müssen.22 Dies lässt sich nur mittels technischer Instrumente realisieren, auf die im folgenden Kapitel näher eingegangen wird. Besonders interessant ist für die Banken, dass anhand der Kenntnis der Bedürf­ nisse aktueller Kunden auch die Bedürfnisse potentieller Neukunden gezielter angesprochen und im Rahmen der Marketingaktivitäten besonders hervorgeho­ ben werden können.

Letztendlich wird mittels der beschriebenen Segmentierung ermöglicht, gezielt auf die individuellen Präferenzen einzugehen, somit das Ziel der Kundenzufrie­ denheit zu erreichen und damit eine Intensivierung der Kundenbindung zu forcieren. Besonders die Betrachtung und Aufzeichnung der Segmentierung im Zeitverlauf lassen genaue Aussagen über die einzelnen Kunden zu.

3.1.2

Technische Umsetzung

Im letzten Abschnitt wurden Segmentierungskriterien erörtert. Die Frage, wie die Daten erhoben, gespeichert und ausgewertet werden, soll in diesem Kapitel erläutert werden.

Bisher wurden die Daten in den einzelnen Untemehmungsbereichen wie Kunden­ service oder Buchhaltung in unterschiedlichen, unabhängigen Datenbanksyste­ men gehalten.23 Die Grundproblematik liegt darin, dass auf diese Daten nur von den einzelnen Abteilungen zugegriffen werden kann und dass diese Daten in unterschiedlichen multimedialen Formen wie zum Beispiel Grafiken, Fließtext usw. vorliegen. Um nun dem Ziel der One-to-One Beziehung hinsichtlich der einzelnen Kunden zu entsprechen, bedarf es einer Datenbank, die alle Daten integriert und diese nach verschiedenen Kriterien hinsichtlich des jeweiligen Bedarfs anordnen kann. Die Konzeption des Data Warehouse wird diesen Anforderungen gerecht. „Als Data Warehouse lässt sich die Sammlung und

21 22 23

Vgl. im folgenden Benkenstein, Stuhldreier (2001). S. 52ff. Vgl. Gündling (1997), S. 238 Vgl. im folgenden Rapp (2000), S. 74

124

Konzeption des ECRM

Zusammenführung von verschiedenen Daten aus unterschiedlichen Quellen und auf heterogenen Rechnersystemen bezeichnen. Dabei handelt es sich um einen Datenpool, in dem die Entscheider alle gewünschten Informationen vorfinden können. Kem eines Data Warehouse ist die Sammlung der Daten, durch die Prognosen ermöglicht werden sollen.“24 Das Data Warehouse ermöglicht also die zeitgleiche Verarbeitung von enormen Datenmengen sowie den zeitgleichen Zugriff mehrerer Benutzer. Die Aufarbeitung und Analyse der Datenbasis erfolgt in einem weiteren Schritt mittels des Data Mining. Mit Hilfe des Data Mining werden Zusammenhänge zwischen verschiedenen Datensätzen durch Musterauf­ deckung durch mathematische sowie statistische Verfahren ermittelt.25 Somit können die unterschiedlichen Daten, die im Data Warehouse gespeichert sind, nicht nur in isolierter Form betrachtet werden, sondern mittels aufzeigbarer Beziehungssysteme können neuartige Aussagen über das Kundenverhalten getroffen werden und das Erkennen von Trends ist nunmehr schon zu einem frühen Zeitpunkt möglich.26 Der Kunde wird also quasi zum „gläsernen Kunden“ wodurch die einzelnen Leistungen direkt an seine Bedürfnisse angepasst werden können und sich die Kundenzufriedenheit erhöhen lässt. Der entscheidende Vorgang im Rahmen des Datenbankmanagements besteht allerdings in der Beschaffung der Daten. Grundsätzlich besteht hier bei den Banken gegenüber neuen Konkurrenten aus dem Non-Bank Bereich der Vorteil, dass ausführliche Kundeninformationen zum Bestandteil des Kemgeschäfts gehören.27 Diese kundenindividuellen Informationen bilden schon eine ausführli­ che Basis für die Einordnung der Kunden und ihrer Bedürfnisse im Rahmen einer Segmentierung.

Die Pflege und Weiterentwicklung dieser Datenbestände erfolgt nun je nachdem, welche Vertriebskanäle der jeweilige Kunde für seinen Kontakt mit der Bank wählt. Die Daten können beim direkten Face-to-Face Kontakt in der Filiale oder beim Kontakt über ein Call Center ergänzt werden, wodurch sich eine fortlaufend detailliertere Abgrenzung der Kundenbedürfnisse erreichen lässt. Die Problema­ tik dieser Form der Datenerhebung liegt darin, dass jeweils ein Bankmitarbeiter diese Daten aufnehmen muss und dadurch hohe Kosten entstehen. Außerdem lassen sich Daten, die nicht reinen Transaktionscharakter aufweisen, nur schwer ohne subjektiven, verzerrenden Einfluss der bearbeitenden Mitarbeiter aufzeich­ nen. 24 25 26

27

Pape (1999), S. 55 Vgl. im folgenden Reichardt (2000), S. 273 VgL zu den technischen Umsetzungsmöglichkeiten in Zusammenhang mit einer Kundenbin­ dung: Köckritz (2001a), S. 38f. Vgl. Dastani (2000), S. 256

Konzeption des ECRM

125

Gerade an dieser Stelle setzen im Rahmen des ECRM die Möglichkeiten des Internet als neuem „technischen“ Vertriebskanal an. Die Aufnahme der kunden­ spezifischen Daten wird auf rein elektronischem Wege abgewickelt und somit entfallen die Personalkosten sowie die Problematik der Informations Verzerrung. Der Arbeitsaufwand wird an den Kunden weitergegeben und dieser versorgt die Datenbanken durch Nutzung des Self-Service. Als problematisch erweist sich hierbei die mangelnde Bereitschaft der Kunden, ihre persönlichen Daten offenzulegen.

Generelle Daten bezüglich des Kundenverhaltens lassen sich ohne Mitarbeit der Kunden über die Anzahl der Seitenabrufe oder die Verweildauer erheben.28 Um aber die Zielsetzung einer One-to-One Beziehung mit den Kunden zu erreichen bedarf es einer Identifizierung der anonymen Kunden. In Anbetracht der momen­ tanen technischen Möglichkeiten lassen sich diesbezüglich zwei angewandte Verfahren unterscheiden. Eine Möglichkeit besteht in der Einführung einer Nutzer-ID, mittels derer jeder Nutzer identifiziert und sein individuelles Verhalten analysiert werden kann. Die Kundendaten werden hierbei schon bei der Nutzerregistrierung abgefragt und durch das Kundenverhalten während des login weiter ergänzt. So lassen sich ziemlich genaue Rückschlüsse auf die Kundeninteressen ziehen und das Leis­ tungsangebot kann individuell auf den Kunden abgestimmt werden. Beispiels­ weise wird so ermöglicht, dass der Kunde nach seinem login eine auf ihn zuge­ schnittene Website vorfindet, die auf Basis seines Interessenprofils generiert wurde. Weiter kann der Kunde persönlich mit seinem Namen angesprochen werden, womit die Anonymität beseitigt wird und eine Art persönlicher Bezie­ hung entstehen kann.29

Eine weitere Methode zur Nutzeridentifizierung stellt die Cookie-Technik dar.30 Hierbei werden Dateien (Cookies) von den Anbietern der Intemetseiten auf der Festplatte des Benutzers gespeichert. Sobald sich der Kunde nun wieder auf der Homepage befindet, wird das Cookie vom Browser aktiviert und signalisiert dem Server, um welchen User es sich handelt und was dieser für Präferenzen hat. So wird zum Beispiel ermöglicht, dass ein Kunde die beim letzten Besuch abgefrag­ ten Informationen wie Aktienkurse oder Finanznachrichten bei erneutem Surfen auf dieser Seite von Beginn an automatisch vorfindet. Der Nachteil dieser Me­ thode besteht darin, dass die Kunden die Cookies oftmals als einen Eingriff in die

28 29 30

Vgl. Schwanitz (2001), S. 591 Vgl. Köckritz (2001a), S. 64 Vgl. Bruhn (1997), S. 124

126

Konzeption des ECRM

Privatsphäre empfinden31 und auch unter Sicherheitsaspekten eine Entgegennah­ me der Cookies verweigern. Mittlerweile besteht die Möglichkeit, die Browser so zu konfigurieren, dass automatisch alle Cookies angenommen werden. Dies ermöglicht dem Kunden ein komfortableres Surfen, aber er kann nicht mehr erkennen, wann ein Cookie auf seinem Rechner gespeichert wird.

Zusammenfassend wird deutlich, dass mittels der technischen Möglichkeiten ein exaktes Kundenprofil erstellt werden kann. Momentan steht diese Entwicklung allerdings erst am Anfang wobei die Möglichkeiten noch nicht voll ausgeschöpft werden und auch kaum Daten über eine längere Zeitperiode vorliegen. Die beschrieben technischen Möglichkeiten lassen neben genauen Nutzerprofilen auch Rückschlüsse auf die Kundenprofitabilität zu. 3.1.3

Bewertung der Kundenprofitabilität

Als eines der Hauptziele von ECRM wurde die Steigerung der Kundenprofitabili­ tät genannt. Im Zusammenhang mit der Gewinnmaximierung als Primärziel der Gesamtbank ergibt sich die Notwendigkeit, eine Bewertung der einzelnen Kun­ den vorzunehmen.

Klassische Methoden der Kundenbewertung unter Profitabilitätsgesichtspunkten, wie z.B. die ABC-Analyse, ordnen die Kunden nach Umsatz bzw. Gewinnbeiträ­ gen ein.32 Bei dieser Methode werden allerdings nur vorhandene Beziehungen und die aktuellen Beiträge der Kunden betrachtet. In Anbetracht der Zielsetzung langfristiger Kundenbeziehungen muss dieser Ansatz im Rahmen des ECRM erweitert werden, um ein adäquates Messkriterium für die weitere Strategie zu bilden.

In diesem Zusammenhang hat Riekeberg ein Modell entwickelt, um anhand von Markov-Prozessen einen dynamischen, diskontierten Lebenszeit-Deckungsbei­ trag zu berechnen.33 Der Hauptgedanke besteht darin, dass die Kunden in ver­ schiedene Zustände eingeteilt werden können und jeder Kunde eine bestimmte Zustandskette durchläuft. Um darauf aufbauend einen Lebenszeit-Deckungsbei­ trag zu berechnen, müssen verschiedene Voraussetzungen gewährleistet werden: 1. Die Kunden müssen in überschneidungsfreie Zustände eingeordnet werden können.

2. Die Übergangswahrscheinlichkeiten in andere Zustände müssen bekannt sein.

31 32 33

Vgl. Dastani (2000), S. 253 Vgl. Rapp (2000), S. 82 Vgl. im folgenden Riekeberg (1995), S. 75ff.

Konzeption des ECRM

127

3. Es müssen Erwartungs werte für die Verweildauer eines Kunden in einem Zustand gegeben sein.

4. Die Deckungsbeiträge der Zustände müssen bekannt sein. 5. Es muss die Möglichkeit bestehen, die Zustandsabgrenzungen sowie die Übergangswahrscheinlichkeiten im Zeitverlauf an Veränderungen der Umwelt anzupassen.

Grundlage der Ausrichtung auf eine langfristige Kundenbindung ist die Tatsache, dass die Profitabilität der Kunden im Zeitverlauf deutlich zunimmt (siehe hierzu auch die Abbildung 2).

Abbildung 2:

The Development of Lifetime Value34

Grund hierfür sind das Wegfallen der Akquisitionskosten sowie eine Potenzialer­ höhung im Bereich des Cross-Selling und eine geringere Preissensibilität der Kunden in einer langfristigen Beziehung. So verbringt beispielsweise ein Kun­ denberater in der Finanzdienstleistungsbranche fünfmal soviel Zeit mit einem neuen, wie mit einem langjährigen Kunden.35 Die erweiterte Methode wird als

34 35

Vgl. Anderson, Jacobsen (2000), S. 61 Vgl. Rapp (2000), S. 98

128

Konzeption des ECRM

Customer Lifetime Value (CLV) bezeichnet und beinhaltet eine prozessorientier­ te Betrachtungsweise einer Geschäftsbeziehung.36 Der CLV wird auch als Kapi­ talbarwert einer Geschäftsbeziehung bezeichnet und bestimmt sich aus abgezins­ ten, in einer Geschäftsbeziehungen verursachten Kosten und Erlöse. Der CLV lässt sich anhand folgender Formel berechnen:

r CLVc

_ V1

(R-U-k,, w=i

v+ry-'

mit CLVc

CL V des Kunden c

Ecut

der Transaktion u mit Kunde c in Periode t zurechenbare Erlöse

^cut

der Transaktion u mit Kunde c in Periode t zurechenbare Kosten

Kd

nicht - transaktionsbezogene, der Periode t zurechenbare Kosten der Geschäftsbeziehung zum Kunden c

T

Dauer der Geschäftsbeziehung in Perioden

U

Anzahl der Transaktionen in einer Periode t

r

Kalkulationszinsfuß

Abbildung 3:

Berechnung des CLV31

Da Erlöse meist nur transaktionsbezogen anfallen, lassen sich diese problemlos ermitteln. Die Kosten lassen sich unterscheiden in direkt auf die Transaktion mit dem Kunden zurechenbare Kosten sowie in periodenbezogene Kosten, die nicht einer bestimmten Transaktion zugerechnet werden können. Mittels einer Kombi­ nation von Kundendeckungsbeitragsrechnung und Prozesskostenrechnung lassen

36 37

Vgl. im folgenden Weiber (2000), S. 485 Weiber (2000), S. 486

Konzeption des ECRM

129

sich auch die Kosten detailliert aufschlüsseln. Die Kundendeckungsbeitragsrech­ nung dient hierbei der Zuordnung von direkt mit der Beziehung verbundenen Kostenpositionen, während sich mit Hilfe der Prozesskostenrechnung die nicht direkt zuordenbaren Gemeinkostenpositionen aufschlüsseln lassen.38

Ein weiteres Problemfeld besteht in der zukunftsgerichteten Prognose des CLV. Kritisch sind hier die Frage nach der Quantifizierbarkeit direkter und indirekter Einflussfaktoren sowie Möglichkeiten zukunftsgerichteter Abschätzungen. Um relevante Bestimmungsgrößen wie die Dauer der Geschäftsbeziehung oder Transaktionshäufigkeit zu erhalten, bedient man sich entsprechender Vergleichs­ größen und Wahrscheinlichkeitsschätzungen. Dies kann z.B. mittels Extrapolati­ on von Vergangenheitsdaten erfolgen, wodurch Analogieschlüsse auf zukünftiges Verhalten gezogen werden können. Voraussetzung für die Anwendung dieses Verfahrens ist eine langfristige und systematische Erfassung der relevanten Kundendaten. Ein drittes Problem besteht darin, dass das CLV-Konzept trotz Integration des dynamischen Aspekts nur auf monetäre Größen fokussiert ist. Vernachlässigt werden hierbei nicht-monetäre Bestimmungsgrößen wie Weiterempfehlungswert, Cross-Buying-Potenzial und Informationswert. Der Weiterempfehlungswert wird hierbei „durch die Anzahl potenzieller Kunden, die ein Kunde innerhalb eines bestimmten Zeitraums aufgrund seines Weiterempfehlungsverhaltens und Ein­ flussvermögens sowie der Größe, Art, Kontakthäufigkeit und -Intensität seiner sozialen Beziehungsnetzwerke erreichen kann“39 bestimmt. Die hauptsächlichen Einflussfaktoren sind somit neben der Anzahl der Referenzempfänger, die Quali­ tät des Referenzträgers, die Richtung bzw. Intensität der Referenz sowie die Referenzhäufigkeit.40 „Das Cross-Buying-Potenzial bezieht sich auf sämtliche zusätzliche unabhängige Geschäfte, die der Kunde in anderen als den bisherigen Geschäftsbereichen und in einem bestimmten Zeitraum zu tätigen beabsichtigt bzw. bei denen prinzipiell von seinem Bedarf ausgegangen werden kann.“41 Die Cross-Buying Absicht sowie der Normbedarf sind hierbei die entscheidenden Bestimmungsfaktoren des Cross-Buying-Potenzials.42 Unter Informationspotenzi­ al werden sämtliche Informationen verstanden, die der Anbieter vom Kunden bekommt und die von ihm zu einer erfolgreichen Untemehmungsführung hin­ sichtlich Produktentwicklung, Prozessoptimierung usw. genutzt werden können.

38 39 40 41

42

Vgl. im folgenden Weiber (2000), S. 485 Rudolf-Sipötz, Tomczak (2001), S. 30 Vgl. Rudolf-Sipötz, Tomczak (2001), S. 34 Rudolf-Sipötz, Tomczak (2001), S. 23f.; Kursivdruck nicht im Original, Hervorhebung durch die Verfasser. Vgl. im folgenden Rudolf-Sipötz, Tomczak (2001), S. 23ff.

Konzeption des ECRM

130

Der Wert wird dabei durch Inhalt und Qualität der Informationen sowie der Feedbackbereitschaft des Kunden bestimmt. Zusätzlich spielt die Frage, ob der Kunde in seinem Umfeld die Rolle eines Opinion Leaders einnimmt eine ent­ scheidende Rolle. Da eine Quantifizierbarkeit dieser nicht-monetären Bestimmungsgrößen nur schwer möglich ist, bedient man sich in der Praxis sogenannter Kunden-ScoringModelle. Dabei geht man nach folgendem Muster vor:

1. Identifikation der für den Kundenwert relevanten Eigenschaften. 2. Festlegung der Punkteskala.

3. Bewertung der Eigenschaften bei jedem untersuchten Kunden.

4. Vergabe von Gewichtungsfaktoren für die Eigenschaften, in Abhängigkeit von der Bedeutung der betrachteten Eigenschaft für den Wert der Kunden. 5. Gewichtung der einzelnen Scores für jede Eigenschaft.

6. Summierung zu einem Gesamt-Score.

Die Berechnung erfolgt anhand folgender Formel:

GSC =

x

G,

e=l

mit GSC

Gesamt-Score des Kunden c

Sce

Score des Kunden c bei der Eigenschaft e

Ge

Gewichtungsfaktor der Eigenschaft e

Abbildung 4:

43

Ablauf und Berechnungsformel eines Kunden-Scoring-Modells^

Weiber (2000), S. 494

Konzeption des ECRM

131

In diesem Zusammenhang muss allerdings auf die methodischen Probleme hinsichtlich der Manipulierbarkeit bei der Gewichtung der einzelnen Faktoren und der subjektiven Einschätzung bewertender Personen hingewiesen werden.44

Zusammenfassend lässt sich jedoch feststellen, dass der CLV trotz einiger heute noch vorhandener methodischer Schwierigkeiten zu einem zentralen Entschei­ dungskriterium bezüglich der Bewertung der Kundenprofitabilität werden kann. Er bildet den Grundstein für den gezielten Beziehungsaufbau „mit besonders profitablen Kunden und ermöglicht es somit, das Untemehmungsziel der langfristigen Gewinnerzielung auch auf individualisierten (Massen-) Märkten erreichen zu können.“45 Momentan sind allerdings 77% der Banken noch nicht in der Lage, den CLV zu berechnen.46 Langfristig werden sich mehrdimensionale Kundenwertmodelle durchsetzen, die neben den monetären Dimensionen wie gegenwärtigem und zukünftigem Erfolgspotenzial auch eine Dimension des Ressourcenpotenzials beinhalten, unter der Referenz-, Informations- und CrossBuying-Potenzial subsumiert werden.47 Wird der aktuelle Kundenstamm hinsichtlich seiner Profitabilität untersucht, stellt ein Kreditinstitut in der Regel fest, dass zwischen 20 bis 80 Prozent der Kunden unprofitabel sind.48 Mittels einer exakten Aufgliederung der Kundenbasis anhand des Instiuments der Stobachoff-Kurve sollen deshalb strategische Empfehlungen für die jeweiligen Gruppierungen getroffen werden. Dies soll im Folgenden an einem Beispiel verdeutlicht werden. Grundlage ist hierbei die Profitabilität der einzelnen Kunden. Die Kunden werden in absteigen­ der Reihenfolge aufgereiht, sodass in diesem Beispiel Kunde 1 der am meisten profitable und Kunde 1238 der am geringsten profitable Kunde ist. Anschließend werden die Kundengewinne kumuliert, (vgl. Abbildung 5)

44

45 46 47 48

Um zuverlässige Informationen aus den nicht-monetären Bestimmungsgrößen zu erhalten und die Manipulationsmöglichkeiten zu beschränken, bedarf es sicherlich noch weiteren For­ schungsanstrengungen. Weiber (2000), S. 497 Vgl. Reimann, Sexauer (2001), S. 36 Vgl. Rudolf-Sipötz, Tomczak (2001), S. 80ff. Vgl. Rapp (2000), S. 85

132

Konzeption des ECRM

Abbildung 5:

Beispiel kumulierter Gewinne innerhalb des Kundenstamms*9

Der Teil der am meisten profitablen Kunden sollte in jedem Fall gut gepflegt und vor der Abwerbung durch die Konkurrenz geschützt werden, da von ihnen die Existenz des Kreditinstituts abhängt. Ein Teil der unprofitablen Kunden sollte aussortiert werden. Bei dieser Strategie gilt es aber immer zu beachten, dass sich unter den momentan unprofitablen Kunden enorme Gewinnsteigerungspotenziale befinden.50 Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Kunden, die einen großen Anteil am Ge­ schäftsvolumen haben. Diese sollten, da sie in besonderem Maße zur Fixkostendegression beitragen, nur im Ausnahmefall ausgelesen werden. Zusätzlich sollte noch darauf geachtet werden, wie eine Beendigung von Kundenbeziehungen in der Öffentlichkeit kommuniziert wird. Bei negativer Publicity könnten enorme Imageschäden entstehen. Mittels unterschiedlicher Strategien gelingt es den Banken letztendlich, die Kundenprofitabilität aktiv zu verbessern.

49 50

Vgl. Rapp (2000), S. 87 Vgl. hierzu auch die Anmerkungen bei Köckritz (2001b), S. 17

Konzeption des ECRM

3.2

133

Marktbearbeitungsstrategien

Kapitel 3.1 liefert die Basis, mittels derer die Kunden segmentiert und nach ihrer Profitabilität geordnet werden können. In diesem Kapitel geht es hierauf aufbau­ end, um die Konzeption differenzierter Marktbearbeitungsstrategien. Nachdem es den Banken möglich ist, eine sinnvolle Ist-Analyse des aktuellen Kundenstamms durchzufuhren muss nun festlegt werden, wie der zukünftige Kundenstamm aussehen soll. Folglich ergeben sich meistens Veränderungspoten­ ziale hinsichtlich der Beendigung bestehender Kundenbeziehungen und der Fokussierung auf attraktive Neukunden, die man gerne in den Kundenstamm integrieren würde.

In einem weiteren Schritt geht es nun darum, den Ansprüchen und Erwartungen der einzelnen Kundengruppen zu entsprechen.51 Wichtig ist hierbei neben der Art des Vertriebskanals die vom Kunden gewünschte Beziehungsintensität. Die Bank versucht, ihre Leistungspakete an die Bedürfnisse der Kundengruppen anzupas­ sen und je nach Bedarf, mittels intensiver Kommunikation mit dem Kunden, neue Leistungen zu konzipieren. Im Idealfall werden die Probleme hinsichtlich der Gewährleistung einer verzerrungsfreien Segmentierung dadurch umgangen, dass dem Kunden Wahlangebote offeriert werden. Der Kunde hat so die Möglichkeit, seine Leistungen je nach Bedarf zu wählen, womit die Auswahlentscheidung von der Bank zum Kunden verlagert wird.52 Diese Form der Wahlmöglichkeiten befähigt die Banken, ein hohes Maß an Kundenzufriedenheit zu erreichen. Um dem Kunden in jeder Lebensphase eine Leistung anzubieten, die für ihm von erkennbarem Nutzen ist,53 bedarf es einer detaillierten Analyse der Kundenpro­ zesse. Dadurch kann die Bank z.B. ermitteln, welche Leistungen der Kunde über das Internet beziehen würde und somit kann die Angebotspalette effizienter gestaltet werden.

Das Interesse der Banken liegt darin, die Kunden mit hoher Profitabilität bevor­ zugt zu behandeln um diese stärker zu binden. In Anbetracht der Tatsache, dass zwei Drittel der Großbankkunden „schwankend bis wechselhaft“ hinsichtlich ihrer Wechselbereitschaft eingestellt sind54 wird deutlich, dass die Einführung von Loyalitätsprogrammen von besonderer Bedeutung ist, um eine Fluktuation wertvoller Kunden zu vermeiden. Der große Vorteil dieser Programme liegt darin, dass der Kunde enger an die Bank gebunden wird und dadurch bereit ist,

51 52 53 54

Vgl. Brown (2000), S. 70 Vgl. Bühler (2000), S. 847 Vgl. Rapp (2000), S. 105 Vgl. Keller, Lerch, Matzke (2000), S. 376

134

Konzeption des ECRM

detailliertere Auskünfte über sich und seine Bedürfnisse zu geben. Zusätzlich wird die Identifikation des Kunden mit seiner Bank gefördert und eine emotiona­ le Verbundenheit erzeugt. Ein Beispiel für ein solches Loyalitätsprogramm stellt beispielsweise der „Star Trader Club“ des Discount-Brokers Consors dar. Hier werden Kunden, die besonders viele Transaktionen tätigen, in einen Club aufge­ nommen und erhalten eine bevorzugte Behandlung, darunter beispielsweise ein Wegfallen von Konto- und Depotführungsgebühren, verlängerte Servicezeiten und kostenlose Seminarveranstaltungen. Um unterschiedliche Marktbearbeitungsstrategien durchzusetzen bedarf es einer genauen Betrachtung der operativen Umsetzung. Diese ist Gegenstand des folgenden Kapitels.

3.3

Operative Umsetzung der Marktbearbeitung

Anhand von Abbildung 6 lässt sich deutlich der Ablauf der operativen Umset­ zung einer ECRM-Strategie veranschaulichen. Im Rahmen dieses Beitrags soll hierbei explizit nur auf die wichtigsten Elemente eingegangen werden. Das Multi-Channel Kundenmanagement bildet hierbei die Grundlage für die unter­ schiedlichen Vertriebskanalpräferenzen und trägt der zunehmenden Individuali­ sierung und Mobilität Rechnung. In einem zweiten Schritt soll das Customer Interaction Center (CIC) als eine Weiterentwicklung des klassischen Call Center betrachtet werden. Abschließend erfolgt noch eine Darstellung des Beschwerde­ managements. Dieser Prozess ist von besonderer Bedeutung, da er entscheiden­ den Einfluss auf die Kundenzufriedenheit sowie die Kundenbindung hat und somit auch indirekt das Ziel der Profitabilitätssteigerung beeinflusst.

Konzeption des ECRM

Abbildung 6:

3.3.1

135

Schematische Darstellung der operativen Umsetzung von ECRM

Multi-Channel-Kundenmanagement

Unter Multi-Channel versteht man die kombinierte Nutzung von verschiedenen Vertriebswegen wie Call Center (bzw. CIC), Internet, Telefon und Filiale.55 Grundlage für eine erfolgreiche Multi-Channel Strategie ist die Erfassung der Kundendaten über alle Vertriebswege hinweg und die Zusammenfuhrung in einen einheitlichen Datenpool.56 Nur so wird ein ganzheitliches Kundenbild ersichtlich und die Bank erkennt, welche Kunden welchen Vertriebskanal präferieren und welche Leistungen über welche Vertriebswege angeboten werden

55 56

Vgl. Platzek (2000), S. 27; Köckritz (2001a), S. 57 Vgl. im folgenden Diedrich (2001), S. 59

136

Konzeption des ECRM

können. Hierbei ist zu beachten, dass komplexe Produkte mit den Möglichkeiten neuer Präsentationsformen im Netz nicht mehr zwangsweise über den direkten Kontakt in der Filiale vertrieben werden müssen.

Ein großer Vorteil für die Banken besteht in der Möglichkeit, die Kapazitätsprob­ leme zu lösen. So können einfache Geschäftsvorgänge wie Überweisungen oder Wertpapiertransaktionen ins Internet verlagert werden, um Beratungskapazitäten freizusetzen. Zusätzlich werden die Abwicklungskosten reduziert, wobei dieser Vorteil durch verringerte Gebühren an den Kunden weitergegeben wird. Mittels Preisnachlässen bei Nutzung bestimmter Kanäle wie z.B. Internet oder Telefon ist eine bankseitig gesteuerte Verlagerung der Kapazitäten möglich. Das Ziel einer Erhöhung der Kundenzufriedenheit kann nur mittels einer MultiChannel Strategie erreicht werden, denn nur so kann die Bank dem Kunden „das Beste aus zwei Welten [...] bieten - einerseits Transaction Banking: schnell, nah, preiswert, sicher und rund um die Uhr; andererseits Relationship Banking: persönlich, kompetent und individuell.“57 Die Tatsache, dass in den nächsten Jahren bis zu 80% der Bankkunden zu Multi-Channel Nutzem werden, verdeut­ licht die Wichtigkeit dieser Strategie.58

Die Multi-Channel Strategie ist ein durchaus notwendiges Instrument zur Wett­ bewerbsdifferenzierung gegenüber Konkurrenten, die nur eine begrenzte Anzahl von Vertriebskanälen bieten und trägt zur Steigerung der Kundenbindung bei. Mit einer Vielzahl an Vertriebskanälen wird damit der zunehmenden Mobilität in Form von Zugangsmöglichkeiten über mobile Endgeräte wie Mobiltelefon, Handheld oder Pocket PC Rechnung getragen. Zusätzlich wird die Individuali­ sierung beachtet, so dass jede Art von Kundenbedürfnis mittels einer spezifi­ schen Vertriebskanalstrategie befriedigt werden kann.

3.3.2

Weiterentwicklung des klassischen Call Center

Klassische Call Center werden bei der Abwicklung einfacher, standardisierter Bankleistungen wie Daueraufträgen, Überweisungen oder Wertpapierorders eingesetzt.59 Mangels Existenz einer zentralen Marketing-Datenbank können die Call Center allerdings nicht auf untemehmungsübergreifende Kundendaten zurückgreifen und übernehmen so die Beantwortung von Kundenanfragen und die Aufnahme von Beschwerden in Form einer isolierten Außenstelle. Somit mangelt es an einer ganzheitlichen Sichtweise des Kunden und der Mitarbeiter im

57 58 59

Schüller, Riedl (2000), S. 828; Fettdruck nicht im Original, Hervorhebung durch die Verfasser. Vgl. Diedrich (2001), S. 58 Vgl. im folgenden Albert (2001), S. 353

Konzeption des ECRM

137

Call Center ist bezüglich des Problemlösungsprozesses stets auf die Angaben und Auskünfte des Kunden angewiesen. Im Zuge der Weiterentwicklung der klassischen Call Center zu Customer Interac­ tion Centern (CIC) werden die traditionellen Funktionen mit den neuen Medien verbunden.60 Grundlage ist hierbei, wie schon in Kapitel 3.1.2 beschrieben, ein Data Warehouse mit bereichsübergreifenden Informationen, das dem Mitarbeiter ermöglicht, auf Knopfdruck ein detailliertes Kundenprofil abzurufen. Somit wird einerseits eine effizientere Bearbeitung der Kundenanfragen gewährleistet und zusätzlich wird dem Kunden Kompetenz vermittelt und die Basis für eine One-toOne Beziehung geschaffen. Die Informationen aus dem Kundenkontakt müssen in das Datenbanksystem eingegeben werden, um bei weiteren Kontakten über beliebige Vertriebswege stets eine vollständige Kundenhistorie parat zu haben. Das CIC untergliedert die Anfragen je nach Komplexität in zwei verschiedene Ebenen. Einfache, fachunspezifische Anfragen werden vom Servicemitarbeiter direkt beantwortet und komplexere Sachverhalte werden an die Spezialisten der Bank weitergeleitet. Die so erzielbare Entlastung des qualifizierten Personals ermöglicht eine bessere fachliche Beratung hinsichtlich komplexer Problemstel­ lungen. Eine weitere Verbesserung besteht darin, dass nicht mehr ausschließlich Fax und Telefon als Kommunikationsmedien zum Einsatz kommen, sondern auch Anfragen per e-mail bearbeitet werden können und Probleme bezüglich des Internet-Banking sogar interaktiv über Telefonkontakt und gemeinsames Surfen auf der Homepage gelöst werden können.61 Neben einer permanenten und be­ quemen Erreichbarkeit, die teilweise über Sprachcomputer gewährleistet wird, besteht auch der Vorteil einer Beantwortung der Anfragen per E-Mail in Echtzeit. Eine Untersuchung der Reaktionszeit auf E-Mail-Anfragen unter den 100 größten US-Banken ergab, dass nur 38% der E-Mails innerhalb von 24 Stunden bearbeitet wurden und es auf mehr als 25% gar keine Antwort gab.62 Dies verdeutlicht, welch enormes Potential in der Einführung eines CIC liegen kann.

Zu den Neuerungen gehört auch die Einführung von Outbound-Tätigkeiten der CIC, wobei hier eine genaue Kenntnis der Kundenbedürfnisse notwendig ist und die gewünschte Beziehungsintensität der Kunden eine entscheidende Rolle spielt. Die Neuerungen, die das Internet in diesem Zusammenhang bietet sind neben der direkten Kontaktaufnahme sogenannte „call-me-back Buttons“ auf der Home-

60 61 62

Vgl. im folgenden Veil, Behr, Ackert (2001), S. 45 Vgl. Reichardt (2000), S. 105 Vgl. Bansal (2001), S. 107

138

Konzeption des ECRM

page, die es ermöglichen, dass der Kunde zu einer von ihm vorgegebenen Zeit von einem Spezialisten zurückgerufen wird, um sich von ihm beraten zu lassen.63 Ein großer Vorteil bezüglich der Entlastung der Call Center besteht im unbe­ grenzten Informationspotenzial auf der Website. Neben einer ausführlichen Darstellung der Leistungspalette wird dem Kunden hier die Möglichkeit gegeben, über eine Hilfe-Funktion Antworten auf häufig anfallende Fragen zu bekommen. Zusätzlich besteht oftmals die Möglichkeit, sich mit anderen Kunden in Diskus­ sionsforen auszutauschen oder sich in sogenannten Expertenchats mit Spezialis­ ten auseinander zu setzen. Außerdem ist es möglich, dem Kunden während des Telefongesprächs Informationsmaterialien in Form von Bildern, Prospekten oder Videosequenzen zuzusenden.64

Letztendlich lassen sich mittels eines CIC die Erwartungen der Kunden in Form ständiger Erreichbarkeit, Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich des Kommunikati­ onskanals sowie komplexer und effizienter Betreuung erfüllen. Somit wird die Kundenzufriedenheit erhöht, die Kundenbindung gefestigt und damit die Basis für eine Profitabilitätserhöhung der Kundenbeziehungen geschaffen. Das CIC stellt somit einen, wenn nicht sogar zukünftig den zentralen Kontaktpunkt für die Realisierung einer personalisierten One-to-One Beziehung dar. 3.3.3

Beschwerdemanagement als Element der Kundenbindung

Aus dem vorigen Kapitel geht hervor, dass den CIC als Vertriebskanal im Rah­ men einer Multi-Channel Strategie eine entscheidende Bedeutung zukommt. Anhand des Beschwerdemanagements soll nun ein zentraler Prozess betrachtet werden, der sich maßgeblich auf die Hauptziele des ECRM auswirken kann. Unzufriedenheit eines Kunden ist subjektiv und entsteht, wenn seine Leistungswahmehmung negativ von seiner Leistungserwartung abweicht.65 In einer Situa­ tion der Unzufriedenheit hat der Kunde vier Handlungsmöglichkeiten, wovon die Beschwerde für die Bank die angenehmste ist. Nur so hat die Bank die Möglich­ keit, ihre Leistungen sowie Prozesse kontinuierlich zu verbessern und Kundenzu­ friedenheit bzw. Kundenbindung zu erhöhen. Die anderen Handlungsaltemativen wie Inaktivität, Abwanderung oder negative Mundpropaganda stellen für die Kreditinstitute ein enormes Gefahrenpotential dar. Negative Publicity ist in

63 64 65

Vgl. Göttgens (2000), S. 11 Vgl. Veil, Behr, Ackert (2001), S. 46 Vgl. im folgenden Leitzmann, Lang (2001), S. 50

Konzeption des ECRM

139

diesem Zusammenhang besonders gefährlich, da sie eine glaubwürdigere Infor­ mationsquelle darstellt, als die Werbemaßnahmen der Bank.66

Beim ECRM wird durch Auslegung der Leistungen auf die Kundenbedürfnisse im Rahmen intensiver Kommunikation ein Beschwerdemanagement im Idealfall überflüssig. Falls dennoch Reklamationen auftreten, müssen diese als Chance genutzt werden, denn viele Kunden verhalten sich nach einer positiv erlebten Beschwerdebearbeitung überdurchschnittlich loyal gegenüber ihrer Bank.67 Vor dem Hintergrund, dass sich nur jeder dritte unzufriedene Kunde beschwert, sollten die Kunden zur Aktivität ermuntert werden, um Schwachstellen in den Untemehmungsprozessen aufzudecken und Verbesserungen einzuleiten. Grund­ voraussetzung sind hierbei leicht zugängliche Beschwerdekanäle um vorhandene Hemmschwellen abzubauen. Für die erfolgreiche Weiterbearbeitung ist eine systematische Vorgehensweise sowie eine vollständige Integration des Be­ schwerdemanagements in den ECRM-Prozess notwendig. Letztendlich wird das Beschwerdemanagement im ECRM nicht mehr als reine Kostenposition gesehen, sondern als integrierter Bestandteil zur Verbesserung der eigenen Leistungen. Um langfristige Beziehungen aufrecht zu erhalten ist es notwendig, dass sich die Kunden verstanden fühlen.

3.4

Lernen aus der Kundenbeziehung

Im letzten Schritt der ECRM Strategie geht es um die Verwirklichung des konti­ nuierlichen Lernens aus der Kundenbeziehung. Durch intensive Kommunikation mit den Kunden werden die Leistungen hierbei gemeinsam weiterentwickelt und es kann eine sogenannte win-win Situation entstehen. Ausgangspunkt ist hierbei die Evaluierung der Ergebnisse aus den Reaktionen der Kunden.68 Um vernünfti­ ge Schlussfolgerungen aus den bisherigen Aktionen zu ziehen, ist es notwendig, eine Fehlerkultur zu etablieren, auf deren Basis ein produktives Lernen innerhalb der Banken realisierbar ist. Eine Installation lernender Strukturen ist nur durch Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen möglich.69 Da nicht nur das Lernen aus eigenen Fehlern sinnvoll ist, müssen die Banken über die Methode des Benchmarking die „best practices“ anderer Firmen ausfindig machen.70

66 67 68 69 70

Vgl. Grubbs, Reidenbach (1995), S. 23 Vgl. im folgenden Leitzmann, Lang (2001), S. 50ff. Vgl. Minocha (2000), S. 319 Vgl. Rapp (2000), S. 202 Vgl. im folgenden Minocha (2000), S. 319

140

Konzeption des ECRM

Besonders im Rahmen des E-Banking sollten sich die Banken hierbei nicht nur auf die eigene Branche beschränken. Die effizienteste Form des Lernens erreicht die Bank mittels persönlicher Bezie­ hungen zum Kunden. Nur so werden individuelle Bedürfnisse offengelegt und Reaktionen auf die bisherigen Leistungen ermöglicht. Diese sogenannte Persona­ lisierung wird in besonderem Maße durch die bereits erwähnten Techniken im Internet ermöglicht. Die Reflektion bisheriger Geschäftsbeziehungen liefert den Banken bessere Daten und die individuellen Kundenbedürfnisse können somit noch besser befriedigt werden. Mit der überarbeiteten Datenbasis wird eine erneute Segmen­ tierung vorgenommen und die kundenspezifischen Strategien werden neu konzi­ piert. Anschließend müssen die benötigten Tools und die vom Kunden präferierten Vertriebskanäle ermittelt werden. Somit ergibt sich letztendlich ein ständiger Kreislauf des ECRM-Prozesses.

Damit wird verdeutlicht, dass ECRM eine dynamische Strategie ist, die ständig überarbeitet werden muss, um Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten und den sich fortlaufend ändernden Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Im Rahmen der Zielabsicht, die Kunden auf Dauer zufrieden zu stellen und langfristig an die Bank zu binden, stellt das Lernen aus den bisherigen Beziehungen den entschei­ denden Erfolgsfaktor dar.

Konzeption des ECRM

141

4 Fazit Viele Banken sehen die Vorteile einer ECRM-Strategie momentan nur in einer zusätzlichen Differenzierungsmöglichkeit gegenüber den Wettbewerbern. Um langfristig dem Wandel von Anbieter- zu Käufermärkten gerecht zu werden und die damit notwendigerweise verbundene Kundenorientierung zu verwirklichen, müssen die Banken die Erforderlichkeit von ECRM-Strategein erkennen. Bei der Verwirklichung einer ECRM-Strategie treten unterschiedliche Probleme auf. Teilweise wird nicht erkannt, dass nur eine funktionsübergreifende Strategie erfolgreich sein kann. Um dies zu gewährleisten muss die Strategie von der Leitungsebene aktiv an die Mitarbeiter kommuniziert werden und es bedarf einer Untemehmungskultur, in der die Kundenorientierung als oberstes Ziel verankert ist. Dies wird dadurch untermauert, dass 51% der CRM-Projekte daran scheitern, dass die Mitarbeiter den Nutzen des Systems nicht erkennen.71 Viele Banken werden in diesem Zusammenhang Probleme bekommen, da ihr Mitarbeiterpoten­ zial den Anforderungen von ECRM häufig nicht entspricht. Die größte Problema­ tik besteht in der mangelnden Bereitschaft zur Datenpflege. Selbst wenn ein großer Teil der Dateneingabe zukünftig über den Kunden im Internet erfolgen wird, ist eine ganzheitliche Kundenprofilierung nur bei kanalübergreifender Datenpflege möglich. Eine wichtige Frage beschäftigt sich mit der Wirtschaftlichkeit des ECRM. Da die Vorteile größtenteils qualitativer Natur sind, lässt sich ihr Wert oft nur unzu­ reichend bestimmen. Die Vorteile einer verbesserten Informationsbasis, einer stärkeren Kundenbindung und der Aufdeckung profitabler Kundenpotentiale drückt sich erst langfristig in erhöhten Gewinnen aus.

Oftmals wird ECRM mit der Implementierung von Softwaresystemen gleichge­ setzt. Die Technik ist zwar sehr wichtig, aber letztendlich nur ein Werkzeug für die Erfüllung der Strategieanforderungen, also eine notwendige Bedingung?2 Erfolgsentscheidend und somit hinreichende Bedingung ist letzten Endes die Qualität des Humankapitals. In diesem Zusammenhang besteht allzu leicht die Gefahr, dass bei der ECRM-Implementierung die eigentliche Komplexität nicht berücksichtigt wird und die Banken letztendlich ein teures Softwaresystem installieren, ohne einen wirklichen Nutzen daraus ziehen zu können.

71 72

Vgl. MetaGroup, zitiert in: Computerwoche (2001), o.S. Vgl. Altmann (2001), S. 25

142

Konzeption des ECRM

Die Tatsache, dass momentan 65% der CRM-Projekte scheitern und diese Zahl in den nächsten Jahren auf bis zu 80% ansteigen soll73 zeigt, dass die beschriebenen Probleme keinesfalls Einzelfälle darstellen und bei vielen Unternehmungen grundsätzliche Verständnisprobleme bezüglich der Bedeutung und den Folgen einer CRM-Strategie bestehen.

Weiter stellt sich nun die Frage nach dem Stand der Umsetzung von ECRM. Der Sachverhalt, dass bisher nur 33% aller deutschen Banken ein Call Center einset­ zen verdeutlicht, dass hier noch ein enormer Nachholbedarf besteht.74 Auch im Bezug zur Entwicklung individueller Marketing-Kampagnen besteht noch enor­ mes Potential. So ist der Einsatz kundenindividueller Internet-Seiten in einigen Banken der USA bereits Realität, während selbige Umsetzung in Deutschland noch Seltenheitswert besitzt.75

Das Zeitalter der Kundenorientierung hat gerade erst begonnen und im Rahmen des ECRM werden weitere Methoden entwickelt werden, die eine qualitativ hochwertigere und schnellere Analyse der Kundenwünsche ermöglichen. Vorteile haben hierbei vor allem die in jüngerer Vergangenheit gegründeten Discount Broker, da diese seit Bestehen grundsätzlich eine aktive ECRM-Strategie anwen­ den und sich das Grundverständnis somit schon tief in der Untemehmungskultur verankert hat. Diese Banken können ihre Leistungen flexibler und schneller an veränderte Kundenbedürfnisse anpassen. Sie sind eher fähig, neue Techniken zu integrieren. Zusätzlich besteht bei ihnen nur partiell die Problematik der Daten­ harmonisierung aus verschiedenen Vertriebskanälen. Das dargestellte ECRM-Konzept ist nach genauer Analyse, bei richtiger Umset­ zung und Beachtung der Hindernisse dazu geeignet, die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Damit wurde deutlich, welch hohe strategische Erfolgsrelevanz durch das ECRM dargestellt wird. Im Rahmen des klassischen E(lectronic)-Banking Verständnisses sollte verstärkt auf seinen Einsatz als E(motional)-Banking hingearbeitet werden, um nicht bei technischen Potentialen zu enden, sondern die Kundenbindung langfristig zu erreichen

73 74 75

Vgl. MetaGroup, zitiert in: Computerwoche (2001), o.S. Vgl. Albert (2000), S. 342 Vgl. Albert (2000), S. 344

Konzeption des ECRM

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