Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern als strategischer Erfolgsfaktor: Eine theoretische Analyse und empirische Bestandsaufnahme in der Markenartikelindustrie [1 ed.] 9783428470129, 9783428070121

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Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern als strategischer Erfolgsfaktor: Eine theoretische Analyse und empirische Bestandsaufnahme in der Markenartikelindustrie [1 ed.]
 9783428470129, 9783428070121

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Schriften zum Marketing Band 29

Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern als strategischer Erfolgsfaktor Eine theoretische Analyse und empirische Bestandsaufnahme in der Markenartikelindustrie Von Michael Lingenfelder

Duncker & Humblot · Berlin

MICHAEL LINGENFELDER

Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern als strategischer Erfolgsfaktor

SCHRIFTEN ZUM MARKETING hrsg. von Prof. Dr. Erwin Dichtl, Mannheim Prof. Dr. Franz Böcker, Regensburg Prof. Dr. Hermann Diller, Nürnberg Prof. Dr. Hans H. Bauer, Koblenz Band 29

Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern als strategischer Erfolgsfaktor Eine theoretische Analyse und empirische Bestandsaufnahme in der Markenartikelindustrie

Von Michael Lingenfelder

Duncker & Humblot * Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Lingenfelder, Michael: Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern als strategischer Erfolgsfaktor: eine theoretische Analyse und empirische Bestandsaufnahme in der Markenartikelindustrie / von Michael Lingenfelder. - Berlin: Duncker und Humblot, 1990 (Schriften zum Marketing; Bd. 29) Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07012-7 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0343-5970 ISBN 3-428-07012-7

"Es ist nötig, alles zu messen, was meßbar ist, und zu versuchen, meßbar zu machen, was es noch nicht ist." GALILEO G A L I L E I

VORWORT

Vertriebspolitische Fragestellungen gewinnen nicht nur mit Blick auf die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes an Bedeutung. Was lag daher näher, als das Vertriebsmanagement zum Gegenstand einer theoretischen und empirischen Untersuchung zu erheben. Auf einer breiten theoretischen Basis werden Ansatzpunkte zur Operationalisierung des Schlüsselkonstruktes, der Marketingorientierung, ermittelt und einer Befragung von Vorgesetzten und Kollegen von Vertriebsleitern sowie von Einkaufsleitern des Handels zugrundegelegt. Die vorliegende Untersuchung verknüpft dadurch zwei herausragende Faktoren des Erfolgs von Unternehmen miteinander: Managementqualität und Marketing. Mit Hilfe des Einsatzes nahezu des gesamten Spektrums multivariater Verfahren werden die Urteile von fast 200 durchweg hochkarätigen Probanden verarbeitet. Im Mittelpunkt stehen dabei die Bildung eines Index der Marketingorientierung und die kausalanalytische Überprüfung der Determinanten der Marketingorientierung von Vertriebsleitern. Daß ca. jeder fünfte Vertriebsleiter der Markenartikelindustrie eine zu geringe Marketingorientierung aufweist, bildet das zentrale und zugleich überraschende Ergebnis des empirischen Teils der Studie. Etwa 70 % der befragten Einkaufsleiter artikuliert Zufriedenheitsdefizite in bezug auf die in Verhandlungen mit Vertriebsleitern erzielten Ergebnisse. In erster Linie Fähigkeiten und Kenntnisse sowie die Persönlichkeitsstruktur sind für den Erfolg von Vertriebsmanagern entscheidend. Unter den unternehmensinternen Einflußfaktoren nehmen die strategische Stoßrichtung des Unternehmens und spezifische führungspolitische Charakteristika der Vertriebsabteilung eine prominente Stellung ein. Daneben determiniert die Geschäftsbeziehung zu den Absatzmittlern den Verhandlungsausgang und damit die Marketingorientierung. Auf Grundlage der an dieser Stelle nur bruchstückhaft angedeuteten empirischen Befunde werden Maßnahmen entwickelt, die mit Blick auf Kosten/Nutzen-Überlegungen und die Variabilität der Determinanten gangbare Wege zur Bewältigung der mit einer zu geringen Marketingorientierung verbundenen Probleme aufzeigen. Der Schwerpunkt der Diskussion liegt hierbei auf der Konkretisierung von Handlungsalternativen, die die Marketingorientierung von Vertriebsleitern fördern helfen. Das entwickelte Instrumentarium liefert insbesondere wertvolle Anregungen zur Gestaltung eines Management Development, Auswahl von Nachwuchsführungskräften und Laufbahnplanung im Vertrieb.

vm

Vorwort

Schließlich mündet die Diskussion in den Entwurf einer Konzeption, die den Transfer der in der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse in die betriebliche Praxis erleichtern soll. An dieser Stelle möchte ich meinem akademischem Lehrer, Herrn Professor Dr. Erwin Dichtl, für die Anregung und Motivation, mich mit dieser Materie zu beschäftigen, sowie zahlreiche konstruktive Hinweise herzlich danken. Dank gebührt ferner meinen Freunden und (ehemaligen) Kollegen Dr. Hans-Georg Köglmayr und Dr. Stefan Müller, die mir hilfreich zur Seite standen und Vorschläge zur Verbesserung des Manuskripts gemacht haben. Ein solches Werk bedarf vieler Wochenend-, Abend- und Nachtschichten bis es auf den Weg gebracht ist. Deswegen widme ich es dem Menschen, der am meisten darunter zu leiden hatte: Silke.

Mannheim, im September 1990

Michael Lingenfelder

INHALTSVERZEICHNIS Seite ABBILDUNGSVERZEICHNIS TABELLENVERZEICHNIS

1 . DAS FÜHRUNGSKRÄFTEPOTENTIAL I M KONTEXT DES STRATEGISCHEN M A R K E T I N G

XIV XVD

1

1.1. Die Marketingorientierung als Forschungsobjekt

1

1.2. Der Strategie Fit-Approach als Basiskonzept der Untersuchung

6

1.3. Zielsetzung der Untersuchung und Vorgehensweise

11

2 . DER BEITRAG DES VERTRIEBSMANAGEMENTS ZUR M A R K E N P O L I T I K VON KONSUMGÜTERHERSTELLERN

14

2.1. Grundprinzipien und Ziele der Markenbildung

14

2.2. Charakteristika unterschiedlicher Markenartikelkonzeptionen

19

2.3. Die Struktur des Vertriebsmanagements

22

2.3.1. Begriff und Funktionsbereich "Vertrieb" in der theoretischen Diskussion

22

2.3.2. Ziele und Aufgaben von Vertriebsleitern

26

2.3.2.1. Ziele von Vertriebsleitern

28

2.3.2.2. Aufgaben von Vertriebsleitern

30

2.4. Rahmenbedingungen des Vertriebsmanagements

45

2.4.1. Unternehmensexterne Rahmenbedingungen

46

2.4.2. Untemehmensinterne Rahmenbedingungen

49

2.5. Zusammenfassung

50

Inhaltsverzeichnis

Seite 3 . DIE KONZEPTUALISIERUNG DER MARKETINGORIENTIERUNG VON VERTRIEBSLEITERN AUS BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHER UND VERHALTENSWISSENSCHAFTLICHER SICHT

52

3.1. Eignung und Interdependenz der zugrunde gelegten theoretischen Erklärungsansätze

52

3.2. Die Marketingorientierung als Gegenstand der Erfolgsfaktorenforschung

54

3.2.1. Methodologische Besonderheiten der Erfolgsfaktorenforschung

54

3.2.2. Zentrale Befunde der Erfolgsfaktorenforschung

57

3.2.3. Die Relevanz der Erfolgsfaktorenforschung für die Konzeptualisierung des Konstruktes "Marketingorientierung von Vertriebsleitern"

62

3.2.3.1. Inhaltliche Implikationen

63

3.2.3.2. Methodische Implikationen

66

3.3. Die Marketingorientierung als Objektbereich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

69

3.3.1. Der Erklärungsbeitrag von Persönlichkeitstheorien

69

3.3.1.1. Die Persönlichkeitstheorien im Überblick 3.3.1.2. Grundzüge der Faktorentheorie der Persönlichkeit und ausgewählte empirische Befunde 3.3.1.3. Implikationen der Faktorentheorie der Persönlichkeit für die Konzeptualisierung des Konstruktes "Marketingorientierung von Vertriebsleitern" 3.3.2. Die motivationale Dimension der Marketingorientierung

71 75

81 83

3.3.2.1. Motivationstheorien im Überblick

84

3.3.2.2. Die Grundstruktur der Instrumentalitätstheorie von Vroom

85

3.3.2.3. Die Relevanz der Instrumentalitätstheorie von Vroom für die Konzeptualisierung des Konstruktes "Marketingorientierung von Vertriebsleitern"

89

3.4. Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern im Kontext ausgewählter personalwirtschaftlicher Instrumente 3.5. Zusammenfassung

91 102

Inhaltsverzeichnis

XI

Seite 4 . DEE KONZEPTION EINER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG ZUR ERFASSUNG DER MARKETINGORIENTIERUNG VON VERTRIEBSLEITERN

103

4.1. Ziele, Prämissen und Hypothesen der empirischen Untersuchung 4.2. Das Design der empirischen Untersuchung

103 110

4.3. Die Vorgehensweise im Rahmen der Auswertung der erhobenen Daten 5 . DIE MARKETINGORIENTIERUNG VON VERTRIEBSLEITERN I M SPIEGEL EMPIRISCHER BEFUNDE 5.1. Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern aus der Perspektive von Vorgesetzten und Kollegen 5.1.1. Die Dimensionen des Konstrukts "MarketingOrientierung von Vertriebsleitern"

118 121 121 121

5.1.1.1. Bedeutung und Erreichungsgrad vertriebspolitischer Ziele

121

5.1.1.2. Defizite bei der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben

126

5.1.1.3. Ein Index zur Erfassung wichtiger Ebenen der Marketingorientierung von Vertriebsleitern

130

5.1.2. Ursachen der Marketingorientierung von Vertriebsleitem

145

5.1.2.1. Individuelle Determinanten der Marketingorientierung von Vertriebsleitern

145

5.1.2.2. Unternehmensinteme Determinanten der Marketingorientierung von Vertriebsleitern

161

5.1.2.3. Unternehmensexterne Determinanten der Marketingorientierung von Vertriebsleitern

172

5.1.2.4. Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern als Gegenstand einer kausalanalytischen Untersuchung

175

5.1.3. Die wichtigsten Untersuchungsbefunde im Überblick

195

ΧΠ

Inhaltsverzeichnis

Seite 5.2. Die Interaktion zwischen Vertriebs- und Einkaufsleiter aus der Sicht von Einkaufsleitern

196

5.2.1. Die Bewertung von Verhandlungsergebnissen durch Einkaufsleiter

197

5.2.2. Determinanten der Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit den Verhandlungsergebnissen

199

5.2.2.1. Charakteristika von Verhandlungsprozessen

201

5.2.2.2. Verantwortungsbereich, Verhandlungskompetenz und Persönlichkeitsstruktur von Vertriebsleitern

203

5.2.2.3. Merkmale der Mikro-Umwelt von Verhandlungen (Geschäftsbeziehung)

211

5.2.2.4. Merkmale der Makro-Umwelt der Interaktion

213

5.2.2.5. Die kausalanalytische Untersuchung der Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit den Verhandlungsergebnissen

214

5.2.3. Die wichtigsten Untersuchungsbefunde im Überblick 6 . ANSATZPUNKTE ZUR FORDERUNG DER MARKETINGORIENTIERUNG VON VERTRIEBSLEITERN

218

220

6.1. Das Spektrum der Handlungsalternativen

220

6.2. Maßnahmen zur Begrenzung der negativen Auswirkungen einer unzureichenden Marketingorientierung von Vertriebsleitern

222

6.3. Maßnahmen zur Steigerung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern

227

6.3.1. Die Förderung der Marketingorientierung durch ein Management Development

227

6.3.2. Die Gestaltung bzw. Modifikation eines strategischen Anreizsystems

233

6.3.3. Die Verbesserung der innerbetrieblichen Zusammenarbeit durch Maßnahmen der Organisationsentwicklung

237

6.4. Organisatorische Überlegungen zur Diagnose und Förderung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern 7 . ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

240 252

Inhaltsverzeichnis

ΧΠΙ Seite

LITERATURVERZEICHNIS

255

ANHANG Anhang A:

Merkmale des Markenartikels

284

Anhang B:

Synopse einer vergleichenden Analyse von 35 empirischen Erfolgsfaktorenstudien

286

Fragebogen für Vorgesetzte und Kollegen von Vertriebsleitern

304

Anhang C: Anhang D:

Fragebogen für Einkaufsleiter des Handels

318

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Seite Abb. 1.1.:

Die Komponenten der strategischen Stimmigkeit

9

Abb. 1.2.:

Der theoretische Bezugsrahmen der Untersuchung

12

Abb. 1.3.:

Der Gang der Untersuchung

13

Abb. 2.1.:

Optionen einer Positionierung von Markenartikeln

16

Abb. 2.2. :

Die Stellung verschiedener Markenartikelkonzeptionen in einer Waren-Vertriebssystematik

21

Abb. 2.3.:

Module des Vertriebsmanagements

27

Abb. 2.4.:

Zur Deduktion von Vertriebszielen

28

Abb. 2.5.: Abb. 2.6.:

Ausgewählte Führungsaufgaben von Vertriebsleitern im Überblick Mögliche Auswirkungen ausgewählter unternehmensexterner Rahmenbedingungen auf das Vertriebsmanagement von Markenartikelherstellem

35 47

Abb. 2.7.:

Rahmenbedingungen, Ziele und Aufgaben des Vertriebsmanagements

51

Abb. 3.1.:

Bezugsebenen der Erfolgsfaktorenforschung

56

Abb. 3.2.:

Befunde der Erfolgsfaktorenforschung

59

Abb. 3.3.:

Theoretischer Bezugsrahmen ausgewählter Erfolgsfaktorenstudien

62

Abb. 3.4.:

Die theoretischen Strömungen der Persönlichkeitspsychologie

70

Abb. 3.5.:

Psychologische Verhaltensprofile erfolgreicher Vertriebsmanager und erfolgreicher Controller im Vergleich

72

Abb. 3.6.:

Die Grundstruktur der Faktorentheorie der Persönlichkeit

76

Abb. 3.7.:

Bezugspunkt und inhaltliche Dimension von Grundwesenszügen

76

Abb. 3.8.:

Das Persönlichkeitsprofil von Führungskräften

80

Abb. 3.9.:

16 PF-Testprofile von Vertriebsleitern

82

Abb. 3.10.:

Konstituierende Variablen der Vroom'schen Instrumentalitätstheorie Die Grundstruktur der Instrumentalitätstheorie

86 87

Abb. 3.11.:

Abbildungsverzeichnis

XV

Seite Abb. 3.12.:

Ein Modell zur Erfassung der Motivation von Außendienstmitarbeitern

90

Abb. 4. 1.:

Problemfelder, Dimensionen und ausgewählte Indikatoren der Befragung von Vorgesetzten und Kollegen

106

Abb. 4. 2.:

Problemfelder, Dimensionen und ausgewählte Indikatoren der Befragung von Einkaufsleitem des Handels

108

Abb. 4. 3.:

Ausgewählte Hypothesen der empirischen Untersuchung

109

Abb. 4. 4.:

Die Realisierung wichtiger Forschungsziele durch den Einsatz multivariater Verfahren Die Validität ausgewählter linear-kompensatorischer Modelle

119

zur Bildung eines Index der Marketingorientierung

133

Abb. 5. 2.:

Die Häufigkeitsverteilung des Index der Marketingorientierung

138

Abb. 5. 3.:

Die Besetzungshäufigkeit verschiedener Bereiche des Index der Marketingorientierung Eine Kontrastgruppenanalyse der Bedeutung der IMVIndikatoren

139

Abb. 5. 1. :

Abb. 5. 4.: Abb. 5. 5.: Abb. 5. 6.:

Unterschiede in der Bewertung von Vertriebsleitern auf der Basis des Erfüllungsgrades vertriebspolitischer Ziele

140 142

Defizite bei der Wahrnehmung ausgewählter Aufgaben der zwei auf der Basis des IMV gebildeten Vertriebsleitergruppen

144

Abb. 5. 7.:

Fähigkeiten und Kenntnisse von Vertriebsleitern

146

Abb. 5. 8.:

Persönlichkeitsstruktur und Marketingorientierung

152

Abb. 5. 9.:

Der Ablaufplan für eine A posteriori-Segmentierung von Vertriebsleitern auf der Basis von Persönlichkeitsmerkmalen Das Dendrogramm der beurteilten Vertriebsleiter nach Maßgabe

154

ihrer Persönlichkeit

158

Abb. 5.11.:

Die Persönlichkeitsstruktur der zwei Cluster von Vertriebsleitern

159

Abb. 5.12.:

Determinanten des strategischen Handlungsspielraums von Markenartikelherstellem Ausgewählte führungspolitische Charakteristika der zugrunde liegenden Vertriebsabteilungen

164

Abb. 5.10.:

Abb. 5.13.:

171

Abb. 5.14.:

Die Relevanz ausgewählter unternehmensexterner Rahmenbedingungen für die Tätigkeit von Vertriebsleitem

174

Abb. 5.15.:

Pfaddiagramm 1

181

Abb. 5.16.:

Pfaddiagramm 2

184

XVI

Abbildungsverzeichnis

Seite Abb. 5.17.:

Pfaddiagramm 4

187

Abb. 5.18.:

Pfaddiagramm 5

189

Abb. 5.19.:

Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern als Element eines LISREL-Modells

193

Abb. 5.20.:

Einflußfaktoren des Verhandlungsergebnisses

200

Abb. 5.21.:

Die Bewertung verhandlungsrelevanter Leistungen bzw. Fähigkeiten von Vertriebsleitem Das Persönlichkeitsprofil von Vertriebsleitem im Urteil von Einkaufsleitern

206 209

Die Kausalstruktur der Determinanten des Verhandlungsergebnisses

217

Abb. 6.1.:

Denkbare Konfiguration eines EDV-gestützten Vertriebsinformationssystems

224

Abb. 6.2.:

Eine praxisorientierte Vorgehensweise zur Diagnose und Förderung der Marketingorientierung von Vertriebsleitem 242

Abb. 5.22.: Abb. 5.23.:

TABELLENVERZEICHNIS Seite Tab. 3.1.:

Ein Vergleich verschiedener Persönlichkeitstheorien

74

Tab. 3.2.:

Cattells 16 fundamentale Persönlichkeitsdimensionen

78

Tab. 3.3.:

Erwünschte Schulbildung bzw. Ausbildung und präferiertes Studienfach von Vertriebsleitem

96

Tab. 3.4.:

Erwünschte charakterliche Eigenschaften von Vertriebsleitem

97

Tab. 3.5.:

Erwünschte Fähigkeiten von Vertriebsleitem

98

Tab. 3.6.:

Erwünschte Kenntnisse von Vertriebsleitem

99

Tab. 4.1. :

Zur Bildung der Stichprobe "Markenartikelhersteller"

112

Tab. 4.2.:

Zur Zusammensetzung der Stichprobe "Markenartikelhersteller"

114

Tab. 4.3.:

Die Ursachen für die Nichtberücksichtigung zurückgesandter Fragebogen von Handelsunternehmen

116

Tab. 4.4.:

Zur Zusammensetzung der Stichprobe "Handelsunternehmen"

117

Tab. 5.1.:

Die Zufriedenheit mit der Leistung von Vertriebsleitem

122

Tab. 5.2.:

Durchschnittliche Bedeutung und Erfüllungsgrad ausgewählter Indikatoren der Maiketingorientierung von Vertriebsleitem

124

Tab. 5.3.:

Defizite bei der Wahrnehmung ausgewählter Aufgaben

127

Tab. 5.4.:

Kommunalitäten und varimaxrotierte Faktorladungen der Aufgaben von Vertriebsleitem Die Gütekriterien der diskriminanzanalytischen Untersuchung der auf der Basis von Modell 3 gebildeten Gruppen von Vertriebsleitem

Tab. 5.5.:

129 135

Tab. 5.6.:

Dauer der Betriebszugehörigkeit der untersuchten Vertriebsleiter und Erfahrung in der derzeitigen Position

148

Tab. 5.7.:

Der Karriereweg von Vertriebsleitem (Angaben in %)

149

Tab. 5.8.:

Faktorenmuster und Kommunalitäten der Persönlichkeitsstruktur von Vertriebsleitem

155

Tab. 5.9.:

Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl in verschiedenen absatzwirtschaftlichen Funktionsbereichen

162

XVm

Tabellenverzeichnis

Seite Tab. 5.10.:

Die Handelspartner der ausgewählten Vertriebsabteilungen

168

Tab. 5.11.:

Die ß-Koeffizienten in alternativen multiplen Regressionsmodellen

177

Tab. 5.12.:

Zur Konstruktion verschiedener Pfadmodelle

180

Tab. 5.13.:

Die Güte von vier pfadanalytischen Untersuchungen der Aufgabenbereiche von Vertriebsleitern

186

Globale Gütekriterien des Kausalmodells der Determinanten der Marketingorientierung

192

Tab. 5.14.: Tab. 5.15.:

Die Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit dem erzielten Verhandlungsergebnis

199

Tab. 5.16.:

Anlässe für Verhandlungen (Angaben in %)

202

Tab. 5.17.:

Die Bedeutung einzelner verhandlungsrelevanter Leistungen bzw. Fähigkeiten von Vertriebsleitem für den Verhandlungserfolg Die Bedeutung ausgewählter die Geschäftsbeziehung charakterisierender Variablen für das Verhandlungsergebnis

208 213

Globale Gütekriterien des Kausalmodells der Determinanten des Verhandlungsergebnisses

216

Handlungsalternativen bei einer zu geringen Marketingorientierung von Vertriebsleitem

221

Tab. 5.18.: Tab. 5.19.:

Tab. 6. 1.:

1. 1.1.

DAS F Ü H R U N G S K R Ä F T E P O T E N T I A L DES STRATEGISCHEN MARKETING

IM

KONTEXT

Die Marketingorientierung als Forschungsobjekt

In Wissenschaft und Praxis besteht Konsens darüber, daß in Zeiten einer turbulenten Umweltsituation, hoher Konkurrenzintensität, zunehmender Technisierung und kurzzeitiger Abfolge von Innovationszyklen die gewählte Marketingkonzeption über Erfolg und Mißerfolg von Unternehmen entscheidet.1^ Da die Gestaltung dieser Handlungsebene den Führungskräften obliegt, bildet die Ressource, die das Top Management in absatzwirtschaftlichen Funktionsbereichen verkörpert, einen zentralen Bestimmungsfaktor für eine erfolgreiche Unternehmensführung. So betrachtet beispielsweise Penrose die Managementleistung als wesentlichen Baustein einer Theorie der Unternehmensentwicklung, da jene den Entwicklungsprozeß von Unternehmen nachhaltig hemmt oder fördert.^ Vor diesem Hintergrund löst die Tatsache, daß sich die Marketingwissenschaft mit diesem Problemkomplex großteils überhaupt nicht oder nur am Rande auseinandersetzt, Verwunderung aus. So finden sich zwar in der kaum noch überschaubaren Literatur zum strategischen Marketing Argumente für die wachsende Bedeutung von Humanressourcen bei der Strategieentwicklung und -durchsetzung, aber es mangelt an Konzepten zur Operationalisierung und Messung von Dimensionen der Leistung von Führungskräften. ^ Bei der Durchsicht der Literatur zur Marketingkontrolle stellt man fest, daß die theoretischen und empirischen Arbeiten bislang weitgehend die Kontrolle von Marketingmaßnahmen fokussieren und die Probleme, die mit dem Einsatz des Humankapitals einhergehen, negieren.4^ Dies erscheint insofern bedenklich, als die Auseinandersetzung mit dem Verhalten der Mitarbeiter eine Vorbedingung bzw. einen unverzichtbaren Bestandteil der Marketingkontrolle darstellt Auch innerhalb des Management-Auditing wird die Thematik, inwiefern sich Führungskräfte im Marketing strategie- und aufgabenadäquat verhalten, nicht diskutiert.5^ Lediglich 1) V g l Dichtl (1985), S. 468. 2) Vgl. Penrose (1980), S. 44 ff. und S. 71 ff. 3) Vgl. Hinterhuber/Popp (1987), S. 327 ff., und Seibert (1987), S. 111. Eine Ausnahme bilden die Untersuchungen hinsichtlich der Auslandsorientierung von Führungskräften als Voraussetzung für Exporterfolg. Vgl. Dichtl/Köglmayr/Müller (1986), S. 1064 ff.; Müller (1990). 4) Vgl. Jaworski (1988), S. 23 ff. 5) Vgl. hierzu Döpke (1986), S. 8 ff.; Kiener (1980). Zur Frage der Prüfung bzw. Überwachung der Managementleistung vermag auch die Literatur aus dem Revisions- und Prüfungswesen wenig beizutragen. Siehe Sieben/Bretzke/Raulwing (1976), S. 181 ff.; Staudinger (1986).

2

1. Führungskräftepotential und strategisches Marketing

mit Blick auf Positionen, die in erster Linie operativen Funktionen gewidmet sind (z.B. Außendienst), existieren Konzepte und Überlegungen, die sich mit der optimalen Steuerung dieser Mitarbeiter auseinandersetzen.1^ Die im Personalwesen in neuerer Zeit geführte Diskussion um ein Human Resource Management konzentriert sich meist auf grundsätzliche Aspekte, wie z.B. die Gestaltung eines Management Development-Programms.2^ Oftmals fehlen aber konkrete Operationalisierungskonzepte zur Bestimmung der Managementqualität.^ Auch die Suche nach dem erforderlichen Qualifikationsprofil des "Managers von morgen" erwies sich nicht als fruchtbar, da einerseits häufig Schlagwörter, wie z.B. ganzheitliches Denken und Sensibilität, das Bild prägen und andererseits positions- bzw. funktionsspezifische theoriegeleitete empirische Untersuchungen fehlen.4^ Als Ergebnis dieser kurzen kritischen Literaturübersicht ist somit festzustellen, daß weder eine theoretische noch eine theoriegeleitete empirische Untersuchung hinsichtlich der Leistung von Top Managern des Marketingbereiches vorliegt Fragt man nach den Gründen für das Forschungsdefizit, so lassen sich vor allem folgende erkennen: (1) Die Komplexität der Problematik Wer im Marketing eine Führungsposition bekleidet, muß vielfältige, teilweise wenig strukturierte Aufgaben meistern, so daß sich die Operationalisierung der Leistungsdimensionen schwierig gestaltet. Erschwerend kommt hinzu, daß diese von einer Vielzahl situativ bedingter Variablen (z.B. Marktstruktur, Unternehmensgröße) abhängen. Darüber hinaus variieren nicht selten die an Top Manager gestellten Anforderungen in Abhängigkeit von der jeweiligen Position (z.B. Produktgruppenmanager, Vertriebsleiter) und der gewählten Marketingstrategie. ^ (2) Die Schwierigkeiten bei der Gewinnung empirischer Daten Da viele Unternehmen die Mitwirkung bei Befragungen über das Leistungspotential ihrer Mitarbeiter aus grundsätzlichen Überlegungen heraus verweigern, ergibt sich das Pro-

1) Vgl. Hümme (1987); Kotler (1982), S. 567 ff; Niedetzky (1988) und die dort angegebene Literatur. 2) Vgl. Leupold (1987); Oster (1984), S. 360 ff. Beispielsweise spricht Staffelbach von strategiegerechter Selektion und Entwicklung von Führungskräften, ohne dies jedoch zu konkretisieren. Vgl. Staffelbach (1986), S. 9 f. und S.127 ff. 3) Vgl. hierzu auch Laukamm (1985), S. 256 ff., der zwar diese Problematik erkennt, aber lediglich eine grobe Vorgehensweise zur Bestimmung des Human-Ressourcen-Potentials entwirft 4) Vgl. Hinterhuber/Popp (1987), S. 331. 5) Vgl. Raffée (1984), S. 61 ff.

1.1. Marketingorientierung als Forschungsobjekt

3

blem, daß theoretische Überlegungen meist nicht im gewünschten Umfang mit den in der Praxis gewonnenen Erfahrungen konfrontiert werden können. Um dieses Dilemma aufzuheben, ziehen manche Forscher Urteile von Experten (Unternehmens- oder Personalberater, Wissenschaftler) heran. Als Exteme können diese die oben angesprochenen unternehmensspezifischen situativen Rahmenbedingungen jedoch nur bedingt sachgerecht beurteilen. (3) Die Notwendigkeit zur interdisziplinären Forschung Der Versuch, die Leistung bzw. bestimmte Leistungskomponenten von Führungskräften im Marketing zu erfassen, verlangt in starkem Maße nach einer interdisziplinären Ausrichtung der Forschungsaktivität. Relevanz besitzen in diesem Zusammenhang beispielsweise die aus den Bereichen Marketing, Personalwesen, Organisation und Psychologie gewonnenen einschlägigen Erkenntnisse. Aufgrund der zunehmenden Spezialisierung der Betriebswirtschaftslehre, die in der Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Fachs Allgemeine Betriebswirtschaftslehre gipfelt, verwundert es daher nicht, daß sich solche Forschungsgebiete keiner großen Beliebtheit erfreuen, die einer interdisziplinären Auseinandersetzung bedürfen. Diese Überlegungen legen es nahe, folgende Schlüsse hinsichtlich der zu verfolgenden Forschungsprogrammatik zu ziehen: Um der Komplexität der Problematik nicht zu erliegen, konzentriert sich die vorliegende Untersuchung auf die Analyse - der Marketingorientierung - von Vertriebsleitem - der Markenartikelindustrie. Es wird somit nicht das gesamte Leistungsspektrum, sondern mit der Marketingorientierung ein Teilbereich davon thematisiert. Weiterhin sollen aufgrund der Heterogenität des Anforderungsprofils von Führungskräften im Marketing lediglich Vertriebsleiter der Markenartikelindustrie Eingang in die Untersuchung finden. Da die Marketingprobleme bei direktem und indirektem Absatz stark divergieren und Markenartikelhersteller, die hierzulande tätig sind, mehrheitlich den indirekten Absatz präferieren, werden sich die Ausführungen auf diesen Bereich konzentrieren. Nur am Rande sollen Entwicklungen berücksichtigt werden, die sich aus der Internationalisierung der Unternehmensaktivität ergeben. Damit geht einher, daß Vertriebsfragen, die den Export betreffe'n (z.B. Entwicklung einer Vertriebsstrategie für den Europäischen Binnenmarkt und für Osteuropa), aus der Betrachtung ausgeklammert werden. Allerdings werden für die Vertriebspolitik in der Bundesrepublik Deutschland wichtige internationale Entwicklungen (z.B. Internationalisierung der Geschäftstätigkeit von Handelsunternehmen) in die Diskussion einbezogen.

4

1. Fühngskräftepotential und strategisches Maketing

Wenn sich Vertriebsleiter marketingkonform verhalten, d.h. wenn sie die Bedürfnisse der Abnehmer in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen (Kundenorientierung) und gleichzeitig die Aktivitäten der Wettbewerber bei ihren Überlegungen berücksichtigen (Wettbewerberorientierung), gelingt es ihnen zumeist, die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Da sich aber nicht auf direktem Wege quantifizieren läßt, inwieweit Vertriebsleiter diesen Handlungsmaximen in ihrer täglichen Arbeit Rechnung tragen, bleibt nur der Ausweg, durch die Bestimmung des Verhaltensergebnisses (u.a. Erreichungsgrad von Zielen, Defizite bei der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben) und der maßgeblichen situativen Rahmenbedingungen (z.B. Marktsättigung, Konkurrenzintensität, Nachfragemacht des Handels) Rückschlüsse auf die Ausprägung der Marketingorientierung zu ziehen. Bei indirekt absetzenden Herstellern ergibt sich nun insofern ein Problem, als die Abnehmer der Untemehmensleistung die Absatzmittler darstellen. Da mit der zunehmenden Konzentration im Handel die Gate keeper-Position der Absatzmittler wesentlich gestärkt wurde, müssen folglich Vertriebsleiter den Bedürfnissen ihrer Handelspartner in besonderem Maße Rechnung tragen (z.B. durch den Aufbau unternehmensübergreifender Informations- und Logistiksysteme). Eine marketingorientierte Vertriebsstrategie muß aber auch die Belange der Verbraucher (z.B. bei der Plazierung der Ware im Laden und der Abwicklung von Beschwerden bzw. Reparaturen) im Auge behalten. Daraus folgt, daß die Marketingorientierung auf den Interessen sowohl von Absatzmittlern als auch von Verbrauchern basieren muß. Eine derart umrissene Leitidee bietet die Gewähr dafür, daß es gelingt, den in der Praxis latent schwelenden Konflikt zwischen Marketing (organisatorisch in aller Regel durch das Produktmanagement repräsentiert) und Vertrieb zu überwinden. Während ersterem - langfristiges Denken, - Gewinnorientierung und die Berücksichtigung der Umwelt, - koordinierter Einsatz aller Marketing-Mixelemente sowie - Orientierung an den Kundenwünschen (zur Erzielung eines Nachfragesogs im Handel; Pull-Strategie) zugeschrieben werden, gelten dem Vertrieb oft folgende Vorwürfe: - Dominanz kurzfristiger Reaktionen, - Fokussierung auf den Umsatz,

1.1. Marketingorientierung als Forschungsobjekt

5

- Konzentration auf Außendienst und Preis (Sonderkonditionen etc.) als alleinige Aktionsparameter sowie - Hard seliing-Strategie (Push-Strategie).1^ In diesem Zusammenhang scheint der Hinweis angebracht zu sein, daß die Marketingorientierung von Vertriebsleitem weitgehend von der unternehmenspolitischen Ausrichtung beeinflußt wird. 2^ Rogers verdeutlicht diesen Sachverhalt recht anschaulich am Beispiel eines Grundsatzes von IBM. Demnach solle sich jeder Mitarbeiter von IBM so verhalten, als ob er der einzige Kontakt sei, den der Kunde mit der Unternehmung hat.3^ Wenn diese Richtlinie nicht nur auf dem Papier existiert, sondern tatsächlich Handeln und Denken aller Mitarbeiter von IBM prägt, müßten auch die Top Manager im Vertriebsbereich eine hohe Marketingorientierung aufweisen. Die Auffassungen insbesondere von Praktikern über die Art und Weise, wie eine stärkere Marketingorientierung erreicht werden kann, tritt in einem von Shapiro diskutierten Beispiel deutlich hervor. 4^ Der Marketingleiter des der Fallstudie zugrunde liegenden Unternehmens glaubt, dadurch die Lage verbessern zu können, daß die Marketingabteilung an allem beteiligt wird, was in dem Unternehmen vorgeht. Hingegen vertritt der Vertriebsleiter die Auffassung, dies allein durch die personelle Ausweitung des Verkaufsstabs bewerkstelligen zu können. Auch alle anderen Bereichsleiter präsentieren ihre Vorstellungen, die allesamt die Interessen der jeweiligen Bereiche widerspiegeln. Diese eher interessengefärbten Vorstellungen der Führungskräfte bedürfen gemäß Shapiro einer Korrektur, will das Unternehmen markt- bzw. kundengerecht agieren. Nach Shapiro steht der Ausdruck marktorientiert, den er synonym zu kundenorientiert gebraucht, für eine ganze Reihe von Vorgängen, die alle Bereiche eines Unternehmens betreffen. Dabei gelte es, folgenden Prinzipien zur Geltung zu verhelfen, um die Marketingorientierung eines Unternehmen zu stärken:5^ " 1. Informationen über alle wichtigen Kaufeinflüsse sickern zu jedem Unternehmensbereich durch. 2. Strategische und taktische Entscheidungen werden funktions- und bereichsübergreifend getroffen. 1) Vgl. Eggert (1985), S. 3, und Kotier (1979), S. 7 ff. Weitere Konflikte zwischen Produktmanager und Vertriebsleiter erläutert Disch (1985), S. 217. Die Interessenkollision zwischen Vertrieb und Markenverantwortlichen faßt Domizlaff so zusammen: "Unser Feind ist der Vertrieb. Die Verkäufer und der Handel sind für jeden Maikentechniker eine Quälerei." Zitiert in Disch (1985), S. 218. 2) Auf die Determinanten der Marketingorientierung von Vertriebsleitern wird in Abschn. 5.1.2. näher eingegangen. 3) Vgl. Rogers (1986), S. 61. 4) Vgl. zu den folgenden Ausführungen Shapiro (1989), S. 55 ff. 5) Shapiro (1989), S. 56.

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1. Führungskräftepotential und strategisches Marketing

3. Bereiche und Abteilungen fällen abgestimmte Entscheidungen und führen sie verantwortungsbewußt aus." Somit wird deutlich, daß einerseits ein optimales Informationsmanagement und andererseits die Überwindung von Abteilungs- bzw. Bereichsegoismen zu den Garanten einer hohen Marketingorientierung von Unternehmen zählen. Dies führt zwangsläufig zu entsprechenden Konsequenzen für die Tätigkeit von Vertriebsleitern, z.B. die Bereitschaft betreffend, Informationen weiterzuleiten und eine enge Verzahnung des Vertriebs mit anderen Unternehmensbereichen zu suchen.1^ Aus diesen Überlegungen folgt die Notwendigkeit, das Konstrukt "Marketingorientierung von Vertriebsleitem" mit Hilfe bestimmter Indikatoren operational zu definieren und simultan mit den einwirkenden Variablen (z.B. Unternehmenspolitik) empirisch zu erfassen. Da in Gestalt des Strategie Fit-Ansatzes ein Konzept zur Verfügung steht, das die Interdependenz zwischen Systemvariablen und Strategiekomponenten thematisiert, dient dieser als Basis der vorliegenden Untersuchung. An seine Darstellung im folgenden Abschnitt schließt sich ein Überblick über Zielsetzung und Konzeption der vorliegenden Arbeit an.

1.2. Der Strategie Fit-Approach als Basiskonzept der Untersuchung Eine Vielzahl von Befunden der Organisations- und Managementforschung basiert auf dem Konzept der Übereinstimmung (Fit) zwischen Strategie, Struktur (Insystem) und Umwelt (Umsystem) einer Unternehmung.2^ In der Tradition des situativen Ansatzes, insbesondere der vergleichenden Organisationsforschung, gilt der externe Fit als entscheidend für den Erfolg einer Unternehmung.3^ Wichtig ist dabei, ob es dem Management gelingt, das Umsystem der Unternehmung und deren interne Struktur in Übereinstimmung zueinander zu bringen (Konzept externer Abhängigkeit). Diese Kontingenz bildet folglich die notwendige Bedingung für den Bestand einer Organisation. Der Kontingenztheorie, die aufgrund der kurz- und mittelfristig fehlenden Beeinflußbarkeit der Umwelt der Unternehmung den Status des ausschließlich Reagierenden aufzwingt, wird neuerdings der Gestaltansatz (oft auch als Konsistenztheorie bezeichnet) entgegengehalten, der das Denken in komplexen Konfigurationen akzentuiert.4^ Dabei steht der interne Fit, d.h. die Übereinstimmung zwischen Unternehmenskultur, 1) Diese Aspekte weiden u.a. den Gegenstand einer vom Autor durchgeführten empirischen Untersuchung bilden. Vgl. Abschn. 4. 2) Vgl. Venkatraman/Camillus (1984), S. 513 ff. 3) Vgl. hierzu Kieser/Kubicek (1978), S. 311 ff. 4) Vgl. Niemeier (1986), S. 6 ff.

1.2. Strategie Fit-Approach

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-philosophie und strategischer Grundhaltung, als erfolgsbestimmender Faktor im Vordergrund der Diskussion. Der Gestaltansatz führt zu der von Capra aufgestellten Maxime, nicht nach Teiloptimierung zu streben, sondern wirtschaftliches Handeln als eine Dimension eines umfassenden Netzwerkes zu betrachten.1^ Daß dieser Maxime derzeit auch in der Praxis eine prominente Rolle zukommt, belegt die Euphorie, mit der sich viele Unternehmen der Corporate Identity-Strategie zuwenden, um dadurch alle Bereiche eines Unternehmens stringent an einer langfristigen Zielkonzeption auszurichten. Der Gestaltansatz und das Prinzip der externen Abhängigkeit bilden die theoretische Basis für den Strategie Fit-Approach. Dieser thematisiert die Vereinbarkeit zwischen - Komponenten einer Strategie (Intra-Strategie-Fit), - strategierelevanten Variablen des In- und Umsystems (Intra-System-Fit) sowie - Komponenten einer Strategie und Systemvariablen (Strategie-System-Fit) vor dem Hintergrund der zu entwickelnden bzw. zu erreichenden unternehmenspolitischen Leitlinien.^ Unter System werden dabei die den fünf strategischen Feldern, nämlich Leistungserstellung und -Verwertung, Finanzen und Rechnungswesen, Personal, Organisation sowie Öffentlichkeit, zurechenbaren innerbetrieblichen (Struktur des Angebotsprogramms, vorhandene Kapitalstruktur, Qualifikationsniveau der Mitarbeiter etc.) sowie außerbetrieblichen Bereiche (z.B. Konkurrenten, Absatzmarkt, Arbeitsmarkt, Distributionsorgane) verstanden. Der Begriff "Strategie" bezieht sich bei diesem Konzept auf Aussagen über die Unternehmensziele und den Einsatz von Ressourcen zu deren Verfolgung. Diese orientieren sich ebenso an den fünf strategischen Feldern (z.B. Senkung der Produktionskosten, Stärkung der Eigenkapitalbasis, Höherqualifizierung der Mitarbeiter). Im Rahmen des Intra-Strategie-Fit sollte nun geprüft werden, ob die Komponenten einer gewählten Strategie zueinander verträglich sind. Enthält diese beispielsweise Aussagen über Innovationstätigkeit und Personalqualifikation, müssen die hierzu erforderlichen Schritte (z.B. Erweiterung des Angebotsprogramms durch beratungsintensive Dienstleistungen, Entwicklung von Personalentwicklungsprogrammen) zueinander stimmig sein. Demgegenüber steht im Rahmen des Intra-System-Fit die Prüfung der Vereinbarkeit des Insystems (z.B. Know how, Personalstruktur) mit den Umsystemelementen (z.B. 1) Vgl. Capra (1988), S. 203 ff. Siehe hierzu auch Wiedmann (1985), S. 151 f. 2) Vgl. Scholz (1987), S. 61 ff.

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1. Führungskräftepotential und strategisches Marketing

Maßnahmen der Wettbewerber, Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt) vor dem Hintergrund der ins Auge gefaßten Strategie im Mittelpunkt der Betrachtung. Ermittelt man, ob die Strategie zu allen Komponenten des Systems paßt (Strategie-System-Fit), wäre z.B. die Frage zu beantworten, inwieweit die Personalqualifizierung mit den fünf strategischen Feldern des In- und Umsystems kompatibel ist Die drei Ebenen eines Strategie Fit hängen somit immer von der gewählten Strategie und den inner- und außerbetrieblichen Rahmenbedingungen ab. Gut veranschaulichen läßt sich das Grundanliegen des Strategie Fit-Approach anhand des 7 S-Ansatzes von McKinsey. Ein optimaler Strategie Fit und damit maximaler Untemehmenserfolg gelten dann als sicher, wenn alle S, zu denen z.B. Selbstverständnis, Strategie, Struktur, Systeme und Stammpersonal zählen, mit den vorherrschenden außerbetrieblichen Rahmenbedingungen in Übereinstimmung stehen und "wie sieben Kompaßnadeln in die gleiche Richtung zeigen".1^ Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern kann nun ein Element der Unternehmensstrategie (z.B. im Rahmen der Steigerung der Marketingorientierung der Unternehmung) und/oder des Insystems sein. In beiden Fällen verdient diese Dimension des Führungskräftepotentials vor allem dann eine besondere Beachtung, wenn sie im konkreten Fall zu den strategischen Erfolgsfaktoren zählt Ohne an dieser Stelle auf Verfahren zur Umsetzung der strategischen Stimmigkeit eingehen zu können (z.B. Fit-Chart-Methode, Kompatibilitätsmatrix, Mustererkennung),wird nachfolgend von einer eindeutigen Identifizierbarkeit aller Elemente des Strategie Fit-Approach ausgegangen. Weiterhin wird unterstellt, daß die Marketingorientierung von Vertriebsleitern nicht ein Element der Strategie, sondern eine mehrere Felder des Insystems (Leistungserstellung und -Verwertung, Organisation, Personal) berührende Komponente darstellt (vgl. Abb. 1.1.). Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern nimmt dann eine prominente Stellung ein, wenn die zu realisierende Strategie (z.B. Aufbau einer Markenfamilie) ein hohes Maß an Kunden- und Wettbewerberorientierung des Führungsstabes erfordert. Sollte allerdings aufgrund eines Nachfrageüberhangs und einer Quasi-Monopolstellung der Unternehmung die Strategie eher durch die Ausweitung der Produktionskapazität geprägt sein, wäre die Marketingorientierung von Vertriebsleitern wohl von nachrangiger Bedeutung.

1) Waterman (1982), S. 72. Vgl. hierzu auch Henzler (1988), S. 1298 ff. 2) Dies wird in Abschn. 3.2. zu klären sein. Bei den nachfolgenden Erörterungen wird davon ausgegangen, daß die Marketingorientierung von Vertriebsleitem einen strategischen Erfolgsfaktor bildet 3) Vgl. hierzu Scholz (1987), S. 68 ff.

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Rechnungswesen

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Quelle: In Anlehnung an Scholz (1987), S. 65.

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1.2. Strategie Fit-Approach

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10

1. Führungskräftepotential und strategisches Marketing

Gleichzeitig wird anhand von Abb. 1.1. deutlich, daß eine hohe Marketingorientierung von Vertriebsleitern allein noch keinen Unternehmenserfolg garantiert. Erst wenn die Handlungen und Verhaltensweisen von Vertriebsleitern optimal mit der gewählten Strategie korrespondieren und beide Facetten mit dem Umsystem verträglich sind, wird der langfristige Gewinn optimiert. Beispielsweise mindert die Fluktuation marketingorientierter Vertriebsleiter kurzfristig und isoliert betrachtet noch nicht zwingend den Marketing- bzw. Unternehmenserfolg. Erst wenn dadurch bedingt notwendige Anpassungen der Vertriebsstrategie an Umsystemvariablen unterbleiben, besteht diese Gefahr. 1^ Ein spektakuläres reales Beispiel dafür, welche Konsequenzen damit verbunden sind, daß ein Hersteller die Interessen seiner Absatzmittler bei der Gestaltung seiner Marketingkonzeption nicht berücksichtigt, bildet der Fall der Agfa Family. Das Unternehmen Agfa Gevaert hatte Anfang der achtziger Jahre eine Innovation hervorgebracht, die in einem Produkt bestand, das die Funktionen eines Fotoapparates und einer Filmkamera in sich vereinte. Da letztlich die Absatzmittler die Aufnahme dieses für den Endverbraucher attraktiven Produktes in ihr Sortiment verweigerten (u.a. deswegen, weil dieses Produkt technisch noch nicht ausgereift war und viele Händler einen gravierenden Absatzrückgäng bei Filmen sowie hochpreisigen Kameras befürchteten), wurde die Agfa Family, so der Produktname, zu einem Flop. Nach erfolglosen Versuchen des Herstellers, die begangenen Fehler wieder gutzumachen, mußte die Markteinführung dieser unter technischen Gesichtspunkten gelungenen Innovation abgebrochen werden. Wären bei Agfa von Anfang an marketingorientierte, d.h. mit den Interessen des Handels vertraute Vertriebsleiter bei der Gestaltung der Marketingkonzeption hinzugezogen worden, hätte man wohl den verhängnisvollen Fehler, die Belange der Absatzmittler zu vernachlässigen, vermeiden können. Zentrale Voraussetzung einer Überprüfung und Präzisierung des Konzepts der strategischen Stimmigkeit bildet die Operationalisierung und Messung der zugrunde liegenden Variablen und damit auch der Marketingorientierung von Vertriebsleitem. 2^ Gelingt es, die Marketingorientierung und gleichzeitig relevante Variablen des Umsystems sowie Elemente der verfolgten Unternehmensstrategie quantitativ zu bestimmen, können darauf aufbauend Überlegungen organisatorischer, personalwirtschaftlicher und marketingstrategischer Natur mit dem Ziel angestellt werden, den Strategie Fit zu gewährleisten und damit den Unternehmenserfolg zu erhöhen.

1) Vgl. hierzu Krüger (1988), S. 30 f. 2) Vgl. Abb. 1.1.

1.3. Zielsetzung und Vorgehensweise

11

1.3. Zielsetzung der Untersuchung und Vorgehensweise Das zentrale Anliegen der vorliegenden Untersuchung besteht darin herauszufinden, ob Vertriebsleiter der Markenartikelindustrie den an sie gestellten Anforderungen vor dem Hintergrund der Erfordernisse des Markenartikel-Marketing gerecht werden. Es geht somit darum, einen Teilbereich der Leistung, nämlich die Marketingorientierung von Vertriebsleitern, unter Bezug auf geeignete Theorien und Erklärungsansätze zu operationalisieren und darauf aufbauend dieses Konstrukt in einer unternehmensübergreifenden Querschnittsuntersuchung empirisch zu erfassen. Den theoretischen Bezugsrahmen bilden, wie Abb. 1.2. verdeutlicht, neben marketingbzw. vertriebstheoretischen Erkenntnissen die Befunde der Erfolgsfaktorenforschung. Weiterhin spielen Persönlichkeits- und motivationstheoretische Überlegungen sowie empirische Befunde hinsichtlich der Gestaltung ausgewählter personalwirtschaftlicher Instrumente eine maßgebliche Rolle. ^ Insofern trägt die Arbeit der postulierten forschungsprogrammatischen Leitlinie einer breiten, interdisziplinär ausgerichteten Konzeption Rechnung. Sowohl bei der Diskussion des Vertriebsmanagements als auch bei der Erörterung der Erfolgsfaktorenforschung und der Frage, inwieweit Überlegungen in bezug auf die Gestaltung personalwirtschaftlicher Instrumente Relevanz für die vorliegende Problemstellung haben, werden, sofern vorhanden, empirische Befunde in die Darlegungen einbezogen. } Die Dualität der Forschungsstrategie, d.h. die Erhellung des Problems sowohl auf theoretischem als auch auf empirischem Wege, prägt auch alle anderen Teile dieser Untersuchung. Um die skizzierte Zielsetzung realisieren zu können, bedarf es zunächst der in Abschn. 2. vollzogenen Diskussion des Vertriebsmanagements vor dem Hintergrund der Markenpolitik von Konsumgüterherstellern. Dabei interessieren insbesondere die Ziele und die Aufgaben von Vertriebsleitem sowie die Rahmenbedingungen des Vertriebsmanagements.

1) Zur Problematik, die mit der Bildung eines Bezugsrahmens verbunden ist, siehe Martin (1989), S. 221 ff. Darüber hinaus fließen Erkenntnisse aus anderen Disziplinen der Betriebswirtschaftslehre (z.B. der Organisationslehre) dort, wo dies angebracht erscheint, in die Argumentation ein. 2) Zur wissenschaftstheoretischen Konzeption und zur Dualität der Forschungsstrategie vgl. Chmielewicz (1979), S. 146 ff.

12

1. Führungskräftepotential und strategisches Marketing

Abb. 1.2.: Der theoretische Bezugsrahmen der Untersuchung

Theoretische Erklärungsansätze zur Konzeptualisierung der Marketingorientierung von Vertriebsleitem Vertriebsmanagement in der Markenartikelindustrie

• Erfolgsfaktorenforschung • Persönlichkeitstheorien • Motivationstheorien • Empirische Befunde zu ausgewählten personalwirtschaftlichen Instrumenten

Individuelle Rahmenbedingungen Marketingorientierung Unternehmensinterne Rahmenbedingungen

von Vertriebsleitem

Untemehmensexterne Rahmenbedingungen

Im Anschluß daran wird das Konstrukt "Marketingorientierung von Vertriebsleitern" unter Rekurs auf theoretische Erklärungsansätze konzeptualisiert (Abschn. 3.). Auf der Basis dieser Überlegungen entsteht ein Meßkonzept, dessen Tragfähigkeit mittels einer empirischen Untersuchung (zur Konzeption vgl. Abschn. 4.) in der Realität überprüft wird. Die deskriptiven und explikativen Ergebnisse dieser Studie sind Gegenstand von Abschn. 5., an den sich in Abschn. 6. Überlegungen anschließen, die mögliche Maßnahmen zur Behebung der identifizierten Defizite der Marketingorientierung von Vertriebsleitern betreffen. Die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit werden in Abschn. 7. zusammengefaßt. Abb. 1.3. verdeutlicht die Vorgehens weise dieser Untersuchung.

1.3. Zielsetzung und Vorgehensweise

Abb. 1.3.: Der Gang der Untersuchung

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2. DER B E I T R A G DES VERTRIEBSMANAGEMENTS ZUR M A R K E N P O L I T I K VON KONSUMGÜTERHERSTELLERN Die wenigen theoretisch fundierten Monographien und empirischen Untersuchungen zu Problemen des Vertriebsmanagements erstrecken sich zumeist auf sehr eng gefaßte Teilgebiete.1^ Dies erschwert naturgemäß die Realisierung des diesem Abschnitt gesetzten Ziels, einen theoretischen vertriebsbezogenen Bezugsrahmen für die Analyse der Marketingorientierung von Vertriebsleitern zu entwickeln. Gleichwohl sollen nachfolgend Ziele, Aufgaben und Rahmenbedingungen des Vertriebsmanagements vor dem Hintergrund der Grundprinzipien und Charakteristika des Markenartikel-Marketing thematisiert werden. Bezugspunkt der Überlegungen bildet hierbei die Markenpolitik von Konsumgüterherstellern. 2^ Diese umfaßt alle grundsätzlichen Entscheidungen, die mit der Gestaltung von Markenartikeln zusammenhängen und insbesondere die Bestimmung von Marketingzielen und die Festlegung von Verhaltensweisen bei deren Erreichung betreffen. 3^ Kern und Kristallisationspunkt der Markenpolitik ist der Markenartikel, der im Laufe seiner Entwicklung den jeweils herrschenden Umweltbedingungen angepaßt werden mußte. Trotzdem prägen ihn und somit auch die Markenpolitik bestimmte, wiederkehrende konstitutive Merkmale, die in verschiedenen Ausprägungen in allen Märkten zu beobachten sind.4^

2.1. Grundprinzipien und Ziele der Markenbildung Aus der juristischen Perspektive erfährt der Begriff "Markenartikel" eine im Sinne von Markenware zu verstehende Charakterisierung. 5^ § 38a Abs. II des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) stellt auf zwei Merkmale ab, und zwar auf die Kennzeichnung der Herkunft (Markierung durch Firmen-, Wort- oder Bildzeichen) sowie die Lieferung in gleichbleibender oder verbesserter Qualität.

1) Vgl. z.B. Albers (1989), S. 23 ff. 2) Zur Markenpolitik von Dienstleistungsunternehmen, auf die hier nicht eingegangen wird, vgl. Graumann (1983), insbes. S. 120 ff. 3) Vgl. Domizlaff (1982); Frank (1978), S. 91 ff.; Meffert/Bruhn (1984a), S. 430 ff. 4) Vgl. Dichü (1978), S. 19. 5) Eine tiefergehende juristische Analyse des Markenwesens kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Vgl. hierzu Baumbach/Hefermehl (1985); Giefers (1980); Winkel (1979).

2.1. Grundprinzipien und Ziele der Markenbildung

15

Der Erwerb von Schutzrechten an einer Marke wird durch die Eintragung in die Warenzeichenrolle, die das Deutsche Patentamt führt, ^ vollzogen (sog. förmliches Markenrecht). Daneben leiten sich Schutzrechte dann ab, wenn ohne diese Eintragung, aber aufgrund einer gewissen Verkehrsgeltung am Markt ein sog. sachliches Markenrecht besteht.2^ Internationale Schutzrechte an Marken müssen auf der Basis des Madrider Markenabkommens vom 14.4.1891, das bereits mehrfach revidiert wurde, durch Registrierung beim Internationalen Büro der World Intellectual Property Organization in Genf erworben werden.3^ Unter juristischem Blickwinkel verkörpern somit die Markierung (durch Eintragung in die Warenzeichenrolle oder eine entsprechende Verkehrsgeltung) und die Warenqualität die konstitutiven Charakteristika des Markenartikels. Im absatzwirtschaftlichen Sinne versteht man Markenartikel umfassender, nämlich als Marketingkonzeption. Dank dem Einsatz eines mehr oder minder großen Bündels an absatzpolitischen Instrumenten und Maßnahmen soll das Produkt aus der für Massenmärkte typischen Uniformität und Anonymität hervortreten. 4^ Wesentliche Voraussetzung hierfür ist die bereits angesprochene Markierung. 5^ Damit geht ein hoher Qualitätsanspruch einher, dessen Erfüllung, gleichsam als Garant für physisches und psychisches Wohlbefinden des Verbrauchers, den markierten Artikel von der markenlosen Ware deutlich abheben soll. Das zunehmende Angebot immer gleichartiger Waren, das einen Indikator für gesättigte Märkte bildet, hat zu einer Nivellierung der objektiven Eigenschaften von Marken bzw. Produkten geführt. Infolgedessen gewann die psychische Differenzierung der angebotenen Markenartikel an Bedeutung. Im Mittelpunkt der Bemühungen von Markenartikelherstellern stand dabei das Bestreben, ein Markenimage aufzubauen, das die Einzigartigkeit der Marke gewährleistet. Gleichzeitig hierzu soll die Marke eine gewisse Verkehrsgeltung im Absatzraum erlangen. Der Zuwachs an Verkehrsgeltung, der in steigendem Bekanntheitsgrad und hoher Wiederkaufrate (Markenbindung) zum Ausdruck kommt, führt zu einer Profilierung der Marke im Absatzraum.6^ Eng damit verbunden streben viele Hersteller nach einer

1) In der Bundesrepublik Deutschland waren 1987 etwa 300.000 Marken rechtlich geschützt, wobei 1987 ca. 34.000 Neueintragungen hinzugekommen sind. Vgl. o.V. (1988a), S. 329. Die Markenwarenproduktion belief sich nach Angaben des Markenverbandes e.V. 1988 auf einen Wert von ca. 320 Mrd. DM, wovon etwa 57 % im Inland abgesetzt wurden. Vgl. o.V. (1989a), S. 21. 2) Vgl. zum Warenzeichenrecht Baumbach/Hefermehl (1985). 3) Vgl. Herstatt (1985), S. 205 ff. 4) Vgl. Dichtl/Diller (1980), S. 99 ff. 5) Die Eintragung eines Warenzeichens in die Zeichenrolle beim Deutschen Patentamt bewirkt einen Schutz der Marke bzw. des Markenzeichens (§ 15 Abs. 1 WZG). Vgl. Kraft (1978), S. 106 ff. 6) Vgl. Dichtl (1978), S. 22 f.

16

2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

möglichst breiten Distribution (Ubiquität) ihrer Marke, ein weiteres Kennzeichen von Markenartikeln, das allerdings nicht für alle Herstellermarken gilt 1 ^ Beispielsweise bieten Anbieter exklusiver Marken aus dem Bekleidungssektor ihre Waren nur in einigen wenigen Verkaufsstätten an (selektiver Vertrieb). Je nachdem, in welchem Ausmaß diese Grundprinzipien der Markenbildung miteinander kombiniert und realisiert werden, lassen sich verschiedene marktstrategische Positionen erreichen (vgl. Abb. 2.1.). Abb. 2.1.: Optionen einer Positionierung von Markenartikeln

Leistungsvorteil

Rechts- obenPositionierung:

Premiummarke 'OermudaDreiecke" Grund-und Zusatznutzen

Grundnutzen

Sicherheitsabstände Links- untenPositionierung:

Preismarke

Preisvorteil

Quelle: In Anlehnung an Becker (1988), S. 156. Wie aus Abb. 2.1. hervorgeht, sollte bei der Markenpositionierung die Stellung entweder einer Preismarke2^ oder einer Premiummarke angestrebt werden. Positionen, die weder einen hohen Leistungsvorteil samt Grund- und Zusatznutzen noch einen hohen Preisvorteil samt überdurchschnittlichem Grundnutzen vorweisen (in Abb. 2.1. als sog. 1) Neben diesen fünf grundsätzlichen Charakteristika werden in der Literatur noch eine Reihe weiterer Merkmale genannt (z.B. starke Verbraucherwerbung, gleichbleibende Aufmachung und Menge). Vgl. Mellerowicz (1963), S. 39 ff.; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 184 ff. Siehe hierzu auch Anhang A. 2) Becker bezeichnet dieses Phänomen als "Auch-Marke" und subsumiert diesem No Names, Handelsmarken und Drittmarken von Herstellern. Vgl. Becker (1988), S. 156 f. Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 2.2. dieser Arbeit

2.1. Grundprinzipien und Ziele der Markenbildung

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Bermuda-Dreiecke bezeichnet), bergen die Gefahr einer mangelnden Profilierung und damit auch der Erfolglosigkeit von Markenstrategien in sich. Solche "Weder-NochPositionen" führen zwangsläufig zu einer Verwässerung der Marken- bzw. Marketingkonzeption. Deswegen stellen die Überlegungen, die mit der Positionierung von Marken gemäß den in Abb. 2.1. aufgezeigten Dimensionen einhergehen, die Basis für alle weiteren Entscheidungen im Rahmen des Markenartikel-Marketing dar. Die Positionierung prägt beispielsweise die Gestaltung und die Budgetierung der Instrumente des Markenartikel-Marketing (z.B. Werbung, Verkaufsförderung, Vertrieb, Abgabepreis)1^ sowie die Tätigkeit und die Entscheidungsbefugnisse der verschiedenen Träger des Markenartikel-Marketing (z.B. Produktmanager, Werbeleiter, Vertriebsleiter). So ergeben sich für einen Vertriebsleiter, dessen Unternehmen Premiummarken anbietet, in aller Regel höhere Anforderungen an seine Beratungskompetenz gegenüber dem Handel als für einen Vertriebsleiter, der Preismarken betreut. Da Premiummarken ständig der Gefahr unterliegen, als Lockvogelangebot mißbraucht zu werden (Markenerosion), muß sich der zuständige Vertriebsleiter viel stärker mit den spezifischen Interessen seiner Handelspartner (Streben nach Mischkalkulation, Erzielung einer hohen Kundenfrequenz und eines hohen flächenbezogenen Deckungsbeitrags etc.) auseinandersetzen. Seine Marketingorientierung, die darin gipfelt, die Absatzmittler auf den eingeschlagenen Kurs einzuschwören, trägt somit entscheidend zu dem Erfolg von Premiummarken bei. Der Markenartikel erfüllt für die einzelnen Marktteilnehmer unterschiedliche Funktionen und Ziele. Die bereits angedeutete Hervorhebung des Markenartikels aus der Anonymität des Warenangebots profiliert die Marke und führt damit häufig auch zum Aufbau eines Firmenimages (Individualisierungsfunktion). 2^ Letzteres besitzt dann eine besondere Bedeutung, wenn ein Anbieter in einem bestimmten Segment durch seine Markenpolitik eine Stellung (Kompetenz) erreicht hat, welche die Einführung von Produktinnovationen in diesen Teilmarkt wesentlich erleichtert. 3^ Nicht von ungefähr wird heutzutage das Phänomen des Markentransfers gerade vor diesem Hintergrund diskutiert.4^ Die hohe Verkehrsgeltung, zu deren Sicherung es häufig des massiven Einsatzes des kommunikationspolitischen Instrumentariums bedarf, stabilisiert Volumen und Verlauf des Absatzes von Markenartikeln. Gleichzeitig wird das Produkt beim Verbraucher "vorverkauft". Dieser Pull-Effekt erhöht zudem die Verhandlungsposition des Herstellers gegenüber dem Handel und eröffnet ihm, zumindest partiell, die Möglichkeit, sich dem 1) Vgl. hierzu beispielsweise Becker (1988), S. 189, der den Zusammenhang zwischen der Positionierung von Maiken und der Festlegung dazu stimmiger Absatzwege aufzeigt 2) Vgl. Antonoff (1980), S. 154 ff.; Lingenfelder/Spitzer (1987), S. 4. 3) Vgl. Meffert/Bruhn (1984b), S. 15. 4) Vgl. hierzu Hätty (1989).

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2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

Preiswettbewerb zu entziehen und damit eine höhere Rendite als mit markenloser Ware zu erzielen.1^ Der sich dadurch einstellende monopolistische Spielraum des Herstellers (Wettbewerbsfunktion der Marke) variiert in Abhängigkeit von dem Grad der von den Verbrauchern empfundenen Austauschbarkeit des Markenartikels.2^ Allerdings zeigt die Praxis, daß auch führende Markenartikelhersteller in jüngerer Zeit geringe Renditen oder gar Verluste hinnehmen mußten; denn der Handel nutzt den hohen Bekannheitsgrad ihrer Erzeugnisse dazu aus, sich in den Augen der Verbraucher als besonders preisgünstig zu profilieren. 3^ Wenn dieses Ansinnen nicht rechtzeitig verhindert wird, mündet diese Politik von Handelsunternehmen in einen aggressiven Preiswettbewerb. Die positive Ausstrahlung bekannter Marken auf das Sortiment wird zudem noch bei Werbemaßnahmen, im Rahmen des sog. Instore-Marketing (Plazierung der Ware im Laden) sowie bei der Partievermarktung genutzt.4^ Das vorrangige Marketingziel des Herstellers, das z.B. in der Stärkung des Markenimage, der Erhöhung der Servicequalität, dem Ausbau des Preisvorteils oder der Minderung der Vertriebskosten bestehen kann, determiniert Ziele und Aufgaben sowie, als Konsequenz davon, die erforderliche Ausprägung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern. Darüber hinaus werden durch den Inhalt der Markenstrategie Erwartungen auf Seiten von Absatzmittlern und Verbrauchern geweckt, denen der Vertriebsleiter durch in seinem Entscheidungsbereich liegende Maßnahmen (z.B. Gestaltung des Distributionsnetzes, Streckengeschäft, Gewährung von Rücknahmegarantie) Rechnung tragen muß. Je höher dieses Anspruchsniveau ausfällt, um so weniger bedeutsam ist die Funktion des "reinen" Verkaufens. Damit geht als weitere Konsequenz eine zunehmende Relevanz der Marketingorientierung von Vertriebsleitern einher. Überall dort, wo Hersteller von Markenartikeln selbst für deren Vermarktung sorgen (z.B. durch Verkaufsförderungsmaßnahmen und Werbung), kann der Handel die so erreichte Selbstverkäuflichkeit des Produktes dazu benützen, eigene Anstrengungen zu verringern oder auf andere Bereiche zu verlagern, indem er z.B. Handelsmarken schafft. Zudem tragen ein erhöhter Lagerumschlag und normalerweise ausreichende Handelsspannen mit dazu bei, das Risiko des Handels zu verringern. 5^ 1) Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 185. 2) Vgl. Erke (1984), S. 400 ff. 3) Vgl. Schneider (1982), S. 143 ff. Wenngleich die Gemeinsame Erklärung von 15 Spitzenorganisationen des Handels und der Industrie im Jahr 1975 bzw. deren Fortschreibung (und Ergänzung) im Jahr 1984 für eine gewisse Beruhigung sorgten, tritt das Phänomen des Nichtleistungswettbewerbs immer noch in verschiedenartigen Formen zutage (z.B. Verkauf unter Einstandspreis, Rabattäuschung und Rabattspreizung). Vgl. Andritzky (1976), S. 378 ff.; Diller (1988), S. 188 ff. 4) Zur Partievermarktung siehe Panzer (1988), S. 39 ff. 5) Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 185.

2.2. Charakteristika unterschiedlicher Markenartikelkonzeptionen

19

Für Verbraucher erfüllt der Markenartikel im wesentlichen drei Funktionen: Zunächst besitzt er eine Orientierungs- und Informationsfunktion. Die Kenntnis von Preis und Leistung (Qualität) des Markenartikels versetzt Konsumenten in die Lage, die verschiedenen Angebote genauer zu unterscheiden und ihre Kaufentscheidung sicherer zu fallen. 1^ Da die Anbieter eine hochwertige Warenqualität garantieren, kommt dem Markenartikel auch eine Qualitätsfunktion zu. Gleichzeitig damit wird das Risiko der Fehlentscheidung für den Verbraucher gemindert (Garantie- bzw. Sicherheitsfunktion). 2^ Die letztgenannte Ebene erhält dort eine hohe Bedeutung, wo die Verbraucher mit dem Gesamtangebot eines Marktes nicht vertraut sind.3^

2.2. Charakteristika unterschiedlicher Markenartikelkonzeptionen Jedem Versuch, den Begriff "Markenartikel" operational zu bestimmen, stellen sich schwerwiegende Probleme entgegen, z.B. weil es sich bei den in Abschn. 2.1. genannten Grundprinzipien um Größen handelt (z.B. Image, Verkehrsgeltung), die sich einer objektiven Quantifizierung weitgehend entziehen. Darüber hinaus wird in der wissenschaftlichen Forschung mit Recht darauf hingewiesen, daß die vorliegenden Merkmalskataloge zumeist das Phänomen des Markenartikel-Marketing nicht vollständig zu erfassen vermögen.4^ Im Rahmen dieser Arbeit umfaßt der Begriff "Markenartikel" gekennzeichnete, vom Hersteller konzipierte und mit einem gegenüber Handelsmarken sowie markenloser Ware überdurchschnittlichen Qualitätsanspruch ausgestattete Ware. Die Marke besitzt ein eigenständiges Image und ein möglichst großes Maß an Verkehrsgeltung sowie Ubiquität.5^ Während die Herkunft und der Qualitätsanspruch notwendige Charakteristika darstellen, gelten die Eigenständigkeit des Markenimage und die Ubiquität als hinreichende Bedingungen. Im vertikalen Marketing prägten in den letzten Jahren vor allem No Names6^ und Handelsmarken die Diskussion um das Markenartikel-Marketing. Die zunehmende Ver-

1) 2) 3) 4)

Vgl. Disch (1984), S. 303 f. Vgl. Domizlaff (1982), S. 147 ff. Vgl. o.V. (1984a), S. 598. Vgl. Schenk (1984), S. 7 f. Siehe hierzu auch die in Anhang A aufgeführten Merkmalskataloge. Gleichzeitig verdeutlicht deren Verschiedenartigkeit auch den Wandel, dem die Markenartikelphilosophie im Laufe ihrer Geschichte unterworfen war und ist 5) Vgl. Dichtl (1978), S. 19 ff. 6) Bezeichnungen wie "Namenlose", "Weiße Produkte", "Freie Produkte", "generics", "no frills" und "Gattungsware" werden häufig als Synonyma für "no names" gebraucht Zu der sich hieraus ergebenden Notwendigkeit einer Neuorientierung von Markenstrategien vgl. Faria (1979), S. 33 ff.

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2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

breitung von Handelsmarken wurde durch den fortschreitenden Konzentrationsprozeß im Handel und die damit einhergehende Erhöhung der Nachfragemacht des Handels begünstigt.1^ Die teilweise auch als "echte" oder "klassische" Markenartikel 2^ bezeichneten Herstellermarken unterscheiden sich von den von Handelsunternehmen konzipierten Handelsmarken dadurch, daß letztere zumeist einen geringeren Qualitätsanspruch aufweisen und nur in den Verkaufsstellen der betreffenden Handelsunternehmen bzw. Handelsgruppen offeriert werden und somit nicht das Kriterium der Ubiquität erfüllen. Wie bereits erwähnt, kann es allerdings auch ein Markenartikelhersteller für erstrebenswert halten, seine Produkte nicht überall, sondern nur in ausgewählten Betriebsformen des Handels anzubieten.3^ Mit der im Herbst 1978 erfolgten Einführung der No Names wollten einzelne Betriebsformen des Handels Marktanteile in solchen Artikelgruppen zurückgewinnen, die die preisaggressiven Diskonter (vornehmlich Aldi) erobert hatten.4^ Die neutrale, relativ schlicht gehaltene Verpackung, die lediglich den Inhalt kurz präzisiert (z.B. "Mehl", "Zucker") und gesetzlich (u.a. im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) vorgeschriebene Angaben wiedergibt (Zusatzstoffe etc.), soll dem Verbraucher die Preiswürdigkeit des Angebots verdeudichen. Darüber hinaus werden No Names mit verschiedenen Slogans belegt und beworben, so daß die Verbraucher diese Erzeugnisse den jeweiligen Handelsunternehmen bzw. Handelsgruppen zuordnen können. No Names stellen deswegen zum einen nicht selten eine besondere Erscheinungsform von Handelsmarken dar5^ und verfügen zum anderen über einen fließenden Übergang zu markenlosen Produkten.6^ Versteht man z.B. den Aufdruck "Mehl" lediglich als Gattungshinweis und nicht als Ausdruck einer Vertriebskonzeption, die extreme Preiswürdigkeit signalisiert, dann handelt es sich um markenlose Gattungsware. Die Vielfalt der Markenartikelkonzeptionen läßt es ratsam erscheinen, eine Waren-Vertriebssystematik7^ zu entwerfen, die die unterschiedlichen Formen von Marken enthält (vgl. Abb. 2.2.). 8) 1) Vgl. Poth (1983), S. 337 ff. 2) Vgl. Schenk (1984), S. 6. 3) Neben rechtlichen Regelungen (u.a. § 26 Abs. I I GWB) erschwert die Nachfragemacht des Handels einen selektiven Vertrieb. Vgl. Geist (1981), S. 381; Hartmann (1981), S. 34 ff.; Nauck (1983), S. 30 ff. 4) Vgl. Raithel (1983), S. 94 ff.; Kus (1989), S. 80 ff. 5) Vgl. Schenk (1984), S. 11 f.; Meffert/Bruhn (1984a), S. 400. 6) Vgl. Berekoven (1983), S. 180 ff. 7) Dubber versteht unter "Markenartiker folgerichtig eine Vertriebsmethode. Vgl. Dubber (1969), S. 17 ff. 8) Eine Beurteilung der Einzel-, Dach- und Globalmarken- sowie der Markenfamilienstrategie in bezug auf verschiedene markenpolitische Zielsetzungen bietet Matt (1988), S. 202 f. Zu weiteren markenpolitischen Strategien vgl. Huber (1988).

21

2.2. Charakteristika unterschiedlicher Markenartikelkonzeptionen

Abb. 2.2.: Die Stellung verschiedener Markenartikelkonzeptionen in einer WarenVertriebssystematik Ware

_ L Konsumgüter

Investitionsgüter

Markenlose Ware

Markierte Ware

I Anonyme Ware

generics

Handelsmarke

Herstellermarke ("klassischer" Markenartikel)

- Produktmarke

)

- Produktmarkengruppe (Markenfamilie)

-Produktmarke - Produktmarken gruppe (Markenfamilie)

- Firmenmarke (Dachmarke)

- Firmenmarke (Dachmarke)

-No Names (Gattungsmarke)

Quelle: In Anlehnung an Schenk (1984), S. 13, und Meffert/Bruhn (1984b), S. 14. Die in Abb. 2.2. aufgeführten Markenstrategien "Markenfamilie" und "Dachmarke" stehen in neuerer Zeit im Mittelpunkt des Interesses. Das Bestreben, Markenfamilien aufzubauen (z.B. Nivea, Maggi), rührt u.a. daher, daß Unternehmen vor dem Hintergrund gesättigter Marktfelder in verwandten Marktsegmenten mit Hilfe eines Image- und Goodwill-Transfers Fuß fassen wollen. ^ Bei der Realisierung von Dachmarken (Bosch, Camel, Dr. Oetker)2^ stehen hingegen oftmals die mit der Strategie der Diversifikation einhergehenden Vorteile (Erzielung von Synergieeffekten etc.) im Vordergrund. Deswegen wird hier auch von Markendiversifikation gesprochen. Zieht man darüber hinaus noch das Kriterium der Internationalität heran, so lassen sich drei weitere, in Abb. 2.2. aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht aufgeführte Markenkonzeptionen unterscheiden, und zwar nationale Marke, die sog. Gemeinschaftsmarke und internationale bzw. globalisierte Marke. Der Terminus "Gemeinschaftsmarke" bezieht sich auf Marken, die mit einer Anmeldung bei dem noch zu gründenden Europäischen 1) Diese sog. Line Extension wird gemäß den Ergebnissen einer Befragung von Marketingleitern weiter an Bedeutung gewinnen. Vgl. o.V. (1987a), S. 57. 2) Vgl. o.V. (1989b), S. 54 ff.

22

2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

Markenamt1 ^ den Schutz einer Kennzeichnung im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft erlangen sollen. Die wettbewerbspolitische und nicht minder markenrechtliche Tragweite von Gemeinschaftsmarken ist eng mit der Realisierung des Europäischen Binnenmarktes im Jahre 1993 und der dazu notwendigen Harmonisierung internationaler Rechtssysteme (hier vor allem des Warenzeichengesetzes) verknüpft 2^

2.3. Die Struktur des Vertriebsmanagements Zur Analyse der Struktur des Vertriebsmanagements erscheint es angebracht, zunächst darzulegen, welchen Stellenwert bzw. welche begriffliche Abgrenzung der Funktionsbereich "Vertrieb" in der theoretischen Diskussion bislang erfahren hat. Dies ist deshalb zwingend erforderlich, weil sich je nach Einordnung für das Vertriebsmanagement unterschiedliche Ziele und Aufgaben ergeben können.

3

2.3.1. Begriff und Funktionsbereich "Vertrieb" in der theoretischen Diskussion Mit dem Übergang von Verkäufer- zu Käufermärkten und den sich daraus ergebenden Konsequenzen^wurde es notwendig, Marketing zum Führungskonzept von Unternehmen zu erheben. Damit ging einher, daß das Vertriebsmanagement nicht länger als einziger Funktionsbereich den Absatz erstellter Leistungen verantwortete, sondern als Teilbereich einer das gesamte Unternehmen erfassenden Marketingkonzeption angesehen wurde.5^ In marketingorientierten Unternehmungen müssen sich somit Manager, denen die Führung des Vertriebsbereiches obliegt, an den übergeordneten Marketingzielen und -Strategien orientieren. Zwar üben Vertriebsleiter in Abhängigkeit von ihrer hierarchischen Einordnung in die Unternehmens- bzw. Marketingorganisation mehr oder weniger starken Einfluß auf die Festlegung der Ziele und Strategien aus, ohne aber verhindern zu können, daß diese letztlich die entscheidenden Rahmenbedingungen jeglicher Vertriebsaktivität darstellen.6^

1) Vgl. hierzu Heil (1988), S. 308 ff.; Mühlendahl (1989), S. 38 ff. 2) Siehe Häußer (1988), S. 306; Paefgen (1989), S. 87 ff.; Rüschen (1988), S. 234 ff. Zur Rechtsnatur von Marken vgl. Henning-Bodewig/Kur (1988), S. 221 ff. 3) Vgl. Heidrick and Struggles (1986), S. 10. 4) Vgl. hierzu Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 5. 5) Wenn manche Praktiker heute noch die Begriffe "Marketing" und "Vertrieb" synonym gebrauchen, kommt darin ein Verständnis von Marketing zum Ausdruck, das fraglos zu kurz greift. 6) Insofern bilden die in den Abschn. 2.1. und 2.2. angestellten Überlegungen Rahmenbedingungen für das Vertriebsmanagement. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 2.4.2.

2.3. Struktur des Vertriebsmanagements

23

Im folgenden wird der Versuch unternommen, einen sich rasch ändernden und aufgrund der situativen Gegebenheiten (Branchen-, Unternehmensstruktur, Produkteigenschaften etc.) heterogenen Teilbereich des Marketing, den Vertrieb, begrifflich zu erfassen. Wenn auch die Verschiedenartigkeit der Vertriebsstruktur in den nachstehenden Ausführungen nur ansatzweise und rudimentär zum Ausdruck kommen kann, besteht doch das Ziel darin, auf der Basis einer kurzen Analyse theoretischer und praxisorientierter Abhandlungen ein begriffliches Fundament für die weitere Erörterung der zur Diskussion stehenden Problematik zu entwickeln. Wöhe versteht unter Vertrieb hauptsächlich die "technische Seite der Leistungsverwertung", ^ d.h. alle Tätigkeiten, die es erlauben, den Absatz von Gütern und Dienstleistungen zu stärken. Dieser bildet folglich Ziel und Ergebnis jeglicher Vertriebsaktivität.2^ Den Begriff "Verkauf' faßt Wöhe enger, indem er ihn als eine Teilfunktion des Absatzes begreift, nämlich als die Durchführung des Absatzes. Auch Nieschlag/Dichtl/Hörschgen verstehen unter Verkauf lediglich die effektive Veräußerung von Leistungen,3^ ohne indessen die Schwierigkeit zu verschweigen, die es bereitet, "Vertrieb" und "Verkauf' in bezug auf ihren Begriffsinhalt eindeutig voneinander abzugrenzen. Sie meinen, daß durch die differenzierte Verwendung dieser Termini "eine gewisse Nuancierung vorgenommen" werde, und zwar derart, daß Verkauf eher die effektive Veräußerung einer Ware akzentuiert und Vertrieb auf Aspekte wie Warenverteilung, Logistik, Steuerung der Außendienstorganisation und Pflege der Beziehungen eines Herstellers zum Handel abhebt.4^ Vertrieb wäre somit umfassender zu verstehen als Verkauf. Ahlert definiert Verkauf als "den Vorgang des Kaufvertragsabschlusses einschließlich der zuvor erfolgten Anbahnung in Form der Güterdarbietung, der Kaufberatung und der KaufverhandlungSomit wäre eine juristische Definition von Verkauf, nämlich das Vereinbaren eines Eigentumsübergangs, zu eng, um das Tätigkeitsfeld eines Verkäufers zu charakterisieren. Ahlert subsumiert sämtliche Maßnahmen, die der Erzeugung von Umsatz dienen, dem Begriff "Distribution". Er grenzt jedoch Vertrieb und Verkauf nicht voneinander ab,6^ wobei dies wohl darauf zurückzuführen ist, daß Ahlert Vertrieb und Verkauf als nahezu deckungsgleiche Begriffe betrachtet

1) 2) 3) 4) 5) 6)

Wöhe (1981), S. 532. Vgl. auch Meyer (1974), Sp. 2103. Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 6. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 6. Ahlert (1985), S. 27. Vgl. Ahlert (1985), S. 10.

24

2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

Ähnlich wie Ahlert weist auch Goehrmann nicht explizit auf zwischen Vertrieb und Verkauf bestehende Unterschiede hin, indem er Verkaufsmanagement als "Planung, Steuerung und Kontrolle des persönlichen Verkaufs" definiert. 1^ Den persönlichen Verkauf betrachtet er als Kulminationspunkt einer Reihe von Maßnahmen und somit als ein eigenständiges absatzpolitisches Instrument. Diese Heraushebung und Einordung widerspricht allerdings der herrschenden Meinung, die den persönlichen Verkauf als Element einer anderen absatzpolitischen Handlungsebene, und zwar meist der Kommunikations-2^ oder der Distributionspolitik,betrachtet. Solange distributionslogistische Leistungen als passive Hilfsfunktion des Absatzes eingestuft werden, besteht die Aufgabe des Vertriebsressorts darin, die Transformation betrieblicher Leistungen an externe Verwender zu unterstützen.4^ Gemäß diesem Verständnis und aus dem Blickwinkel der Logistik scheint eine Abgrenzung zwischen Vertrieb und Verkauf nicht sinnvoll zu sein. Wenn aber distributionslogistische Leistungen (z.B. Gewährleistung einer hohen Lieferbereitschaft, Einhaltung von Lieferzeiten, Realisierung von Streckengeschäften, Entsorgung von Leergut) erst den Absatzerfolg ermöglichen, rückt eine organisatorische Verselbständigung der Distributionslogistik in den Bereich des Denkbaren. Daß dies keine Utopie darstellt, belegen viele Fälle aus der Praxis, in denen eine Distributionslogistik-Abteilung geschaffen wurde, die zumeist dem Zentralressort Logistik zugeordnet wurde. Da die Optimierung des Lieferservices, der sich in Zeitpunkt, Zuverlässigkeit, Zustand der gelieferten Ware und Lieferflexibilität konkretisiert, 5^ einer engen Abstimmung zwischen Hersteller und Abnehmer in bezug auf Anlieferungszeit, Verteilung der bestellten Ware auf einzelne Läger, logistikgerechte Verpackung der Ware oder Kompatibilität der Logistiksysteme (Just-in-time-Fertigung) bedarf, erscheint eine Mitwirkung des Vertriebs bei Fragen der Distributionslogistik dringend geboten. Dies ist fraglos dort berechtigt, wo der Lieferservice als eigenständige Handlungsebene des Marketing aufgefaßt wird, um damit Präferenzen bei Kunden zu schaffen. 6^ Aufgrund der deswegen notwendigen kundenspezifischen Gestaltung distributionslogistischer Systeme und der teilweise hohen distributionslogistischen Kosten7^ müssen Verkauf sowie Distributionslogistik eng zusammenarbeiten. Diese Überlegungen finden 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)

Goehrmann (1984), S. 19. Vgl. Meffert (1982), S. 85; Hill (1982), S. 183 f.; Schwab (1982). Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 425 ff. Vgl. Ihde (1978), S. 58. Vgl. Specht (1988), S. 87 ff. Dies ist z.B. bei leicht verderblicher Ware der Fall. In Abhängigkeit vom Wirtschaftszweig werden diese auf 15 bis 30 % vom Umsatz geschätzt. Vgl. Berg/Maus (1980), S. 191.

2.3. Struktur des Vertriebsmanagements

25

nicht zuletzt ihren Niederschlag darin, daß bei der organisatorischen Umsetzung dieser Koordinierung die physische Distribution dem Verkaufsressort bzw. dem jeweiligen Account-Management zufällt. 1^ 2)

Amerikanische Autoren ' differenzieren zumeist nicht zwischen Vertrieb und Verkauf, sondern subsumieren alle damit zusammenhängenden Aufgaben bzw. Tätigkeiten dem Sales Management. Diese Sichtweise korrespondiert mit der betrieblichen Praxis in den USA, wo in der Regel nur eine, für beide Bereiche zuständige Abteilung existiert.3^ Zusammenfassend läßt sich somit folgendes festhalten: - Die Begriffe "Verkauf' und "Vertrieb" werden in der Literatur meist synonym gebraucht. Unterschiede existieren auf der inhaltlichen Ebene kaum. Im folgenden werden daher sowohl verkaufsorientierte Tatbestände (z.B. Kontaktanbahnung und Gesprächsführung mit den Kunden) als auch distributionslogistische Aspekte (Tourenplanung, Gebietseinteilung etc.) dem Vertrieb subsumiert.4^ - "Vertriebsleiter" stellt die Funktionsbezeichnung eines Steileninhabers dar, dem die Führung des Vertriebsbereichs obliegt.5^ Konkret handelt es sich dabei um die Steuerung des Innen- und Außendienstapparates sowie distributionslogistischer Prozesse, aber auch um die Koordination mit anderen Marketingabteilungen (z.B. Produktmanagement, Werbung, Marktforschung) und Funktionsbereichen des Unternehmens (Produktion, Personal etc.). Nach dieser begrifflichen Klärung wollen wir nachfolgend diejenigen Ziele und Aufgaben von Vertriebsleitem ermitteln, die mit der Marketingorientierung korrespondieren.

1) Vgl. Böcker (1987), S. 468. 2) Vgl. hierzu beispielsweise Stanton/Buskirk (1969); Churchill/Ford/Walker (1985); Shapiro (1977); Johnson (1976); Miller/Heiman (1985). 3) Auch hierzulande ist dies häufig vorzufinden. Vgl. Heidrick and Struggles (1986), S. 2; Middeler (1981), S. 12 f. 4) Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 6. 5) In der Praxisfinden sich dafür auch andere Bezeichungen, so z.B. Nationaler Vertriebs- oder Verkaufsleiter, Vertriebs- oder Veikaufsdirektor.

26

2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

2.3.2. Ziele und Aufgaben von Vertriebsleitern Ziele und Aufgaben von Vertriebsleitern lassen sich anhand des in Abb. 2.3. veranschaulichten Sales Management-Modells skizzieren. Churchill/Ford/W alker, ^ deren Konzeption allerdings für unsere Zwecke modifiziert wurde, unterscheiden darin acht Sales Management-Module, deren konkrete Gestaltung von marketingstrategischen Erfordernissen und vorherrschenden Rahmenbedingungen abhängt (vgl. Abb. 2.3.). Alle Elemente des Sales Management zielen darauf ab, die Leistung der Vertriebsmitarbeiter und damit des Vertriebsbereiches in bezug auf die zugrunde liegenden Zielkategorien zu optimieren. Im Rahmen des Optimierungsprozesses müssen die Instrumente des Vertriebsmanagements an den Determinanten der individuellen Leistungsfähigkeit (z.B. EDV-Kenntnisse, Teamfähigkeit) und -bereitschaft (intrinsische Motivation, Karriereorientierung etc.) der Vertriebsmitarbeiter ausgerichtet werden. Die Bewertung und Kontrolle der Leistung sowie der Zielerreichung bilden den Kulminationspunkt dieser modellhaften Darstellung von Funktion und Ablauf des Vertriebsmanagements. Bevor nun in Anlehnung an dieses Konzept Ziele und Aufgaben von Vertriebsleitem gewürdigt werden, erscheint es angebracht, darauf zu verweisen, daß sich in der relevanten Literatur zum Teil heterogene und mehrere Seiten umfassende Ziel- und Aufgabenbeschreibungen finden. 2^ Die Verfasser dieser umfangreichen und teilweise realitätsfernen Kataloge rechnen dem Vertriebsleiter meist alle Aufgaben zu, die in irgendeiner Weise den Vertrieb tangieren. Beispielsweise findet sich darunter auch die Kontrolle von Spesenabrechnungen. Wenn man allerdings davon ausgeht, daß Vertriebsleiter viele der dort aufgeführten Tätigkeiten an Mitarbeiter delegieren (können), so bilden in aller Regel lediglich Aufgaben, die mit der Entwicklung von Marketingstrategien, dem Kundenmanagement und der Führung des Vertriebsbereiches zusammenhängen, den eigentlichen Verantwortungsbereich von Vertriebsmanagern. Weiterhin werden im folgenden schwerpunktmäßig solche Aufgaben dargestellt, die im realen Berufsleben im Vordergrund stehen (Ist-Auf gaben). Aufgaben, die ein Vertriebsleiter bearbeiten sollte, damit das Unternehmen seine Arbeitskraft möglichst effizient nutzen kann (Soll-Aufgaben), werden nachfolgend nur am Rande diskutiert.4^

1) Vgl. Churchill/Ford/Walker (1985), S. 20 ff. 2) Vgl. hierzu beispielsweise Hinkel (1986), S. 85 ff. und S. 139 ff.; Kramer/Bechtoldt (1975), S. 61 ff.; Niedetzky (1988), S. 64 ff.; Troll (1972), S. 288 ff.; Weis (1988), S. 26 ff. 3) Diese Systematik entwirft auch Kühn (1985), S. 4 ff. 4) Eine Orientierung an Soll-Aufgaben setzt voraus, daß Effizienzkriterien existieren, die eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob eine Aufgabe durch den Vertriebsleiter oder einen anderen Mitarbeiter wahrgenommen werden soll. Solche Kriterien können aber nur in bezug auf eine konkrete Situation, d.h. untemehmensindividuell festgelegt werden.

_J

n.„, foMfalhm o Produktgestaltung Preispolitik ^ Überwachung des

—* Einsatzplanung der Verkaufsorgane

1

| schaft

I Leistungsbereit-

unterstellten Mitarbeiter

Motivierung der

l

I Trauung der Vertriebs—• mitarbeiter

Leistungsfähig-

1

1

»

"

Kundenservice

Quotenvorgabe Rentabilität

• Erfüllung der

—1

bezug auf Arj— — beitsplatz und ^ Vertriebsplanung und ^ Tätigkeit I n '

Persönlicher Verkauf I Vertriebsbereichs __. "X Kommunikationspohtik Auswahl von Vertriebs1 * mitarbeitem

Distributionswege

1

Determinanten der Leistung von Vertriebsmitarbeitern

_____________________ f τ Einstellung der ~* Vertriebsorganisation —» Mllarbeiter ^

Budgeterstellung

Zielmärkte

VertriebsmanagementAktivität

r—^ Kundenmanagement "

Marketingstrategie

Quelle: In Anlehnung an Churchill/Ford/Walker (1985), S. 20

akllvltätcn

• Forschungs-und Entwicklungs-

• Produktion

. Humanressourcen . Finanzielle Uge

. ζ^

Unternehmens in•τ .. terne Umweltbedingungen

• Rechtliche Restriktionen • Technologie • Natürliche Ressourcen . Gesellschaftliche Strömungen *

• Marictpotential • WettbewerbsIntensität

teme Umweltbedingungen

Unternehmensex-

ι

Umwelt

Abb. 2.3.: Module des Vertriebsmanagements

1

|

Leistungs-

FEEDBACK

Kontroll-

.

Analyse der

instrumente

^

Mitarbeiterbeurteüung

Umsatzstruktur Kostenanalyse

Absatz-bzw.

Verkaufsvolumen

ebenen

2.3. Struktur des Vertriebsmanagements 27

2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

28

2.3.2.1. Ziele von Vertriebsleitern Die Ziele von Vertriebsleitern stellen aus den Unternehmens- und Marketingzielen abgeleitete Größen dar, die von Unternehmen zu Unternehmen und in Abhängigkeit von der jeweils gegebenen Umweltsituation 1 ^ variieren. Gleichwohl schaffen die der Markenartikel-Konzeption inhärenten Ziele, die in Abschn. 2.1. erläutert wurden, eine Grundlage für die Deduktion vertriebspolitischer Ziele (vgl. hierzu auch Abb. 2.4.).2^

Abb. 2.4.: Zur Deduktion von Vertriebszielen Unternehmen

Unternehmensziele

Ziele der strategischen Geschäftseinheit A

Marketingziele

Vertriebspolitische Ziele

Strategische Geschäftseinheit

Ziele der strategischen Geschäftseinheit Β

Produktionsziele

Beschaffungsziele

Kommunikationspolitische Ziele

Preispolitische Ziele

Funktionsbereich

Produktpolitische Ziele

Marketinginstrumentalbereich

Idealtypisch betrachtet ermöglichen es die aus den Unternehmenszielen und den Vorgaben für die strategische Geschäftseinheit abgeleiteten Marketingziele, den Vertriebsapparat so zu führen und derart auf die am Distributionsprozeß beteiligten Marktpartner einzuwirken, daß die Markenartikelstrategie im Absatzkanal ohne Abstriche umgesetzt werden kann. Um dieses Oberziel zu konkretisieren, muß der Vertriebsleiter je nach gewählter Markenartikelstrategie beispielsweise für die Erhöhung des Deckungsbeitrages oder die Senkung von Vertriebskosten Sorge tragen. Weitere Operationalisierungen können in der Entwicklung einer innovativen Vertriebskonzeption, der Entlastung der Außendienstmitarbeiter von administrativen Aufgaben 3^ sowie der Erhöhung der gewichteten Distribu-

1) Auf die verschiedenen Rahmenbedingungen wird in Abschn. 2.4. eingegangen. 2) Zur Bildung und Anwendung von Zielhierarchien vgl. Kupsch (1979), S. 91 ff. Die vertriebspolitischen Ziele sind beispielsweise Gegenstand bzw. Inhalt von Stellenbeschreibungen für Vertriebsleiterpositionen. Vgl. hierzu Kramer/Bechtoldt (1975), S. 61. 3) Vgl. o.V. (1986), S. 53.

2..

u

des Vertriebsmanagements

29

tionsquote bestehen. Auch die rasche Diffusion neuer Produkte, die Erhöhung des Marktanteils, die Gestaltung effizienter Verkaufsförderungsaktionen, die Erhöhung der Zufriedenheit der Verbraucher und die langfristige Bindung von Absatzmittlern an das Unternehmen bilden denkbare vertriebspolitische Vorgaben. Beachtung verdient dabei, daß die Fixierung und die Bedeutung bestimmter Ziele in erster Linie von der herrschenden Marktsituation abhängen. So thematisiert Kühn den Zusammenhang zwischen den Zielen bzw. Aufgaben von Verkaufsleitern und der Marktreife, d.h. dem Sättigungsgrad.1^ Demnach kommt in der Wachstumsphase eines Marktes dem Kundenmanagement (zur Erzielung eines hohen Umsatzes und einer hohen Distributionsquote) eine deutlich höhere Bedeutung als der Führungsfunktion und den bei der Mitgestaltung der Markenpolitik wahrzunehmenden Aufgaben zu. In der Sättigungsphase hingegen erscheint die Führungsfunktion wichtiger als die gleichrangig eingestuften Aufgaben, die das Kundenmanagement und die Strategienfindung betreffen. Allerdings hängt die Relevanz der in diesem Abschnitt angesprochenen Ziele nicht minder von der verfolgten Markenartikelkonzeption ab. Beispielsweise geht die Etablierung einer Premiummarke 2^ meist mit dem selektiven Vertrieb der Marke in ausgewählten, exklusiven Einkaufsstätten einher.3^ Ubiquität sowie Erhöhung der gewichteten Distributionsquote spielen dann naturgemäß keine Rolle im Zielsystem des Vertriebsmanagements. Wenn sich ein Vertriebsleiter marketingadäquat verhält, d.h. ein hohes Maß an Marketingorientierung aufweist, wird die Wahrscheinlichkeit dafür, daß er die vorgegebenen vertriebspolitischen Ziele erreicht, steigen. So lassen sich beispielsweise die gewichtete Distributionsquote und der Marktanteil ohne Frage nur dann erhöhen, wenn man die Interessen des Handels durch geeignete vertriebspolitischen Maßnahmen (z.B. Entwicklung von Informationssystemen, Schulung des Verkaufspersonals von Handelsunternehmen und Gestaltung attraktiver handelsorientierter Veikaufsförderungsaktionen) entsprechend berücksichtigt. Definiert man nun den Grad der Erreichung vertriebspolitischer Ziele als Indikator dafür, inwieweit ein Vertriebsleiter sich marketingadäquat verhält, muß aufgrund der beschriebenen situativen Abhängigkeit die Bedeutung der vertriebspolitischen Ziele in die Beurteilung seiner Marketingorientierung einfließen.

1) Vgl. Kühn (1985), S. 7 ff. 2) Vgl. die Ausführungen in Abschn. 2.1. und Abb. 2.1. 3) Beispiele hierfür bilden Premiummarken wie Boss, Cartier, Lacosté und Louis Vuitton.

30

2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

Vertriebsziele finden ihren Niederschlag in den Aufgaben von Vertriebsleitern, die nachfolgend erläutert werden.1^

2.3.2.2. Aufgaben von Vertriebsleitem Die im Modell von Churchill/Ford/Walker enthaltenen Aufgaben (vgl. Abb. 2.3.) lassen sich in drei Bereiche zusammenfassen, die eng miteinander verzahnt sind:2^ -

Mitwirkung bei der Entwicklung von Marketingstrategien,

-

Kundenmanagement und

-

Führung des Vertriebsbereiches.

(1) Mitwirkung bei der Entwicklung von Marketingstrategien Das Spannungsfeld zwischen den durch das Produktmanagement verkörperten produktbzw. markenorientierten Handlungen und dem Vertrieb bezieht seine Energie maßgeblich aus der hierarchischen Einordnung dieser Funktionsbereiche.3^ Nach einer Untersuchung von Heidrick and Struggles, bei der rund 800 größere in der Bundesrepublik Deutschland tätige Unternehmen befragt wurden und ca. 180 Antworten ausgewertet werden konnten, sind in etwa zwei Dritteln aller Fälle Vertrieb und Marketing unter organisatorischen Gesichtspunkten gleichgeordnet. Bei den verbleibenden Unternehmen genießt der Vertrieb meist einen höheren hierarchischen Stellenwert als das Marketing.4^ Je nachdem, ob der eine Bereich dem anderen untergeordnet, gleichgestellt oder übergeordnet ist, bestehen für Produktmanager und Vertriebsleiter unterschiedliche Prioritäten für verschiedene Aufgaben. So wird die Preispolitik dann als wichtigste Funktion von Vertriebsleitern angesehen, wenn der Vertrieb dem Marketing übergeordnet ist. Stehen Vertrieb und Marketing gleichberechtigt nebeneinander, mindert sich die Bedeutung der Preispolitik für den Vertriebsleiter und die Verkaufszielplanung wird als

1) Aufgaben stellen wahrzunehmende Tätigkeiten dar, die sich unmittelbar aus den jeweiligen Zielvorgaben ergeben. Vgl. Krüger (1980), S. 7. 2) Diese Systematisierung erfolgt in Anlehnung an die Grundfunktionen oder Rollen, die ein Vertriebsleiter wahrzunehmen hat Siehe hierzu Kühn (1985), S. 4 ff.; Schulz (1987), S. 232 f. 3) Ursachen für Konflikte zwischen Marketing und Vertrieb skizziert Disch (1985), S. 216 ff. 4) Vgl. Heidrick and Struggles (1986), S. 2 und S. 6.

2..

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des Vertriebsmanagements

31

am vordringlichsten eingestuft 1^ Gleichwohl wird der Inhalt der zugeteilten Aufgaben von der hierarchischen Einordnung nicht wesentlich tangiert. Da den Befunden der Studie von Heidrick and Struggles zufolge die Kooperation zwischen Vertrieb und Marketing von etwa der Hälfte der Befragten als "zufriedenstellend" (39 %) oder "schlecht" (5 %) und lediglich von dem verbleibenden Rest der Probanden (56 %) als "gut" beurteilt wird, ergibt sich ein gewisser Antagonismus,2^ der nach einer stärkeren Integration der zwei Bereiche verlangt. Dabei kommt es vor allem darauf an, die Mitwirkung von Vertriebsleitern bei der Entwicklung von Marketingstrategien zu sichern bzw. zu ermöglichen; denn dadurch wird gewährleistet, daß bei der Festlegung von Zielgruppen, der Fixierung von Marktbearbeitungsstrategien und den sich hieraus zu ziehenden Konsequenzen für die Gestaltung absatzpolitischer Instrumente keine Interessenkollision zwischen Marketing und Vertrieb entsteht.3^ Durch die Mitwirkung des Vertriebsmanagements an der Strategieentwicklung soll gewährleistet werden, daß bei der Bestimmung von Zielgruppen und der Gestaltung von Marketingmaßnahmen die vertriebspolitisch relevanten Rahmenbedingungen (z.B. Belange bestimmter Betriebsformen des Einzelhandels, handelsbezogene Aktivitäten der Konkurrenten) in das Gesichtsfeld rücken. Beispielsweise können Marktbearbeitungsstrategien, die den Endverbraucher in den Mittelpunkt der Bemühungen stellen,4^ zu einer Akzentuierung des Direktmarketing und damit zu einer gewissen Unruhe auf Seiten des Handels führen, der dadurch seine Beratungskompetenz gefährdet sieht. Ein Beipiel hierfür bietet das Pampers-Baby-Lebenszyklus-Programm, bei dem innerhalb eines Jahres 13 direkte Kontakte zwischen dem Anbieter von Pampers und Müttern bzw. Vätern mit dem Ziel stattfinden, eine dauerhafte Bindung der Käufer an den Hersteller zu erreichen. Dazu werden Geschenke und Informationsmaterial offeriert, Preisausschreiben veranstaltet, Treueprämien und eine Geld zurück-Garantie gewährt sowie Babyartikel zu besonders günstigen Konditionen angeboten.5^ Der Vertriebsleiter sollte bei der Planung derartiger Strategien insbesondere seine Erfahrungen bezüglich der Änderung der Absatzwegepolitik in die Diskussion einbringen, sofern beispielsweise ergänzend zu den bereits genutzten Vertriebsschienen neue Absatzwege (z.B. Direktvertrieb, Franchising) erschlossen werden sollen. Hier wäre vor allem zu prüfen, ob die vorhandenen Ressourcen in dem Vertriebsressort und die Interessen der 1) Die Ergebnisse der Studie von Heidrick and Struggles belegen diese Argumentation. Vgl. Heidrick and Struggles (1986), S. 10. 2) Vgl. Heidrick and Struggles (1986), S. 10. Siehe hierzu auch Schulz (1987), S. 233. 3) Vgl. Kemna (1989), S. J 36 ff. 4) Vgl. Albers/Eggert (1988), S. 5 ff. 5) Siehe hierzu Raithel (1987), S. 228 ff.

2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

32

bislang betreuten Absatzmittler eine entsprechende Änderung ohne gravierende Friktionen (z.B. Abnahmeboykott durch die bislang belieferten Absatzmittler) zulassen. Wie gezeigt wurde, soll die Mitwirkung von Vertriebsleitern bei der Entwicklung von Marketingstrategien gewährleisten, daß vertriebsrelevante Aspekte bereits in der Strategienplanung berücksichtigt werden. Dem dürfte dann besonderer Erfolg beschieden sein, wenn Vertriebsleiter den Kontakt zu Absatzmittlern und Endverbrauchern regelmäßig pflegen. Insofern besteht zwischen der Mitwirkungsfunktion und dem Kundenmanagement, das nachfolgend skizziert wird, ein enger Zusammenhang.

(2) Kundenmanagement Gemäß den Befunden der bereits angeführten Untersuchung von Heidrick and Struggles erfüllen über 50 % aller Vertriebsleiter Aufgaben, die dem Kunden- bzw. Key AccountManagement zugeordnet werden müssen.1^ Wenngleich sie bei größeren Markenartikelherstellern meist ausschließlich mit der Zentrale von national operierenden Großkunden in Kontakt stehen, so entscheidet doch ihr Umgang mit jenen in hohem Maße über Erfolg bzw. Mißerfolg ihres Unternehmens; denn durch den Abschluß von Zentralvereinbarungen mit dem Top Management der betreuten Handelsunternehmen determiniert der Vertriebsleiter die auf den nachgelagerten Ebenen (d.h. in regionalen Niederlassungen, Filialen etc.) anfallenden Entscheidungsprozesse maßgeblich, und zwar um so mehr, je verbindlicher die Zentralvereinbarung für die nachgelagerten Instanzen der jeweiligen Handelsunternehmen ist.2^ Derartige Zentralvereinbarungen werden zumeist anläßlich der sog. Jahresgespräche getroffen, bei denen das Top Management von Herstellern und Handelsunternehmen die Geschäftsbeziehung des abgelaufenen Jahres analysiert und Ziele sowie gemeinsame Aktionen für das folgende Geschäftsjahr plant. Die schriftlich fixierten Vereinbarungen können sich beispielsweise auf folgendes erstrecken: -

Absatzmenge, Umsatz und Konditionen (Jahresbonus, Rabattstaffel, Werbekostenzuschüsse etc.)

-

Art, Anzahl und Terminierung von in aller Regel produktbezogenen Marketingmaßnahmen (z.B. Verkaufsförderungsaktionen, Sonderangebote, LKW-Verkauf)

1) Vgl. Heidrick and Struggles (1986), S. 9. 2) Bei genossenschaftlich organisierten Handelsunternehmen besitzen die regionalen Niederlassungen eine relativ hohe Autonomie gegenüber der Zentrale.

2..

-

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Formen der künftigen Zusammenarbeit (z.B. Listung oder Auslistung von Produkten, Entwicklung und Einführung automatischer Bestell- und Abrechnungssysteme).

Die Betreuung eines oder einiger weniger Großkunden wird Vertriebsleitern meist als Nebenfunktion übertragen.1^ In Unternehmungen mit einem auch organisatorisch eigenständigen Account-Management üben sie die Kundenberatungsfiinktion jedoch meist nicht originär aus. Die Bearbeitung von Zentralen größerer Handelsunternehmen obliegt dann den ausschließlich dafür zuständigen Account Managern.2^ Allerdings sollte der Vertriebsleiter auch hier Kontakte zu den Absatzmittlern pflegen; denn erst der persönliche Eindruck versetzt ihn in die Lage, seine Mitarbeiter derart zu führen, daß diese die Zentralvereinbarungen in den regionalen Niederlassungen optimal umsetzen.3^ Parallel dazu, wie die Zahl der Verkaufsstätten und der Entscheidungsstellen im Handel abnimmt,4^ bleibt einer Hard Selling-Strategie der Erfolg versagt. Deshalb muß es das zentrale Anliegen von Vertriebsleitern sein, die Kundenbindung durch ein optimales Beziehungsmanagement zu erhöhen.5^ Dies kann nur durch ein in sich stimmiges, vertikales Marketingkonzept erreicht werden, das auf der Kooperation mit den Absatzmittlern basiert. Manche Markenartikelhersteller gehen dabei so weit, daß sie einigen Handelsunternehmen sogar Unterstützung in Form von Beratung anbieten. Elida Gibbs, eine Tochtergesellschaft der Unilever-Gruppe, offeriert ausgewählten Absatzmittlern Beratungsleistungen sogar unentgeltlich. Dabei geht es z.B. darum, die Positionierung von unterschiedlichen Betriebsformen eines Handelsunternehmens zu optimieren. Um einerseits die Qualität der Hilfe zu dokumentieren und andererseits die vertrauensvolle Zusammenarbeit beider Seiten zu fördern, bezieht das Unternehmen in dieses Konzept neben dem zuständigen Account-Manager und dem Marketingmanager nicht zuletzt auch den Vertriebsleiter ein.

1) Vgl. Diller/Kusterer (1985), S. 10. 2) Allerdings sollten Vertriebsleiter zu Rate gezogen werden, wenn das Account-Management Auswirkungen auf den Gesamtmarkt bzw. die regionale Vertriebsstruktur entfaltet 3) Vgl. hierzu Kuß/Dehr (1988), S. 613 f. 4) Nach Berechnungen von Glendinning & Lehning GmbH, Frankfurt, belief sich der Anteil am gesamten Umsatz, den die Top 20 im Lebensmittelsektor 1987 auf sich vereinigten» auf ca. 70 %. Der Anteil der 20 umsatzstärksten Handelsunternehmen am Markenwarenumsatz im Lebensmittelsektor betrug 1988 85 %. Vgl. o.V. (1989a), S. 21. 5) Vgl. hierzu Diller/Kusterer (1988), S. 211 ff. Das Beziehungsmanagement zielt auf das Aufweichen verhärteter Fronten, die in einem "auf Konditionenfeilscherei beschränkten Ritual von Jahresgesprächen" zum Ausdruck kommen. Am Beispiel des Süßwarenherstellers Mars und des Handelsunternehmens Rewe/Leibbrand skizziert Raithel, welche Vorteile eine Kooperation zwischen Hersteller und Handelsunternehmen für beide Seiten mit sich bringen kann. Vgl. Raithel (1988), S. 234 ff.

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2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

(3) Führung des Vertriebsbereiches Churchill/Ford/Walker unterscheiden in ihrem Modell (vgl. Abb. 2.3.) zwei Hauptkategorien von Führungsaufgaben. Einerseits handelt es sich dabei um Aktivitäten, die bei der Gestaltung einer Vertriebskonzeption zu beachten sind (Kundenmanagement, ^ Vertriebsorganisation, Vertriebsplanung und Einsatzplanung der Verkaufsorgane). Andererseits bilden alle Maßnahmen, die der Implementierung dieser Vertriebskonzeption dienen (Motivation der Mitarbeiter, Auswahl von Vertriebsmitarbeitern, Personalentwicklung und Überwachung des Vertriebsbereiches), die zweite Kategorie von Führungsaufgaben. Zwischen der Gestaltungs- und der Implementierungsebene2^ existiert eine Vielzahl von Interdependenzen, weil beispielsweise Entscheidungen hinsichtlich der Dimensionierung der Vertriebsorganisation die Motivation und die Auswahl von Vertriebsmitarbeitern sowie Maßnahmen der Personalentwicklung determinieren (et vice versa).

Darauf soll indessen an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.

Abb. 2.5. bietet einen Überblick über die Vielzahl von Führungsaufgaben, die Vertriebsleiter bewältigen müssen.4^ Aus der Fülle der darin enthaltenen Führungsaufgaben sollen nachfolgend einige herausgegriffen und kurz erläutert werden. Dabei wenden wir uns zunächst Aufgaben im Rahmen der Gestaltung der Vertriebskonzeption zu. Diller ging in einer Befragung von 16 Geschäftsführern und Einkaufsleitern des deutschen Lebensmittelhandels, wobei die in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen etwa 65 % des Lebensmittelumsatzes auf sich vereinigen,5^ der Frage nach, wie der Handel die Geschäftsbeziehung zur Industrie beurteilt. Dabei stellte er fest, daß ein Handelsunternehmen von seinen durchschnittlich 1671 Lieferanten lediglich etwa 40 bis 50 als unverzichtbar einstuft. Dies entspricht einer Quote von ca. 2,5 %. Wenn überhaupt auf Seiten der Absatzmittler ein Abhängigkeitsgefühl gegenüber einem Hersteller vorliegt, dann in erster Linie bei den Anbietern, die über starke Marken verfügen und dem Wunsch des Handels nach partnerschaftlicher Zusammenarbeit entsprechen.6^ Dies setzt allerdings

1) Maßnahmen, die dem Kundenmanagement zuzurechnen sind, werden im Rahmen dieser Arbeit als eigenständige Kategorie betrachtet 2) Manche Autoren rechnen diese Aufgaben auch der Personalführung zu. Vgl. Hentze/Brose (1986), S. 15 ff. 3) So dürfte eine drastische Verringerung der personellen Ausstattung des Außendienstes, wozu sich in den letzten Jahren einige Markenartikelhersteller entschlossen haben, zu Unruhe und Verunsicherung bei den (noch) nicht freigesetzten Mitarbeitern führen. Daß dies auch deren Motivation mindert und deren Bereitschaft zum Verlassen des Unternehmensfördert, versteht sich von selbst 4) Aufgrund der Vielfältigkeit dieser Führungsaufgaben erhebt die Aufzählung in Abb. 2.5. keinen Anspruch auf Vollständigkeit 5) Vgl. zu den folgenden Ausführungen Diller (1987), S. 89 ff. 6) Diller spricht in diesem Kontext von dem Wunsch der Befragten, enger als bislang mit den Herstellern zu kooperieren. Vgl. Diller (1987), S. 91 ff.

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Abb. 2.5.:

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des Vertriebsmanagements

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Ausgewählte Führungsaufgaben von Vertriebsleitem im Überblick Führungsaufgaben im Rahmen der

Gestaltung der Vertriebskonzeption

Implementierung der Vertriebskonzeption

* VçrtriçteOTganisation

• Motivierung der Mitarbeiter

- Bestimmung der Absatzwegepolitik

- Mitwirkung bei der Gestaltung eines optimalen Entlohnungssystems

- Quantitative und qualitative Dimensionierung der Vertriebsorganisation

- Planung und Realisierung von IncentìveWettbewerben

- Fixierung der Aufbau- und Ablauforganisation

- Gestaltung eines Cafeteria-Systems

- Optimierung der distributionslogistischen Struktur

- Verwirklichung eines partizipativen Führungsstils

' Vertriebsplanung - Festlegung von Zielen sowie von Art und Umfang des Aktivitätsniveaus in den einzelnen Vertriebsabteilungen

- Prognose der vertriebsrelevanten Marktentwicklung - Bestimmung benötigter Ressourcen und Festlegung von Budgets

' Auswahl yon Yertriebsmitaiteitern - Mitwirkung bei der Fixierung von Anforderungsprofilen und Stellenbeschreibungen

- Optimierung des Personalauswahlverfahrens •Personalentwicklung - Schulung der Mitarbeiter im Außenund Innendienst

- Aufbau EDV-gestützter Informationsund Kommunikationssysteme im Vertrieb - Entwicklung einer innovativen Vertriebskonzeption (z.B. durch den Einsatz von Expertensystemen oder die Realisierung von mobilen Teleshopping-Systemen)

- Optimierung des Eingliederungsprozesses von neuen Vertriebsmitarbeitern (z.B. durch Schulung der Vorgesetzten, Einfuhrung eines Traineeprogramms und einer Laufbahnplanung)

• Überwachung des Vertriebsbereiches • Einsatzplanung der Verkaufsorgane

- Entwicklung und Anwendung eines Vertriebscontrolling

- Einteilung der Vertriebsgebiete - Planung von Touren bzw. Besuchen

- Einsatz eines Mitarbeiterbeurteilungssystems

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2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

u.a. voraus, daß die Außendienstmitarbeiter des Herstellers die Qualifikation für den Aufbau und die Pflege einer kooperativen Beziehung besitzen. Bei der Listung eines Produktes spielen, den Befunden von Diller zufolge, Produktqualität, Endverbrauchernachfrage, Handelsspanne, Produktimage, Innovationsgrad und finanzielle Anreize des Herstellers eine bedeutsame Rolle. Demgegenüber ist das Kriterium "Vertriebsorganisation des Herstellers" bei der Listungsentscheidung vergleichsweise nachrangig. Nur die Einbindung des Produktes in eine Produktlinie und der intensive persönliche Kontakt mit dem Hersteller werden als noch weniger wichtig beurteilt. Darüber hinaus haben die Probanden eine distanzierte bis eindeutig negative Einstellung gegenüber den Key Account-Managern der Industrie. Besonders schwerwiegend fällt dabei ins Gewicht, daß diesen von 44 % der Befragten Inkompetenz und von 31 % der Auskunftspersonen eine ineffiziente Abwicklung der Zusammenarbeit angelastet wird. 1^ Offensichtlich müssen Vertriebsleiter sowohl bei der Gestaltung der Vertriebskonzeption (z.B. in bezug auf die Zusammenarbeit zwischen Regionalverkaufsleiter, Key AccountManager und Produktmanager) als auch bei deren Implementierung (z.B. Schulung der Mitarbeiter zur Erhöhung der Beratungsqualität) noch einige Schwierigkeiten meistern. In der gestiegenen Präferenz für Formen des Kontraktvertriebs sieht Zentes eine der zentralen Herausforderungen für die Strukturierung der Vertriebsorganisation bzw. Bestimmung der Absatzwegepolitik.2^ Beide tangieren u.a. die quantitative (z.B. Reduktion der Zahl an Außendienstmitarbeiter) und die qualitative Dimensionierung (z.B. Veränderung bzw. Erhöhung der Anforderungen an die Mitarbeiterqualifikation,Wahl zwischen alternativen Formen des Verkaufsaußendienstes 4^) des Vertriebsbereiches. Üm die Vertriebskostenbelastung so gering wie möglich zu halten,5^ vernachlässigen immer mehr Hersteller die Pflege der Geschäftsbeziehung zu kleineren Handelsunternehmen. Der Kostenreduktion dient auch das Bestreben, Außendienstmitarbeiter von 1) Vgl. Diller (1987), S. 91. 2) Vgl. Zentes (1986), S. 25. Zur Absatzwege- oder Absatzkanalpolitik und ihrer rechtlichen Bewertung siehe Ahlert (1985), S. 186 ff. Ebenroth/Parche (1988) skizzieren kartell- und zivilrechtliche Schranken bei der Gestaltung kontraktvertrieblicher Vertriebsorganisationsformen. 3) Bei kontraktvertrieblichen Strukturen (z.B. Vertragshändler, Franchising) tritt zunehmend die Notwendigkeit einer qualifizierten Marketing- bzw. Untemehmensberatung von Absatzmittlern durch Vertriebsmitarbeiter in den Vordergrund, während verkäuferische Fähigkeiten an Bedeutung verlieren. Zum Kontraktmarketing vgl. Tietz/Mathieu (1979). 4) Vgl. z.B. Dichtl/Raffée/Niedetzky (1981). 5) So äußerte der Geschäftsfuhrende Gesellschafter der Beilinda Feinstrumpffabrik Vatter & Pahne GmbH die Auffassung, daß in seinem Unternehmen die Kosten für den Außendienst einschließlich Merchandising und Management 5 % des Umsatzes nicht überschreiten sollten. Vgl. o.V. (1986), S. 50.

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administrativen Tätigkeiten zu entlasten und mit Instrumenten des Direktmarketing (z.B. Telefonverkauf bei kleineren Handelsunternehmen) zu unterstützen.1^ Während diese Aspekte die Fixierung von Aufbau- und Ablauforganisation des Vertriebs tangieren, betreffen gleichfalls zu berücksichtigende Aufgaben, die sich auf die Vertriebsorganisation beziehen, die optimale Implementierung des Key Account Managements und die Realisierung von Vertriebskooperatiönen mit anderen Herstellern. Speziell im Lebensmittelbereich sind solche Allianzen vorzufinden, die mit dem Ziel gebildet werden, die Vertriebskosten zu senken und, gemäß der Theorie der Countervailing Power, der wachsenden Nachfragemacht des Handels ein wirksames Gegengewicht entgegen2) zusetzen. ' Zu den Aufgaben im Rahmen der Optimierung der distributionslogistischen Struktur zählen die Festlegung von -

Modalitäten der Auftragsbearbeitung, d.h. vor allem das Zusammenspiel zwischen Vertriebsaußendienst und -innendienst sowie der Logistik und Produktions3)

Steuerung, -

Formen, Standorten und Trägern der Lagerhaltung,

-

Mitteln und Trägern des Transports4^ und

-

lieferungspolitisch relevanten Aspekten der Verpackungsgestaltung.5^

Angesichts der weiter voranschreitenden logistischen Verkettung von Herstellern und Handelsunternehmen sowie der damit einhergehenden Intensivierung des vertikalen Informationsaustausches gewinnt die Optimierung unternehmensübergreifender distributionslogistischer Systeme (automatische Bestell- und Abrechnungssysteme, Zentrali1) Vgl. o.V. (1986), S. 52 f. 2) Vgl. o.V. (1984b), S. 32 ff.; Galbraith (1956). Zu den wettbewerbstheoretischen Implikationen des Strukturwandels im deutschen Lebensmittelhandel siehe Potucek (1987). 3) Von den 91 von der Redaktion der Zeitschrift "absatzwirtschaft" befragten Verkaufsleitern messen in diesem Kontext nahezu 50 % dem Bereich "mobile Datenerfassung" eine sehr große Bedeutung bei. Vgl. o.V. (1986), S. 52. Durch eine unternehmensübergreifende EDV-gestützte Datenerfassung könnten einige der derzeit vorhandenen Koordinationsprobleme zwischen den angesprochenen Funktionsbereichen gelöst werden. Zur Struktur und Bewertung der in diesem Kontext wichtigen Computer Aided Selling-Systeme siehe Hermanns (1988), S. 263 ff. 4) Hier und bei Entscheidungen im Zusammenhang mit der Lagerhaltung spielen zwei Fragen eine zentrale Rolle: - Verlagert man diese Funktionen auf Absatzhelfer (z.B. Speditionen; Make or Buy- Problematik)? - Nimmt man Streckengeschäfte in Kauf? 5) Zu den Gestaltungsproblemen der Distributionslogistik aus der Sicht von Herstellern vgl. Ahlert (1985), S. 24 ff.

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2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

sierung von Lagerflächen^ etc.) zunehmend an Bedeutung. Eine wesentliche Aufgabe für Vertriebsleiter besteht hierbei darin, diesen logistischen Umbruch, der mit der Einführung neuer IuK-Technologien einhergeht,derart zu bewältigen, daß die damit verbundenen Risiken minimiert werden. Hierzu zählen beispielsweise höhere DistributionslogistikKosten und die Gefahr der technologischen Obsoleszenz ausgewählter EDV-gestützter Systeme kurze Zeit nach ihrer Implementierung. Gemäß den Befunden einer von Heinrich durchgeführten Untersuchung wird die Bedeutung des Einsatzes von IuK-Technologien im Rahmen der Verkaufsadministration ebenso steigen wie bei der Information der Kunden. Das größte Anwendungspotential der IuK-Technologien liegt den Ergebnissen dieser Studie zufolge in der Verbesserung der 3)

Außendienstkommunikation. Wie die Ergebnisse der bereits angesprochenen Studie von Heidrick and Struggles zeigen, bildet die Fixierung von Vertriebszielen den zentralen Verantwortungsbereich von Vertriebsleitern in der Bundesrepublik Deutschland.4^ Im Rahmen des zur Vertriebsplanung zählenden Aufgabenbereichs spielt aber auch die Entwicklung innovativer Vertriebskonzepte, und zwar beispielsweise durch den Einsatz von Expertensystemen, eine prominente Rolle für den langfristigen Erfolg von Unternehmen.5^ Eine effektive Marktbearbeitung kann nur gelingen, wenn die Vertriebsgebietseinteilung und die Touren- bzw. Besuchsplanung unter Kosten- sowie Akquisitionsgesichtspunkten optimiert werden. Mit der zunehmenden Konzentration im Handel, der Einführung des Key Account Managements, der aus Kostengründen von vielen Herstellern vollzogenen Abkehr von der Streckenbelieferung 6^ und der immer häufiger beobachtbaren Extensivierung der Kleinkundenbearbeitung7^ geht eine Ausdehnung von Vertriebsbezirken einher. Auch die Touren- bzw. Besuchsplanung muß ständig an eine sich verändernde 1) Gegebenenfalls werden diese Lagerstätten durch mehrere Hersteller genutzt, um die Belastung jedes Unternehmens mit Lagerkosten so gering wie möglich zu halten. 2) Der Einsatz neuer IuK-Technologien (z.B. über Datex-L geschaltete Computerkonferenzen, Aufbau von standardisierten Datennetzen) bildet nicht selten eine wesentliche Voraussetzung für die angesprochene logistische Verkettung. Vgl. hierzu Porter/Millar (1986), S. 26 ff.; Overlack (1988), S. 81 ff.; Sandler (1986), S. 36 ff., die auch eine Reihe von Beispielen präsentieren. 3) Vgl. Heinrich (1989), S. 52 ff. 4) Vgl. Heidrick and Struggles (1986), S. 9. 5) Zur wachsenden Bedeutung von Expertensystemen vgl. o.V. (1987b), S. 128 ff.; Esch/Muffler (1989), S. 145 ff.; Mertens/Allgeyer/Däs (1986), S. 905 ff., die auch einige Expertensysteme (z.B. SHANEX, MS A, ADCAD, ESWA, XSEL) zur Lösung von Marketingproblemen vorstellen. 6) Durch den Übergang zur Zentralbelieferung schrumpfte bei Bahlsen die Außendienstmannschaft von 500 auf 180 Mitarbeiter. Viele Hersteller nehmen Streckengeschäfte nur noch bei besonderen Anlässen in Kauf, z.B. wenn es darum geht, innerhalb sehr kurzer Zeit ein neues Produkt in möglichst vielen Verkaufsstellen präsent zu haben. 7) Dadurch wäre zumindest langfristig die Chance zur Verringerung der Abhängigkeit von marktbeherrschenden Handelszentralen gegeben. Vgl. o.V. (1986), S. 52.

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Handelslandschaft angepaßt werden. Dabei besteht ein Problem darin, die begrenzte Ressource "Arbeitszeit der Außendienstmitarbeiter" derart auf die in einem bestimmten Gebiet vorhandenen Handelsunternehmen zu verteilen, daß ein maximaler Deckungsbeitrag erzielt wird. Fraglos muß zur Klärung dieser Frage eine Vorstellung über die Umsatzreaktionsfunktionen für verschiedene Gruppen von Absatzmittlern in Abhängigkeit von der Besuchshäufigkeit vorliegen.1^ Die Gestaltung der Vertriebskonzeption verkörpert eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für den Erfolg von Vertriebsleitern. Oftmals noch bedeutender für die Zielerreichung ist die in der theoretischen Diskussion weitgehend vernachlässigte Frage der Implementierung des Vertriebskonzepts.2^ Dies wiederum setzt voraus, daß die Faktoren und Prozesse, die das Verhalten und damit das Leistungsergebnis der Vertriebsmitarbeiter bedingen (vgl. Abb. 2.3.), bekannt sind. Im folgenden wenden wir uns der Diskussion wichtiger Aufgaben im Rahmen der Implementierung der Vertriebskonzeption zu. Zum Verständnis der dazu angestellten Überlegungen erscheint es wichtig, darauf hinzuweisen, daß Vertriebsleiter von größeren Markenartikelherstellern bei der Wahrnehmung derartiger Aufgaben auf Abteilungen bzw. Stäbe zurückgreifen können, die für die operative Umsetzung der Implementierungsstrategie verantwortlich zeichnen.3^ Je besser strukturiert und personell besetzt diese Abteilungen bzw. Stäbe sind, um so eher können sich Vertriebsleiter auf die Koordinierungs- und Überwachungsfunktion beschränken. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen hingegen müssen sich Vertriebsleiter oft selbst mit Implementierungsproblemen auseinandersetzen.

1) Albers (1985), S. 899 ff., stellt ein Modell zur simultanen Optimierung der Preis- und Besuchspolitik von Außendienstmitarbeitem vor. Kalküle zur Optimierung einer Verkaufsgebietseinteilung diskutiert Creutzig (1988), S. 89 ff. Zu Lösungsansätzen für das "vehicle scheduling problem" siehe Weber (1985), S. 21 ff. Die derzeit umfassendste deutschsprachige Untersuchung zu Entscheidungshilfen bei der Einsatzplanung von Verkaufsorganen stellt die Monographie von Albers (1989) dar. 2) Die mit der Implementierung von Strategien und Instrumenten einhergehenden Probleme wurden in der theoretischen Diskussion bislang weitgehend vernachlässigt. Vgl. Scholz (1986), S. 635; Simon (1986), S. 9. 3) So verfügen viele Vertriebssparten über Abteilungen bzw. Stäbe, die sich z.B. mit Personalbeschaffung, -auswahl und -entwicklung oder auch Vertriebscontrolling befassen (z.B. Beiersdorf AG, Procter & Gamble GmbH, Ferrerò oHG). Um ein abgestimmtes Vorgehen beispielsweise hinsichtlich des Auftritts des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen, erscheint es sinnvoll, derartige Abteilungen bzw. Stäbe in die Unternehmensstruktur nach dem sog. dotted line-Prinzip in die Organisation einzugliedern. Dabei unterstehen diese Service-Abteilungen disziplinarisch dem Vertriebsleiter und fachlich dem Leiter der zentralen Service-Abteilung (z.B. Personalleiter, Controller). Vgl. hierzu Kiener (1980), S. 300 f.

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2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

Daß der Motivation der Mitarbeiter höchste Priorität zukommt,1^ soll anhand zweier Beispiele belegt werden. So hat der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Porsche AG in einem Vortrag festgestellt, daß der wichtigste Strategieaspekt in seinem Hause die Motivation der Mitarbeiter sei.2^ Einen Beweis völlig anderer Natur für die Relevanz der Motivation der Mitarbeiter liefert nachfolgender Auszug aus einer Anzeige der Landesbank Rheinland-Pfalz: "Ob eine Bank hier den Erwartungen ihrer Kunden entsprechen kann, hängt von zwei Aspekten ab. Von der Motivation und dem schnellen Denken der Mitarbeiter. Und von der Art, wie die Bank sich selbst organisiert."3^ Vorgesetzten steht eine Vielzahl von Instrumenten zur Förderung der Motivation ihrer Mitarbeiter zur Verfügung. Üblicherweise werden dabei materielle und immaterielle Anreize unterschieden. Während zur ersten Gruppe u.a. Gehalt, Prämien und geldwerte Leistungen (z.B. Firmenwagen, betriebliche Altersversorgung, Incentive-Reisen) zählen, rechnet man der zweiten Kategorie die Entfaltungsmöglichkeit am Arbeitsplatz, das Lob des Vorgesetzten, die Partizipation an Entscheidungen und ähnliches mehr zu. Huellen ging in einer empirischen Untersuchung der Frage nach, welche Bedeutung die unterschiedlichen Motivationsinstrumente für Innen- und Außendienstmitarbeiter haben.4^ Dabei stellte er fest, daß sich die 16 von ihm empirisch untersuchten Anreize auf vier Faktoren zurückführen lassen, und zwar "Anreize der Arbeit selbst" (z.B. interessante und abwechslungsreiche Tätigkeit, Erfolgserlebnisse bei der Arbeitsdurchführung, Übernahme von Verantwortung), "Arbeit als soziales Umfeld" (z.B. Verhältnis zu den Vorgesetzten, Beziehung zu den Kollegen, Gruppenarbeit), "Zukunftsorientiertheit und Karriereoptionen des Arbeitsplatzes" (z.B. Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Aufstiegschancen) und "finanzielle Anreize" (z.B. Lohn- und Gehaltserhöhung, Zahlung von Prämien und Provisionen). Weiterhin ermittelte er eine den Angaben der Betroffenen zufolge untergeordnete motivationale Wirkung von finanziellen Anreizen. Allerdings konstatiert Huellen eine signifikant höhere Motivationswirkung dieser Anreizkategorie bei den Mitarbeitern im Außendienst. Darüber hinaus muß zu den in dieser Studie zutage geförderten Befunden zur Bedeutung finanzieller Anreize kritisch angemerkt werden, daß Befragte häufig dem

1) Vgl. Dichtl (1987), S. 199 ff.; Niggemann (1987), S. 454 ff. Zur Theorie der Leistungsmotivation und ihrer empirischen Überprüfung siehe beispielsweise Böhnisch (1977), S. 113 ff., und die dort angegebene Literatur. 2) Der Vortrag wurde während der Jahreskonferenz der European Marketing Academy (EMAC) 1985 an der Universität Bielefeld gehalten. Vgl. Hilleke (1985), S. 222. 3) Landesbank Rheinland-Pfalz (1986), S. 53. 4) Vgl. Huellen (1986), S. 165 ff. Zu den Auskunftspersonen zählten 208 Mitarbeiter des Vertriebsbereiches aus 31 verschiedenen Unternehmen, wobei 111 im Innendienst und 97 im Außendienst beschäftigt waren. Zum Design der Untersuchung vgl. Huellen (1986), S. 129 ff.

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Phänomen der sozialen Erwünschtheit von Antworten erliegen und ihre wahren Bedürfnisse in bezug auf finanzielle Anreize zumeist nicht wahrheitsgemäß wiedergeben. Infolgedessen wäre es fatal, würden Vertriebsleiter den Motivationseffekt materieller Anreize unterschätzen und beispielsweise der Gestaltung des Entlohnungssystems keine Aufmerksamkeit schenken. Daß es bei der Konzipierung eines motivierenden Entlohnungssystems durch den Vertriebsleiter schwierige Aufgaben zu bewältigen gibt, weist Zentes nach. Wie er nämlich feststellt, entwickeln sich in der Konsumgüterindustrie die Konzepte zur Steuerung der Mitarbeiter zu zentralistischen, dirigistischen Systemen.1^ Der allgemein zu beobachtende Trend zu Festgehalt mit geringem Prämienanteil ist u.a. auch dadurch zu erklären, daß Reisende immer weniger direkten Einfluß auf den Umsatz einer Niederlassung oder einer Filiale eines zentral geführten Handelsunternehmens ausüben. Diese Entwicklung wird indirekt noch durch die Vorgabe von Touren und Besuchen, die auf der Basis der sog. Wertigkeit von Absatzmittlern geplant werden, unterstützt.2^ Dadurch werden der Freiraum der Reisenden und die Möglichkeit, den Umsatz, den Marktanteil oder andere Outputgrößen durch eigenverantwortliches Handeln zu beeinflussen, weiter eingeengt. Trotz der Schwierigkeiten, die mit der Zurechnung von Umsätzen auf Mitarbeiter einhergehen, scheinen dennoch pretiale Steuerungssysteme, d.h. leistungsorientierte Vergütungssysteme dann praktikabel und sinnvoll zu sein, wenn sie mit einer Änderung der Bemessungsgrundlage verbunden sind. Jene sollte man nicht mehr nur outputorientiert (z.B. Umsatz), sondern auch inputorientiert (z.B. verwandte Zeit für Beratungsgespräche, Anzahl der Besuche bei Nichtkunden) definieren. Wenn auf vom einzelnen Außendienstmitarbeiter unmittelbar beeinflußbare Größen abgestellt wird, und zwar beispielsweise -

Durchsetzung des Inhalts der Zentralvereinbarung (z.B. Jahresumsatzziel, Anzahl von Verkaufsförderungsmaßnahmen) in den einzelnen Filialen bzw. Niederlassungen,

-

Erhöhung der für die Produkte im Laden zur Verfügung stehenden Kontaktstrecke und Regalfläche sowie

-

Anzahl von Sonder- und Zweitplazierungen,

kann eine leistungsorientierte Vergütung praktiziert werden.3^

1) Vgl. Zentes (1986), S. 26. 2) Festgehaltsysteme erfordern vielfältige Vorgaben und Anweisungen (z.B. in bezug auf die Besuchs- und Tourenplanung) sowie Kontrollmechanismen (Außendienstberichtssystem etc.). 3) Vgl. hierzu auch o.V. (1987b), S. 132 ff.

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2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

Allerdings müssen sich Vertriebsleiter gegenüber manifestierten Interessen (z.B. von Vertriebsmitarbeitern und Betriebsräten), die einer Änderung von bestehenden Betriebsvereinbarungen oder geltenden tarifvertraglichen Regelungen entgegenstehen, durchsetzen.1^ Gleichzeitig sollten sie die betriebswirtschaftlichen Grundlagen für derartige inputorientierte Entlohnungssysteme schaffen. 2^ Voraussetzung dafür bilden eine detaillierte Planung der Vertriebsaktivität (z.B. Besuchshäufigkeit, Auswahl von Gesprächspartnern) sowie ein Informationssystem, mit Hilfe dessen der vom einzelnen Mitarbeiter erbrachte Input fixiert bzw. kontrolliert werden kann. Künftig wird auch der Planung und der Realisierung von Verkaufswettbewerben, und zwar hauptsächlich in Gestalt von Incentive-Reisen,3^ sowie der Konzipierung von Cafeteria-Systemen 4^ größere Bedeutung zukommen. So veranstalten 44 % aller größeren deutschen Unternehmen regelmäßig und 32 % gelegentlich einen Incentive-Reise-Wettbewerb. Zwar strebt man dabei primär eine Erhöhung des Umsatzes (z.B. durch die Erschließung neuer Distributionswege) an, doch geht es auch um eine Verbesserung des Teamgeistes sowie die Stärkung der Bindung der Mitarbeiter an die Unternehmung.5^ Nach wie vor besitzt auch die Praktizierung eines kooperativen Führungsstils hohe Relevanz für die Motivation von Mitarbeitern. 6^ Dessen Bedeutung wird in praxisorientierten Publikationen damit plastisch verdeudicht, daß der Vertriebsleiter als "Coach" bzw. "Spielertrainer" bezeichnet wird, der sich als Mitglied eines Teams um die Belange jedes einzelnen kümmern muß.7^

1) Da eine derartige Änderung des Entlohnungssystems die detaillierte Kontrolle des von jedem Mitarbeiter erbrachten Input impliziert, lehnen Betriebsräte ein solches Konzept zumeist ab. 2) Auf der Ebene von Key Account-Managern können nach wie vor outputorientierte Kriterien, wie z.B. Umsatz oder Deckungsbeitrag, als Entlohnungsgrundlage dienen, da diese unmittelbar von den Kundenmanagem beeinflußt werden. Für Vertriebsleiter würde daraus folgen, daß zwei Entlohnungssysteme zu konzipieren und aufeinander abzustimmen wären. 3) Vgl. o.V. (1987c), S. 45 ff.; o.V. (1985a), S. 30 ff. Der Markt für Incentive-Reisen wird in der Bundesrepublik Deutschland auf ein Jahresvolumen von 600 Mio. D M geschätzt, wobei sich dieses bis 1990 verdoppeln soll. Vgl. hierzu Schmitt (1986), S. 18 f. 4) Bei einem Cafeteria-System erhalten die Mitarbeiter analog zur Menüwahl in einer Cafeteria die Möglichkeit, Sozial- und/oder übertarifliche Leistungen (z.B. Versicherungsleistungen, Verrechnung von Urlaubstagen und Überstunden mit Gehalt oder Entwicklungsmaßnahmen) aus vorgegebenen Alternativen entsprechend den persönlichen Präferenzen auszuwählen. Allerdings sind bei der Gestaltung des Cafeteria-Systems vielfältige arbeitsrechtliche Restriktionen zu beachten. Vgl. zur Konzeption und Anwendung des Cafeteria-Systems Dycke/Schulte (1986), S. 577 ff., und Gussmann (1988), S. 120 ff. 5) Vgl. o.V. (1987d), S. 32 ff. Den bisher vorliegenden Erfahrungen zufolge können durch IncentiveReise-Wettbewerbe Umsatzsteigerungen von bis zu 35 % erzielt werden. 6) Zur Führungsstilforschung vgl. Lattmann (1982), S. 324 ff. 7) Vgl. Schulz (1987), S. 233.

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Neben der Motivierung der Mitarbeiter und den Aufgaben, die bei der Auswahl von Vertriebsmitarbeitern zu bewältigen sind,1^ erfüllen Vertriebsleiter bei der Personalentwicklung wichtige Funktionen. Angesichts der Professionalisierung des Managements von Handelsunternehmen2^ kommt der Verbesserung der Qualifikation im Außen- und Innendienst eine zentrale Bedeutung zu. Dabei gilt es, die Weiterbildung an den Bedarfsfeldern zu orientieren, die sich aus der gewählten Strategie (z.B. enge Kooperation mit dem Handel) ergeben.3^ Daß zur Realisierung einer solchen bedarfsorientierten Personalentwicklung innovative Wege beschritten werden müssen, veranschaulicht Stiefel. 4^ Er verweist darauf, nicht länger Trainingseinheiten nur von externen Anbietern einzukaufen, sondern das Potential von lernfördernd wirkenden Vorbildern, Arbeitsgruppen oder Abteilungen aus dem Unternehmen zu nutzen. Darüber hinaus deutet Stiefel darauf hin, daß eine strategiegerechte Personalentwicklung der Vertriebsmitarbeiter untrennbar mit der Laufbahnplanung verknüpft sein muß. Angesichts des beständigen Wandels des vertrieblichen Umfeldes sollte zudem die Erkenntnis Raum greifen, daß das Humankapital nur durch eine permanente Weiterbildung optimal genutzt werden kann. Um dies zu erreichen, müssen langfristig angelegte Trainingskonzepte, in deren Zentrum die Veränderung des Verhaltens steht, mit kurzfristig wirksamen Entwicklungsmaßnahmen, die sich z.B. auf die Vermittlung von Produktkenntnissen oder sog. Aktionstrainings5^ konzentrieren, verzahnt werden. Mit Blick auf Außendienstmitarbeiter beispielsweise spielt bei der Festlegung des Trainingsinhalts sicherlich eine entscheidende Rolle, daß es nicht länger deren zentrale Aufgabe ist, Abschlüsse zu tätigen. Vielmehr müssen Außendienstmitarbeiter einen persönlichen Kontakt zu den Kunden aufbauen, alle jene betreffenden relevanten Informationen sammeln und umgehend an die Zentrale weitergeben. Besondere Bedeutung kommt hierbei auch der Generierung von Ideen für die Entwicklung neuer Produkte oder die Verbesserung bestehender Markenartikel zu; denn nach einer von Koppelmann/Küthe 1) Darauf kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Vgl. hierzu Abb. 2.5. und Heitmeyer (1985); Meier (1975), S. 500 ff.; Neuberger (1979), S. 125 ff.; Schreiber (1980), S. 325 ff.; Weis (1988), S. 37 ff. 2) Beispielsweise spricht Sandler von einem im Zeitvergleich "geschulteren Einkaufsmanagement". Sandler (1980), S. 226. 3) Bei größeren Unternehmen, wie z.B. bei Hewlett Packard, bietet die Personalentwicklungsabteilung ihre Trainingseinheiten mit Hilfe eines sog. Weiterbildungskataloges an, der auch den innerbetrieblichen Verrechnungspreis für den jeweiligen Schulungsblock enthält. Der Vertrieb kann je nach seinem Bedarf aus diesem Katalog bestimmte Schulungsveranstaltungen ordern. 4) Vgl. Stiefel (1988), S. 76 ff. Neuartige Methoden der Wissensvermittlung sind u.a. das Mind Mapping, das Superlearning oder die Neurolinguistische Programmierung. Vgl. zu diesen in neuerer Zeit in der Praxis verstärkt diskutierten Trainingsmethoden Gottschall (1988), S. 138 ff. 5) Vgl. hierzu Hochstätter (1988), S. 46; o.V. (1987e), S. 63.

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2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

durchgeführten Untersuchung, die 532 Unternehmen einschloß, nutzen Hersteller mit einem im Vergleich zu den Konkurrenten überdurchschnittlichen Erlöspotential den Verkäuferstab in deutlich höherem Maße als Ideenquelle für die Entwicklung neuer Produkte.^ Um gegebenenfalls verfestigte Verhaltensweisen bei den Mitarbeitern zu ändern, genügt es keineswegs, zeitlich und thematisch fest vorgegebene Seminare alten Stils, der sich durch Vorträge mit daran anschließender Diskussion kennzeichnen läßt, zu den entsprechenden Sachgebieten durchzuführen. 2^ Vielmehr muß es darum gehen, mittels geeigneter Instrumente der Organisationsentwicklung gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeitern Probleme zu identifizieren sowie praktikable Lösungsvorschläge dafür zu entwickeln. Bei diesen Techniken handelt es sich um -

Ansätze zur Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen (z.B. Sensitivity Training, Verhaltenstraining),

-

Ansätze zur Optimierung des Arbeitsverhaltens (z.B. Prozeßberatung, Teamentwicklung),

-

arbeitsorganisatorische Ansätze (z.B. Arbeitsstrukturierung) und

-

gesamtorganisatorische Ansätze (z.B. Survey Feedback, Konfrontationsmeeting). '



Diese Formen der interaktiven Weiterbildung entfalten darüber hinaus, wie eine Untersuchung von Nerdinger zeigte, eine starke Motivationswirkung und senken die Fluktuationsrate.4^ Im Rahmen eines Entwicklungsprogramms für den Führungskräftenachwuchs müssen Vertriebsleiter dafür Sorge tragen, daß sich deren Inhalt nicht auf traditionelle Einführungs- und Weiterbildungsthemen beschränkt, sondern eng orientiert an der Laufbahnplanung die Flexibilität des Führungsnachwuchses in bezug auf den späteren Einsatz im Unternehmen sicherstellt.5^ Allerdings dürfen vor dem Hintergrund der These einer zahlenmäßigen Ausdünnung des mittleren Managements und der Förderung von Eigen1) Konzeption und ausgewählte Befunde dieser Studie erläutert Hochstätter (1988), S. 42 ff. und S. 54 ff. 2) Vgl. Pischetsrieder (1981), S. 93. 3) Ein anschauliches Beispiel zum Einsatz von Instrumenten der Organisaüonsentwicklung bietet die Personalentwicklungskonzeption der Daimler Benz AG. Vgl. Gottschall (1987), S. 166 ff. Lasser (1989), S. 202 ff., erläutert und bewertet verschiedene Instrumente der Organisationsentwicklung. 4) Vgl. Altmann (1986), Nr. 156-160, jeweils S. 1, der die wesentlichen Befunde dieser Untersuchung der Leistungsmotivation von 510 Außendienstmitarbeitem referiert. 5) Die enge Verzahnung von Traineeprogramm, Laufbahnplanung, Mitarbeiterbeurteilung und individueller Entwicklungsplanung wird beispielsweise im Unilever-Konzem praktiziert Vgl. Lentz (1987), S. 149 ff.

45

2.4. Rahmenbedingungen des Vertriebsmanagements

Schäften, die mit dem Schlagwort "Intrapreneurship" ^ als Merkmale einer neuen unternehmerischen Elite belegt werden,2^ Einführungsprogramm und Laufbahnplanung nicht in starren Mustern verharren. Vielmehr sollten neuartige organisatorische Konzepte, wie z.B. spin offs, junior board und Implementierung von "WissensinselnM,3^ Bestandteile zukunftsweisender Konzepte der Personalentwicklung für den Vertriebsbereich sein. Durch den Freiraum, den die Mitarbeiter in solchen Organisationsstrukturen genießen, und das damit verbundene sukzessive Heranführen an Aufgaben höherer Ebenen (z.B. von der Geschäftsführung) kann das Potential, das die Mitarbeiter verkörpern, identifiziert, gezielt weiterentwickelt und voll erschlossen werden. Letztes Glied in der Kette der Führungsaufgaben, die Vertriebsleiter zu erfüllen haben, bildet die wohl wichtigste Funktion, nämlich die Wahrnehmung sämtlicher mit der Überwachung des Vertriebsbereichs verbundenen Tätigkeiten. Dazu zählen beispielsweise die Mitwirkung bei der Entwicklung eines Mitarbeiterbeurteilungssystems, die Mitarbeit bei 4)

der Konzeption eines EDV-gestützten Vertriebssteuerungssystems ' sowie die Kontrolle der Einhaltung der Vertriebsplanung. Naturgemäß stehen dabei die Vertriebsziele und die Budgetkontrolle im Mittelpunkt Die Intensität der Überwachungsaktivität hängt vor allem davon ab, ob die Implementierung der als sachgerecht angesehenen Vertriebskonzeption dazu beiträgt, die vertriebspolitischen Ziele zu erreichen. Wenn die Vorgaben auf allen relevanten Ebenen erfüllt werden, beschränkt sich das Controlling des Vertriebsmanagements auf die Feststellung des Status quo, die Prognose der vertriebsrelevanten Rahmenbedingungen und die Optimierung von Führungsinstrumenten, die bei der Gestaltung und Implementierung der Vertriebskonzeption zur Anwendung kommen.5^

2.4. Rahmenbedingungen des Vertriebsmanagements Grundlage für die Gestaltung des Vertriebsmanagements bildet eine Analyse unternehmensexterner und -interner Rahmenbedingungen. Diese begrenzen den unternehmerischen Handlungsspielraum und determinieren somit auch die Markenpolitik von Konsumgüterherstellern.® Im folgenden sollen diese Faktoren thematisiert und hinsichtlich

1) 2) 3) 4)

Intrapreneur ist das Ergebnis einer Kontraktion der Begriffe "Intracorporate" und "Entrepreneur". Vgl. Chambeau/Mackenzie (1986), S. 40 ff.; Pinchot (1988); Unterkofler (1989), S. 114 ff. Vgl. zu Strukturformen des internen Venture Managements Gaitanides/Wicher (1985), S. 414 ff. Vgl. o.V. (1988b), S. 124 ff. Auf S. 134 findet sich eine Liste von Anbietern PC-gestützter Vertriebssteuerungssysteme. 5) Dabei kann es sich z.B. um ein EDV-gestütztes Kommunikationssystem handeln. 6) Vgl. Hinterhuber (1980), S. 37 ff.; Matt (1988), S. 100 ff.

46

2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

ihrer Auswirkungen auf Ziele und Aufgaben von Vertriebsleitern diskutiert werden.1^ Da eine detaillierte Erläuterung aller Determinanten den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde, stehen im folgenden diejenigen unternehmensexternen und -internen Rahmenbedingungen im Mittelpunkt der Betrachtung, die in besonderem Maße die Ziele und die Aufgaben von Vertriebsleitern prägen.

2.4.1. Unternehmensexterne Rahmenbedingungen Die externen Begrenzungsfaktoren lassen sich in generelle und aufgabenspezifische Umweltbedingungen differenzieren. Erstere, zu denen man die ökonomische (volkswirtschaftliche), technologische, natürliche, gesellschaftliche und politisch-rechtliche Dimension rechnet, ergeben sich aus der Einbindung eines Anbieters in ein übergeordnetes Sozial- und Wirtschaftssystem. 2^ Letztere, die aus dessen Tätigkeit in einem speziellen Markt resultieren, 3^ betreffen Endverbraucher, Absatzmittler, Konkurrenten, Lieferanten und Absatzhelfer. Abb. 2.6. faßt einige wichtige Entwicklungen, die sich im Bereich genereller und aufgabenspezifischer Rahmenbedingungen abzeichnen, und ihre möglichen Auswirkungen auf das Vertriebsmanagement von Markenartikelherstellern zusammen.4^ Wie Abb. 2.6. verdeutlicht, entfalten außerbetriebliche Determinanten vielfältige Wirkungen auf den Vertrieb. Besonders die quantitativen und qualitativen Veränderungen, die sich auf Seiten der Absatzmittler vollziehen (z.B. Zentralisierung der Entscheidungskompetenz im Einkauf), stellen für manch eine Vertriebsleitung eine tiefgreifende Herausforderung dar. Die häufig beschworene Professionalisierung des Managements von Handelsunternehmen findet neuerdings auch in der jährlich durchgeführten Untersuchung des "manager magazins" über die größten 100 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen ihren Niederschlag. Nicht zuletzt wegen der hohen Managementqualität landete beispielsweise Aldi 1989 als bestplaziertes Handelsunternehmen auf Rang 19. 5 )

1) Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 2.3.2. 2) Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 612 ff. Deswegen wird dieser Bereich oft auch als MakroUmwelt bezeichnet 3) Deshalb findet sich hierfür nicht selten der Begriff "Mikro-Umwelt". 4) Die folgenden Ausführungen fußen auf Hinkel (1986), S. 19 ff.; Drucker (1988), S. 102 ff.; Meffert (1988), S. 77 f.; Weis (1988), S. 30 ff; Zentes (1986), S. 22 ff. 5) Vgl. Rüßmann (1989), S. 95.

• Einschränkung der Dispositionsfreiheit in bezug auf die Gestaltung der Vertriebskonzeption durch rechtliche Regelungen (z.B. GWB)

5. Politik bzw. Recht • Schaffung des Europäischen Binnenmarktes

• Übergang von der Arbeits- zur Freizeitgesellschaft

4. Gesellschaft • Wandel der Altersstruktur

3. Natur • Zunehmende Belastung der natürlichen Umwelt mit Schadstoffen

2. Technologie • Schnelle Entwicklung der IuK-Technik (Informationsgesellschaft) • Kürzere Technologielebenszyklen

· Entwicklung einer europäischen Vertriebskonzeption (z.B. durch eine europaweite Key Account-Organisation) · Erforderliche Anpassung der kontraktvertrieblichen Struktur (z.B. bei Kommissionierungssystemen)

· Erschließung des Seniorenmarktes durch neue Vertriebskonzepte · Anpassung der Motivationsinstrumente (z.B. Cafeteria-System)

· Umweltverträglichkeit von Produkten als wichtiges Verkaufsargument

· Einsatz von IuK-Technologien (z.B. Btx, Mailbox-Systeme) im Vertrieb · Ständiger Wandel des Inhalts von Personalentwicklungsmaßnahmen im Vertrieb

· Zwang zu qualitativem Wachstum

Mögliche Auswirkung auf das Vertriebsmanagement

1. Ökonomie • Stagnation des volkswirtschaftlichen Wachstums

I. Entwicklung im Bereich genereller Rahmenbedingungen

Unternehmensexterne Rahmenbedingung

Abb. 2.6.: Mögliche Auswirkungen ausgewählter unternehmensexterner Rahmenbedingungen auf das Vertriebsmanagement von Markenartikelherstellern

2.4. Rahmenbedingungen des Vertriebsmanagements 47

5. Absatzhelfer • Erweiterung der Angebots- bzw. der Dienstleistungspalette (z.B. bei Speditionen)

4. Lieferanten • Gefahr einer unzureichenden Qualität der gelieferten Rohstoffe/Halbfabrikate

• Verbesserung der Marketingkonzeption bei Konkurrenten

3. Konkurrenten • Hohe Konkurrenzintensität

• Bildung neuer Betriebsformen

• Professionalisierung des Handelsmarketing

• Hohe Konzentration und Nachfragemacht

2. Absatzmittier • Zentralisation der Entscheidungsstellen

· Veränderung der Tätigkeit von Vertriebsmitarbeitern (u.U. Konzentration auf Beratung und Betreuung von Absatzmittlern)

· Auslistung von Produkten bei Handelsunternehmen

· Beauftragung einzelner Außendienstmitarbeiter als "Wettbewerbsbeobachter" · Schaffung von Wettbewerbsvorteilen durch den Einsatz von Expertensystemen im Vertrieb

· Koordination von Key Account-und Vertriebsmanagement · Entwicklung vertikaler Marketingkonzepte (z.B. in Gestalt von Kooperation, Beratung) · Verbesserung der Qualifikation der Mitarbeiter im Vertrieb · Aufbau einer zusätzlichen Außendienstorganisation

· Nutzung des Außendienstes als Informationsquelle · Aufbau eines Entsorgungssystems (z.B. bei umweltbelastenden Produkten wie Batterien)

Mögliche Auswirkung auf das Vertriebsmanagement

1. Endverbraucher • Hohe Markttransparenz der Verbraucher • Zunehmendes Umweltbewußtsein

Π. Entwicklung im Bereich aufgabenspezifischer Rahmenbedingungen

Unternehmensexterne Rahmenbedingung

Fortsetzung von Abb. 2.6. 48 2. Vertriebsmanagement und Maikenpolitik

2.4. Rahmenbedingungen des Vertriebsmanagements

49

Im Handelsbereich hat allerdings die nach Meinung vieler Experten weiter voranschreitende Bündelung der Marktmacht zentrale Bedeutung. Diese Entwicklung geht zu Lasten der mittelständischen Unternehmen und der von ihnen eingegangenen Kooperationen, zumal die Großen des Handels in einem stagnierenden Markt überwiegend durch externes Wachstum, d.h. durch Aufkäufe von Unternehmen, expandieren.1^ Auf diese veränderte Handelsstruktur sowie auf alle anderen in Abb. 2.6. beispielhaft aufgeführten Strömungen muß nach einer gründlichen Analyse und Beurteilung der den Wandel auslösenden Faktoren mit entsprechenden Maßnahmen reagiert werden. Da Vertriebsleiter indessen die externe Entwicklung, zumindest was die Makro-Umwelt betrifft, als Datum für ihr Handeln betrachten müssen, steht ihnen zumeist nur der Weg offen, die Vertriebskonzeption an die veränderten unternehmensexternen Rahmenbedingungen anzupassen.2^

2.4.2. Unternehmensinteme Rahmenbedingungen Kurzfristig betrachtet sind auch unternehmensinterne Gegebenheiten nur sehr schwer modifizierbar.In modellhafter Betrachtung können diese den betrieblichen Funktionen Beschaffungs-, Produktions-, Finanz-, Personal- und Informationswirtschaft zugerechnet werden.4^ Darüber hinaus begrenzen unternehmenspolitische Entscheidungen, wie z.B. solche hinsichtlich Standort, Rechtsform, Veränderung der Unternehmensgröße (z.B. durch Fusion), aber auch Vorgaben der Muttergesellschaft bzw. Zentrale den Handlungsspielraum des Vertriebsmanagements. Wie in Abschn. 2.3.2.2. anläßlich der Diskussion des Aufgabenbereiches "Mitwirkung bei der Entwicklung von Marketingstrategien" deutlich wurde, schaffen marketingstrategische Überlegungen vor allem dann Rahmenbedingungen für das Vertriebsmanagement, wenn der Vertrieb dem Marketing bzw. Produktmanagement hierarchisch untergeordnet ist. Insofern verkörpern für den Vertriebsleiter alle mit der Markenbildung

1) Vgl. o.V. (1989c), S. 466. Als eine Konsequenz des Konzentrationsprozesses hat sich beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel die Anzahl der Großhandelsunternehmen zwischen 1979 und 1985 um etwa 15 % verringert. Vgl. Dude (1989), S. 20. 2) Dies könnte sich z.B. in der quantitativen und/oder qualitativen Anpassung der Vertriebsorganisation konkretisieren. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 2.3.2.2. 3) Beispielsweise begrenzt aus kurzfristiger Sicht die personelle Ausstattung im Verkauf einer Unternehmung die Intensivierung der Vertriebsbemühungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Gleichwohl kann ein in der personellen Sphäre einer Unternehmung liegender Engpaß durch entsprechende Maßnahmen z.B. der Personalbeschaffung und -entwicklung mittel- bis langfristig beseitigt werden. 4) Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 627.

2. Vertriebsmanagement und Markenpolitik

50

einhergehenden Maßnahmen1^ Orientierungspunkte. Aufgrund der Gate keeper-Funktion des Handels sollten jedoch markenpolitische Entscheidungen immer, d.h. unabhängig von der hierarchischen Stellung von Vertrieb und Produktmanagement, in Abstimmung mit den zuständigen Vertriebsmanagern getroffen werden.2^ Abschließend sei an dieser Stelle noch erwähnt, daß eine Änderung der bestehenden Vertriebskonzeption bzw. -organisation meist nur langfristig und mit erheblichem Aufwand an Know how und finanziellen Mitteln möglich ist. Man denke nur an die Schwierigkeiten, die mit -

dem Übergang von einer indirekten zu einer direkten Vertriebskonzeption oder

-

der Modifikation des Kreises der belieferten Absatzmittler (selektive Vertriebsstrategie)

verbunden sind. Dazu zählen u.a. Probleme, die mit dem Aufbau eines qualifizierten Außendienstes, der Entwicklung einer leistungsfähigen distributionslogistischen Struktur und der Ausräumung rechtlicher Schwierigkeiten einhergehen. Gerade der zuletzt genannte Aspekt kann, wie das Beispiel Telefunken zeigt, in einer bestimmten Konstellation zu einem zentralen Erfolgsfaktor für das Vertriebsmanagement werden. Die hier erfolgte optimale Verzahnung von Marketingüberlegungen und rechtlichen Bestimmungen bildet den Garant dafür, daß sich Telefunken dem herrschenden Preiswettbewerb entziehen kann. ' Trotz der Fülle relevanter gesetzlicher Regelungen, die alle Bereiche des Marketing tangieren, wird in der wissenschaftlichen Literatur ein Marketing-Rechts-Management jedoch erst seit Mitte der achtziger Jahre propagiert.4^

2.5. Zusammenfassung In Abb. 2.7. findet sich eine Synopse der wichtigsten Aspekte des Vertriebsmanagements bei Markenartikelherstellern. Die dort aufgezeigten Zusammenhänge fließen in Abschn. 4. in die Überlegungen ein, die im Rahmen der empirischen Überprüfung der MarketingOrientierung von Vertriebsleitern angestellt werden.

1) Vgl. die Ausführungen in den Abschn. 2.1. und 2.2. 2) Diese grundsätzliche Überlegung güt auch für Markenartikelhersteller, die ihre Produkte direkt an Endverbraucher vertreiben; denn auch hier müssen die im unmittelbaren Kundenkontakt gesammelten Erfahrungen in den Markenstrategiebildungsprozeß einbezogen werden. 3) Zur kartellrechtlichen Problematik der Vertriebskonzeption von Telefunken nimmt Buerke (1988), S. 173 ff., Stellung. 4) Vgl. hierzu Müllerschön (1986), der sich mit Fragen der Marketing-Rechts-Forschung befaßt, sowie Ahlert (1988), der einen umfassenden Bezugsrahmen für ein Marketing-Rechts-Management entwirft.

2.5. Zusammenfassung

51

A b b . 2.7.: Rahmenbedingungen, Ziele und Aufgaben des Vertriebsmanagements

Rahmenbedingungen

V e r ä n d e r u n g genereller

Ziele des Vertriebsmanagements

Erhöhung des Deckungsbei-

Aufgaben des Vertriebsmanagements

Mitwirkung bei der Entwicklung von Marketing Strategien

Rahmenbedingungen Veränderung aufgabenspezifischer Rahm enbe-

Senkung von Vertriebskosten Entwicklung einer innovativen Vertriebskoiizeption Entlastung der Außendienstmitarbeiter von administrativen Aufgaben

Unternehmen sinteme Rahmenbedingungen Untemehmen spolitik Kosten- und Organisa tioiisstruktur Beschaffungswirtschaft Produktion swiitsch aft Finanzwirtschaft PersonalWirtschaft Informationswirtschaft Marketing - Entscheidungen i m Rahmen der Maikenbildung - Bestimmung von Zielgruppen und Auswahl von Märkten - Generierung von Marktbearbeitungsstrategien - Strategieadäquate Gestaltung absatzpolitischer Instrumente

Kundenmanagement

Erhöhung der gewichteten Distributionsquote Rasche Diffusion neuer Produkte Erhöhung des Marktanteils Gestaltung effizienter Verkauf sfördeiungsmaßn ahmen Erhöhung der Verbraucher-

Langfristige Bindung von Handelsunternehmen an das Unternehmen

Führung des Vertriebsbereichs - Gestaltung der Vertriebskonzeption - Implementierung der Ver-

3. D I E KONZEPTUALISIERUNG DER MARKETINGORIENT I E R U N G V O N VERTRIEBSLEITERN AUS BETRIEBSW I R T S C H A F T L I C H E R UND VERHALTENSWISSENSCHAFTLICHER SICHT Das Ziel der Diskussion in diesem Teil der Untersuchung besteht in der Analyse ausgewählter Forschungsansätze, Theorien und Instrumente, die zur theoretischen Fundierung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern geeignet erscheinen.1^ Da die vertriebspolitisch relevanten Aspekte der Thematik Gegenstand von Abschn. 2. waren, sollen im folgenden Vorgehensweise und Relevanz der für tragfähig erachteten Ansätze, Theorien und empirischen Befunde aus betriebswirtschaftlichen und verhaltenswissenschaftlichen Forschungsrichtungen behandelt werden. Wenngleich hierbei vertriebspolitische Überlegungen nicht im Zentrum der Argumentation stehen, interessieren diese immer dann, wenn Schlußfolgerungen hinsichtlich der theoretischen Fundierung des Schlüsselkonstruktes zu ziehen sind. Nachfolgend sollen zunächst Auswahl und Interdependenz der dieser Arbeit zugrunde gelegten theoretischen Erklärungsansätze begründet und skizziert werden.

3 . 1 . Eignung und Interdependenz der zugrunde gelegten theoretischen Erklärungsansätze Da bislang keine Studien vorliegen, die sich in fundierter Weise theoretisch und/oder empirisch mit der Marketingorientierung von Vertriebsleitern auseinandersetzen, muß die Untersuchung Pionierarbeit leisten, indem sie aussagefahige theoretische Ansätze aufgreift und ihre Transferierbarkeit diskutiert. Wie bereits in Abschn. 1. dargelegt, spielen hierbei nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse eine Rolle. Bei der Identifikation geeigneter Theorien und konkreter Erklärungsansätze geht es zunächst darum, Konzepte zu finden, die dazu beitragen können, die Ursachen des wirtschaftlichen Erfolges bzw. hoher Leistung sowohl von Unternehmen als auch von Individuen zu erklären. Da die Analyse der dabei maßgeblichen Variablen den Kern der 1) Vgl. zum theoretischen Bezugsrahmen der Untersuchung Abb. 1.2.

3.1. Zugrunde gelegte theoretische Erklärungsansätze

53

sog. Erfolgsfaktorenforschung bildet, wird dieser Forschungsansatz, der seit Anfang der 80er Jahre in der Betriebswirtschaftslehre zunehmend Beachtung findet, als mögliche theoretische Basis betrachtet und in Abschn. 3.2. erörtert Zu fragen ist hier insbesondere danach, inwiefern die bislang vorliegenden Erfolgsfaktorenstudien inhaltlich, aber auch methodisch zur Konzeptualisierung der Marketingorientierung von Vertriebsleitem beizutragen vermögen.1^ Ohne dieser Analyse vorweggreifen zu wollen, ist indessen bereits an dieser Stelle festzuhalten, daß die Erfolgsfaktorenforschung zumeist auf die Unternehmens- oder Geschäftsfeldebene abzielt und sich nicht der Ableitung von Erfolgsfaktoren für bestimmte hierarchische Positionen oder Mitarbeiterkategorien zuwendet. Infolgedessen kann diese Forschungsrichtung nur indirekt Ansatzpunkte für die Operationalisierung der hier zur Diskussion stehenden Leistungsdimension von Vertriebsleitern liefern. Da jedoch nahezu alle Studien die herausragende Bedeutung des Humankapitals und speziell der Managementqualität für den Unternehmenserfolg akzentuieren, erscheint eine vertiefte Betrachtung dieser Materie zweckmäßig. Um ein umfassendes Konzept zur theoretischen Fundierung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern entwickeln zu können, müssen deshalb weitere Forschungsansätze und Theorien berücksichtigt werden. Zurückgegriffen wird dabei auf Erkenntnisse, die traditionell zur Erfassung und Erklärung des Erfolges von Individuen, und zwar in erster Linie von Führungskräften, herangezogen werden. Konkret werden wir persönlichkeitstheoretische (Abschn. 3.3.1.) und motivationstheoretische Befunde (Abschn. 3.3.2.) heranziehen. Bei deren Diskussion steht die Frage im Vordergrund, inwieweit diese verhaltenswissenschaftlichen Forschungsrichtungen Determinanten der Leistung untersuchen, die auch für die Operationalisierung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern Relevanz besitzen. Konzeptionelle Überlegungen sowie empirische Befunde hinsichtlich der Gestaltung ausgewählter personalwirtschaftlicher Instrumente (Stellenbeschreibung, Stellenanzeige und Leistungsbeurteilung) bilden den Bezugspunkt der Ausführungen in Abschn. 3.4. Durch diese Vorgehensweise wird ein interdisziplinäres theoretisches Fundament für die empirische Untersuchung der Marketingorientierung geschaffen, das sich sowohl durch erkenntnislogische als auch methodische Vielfalt auszeichnet. Nachfolgend soll nun zunächst die Erfolgsfaktorenforschung behandelt werden.

1) Siehe hierzu Abschn. 3.2.3.

54

3. Konzeptualisiening der Maiketingorientiening von Vertrìebsleitern

3 . 2 . Die Marketingorientierung als Gegenstand der Erfolgsfaktorenforschung 3.2.1. Methodologische Besonderheiten der Erfolgsfaktorenforschung Die aktuelle, von einer Vielzahl an Publikationen getragene Diskussion über die Vorhersagbarkeit und die Gestaltbarkeit des unternehmerischen Erfolgs leidet unter einem Mangel an terminologischem und methodologischem Konsens. Bisweilen synonym und ein anderes Mal differenziert gebrauchte Begriffe wie "kritische Faktoren", "Engpaßfaktoren", "Schlüsselfaktoren", "Wettbewerbsvorteile", "strategische Variablen", "strategische Prinzipien" oder "strategische Erfolgsfaktoren" beherrschen die Auseinandersetzung um eine Denkhaltung, die als "back to the basics" bezeichnet werden könnte. Die Rückbesinnung auf den Kern betriebswirtschaftlicher Forschung gebietet sich auch deshalb, weil nach Meinung von Webster Marketing-Wissenschaftler dazu tendieren, sich in zunehmendem Maße isoliert stehenden, taktischen und viel zu speziellen Fragestellungen zuzuwenden und den zentralen Bereich, welche Faktoren über den Marketingbzw. Unternehmenserfolg entscheiden, zu vernachlässigen.1^ Beispielsweise hat sich die Marketingforschung in den letzten Jahren intensiv mit statistischen Verfahren und modelltheoretischen Überlegungen befaßt. Jedoch ist die Praxisrelevanz dieser Ansätze als sehr niedrig einzustufen. 2^ Das nachfolgende Zitat unterstreicht die derzeit vorzufindende selbstkritische Haltung verschiedener Marketing-Wissenschaftler noch: "The current atmosphere seems to suggest that a quantitative and scientific approach to management is not the most appropriate way for a manager to behave. Some people interpret that as the message of the popular book 'In Search of Excellence'."3^ Wenngleich damit nicht angedeutet werden soll, daß ein naiver, qualitativen Dimensionen huldigender Empirismus gegenüber einem theoriegeleiteten empirischen Vorgehen präferiert werden soll, belegt und offenbart dieser Meinungsquerschnitt doch ein Forschungsdefizit. Dieses besteht weniger in der Vernachlässigung bestimmter Forschungsfelder als vielmehr darin, daß sich die Marketing-Wissenschaft bislang kaum mit Problemen beschäftigt, die mit der Implementierung von neuen Erkenntnissen und Methoden (neuere Verfahren der Marktforschung, marketingbezogene Expertensysteme etc.) in betriebliche Aufbau- und Ablauforganisationen einhergehen. Hinzu tritt das Fehlen eines tragfähigen Paradigmas, das die Integration der vielen Facetten und

1) Vgl. Webster (1981), S. 10. Ähnlich auch Day/Wind (1980), S. 7 f. 2) "Die Praktiker in den Wirtschaftsunternehmen monieren, daß die Marktforscher vielfach ... einen lebensfremden Methodenpluralismus kultivieren..." Koschnik (1986), S. 504. 3) Garber (1984), S. 10.

3.2. Marketingarientierung als Gegenstand der Erfolgsfaktorenforschung

55

Strömungen hoch spezialisierter Marketingforschung in einen allgemein akzeptierten methodologischen Bezugsrahmen erlaubt. Die Suche nach strategischen Erfolgsfaktoren könnte ein die Integration verschiedener Sichtweisen des Marketing förderndes Erfahrungsobjekt bilden (von einem neuen Paradigma zu sprechen, wäre angesichts der noch zu erörternden Schwächen dieser Forschungsrichtung sicherlich fehl am Platz), das auch die Einbindung der Marketing-Disziplin in den Fächerkanon der Betriebswirtschaftslehre zu gewährleisten vermag.1^ Fraglos zeichnen viele Faktoren dafür verantwortlich, ob sich ein Unternehmen am Markt durchsetzen kann. Beispielsweise spielen unternehmensinterne Bedingungen wie Energieund Rohstoffversorgung, Finanzkraft und Humanpotential eine ebenso wichtige Rolle wie unternehmensexterne Variablen in Gestalt von wirtschaftspolitischen Eingriffen, Maßnahmen von Wettbewerbern etc.2^ Die systematische Analyse aller in Frage kommenden Determinanten des Unternehmenserfolgs und ihre qualitative und/oder quantitative Komprimierung führen zur Extraktion strategischer Erfolgsfaktoren. Hierunter werden im folgenden solche Determinanten oder Konstrukte verstanden, die den Erfolg unternehmerischen Handelns entscheidend beeinflussen und nicht kurzfristig gestaltbar sind.3-* Strategische Erfolgsfaktoren erlauben es, erfolgreiche von erfolglosen Unternehmen zu unterscheiden, sind langfristig wirksam und können sowohl dem innerals auch dem außerbetrieblichen Umfeld entstammen. Die Ausprägungen aller derzeit für ein Unternehmen relevanten strategischen Erfolgsfaktoren bestimmen somit dessen Wettbewerbs· bzw. Erfolgsposition, wohingegen die Optimierung sämtlicher strategischer Erfolgsfaktoren dessen Erfolgspotential (d.h. die Entwicklungsgrenze eines Unternehmens)4^ definiert. Der angesprochene Begriffswirrwar und die konzeptionelle Heterogenität der Erfolgsfaktorenstudien erfordern den Entwurf einer Systematik, anhand derer die einzelnen Ansätze klassifiziert und bewertet werden können.5^ Die in Abb. 3.1. enthaltene Struk1) Zum Objektbereich des Marketing siehe die Debatte, die von Schneider (1983), S. 197 ff., angeregt wurde. Vgl. hierzu auch die Entgegnung von Dichtl (1983), S. 1066 ff. 2) Vgl. z.B. Albach (1984), S. 56 ff.; Baur (1978); Drucker (1984); Gälweiler (1976), S. 362 ff.; Krystek (1981). 3) Vgl. Dunst (1983), S. 65; Grimm (1983), S. 26; Patt (1988), S. 6 ff.; Seibert (1987), S. 9; Steiner (1968), S. 2. 4) Zur GAP-Analyse, der die Terminologie entlehnt wurde, siehe Kreikebaum (1987), S. 41 ff. 5) Im folgenden wird ausschließlich auf betriebswirtschaftliche Erfolgsfaktorenstudien rekurriert. Auf volkswirtschaftliche Erfolgsfaktorenstudien (vgl. Glissmann/Horn (1977); Fels (1982), S. 8 ff.) wird hingegen nicht eingegangen. Sie fließen aber insofern in die Argumentation ein, als mancher betriebswirtschaftliche Erklärungsansatz auf nationalökonomische Konzepte zurückgreift (vgl. beispielsweise Albach (1984), S. 56 ff., der sich an von Schumpeter angestellte Überlegungen anlehnt). Diese Verbindung wird auch im "Bericht zur nationalen Wettbewerbsfähigkeit" des Europäischen Management Forum (vgl. o.V. (1985b), S. 1) und beim MIfo-Innovationstest M (vgl. Schmalholz/Scholz (1984), S. 18 ff.) deutlich.

56

3. Konzeptualisieng der Maketingorientieng von Vertrebsleitern

turierung soll das in der Literatur vorzufindende Defizit, die Erfolgsfaktorenforschung in einen methodologischen Rahmen einzubinden, beheben. 1 ) Abb. 3.1.: Bezugsebenen der Erfolgsfaktorenforschung KRITERIUM

AUSPRÄGUNG

Untersuchungsgegenstand ^

• Volkswirtschaft • Wirtschaftszweig • Strategische Gruppe • Unternehmen • Geschäftsfeld bzw. Produktgruppe •Produkt

Analysemethode

• Global-direkt vs. analytisch-indirekt2* • Qualitativ (Analyse weniger Fälle) vs. quantitativ (statistische Analyse einer Vielzahl von Objekten) • Längsschnitt- vs. Querschnittsuntersuchung

Informationsquellen

• Unternehmens- und/oder Marktdaten • Urteile von Mitarbeitern (meist Führungskräften), Kunden, Konkurrenten und/oder Experten

Meßebene3) - Erfolgsindikator(en)

• Anzahl der einbezogenen Erfolgsindikatoren (uni-, bi-, multidimensionale Erfolgsmessung) • Art der einbezogenen Erfolgsindikatoren (z.B. finanzwirtschaftliche, marketingpolitische Kenngrößen)

- Strategische Erfolgsfaktoren

• Anzahl der extrahierten Erfolgsfaktoren • Art der extrahierten Erfolgsfaktoren (z.B. quantitative vs. qualitative Kenngrößen)

Legende: 1) Prinzipiell ließe sich dieser Bereich noch nach der geographischen Komponente weiter differenzieren (globale, multinationale und nationale Studien). Hierauf soll jedoch an dieser Stelle verzichtet werden, da im (inter-)nationalen Bereich zumeist volkswirtschaftliche Fragen im Vordergrund stehen. 2) Bei der global-direkten Methode werden Führungskräfte beispielsweise danach gefragt, welche Variablen aus einer Liste vorgegebener Möglichkeiten ihrer Meinung nach strategische Erfolgsfaktoren darstellen (so z.B. bei Hoffmann (1986), S. 831 ff.). 3) Erfolgsindikatoren und strategische Erfolgsfaktoren bilden die untersuchten Größen, wobei erstere die abhängigen und letztere die unabhängigen Variablen darstellen (Erfolgsindikator(en) = f (strategische Erfolgsfaktoren)). B e i der Systematisierung von Erfolgsfaktorenstudien besitzt die unterschiedliche Definition von Erfolg, die den einzelnen Ansätzen zugrunde l i e g t , e i n e besondere Bedeutung. Begreift man darunter das durch die Erreichung bestimmter Ziele definierte Ergebnis der Geschäftstätigkeit von Unternehmen, 3 ^ so besteht prinzipiell die Möglichkeit, Erfolg in bezug auf seine 1) Vgl. Fritz (1990), der sich kritisch mit der empirischen Erfolgsfaktorenforschung auseinandersetzt, und u.a. 39 Studien vergleichend analysiert. 2) Vgl. hierzu Anhang Β und Abb. 3.2. 3) Deswegen stellen die Erfolgsindikatoren im Kern nichts anderes als Unternehmensziele dar. Vgl. hierzu Rockart (1979), S. 81 ff.

3.2. Marketingrientierung als Gegenstand der Erfolgsfaktorenforschung

57

- Meßbarkeit (quantitative vs. qualitative Erfolgsindikatoren), - Fristigkeit (kurzfristige, mittelfristige und langfristige Erfolgsindikatoren) und - inhaltlichen Bezugspunkte (z.B. finanzielle, kostenbezogene, marketingorientierte, personalwirtschaftliche Erfolgsindikatoren) unterschiedlich zu operationalisieren. Aufgrund dieser begrifflichen und damit einhergehenden konzeptionellen Heterogenität verwundert es nicht, daß in den einzelnen Studien jeweils verschiedenartige Erfolgsindikatoren als abhängige Variablen eingesetzt wurden. Nicht zuletzt deshalb identifizieren die jeweiligen Autoren unterschiedliche strategische Erfolgsfaktoren. ^ Durch die von manchen Autoren bewußt und von anderen unbewußt vorgenommene Kombination der in Abb. 3.1. aufgeführten Ausprägungen der einzelnen Kriterien werden der mangelnde Konsens über das Forschungsfeld und die Problematik einer vergleichenden Analyse der Befunde verschiedener Studien weiter verschärft. Beispielsweise leiten Clifford/Cavanagh strategische Erfolgsfaktoren aus einer sich über fünf Jahre erstreckenden sowohl quantitativen als auch qualitativen Analyse mittelgroßer amerikanischer Unternehmen ab.2^ Demgegenüber geht Hoffmann so vor, daß er Managern aus zehn großen und sieben mittelständischen Unternehmen aus verschiedenen Industriezweigen einen Katalog von Variablen mit der Aufforderung vorlegt, diejenigen davon zu kennzeichnen, die nach der Meinung der Probanden als derzeit wirksame strategische Erfolgsfaktoren gelten müssen.3^ Wie man unschwer erkennen wird, divergiert die diesen beiden Studien eigene, hier nur angedeutete methodologische Erkenntnisbasis erheblich. Infolgedessen sind die Untersuchungsbefunde, nämlich die ermittelten strategischen Erfolgsfaktoren, lediglich unter großen Vorbehalten miteinander vergleichbar. Dennoch wollen wir nachfolgend den Versuch wagen, zentrale Erkenntnisse dieser Forschungsrichtung herauszuarbeiten.

3.2.2. Zentrale Befunde der Erfolgsfaktorenforschung Im Rahmen dieser Untersuchung kann es nicht darum gehen, einen vollständigen Überblick über alle bislang publizierten Erfolgsfaktorenstudien zu geben. Gleichwohl war es unser Bestreben, möglichst viele solcher Studien vergleichend zu analysieren, die als be1) Vgl. die detaillierte Beschreibung von 35 Erfolgsfaktorenstudien in Anhang Β und deren Komprimierung in Abb. 3.2. 2) Vgl. Clifford/Cavanagh (1986). 3) Vgl. Hoffmann (1986), S. 831 ff.

58

3. Konzeptualisieng der Maketingorientieng von Vertrebsleitern

triebswirtschaftliche Erfolgsfaktorenstudien mit empirischem Bezug gelten. ^ Abb. 3.2. enthält die Ergebnisse der vergleichenden Analyse in stark komprimierter Form 2^ und verdeutlicht zugleich die Vielfalt sowie die Heterogenität der durch die Erfolgsfaktorenforschung zutage geförderten Erkenntnisse. In Abb. 3.2. werden die herangezogenen Erfolgsindikatoren und die identifizierten strategischen Erfolgsfaktoren in zwei Kategorien eingeteilt, und zwar in quantitative bzw. harte und qualitative bzw. weiche Kenngrößen. Mit Blick auf die Ziele dieser Untersuchung gehen wir dabei so vor, daß nicht alle von den einzelnen Autoren extrahierten strategischen Erfolgsfaktoren aufgeführt werden, sondern nur jene, die enge Berührungspunkte zum Marketing oder zur Personalpolitik aufweisen. Bevor wir die in Abb. 3.2. enthaltenen Befunde kritisch würdigen, muß darauf hingewiesen werden, daß die Zuordnung der in Anhang Β detailliert beschriebenen Erfolgsindikatoren und Erfolgsfaktoren zu den in Abb. 3.2. aufgeführten Variablen nicht unproblematisch erscheint. Dies liegt u.a. auch an der manchmal recht eigenwilligen Terminologie, die in den Erfolgsfaktorenstudien Verwendung findet (z.B. straff-lockere Führung gemäß der berühmt gewordenen Studie von Peters/Waterman). Bei allem Bemühen war es nicht möglich, die Vielzahl der in Anhang Β aufgeführten Variablen in eine trennscharfe Systematik zu pressen (z.B. überschneidet sich der Inhalt der Ebenen Managementqualität und Humankapital). Insofern enthält Abb. 3.2. Überschneidungen, die aber zugleich Einblick in das Erfahrungsobjekt der Erfolgsfaktorenforschung gewähren. Schließlich sei die teilweise vorhandene Widersprüchlichkeit der Ergebnisse der verschiedenen Studien nicht verhehlt. Beispielsweise ermittelt Albach eine geringe Produktinnovationsrate als strategischen Erfolgsfaktor, während die Industriekreditbank AG Deutsche Industriebank eine hohe Produktinnovationsrate als maßgeblich für hohen Erfolg proklamiert 3^ Probleme bereiten zudem diejenigen Studien, die entweder nichts zu den zugrunde liegenden Erfolgsindikatoren mitteilen oder deren Autoren nicht explizit zwischen unabhängigen (= strategische Erfolgsfaktoren) und abhängigen (= Erfolgsindikatoren) Variablen unterscheiden.4^

1) Erfolgsfaktorenstudien, die keinen empirischen Bezug aufweisen (vgl. z.B. Dunst (1983), S. 65 ff.), wurden nicht berücksichtigt Zur methodischen Vorgehensweise der einzelnen Studien siehe Anhang B. 2) Vgl. Anhang B. 3) Vgl. Albach (1984), S. 56 ff., und Industriekreditbank AG Deutsche Industriebank (1984), S. 13 ff. 4) Vgl. z.B. Applebee/Nitzberg (1964), zitiert nach Arnold/Capella/Smith (1983), S. 43 ff.; Hoffmann (1986), S. 831 ff.; Nagel (1986); Rockart (1979), S. 81 ff., und Tietz (1986), S. 18 ff. Wären strenge modelltheoretische Anforderungen an die Erfolgsfaktorenforschung zu stellen, müßten derartige Studien ausgeschlossen werden.

3.2. Maketingrenterung als Gegenstand der Erfolgsfaktorenforschung

59

Abb. 3.2.: Befunde der Erfolgsfaktorenforschung

Quantitative bzw. harte Variablen

Qualitative bzw. welche Variablen

Erfolgsindikatoren

Wirksame

Umsatz Gewinn Gesamtkapltalrentabllltftt Umsatzrendite Eigenkapltalrentabllltit Vermögen (Umlauf-und Anlagevermögen) Cash Flow R e l a t i o n z w i s c h e n M a r k t · und B u c h w e r t der U n t e r n e h m u n g Produktivität Marktanteil Höhe des Eigenkapitals Marktwert bzw. Aktienkursentwicklung Anzahl der Beschäftigten Deckungsbeitrag Exportumsatz Preisniveau Gewinn pro Mitarbeiter Investitionsvolumen Bruttogewinn abzüglich Einzelkosten Return on Investment Nettowertschöpfung

Markttingb«oggng strategische Erfrigsfatoqren

Bestand der Unternehmung Kundenzufriedenheit Zufriedenheit der Aktionäre Anerkennung als führendes Unternehmen im Wirtschaftszweig Reputation in der Öffentlichkeit Fähigkeit, Preiserhöhungen durchzusetzen Bewertung des Unteraehmenserfolgs durch ein Expertenrating Innovationskraft Gewinnpotential Risiko Anpassungsfähigkeit des Unternehmens Qualität des Angebots Leistungspotential des Managements Technologisches Know how Reaktionsfähigkeit des Unternehmens

strategische

Erfolgsfaktoren

Marktstruktur Preispolitik Anbieterkonzentration Produktinnovationsrate Marktwachstum Außenwirtschaftliche Verflechtung Werbeintensität des Industriezweiges Marketingaufwand in Relation zum Umsatz Vertrieb saufwand Anzahl der Marken Auftragsgrößenstruktur Zeitpunkt des Markteintritts

Strategisch? Erfolgsftürtorca mit pctspmIAnzahl der Beschäftigten Grad der gewerkschaftlichen Organisierung der Mitarbeiter Relation zwischen Personalkosten und Ertrag Anzahl ehemaliger Arbeitgeber von Managern Marketinybezoyene strategische Erfolgsfaktoren S t r a t e g i s c h e A u s r i c h t u n g des U n t e r n e h m e n s N e u h e i t s c h a r a k t e r des A n g e b o t s Unternehmenskultur Kundennlhe Produktqualitit S t r u k t u r des A n g e b o t s Service/Kundendienst Marktforschung Marketlng-/Vertrlebslelstung P r ä s e n t a t i o n des A n g e b o t s Beziehungsmanagement zu M a r k t p a r t n e r n Standardisierungsgrad des Angebots Marktnahes Informations- und Kommunikationssystem Distributionsstrategie Standort Marktattraktivität Einschätzung der Marktanteilsaitwicklung

Strategische Erfolgsfaktoren mit personal-

Managementqualität Förderung und Motivation der Mitarbeiter Psychographische Merkmale von Führungskräften Qualifikation der Führungspersönlichkeit an der Untemehmensspitze Humankapital Qualifikation der Mitarbeiter

U m diejenigen Variablen herauszuarbeiten, welche die Diskussion in der Erfolgsfaktorenforschung dominieren, sind in Abb. 3.2. die in mehr als drei Studien herausgestellten Kenngrößen fett markiert. Den am häufigsten analysierten Erfolgsindikator bildet demnach der Umsatz. Obgleich es durchaus Situationen geben mag, in denen dieser Erfolgsmaßstab nicht einer gewissen Logik entbehrt (z.B. im Rahmen der Erschließung neuer Märkte oder beim Eintritt in ausländische Märkte), muß diese Schwerpunktsetzung unter betriebswirtschaftlichem Blickwinkel als fragwürdig erscheinen. Auch die von zwei

60

3. Konzeptualisieng der Maketingorientiening von Vertrebsleitern

Autoren als Maßgröße für betrieblichen Erfolg herangezogene Anzahl der Beschäftigten, die im übrigen von einem anderen Autor als strategischer Erfolgsfaktor betrachtet wird, belegt die Schwächen dieser Forschungsrichtung, was die Operationalisierung von Erfolg anbetrifft. Die nächsten Rangplätze auf der Häufigkeitsskala nehmen dicht nach Umsatz Gewinn, Gesamtkapitalrentabilität und Umsatzrendite ein. Wie aus Abb. 3.2. weiter hervorgeht, prägen eindeutig quantitative bzw. harte Erfolgsindikatoren das Bild, wobei vor allem finanzwirtschaftliche Merkmale im Vordergrund des Forschungsfeldes stehen. Demgegenüber dominieren qualitative bzw. weiche Kenngrößen die identifizierten strategischen Erfolgsfaktoren. Die strategische Ausrichtung des Unternehmens, der Neuheitscharakter des Angebots, die Unternehmenskultur und die Kundennähe stellen die Faktoren mit Marketingbezug dar, die oft abgeleitet werden. Bei den in Abb. 3.2. aufgeführten Erfolgsdeterminanten mit personalpolitischer Orientierung ergibt sich nahezu eine gleich niedrige Anzahl von Nennungen, wobei die Managementqualität noch am häufigsten auftritt. Hinsichtlich derjenigen Faktoren, die als harte Erfolgsdeterminanten gelten, springt die Akzentuierung überbetrieblicher Sachverhalte ins Auge (Marktstruktur, Anbieterkonzentration, Marktwachstum, außenwirtschaftliche Verflechtung des Industriezweiges, Werbeintensität des Industriezweiges). Infolgedessen sollten innerhalb des Marketing diese volkswirtschaftlichen Größen bei der Planung der Markenstrategie entsprechende Beachtung finden. Angesichts der Heterogenität der in Abb. 3.2. skizzierten Befunde überrascht, daß nahezu alle Autoren dieser Studien dieselben Anliegen verfolgen, die sich wie folgt konkretisieren: - Entwicklung eines in sich geschlossenen Systems weniger Faktoren, das es der Unternehmensleitung ermöglichen soll, ihr Erfolgspotential optimal auszuschöpfen (effiziente Unternehmensführung als Oberziel der Erfolgsfaktorenforschung),^ - Unterstützung bei der Fixierung von Zielen und der optimalen Gestaltung von Strategien,2^ - Verbesserung des Informationsmanagements durch Eindämmung der Informationsflut und Ausrichtung des Informationsbedarfs sowie des Informationssystems an den identifizierten strategischen Erfolgsfaktoren,

1) Vgl. z.B. Buzzell/Gale (1989); Peters/Waterman (1984); Pümpin (1982). 2) Vgl. z.B. Albach (1984), S. 56 ff.; Harrigan (1980); Leidecker/Bruno (1984), S. 23 ff. 3) Vgl. Rockart (1979), S. 81 ff.

3.2. Marketingrientierung als Gegenstand der Erfolgsfaktorenforschung

61

- Entwicklung und Verbesserung von Planungs-, Kontroll- und Steuerungssystemen mit der Maßgabe der Entschärfung des Konflikts zwischen operativen und strategischen Überlegungen einerseits sowie zur optimalen Allokation von Ressourcen andererseits1^ und - Konzipierung bzw. Optimierung von wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen.2^ Die Autoren der einzelnen Erfolgsfaktorenstudien greifen auf zum Teil völlig verschiedene Theorien und Forschungsansätze zurück (vgl. Abb. 3.3.), was, wie Leidecker/Bruno nachweisen, dazu geführt hat, daß eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken bzw. Methoden zur Identifikation strategischer Erfolgsfaktoren herangezogen wird. 3^ Der Bogen spannt sich hierbei von einer Umwelt-, Industriezweig- und Wettbewerberanalyse bis hin zu Beurteilungen von Experten, der Analyse der dominanten Unternehmung im relevanten Markt oder einer detaillierten quantitativen Analyse mit Hilfe der PIMSDatenbank. Die in Abb. 3.3. vorgenommene Zuordnung erscheint unter zwei Gesichtspunkten problematisch. Einerseits bereitet die Systematisierung der als theoretischer Bezugsrahmen dienenden Erklärungs- und Forschungsansätze große Schwierigkeiten. 4^ Andererseits greifen einige Autoren ganz bewußt auf mehrere Theorien zurück,5^ während andere in ihren Ausführungen keine theoretische Basis erkennen lassen. Gleichwohl verdeutlicht Abb. 3.3. das breite methodologische Spektrum, das der Erfolgsfaktorenforschung in ihrer Gesamtheit zugrunde liegt Allerdings erstaunt der Umstand, daß keine der hier analysierten Studien explizit auf die empirische Zielforschung eingeht.6^ Dies erscheint um so problematischer, als es damit der Auswahl und der Bestimmung von Erfolgsindikatoren an der notwendigen theoretischen bzw. empirischen Basis mangelt. Lediglich Rockart definiert als Erfolgsindikatoren die Ziele der untersuchten Organisationen, allerdings ohne diese jemals 7)

konkret zu nennen. 1) Vgl. beispielsweise Rockart (1979), S. 81 ff., und Töpfer (1984), S. 49 ff. 2) Vgl. z.B. Albach/May-Strobl (1986), S. 84 ff., und Dichtl/Köglmayr/Müller (1986), S. 1064 ff., die öffentliche Förderungsprogramme (erstere Existenzgründungsprogramme und letztere Exportförderungsmaßnahmen) kritisch bewerten. 3) Vgl. Leidecker/Bruno (1984), S. 26. Siehe hierzu die Ausprägungen der Kriterien "Analysemethode" und "Informationsbasis" in Abb. 3.1. 4) Beispielsweise existiert keine trennscharfe Abgrenzung zwischen der Theorie der Unternehmensentwicklung und der Innovationsforschung. 5) So z.B. Seibert (1987). Seibert erfüllt somit, ohne dies explizit herauszustellen, ein Prinzip der Aktionsforschung, nach dem auf einer breiten methodologischen Basis gearbeitet werden soll. Vgl. zur Aktionsforschung Kirsch (1984), S. 773 ff. 6) Vgl. hierzu Fritz et al. (1985), S. 375 ff. 7) Vgl. Rockart (1979), S. 81 ff.

62

3. Konzeptualisieng der Maketingorientieng von Vertrebsleitern

Abb. 3.3.: Theoretischer Bezugsrahmen ausgewählter Erfolgsfaktorenstudien Theoretischer Bezugsrahmen

Erfolgsfaktorenstudie



Harrigan (1980); Hauschildt (1983), S. 142 ff.; Krüger (1988), S. 29 ff.



Krisenmanagement/Insolvenzforschung

Industriekreditbank AG Deutsche Industriebank (1984), S. 13 ff.



Technological Forecasting/ Früherkennung

Rockart (1979), S. 81 ff.



Kontingenztheorie

Peters/Waterman (1984); Seibert (1987)



Human Relations/Persönlichkeitstheorie

Albach (1984), S. 56 ff.; Albach/Bock/Wamke (1984), S. 779 ff.



Theorie der Unternehmensentwicklung

Ohlson (1985); Simon (1985), S. 943 ff.



Strategisches Management

Patt (1988); Töpfer (1984), S.49ff.



Organisationstheorie

Patt (1988); Schoeffler/Buzzell/Heany (1974), S. 137 ff., bzw. Buzzell/Gale (1989)



Wettbewerbstheorie/Industrieökonomik

Hayes/Clark (1986), S. 66 ff.









Produktionstheorie

Anmerkung: Einige Studien basieren auf einer breiten theoretischen Basis, indem sie mehrere der hier genannten Theorien in die Forschungskonzeption einbeziehen.

3.2.3. Die Relevanz der Erfolgsfaktorenforschung für die Konzeptualisierung des Konstruktes "Marketingorientierung von Vertriebsleitern"

Die Frage, worin die Relevanz der Erkenntnisse der Erfolgsfaktorenforschung für die Konzeptualisierung des Konstruktes "Marketingorientierung von Vertriebsleitern" besteht, soll in zwei Schritten beantwortet werden. Zunächst wird auf der inhaltlichen Ebene die Übertragbarkeit der abhängigen (Erfolgsindikatoren) und unabhängigen Variablen (strategische Erfolgsfaktoren) auf die vorliegende Problemstellung diskutiert. Danach steht die bei den einzelnen Studien verfolgte Untersuchungsmethodik im Blickpunkt des Interesses. Allerdings muß bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß sich die in diesem Abschnitt referierten Studien nicht explizit mit der Marketingorientierung von Vertriebs-

3.2. Marketingrientierung als Gegenstand der Erfolgsfaktorenforschung

63

leitern der Markenartikelindustrie befassen.1^ Gleichwohl akzentuieren manche davon in stärkerem Maße als andere marketingbezogene Sachverhalte. Deshalb stehen jene bei der Diskussion inhaltlicher Implikationen der Erfolgsfaktorenforschung im Mittelpunkt der Betrachtung.

3.2.3.1. Inhaltliche Implikationen Da sich der Unternehmenserfolg letztlich immer in finanzwirtschaftlichen Größen niederschlägt, erscheint die Konzentration der Erfolgsfaktorenforschung auf finanzwirtschaftliche bzw. bilanzbezogene Erfolgsindikatoren verständlich. Wie Abb. 3.2. zu entnehmen ist, rekurrieren die meisten Autoren auf Kriterien wie Umsatz, Gewinn, Gesamt- bzw. Eigenkapitalrendite, Umsatzrendite, Vermögen, Cash Flow und Relation zwischen Markt- und Buchwert der Unternehmung, wobei meist historische Unternehmens- bzw. Marktdaten die empirische Basis bilden.2^ Zu den Erfolgsindikatoren, die mehr oder weniger starke vertriebspolitische Relevanz besitzen, zählen beispielsweise Gewinn, Umsatz, Deckungsbeitrag, Marktanteil und die Fähigkeit, Preiserhöhungen durchzusetzen. Besondere Bedeutung kommt hier einer Studie von Töpfer zu, der die Effizienz des Marketing sowohl auf der Unternehmens- als auch auf Produktgruppenebene mit Blick auf Umsatz, Marktanteil, Produktivität, Rentabilität, Deckungsbeitrag und Cash Row ermittelt, und zwar jeweils absolut und im Vergleich zum Durchschnitt des Industriezweiges.3^ Darüber hinaus fließen die von Experten beurteilte Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und ein produktgruppenbezogener Konkurrenzvergleich in die Betrachtung ein, wobei das Leistungspotential des Managements und der Mitarbeiter, das technische Know how, das Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie der Entwicklungsstand des Marketingkonzeptes als Erfolgsindikatoren dienen. Wie Rockart, der allerdings die von ihm zugrunde gelegten Unternehmensziele nicht 4)

nennt, ' nutzt Töpfer die (Marketing-)Ziele eines Unternehmens als Erfolgsindikatoren. Da sich die Marketingorientierung eines Unternehmens in der Erreichung von Marketingzielen niederschlägt, läge es nahe, die aus diesen abzuleitenden vertriebspolitischen Ziele als Indikatoren der Marketingorientierung von Vertriebsleitern zu betrachten.5^ Dies 1) Insofern können die Erfolgsfaktorenstudien nur erste Anhaltspunkte für die Operationalisierung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern geben. Beispielsweise vernachlässigt das PIMS-Forschungsprogramm alle mit dem Faktor Humankapital einhergehenden Konsequenzen für Strategie, Wettbewerbsposition und Erfolg eines Unternehmens. Vgl. Buzzell/Gale (1989), S. 25. 2) Vgl. Patt (1988), S. 39. 3) Vgl. Töpfer (1984), S. 60. 4) Vgl. Rockart (1979), S. 83 ff. 5) Vgl. hieizu die Ausführungen in Abschn. 2.3.2.1.

64

3. Konzeptualisieng der Maketingorientieng von Vertrebsleite

erhellt, warum die Fokussierung auf finanzwirtschaftliche Zielkategorien eine ungerechtfertigte und nicht geeignete Beschränkung des in Abschn. 4. zu entwickelnden Meßansatzes mit sich brächte.1^ Zusammenfassend läßt sich somit festhalten, daß die aus den Marketingzielen eines Unternehmens abzuleitenden vertriebspolitischen Ziele Indikatoren der Marketingorientierung von Vertriebsleitern sein sollten. Da jene in den behandelten Erfolgsfaktorenstudien nur bedingt thematisiert werden, muß bei der Entwicklung des Meßansatzes auf die Ausführungen in Abschn. 2.3.2.1. und die dort zugrunde gelegte Literatur zum Vertriebsmanagement rekurriert werden. Aus der Vielzahl der in Anhang Β aufgelisteten strategischen Erfolgsfaktoren sollen zwei Gruppen näher betrachtet werden, und zwar einerseits die Erfolgsfaktoren, die mit dem Führungskräftepotential in Zusammenhang stehen, und andererseits diejenigen, welche einen engen Bezug zum Marketing bzw. Vertrieb aufweisen (vgl. auch Abb. 3.2.). Zu dem ersten Bündel zählen beispielsweise die Managementqualität, die Motivation von Führungskräften, das Führungsverhalten, die berufliche Entwicklung bzw. der Karriereverlauf sowie soziodemographische und psychographische bzw. persönlichkeitsspezifische Merkmale von Führungskräften. 2^ Manche Autoren interpretieren die von ihnen gesammelten Daten sogar in dem Sinne, daß sie das Leistungspotential von Führungskräften als den strategischen Erfolgsfaktor schlechthin bezeichnen,3^ der 80 bis 90 % des Unternehmenserfolges determiniere. 4^ Davon ausgehend muß auch und gerade die Marketingorientierung als ein maßgeblicher Aspekt des Leistungs- bzw. Führungspotentials von Vertriebsleitern und damit als strategischer Erfolgsfaktor betrachtet werden. Auch ohne einen solchen empirischen Beleg führt die Ableitung strategischer Erfolgsfaktoren zwangsläufig dazu, das Führungspotential bzw. die Managementqualität als entscheidend für den Unternehmenserfolg anzusehen; denn in sozialen Systemen, wie sie Unternehmungen darstellen, zeichnet letztlich stets der Mensch bzw. die menschliche Arbeitskraft für den Erfolg verantwortlich. Dies ist allein schon deshalb der Fall, weil die Managementqualität alle anderen erfolgsrelevanten Größen (Unternehmenskultur, Angebotsprogramm etc.) entscheidend (mit-)formt. 1) Finanzwirtschaftliche Kenngrößen sind nur indirekt durch Vertriebsleiter beeinflußbar, während beispielsweise Marketingziele wie Marktanteil und Deckungsbeitrag unmittelbar in deren Verantwortungsbereich liegen. 2) Vgl. hierzu z.B. Booz, Allen & Hamilton (1985); Clifford/Cavanagh (1986); Dichtl/Köglmayr/Müller (1986), S. 1064 ff.; Hoffmann (1986), S. 831 ff.; Krüger (1988), S. 27 ff.; Nagel (1986); Ohmae (1985); Ouchi (1981); Peters/Waterman (1984); Steiner (1968); Töpfer (1984), S. 49 ff. 3) So z.B. Ouchi (1981), S. 4, oder Staerkle/Perich (1987), S. 326. In einer neueren Untersuchung über die Stärken und Schwächen von Familienunternehmen stellen Albach/Freund fest, daß deren Erfolg auch wesentlich vom Umgang mit der Ressource Führungskräftepotential abhängt. Vgl. Brunowsky/ Seifert (1989), S. 49. 4) Vgl. Reutner (1987), S. 748.

3.2. Marketingrientieng als Gegenstand der Erfolgsfaktorenforschung

65

Die strategische Schlüsselfunktion des Leistungspotentials von Führungskräften wird auch durch die empirischen Befunde der Insolvenz- und Gründungsforschung bestätigt. In einschlägigen Studien zeigt sich immer wieder, daß Führungsdefizite bzw. Mängel im Management vordere Plätze in der Rangfolge der Insolvenzursachen belegen.1^ Albach/May-Strobl und Unterkofler, die den Erfolgsfaktoren von neu gegründeten Unternehmen nachspüren, berichten übereinstimmend von der zentralen Rolle der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft von Unternehmensgründern für den Bestand und den Erfolg der Neugründung.2^ Vor allem die von Töpfer ermittelten strategischen Erfolgsfaktoren weisen einen engen Bezug zum Marketing bzw. zum Vertrieb auf; denn demgemäß besitzt die Vertriebspolitik einen herausragenden Stellenwert für den Marketingerfolg. Die Erzielung vertriebspolitischer Vorteile gegenüber den Konkurrenten muß somit als ein zentraler strategischer Erfolgsfaktor eingestuft weiden. Auch andere Autoren stellen vertriebsbezogene Faktoren in den Mittelpunkt ihrer Darlegungen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Vertriebsaufwand, Kundennähe, Service, Beziehungsmanagement zu Marktpartnern, Vertriebsleistung und Distributionsstrategie.Hingegen bilden Anzahl der Marken, Marketingaufwand in Relation zum Umsatz, Produktinnovationsrate, strategische Ausrichtung des Unternehmens (Marktsegmentierung, Nischenstrategie, Ausmaß an lateraler Diversifikation etc.) und Produktqualität strategische Erfolgsfaktoren, die eher die Marketingstrategie betreffen. 4^ Die geschilderten Überlegungen führen zu folgendem Resultat: -

Führungskräftepotential und Vertriebspolitik haben sich in einigen Studien als strategische Erfolgsfaktoren erwiesen.

-

Beide Beieiche werden unterschiedlich operationalisiert.

1) Vgl. Gösche (1985), S. 59 ff. und S. 68 ff.; Küffner (1983), S. 22; Schimmelpfeng GmbH (1977), S. 79 ff. 2) Vgl. Albach/May-Strobl (1986), S. 84 ff., und Unterkofler (1989), S. 113 ff. Darüber hinaus befassen sich u.a. noch Szyperski/Nathusius (1977) und Klandt (1984) mit Motiven, Einstellungen, Herkunft und Qualifikation von Unternehmensgründern. 3) Vgl. hierzu Booz, Allen & Hamilton (1985); Industriekreditbank AG Deutsche Industriebank (1984), S. 13 ff.; Krüger (1988), S. 27 ff; Pümpin (1982). 4) Vgl. z.B. Albach (1984), S. 56 ff.; Albach/Bock/Warnke (1984), S. 779 ff.; Booz, Allen & Hamilton (1985); Clifford/Cavanagh (1986); Goldsmith/Clutterbuck (1984); Industriekreditbank AG Deutsche Industriebank (1984), S. 13 ff.; Krüger (1988), S. 27 ff.; Peters/Waterman (1984); Pümpin (1982); Schendel/Patton (1978), S. 1611 ff.; Buzzell/Gale (1989), S. 137 ff.; Simon (1985), S. 943 ff.; Töpfer (1984), S. 49 ff.

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-

3. Konzeptualisieng der Maketingorientieng von Vertrebsleitern

Bislang existiert kein Konzept, das beide Ebenen miteinander verknüpft und beispielsweise die Frage zu beantworten vermag, inwieweit Vertriebsmanager ihre marketingbezogenen Ziele und Aufgaben erreichen bzw. wahrnehmen.

3.2.3.2. Methodische Implikationen Die Übertragbarkeit von Befunden der Erfolgsfaktorenforschung auf das dieser Untersuchung zugrunde liegende Problem hängt nicht zuletzt auch von der jeweils gewählten Untersuchungsmethodik ab. Diese soll deshalb im folgenden anhand der in Abb. 3.1. aufgeführten Kriterien (Untersuchungsgegenstand, Analysemethode, Informationsquellen und Meßebene) bewertet werden. Hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes ist festzuhalten, daß keine Studie einen geringeren Aggregationsgrad als den eines Geschäftsfeldes bzw. von Produktgruppen aufweist. ^ Die Suche nach generellen (d.h. für alle Wirtschaftszweige geltenden), nach branchenspezifischen und nach unternehmensspezifischen Erfolgsfaktoren prägt den derzeitigen Stand dieser Forschungsrichtung. In diesem Kontext muß jedoch auf ein gravierendes methodisches Defizit hingewiesen werden: Zur Ableitung eines in sich konsistenten Systems strategischer Erfolgsfaktoren, beispielsweise auf Unternehmensebene, wäre es notwendig, die relevanten Bedingungen, denen die strategische Gruppe von Unternehmen unterliegt, der das zu analysierende Unternehmen angehört, in die Untersuchung einzubeziehen. Eine derartige Deduktion von strategischen Erfolgsfaktoren von einem höheren (z.B. strategische Gruppe) zu einem niedrigeren Aggregationsgrad (z.B. Unternehmensebene) unterbleibt jedoch. Dies zu unterlassen ist deswegen problematisch, weil die auf der höherrangigen Ebene extrahierten strategischen Erfolgsfaktoren den Ausgangspunkt für die Ableitung der strategischen Erfolgsfaktoren auf der jeweils niederrangigen Ebene bilden. Bei der Konstruktion des der empirischen Untersuchung zugrunde liegenden Meßansatzes werden deswegen strategische Erfolgsfaktoren, die für Unternehmen und Geschäftsfelder der Markenartikelindustrie gleichermaßen gelten, berücksichtigt; denn für Vertriebsleiter kommen Unternehmens- und geschäftsfeldspezifische strategische Erfolgsfaktoren Vorgaben gleich, an denen sie ihre Handlungen orientieren müssen, um erfolgreich zu sein.

1) Die Diskussion der Ursachen für den (Miß-)Erfolg von Produkten wird der Analyseebene "Geschäftsfeld" zugerechnet. Vgl. hierzu z.B. Bauer (1980), S. 226 ff.; Calantone/Cooper (1981), S. 48 ff.; Myers/Sweezy (1978), S. 40 ff. Lediglich Nagel versucht, Zusammenhänge zwischen unternehmensbezogenen strategischen Erfolgsfaktoren und persönlichem Erfolg aufzuzeigen, ohne allerdings einen theoretisch akzeptablen Bezugsrahmen für seine Analyse zu entwickeln. Vgl. Nagel (1988), S. 34 ff.

3.2. Marketingrientieng als Gegenstand der Erfolgsfaktorenforschung

67

Im übrigen gilt es dabei zu berücksichtigen, daß die Erfolgsfaktoien von Unternehmen zu Unternehmen verschieden sein können.1^ Die global-direkte Analysemethode, die darin besteht, daß Auskunftspersonen die ihrer Meinung nach wirksamen Faktoren aus einer vorgegebenen Liste von Variablen auswählen, kann, wie die Ergebnisse entsprechend angelegter Studien belegen, lediglich einen explorativen Eindruck vermitteln. Auch die qualitative Analyse von Fallstudien vermag das teilweise vorhandene Theoriedefizit einzelner Erfolgsfaktorenstudien nicht zu beheben. Nicht von ungefähr fordert daher Hildebrandt, daß die Erfolgsfaktorenforschung in verstärktem Maße multivariat and hypothesengeleitet betrieben werden sollte.2^ Angesichts der langfristigen Wirksamkeit strategischer Erfolgsfaktoren 3^ überrascht es, daß relativ selten Längsschnittuntersuchungen, die diese Bezeichnung auch verdienen, durchgeführt werden. Der fehlenden dynamischen Komponente von Querschnittsuntersuchungen versuchen einige Autoren dadurch Rechnung zu tragen, daß sie die Auskunftspersonen auffordern, ihre Angaben nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt, sondern auf einen längeren Zeitraum zu beziehen (z.B. Entwicklung des Unternehmenserfolgs in den letzten fünf Jahren). Dadurch glauben sie, über "Entwicklungsvariablen" zu verfügen, die ein Äquivalent für die in einem echten Längsschnittdesign gewonnenen Informationen darstellen. Auf die damit verbundenen Probleme weist beispielsweise Patt zu Recht hin.4^ Im Zuge derartiger Dynamisierungsversuche lassen sich kurzfristige (z.B. saisonale) Schwankungen in den Ausprägungen der untersuchten Variablen nur unzureichend feststellen und eliminieren. Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß zufallsbedingte oder nicht meßbare, kurzfristig wirksame Zusammenhänge zwischen den analysierten Variablen die Identifikation strategischer Erfolgsfaktoren beeinträchtigen. In bezug auf die Analysemethode muß festgestellt werden, daß die vorliegende Problemstellung eigentlich nach einer analytisch-indirekten, quantitativen Längsschnittuntersuchung verlangt Da eine solche Forschungsstrategie aber einen unvertretbar hohen Erhebungsaufwand verursachen würde und die Quasi-Dynamisierung einer Querschnittsanalyse keinen gangbaren Ausweg eröffnet, wird einer Querschnittsuntersuchung der Vorzug gegeben. Dies schien nicht zuletzt auch deswegen angezeigt zu sein, weil unser primäres Forschungsziel darin besteht, die Marketingorientiening von Vertriebsleitern einer Bestandsaufnahme zu unterziehen.

1) Dies illustriert anschaulich Rockau (1979), S. 91. 2) Vgl. Hildebrandt (1986), S. 43. Überprüft man die 35 der Argumentation in Abschn. 3.2.2. zugrunde liegenden Erfolgsfaktorenstudien, so zeigt sich, daß sehr wenige Studien diesen Anspruch erfüllen. Vgl. Anhang B. 3) Vgl. hierzu die Definition in Abschn. 3.2.1. 4) Vgl. Patt (1988), S. 10 ff.

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3. Konzeptualisieng der Maketingorientieng von Vertrebsleitern

Die in den meisten Studien verarbeiteten Informationen basieren auf mehr oder weniger differenzierten Einschätzungen von Führungskräften und/oder Experten. Um das Bild abzurunden, beziehen einzelne überdies noch sekundärstatistische Daten hinsichtlich der Unternehmens- und Marktentwicklung in die Analyse ein. Daß die Auswahl von Probanden, die Auskunft über die zu untersuchenden Variablen (Erfolgsindikatoren und strategische Erfolgsfaktoren) geben sollen, einer Vorentscheidung über den Aussagegehalt der Ergebnisse gleichkommt, verdeutlichen insbesondere von Hoffmann zutage geförderte Befunde. 1 ^ So verwundert es beispielsweise nicht, daß die von ihm befragten Führungskräfte die künftige Entwicklung der in ihrem Verantwortungsbereich liegenden strategischen Erfolgsfaktoren einhellig positiv beurteilen. Die Ursachen für ein solches Antwortmuster können in einer Selbsttäuschung bzw. Suche nach der kognitiven Konsistenz zwischen der Funktion als Führungskraft und der eigenen Leistung liegen. Um das Problem der sozialen Erwünschtheit von Befragungsergebnissen zu entschärfen, erscheinen zwei Möglichkeiten bedenkenswert: Einerseits sollten Erhebungsmethoden zum Einsatz kommen, die von den Befragten nicht durchschaubar sind.2^ Andererseits könnten solche Auskunftspersonen um Mitarbeit gebeten werden, die zwar die Materie kennen, aber persönlich für einen anderen, nicht mit dem der Befragung übereinstimmenden Aufgabenbereich verantwortlich zeichnen, und deshalb für die bewußte oder unbewußte Beschönigung der Verhältnisse weniger anfällig sind.3^ Mit Blick auf die von uns durchzuführende empirische Untersuchung führt die Abwägung der diesen Alternativen inhärenten Vor- und Nachteile zu folgendem Entschluß: Es sollen nicht die unmittelbar betroffenen Vertriebsleiter befragt werden, sondern möglichst deren Vorgesetzte (Marketingleiter, Geschäftsführer etc.) oder Führungskräfte aus anderen Abteilungen, die einen guten Einblick in die Materie besitzen (z.B. Produktmanager), sowie deren Verhandlungspartner. 4^ Da abhängige (= Erfolgsindikatoren) und unabhängige (= strategische Erfolgsfaktoren) Variablen bereits in Abschn. 3.2.3.1. behandelt wurden, genügt an dieser Stelle der Hinweis, daß nur eine multivariate Erfolgsmessung und die Einbeziehung möglichst vieler unabhängiger Variablen der Komplexität der Materie Rechnung zu tragen vermögen.

1) Vgl. Hoffmann (1986), S. 831 ff. 2) Dabei könnte es sich z.B. um projektive Verfahren handeln. Vgl. hierzu Frank (1938), S. 389 ff.; Karmasin/Karmasin (1977), S. 189 ff., und die dort angegebene Literatur. Eine Übersicht über projektive Verfahren bietet Axhausen (1984), S. 477. 3) In Frage kämen z.B. unternehmensexterne Personen (Berater, Wissenschaftler etc.) oder Mitarbeiter, die für einen anderen Bereich Verantwortung tragen als für den, der Gegenstand der Befragung ist (z.B. Vorgesetzte, Kollegen). 4) Verhandlungspartner von Vertriebsleitern der Markenartikelindustrie stellen in erster Linie Einkaufsleiter des Handels dar.

3.3. Marketingorientiening als Objektbereich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

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Letztlich lassen sich auch nur auf einer derart breiten Basis operationale Gestaltungsvorschläge ableiten.

3 . 3 . Die Marketingorientierung als Objektbereich von Persönlichkeitsund Motivationstheorien Wie die Analyse der zumeist auf die Unternehmensebene bezogenen Erfolgsfaktorenstudien gezeigt hat, müssen zur Konzeptualisierung der Marketingorientiening von Vertriebsleitern Theorien, die geeignet sind, individuelles Verhalten zu erklären, herangezogen werden.1^ Dies erfahrt nicht zuletzt auch dadurch seine Berechtigung, daß die theoretische Basis einzelner Erfolgsfaktorenstudien u.a. in der Persönlichkeitspsychologie besteht2^ Nachfolgend sollen deswegen einige Persönlichkeits- und Motivationstheorien auf ihren Beitrag zur Messung der Marketingorientiening von Vertriebsleitern hin überprüft werden. Es leuchtet unmittelbar ein, daß im folgenden nicht eine detaillierte Analyse der angesprochenen Theorien erfolgen kann. Vielmehr sollen jeweils nur die für die Operationalisierung der Marketingorientiening von Vertriebsleitern wichtigsten Aspekte beleuchtet werden.

3.3.1. Der Erklärungsbeitrag von Persönlichkeitstheorien Die Persönlichkeitsforschung ist, wie Abb. 3.4. verdeutlicht, eng mit der erkenntnistheoretischen Entwicklung der Psychologie verbunden. Als Grundlage dienen den einzelnen theoretischen Strömungen biologische, psychometrische, experimentalpsychologische, lernpsychologische, gestaltpsychologische und aus klinischen Beobachtungen resultierende Erkenntisse. Je nach theoretischer Ausrichtung des jeweiligen Bezugsrahmens wird das Konstrukt Persönlichkeit spezifisch definiert. Der umfassendste Operationalisierungsvorschlag besteht in der Aufzählung aller nur denkbaren Charakteristiken, die für die Beschreibung von Individuen eine gewisse Bedeutung haben.Eine Theorie der Persönlichkeit besteht folglich aus einem Bündel von Annahmen über menschliches Verhalten, welche mittels Regeln miteinander verbunden sind und empirisch überprüft werden können.

1) Vgl. Frey/Irle (1985). 2) Vgl. Seibert (1987), S. 134 ff. 3) Vgl. Hall/Lindzey (1978), S. 26 f.

70

3. Konzeptualisieng der Maketingorientieng von Vertrebsleitern

Abb. 3.4.: Die theoretischen Strömungen der Persönlichkeitspsychologie

Anmerkung: Die Jahreszahlen bezeichnen das Erscheinungsjahr richtungsweisender Veröffentlichungen der genannten Fach vertreter. Quelle: Heckhausen (1980), S. 84.

Die in Abb. 3.4. vorgenommene Zuordnung einzelner Fachvertreter zu speziellen Forschungsrichtungen ist keineswegs unproblematisch, wie Hall/Lindzey am Beispiel von Skinners operanter Verstärkungstheorie und Millers bzw. Eysencks StimulusReaktions-Theorie nachgewiesen haben. ^ Auffassungsunterschiede wurzeln vor allem darin, daß manche Autoren die Persönlichkeitspsychologie als übergreifende Theorie der Psychologie auffassen, die den Erkenntnisstand der einzelnen Spezialdisziplinen in sich vereinigt, während andere Fachvertreter der Persönlichkeitspsychologie diese integrierende Funktion absprechen.2^ 1) Vgl. Hall/Lindzey (1979), S. 100 ff. und S. 165 ff. In Abb. 3.4. werden diese Theorien dagegen der Lernpsychologie bzw. Psychophysiologie subsumiert. 2) Vgl. Herrmann (1976), S. 26 ff. Darüber hinaus erschweren die vielfältigen interdependenten Beziehungen fraglos eine trenn scharfe Klassifizierung.

3.3. Marketingorientiening als Objektbereich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

71

Abb. 3.4 verdeutlicht die vielgestaltige Interdependenz, die zwischen den einzelnen Forschungsansätzen besteht. Insbesondere wird die enge Verküpfung der Motivationstheorien mit der Persönlichkeitspsychologie deutlich. Dies resultiert hauptsächlich daraus, daß Persönlichkeitstheoretiker, soweit sie nicht nur eine strukturelle, sondern auch eine dynamische Perspektive verfolgen, der Motivation eine entscheidende Rolle für die Beschreibung und Erklärung menschlichen Verhaltens zuerkennen.1^

3.3.1.1. Die Persönlichkeitstheorien im Überblick Da die Persönlichkeitsforschung äußerst komplex und heterogen ist, existiert eine Vielzahl von Kriterien, die zur Einordnung verschiedener persönlichkeitstheoretischer Ansätze herangezogen werden können. Eine Möglichkeit zur Systematisierung besteht darin, die historische Entwicklung einzelner Zweige der Persönlichkeitsforschung nachzuzeichnen.2^ Gleichzeitig könnte damit der theoretische Bezugsrahmen des jeweiligen persönlichkeitstheoretischen Ansatzes (z.B. klinische Beobachtung, Gestaltpsychologie, Genetik) erhellt werden. Im folgenden besteht das Ziel hingegen darin, auf der Basis formaler und inhaltlicher Beschreibungsdimensionen einen Überblick über die Persönlichkeitsforschung zu g e b e n , u m auf dieser Basis deren Tragfähigkeit für die Konzeptualisierung der Marketingorientiening zu hinterfragen. In formaler Hinsicht interessieren vor allem zwei Ebenen, und zwar die zugrunde liegenden Annahmen, Theorien und Konstrukte sowie der empirische Bezug dieser Forschungsrichtung. Beispielsweise wird in der Literatur eine Vielzahl von Persönlichkeitseigenschaften erfolgreicher Führungskräfte genannt, die, ohne eine theoretische Begründung zu erfahren, die Basis einschlägiger empirischer Untersuchungen bilden.4^ Das "psychologische Verhaltensprofil" von Kienbaum mag als Beispiel einer derartigen theoriefernen Vorgehensweise dienen, da die untersuchten Persönlichkeitseigenschaften ohne jeglichen theoretischen Bezug abgeleitet wurden (vgl. Abb. 3.5.).5^

1) 2) 3) 4) 5)

Vgl. Hall/Lindzey (1978), S. 23. Da dies bereits in Abb. 3.4. geschehen ist, soll darauf an dieser Stelle verzichtet werden. Vgl. hierzu Hall/Lindzey (1979), S. 291 ff. Vgl. beispielsweise Kienbaum (1987), S. 7 ff.; o.V. (1988c), S. Κ 2. Kienbaum (1987), S. 19.

Quelle: Kienbaum (1987), S. Κ 3.

Anmerkung: Die schraffierten Felder weisen den Bereich aus, der gemäß den Untersuchungen von Kienbaum das Verhaltensprofil erfolgreicher Vertriebsmanager charakterisiert.

Abb. 3.5.: Psychologische Veriialtensprofile erfolgreicher Vertriebsmanager und erfolgreicher Controller im Vergleich

72 3. Konzeptualisierang der Marketingorientiening von Vertriebsleitem

3.3. Marketìngorientìerang als Objektbereich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

73

Zu diesem "psychologischen Verhaltensprofil" ist weiterhin kritisch anzumerken, daß die diesem zugrunde liegenden 14 Primärfaktoren nicht explizit genannt werden und zudem die verwendeten Polaritätsbezeichnungen meist keine Gegensätze darstellen.1^ Schließlich bleiben nicht nur die Methodik, sondern auch der gewählte Titel für dieses "Instrument" zu kritisieren; denn nach Herrmann besteht Einigkeit darüber, daß Persönlichkeit und Verhalten nicht identisch sind. Vielmehr stellt Persönlichkeit ein Verhaltenskorrelat dar.2^ Derartige Untersuchungen, die weitgehend ohne theoretischen Bezug Persönlichkeitsprofile ableiten, sollen im folgenden aus der weiteren Betrachtung ausgeschlossen werden. Das hypothetische Konstrukt "Persönlichkeit" kann nur dann operationalisiert werden, wenn es gelingt, aussagefähige Beschreibungsdimensionen in empirischen Untersuchungen hinreichend oft zu präzisieren und zu verifizieren. In diesem Kontext spielen das von fast allen Autoren geteilte Postulat der weitgehenden Stabilität von Persönlichkeitsdimensionen und die gleichfalls weit verbreitete Überlegung, Persönlichkeit als etwas Einzigartiges aufzufassen, eine wichtige Rolle. Wer wie die Mehrheit der Theoretiker Persönlichkeit als ein kurz- und mittelfristig stabiles Konstrukt versteht, strebt in der Regel auch danach, routinemäßig einsetzbare Meßinstrumente zu entwickeln und empirisch zu erproben. Da dieses Unterfangen an der Einzigartigkeit, d.h. der Merkmalsheterogenität von Individuen scheitert, versucht die nomothetische Persönlichkeitsforschung zwar einerseits die Einzigartigkeit der Persönlichkeit zu akzeptieren, sie aber andererseits auszuklammern, indem sie nach Persönlichkeitsmerkmalen für Cluster von Individuen sucht.^ Inhaltlich betrachtet weisen die einzelnen Persönlichkeitstheorien Schwerpunkte auf, die in einer spezifischen Kombination von Merkmalen (Gegenstand des Erkenntnisobjektes) zum Ausdruck kommen (vgl. Tab. 3.1.).4^ Zu betonen bleibt noch, daß jede der in Tab. 3.1. aufgeführten Theorien eine Strömung der Persönlichkeitsforschung verkörpert und ein Paradigma der Persönlichkeitsforschung darstellt. Jede dieser Auffassungen wurde von zahlreichen Schülern der in Tab. 3.1. genannten Forscher überprüft und gegebenenfalls modifiziert bzw. ergänzt.

1) 2) 3) 4)

Beispielsweise schließen "Sorgfalt" und "Kreativität" einander nicht aus. Vgl. Herrmann (1976), S. 62. Vgl. hierzu Herrmann (1976), S. 45 ff. Auf der Basis einer entsprechenden inhaltlichen Charakterisierung verschiedener Persönlichkeitstheorien wurden multivariate Analysen mit dem Ziel durchgeführt, Gemeinsamkeiten der verschiedenen Persönlichkeitstheorien aufzudecken und damit die Persönlichkeitsforschung in homogene Teilbereiche zu differenzieren. Da die Ergebnisse dieser Studien wenig zum Erkenntnisfortschritt beitrugen (vgl. z.B. Schuh (1966), S. 69 ff.), soll an dieser Stelle darauf nicht eingegangen werden.

74

3. Konzeptualisiening der Marketingorìentìening von Vertriebsleitern

B ins wangers existenzpsychologische Persönlichkeitstheorie

Skinners Verstäikungstheorie der Persönlichkeit

Cattells Faktorentheorie der Persönlichkeit

Sheldons Konstitutionspsychologie der Persönlichkeit

Goldsteins organismische Persönlichkeitstheorie

Allports Persönlichkeitspsychologie des Individuums

Lewins Feldtheorie

Rogers Selbsttheorie der Persönlichkeit

Zielorientierung als zentraler Aspekt der Persönlichkeit Analyse unbewußter Verhaltensdeterminanten Belohnung als Verhaltensdeterminante Prinzip der Assoziation bzw. Kontiguität mehrerer Ergebnisse Analyse des Lernprozesses Konzentration auf konkrete Aspekte der Persönlichkeit Detaillierte Beschreibung der Persönlichkeitsstruktur Ganzheitliche Betrachtung des Individuums Berücksichtigung situativer Umweltvariablen Akzentuierung der psychisch wahrgenommenen Erlebniswelt Interdisziplinäre Vorgehensweise Komplexität des Erklärungsansatzes

Murrays Personologie

Beschreibungsdimension

Freuds psychoanalytische Theorie der Persönlichkeit

Persönlichkeitstheorie

Adlers individualpsychologische Theorie der Persönlichkeit

Tab. 3.1.: Hin Vergleich verschiedener Persönlichkeitstheorien

+

ο

ο

+

+

+

ο + + + +

+ +

+ +

ο

ο

ο

Anmerkungen: 1) Da auf Cattells Faktorentheorie der Persönlichkeit näher eingegangen wird, wurde diese optisch hervorgehoben. 2) Das Ausmaß, in dem die genannte Persönlichkeitstheorie die jeweilige inhaltliche Beschreibungsdimension berücksichtigt, wird durch drei Symbole zum Ausdruck gebracht, nämlich: + = große Bedeutung ο = mittlere Bedeutung - = geringe oder keine Bedeutung Quelle: In Anlehnung an Hall/Lindzey (1979), S. 291 ff., insbes. S. 302.

3.3. Marketigorienteng als Objektbeieich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

75

Wegen ihres in hohem Maße instrumentellen Charakters gilt Cattells Faktorentheorie der Persönlichkeit als die am häufigsten verwendete und bewährteste Variante zur Charakterisierung der Persönlichkeit von Führungskräften. Die von der faktorentheoretischen Richtung entwickelten Meßinstrumente erfreuen sich u.a. bei der Personalauswahl in Großunternehmen großer Beliebtheit.1^ Deswegen werden im folgenden Grundzüge und ausgewählte empirische Befunde der Cattellschen Persönlichkeitstheorie näher erläutert

3.3.1.2. Grundzüge der Faktorentheorie der Persönlichkeit und ausgewählte empirische Befunde Cattells Persönlichkeitstheorie gehört fraglos zu den komplexeren Ansätzen in dieser Forschungsdisziplin. Er bezieht das Schlüsselkonstrukt auf das gesamte Verhalten eines Individuums und definiert Persönlichkeit als den Bereich, der eine Voraussage dessen erlaubt, was eine Person tun wird. 2^ Die zu diesem Zweck detailliert zu beschreibende Persönlichkeitsstruktur von Individuen wird nach Cattell durch Wesenszüge (traits) verkörpert, welche ihrerseits einen mentalen Komplex bilden, der aus dem beobachtbaren Verhalten abgeleitet werden kann.3^ Cattell spricht von Oberflächen- und Grundwesenszügen. Aus dem Zusammenwirken der letzteren entstehen Oberflächenwesenszüge,die sich vergleichsweise häufiger als die Grundwesenszüge verändern. Die Grundwesenszüge bilden die Basis für die Beschreibung und Erklärung der Persönlichkeitsstruktur sowie des daraus erwachsenden Verhaltens. Die Basishypothese von Cattell besteht nun in der Annahme, daß es möglich sei, die nicht direkt identifizierbaren Grundwesenszüge auf faktorenanalytischem Wege aus den beobachtbaren Oberflächenwesenszügen abzuleiten, weshalb sein Ansatz auch als Faktorentheorie der Persönlichkeit bezeichnet wird (vgl. Abb. 3.6.). Weiterhin unterstellt der Autor, daß sich die Grundwesenszüge zu bestimmten Kategorien gruppieren lassen. Gemäß den beiden prinzipiellen Verhaltensdeterminanten können konstitutionelle, d.h. auf Erbfaktoren beruhende Grundwesenszüge von solchen unterschieden werden, die Umweltbedingungen widerspiegeln (umweltgeformte Grundwesenszüge). Andere Grundwesenszüge wiederum verkörpern eine Mischung aus beiden Bereichen.5^ 1) Vgl. Hauser/Schuchart (1988), S. 276. 2) Vgl. Cattell (1950), S. 2 f. Siehe hierzu auch die Charakterisierung dieser Persönlichkeitstheorie in Tab. 3.1. 3) Vgl. Hall/Lindzey (1979), S. 64. 4) Oberflächenwesenszüge bilden somit ein spezifisches Konglomerat von Grundwesenszügen. 5) Für das Zustandekommen von Oberflächenwesenszügen macht Cattell eine Mischung aus Erb- und Umweltfaktoren verantwortlich. Hingegen hält er es für möglich, bei den durch Faktorisierung ermittelten Grundwesenszügen konstitutionelle und umweltbedingte Erscheinungsformen separieren zu können. Vgl. Cattell (1950), S. 33 f.

76

3. Konzeptualisierng der Markengorientieng von Vertriebsleitern

Abb. 3.6.: Die Grundstruktur der Faktorentheorie der Persönlichkeit

Eine andere Möglichkeit zur Klassifizierung von Wesenszügen besteht darin, nicht die Ursache, sondern die Art und Weise zum Maßstab zu nehmen, in der Wesenszüge zum Ausdruck kommen (vgl. Abb. 3.7.). In diesem Zusammenhang unterscheidet Cattell vier Typen, nämlich Grundwesenszüge bezogen auf die Fähigkeit bzw. Begabung, das Temperament, die Verhaltensdynamik und Zustände sowie Stimmungen. Während Fähigkeits- bzw. Begabungs- und Temperamentsgrundwesenszüge relativ große Stabilität aufweisen, unterliegen Zustände und Stimmungen einem ständigen Wandel.1^ Die dynamischen Grundwesenszüge nehmen in dieser Hinsicht eine Zwischenstellung ein. Abb. 3.7. berücksichtigt neben der inhaltlichen Dimension von Grundwesenszügen den Bezugspunkt der jeweiligen Kategorie.

Abb. 3.7.: Bezugspunkt und inhaltliche Dimension von Grundwesenszügen Bezugspunkt von Grundwesenszügen





Inhaltliche Bedeutung

Fähigkeit bzw. Begabung





Effektivität, mit der ein Individuum seine Ziele erreicht

Temperament

— —

Zustände und Stimmungen



• • •

Konstitutionelle Bedeutung der Reaktion

Verhaltensdynamik

1) Vgl. Hall/Lindzey (1979), S. 65 f.

Motivation für ein bestimmtes Verhalten Situationsspezifische, ständig fluktuierende veihaltensprägende Faktoren

3.3. Marketigorienteng als Objektbeeich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

77

Wenn es gelingt, die Persönlichkeit anhand dieser Grundwesenszüge hinreichend zu beschreiben, kann mit Hilfe der von Cattell aufgestellten Bestimmungsfunktion R = f(T)^ das Verhalten bzw. die Reaktion eines Individuums vorhergesagt werden. Ohne näher auf die mathematische Struktur der Gleichung einzugehen,richtet sich im folgenden die Aufmerksamkeit auf die Erfassung der relativ stabilen und damit einer validen Messung am ehesten zugänglichen Begabungs- und Temperamentsgrundwesenszüge.3^ Cattell rekurriert in diesem Kontext auf drei unterschiedliche Datenquellen.4^ Dabei handelt es sich um die sog. L- oder VB-Daten, F- bzw. Q-Daten und T-Daten. Erstere stellen auf das tatsächliche individuelle Verhalten eines Probanden in realen Lebenssituationen ab.5^ L-Daten gewinnt Cattell u.a. durch die Befragung von Personen, die den Probanden in relevanten Lebenssituationen kennen.6^ Somit beschreiben die LDaten die Persönlichkeit aufgrund des sichtbaren bzw. meßbaren Verhaltens. Im Gegensatz hierzu repräsentieren F- bzw. Q-Daten die Selbsteinschätzung des Probanden in bezug auf sein Verhalten (mentaler Innenaspekt).7^ Darüber hinaus werden durch Tests T-Daten erhoben, die objektiven Aufschluß über das Verhalten von Probanden geben sollen. 8) Im Zuge zahlreicher empirischer Untersuchungen hat Cattell faktorenanalytisch Persönlichkeitsmerkmale extrahiert, die insbesondere durch L- und F-Daten fundiert sind.9^ Um jene testtheoretisch einwandfrei bestimmen zu können, entwickelte der Autor das Sixteen Personality Factor Questionnaire (16 PF), das es erlaubt, die relativ stabilen Begabungsund Temperamentsgrundwesenszüge von Probanden zu ermitteln.

1) Diese Abkürzungen bedeuten: R = Reaktion und Τ = Traits bzw. Grundwesenszüge. 2) Beispielsweise wird die von Cattell getroffene Annahme der Linearität kritisiert. Vgl. z.B. Herrmann (1976), S. 295 ff. 3) Hinsichtlich der Erfassung von dynamischen Grundwesenszügen und von Zuständen sowie Stimmungen siehe Hall/Lindzey (1979), S. 74 ff., und Herrmann (1976), S. 300 ff., sowie die dort angegebene Literatur. Da dynamische Grundwesenszüge Ausdruck der Motivation eines Individuums sind, wird hierauf in Abschn. 3.3.2. noch eingegangen. 4) Zu diesen Datenquellen vgl. auch Schneewind (1982), S. 248 f. 5) Insoweit handelt es sich hier um die schon angesprochenen Oberflächenwesenszüge, die in einer nachfolgenden Faktorenanalyse zu Grundwesenszügen verdichtet werden. 4) L steht für "life data" bzw. für "life history", VB für Verhaltensbeurteilung. 5) F bzw. Q ist die Abkürzung für "self rating questionnaire". 8) Cattell und Mitarbeiter haben über 500 Tests zur Gewinnung von T-Daten entwickelt. Vgl. Cattell (1973), S. 100. Τ ist die Abkürzung für "objective test". 9) Cattell ging zunächst von der Annahme aus, daß die faktorenanalytische Verdichtung von L-, F- und T-Daten jeweils dieselben Grundwesenszüge enthüllen müßte. Die Faktorenanalysen von L- und FDaten führten auch tatsächlich zu ähnlichen Faktorladungsmatrizen, nicht aber die von T-Daten. Vgl. hierzu Hall/Lindzey (1979), S. 66 f.

78

3. Konzeptualisierang der Marketingorientierung von Vertriebsleitern

Tab. 3.2.: Cattells 16 fundamentale Persönlichkeitsdimensionen Persönlichkeitsdimension

Negativer Pol (= niedriger Wert)

Positiver Pol (= hoher Wert)

Schizothymievs. Zyklothymie

zurückhaltend, unbeugsam, kalt furchtsam, sachorientiert

häeT^großzü^^^DntaktoriCTiü'ert

Intelligenz

weniger intelligent, konkret denkend, geistig unbeweglich

intelligent abstrakt denkend, kultiviert

Ichstärke

leicht aufgebracht, wechselhaft, unbeständig

emotional stabil, ausgeglichen, beständig

Unterwürfigkeit vs. Dominanz

anpassungsfähig. sich unterwerfend. nachgebend

eigensinnig, egoistisch, selbstbehauptend

Soziabilität

verschlossen, besonnen, schweigsam, sorgenvoll

kontaktfreudig, begeisterungsfähig, gesprächig, humorvoll

Überichstärke

unbekümmert, flexibel, sorglos

vwantwortwißstewußt, pflichtbewußt normenorientiert

Initiative

b^orgtfärüS^te^d

^

risikofreudie. couragiert lebenslustig, selbstsicher

Empfindsamkeit

robust hart

leicht verletzlich, sensibel

Zugänglichkeit vs. Argwohn

vertrauensvoll, verständnisvoll. sozial angepaßt

mißtrauisch. skeptisch, einsam

Konventionalität

konventionell, pragmatisch

unkonventionell, exzentrisch

Naivität vs. Gewandtheit

naiv, unbefangen

Beschickt im Umgarnt mit Maischen. klug, überlegt

Selbstsicherheit vs. Schuldneigung

entschlußfähig. selbstvertrauend

zweiflerisch, besorgt

Konservatismus vs. Radikalismus

konservativ, sicherheitsbetont

progressiv, experimentierfreudig

Gnippenverbundenheit vs. Selbständigkeit

teamorientiert, gruppenverbunden

mfliviMfotirell. eigenständig

Willenskontrolle

sprunghaft spontan

beharrlich· das eigene Handeln kontrollierend

Triebspannung

locker, entspannt

angespannt, konfliktbeladen

Anmerkungen: 1) Cattell betrachtet die Benennung der 16 Persönlichkeitsdimensionen lediglich als vorläufige und näherungsweise verbale Umschreibung. Wegen der teilweise mangelnden sprachlichen Präzision populärer Begriffe charakterisiert er die extrahierten Faktoren mit Buchstaben bzw. Ziffern. Ein weiteres Problem, auf das hier nicht näher eingegangen werden kann, bildet die Übersetzung der von Cattell recht eigentümlich festgelegten Termini technici. 2) Die markierten Umschreibungen des jeweiligen Pols der 16 Persönlichkeitsdimensionen werden in der eigenen empirischen Untersuchung genutzt 3) Mit der Bestimmung eines positiven und eines negativen Pols ist keine Bewertung der jeweiligen Persönlichkeitsdimension verbunden. Vielmehr sollen dadurch die aus den Rohwerten errechneten STEN-Werte als im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung höher ("positiv") bzw. niedriger ("negativ") eingestuft werden. Da jede Persönlichkeitsdimension durch zwölf Einzelfragen erhoben wird, müssen die Einzelurteile auf einen Wert je Dimension, den STEN-Wert, verdichtet werden. Quellen: In Anlehnung an Cattell (1973); Biandstätter/Schuler/Stocker-Kreichgauer (1974), S. 169 ff.; Herrmann (1976), S. 298 ff.; Schneewind (1982), S. 251 ff.

3.3. Marketìfigorientìening als Objektbeieich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

79

Mittlerweile ist aufgrund der zahllosen Replikaüonen davon auszugehen, daß der 16 PFTest ein alle testtheoretischen Voraussetzungen erfüllendes und interkulturell einsetzbares Erhebungskonzept darstellt. 1^ Jeder der 16 Persönlichkeitsfaktoren wird durch eine Batterie von Items konkretisiert. Deshalb verzichten wir an dieser Stelle auf eine detaillierte Erläuterung dieses Instruments. Vielmehr bietet Tab. 3.2. einen Überblick über die berücksichtigten Persönlichkeitsdimensionen, die für unsere empirische Untersuchung bedeutsam sind (vgl. Abschn. 4.1.).2^ Bei der Anwendung des 16 PF-Tests verursacht das Ausfüllen des äußerst umfangreichen Fragebogens (jede Dimension wird mit zwölf Einzelfragen erfaßt) regelmäßig Akzeptanzprobleme. Deswegen wird, wenn die Erforschung der Persönlichkeitsstruktur nicht das ureigene Ziel eines Forschungsprojekts darstellt, auf eine Übernahme der vollständigen Version des 16 PF-Fragebogens verzichtet.3^ Im folgenden sollen nun empirische Befunde einer neueren Untersuchung skizziert werden, deren Autorin die Persönlichkeit von Führungskräften der Wirtschaft mittels der ungekürzten Version des 16 PF-Tests ermittelte.4^ In die Auswertung einbezogen wurden 87 Führungskräfte (43 Männer und 44 Frauen) aus der Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Schweiz.5^ Die Auskunftspersonen bekleiden obere Hierarchiestufen (mindestens Hauptabteilungs- bzw. Bereichsleiter; über 100.000 D M Jahreseinkommen), sind in verschiedenen Sektoren der Wirtschaft tätig (46 % in der Industrie, 21 % in Handelsunternehmen, 24 % in sonstigen Dienstleistungsbereichen und 9 % in Verbänden), tragen eine weitreichende Personalverantwortung (mindestens 30 unterstellte Mitarbeiter) und weisen ein Durchschnittsalter von 48 Jahren auf. 6^ Unter den von ihnen absolvierten Studiengängen steht die Betriebswirtschaftslehre an erster Stelle, gefolgt von den Naturwissenschaften, der Jurisprudenz und der Volkswirtschaftslehre. Die Probanden beantworteten gemäß dem Testdesign 192 Fragen. Daraus wurden dann die Ausprägungen der 16 Persönlichkeitsdimensionen abgeleitet (vgl. Abb. 3.8.).

1) Vgl. Cattell/Nesselroade (1965), S. 502 ff.; Cattell/Schröder/Wagner (1969), S. 369 ff.; Greif (1970), S. 186 ff.; Kerzendorfer (1973); Schneewind/Schröder/Cattell (1983). 2) Eine detaillierte Erläuterung des Aufbaus und der Anwendung des 16 PF-Tests liefern Schneewind/Schröder/Cattell (1983). 3) So z.B. bei Dichtl/Köglmayr/Müller (1986), S. 1064 ff., und Holzmüller/Kasper (1988), S. 33 ff. Infolgedessen wurde der 16 PF-Test auf der Basis der relevanten Literatur in eine Zusammenstellung von Items transformiert, die eine geeignete Grundlage für die eigene empirische Untersuchung bildet. Dabei muß in Kauf genommen werden, daß die einzelnen Persönlichkeitsdimensionen nicht mit der gleichen Tiefenschärfe wie im Originaltest erfaßt werden. 4) Vgl. hierzu und zu den folgenden Ausführungen Gold (1988); Hauser/Schuchardt (1988), S. 262 ff. 5) Der Hauptakzent der Studie lag in der Ermittlung geschlechterspezifischer Unterschiede in bezug auf die Persönlichkeitsstruktur. Vgl. Gold (1988), S. 58. 6) Vgl. zum Design der Untersuchung Gold (1988), S. 61.

80

3. Konzeptualisieng der Marketingorientierung von Vertriebsleitern

Besonders treten dabei die deutlich überdurchschnittliche Kontaktorientierung, Selbstbehauptung, Begeistungsfähigkeit, Unkonventionalität und Änderungsbereitschaft von Top Managern hervor. Andererseits belegen die geringe Überichstärke (Flexibilität), die hohe Unbefangenheit und das große Selbstvertrauen dieses Personenkreises die persönlichkeitspsychologische Sonderstellung von Führungskräften. I m folgenden wollen w i r nun klären, inwieweit die Faktorentheorie der Persönlichkeit zur Konzeptualisiening der Marketingorientierung von Vertriebsleitern herangezogen werden kann.

Abb. 3.8.: Das Persönlichkeitsprofil von Führungskräften

Persönlichkeitsdimension

Negativer Pol

Schizothymie vs. Zyklothymie

sachorientiert

Intelligenz

konkret denkend





I

ι

ι

emotional störbar



• • I I

1







1

1V

Soziabilität

QnnocciinftcfSfiìir dnpdaSUIlgSlalllg besonnen

1

1 1

1 1

ι

ι

Überichstärke

flexibel 1

1 1

1

1

1 1

1 1

1

1 1

1

Ichstärke Unterwürfigkeit vs. Dominanz

Initiative Empfindsamkeit

zurückhaltend robust

Zugänglichkeit vs. Argwohn

vertrauensvoll

1

4

2 3

5

6

7

8

9 10

Positiver Pol

1

kontaktorientiert

ι

ι

abstrakt denkend

ι

1

emotional widerllljUlJilfllll! (. stanastanig

φ

I

I

I

I

I

Αι

ι

1

\

1 1

ι

pflichtbewußt 1

7

\ y J*

\ \ \

selbstsicher sensibel skeptisch

Konventionalität

pragmatisch

Naivität vs. Gewandtheit

unbefangen

Selbstsicherheit vs. Schuldneigung

selbstvertrauend

Konservatismus vs. Radikalismus

sicherheitsbetont

1

Gruppenverbundenheit vs. Eigenständigkeit

gruppenverbunden

1

Willenskontrolle

spontan

Triebspannung

innerlich ruhig

1

unkonventionell 1

I

1 1 1 1 1

. 1

1

1

1

1 1

1

1

1

l^u

1 1

1

l|

^ 1

1

1 1



l •

überlegt

1

besorgt

1

1

änderungsbereit

1

1 1

1

eigenständig





I

selbstkontrollierend

I

innerlich angespannt



• I

I

Durchschnitt der Bevölkerung Quelle: In Anlehnung an Gold (1988), S. 72.

selbstbehauptend begeisterungsfähig

3.3. Marketigorienteng als Objektbeieich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

81

3.3.1.3. Implikationen der Faktorentheorie der Persönlichkeit für die Konzeptualisierang des Konstruktes "Marketingorientierung von Vertriebsleitern" Die Vermutung liegt nahe, daß maiketingkonformes Verhalten einhergeht mit spezifischen Ausprägungen von Persönlichkeitsdimensionen (z.B. hohe Kontaktorientierung, Extroversion). Wenn sich diese Annahme bestätigen ließe, könnten z.B. mit Hilfe des 16 PFTests Prädiktoren bzw. individuelle Determinanten der Marketingorientierung von Vertriebsleitern gewonnen werden, die in der jeweiligen Persönlichkeitsstruktur begründet liegen. Unter Umständen wäre es dann auch möglich, auf der Basis des Persönlichkeitsprofils und unter Hinzuziehung weiterer Verhaltensdeterminanten (z.B. innerbetriebliche Rahmenbedingungen), auf die noch näher einzugehen sein wird, 1^ die Marketingorientierung von Vertriebsleitern zu prognostizieren. Nach unserer Kenntnis liegt bislang keine Untersuchung vor, die diesen Gedanken aufgreift. Lediglich Schreiber präsentiert ein mit Hilfe des 16 PF-Fragebogens gewonnenes Persönlichkeitsprofil von Vertriebsleitern aus der Konsumgüterindustrie, ohne aber die Datenbasis und die Vorgehensweise zu erläutern. 2^ Da er auch nicht zu begründen vermag, warum die Ausprägung der Persönlichkeitsdimensionen in jedem Fall zwischen den Werten "4" und "7" (d.h. um den Durchschnittswert) liegen sollte, können die in Abb. 3.9. wiedergegebenen Normprofile keine tragfähige Diskussionsgrundlage bilden.3^ Somit sind zusammenfassend folgende Aspekte festzuhalten: -

Weil davon auszugehen ist, daß marketingkonformes Verhalten wesentlich von der Persönlichkeit des Individuums abhängt, müssen im Rahmen der Konzeptualisierung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern auch Persönlichkeitsdimensionen als individuelle Verhaltensdeterminanten berücksichtigt werden.

-

In Gestalt des 16 PF-Fragebogens liegt ein standardisiertes und erprobtes Meßinstrument vor, das zur detaillierten Erfassung der Persönlichkeitsstruktur geeignet erscheint. Wegen der Vielzahl an Fragen, die bei dem 16 PF-Test beantwortet werden müssen, wird jedoch auf eine Übernahme der vollständigen Version dieses Konzepts verzichtet

1) Vgl. die Ausführungen in Abschn. 4.1. 2) Vgl. Schreiber (1980), S. 336 ff. Er bezieht sich nach eigenen Angaben auf seine Tätigkeit als Personalberater, in deren Verlauf er mehr als 300 Vertriebsmitarbeiter mit Hilfe des 16 PF-Tests untersucht hat. 3) An dieser Stelle muß darauf hingewiesen werden, daß Unterschiede in der verbalen Umschreibung der Pole der Persönlichkeitsdimensionen den direkten Vergleich von 16 PF-Testprofilen, die in verschiedenen Untersuchungen gewonnen wurden, beeinträchtigen. Vgl. Abb. 3.8.

82

3. Konzeptualisierung der Marketingoiientierung von Vertriebsleitern

Abb. 3.9.: 16 PF-Testprofile von Vertriebsleitern

Anmerkung: Der schraffierte Bereich kennzeichnet den Schwankungsbereich der erwünschten Ausprägung. Quelle: Schreiber (1980), S. 340.

3.3. Marketingorìentìerung als Objektbereich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

83

Da aber a priori alle 16 Persönlichkeitsdimensionen gleichermaßen zur vollständigen Beschreibung der Persönlichkeitsstruktur beitragen und keine Anhaltspunkte darüber vorliegen, welche davon in bezug auf die Marketingorientierung ein besonderes Augenmerk verdienen, fließen die in Tab. 3.2. enthaltenen markierten Umschreibungen der 16 Dimensionen in Form eines semantischen Differentials in die empirische Untersuchung ein.1^ -

Weil, wie bereits in Abschn. 3.2.3.2. festgestellt, eine Befragung der Betroffenen einen nicht gangbaren Weg bildet, rekurrieren wir bei der Erstellung des Persönlichkeitsprofils von Vertriebsleitern auf L-Daten, d.h. auf Meinungen von Probanden, die den zu Beurteilenden aus für unsere Zwecke relevanten Situationen (Verhandlungen, Mitwirkung im Rahmen der Strategiebildung, Personalfiihrung etc.) kennen.

3.3.2. Die motivationale Dimension der Marketingorientierung Wie bereits Abb. 3.4. verdeutlichte, sind Persönlichkeits-und Motivationspsychologie eng miteinander verknüpft. Der Überschneidungsbereich resultiert vor allem daraus, daß die meisten Persönlichkeitstheoretiker der Motivation eine entscheidende Rolle bei der Beschreibung und Erklärung von individuellem Verhalten zubilligen.2^ Auch Cattell wendet sich dem Bereich der Motivation intensiv zu, indem er die dynamischen Grundwesenszüge von Individuen, die er in "ergic drives" (Antriebe), "sentiments" (Gesinnungen) und "role traits" (Rollenmerkmale) gliedert, als Ausdruck ihrer Motivation versteht.3^ Nachfolgend soll zunächst ein kurzer Überblick über das Spektrum an Motivationstheorien geboten werden, um dann auf der Basis der von Vroom entwickelten Instrumentalitätstheorie und des Motivationsmodells von Walker/Churchill/Ford Ansatzpunkte zur motivationstheoretischen Fundierung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern zu skizzieren.

1) Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 5.1.2.1. 2) Vgl. Hall/Lindzey (1978), S. 23; Heckhausen (1980), S. 54 ff. 3) Cattell entwickelte eine Reihe von Meßinstrumenten (z.B. Motivational Analysis Test (MAT)), um die Motivation, d.h. die dynamischen Grundwesenszüge zu operationalisieren. Siehe Cattell/ Radcliffe/Sweney (1963), S. 49 ff., und Heckhausen (1980), S. 92. Gleichwohl werden zumindest bislang Cattells Meßverfahren in der Motivationsforschung kaum berücksichtigt

84

3. Konzeptualisierung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern

3.3.2.1. Motivationstheorien im Überblick "Wie auch immer Motivation definiert werden mag, ihr Studium betrifft die Begründung unseres Verhaltens, meint immer dasjenige in und um uns, was uns dazu bringt, treibt, bewegt, uns so und nicht anders zu verhalten."1^ Dieses vage Begriffsverständnis erklärt, daß eine kaum mehr überschaubare Vielzahl an Motivationstheorien existiert, zumal darüber hinaus eine Vielzahl nicht minder diffuser Begriffe verwandt wird, die diesen Sachverhalt kennzeichnen sollen (z.B. Anreiz, Bedürfnis, Bereitschaft, Trieb). Zu diesem Forschungsfeld zählen beispielsweise physiologisch orientierte Ansätze,3^ Motivationstheorien im Bereich der Lernforschung 4^ oder solche der Persönlichkeitsforschung.5^ Da Motivation einen Antriebs- (energetische Komponente) und einen Richtungsaspekt (kognitive Komponente) besitzt und mit Blick auf die Arbeits- bzw. Leistungsmotivation vor allem kognitive Prozesse wichtig erscheinen, akzentuieren betriebswirtschaftliche Abhandlungen in erster Linie Theorien und Modelle kognitiven Zuschnitts.6^ Das zentrale Anliegen und damit die verbindende Klammer aller Motivationstheorien bildet die Ergründung maßgeblicher Motive menschlichen Handelns. Sie stellen gleichsam die Basis für die Gestaltung von Anreizen bzw. Anreizsystemen dar, die dazu dienen, Motive gezielt zu aktivieren und das erwünschte Verhalten auszulösen.7^ Die in betriebswirtschaftlichen Abhandlungen vorzugsweise breit diskutierten und einschlägigen empirischen Studien zugrunde gelegten Ansätze von Maslow und Herzberg werden im folgenden nicht behandelt; denn sowohl aus theoretischer als auch aus empirischer Perspektive haben sich die wichtigsten Bausteine der inhaltstheoretischen Motivationsforschung, die Bedürfnispyramide und das Zwei-Faktoren-Modell, als inhaltsleer und deshalb überholt erwiesen.8^

1) Graumann (1969), S. 1. 2) Einen Überblick über und Einstieg in die Materie bieten Campbell/Pritchard (1976), S. 63 ff.; Heckhausen (1980); Lattmann (1982), S. 105 ff. 3) Vgl. z.B. Berlyne (1960); Pawlow (1927); Sokolov (1963). 4) Hierzu zählen z.B. Brown (1961); Skinner (1953). 5) Vgl. z.B. Cattell (1973); Thomae (1969). Diese Differenzierung lehnt sich an die Struktur der Abb. 3.4. an. Eine Unterscheidung zwischen kognitiven und motivationspsychologischen Motivationstheorien wird hingegen an dieser Stelle nicht vorgenommen, da die Verzahnung beider Richtungen besonders eng ist. Siehe hierzu auch Wiswede (1980), S. 86. Auf die in der Motivationspsychologie übliche Einteilung in Inhalts- und Prozeßtheorien soll hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. dazu Hentze/Brose (1986), S. 39, und Staehle (1989), S. 200 ff. 6) Vgl. hierzu Wunderer/Grunwald (1980), S. 195 ff. Dazu rechnet man z.B. die Motivationstheorien von Atkinson, Porter/Lawler und Vroom. Vgl. Atkinson/Birch (1970); Porter/Lawler (1968); Vroom (1964). 7) Vgl. Becker (1985), S. 28. 8) Vgl. Conrad (1983), S. 258 ff.; Wiswede (1980), S. 96 ff.; Wunderer/Grunwald (1980), S. 176 ff. und S. 188 ff.

3.3. Marketingorenterung als Objektbereich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

85

Deswegen gründen die weiteren Erörterungen auf der nach Kieser "akzeptiertesten Motivationstheorie" kognitiven Zuschnitts.1^ Gemäß der instrumentellen Richtung der Motivationsforschung ist ein Individuum in dem Maße motiviert, wie die gewährten Belohnungen seiner Bedürfnisstruktur entsprechen und es eine Abhängigkeit zwischen den gebotenen Anreizen sowie den eigenen Anstrengungen wahrnimmt.2^ Die auf Rotter und Peak3^ zurückgehende Instrumentalitätstheorie läßt sich dem Kanon der Erwartungsmal-Wert-Theorien subsumieren, die auf der Überlegung fußen, daß das Produkt von erzielbarem Wert (Anreiz) und der Wahrscheinlichkeit, diesen Wert zu erlangen (Erwartung), die Wahl zwischen Handlungsalternativen determiniert. 4^

3.3.2.2. Die Grundstruktur der Instrumentalitätstheorie von Vroom Die Instrumentalitätstheorie wurde von Vroom entwickelt und von anderen Forschern (u.a. Porter und Lawler) modifiziert. Dieses Konzept beruht auf dem Weg-Ziel-Ansatz und verkörpert im Kern nichts anderes als eine ökonomische Entscheidungstheorie.5^ Danach wählt ein Entscheidungsträger solche Alternativen, die den von ihm erwarteten Nutzen maximieren. Leistung (Weg) wird nur dann als erstrebenswert wahrgenommen, wenn damit ein erwünschter Nutzen (Ziel) zu erreichen ist. Vroom zerlegt sein Totalmodell zur Vorhersage menschlichen Verhaltens bzw. von Handlungsergebnissen in drei Komponenten, und zwar in das - Valenz-, - Handlungs-und - Ausführungsmodell.

/

Zentral für das Verständnis der folgenden Ausführungen sind die Konstrukte "Valenz" und "Instrumentalität". Unter dem zuerst genannten Begriff versteht man die gefühlsmäßige Bewertung (affektive Orientierung) eines Ergebnisses durch ein Individuum. Bei den Ergebnissen unterscheidet Vroom solche der ersten Ebene, z.B. Belohnung für ein bestimmtes Leistungsverhalten (Bezahlung, Prämie etc.), die als Anreize dienen, und Ergebnisse der zweiten Ebene, die die angestrebten Ziele oder Bedürfnisse eines Individuums darstellen (z.B. Kauf einer Eigentumswohnung). Valenz verkörpert somit die vorweggenommene Befriedigung, die die Folgen eines Ergebnisses bietet. In der Vroom 1 sehen Konzeption bildet Valenz somit den Wert, der ausschlaggebend für ein bestimmtes Handeln sein kann. 1) Kieser (1980), Sp. 869. 2) Belohnungen stellen die von der Organisation angebotenen Anreize (z.B. Bezahlung, Beförderung) dar. Vgl. Kieser (1980), Sp. 870. 3) Vgl. Rotter (1955), S. 245 ff.; Peak (1955), S. 149 ff. 4) Vgl. Heckhausen (1980), S. 174. Das Konstrukt "Wert" bzw. "Anreiz" bildet den zentralen Bestandteil aller Leistungs- oder Anreizmotivationstheorien. 5) Vgl. Martin (1989), S. 262 ff.; Staehle (1989), S. 212 f.

86

3. Konzeptualisieng der Marketingorientierung von Vertriebsleiten

Instrumentalität, ein Konstrukt, das von Vroom erstmalig in dieser Form in die Diskussion eingeführt wurde, kennzeichnet die Beziehung bzw. Verknüpfung zwischen dem Ergebnis einer Handlung (Ergebnis der ersten Ebene) und den Folgen dieses Handlungsergebnisses (Ergebnis der zweiten Ebene).^ Ein Anreiz (z.B. Bezahlung) entfaltet deshalb erst dann eine motivierende Wirkung, wenn das Individuum dadurch positiv bewertete Ergebnisse der zweiten Ebene (z.B. Kauf einer Eigentumswohnung) befriedigen kann. Der Beziehungs- bzw. Verknüpfungskoeffizient reicht dabei von +1 (individuelle Bedürfnisse der zweiten Ebene lassen sich nur durch bestimmte Ergebnisse der ersten Ebene erzielen) bis -1 (mit einem bestimmten Ergebnis auf der ersten Ebene ist die Befriedigung eines individuellen Bedürfnisses der zweiten Ebene nicht möglich).2^ Die Variablen, die in das Vroom'sche Modell einfließen, gibt Abb. 3.10. wieder. Demnach wird streng zwischen Handlung, Ergebnis der Handlung auf der ersten Ebene (z.B. Bezahlung) und Folgen des Handlungsergebnisses auf der zweiten Ebene (z.B. Kauf einer Eigentumswohnung) unterschieden. Abb. 3.10.: Konstituierende Variablen der Vroom'schen Instrumentalitätstheorie Handlung!

Handlungsergebnis j

Handlungsergebnisfolgen k

Dabei bedeuten: E„= Erwartung (subjektive Wahrscheinlichkeit), daß Handlung i zum Handlungsergebnis j führt Ijk= Instrumentalität des Handlungsergebnisses j für Handlungsergebnisfolgen k Quelle: In Anlehnung an Heckhausen (1980), S. 230. 1) Damit ist eine Mittel-Zweck-Relation gemeint. 2) Vgl. Vroom (1964), S. 263 ff.

3.3. Marketingorenterung als Objektbereich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

87

Die subjektive Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Handlung zu einem erwünschten Ergebnis führt, wird als Erwartung bezeichnet. In diesen Wert fließen Vermutungen des Entscheidungsträgers darüber ein, ob die geforderte Leistung (z.B. Verbesserung der Kundenbetreuung) überhaupt erbracht und inwieweit mit dem Erreichen der geforderten Leistung die damit versprochene bzw. verknüpfte Belohnung (z.B. höhere Bezahlung; Ergebnis der ersten Ebene) erzielt weiden kann. Mathematisch läßt sich das Vroom'sche Modell wie folgt erfassen: m

η

HEj=f{Pj-f{£E

i j

·

i=l

f { £ v

k

. i

j k

m

k=l

Dabei bedeuten: V^ I = J

= Valenz der Handlungsergebnisfolgen k des Handlungsergebnisniveaus j Erwartete Instrumentality des Handlungsergebnisses j für Handlungsergebnisfolgen k (Wertebereich von -1 bis +1)

k

= Index für Handlungsergebnisfolgen (1,..., n)

E.j

= Erwartung, daß die Handlung i zum Handlungsergebnis j führt (Wertebereich von 0 bis 1)

i

= Index für Handlungen ( 1 , m )

P.

= Fähigkeit, das Handlungsergebnis j zu erreichen

HE. = Erzieltes Handlungsergebnis j

Graphisch dargestellt ergibt sich somit die in Abb. 3.11. enthaltene Grundstruktur 1^ der Instrumentalitätstheorie. Abb. 3.11.: Die Grundstruktur der Instrumentalitätstheorie Valenz der Handlung?- ergebnisfolgen k des Handlungsergebnisses j

Erwartung, dindi die Handlung i das Hand· hingsergebnis j zu erreichen

(Vk)

„ Handlung?ergebnis j

j 1

χ .

Fähigkeit, das Handhmgsergebnis j zu erreichen

(By)

^

Valenz des Handhmgsergebnisses

ψ ^ χ

Erwartete Instnnnentalitit des Handtungsergebnisses j für

(Pj> Psychologische ^ Kraft bzw. Motivation, das Handhmgsogebnis j zu errei-

r

ψ ν

r

Erzieltes Handhmgs- _ ergebnis j

(F.) J

folgen k

V Quelle: In Anlehnung an Heckhausen (1980), S. 231. 1) Porter/Lawler erweitern diese Grundstruktur vor allem dadurch, daß sie weitere Bestimmungsfaktoren von Erwartung und Valenz sowie Anspruchsniveau und Zufriedenheit in bezug auf Handlungsergebnisfolgen in ihr integriertes Erwartungs-Wert-Modell einbeziehen. Vgl. Porter/Lawler (1968).

88

3. Konzeptualisierung der Marketingorientieng von Vertriebsleitern

D i e Grundstruktur des Modells sei an einem stark vereinfachten Beispiel erläutert: In einem Zielvereinbarungsgespräch wird fixiert, daß ein Vertriebsleiter den Umsatz im nächsten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um S % steigern muß. Zunächst wird der Vertriebsleiter einzuschätzen versuchen, inwieweit die Erreichung dieses Zieles zu einer Erfüllung seines (aus Veieinfachungsgründen angenommenen) vorrangigen persönlichen Ziels führt, nämlich das Einkommen um 20 % zu erhöhen (erwartete Instrumentalität). Da er weiß, daß seine Entlohnung eng an den erzielten Umsatz gekoppelt ist, wird er zu einem positiven Resultat gelangen. In einem nächsten Schritt bewertet er die voraussichtliche Erhöhung des Einkommens (Handlungsergebnis der ersten Ebene) in bezug auf seine Bedürfnisse, die sich z.B. darin niederschlagen, eine Weltreise antreten zu können (Valenz der Handlungsergebnisfolge). Unterstellt man, daß der Vertriebsleiter auch hier zu einer positiven Einschätzung gelangt (Ergebnis der zweiten Ebene), so schätzt er die Zielvorgabe insgesamt positiv ein (Valenz des Handlungsergebnisses). Letztlich wird der Vertriebsleiter die subjektiven Wahrscheinlichkeiten dafür ermitteln, ob er z.B. durch eine Erhöhung der Besuchshäufigkeit der von ihm betreuten Großkunden (Handlung) das vorgegebene Ziel erreicht (Erwartung, durch die Handlung das Handlungsergebnis zu erreichen) und ob die Erfüllung dieses Ziels zu einer höheren Entlohnung führt. Unter der Annahme, daß der Vertriebsleiter die Wahrscheinlichkeiten relativ hoch einschätzt, ergibt sich eine hohe Motivation (psychologische Kraft), das vorgegebene Ziel zu erreichen. Dessen ungeachtet hängt aber das tatsächliche Leistungsergebnis auch davon ab, inwieweit der Vertriebsleiter die Fähigkeit besitzt, durch eine höhere Besuchshäufigkeit den Umsatz entsprechend zu steigern (z.B. durch eine geschickte Verhandlungsführung; vgl. hierzu Abschn. 5.2.2.2.). D i e empirische Überprüfung der Vroom'schen Instrumentalitätstheorie förderte ermutigende Resultate zutage. Gleichwohl hat sich aufgrund der Komplexität des Ansatzes dessen meßtechnische Umsetzung (z.B. hinsichtlich der Konstrukte "Erwartung" und "Instrumentalität") als problematisch erwiesen. 1 ^ Darüber hinaus kritisieren manche Autoren einige der von Vroom getroffenen Annahmen: 2 ^ -

Multiplikative Verknüpfung der Modellkomponenten (Vernachlässigung von Interaktionseffekten zwischen den Modellkomponenten)

-

Stabilität der Erwartungs- und Bedürfnisstruktur (Nichtberücksichtigung dynamischer Vorgänge)

1) Vgl. hierzu die bei Heckhausen (1980), S. 233 f., genannten Feld- und Laborstudien, die der empirischen Überprüfung der Instrumentalitätstheorie gewidmet sind. 2) Huellen nimmt zu diesen Annahmen ausführlich Stellung. Vgl. Huellen (1986), S. 85 ff. Zur Kritik an den Erwartung-mal-Wert-Theorien siehe auch Wunderer/Grunwald (1980), S. 204 f.

3.3. Marketingorenteng als Objektbeich von Persönlichkeits- und Motivationstheorien

-

89

Ausschließlich instrumentelle Funktion des Handlungsergebnisses (Vernachlässigung intrinsischer Motivation)

-

Hedonismus als verhaltensprägendes Leitmotiv

-

Rationalität von Handlungen (Individuum als homo oeconomicus)

An diesen Annahmen hat sich eine kritische Diskussion entzündet, ^ die schließlich zu verschiedenen Erweiterungen und Modifikationen des Vroom'schen Ansatzes führte. Stellvertretend hierfür sei auf die Motivationsmodelle von Porter/Lawler und Weiner hingewiesen.2^ Gleichwohl war dem Bestreben, die Instrumentalitätstheorie stärker realen Gegebenheiten anzupassen, bislang noch kein durchschlagender Erfolg beschieden; denn mit der Annäherung an die Realität geht ein Anwachsen der Komplexität der Modellstruktur einher, was verständlicherweise eine empirische Überprüfung bzw. Anwendung der jeweiligen Motivationsmodelle erschwert.3^ Deswegen wollen wir hier nicht auf die meist attributionsorientierten Erweiterungen der Instrumentalitätstheorie eingehen. Vielmehr gilt es zu klären, inwieweit die Motivationstheorie von Vroom Anhaltspunkte in bezug auf die Konzeptualisierung der MarketingOrientierung von Vertriebsleitern liefert.

3.3.2.3. Die Relevanz der Instrumentalitätstheorie von Vroom für die Konzeptualisierung des Konstruktes "Marketingorientierung von Vertriebsleitern" Walker/Churchill/Ford haben auf der Basis der Instrumentalitätstheorie von Vroom ein Modell zur Erfassung der Motivation von Außendienstmitarbeitern entwickelt (vgl. Abb. 3.12.). Wenngleich ihr Vorschlag nicht unmittelbar auf unser Problem übertragbar erscheint, da sie nicht die Marketingorientiening von Vertriebsleitem, sondern die Leistung von Außendienstmitarbeitern zu erklären suchen, bietet er doch einige Ansatzpunkte zur Konzeptualisierung der Marketingorientiening von Vertriebsleitern. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt wurde, stellt die Marketingorientiening von Vertriebsleitern einen Teilbereich der Leistung bzw. des Leistungsverhaltens dieser Kategorie von Mitarbeitern dar. Insofern muß der Gegenstandsbereich des Modells auf dieses Leistungs- bzw. Verhaltenssegment beschränkt werden. Weiterhin sind die Besonderheiten, die aus der hierarchischen Position und den spezifischen Rahmenbedingungen resultieren, mit denen sich Vertriebsleiter konfrontiert sehen, zu berücksichtigen. 1) Viele Einwände reduzieren sich darauf, daß Vroom einige Aspekte seiner Theorie nicht explizit definiert und operationalisiert. Vgl. Huellen (1986), S. 95. 2) Siehe Porter/Lawler (1968); Weiner (1976). 3) Zu diesem Schluß kommt beispielsweise auch Huellen. Vgl. Huellen (1986), S. 186.

90

3. Konzeptualisiening der Maiketingorientierung von Vertriebsleitern

Abb. 3.12.: Ein Modell zur Erfassung der Motivation von Außendienstmitarbeitern

Quelle: In Anlehnung an Walker/Churchill/Ford (1977), S. 162.

Vor diesem Hintergrund läßt sich die Marketingorientierung von Vertriebsleitern motivationstheoietisch wie folgt begründen: -

Die Motivation, sich marketingorientiert zu verhalten, hängt von der Erwartung (wahrgenommene Anstrengung in Relation zur Wahrscheinlichkeit der Erfüllung der Leistungsvorgabe) und der Valenz des Leistungsniveaus von Vertriebsleitern ab. Beide Konstrukte werden, wie Abb. 3.12. verdeutlicht, von einer Vielzahl von Variablen determiniert. Diese Einflußfaktoren lassen sich drei Gruppen zuordnen, und zwar individuellen, zu denen u.a. auch die in Abschn. 3.3.1. beschriebenen Persönlichkeitsdimensionen,

3.4. Marketingorientierung im Kontext ausgewählter personalwirtschaftlicher Instrumente

91

aber auch Fähigkeiten und Kenntnisse zählen, und untemehmensbezogenen Variablen, die sich auf den internen und externen Bereich erstrecken.1^ - Die Motivation zu marketingkonformem Verhalten hängt, wie Abb. 3.12. belegt, in entscheidendem Maße von den Aufgaben, dem geforderten Leistungsniveau (Zielvorgabe) und den Bedürfnissen der Vertriebsleiter ab. Will man darauf Einfluß nehmen, müssen individuelle, unternehmensinterne und unternehmensexterne Variablen gezielt modifiziert werden, sofern diese überhaupt gestaltbar sind bzw. der Aufwand hierfür in einer adäquaten Relation zum erzielbaren Nutzen steht.2-* Hierauf wird in Abschn. 6.4. noch einzugehen sein. - Auch unter motivationstheoretischem Blickwinkel gebührt der Erfassung bestimmter Leistungsindikatoren (Erfüllung von vertriebspolitischen Zielen und Wahrnehmung bestimmter Aufgaben) von Vertriebsleitern ein besonderer Stellenwert. Gelingt es, diejenigen Leistungsindikatoren zu extrahieren, anhand derer sich die Marketingorientierung von Vertriebsleitern diagnostizieren läßt,3^ und werden gleichzeitig individuelle, unternehmensinterne sowie unternehmensexterne Variablen erfaßt, können zwei Richtungen verfolgt werden: Einerseits lassen sich daraus Erkenntnisse hinsichtlich der Motivation zu marketingorientiertem Verhalten ableiten und andererseits können Maßnahmen zur Beseitigung einschlägiger Defizite im Bereich der Marketingorientierung gezielt an dem hier entworfenen motivationstheoretischen Hintergrund ausgerichtet werden.4^

3.4.

Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern im Kontext ausgewählter personalwirtschaftlicher Instrumente

Die Marketingorientierung als Teilbereich der Leistung von Mitarbeitern (personale Komponente) bzw. als Anforderung, die mit einer bestimmten Position verbunden ist (organisationale Komponente), kann prinzipiell mit Hilfe verschiedener personalwirtschaftlicher Instrumente erfaßt werden. Eine Diskussion sämtlicher personalwirtschaftlicher Instrumente, die zur Deskription von Dimensionen und Indikatoren des Konstrukts "MaΓketingorientieΓung,, herangezogen werden können, würde jedoch den Rahmen dieser 1) Als untemehmensinterne Variablen gelten in dem Modell von Walker/Churchill/Ford u.a. Anreizsystem, Personalentwicklung, Auswahlverfahren und Produktkategorie. Nachfragesituation und Konkurrenzintensität beispielweise stellen unternehmensexterne Variablen dar. Vgl. Walker/Churchill/ Ford (1977), S. 158. 2) Unternehmensexterne Variablen sind in aller Regel kurz- bzw. mittelfristig nicht und langfristig nur mit enormem Aufwand beeinflußbar. 3) Insofern wäre ein bestimmtes Niveau dieser spezifischen Leistungsindikatoren das Resultat der Maiketingorientierung von Vertriebsleitem. 4) Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 6.3.2.

92

3. Konzeptualisierung der Marketingorientiening von Vertriebsleitern

Untersuchung sprengen. Deswegen soll nach wenigen einführenden Bemerkungen lediglich auf Stellenbeschreibung, Stellenanzeige und Leistungsbeurteilung näher eingegangen werden. Im Zentrum der Diskussion steht dabei, welchen Beitrag diese Instrumente zur Messung der Marketingorientiening leisten. Zunächst interessieren jene Instrumente, die üblicherweise im Rahmen der Arbeitsplatzbzw. Anforderungsanalyse Verwendung finden. So werden beispielsweise bei der Methode der Auswertung sog. kritischer Ereignisse solche Verhaltensweisen und Gegebenheiten protokolliert, die für die Erledigung der Aufgaben eines Positionsinhabers von Bedeutung sind.1^ Darüber hinaus können Interviews mit Stelleninhabern, Mitarbeitern, Vorgesetzten oder sonstigen Bezugspersonen (Kunden etc.) dazu dienen, die jeweiligen marketingrelevanten Anforderungen nach Art und erforderlicher Ausprägung zu bestimmen. Zu denken wäre beispielsweise auch an den Einsatz standardisierter Arbeitsbewertungsverfahren, die u.U. auf Instrumente wie den Job Diagnostic Survey (JDS) oder den Position Analysis Questionnaire (PAQ) rekurrieren. 2) Letzteres prüft im Rahmen der Arbeitsplatzanalyse sechs Anforderungskategorien mit insgesamt 194 Arbeitselementen bzw. -eigenschaften (Anforderungsarten) hinsichtlich ihrer Relevanz (gemessen anhand der Häufigkeit ihres Auftretens und der zu ihrer Erledigung erforderlichen Zeit).3^ Die zugrunde liegenden Anforderungsarten erstrecken sich auf alle nur denkbaren Tätigkeiten, die an einem Arbeitsplatz anfallen. Da wir uns nicht dafür, sondern lediglich für die Anforderungen interessieren, die aus der mit der Vertriebsleiterstelle verknüpften Ausprägung an Marketingorientiening erwachsen, müßte der PAQ, ebenso wie der JDS, für unsere Zwecke modifiziert werden. Weil beide Instrumente jedoch den Marketingbereich weitgehend vernachlässigen, erweist sich dieses Unterfangen als wenig ergiebig. Weitere grundsätzliche Möglichkeiten zur Operationalisierung der Marketingorientiening bestehen in der Analyse von Anweisungen, Richtlinien und Organigrammen sowie von Stellenbeschreibungen und Stellenanzeigen. Aus der Vielzahl der angesprochenen organisationsbezogenen Konzepte, die unabhängig von der Person, die eine bestimmte Stelle innehat, auf die Erfassung bzw. inhaltliche Konkretisierung bestimmter Anforderungen abzielen, werden im folgenden die Instrumente Stellenbeschreibung und Stellenanzeige ausgewählt und eingehender diskutiert Dies geschieht nicht zuletzt auch deswegen, weil beide Techniken weit weniger Probleme der Datenerhebung hervorrufen als beispielsweise die Methode der Auswertung kritischer Ereignisse, die u.a. zur Analyse umfangreicher Tagebuch-Protokolle zwingt. 1) Vgl. Trebeck (1970), S. 233. 2) Die deutsche Bearbeitung des PAQ stellt der Fragebogen zur Arbeitsanalyse (FAA) dar. Vgl. Martin (1988), S. 198 f. 3) Vgl. Frieling (1980), S. 175 ff.

3.4. Marketingorientierung im Kontext ausgewählter personal wirtschaftlicher Instrumente

93

Unter Stellenbeschreibung versteht man die verbindliche, schriftliche Fixierung einer Position in bezug auf Ziele, Aufgaben, Kompetenzen, Anforderungen und Beziehungen zu anderen Stellen. Die wichtigsten inhaltlichen Elemente einer Stellenbeschreibung bestehen in der hierarchischen Einstufung zuzüglich etwaiger Vollmachten, Unter- und Überstellung in fachlicher und disziplinarischer Hinsicht, Stellvertretungsregelung, Auflistung sämtlicher Ziele und Aufgaben inklusive Einzel- oder Projektaufträgen, Fixierung von Befugnissen bzw. Kompetenzen sowie in den Anforderungen, die der Stelleninhaber erfüllen sollte.1^ Stellenbeschreibungen bilden eine wesentliche Hilfe bei der Ermittlung des qualitativen Personalbedarfs, Formulierung von Stellenanzeigen (Personalbeschaffung), Einarbeitung bzw. Einführung neuer Mitarbeiter, Gestaltung von Entwicklungsprogrammen sowie bei der Entlohnung und Motivation von Mitarbeitern (u.a. durch die eindeutige Regelung des Kompetenzbereichs).2^ Die Erschließung des vielfältigen Nutzenpotentials hängt allerdings entscheidend von der Aktualität und der Detailliertheit von Stellenbeschreibungen ab."^ Gemäß Kramer/Bechtoldt sollte eine Stellenbeschreibung für Vertriebsleiter folgendes 4)

hinsichtlich Befugnissen und Anforderungen präzisieren:

}

(1) Befugnisse - Teilnahme an Besprechungen mit vertriebspolitischem Bezug - Repräsentation des Unternehmens nach außen bei Anlässen, die distributionspolitische Sachverhalte betreffen - Entscheidung über Vertriebsstrategie (in Absprache mit dem Marketingleiter und den Produktmanagern) und Gestaltung vertriebspolitischer Instrumente - Entscheidung über den Einsatz von Ressourcen (Finanzen, Mitarbeiter usw.; in Absprache mit den Leitern der jeweiligen Funktionsbereiche) innerhalb des durch das Budget vorgegebenen Rahmens - Mitwirkung bei der Gestaltung der Marketingstrategie (2) Anforderungen 5^ (a) Ausbildung/Studium - Praxisorientiertes Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing bzw. Vertrieb und spezielle Kenntnisse in bezug auf Führungstechniken bzw. Menschenführung 1) 2) 3) 4) 5)

Vgl. Schwarz (1975), Sp. 1880 f. Vgl. Höhn (1969), S. 59 ff. Zur Gestaltung von Stellenbeschreibungen vgl. Struwe (1980), S. 116 ff. Vgl. Kramer/Bechtoldt (1975), S. 66 ff., und die Ausführungen in Abschn. 2.3.2. Kramer/Bechtoldt differenzieren hierbei zwischen dem "Soll-Profil des Stelleninhabers", zu dem sie Ausbildung/Studium und Praxiserfahning zählen, und den "Persönlichen Soll-Eigenschaften" ("Denk-, Gefühls-, Aktions- und Sozialbereich"). Kramer/Bechtoldt (1975), S. 68 f.

94

3. Konzeptualisierung der Marketingorientiening von Vertriebsleitern

- Unter Umständen fachbezogene Ausbildung als Ingenieur, Chemiker etc. (evtl. im Rahmen eines Doppelstudiums) - Kenntnisse in den Bereichen Planung, Organisation und/oder Psychologie (b) Praxiserfahrung - Berufserfahrung als Vertriebsleiter (gegebenenfalls in verschiedenen Branchen) - Ersatzweise Berufserfahrung als Assistent des Vertriebsleiters oder im Rahmen der Tätigkeit in einer Vertriebs- oder Maiketingabteilung - Zusätzliche Praxiserfahrung in den Bereichen Verkaufsförderung, Werbung, Marktforschung oder kaufmännische Verwaltung (c) Persönliche Eigenschaften1^ - Denkbereich (praktisch, logisch, schnell, funktional, konkret etc.) - Gefühlsbereich (verständnisvoll, zugänglich, stabil, harmonisch, extrovertiert etc.) - Aktionsbereich (engagiert, methodisch, zielsicher, entschlossen, verantwortungsvoll etc.) - Sozialbereich (überzeugend, fair, hilfsbereit, gerecht, tolerant etc.)

Wie dieser auszugsweise wiedergegebenen Liste zu entnehmen ist, wird darin die Marketingorientiening nicht explizit aufgeführt. Lediglich bei den Befugnissen läßt sich ein mehr oder weniger enger impliziter Zusammenhang zwischen der Marketingorientiening und den aufgeführten Variablen feststellen (z.B. Repräsentation des Unternehmens bei distributionsbezogenen Anlässen, Mitwirkung bei der Gestaltung der Marketingstrategie). Unter den Möglichkeiten, neue Mitarbeiter für ein Unternehmen zu gewinnen, stehen Stellenanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften an erster Stelle.2^ Die in Stellenanzeigen enthaltenen Informationen können vier Bereichen zugerechnet werden: - ausgeschriebene Position, - geforderte Qualifikation, - suchende Unternehmung und - gebotene Anreize.

1) Die von Kramer/Bechtoldt als "Persönliche Soll-Eigenschaften" aufgeführten Variablen stellen nichts anderes als die in Abschn. 3.3.1. diskutierten Persönlichkeitsdimensionen dar. Deshalb wird an dieser Stelle auf eine kritische Kommentierung beispielsweise in bezug auf Operationalisierung und Systematik der Kriterien verzichtet. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 3.3.1.3. 2) Vgl. Weis (1988), S. 42.

3.4. Marketingorientierung im Kontext ausgewählter personalwirtschaftlicher Instrumente

95

Allerdings informieren nicht alle Stellenanzeigen über diese vier Aspekte im gleichen Umfang. Beispielsweise enthalten Stellenanzeigen, die indirekt, d.h. von Personalberatern geschaltet werden, im Regelfall keine Angaben über die suchende Unternehmung. Nachfolgend wird zu analysieren sein, inwieweit die im Rahmen von Stellenanzeigen gebotenen Informationen über die geforderte Qualifikation Ansatzpunkte zur Operationalisierung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern verkörpern. Grundlage hierfür bilden Stellenangebote für (nationale) Verkaufs- bzw. Vertriebsleiter, die zwischen dem 5. März und dem 27. August 1988 in Tageszeitungen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt, Süddeutsche Zeitung, Mannheimer Morgen, Südkurier) geschaltet wurden. Die auf dieser Basis ausgewählten 126 Stellenanzeigen für Vertriebsleiter im Konsumgüterbereich ^ wurden inhaltsanalytisch ausgewertet, wobei in Anlehnung àn eine Untersuchung von Rief folgende Kriterien zugrunde gelegt wurden:2^ - Schulbildung, Ausbildung und Studium, - Charaktereigenschaften, - Fähigkeiten und - Kenntnisse. Diese Systematik wirft gewisse Probleme auf, da sie zwar eine sprachlich einleuchtende, aber eine inhaltlich relativ unbefriedigende Abgrenzung darstellt. So erscheint es unmöglich, eindeutig zu klären, ob "Führungsstärke" eine angeborene Charaktereigenschaft (= Persönlichkeitsdimension) verkörpert oder diese im (Berufs-)Leben erworben (= Fähigkeit) bzw. durch die Lektüre eines Lehrbuches sich angeeignet wurde (= Kenntnis). Trotz dieser Schwierigkeit, mit der sich jede Inhaltsanalyse konfrontiert sieht, sollen diese Kriterien das Raster der qualitativen Auswertung der 126 Stellenanzeigen bilden. In Tab. 3.3. sind zunächst die Ergebnisse in bezug auf die erwünschte Schulbildung bzw. Ausbildung und das erforderliche Studium, die in Stellenanzeigen für Vertriebsleiterpositionen genannt werden, dokumentiert. Die Suche nach Mitarbeitern, die ein Studium der Betriebswirtschaftslehre und/oder eine kaufmännische Ausbildung absolviert haben, prägt das Bild: Offenbar stellen diese-zwei Voraussetzungen in den Augen der suchenden Unternehmen Garanten dafür dar, daß ein Bewerber dem Idealbild eines Vertriebsleiters entspricht

1) Es wurde versucht, diejenigen Anzeigen auszuwählen, bei denen das suchende Unternehmen der Markenartikelindustrie angehört 2) Vgl. Rief (1959).

96

3. Konzeptualisierung der Marketingorientiening von Vertriebsleitern

Tab. 3.3.: Erwünschte Schulbildung bzw. Ausbildung und präferiertes Studienfach von Vertriebsleitern Häufigkeit der Nennung absolut

in %

Anzeigen ohne Angaben

79

63

Anzeigen mit Angaben1*

47

37

- Abitur - Kaufmännische Ausbildung - Technische Ausbildung - Sonstige Fachausbildung2* - Fundierte Ausbildung2* - Studium der Betriebswirtschaftslehre - Studium2* - Berufspraxis 2 )

1

2

25

40

5 2

8 3

2

3

22 5 1

35 8 2

Legende: 1) Mehlfachnennungen wurden berücksichtigt Basis der Prozentuierung (gerundete Werte) bildet die Anzahl sämtlicher Nennungen (= 63), die Schul- und Ausbildung sowie Studium betreffen. 2) Genauere Angaben waren hierzu nicht verfügbar.

Im Bereich der Charaktereigenschaften, die in 79 % aller untersuchten Stellenanzeigen eine Rolle spielen, erwarten die Inserenten Dynamik, Durchsetzungsvermögen und Ehrgeiz (vgl. Tab. 3.4.). Ideenreichtum, "persönliches Format", Einsatzbereitschaft, Mobilität, Führungsstärke und Ausstrahlung von Autorität werden in mindestens noch einem Zehntel aller Anzeigen mit Angaben zum charakterlichen Soll-Profil verlangt1^ Analysiert man die Ergebnisse der Inhaltsanalyse hinsichtlich der erwünschten Fähigkeiten, die besitzen sollte, wer sich um die Stelle eines Vertriebsleiters bemüht, so entsteht zwar erneut ein relativ heterogenes Bild (vgl. Tab. 3.5.), aber die Anzahl der Nennungen und die Häufigkeit, mit der z.B. Führungsfähigkeit (n = 30), Zielorientierung (n = 26) und Verhandlungsgeschick bzw. -stärke (n = 25) verlangt werden, deuten darauf hin, daß in bezug auf das Fähigkeitsprofil des idealen Vertriebsleiters größere Übereinstimmung besteht als etwa hinsichtlich der wünschenswerten Charaktereigenschaften.

1) Dieser Wert kann nicht aus Tab. 3.4. entnommen werden, da dort die Auszählung der Häufigkeit im Vordergund steht, mit der Charaktereigenschaften in Stellenanzeigen angesprochen werden.

3.4. Marketingorientierung im Kontext ausgewählter personalwirtschaftlicher Instrumente

97

Tab. 3.4.: Erwünschte charakterliche Eigenschaften von Vertriebsleitern Häufigkeit der Nennung absolut

in %

Anzeigen ohne Angaben

26

21

Anzeigen mit Angabenl)

100

79 23 11

- Dynamik

58

- Durchsetzungsvermögen

28

-Ehrgeiz

20

8

- Ideenreichtum - "Persönliches Format"

19

8

15

6

- Einsatzbereitschaft

13 12

5

- Mobilität - Führungsstärke - Ausstrahlung von Autorität - Verantwortungsbereitschaft - Kontaktstärke -Überzeugungskraft - Sicherheit im Auftreten - Vorbildfunktion - Flexibilität - Begeisterungsfähigkeit - Unkompliziertheit - Intelligenz - Äußeres Erscheinungsbild - Einfühlungsvermögen - Entscheidungsfreude - Internationalität - Augenmaß

11 10 9 9 8 5 5 4 4 4

5 4 4 4 4 3 2 2 2 2 2

3 3

1 1

3 2

1

2 1

- Kompromißfähigkeit - Sachlichkeit -Fairneß

1

- Zukunftsorientiertheit

1 1 0

1

0 0

1

0

1

0

Legende: 1) Mehrfachnennungen wurden berücksichtigt. Basis der Prozentuierung (gerundete Werte) bildet die Anzahl sämtlicher Nennungen (= 252), die Charaktereigenschaften betreffen.

Es überrascht auch, daß in immerhin 22 von 94 Stellenanzeigen explizit auf die Fähigkeit "Marketingorientierung" hingewiesen wird, wenngleich zumeist in wenig konkreter Form. Manchmal werden dafür Umschreibungen wie "Marketingfähigkeit besitzen" oder "Fähigkeit, sich bietende Chancen zu nutzen" benutzt. Offenbar kommt der Marketingorientierung eine größere Bedeutung für den Aufgabenbereich eines Vertriebsleiters zu als der Vertriebsorientierung bzw. dem Vorhandensein eines gewissen Verkaufstalents (n = 19).

98

3. Konzeptualisieng der Marketingorientiening von Vertriebsleitern

Tab. 3.5.: Erwünschte Fähigkeiten von Vertriebsleitern Häufigkeit der Nennung absolut Anzeigen ohne Angaben Anzeigen mit Angaben 1)

|

32 94

in % 25 75

- Führungsfähigkeit

30

14

- Zielorientierung/Fähigkeit zur Realisierung von Zielen

26

- Verhandlungsgeschick bzw. -stärke

25

13 12

- Marketingorientierung

22

11

- Vertriebsorientierung bzw. Verkaufstalent

19

9

- Motivationsfähigkeit

18

9

- Fähigkeit, konzeptionell zu denken bzw. zu handeln - Teamfähigkeit - Selbständig«· und analytischer Arbeitsstil

18 16 14

9 8 7

- Organisationsfähigkeit - Strategisches Denken - Fähigkeit zur Planung und Einführung neuer Produkte - Einfühlungsvermögen

11 5

5 2

3

1

3

1

Legende: 1) Mehrfachnennungen wurden berücksichtigt Basis der Prozentuiemng (gerundete Werte) bildet die Anzahl sämtlicher Nennungen (= 207), die die erwünschten Fähigkeiten betreffen.

Tab. 3.6. dokumentiert schließlich die Ergebnisse, die bei der Auswertung der geforderten Kenntnisse von Vertriebsleitern erzielt wurden. Hier prägen Branchenkenntnisse und die Beherrschung der englischen Sprache das Bild. Marketing-Know how und betriebswirtschaftliche Kenntnisse folgen relativ weit abgeschlagen als dritt- bzw. vierthäufigste Angaben. Auf der Basis der untersuchten Stellenanzeigen läßt sich somit zusammenfassend das Profil des "idealen" Vertriebsleiters wie folgt charakterisieren: Nach einer kaufmännischen Ausbildung bzw. einem betriebswirtschaftlichen Studium konnte er tiefreichende Erfahrungen in bestimmten Branchen bzw. Wirtschaftszweigen sammeln. Er ist der englischen Sprache mächtig, besitzt ein hohes Maß an Dynamik, Durchsetzungsvermögen, Ehrgeiz und Führungsfähigkeit, vermag Ziele zu setzen und zu erreichen. Nicht zuletzt verfügt er über ein ausgeprägtes Verhandlungsgeschick sowie ein gewisses Maß an Marketingorientierung.

3.4. Marketingorientierung im Kontext ausgewählter personal wirtschaftlicher Instrumente

99

Tab. 3.6.: Erwünschte Kenntnisse von Vertriebsleitern Häufigkeit der Nennung absolut

in %

Anzeigen ohne Angaben

47

37

Anzeigen mit Angaben1)

79

63

- Branchenkenntnisse

79 58 45

43 32

8

4

- Sprachen - Englisch - Französisch - Sonstige - Marketingkenntnisse

25

5

3

15

8

11 7

6 4

- Technisches Wissen

7

4

- EDV-Kenntnisse

2

- Strategische Kenntnisse

3 1

- Logistische Kenntnisse

1

1

- Betriebswirtschaftliche Kenntnisse - Fachkenntnisse allgemein

1

Legende: 1) Mehrfachnennungen wurden berücksichtigt. Basis der Prozentuierung (gerundete Werte) bildet die Anzahl sämtlicher Nennungen (= 182), die die erwünschten Kenntnisse betreffen.

Vergleicht man das stark komprimierte Resultat der Inhaltsanalyse von Stellenanzeigen mit anderen Untersuchungen,1^ so ergibt sich eine weitreichende Übereinstimmung. Lediglich in bezug auf die mit einem härteren Wettbewerb einhergehenden höheren Anforderungen hinsichtlich Marketingkenntnissen und -fähigkeiten sowie Verhandlungsgeschick weichen sie von den Befunden älterer Untersuchungen ab. Erstaunlicherweise wird auf die Beherrschung von Sprachen und von EDV-Kenntnissen weit weniger Wert gelegt, als angesichts der fortschreitenden Internationalisierung der Geschäftstätigkeit sowie des zunehmenden Einsatzes neuer IuK-Technologien im Vertriebsbereich zu erwarten war. Nach der Diskussion der organisationalen Perspektive wollen wir uns nunmehr der personalen Dimension der Marketingorientierung zuwenden. Dabei handelt es sich quasi um eine spiegelbildliche Betrachtung insofern, als nicht die Anforderungen, sondern die Eignung eines Vertriebsleiters, und zwar unabhängig von der Ausgestaltung der Position, im Blickpunkt des Interesses steht. Diese kann durch eine Vielzahl von Verfahren erfaßt werden, die hauptsächlich dem Bereich der Psychologie und speziell dem der Manage1) So z.B. Rief (1959). Die in unserer Studie zutage geförderten Ergebnisse bestätigen die von Kramer/ Bechtoldt ermittelten Anforderungen hinsichtlich Ausbildung bzw. Studium und Praxiserfahrung. Wie nicht anders zu erwarten war, können die von den Autoren unsystematisch aufgelisteten persönlichen Eigenschaften nicht reproduziert werden. Vgl. Kramer/Bechtoldt (1975), S. 69.

100

3. Konzeptualisierung der Marketingorientiening von Vertriebsleitern

ment-Diagnostik entstammen. Interviews, Tests, projektive Verfahren, Analyse der Arbeitsergebnisse und des Arbeitsverhaltens, Dokumentenanalyse, aber auch komplexere Verfahren, wie z.B. Assessment Center, Peer Rating1^ und Leistungsbeurteilung, erscheinen geeignet, im Rahmen der Eignungsdiagnostik Aufschlüsse über die Ausprägung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern und deren Determinanten zu liefern. 2^ In Gestalt sog. computergestützter Simulationsverfahren deutet sich zwar im weiten Feld der Eignungsdiagnostik ein qualitativer Fortschritt an, doch steht die systematische meßtheoretische Überprüfung dieser Instrumente noch aus.3^ Deswegen wollen wir uns im folgenden mit einem in der Praxis vielfach bewährten Instrument auseinandersetzen, der Leistungsbeurteilung, und untersuchen, inwieweit dabei die Marketingorientiening berücksichtigt wird. Dies geschieht auch im Hinblick darauf, daß zu dem Phänomen der Leistungsbeurteilung theoretisch fundierte empirische Untersuchungen vorliegen. Unter Leistungsbeurteilung wird in der Literatur die Feststellung einer im Unternehmen definierten und beim Mitarbeiter beobachteten Leistung verstanden, wobei Leistungsverhalten und -ergebnis gemäß einem vorgegebenen Beurteilungsschema bzw. -raster analysiert werden.4^ Die formalisierte und systematische Quantifizierung kann als Grundlage von Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung des Entlohnungs- bzw. Anreizsystems, der Personalentwicklung oder der innerbetrieblichen Kommunikation und Information dienen.5^ Darüber hinaus führen die Leistungsfeststellung und -einstufung zu einer Fundierung von Personaleinsatzentscheidungen sowie zu Informationen, die im Rahmen des Personalcontrolling als Entscheidungsgrundlage dienen. Beispielsweise können die Befunde einer Leistungsbeurteilung den Anstoß zu einer Korrektur unrealistisch hoher Zielvorgaben gebend Im folgenden wird darauf einzugehen sein, welchen Stellenwert Merkmale bei der Leistungsfeststellung besitzen, die zur Operationalisierung der Marketingorientiening von Vertriebsleitern herangezogen werden können. Als Bezugspunkt der Argumentation fungieren dabei empirische Untersuchungen von Gaugier et al. und Rübling, die

1) Bei dieser Beurteilungsmethode werden Mitarbeiter aufgefordert, ihre Kollegen zu beurteilen. Üblicherweise wendet man das Peer Rating dann an, wenn bei einer Einstellung oder Beförderung Gleichgestellte ihre Konkurrenten um die in Frage kommende Position einschätzen sollen. Vgl. Scholz (1989), S. 169. 2) Vgl. Neuberger (1979), S. 125 ff. 3) Vgl. Reitzig/Sarges (1988), S. 38. 4) Siehe hierzu z.B. Gaugler et al. (1978), S. 22 ff.; Lattmann (1975), S. 23 ff.; Rübling (1988), S. 46 ff. 5) Vgl. zu den Zielen der Leistungsbeurteilung Gaugler et al. (1978), S. 25 ff. 6) Allerdings sei an dieser Stelle ausdrücklich auf die mit einer Leistungsbeurteilung verbundenen denkbaren Probleme hingewiesen (z.B. persönlichkeitsbedingte Beurteilungsfehler, zu Problemen führende Organisation des Beurteilungsverfahrens; vgl. Lattmann (1975), S. 157 ff.).

3.4. Marketingorientierung im Kontext ausgewählter personal wirtschaftlicher Instrumente

101

insgesamt 142 Leistungsbeurteilungssysteme, die in der Praxis bei verschiedenen Unternehmen eingesetzt werden, näher untersucht habend Die bei der Analyse von 102 in der betrieblichen Praxis implementierten Leistungsbeurteilungssystemen von Gaugier et al. identifizierten 1232 Merkmale lassen sich sechs Hauptgruppen zuordnen, nämlich Leistungsergebnis-, Führungs-, Verhaltens-, Potentialund Persönlichkeitsmerkmalen sowie Merkmalen der angewandten Qualifikation. 2^ Die Spannweite der dabei berücksichtigten Anzahl von Merkmalen schwankt von System zu System zwischen drei und 33. Inhaltlich betrachtet dominieren Verhaltensmerkmale, gefolgt von Persönlichkeits-, Führungs- und Leistungsergebnismerkmalen. Items schließlich, die die angewandte Qualifikation oder das Potential betreffen, stehen nahezu gleichauf am Ende der Häufigkeitsskala. Innerhalb der sechs Hauptgruppen bilden Gaugler et al. verschiedene Schwerpunkte, die sie als Gruppen von gleichartigen Merkmalen bezeichnen. Zieht man die von ihnen festgestellte Häufigkeit der einzelnen Schwerpunkte als Maßstab heran, so prägen Zusammenarbeit und Einsatz bzw. Fleiß das Bild. Aufmerksamkeit verdient das Abschneiden der Merkmalsgruppe "tätigkeitsbezogenes Fachwissen, Fachkönnen und Fähigkeiten" (Rang 3). Demzufolge müßte der Marketingorientierung, die Gaugler et al. nicht als Merkmal aufführen, eine relativ hohe Bedeutung für die Beurteilung des Leistungsvermögens von Vertriebsleitern zukommen. Bei 36 der von Rübling untersuchten Systeme, die eine mehr oder weniger analytische Leistungsbeurteilung ermöglichen,3^ streut die Anzahl der berücksichtigten Merkmale zwischen drei und 18. Trotz Unterschieden bei den Klassifikationskriterien 4^ bestätigen seine Untersuchungsergebnisse die von Gaugler et al. erzielten Befunde hinsichtlich Häufigkeit bzw. Bedeutung bestimmter Merkmalsgruppen im wesentlichen. Auch gemäß dieser Studie bilden "Fachkenntnisse, Fachkönnen und Fachwissen" eine wesentliche Grundlage der Beurteilung der von Angestellten bzw. Führungskräften erbrachten Leistung. Erneut wird jedoch die Marketingorientierung nicht explizit berücksichtigt. In einer zusammenfassenden Würdigung der in diesem Abschnitt geführten Diskussion muß festgehalten werden, daß das Konstrukt "Marketingorientierung" Gegenstand einiger weniger personalwirtschaftlicher Instrumente ist (vorwiegend von Stellenanzeigen und 1) Vgl. zur empirischen Konzeption Gaugler et al. (1978), S. 97 ff., und Rübling (1988), S. 143 ff. 2) Vgl. dazu im einzelnen Gaugler et al. (1978), S. 151 ff. Da diese Untersuchung auf Verfahren abzielt, bei denen der Hauptzweck in der Leistungsbeurteilung von Angestellten besteht, werden statusspezifische Besonderheiten (z.B. Beurteilungssysteme für Führungskräfte vs. Sachbearbeiter) nicht explizit thematisiert. Vgl. Gaugler et al. (1978), S. 70. 3) Vgl. Rübling (1988), S. 295. Vier Systeme verfolgen eine summarische Leistungsbeurteilung. 4) Rübling unterscheidet folgende Hauptgruppen: Leistungsergebnis, persönliche Eigenschaften, Qualifikation, aufgabenbezogenens Verhalten, Verhalten gegenüber Personen und Führung/Leitung.

102

3. Konzeptualisierng der Marketingorientiening von Vertriebsleitern

Stellenbeschreibungeft), ohne aber näher operationalisiert zu werden. Angesichts der aus der Erfolgsfaktorenforschung zu ziehenden Erkenntnis, daß die Marketingorientierung sowohl des Unternehmens als auch aller Führungskräfte den entscheidenden Erfolgsgaranten verkörpert, offenbart dieser Befund eindrücklich das vorhandene Defizit in der betrieblichen Praxis.

3.5. Zusammenfassung Wie die Diskussion verschiedener theoretischer Konzepte gezeigt hat, schlägt sich die Einstufung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern'als erfolgsbestimmende Determinante nicht in entsprechenden Bemühungen nieder, dieses vielschichtige Konstrukt zu operationalisieren. Weder die Erfolgsfaktorenforschung oder Persönlichkeitsund Motivationstheorien noch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Stellenbeschreibungen, Stellenanzeigen sowie Leistungsbeurteilungssystemen vermögen, isoliert betrachtet, hinreichenden Aufschluß über die von diesen zu fordernde bzw. vorhandene Marketingorientierung von Vertriebsleitern zu geben. Lediglich wenn alle in Abschn. 3. diskutierten Theorien und Erklärungsansätze herangezogen werden, erscheint es möglich, ein theoretisch tragfähiges Fundament zur empirischen Erfassung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern zu legen. Ohne an dieser Stelle alle Ergebnisse der theoretischen Diskussion wiederholen zu wollen, kleiden wir einige wichtige Befunde zusammenfassend in die Form von Thesen: (1) Gemäß eteri Ergebnissen der Erfolgsfaktorenforschung, istdie-Marketingorientierung von Vertriebsleitern als ein strategischer Erfolgsfaktor einzustufen. (2) Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern muß auf der Basis der diesen Führungskräften vorgegebenen Ziele bzw. Aufgaben erfaßt werden. (3) Nach den Befunden der Persönlichkeits- und Motivationstheorie ist zu vermuten, daß vor allem individuelle Merkmale die Marketingorientierung von Vertriebsleitern ρώδρη. (4) Entgegen der Bedeutung dieses Konstruktes für den Marketing- bzw. Unternehmenserfolg richtet die Praxis ihr Augenmerk bei der Ausgestaltung personalwirtschaftlicher Instrumente zu wenig auf die Marketingorientierung. Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, die theoretischen Erörterungen mit den Erfahrungen der Praxis zu konfrontieren. Dies soll anhand einer empirischen Untersuchung geschehen, deren Konzeption im folgenden Abschnitt erläutert wird.

4. DIE KONZEPTION EINER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG ZUR ERFASSUNG DER MARKETINGORIENTIERUNG VON VERTRIEBSLEITERN Aus wissenschaftstheoretischer Sicht ist die vorliegende Arbeit mit dem Teil, der nicht empirisch gesichert wird, dem Entdeckungszusammenhang von theoretischen Aussagen und damit dem Vorfeld der Theorienbildung zuzurechnen. Die empirische Überprüfung der Gültigkeit einzelner Hypothesen mit einer bestimmten Untersuchungsmethodik (vgl. Abschn. 4.2. und 4.3.) muß hingegen in den Begründungszusammenhang von theoretischen Aussagen eingeordnet werden.1^ Auf der in Abschn. 2. und 3. gelegten theoretischen Basis skizzieren wir nachfolgend Ziele, Prämissen und Hypothesen einer von uns durchgeführten empirischen Untersuchung.

4.1. Ziele, Prämissen und Hypothesen der empirischen Untersuchung Wie die bisherige Diskussion gezeigt hat (vgl. Abschn. 3.5.), waren die Konstrukte "Marketingorientierung" und speziell "Marketingorientierung von Vertriebsleitern" bislang noch nicht Gegenstand einer empirischen Untersuchung. Lediglich einzelne Facetten der Problematik werden von verschiedenen Autoren gestreift. Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Oberziele für die empirische Untersuchung, die die Basis für deren Gestaltung und Durchführung bilden: (1) Erfassung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern der Markenartikelindustrie mit Hilfe bestimmter Indikatoren und meßtechnischer Verfahren (2) Messung der Determinanten der Marketingorientierung (3) Ermittlung der Schwachstellen hinsichtlich der Marketingorientierung Um diese für Struktur und Ablauf des empirischen Forschungsprogramms maßgeblichen Globalziele erreichen zu können, muß eine Reihe von Annahmen getroffen werden: (1) Die Marketingorientierung stellt eine Dimension der Leistung von Vertriebsleitern dar. Da sich sowohl das Leistungsergebnis als auch das Leistungsverhalten durch 1) Vgl. Chmielewicz (1979), S. 87 ff.

104

4. Konzeption einer empirischen Untersuchung

den Zielerreichungsgrad und die Qualität der Wahrnehmung spezifischer Aufgaben operationalisieren lassen, repräsentieren die aus den Marketingzielen abgeleiteten vertriebspolitischen Ziele neben bestimmten dem Aufgabenbereich zu subsumierenden Tätigkeiten Indikatoren der Marketingorientierung von Vertriebsleitern. (2) Die Marketingorientierung von Vertriebsleitem wird durch eine Vielzahl von Faktoren geprägt, die sich zu drei Kategorien bündeln lassen, nämlich unternehmensexterne, unternehmensinterne und individuelle Determinanten (vgl. Abschn. 2. und 3.). Dies bedeutet letztlich, daß die Marketingorientierung als ein von den Ausprägungen dieser Determinanten abhängiges multiattributives Konstrukt zu betrachten ist. (3) Die Erfassung dynamischer Prozesse verlangt streng genommen danach, eine Längsschnittuntersuchung durchzuführen. 1^ Aus forschungsökonomischen Gründen muß hierauf jedoch im Rahmen dieser Untersuchung verzichtet werden. Die statt dessen realisierte Querschnittuntersuchung ermöglicht immerhin eine zeitpunktbezogene Bestandsaufnahme der Marketingorientierung von Vertriebsleitern. Der Verzicht auf die Deskription und Explikation der dynamischen Komponente des betrachteten Konstrukts bedeutet gleichzeitig, daß die Wirkung von Handlungsalternativen zur Behebung von Defiziten hinsichtlich der Marketingorientierung nicht empirisch überprüft werden kann.2^ (4) Auf eine Befragung der Betroffenen, d.h. von Vertriebsleitern selbst, soll bewußt verzichtet werden, da von ihnen überwiegend sozial erwünschte, d.h. interessengefarbte Auskünfte zu erwarten wären.3^ Gelingt es hingegen, als Probanden solche Personen zu gewinnen, die einen fundierten Einblick in Ziele, Aufgaben und Verantwortungsbereich eines Vertriebsleiters der Markenartikelindustrie besitzen sowie diesen in bezug auf sein Verhalten und als Persönlichkeit einzuschätzen vermögen, können verläßliche Befunde zutage gefördert werden. Diese Bedingungen scheinen Vorgesetzte und Kollegen aus anderen, mit dem Vertrieb eng zusammenarbeitenden 1) Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 3.2.3.2. 2) Hierzu wäre eine sich über mehrere Jahre erstreckende Längsschnittuntersuchung notwendig, die langfristige Wirkungen einzelner Handlungsalternativen zu quantifizieren erlaubt. Die von manchen Forschern als Kompromiß realisierte Zwei-Zeitpunkte-Untersuchung, die nichts anderes als zwei (mit zumeist drei Jahren dazwischen) Querschnittuntersuchungen darstellt, muß ebenfalls abgelehnt werden, da die zwischen den Erhebungszeitpunkten liegende Entwicklung nicht erfaßt werden kann. Vgl. Abschn. 3.2.3.2. 3) Vgl. hierzu auch die Erläuterungen in Abschn. 3.2.3.2. und die Kritik an der Erfolgsfaktorenstudie von Hoffmann. Das Problem sozial erwünschter (interessengefärbter) Antworten, das bei einer Befragung von Vertriebsleitern entstünde, könnte zwar z.B. mit Hilfe projektiver Verfahren vermieden werden (vgl. Dichtl/Köglmayr/Müller (1986), S. 1064 ff.; Köglmayr/Lingenfelder/Müller (1988), S. 49 ff.), doch sind mit diesem tiefenpsychologischen Ansatz weitreichende Annahmen verbunden, die ihrerseits die Validität der Befunde in Frage stellen. Vgl. hierzu Axhausen (1984), S. 471 ff.; Laplanche/Pontalis (1972), S. 407. Zur Informationsbeschaffung im Rahmen der Personalforschung siehe Martin (1988), S. 177 ff.

4.1. Ziele, Prämissen und Hypothesen

105

Funktionsbereichen (z.B. Produktmanagement) sowie Interaktionspartner von Vertriebsleitern auf Seiten des Handels (Einkaufsleiter) zu erfüllen. 1^ Die Befragung sowohl von Vorgesetzten und Kollegen als auch von Einkaufsleitern des Handels soll gewährleisten, daß die Marketingorientierung von Vertriebsleitern möglichst umfassend, d.h. aus unternehmensinterner und -externer Perspektive erfaßt wird. Um dem spezifischen Erfahrungshintergrund der Probanden Rechnung tragen zu können, stehen bei der Befragung von Vorgesetzten und Kollegen die in Abb. 4.1. enthaltenen Problemfelder, Dimensionen und Indikatoren im Blickpunkt des Interesses.2^ Dabei zeigt sich auch, daß das Konstrukt "Marketingorientierung von Vertriebsleitern", wie in Abschn. 2. und Abschn. 3. begründet, auf den Dimensionen "vertriebspolitische Ziele" und "Wahrnehmung bestimmter Aufgaben" fußt. Daneben bilden die Determinanten der Marketingorientierung von Vertriebsleitern weitere Elemente der Befragung von Vorgesetzten und Kollegen. Bei der Befragung von Einkaufsleitern mußte dem Umstand Tribut gezollt werden, daß diese lediglich einige wenige der in Abb. 4.1. enthaltenen Dimensionen bzw. Indikatoren beurteilen können. Da Einkaufsleiter nur partiell Einsicht in die Tätigkeit von Vertriebsleitern haben, können sie jene beispielsweise nicht in bezug auf alle hier zur Diskussion stehenden Ziele und Aufgaben bewerten. Deswegen und aufgrund der Tatsache, daß die auf der Interaktion von Einkaufs- und Vertriebsleitern beruhenden spezifischen Kenntnisse von Einkaufsleitern genutzt werden sollten, standen bei deren Befragung der Verhandlungsprozeß, die Zufriedenheit mit dem erzielten Verhandlungsergebnis und die von Vertriebsleitern in diesem Kontext (d.h. vor, während und nach Verhandlungen) erbrachten Leistungen sowie demonstrierten Fähigkeiten im Mittelpunkt der Betrachtung (vgl. Abb. 4.2.). Wo dies möglich war, wurden die Variablen der Vorgesetzten- bzw. Kollegenbefragung unverändert oder nur leicht modifiziert übernommen, um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. So wurde u.a. die Persönlichkeitsstruktur in genau der gleichen Art und Weise meßtechnisch erfaßt wie bei der Herstellerbefragung. 1) Auf die Befragung von Personalberatern wurde verzichtet, da diese nicht über eine Vorgesetzten, Kollegen und Interaktionspartnern von Vertriebsleitern vergleichbar fundierte Kenntnis unternehmensspezifischer und individueller Gegebenheiten verfügen. Weiterhin werden Angaben von den Vertriebsleitern unterstellten Mitarbeiter nicht in die empirische Untersuchung einbezogen, weil sich gezeigt hat, daß diese aufgrund ihres zumeist geringen Informationsstands ihren Vorgesetzten nicht oder nur sehr eingeschränkt beurteilen können und hierarchieabhängige Meinungen artikulieren, die tendenziell eher Vorurteile gegenüber dem Vorgesetzten als "richtige" Einschätzungen widerspiegeln. Vgl. hierzu Reinecke (1985), S. 84 ff. In diesem Kontext sei darauf verwiesen, daß mit einer derart angelegten Befragung nicht objektive Meßwerte gewonnen werden, sondern die Wahrnehmung der Probanden hinsichtlich der zur Debatte stehenden Variablen erfaßt wird. 2) Die untersuchten Indikatoren werden in Abb. 4.1. nur auszugsweise aufgeführt

Individuelle Determinanten der MarketingOrientierung von Vertriebsleitern

Operationalisiening des Konstrukts "Marketingorientierung von Vertriebsleitern"

Problemfeld

Empirisch untersuchter Indikator

- Dauer der Betriebszugehörigkeit - Karriereverlauf - Extrovertiertheit - Konventionalität - Alter - Bildungsstand

Persönlichkeit

Soziodemographika

Teil 2, Frage 14

Teil 2, Frage 13

Teil 2, Frage 12

Teil 2, Fragen 7 und 11

- Vertrautheit mit der Branche - Kenntnis der Entscheidungsabläufe in Handelsunternehmen

Beruflicher Werdegang

Fähigkeiten und Kenntnisse

;

Frage(n) im Fragebogen

- Erhöhung der gewichteten DistributionsVertriebspolitische quote Teil 2, Fragen 9 und 15 Ziele - Langfristige Bindung von Handelsunterunternehmen , - Qualifizierte Betreuung von "SchlüsselTeil 2, Frage 16 Wahrnehmung bestimmkünden" ter Aufgaben - Aufbau eines EDV-gestützten Vertriebsinformationssystems

Dimension

5.1.2.1.

5.1.1.'

B^Îu^fn^^^itt 011611

Abb. 4.1.: Problemfelder, Dimensionen und ausgewählte Indikatoren der Befragung von Vorgesetzten und Kollegen

106 4. Konzeption einer empirischen Untersuchung

Untemehmensstruktur

Dimension - Umsatz - Anzahl der Vertriebsabteilungen

Empirisch untersuchter Indikator Teil 1, Fragen 2,3 und 4

Frage(n) im Fragebogen

Unternehmensexteme Determinanten der Marketingorientiening von Vertriebsleitem

- Marktsättigung - Umweltbewußtsein - Nachfragemacht des Handels - Konkurrenzintensität

Aufgabenspezifische Umweltbedingungen

Teil 2, Fragen 3,4,10 und 18

Teil 2, Frage 17

- Anzahl der Mitarbeiter im Außendienst - Handlungs- und Entscheidungsspielraum für Vertriebsleiter

Generelle Umweltbedingungen

Führungspolitische Merkmale der Vertriebsabteilung

Strategische Stoß- Innovationstätigkeit Unternehmensinteme richtung des Unter- Mitarbeiterorientierung Teil 1, Frage 5 Determinanten der nehmens Marketingorientie' ———————— rung von VertriebsTätigkeitsbereich - Breite der Angebotspalette Teil 2, Fragen 1, 2, 5 leitern des Vertriebsleiters - Suche nach geeigneten Vertriebskanälen und 6

Problemfeld

Fortsetzung von Abb. 4.1.

5.1.2.3.

5.1.2.2.

ß^^f^Absc^itt0^

4.1. Ziele, Prämissen und Hypothesen 107

Determinanten des Verhandlungsprozesses zwisehen Vertriebs-und Einkaufsleitem

zwischen Vertriebs-und Einkaufsleitem

Verhandlungsprozeß

Problemfeld .

.

. Teil 2, Frage 13

Merkmale der MakroUmwelt der Interaktion

- Verbreitung neuer IuK-Technologien - Konzentrationsprozeß im Handel

Teil 2, Fragen 11 und 15

Merkmale der Mikro- Betriebsform Umwelt von Verhandlungen - Erfahrung des Einkaufsleiters Teil 1, Fragen 1,2 und 4; (Geschäftsbeziehung) - Wahrgenommene Übereinstimmung Teil 2, Fragen 14,16 von Zielen und Aufgaben und 17; - Marktstellung/Marktanteil Teil 3, Fragen 1, 2 der Produkte des Anbieters

5.2.2.4.

5.2.2.3.

5.2.2.2.

5.2.2.1.

5.2.1.

B^^h^b^hiütT11611

- Anlaß der Kontaktaufnahme Teil 1, Frage 3; - Anzahl der Verhandlungen p.a. Teil 2, Fragen 7,8, - Dauer der Verhandlungen 9 und 10

Zufriedenheit mit dem erzielten Verhandlungsergebnis

_ .

Frage(n) im Fragebogen

Verantwortungsbereich, - Verantwortungsbereich des VerVerhandlungskompetenz triebsleiters und Persönlichkeitsstruktur - Zufriedenheit mit dem Verhandvon Vertriebsleitern lungsverhalten Teil 2, Fragen 6,7,12, - Beurteilung einzelner Leistungen 18,19 und 20 bzw. Fähigkeiten - Empfindsamkeit des Vertriebsleiters

Charakteristika von Verhandlungsprozessen

Verhandlungsergebnis

Dimension Empirisch untersuchter Indikator

Abb. 4.2.: Problemfelder, Dimensionen und ausgewählte Indikatoren der Befragung von Einkaufsleitem des Handels

108 4. Konzeption einer empirischen Untersuchung

4.1. Ziele, Prämissen und Hypothesen

109

Es liegt auf der Hand, daß bei der Operationalisierung der in den Abb. 4.1. und Abb. 4.2. aufgeführten Vielzahl von Dimensionen eine Beschränkung auf wenige, wichtig erscheinende Indikatoren bzw. Variablen notwendig war. Darüber hinaus wäre es, von der Relevanz her betrachtet, durchaus gerechtfertigt gewesen, den Zusammenhang zwischen der strategischen Stoßrichtung des Unternehmens und der Marketingorientierung zum alleinigen Gegenstand einer empirischen Untersuchung zu erheben. Wenn wir diesem Aspekt und anderen, in den theoretischen Überlegungen (vgl. Abschn. 2. und 3.) angeschnittenen Sachverhalten in detaillierter Weise nachgegangen wären, dann hätte der Umfang der zwei Fragebögen, die zur Gewinnung der empirischen Daten entwickelt wurden, das für eine schriftliche Befragung akzeptable Maß weit überschritten. Im Sinne theoriegeleiteten Forschens wurden als Grundlage der Gestaltung der Fragebögen Hypothesen formuliert (vgl. Abb. 4.3.), die auf der in Abschn. 2. und 3. geführten Diskussion basieren, explorativen Charakter haben und sich in der Realität bewähren sollen.1^ Die Ergebnisse des jeweiligen Hypothesentests werden zusammen mit den anderen empirischen Befunde in Abschn. 5 erörtert. Abb. 4.3.: Ausgewählte Hypothesen der empirischen Untersuchung Umsetzung der Hypothese in der Befragung von Hypothese Je mehr vertriebspolitische Ziele erfüllt sind, desto geringer ist das wahrgenommene Defizit von Vertriebsleitern im Rahmen der Wahrnehmung marketingbezogener Aufgaben.

Vorgesetzten und Kollegen Teil 2, Fragen 9, 15 und 16

Einkaufsleitem des Handels

-

Risikofreudigkeit und Verhandlungsgeschick gehen mit einer hohen Marketingorientierung von Vertriebsleitern einher.

Teil 2, Fragen 9 12, 14,15 und 16

Vertriebsleiter, die in Unternehmen mit hoher Vertriebskompetenz beschäftigt sind, verfügen über eine höhere Marketingorientierung als jene, die Unternehmen mit geringer Vertriebskompetenz angehören.

Teil 1, Frage 5; Teil 2, Fragen 9 und 15

-

Der Karriereverlauf von Vertriebsleitern determiniert deren Marketingorientierung.

Teil 2, Frage 11

-

Die Beurteilung des Verhandlungsergebnisses durch Einkaufsleiter hängt von der Persönlichkeit und dem Verhandlungsverhalten von Vertriebsleitern ab.

-

Teil 2, Frage 19

Teil 2, Fragen 12,13 und 19

1) Abb. 4.3. enthält lediglich eine Auswahl der den beiden Fragebogen zugrunde liegenden Hypothesen.

110

4. Konzeption einer empirischen Untersuchung

4.2. Das Design der empirischen Untersuchung Zur Realisierung der empirischen Forschungskonzeption sollten Vorgesetzte und Kollegen von Vertriebsleitern einerseits und Einkaufsleiter des Handels andererseits auf schriftlichem Wege befragt werden. Bevor die Gestaltung des Erhebungsinstruments, die Auswahl der Probanden und die Zusammensetzung der Stichprobe für jede Teilerhebung getrennt zur Sprache kommen, wollen wir zunächst einige für beide Teilerhebungen gültige Überlegungen, die das Untersuchungsdesign prägen, erläutern.

(1) Für beide Teilerhebungen geltende methodische Überlegungen Da die Rücklaufquote wesentlich vom Interesse der befragten Personen an der aufgeworfenen Thematik, aber auch von dem Umfang und der Struktur des Fragebogens abhängt,1^ wurde diesen Kriterien besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Beide Erhebungsinstrumente unterzogen wir einem Pretest, bei dem der Fragebogen für Vorgesetzte und Kollegen von Vertriebsleitern von neun Unternehmensvertretern aus dem Bereich der Markenartikelindustrie (u.a. Beiersdorf, Kraft, Procter & Gamble, PWA) und der Fragebogen für Einkaufsleiter des Handels von Einkaufsleitern der Handelsunternehmen Rewe-Leibbrand, Metro und Lekkerland ausgefüllt bzw. beurteilt wurden. Dabei standen die Eindeutigkeit und die Verständlichkeit der Formulierungen sowie die Bereitschaft der Probanden, alle Fragen vollständig zu beantworten, im Zentrum des Interesses. Im Rahmen der Pretests traten immer dann Verständnisprobleme auf, wenn der Begriff "Marketingorientierung" im Text erwähnt wurde. Weiterhin zeigte sich, daß die Auskunftspersonen bei bestimmten Fragen dem Phänomen der Anspruchsinflation unterlagen.2^ Darüber hinaus äußerten die aus Markenartikelunternehmen stammenden Probanden die Befürchtung, die Bereitschaft, an der Befragung teilzunehmen, könne deswegen gering sein, weil eine Beurteilung von Vertriebsleitern aus prinzipiellen Überlegungen nicht an externe Personen bzw. Institutionen weitergegeben würde, selbst wenn nicht alle Facetten ihrer Leistung eruiert würden. Dies sei nicht zuletzt auch deshalb zu befürchten, weil Vertriebsleiter in der Regel der zweiten Hierarchieebene eines Unternehmens angehörten und somit deren Beurteilung, wenn sie nach außen dränge, erheblichen Sprengstoff in sich berge. Um die durch die Pretests aufgedeckten Probleme zu entschärfen, wurde sowohl in dem Anschreiben als auch in den Fragebogen der Begriff "Marketingorientierung" durch 1) Vgl. Hafermalz (1976), S. 120 ff. 2) Dies war insbesondere bei den Fragen zu vermuten, mit Hilfe derer die Bedeutung bestimmter Variablen ermittelt werden sollte. Vgl. hierzu auch Dichtl/Müller (1986), S. 233 ff.

4.2. Design der empirischen Untersuchung

111

andere Termini (z.B. Leistung) substituiert. Weiterhin war die Antwortvorgabe bei den Fragen, bei denen Bedeutungsgewichte bestimmter Variablen ermittelt weiden sollten, mit Hilfe einer sog. Konstantsummenskala derart umzugestalten, daß die als Anspruchsinflation bezeichnete Antworttendenz vermieden wurde. ^ Die Bereitschaft von Vorgesetzten und Kollegen von Vertriebsleitern wie auch von Einkaufsleitern des Handels, an der Befragung teilzunehmen, wurde durch die Zusicherung der Wahrung der Anonymität und die Möglichkeit, die Untersuchungsergebnisse anzufordern, positiv beeinflußt. 2^ Aufgrund der Pretestergebnisse modifizierten wir letztlich noch einige kleinere Details in den Fragebogen (z.B. verständlichere Formulierung von Items, Einfügung von Beispielen als Hilfe für das Beantworten bestimmter Fragen).

(2) Zur Befragung von Vorgesetzten und Kollegen Die Ausführungen zu der Gestaltung des Fragebogens, der Auswahl der Probanden und der Struktur der Stichprobe werden bewußt knapp gehalten, da hier nur ein grober Überblick geboten werden soll. Alle Fragen sollten von den Probanden ausschließlich auf die Situation in der Bundesrepublik Deutschland bezogen beantwortet werden.3^ Der erste Teil des Fragebogens war der Ermittlung der Unternehmensstruktur vorbehalten. Im zweiten Teil der Befragung sollten die Probanden, deren Unternehmen über mehrere Vertriebsabteilungen verfügen, eine Vertriebsabteilung auswählen, und zwar diejenige, für die sie entweder verantwortlich sind oder bei der sie einen guten Einblick in das Aufgabengebiet des Vertriebsleiters besitzen, und diese dann ihren Antworten zugrunde legen. Dadurch wird gewährleistet, daß sich alle Urteile einer Auskunftsperson auf eine Vertriebsabteilung bzw. einen Vertriebsleiter beziehen. Abschließend (im dritten Teil) wurden die Probanden aufgefordert, einige Fakten zu ihrer Person mitzuteilen. Der Fragebogen enthält mehrere Kontrollfragen, die Aufschluß über die Konsistenz und die Verläßlichkeit der Antworten der Probanden geben sollten.4^ Weiterhin wurden die Fragen nach den Bedeutungsgewichten und der Ausprägung bestimmter Indikatoren an unterschiedlichen Stellen piaziert. Diese Anordnung sollte sicherstellen, daß das Antwortverhalten bei dem einen Sachverhalt (Ausprägung) nicht die Beurteilung des anderen (Bedeutungsgewicht) beeinflußt et vice versah

1) 2) 3) 4) 5)

Vgl. Dichtl/Müller (1986), S. 233 ff. Mehr als 50 % aller Probanden machten davon Gebrauch. Der Fragebogen ist in Anhang C enthalten. Darauf wird in Abschn. 5. eingegangen. Vgl. die Anordnung der Fragen 9 und 15 des Teils 2 des Fragebogens in Anhang C.

112

4. Konzeption einer empirischen Untersuchung

Das Sample besteht aus 377 Markenartikelherstellern, die verschiedenen Wirtschaftszweigen angehören und sich aus den in Tab. 4.1. aufgeführten Gruppen zusammensetzen. Eine Beschränkung auf einen oder wenige Industriezweige erschien angesichts der Schwierigkeit, eine tragfähige, ausreichend große Stichprobe zu ziehen, als wenig sinnvoll. Tab. 4.1.: Zur Bildung der Stichprobe "Markenartikelhersteller"

absolut

in %

231

61,3

62

16,4

84

22,3

Gesamt

377

100,0

b) Brutto-Rücklaufquote

169

44,8

- Unternehmen verzogen bzw. erloschen

8

2,1

- Nach eigenen Angaben kein Markenartikelhersteller

5

1,3

24

6,4

- Entgegen der Vorgabe von einem Vertriebsleiter bzw. Mitarbeiter eines Vertriebsleiters ausgefüllt

8

2,1

- Sehr unvollständig ausgefüllter Fragebogen

8

2,1

- Sonstige Gründe, nicht zu antworten (personelle Überlastung, Richtlinien etc.)

22

5,8

Summe nicht berücksichtigter zurückgesandter Fragebogen

75

19,8

c) Netto-Rücklaufquote

94

24,9

a) Herkunft der in die Stichprobe aufgenommenen Unternehmen Mitgliedsfirmen des Markenverbandes e.V. 1 ) Unternehmen aus dem regionalen Umfeld 3

Sonstige Unternehmen )

4

Davon )

- Weigerung, Daten, die sich auf die Leistung von Mitarbeitern beziehen, nach außen zu geben

Legende: 1) Stand 1.1.1988; Verbände und Tochtergesellschaften wurden, soweit ersichtlich, nicht in die Stichprobe aufgenommen, ehemalige Mitgliedsfirmen (Basis: 1.1.1983) dagegen einbezogen. 2) Zur Auswahl dieser Unternehmen dienten die Finnenverzeichnisse der Industrie- und Handelskammern Rhein-Neckar, Pfalz und Mittlerer Oberrhein. Selektiert wurden Unternehmen, die mindestens 100 Beschäftigte haben und einem Wirtschaftszweig der Konsumgüterindustrie zuzurechnen sind. 3) Dabei handelt es sich um Unternehmen, die im Frühjahr 1988 Gegenstand von Publikationen bzw. Meldungen in der Lebensmittel-Zeitung, absatzwirtschaft und anderen vergleichbaren Organen waren. 4) Die Prozentangaben beziehen sich auf η = 377.

4.2. Design der empirischen Untersuchung

113

Die Fragebogen wurden am 13.4.1988 den ausgewählten Unternehmen bzw. Probanden zugesandt. Von den 377 befragten Herstellern reagierten 169 (Brutto-Rücklaufquote = 44,8 %; vgl. Tab. 4.1.). Dieses gemäß den Befunden der Pretests unerwartet positive Resultat hängt auch mit einer im Juni 1988 durchgeführten Nachfaßaktion zusammen. Letztlich gelangten 94 Fragebogen (Netto-Rücklaufquote = 24,9 %) in die Auswertung. Die Gründe für die relativ hohe Differenz zwischen Brutto- und Netto-Rücklaufquote gibt Tab. 4.1. wieder. Die auffällig häufig registrierte Weigerung, Daten, die sich auf die Leistung von Mitarbeitern beziehen, nach außen zu geben (vgl. Tab. 4.1.), belegt die Sensibilität des Gegenstandes der Befragung. Auch die Tatsache, daß die acht unvollständig ausgefüllten Fragebogen vor allem bei den Fragen Lücken aufweisen, die auf eine individuelle Beurteilung von Vertriebsleitern hinsichtlich bestimmter Indikatoren abzielen, spricht für diese Bewertung. Nach diesen knappen Erläuterungen zur Bildung der Stichprobe wollen wir nachfolgend einen Einblick in die Zusammensetzung der Stichprobe bieten. In Tab. 4.2. sind deshalb wesentliche Kenngrößen und deren Verteilung zusammenfassend dokumentiert. Wie die darin enthaltene Umsatzverteilung zeigt, bilden sowohl große als auch mittelständische und kleine Unternehmen die Stichprobe. Insofern ist davon auszugehen, daß keine größenbedingten Verzerrungseffekte vorliegen, die das zentrale Anliegen der Untersuchung, eine Bestandsaufnahme der Marketingorientierung von Vertriebsleitern in der Markenartikelindustrie vorzunehmen, beeinträchtigen könnten. Bei den 94 Probanden, deren Angaben ausgewertet werden konnten, handelt es sich, wie Tab. 4.2. weiter belegt, fast ausschließlich um Vorgesetzte und/oder Kollegen von Vertriebsleitern. Für Überraschung sorgte insbesondere das starke Interesse, das Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer der Befragung entgegenbrachten (n = 35). Insgesamt betrachtet spricht die hierarchische Einordnung der Probanden für die Aussagefähigkeit der in Abschn. 5.1. noch zu erläuternden Befunde. Auch die durchschnittliche Dauer der Berufserfahrung der Probanden von 19 Jahren bestätigt den Expertencharakter des Samples (vgl. Tab. 4.2.).^ Darüber hinaus verdeutlichen die Angaben zur Unternehmenszugehörigkeit und zum Ausmaß der Erfahrung in der derzeit ausgeübten Funktion, daß die Probanden fachlich in der Lage waren, die gestellten Fragen sachgerecht, d.h. mit dem entsprechenden Hintergrundwissen zu beantworten. Die "durchschnittliche" Auskunftsperson gehört dem Unternehmen seit 11,7 Jahren an und hat ihre derzeitige, in Tab. 4.2. ausgewiesene Position seit 6,6 Jahren inne.

1) Tab. 4.2. weist aus Gründen der Übersichtlichkeit Klassen aus.

114

4. Konzeption einer empirischen Untersuchung

Tab. 4.2.: Zur Zusammensetzung der Stichprobe "Markenartikelhersteller"

Angaben der Probanden absolut

in %

a) Umsatz der Hersteller (in Mio. DM) 6

6,4

21 bis 50

13

13,8

51 bis 200 201 bis 1000 Über 1000 bis 2000

28 30 12

29,8 31,9

Über 2000 bis 5000 Über 5000

3 2

3,2 2,1

94

100,0

Bis 20

Gesamt

12,8

b) Position der Probanden Mitglied des Vorstands, Geschäftsführer Marketingleiter, -direktor Bereichs-, Betriebs-, Abteilungsleiter Produktmanager, -gruppenmanager, Leiter Marketing-Services

35 29 16 4

Sonstiges1^

10

30,9 17,0 4,3 10,6

37,2

Gesamt

94

100,0

c) Bildungsabschluß der Probanden Promotion

13

13,8

Fachhochschul-, Universitätsabschluß Fachhochschulreife, Allgemeine Hochschulreife

60 9

63,8

Hauptschule, Mittlere Reife, Fachschule

12

12,8

Gesamt

94

100,0

d)

Jahre

Berufserfahrung absolut

in %

Unternehmenszugehörigkeit in % absolut

9,6

Erfahrung in der ausgeübten Funktion in % absolut

1 bis 5

6

6,4

28

29,8

55

58,5

6 bis 15

30

31,9

36

38,3

28

29,8

16 bis 25 26 bis 35 36 und mehr

36

38,3 17,0 4,3

18 10 1

19,1 10,6

10

16 4

10,6 0 0

Keine Angabe

2

2,1

1

1,1 1,1

0 0 1

1,1

94

100,0

94

100,0

94

100,0

Gesamt

Legende: 1) Hierbei handelt es sich u.a. um Assistenten der Geschäftsführung, Finanz- und Personalleiter.

4.2. Design der empirischen Untersuchung

115

Da die Befragten das Top Management von Markenartikelherstellern verkörpern, erscheint es nicht verwunderlich, daß über drei Viertel von ihnen eine akademische Vorbildung aufweisen (vgl. Tab. 4.2.). Nahezu 90 % aller Probanden aus der Herstellerbefragung haben den in Tab. 4.2. ausgewiesenen Bildungsstand in der Fachrichtung Wirtschaft erreicht und z.B. eine Lehre als Industriekaufmann absolviert, das Abitur an einem Wirtschaftsgymnasium erworben und/oder Betriebswirtschaftslehre studiert.

(3) Die Befragung von Einkaufsleitern des Handels Nachdem der erste Teil des in Anhang D wiedergegebenen Fragebogens darauf abzielte, Daten zur Unternehmensstruktur zu beschaffen, waren im zweiten Teil Fragen zur Geschäftsbeziehung und zum Verhandlungsprozeß zwischen Hersteller und Handelsunternehmen zu beantworten. Da die Qualität der Urteile zu den Themen "Geschäftsbeziehung" und "Verhandlungsprozeß" von der Intensität (Dauer, Häufigkeit etc.) der Interaktion abhängt, mußten die Probanden aus der Vielzahl der ihnen persönlich bekannten Vertriebsleiter denjenigen auswählen und beurteilen, der den wichtigsten Lieferanten für den von ihnen vertretenen Sortimentsbereich repräsentiert. Im abschließenden dritten Teil sollten die befragten Einkaufsleiter noch Auskunft zu ihrer Person sowie zum Umsatz des Handelsunternehmens, dem sie angehören, erteilen. Um die bereits beschriebenen Urteilseffekte zu vermeiden, wurden die Fragen nach der Bedeutung und der Ausprägung bestimmter Variablen erneut an unterschiedlichen Stellen des Fragebogens piaziert. Da vor allem Einkaufsleiter des Lebensmittelhandels mit dem Markenwesen vertraut sind und infolgedessen Vertriebsleiter der Markenartikelindustrie entsprechend kompetent beurteilen können, wurden lediglich Einkaufsleiter des Lebensmittelhandels in die Untersuchung einbezogen. Die 334 dafür ausgewählten Probanden^ repräsentieren 99 % des in dieser Branche erzielten Umsatzes aller Handelsunternehmen.2^ Auf den am 24.2.1989 an 334 Einkaufsleiter versandten Fragebogen reagierten 118 Probanden (Brutto-Rücklaufquote = 35,3 %). 3 ) Davon gelangten 103 Fälle (NettoRücklaufquote = 30,8 %) in die Auswertung. Tab. 4.3. gibt Auskunft über die Gründe der Differenz zwischen Brutto- und Netto-Rücklaufquote. 1) Hierbei wurde auf das Adressenmaterial der Firma Glendinning & Lehning rekurriert (vgl. o.V. (1988d), S. 2 ff.). Gemäß der zugrunde liegenden Definition konstituiert sich der Lebensmittelhandel aus Unternehmen mit Vollsortiment Zusätzlich weist die Adressenliste Drogeriemärkte mit einem Jahresumsatz über 10 Mio. D M aus. Nicht erfaßt sind Groß- und Einzelhandelsunternehmen des Fachhandels ( z 3 . die Bäko-Gruppe) sowie des Lebensmittelhandweiks. 2) Die Statistik von Glendinning & Lehning führt u.a. die 190 größten Handelsunternehmen auf. 3) Eine im April 1989 durchgeführte Nachfaßaktion steigerte den Rücklauf erheblich.

116

4. Konzeption einer empirischen Untersuchung

Tab. 4.3.: Die Ursachen für die Nichtberücksichtigung zurückgesandter Fragebogen von Handelsunternehmen Ursache

absolut

in % 1 }

Adressat nicht mehr im Unternehmen beschäftigt

4

1,2

Einkaufsfunktion wird nicht mehr wahrgenommen

2

0,6

Sehr unvollständig ausgefüllter Fragebogen

1

0,3

Sonstige Gründe (personelle Überlastung etc.)

8

2,4'

15

4,5

Gesamt Legende: 1) Die Prozentangaben beziehen sich auf η = 334.

Was den Umsatz der letztlich in die Auswertung einbezogenen Handelsunternehmen und die Position, den Bildungsabschluß sowie die Erfahrung der Probanden anbetrifft, die sie in der ausgeübten Position bislang gesammelt haben, ergibt sich das in Tab. 4.4. dokumentierte Bild. Hier wird deutlich, daß sich die 103 Fälle auf alle Umsatzgrößenklassen verteilen. Demnach muß bezweifelt werden, ob die 103 Unternehmen, deren Antworten in die Auswertung einflossen, ein repräsentatives Abbild der 334 ausgewählten Handelsunternehmen, die 99 % des in der Lebensmittelbranche erzielten Umsatzes aller Handelsunternehmen auf sich vereinigen, darstellen. Gleichwohl stimmt der relativ hohe Anteil (29,1 %) sehr großer Unternehmen versöhnlich. Etwa drei Viertel aller Probanden aus der Handelsbefragung gehören unmittelbar dem Funktionsbereich Einkauf an. Fünf Prozent der Auskunftspersonen verweigerten die Beantwortung dieser Frage und nahezu 20 Prozent sind Mitglied des Vorstands bzw. der Geschäftsführung (vgl. Tab. 4.4.). Auch die durchschnittliche Dauer der Ausübung der gegenwärtigen Position von 13,4 Jahren bestätigt diesen Eindruck. Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen, die während dieses langen Zeitraumes gesammelt werden können, muß davon ausgegangen werden, daß die Auskunftspersonen in der Lage sind, das Verhandlungsverhalten von Vertriebsleitern der Konsumgüterindustrie und das dabei erzielte Verhandlungsergebnis mit der notwendigen Sachkunde zu beurteilen.

4.2. Design der empirischen Untersuchung

117

Tab. 4.4.: Z u r Zusammensetzung der Stichprobe "Handelsunternehmen" Angaben der Probanden absolut a) Umsatz der Handelsunternehmen

in %

(in Mio. DM)

Bis 25 26 bis 70 71 bis 150 151 bis 450 451 bis 1000 Über 1000 Keine Angabe Gesamt

6 18 11 22 15 30 1

5,8 17,5 10,7 21,3 14,6 29,1 1.0

103

100,0

18 4 3 14 56 3 5

17,5 3,9 2,9 13,6 54,4 2,9 4,8

103

100,0

2 11 20 69 1

1,9 10,7 19,4 67,0 1.0

103

100.0

24 37 32 8 2

23.3 35.9 31.1 7,8 1.9

103

100,0

b) Position der Probanden Mitglied des Vorstands, Geschäftsführer Bereichsieita- (Einkauf) Abteilungsleiter (Einkauf) Zentraleinkaufsleiter Einkaufsleiter Einkaufs- und Vertriebsleiter Keine Angabe Gesamt c) Bildungsabschluß der Probanden Promotion Fachhochschul-, Universitätsabschluß Fachhochschulreife, Allgemeine Hochschulreife Hauptschule, Mittlere Reife, Fachschule Keine Angabe Gesamt d) Erfahrung der Probanden in der ausgeübten Funktion (in Jahren) Ibis 5 6 bis 15 16 bis 25 26 bis 35 Keine Angabe Gesamt

I m Unterschied z u m Herstellersample weist die Handelsstichprobe einen deutlich n i e d r i g e r e n B i l d u n g s s t a n d a u f ( v g l . T a b . 4.2. u n d Tab. 4.4.). D e r B i l d u n g s a b s c h l u ß "Hauptschule, M i t t l e r e Reife, Fachschule" prägt hier das B i l d u n d bestätigt insofern die These v o n d e m (zumindest derzeit noch) niedrigen Akademisierungsgrad des Personals v o n Handelsunternehmen.

118

4. Konzeption einer empirischen Untersuchung

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß sowohl das Herstellersample als auch die Handelsstichprobe als für unsere Zwecke ideal besetzt gelten kann. Besonders erfreulich fallt die vergleichsweise hohe Beteiligung von Top Managern ins Auge, so daß der Expertencharakter der Befragung gewährleistet erscheint und von daher die zutage geförderten Befunde besondere Aufmerksamkeit verdienen.

4.3. Die Vorgehensweise im Rahmen der Auswertung der erhobenen Daten Bei der Auswertung der mittels Rating-Skalen erhobenen Daten wurde unterstellt, daß die Probanden die Abstände zwischen den Skalenpunkten als gleich empfinden und dort, wo die verbale Umschreibung der Pole Gegensätze (z.B. "sehr unzufrieden" vs. "sehr zufrieden") bilden, den Skalenmittelpunkt als Indifferenzwert wahrnehmen.1^ Auf der Basis dieser Annahmen konnten bei den mit Hilfe dieses Skalierungsverfahrens gewonnenen Informationen Signifikanztests durchgeführt werden. Sofern es für das Verständnis notwendig erscheint, wird auf die mit dem Skalenniveau verbundenen Implikationen in den entsprechenden Abschnitten noch eingegangen. Die erhobenen Daten wurden kodiert und anschließend mittels des SPSSX-Programmpakets auf der BS2000-Anlage der Universität Mannheim zu einer SPSSX-Datei verarbeitet.2^ Gegenstand der verschiedenen Auswertungen bilden einerseits die Berechnung von Verteilungsparametern und eines Index, wobei entsprechend dem jeweiligen Skalenniveau verschiedene Verfahren zur Überprüfung der statistischen Signifikanz der postulierten Hypothesen Verwendung finden, 3^ und andererseits die Realisierung der in Abb. 4.4. skizzierten Forschungsziele mit Hilfe geeigneter multivariater Verfahren. 4^

1) Zur Problematik, die mit diesen Annahmen verbunden ist, vgl. Green/Tull (1982), S. 162 ff. Im Prinzip müßte bei Rating-Skalen Ordinalskalenniveau unterstellt werden, da die Annahme der Äquidistanz zumeist nicht gerechtfertigt erscheint. In fast allen empirischen Studien werden jedoch beispielsweise Mittelwerte und andere Verteilungsparameter für die mit Hilfe dieses Skalierungsverfahrens gewonnenen Informationen berechnet. 2) Vgl. Schubö/Uehlinger (1986), S. 9 ff. Wenn im folgenden davon die Rede ist, daß SPSSXProzeduren gerechnet wurden, dann diente Schubö/Uehlinger (1986) als Informationsgrundlage. 3) Bei metrisch skalierten Variablen werden der t-Test und bei nicht metrisch skalierten Variablen der CHI 2 -Test eingesetzt. Bortz (1977) dient in bezug auf den statistischen Hintergrund dieser Verfahren als Referenzquelle. 4) Abb. 4.4. weist lediglich einige wichtige Forschungsziele aus. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 4.1. Auch wird in Abb. 4.4. der kombinierte Einsatz multivariater Verfahren nicht angedeutet. Dies geschieht an der entsprechenden Stelle in Abschn. 5. Zur Anwendung und EDVtechnischen Umsetzung multivariater Verfahren vgl. Backhaus et al. (1987).

4.3. Zur Auswertung der erhobenen Daten

119

Abb. 4.4.: Die Realisierung wichtiger Forschungsziele durch den Einsatz multivariater Verfahren Forschungsziel Überprüfung verschiedener Modellalgebren zur Konstituierung eines Index der Marketingorientierung



Extraktion persönlichkeitsprägender Faktoren; Verdichtung der Datenfülle A posteriori-Gruppierung der beurteilten Vertriebsleiter



Überprüfung der Trennschärfe ermittelter Cluster

Programmpaket bzw. Prozedur

Multiple Regressionsanalyse

SPSSX-Prozedun REGRESSION

Faktorenanalyse

SPSSX-Prozedun FACTOR

Clusteranalyse





CLUSTAN-Prozeduren: HIERARCHY, RELOCATE SPSSX-Prozedun DISCRIMINANT

Diskriminanzanalyse

Bestimmung des Einflusses verschiedener Variablen auf die Marketingorientierung

Bestimmung des Einflusses verschiedener Variablen auf das von Vertriebsleitern bei Handelsunternehmen erzielte Verhandlungsergebnis

Methode

Pfadanalyse



OSIRIS- bzw. ZUMAPtozedun ZUMAPATH

LISREL



Programmpaket LISREL V I

Die Erfassung der Dimensionen der Marketingorientierung von Vertriebsleitern dient als Einstieg in die Diskussion (vgl. Abschn. 5.1.1.). Mit Hilfe eines zu konstruierenden Index werden die gewonnenen Erkenntnisse verdichtet und auf vielfältige Art und Weise (z.B. mittels multipler Regressionsanalysen und Varianzanalysen) in bezug auf ihre statistische Aussagekraft überprüft. Dabei schenken wir den mit der Bildung dieses Index der Marketingorientierung verbundenen methodischen Problemen deswegen große Aufmerksamkeit, weil in Abschn. 5.1.2. großteils auf die damit erzielten Befunde rekurriert wird. Kristallisationspunkt der methodischen Vorgehensweise besteht in Abschn. 5.1.2. darin, ein Kausalmodell zu entwerfen und mit den empirischen Daten zu testen, das verdeutlicht, von welchen Variablen die Marketingorientierung von Vertriebsleitern abhängt. Unverzichtbar dafür sind nicht nur die zur Marketingorientierung angestellten theoretischen Überlegungen (vgl. Abschn. 2. und 3.), sondern auch die mittels verschiedener Faktoren-, Cluster- und Diskriminanzanalysen gewonnenen und in Abschn. 5.1.2. inter-

120

4. Konzeption einer empirischen Untersuchung

pretierten Befunde. Darüber hinaus dienen die mit Hilfe einer Kontrastgruppenanalyse ermittelten Ergebnisse dazu, einen Einblick in die mögliche Kausalstruktur der Determinanten der Marketingorientierung zu gewinnen. Der damit einhergehende Nachteil, daß die univariate Analyse nicht die Erfassung von Interdependenzen zwischen den Variablen erlaubt, wird in Kauf genommen, da nur so die Datenmenge beherrschbar erscheint Die Auswertungen in Abschn. 5.2. werden weitgehend parallel dazu angelegt, so daß aus methodischem Blickwinkel eine gewisse Vergleichbarkeit der Ergebnisse garantiert ist. Auch in diesem Teil wird der Versuch unternommen, mit Hilfe eines Kausalmodells den Einfluß verschiedener Variablen auf das hier interessierende Konstrukt (Verhandlungsergebnis) zu quantifizieren.

5. DIE MARKETINGORIENTIERUNG VON VERTRIEBSLEITERN I M SPIEGEL EMPIRISCHER BEFUNDE

Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern wird nachfolgend aus zwei Perspektiven betrachtet, und zwar der von Vorgesetzten und Kollegen sowie von Einkaufsleitern des Handels. Der Schwerpunkt der Diskussion liegt bei der Interpretation der empirischen Befunde, die durch die Befragung von Markenartikelherstellern gewonnen wurden. Am Ende der Abschn. 5.1. und 5.2. werden jeweils die wichtigsten Ergebnisse der verschiedenen Auswertungen kurz zusammengefaßt, bevor in Abschn. 6. Handlungsalternativen zur Behebung der zuvor identifizierten Defizite aufgezeigt werden.

5.1. Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern aus der Perspektive von Vorgesetzten und Kollegen Die in Abb. 4.1. aufgezeigten vier Problemfelder werden im folgenden in zwei Etappen behandelt. Zunächst interessieren die hinsichtlich der Dimensionen und Indikatoren der Marketingorientierung von Vertriebsleitern erhobenen empirischen Befunde (Abschn. 5.1.1.). Danach wird der nach Maßgabe der Urteile von Vorgesetzten und Kollegen vorhandene Einfluß verschiedener Determinanten auf das Schlüsselkonstrukt hinterfragt (Abschn. 5.1.2.).

5.1.1. Die Dimensionen des Konstrukts "Maiketingorientierung von Vertriebsleitern" 5.1.1.1.

Bedeutung und Erreichungsgrad vertriebspolitischer Ziele

Da, wie erinnerlich, die Marketingorientierung einen wesentlichen Teilbereich der Leistung von Vertriebsleitern darstellt, erscheint es wichtig, zunächst auf die von den befragten Vorgesetzten und Kollegen artikulierte Zufriedenheit mit der Leistung von Vertriebsleitern einzugehen. Wie Tab. 5.1. verdeutlicht, geben lediglich acht Probanden an, diesbezüglich "unzufrieden" bzw. "eher unzufrieden" zu sein. Vier Auskunftspersonen nehmen eine neutrale Haltung ein. Vordergründig betrachtet drängt sich zunächst ein positives Fazit auf. Lediglich 8,5 % aller beurteilten Vertriebsleiter geben in bezug auf ihre Leistung Anlaß zur Sorge, während etwa 70 % zufriedenstellend bzw. sehr zufriedenstellend arbeiten.

122

5. Empirische Befunde

Tab. 5.1.: Die Zufriedenheit mit der Leistung von Vertriebsleitern Bewertung

Angaben der Probanden in %

absolut Sehr unzufrieden

0

Unzufrieden

3

Eher unzufrieden

5 4

0 3,2 5,3

Weder unzufrieden noch zufrieden Eher zufrieden Zufrieden

16 34

4,3 17,0 36,2

Sehr zufrieden

32

34,0

Gesamt

94

100,0

Stellt man bei der Interpretation allerdings folgende Gesichtspunkte in Rechnung, so ergibt sich ein vielschichtigeres Bild: Zunächst sollte berücksichtigt werden, daß es sich bei den in Tab. 5.1. enthaltenen Werten um ein globales Maß der Zufriedenheit handelt. Es wäre zumindest theoretisch denkbar, daß in einzelnen Leistungsbereichen Defizite vorhanden sind, die durch positive Einschätzung anderer Handlungsebenen kompensiert werden. Diese Überlegung, nach der Globalurteile grundsätzlich positiver ausfallen als die Summe der Einzelurteile, wird durch die Befunde der Zufriedenheitsforschung gestützt Angesichts der Hierarchieebene, die Vertriebsleiter bekleiden,1^ war ein anderes Ergebnis als das oben skizzierte nicht zu erwarten; denn bei der Besetzung derart hochrangiger Funktionen steht das Leistungspotential der Bewerber im Mittelpunkt der Betrachtung. Insofern konnte a priori nicht damit gerechnet werden, daß die Probanden hier mehrheitlich Unzufriedenheit artikulieren würden. Deutet man jedoch alle Zufriedenheitseinstufungen außer "sehr zufrieden" und "zufrieden" als Ausdruck der Wahrnehmung mehr oder weniger großer Defizite hinsichtlich der Leistung, so bieten etwa 30 % aller beurteilten Vertriebsleiter Anlaß, über Möglichkeiten der Leistungssteigerung nachzudenken. Diese Schlußfolgerung erfährt nicht zuletzt daraus ihre Berechtigung, daß die Ausprägung "zufrieden" in der öffentlichen Diskussion häufig als Nachweis für einen vollkommen unproblematischen, d.h. "guten" Zustand des Beurteilungsgegenstandes gewertet wird. Eine solche Interpretation ist jedoch zumeist falsch, da mit der verbalen Umschreibung

1) Darauf wird in Abschn. 5.1.2.2. eingegangen.

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

123

"zufrieden" oft die Notenstufe "befriedigend" assoziiert wird und Adjektive wie "passabel", "zumutbar" und "annehmbar" verbunden werden.1^ Die Zufriedenheitsforschung hat nachgewiesen, daß das Antwortverhalten von Probanden auch wesentlich von deren Anspruchsniveau abhängt.2^ Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung war es aber nicht möglich, das Anspruchsniveau von Vorgesetzten und Kollegen in bezug auf die Leistung von Vertriebsleitem zu ermitteln, da dies den Umfang des Fragebogens auf ein unvertretbares Maß erhöht hätte. Insofern wäre es immerhin denkbar, daß die Einschätzung der Vorgesetzten und Kollegen von einem zu hohen oder zu niedrigen Anspruchsniveau überlagert wird. Wie die Diskussion im weiteren Verlauf aber noch zeigen wird, bestehen für eine solche systematische Unter- oder Überschätzung keinerlei Anhaltspunkte. Insgesamt betrachtet verdient somit das Leistungspotential von Vertriebsleitern eine stärkere Beachtung. Dies gilt vor allem für jene Konsumgüterhersteller, die aufgrund von Marktsättigung und im Vergleich wenig profilierter Marken in besonderem Maße darauf angewiesen sind, durch das optimale Management von Absatzkanälen einen Wettbewerbsvorteil zu erringen. ' Betrachtet man nun die Marketingorientierung von Vertriebsleitem, wie sie sich im Urteil von Vorgesetzten und Kollegen widerspiegelt, so entsteht hinsichtlich der Dimension "vertriebspolitische Ziele" das in Tab. 5.2. wiedergegebene Bild.4^ Im einzelnen fällt auf, daß die Erhöhung des Marktanteils unangefochten den ersten Rang belegt, was die Bedeutung der einzelnen Indikatoren anbetrifft. Offenbar sehen die Markenartikelhersteller darin einen Ausweg, um dem Nachfragedruck seitens des sich immer stärker konzentrierenden Handel standzuhalten. Der geringste Stellenwert kommt in den Augen der Probanden der Entlastung der Außendienstmitarbeiter von administrativen Tätigkeiten zu, wobei dies entweder durch den geringen Problemdruck oder durch die in der jüngeren Vergangenheit vollzogene Rationalisierung der Außendiensttätigkeit (z.B. durch den Einsatz sog. Merchandising-Teams) verursacht sein mag.

1) Vgl. Dichtl et al. (1981), S. 337. 2) Vgl. Beeskow (1985), S. 171 ff. 3) Vgl. Riesenbeck/Voss (1989), S. 223 ff. Als Überlebensstrategie stehen Konsumgüterherstellern nach Auffassung dieser Autoren in gesättigten Märkten zwei Alternativen zur Verfügung, und zwar die Konzentration auf wenige starke Produkte (sog. Markenstrategie) oder die Erringung der Kontrolle über die Absatzkanäle (sog. Vertriebssystemstrategie). 4) Die dieser Dimension der Marketingorientierung zuzurechnenden Indikatoren werden in Tab. 5.2. gemäß der Rangfolge der von den Probanden artikulierten Bedeutung aufgeführt

124

. Empirische Befunde

Tab. 5.2.: Durchschnittliche Bedeutung und Eifüllungsgrad ausgewählter Indikatoren der Marketingorientierung von Vertriebsleitern Indikator

Bedeutung Absolut 0

in% 2 >

ErfÜllungsgrad3?

Erhöhung des Marktanteils

6,7

16,8

Erhöhung der gewichteten Distributionsquote Erhöhung des Deckungsbeitrags

5,1 4,9

12,8 12,3

5,8

Rasche Diffusion neuer Produkte

4,5

11,3

6,2

4,5

11.3

6.2

Langfristige Bindung von Handelsunternehmen an das Unternehmen Gestaltung effizienter Verkaufsförderungsmaßnahmen

6,1 6,2

3,4

8,5

5.5

Senkung der Vertriebskosten

3,2

5.2

Entwicklung innovativer Vertriebskonzepte Erhöhung der Verbraucherzufriedenheit

3,0 2,8

8,0 7,5 7,0

Entlastung der Außendienstmitarbeiter von administrativen Tätigkeiten

2,0

5,0

5.3

40,1

100,5

Gesamt4*

5.0 5.8

Legende: 1) Die Probanden sollten 40 Punkte gemäß der Bedeutung, die sie den vorgegebenen Zielen beimessen, verteilen. Dabei konnten sie z.B. alle 40 Punkte einem einzigen Indikator zuweisen. 2)

Basis der Prozentuierung bildet die zu verteilende Punktesumme von 40.

3) 4)

Die zugrunde liegende Skala reicht von "1" (= nicht erreicht) bis "9" (= voll erreicht). Durch Rundungsfehler bedingt addieren sich die Ausprägungen nicht auf 40 Punkte bzw. 100 %.

Grundsätzlich springt die hohe Wertschätzung der Probanden in bezug auf quantitative Indikatoren ins Auge (z.B. Erhöhung des Marktanteils, der gewichteten Distributionsquote und des Deckungsbeitrags), die mit Ausnahme der Variablen "Senkung der Vertriebskosten" die vorderen Plätze der Rangfolge belegen. Qualitative und eher zukunftsorientierte Kriterien (z.B. langfristige Bindung von Handelsunternehmen an das Unternehmen und Entwicklung innovativer Vertriebskonzepte) spielen gemäß dem Urteil der Befragten eine nachrangige Rolle. Demnach herrscht in der Praxis eine an quantitativen Zielen ausgerichtete Orientierung des Top-Managements vor. Greift man aus dem Spektrum qualitativer Sachverhalte z.B. die Entwicklung innovativer Vertriebskonzepte heraus, der Experten unter langfristigem Blickwinkel eine Schlüsselrolle für den Marketingerfolg zubilligen,1^ tritt zudem die kurzfristige Perspektive, der Markenartikelhersteller anheimfallen, deutlich zutage. Dieses Problem wird insofern noch verschärft, als die Auskunftspersonen den zur Debatte stehenden Bereichsleitern hinsichtlich dieses 1) Vgl. Riesenbeck/Voss (1989), S. 230 f.

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

125

Indikators den im Vergleich zu allen anderen Variablen geringsten Erfüllungsgrad zuerkennen. Da wir uns jedoch nicht mit der Prioritätensetzung der Vorgesetzten und Kollegen von Vertriebsleitern auseinandersetzen wollen, die in der Rangfolge der Bedeutung der Ziele zum Ausdruck kommt, mag an dieser Stelle dieser kritische Hinweis genügen. Wie aus Tab. 5.2. weiter hervorgeht, schwankt der durchschnittliche Erfüllungsgrad der einzelnen Indikatoren nur geringfügig (zwischen 5,0 und 6,2). Insofern liegt hier eine gewisse Nivellierung der Angaben in einem schwach positiven Bereich vor. Dies kann zum einen durch die Befragungstechnik 1^ und zum anderen dadurch begründet sein, daß Vertriebsleiter bei keiner Meßebene voll zu überzeugen vermögen. Sollte die zuletzt genannte Interpretation zutreffen, könnte damit eine verhängnisvolle Konsequenz verbunden sein; denn dann gelänge es dem Vertrieb auf keiner der hier erfaßten Ebenen, eine Position aufzubauen, die die Markenstrategie des Unternehmens in nachhaltiger Weise stärken könnte (z.B. durch die Senkung der Kosten oder die Verbesserung der Marktstellung). Tendenziell geht mit abnehmender Bedeutung ein geringerer Erfüllungsgrad eines vertriebspolitischen Zieles einher. Zwei Indikatoren, nämlich Erhöhung des Deckungsbeitrags und Erhöhung der Verbraucherzufriedenheit, fallen diesbezüglich etwas aus dem Rahmen. Offenbar neigen Vertriebsleiter dazu, z.B. einen höheren Marktanteil oder eine höhere Distributionsquote um jeden Preis, d.h. zu Lasten der Vertriebskosten zu realisieren. Den Vertriebsleitern gelingt es somit nur begrenzt, der zentralen Rolle des Deckungsbeitrags gerecht zu werden. Demgegenüber vermutet man einen Überschuß an Aktivität hinsichtlich der Verbraucherzufriedenheit; denn hier fällt das Urteil der Probanden in bezug auf den Erfüllungsgrad genau so aus wie hinsichtlich des ungleich wichtigeren Deckungsbeitrags. Folglich läge eine Änderung des Aktivitätsniveaus z.B. durch eine Umverteilung des Vertriebskostenbudgets nahe. Um zu überprüfen, ob die Beurteilung einzelner Indikatoren von bestimmten unternehmensbezogenen Tatbeständen abhängt, wurden verschiedene Produkt-MomentKorrelationskoeffizienten berechnet. Dabei zeigte sich, daß immer dann, wenn auf unternehmenspolitischer Ebene die Interessen von Handelsunternehmen einen hohen Stellenwert genießen,2^ sich dies in der Bedeutung des vertriebspolitischen Ziels einer langfristigen Bindung von Handelsunternehmen an das Unternehmen widerspiegelt (r = 0,23; α = 0,01). Von daher gilt es, dem Zusammenhang zwischen der Marketingorientierung und der strategischen Stoßrichtung des Unternehmens in Abschn. 5.1.2.2. detailliert nachzugehen. 1) Vgl. Dichtl/Müller (1986), S. 233 ff. 2) Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 5.1.2.2. zu der Dimension "strategische Stoßrichtung des Unternehmens".

126

5. Empirische Befunde

Umgekehrt besteht zwischen der Bedeutung einer raschen Diffusion neuer Produkte und der Anzahl der in den letzten zwei Jahren neu eingeführten Leistungen kein statistisch signifikanter Zusammenhang (r = 0,09; α = 0,20). Dies mag daran liegen, daß die Zeit zwischen der Aufnahme der Vertriebsaktivität und der Präsenz der Ware in den Verkaufsstätten des Handels in ihrer Bedeutung für den Erfolg einer Produktinnovation unterschätzt wiid. Wie die Praxis nämlich zeigt, verpufft nicht selten die in aller Regel kostenintensive Einführungswerbung für die Neuheit, wenn sie nicht vor Ort präsent ist, da die Wirkung des Pull-Effektes überschätzt wird.1^ Es drängt sich an dieser Stelle geradezu die Frage auf, ob sich die in Tab. 5.2. enthaltenen Informationen in einer Maßzahl komprimieren lassen. Diese Verdichtung bleibt jedoch den Ausführungen in Abschn. 5.1.1.3. vorbehalten.

5.1.1.2. Defizite bei der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben Um die Marketingorientierung von Vertriebsleitern beurteilen zu können, genügt es nicht, ausschließlich auf die Bedeutung und den Erfüllungsgrad vertriebspolitischer Ziele abzustellen. Vielmehr kann erst durch eine zusätzlich vorgenommene Beurteilung der Qualität der Aufgabenerfüllung ein abgerundetes Bild in bezug auf das interessierende Schlüsselkonstrukt entstehen. Hierbei muß indessen auf zwei Einschränkungen hingewiesen werden: (1) Aus Gründen der Praktikabilität mußte die empirische Untersuchung auf wenige Aufgaben beschränkt werden, die gemäß den in Abschn. 2.3.2.2. und Abschn. 3.2. angestellten theoretischen Überlegungen als besonders wichtig für die Operationalisierung der Marketingorientierung einzustufen waren. (2) Da das Verhandlungsverhalten von Vertriebsleitern aus der Sicht von Einkaufsleitern des Handels ausführlich in Abschn. 5.2. diskutiert wird, spielen die damit zusammenhängenden Aufgaben im folgenden eine untergeordnete Rolle. Gemäß den Urteilen der Probanden zeigen Vertriebsleiter hauptsächlich beim Aufbau eines EDV-gestützten Vertriebsinformationssystems Schwächen. Aber auch bei der Identifikation von Veränderungen im Verbraucherverhalten (z.B. durch die Auswertung von Verkaufsstatistiken, Daten über die Akzeptanz von Verkaufsförderungsmaßnahmen und Informationen von Verkaufsmitarbeitem der Handelsbetriebe über das Kaufverhalten von Verbrauchern) besteht Anlaß zur Kritik. Am besten erfüllen sie offenbar die Aufgabe, 1) Der Pull-Effekt führt nur dann zu einer spürbaren Wirkung, wenn das neue Produkt hohen Neuheitscharakter und Kundennutzen aufweist

127

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

"Schlüsselkunden" qualifiziert zu betreuen (vgl. Tab. 5.3.). Darin dürfte sich das auch durch die Analyse des Inhalts von Stellenanzeigen (vgl. Abschn. 3.4.; Tab. 3.5.) bestätigte (Vor-)Urteil niederschlagen, daß Vertriebsleiter vor allem über verkäuferische Fähigkeiten verfügen (sollten). Tab. 5.3.: Defizite bei der Wahrnehmung ausgewählter Aufgaben

Aufgabe

Aufbau eines EDV-gestützten Vertriebsinformationssystems

Mittelwert

Signifikanzniveau der Differenz zwischen Mittelwert und Skalenwert "1"

4,0

0,035+

Rasche Identifikation von Veränderungen im Verbraucherverhalten

3,7

0,038+

Beobachtung und Analyse von Maßnahmen der Wettbewerber

3,6

0,046+

Förderung von Nachwuchskräften für Führungsaufgaben im Vertrieb

3,6

0,054+

Rasche Identifikation neuer Trends im Handel Kontrolle aller Vertriebsmaßnahmen Mitwirkung bei der Entwicklung neuer Produkte

3,5 3,3 3,2

0,048+ 0,069 0,072

Zusammenarbeit mit anderen Untemehmensbereichen

3,2

0,061

Motivierung der Mitarbeiter der Vertriebsabteilung Kooperation mit Handelsunternehmen

3,1 2,8

0,095 0,072

Koordination von Innen- und Außendienst im Vertriebsbereich

2,8

0,082

Qualifizierte Betreuung von "Schlüsselkunden"

2,7

0,125

+

= signifikant (α < 0,05)

Anmerkung: Die Skala, die hier vorgegeben wurde, reicht von "1" (= kein Defizit) bis "7" (= sehr großes Defizit).

Da die Wettbewerberorientierung je nach vorherrschender Marktstruktur als tragende Säule einer Marketingstrategie gilt, 0 verdienen die Schwächen von Vertriebsleitern hinsichtlich der Beobachtung und Analyse von Maßnahmen der Konkurrenten besondere Aufmerksamkeit. Auch bei der Förderung von Nachwuchskräften für Führungsaufgaben im Vertrieb bestehen signifikante Defizite (vgl. Tab. 5.3.). Daß dadurch die vor allem in der neueren Zeit entfachte Diskussion um ein optimales Human Resource Management neue Nahrung erhält, ist offenkundig. 2^

1) Vgl. Porter (1986). 2) Vgl. Staehle (1989), S. 718 ff.

128

5. Empirische Befunde

Letztlich erscheinen auch die von den Probanden wahrgenommenen Schwächen der Vertriebsleiter in bezug auf eine rasche Identifikation neuer Trends im Handel als bedenklich;1^ denn der Vertriebsleiter kann den Kontakt zu den Zentralen von Absatzmittlern nur dann optimal pflegen, wenn er innovative Entwicklungen im Handel rasch identifiziert und darauf entsprechend reagiert (durch Angebot spezifischer Kooperationsformen, Datenträgeraustausch etc.). Bestehen in diesem Bereich Defizite, leidet fraglos die Beziehung zu den Absatzmittlern, was für den Hersteller mit gravierenden Konsequenzen verbunden sein kann, die sich z.B. in der Erhöhung der Rabattforderung, der Auslistung von Produkten oder Problemen bei der Einführung neuer Produkte niederschlagen. Nicht signifikante Schwächen haben Vertriebsleiter in den Augen ihrer Vorgesetzten und Kollegen bei der Kontrolle des Vertriebsbereichs, der Mitwirkung bei der Entwicklung neuer Produkte, der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen und der Motivierung der Mitarbeiter der Vertriebsabteilung. Die Kooperation mit Handelsunternehmen bietet offenbar ebenso wie die Koordination des Innen- und Außendienstes vergleichsweise selten Anlaß zur Kritik. Um überprüfen zu können, ob die in Tab. 5.3. enthaltenen Angaben durch Größen determiniert werden, die nicht direkt meßbar sind, wurden die Daten einer Faktorenanalyse unterzogen. Gleichzeitig damit sollte eine Komprimierung der Informationsfülle erreicht werden.2^ Um die Stabilität der ermittelten Lösung festzustellen, kamen sowohl die Hauptkomponenten- als auch die Hauptachsenfaktorenanalyse zum Einsatz.3^ Die auf der Basis des Kaiser-Kriteriums ermittelte 2-Faktorenlösung erklärt im Hauptkomponenten-Modell 54,9 % und beim Hauptachsenfaktoren-Modell 47,1 % der Varianz aller zwölf Variablen. Da die Ausgangsdatenmatrix (12 χ 94) somit bei einem Informationsverlust von 45,1 bzw. 52,9 % um 83,3 % reduziert wurde, können die Ergebnisse beider Faktorenanalysen als gut bewertet werden. Der Interpretation der extrahierten Faktoren liegt die varimaxrotierte Matrix der Faktorladungen zugrunde. Allerdings fließen in die Beschreibung der Faktoren lediglich die Variablen ein, deren Faktorladung der vorherrschenden Konvention entsprechend den

1) In diesem Kontext sei erwähnt, daß drei Probanden den beurteilten Vertriebsleitern unter "Sonstiges" sehr große Defizite hinsichüich Marketingverständnis und Entwicklung bzw. Realisierung einer Marketingkonzeption anlasten. 2) Zur Faktorenanalyse vgl. Harman (1976); Revenstorf (1976); Übeila (1977). 3) Bei der Hauptkomponentenanalyse wird unterstellt, daß die gesamte Varianz der Variablen durch die extrahierten Faktoren erklärt wird. Insofern handelt es sich hierbei nicht um den klassischen Fall einer Faktorenanalyse. Vgl. Backhaus et al. (1987), S. 87.

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

129

Mindestwert ± 0,50 aufweist. ^ Aus Tab. 5.4. geht hervor, daß beide hier verwendeten Verfahren zu ähnlichen Resultaten führen, was für die Stabilität der identifizierten 2Faktorenlösung spricht. Nachfolgend greifen wir bei der inhaltlichen Beschreibung der zwei extrahierten Faktoren auf die Ergebnisse der Hauptkomponentenanalyse zurück. Tab. 5.4.: Kommunalitäten und varimaxrotierte Faktorladungen der Aufgaben von Vertriebsleitern Aufgabe

Kommunalität

Faktor 1

Faktor 2

Aufbau eines EDV-gestützten Vertriebsinformationssystems

0,27

(0,21)

Rasche Identifikation von Veränderungen im Verbraucherverhalten

0,68

(0,57)

0,80 (0,72)

Beobachtung und Analyse VOTI Maßnahmen der Wettbewerber

0,67

(0,57)

0,80 (0,73)

Förderung von Nachwuchskräften für Führungsaufgaben im Vertrieb

0,56

(0,51)

Rasche Identifikation neuer Trends im Handel

0,73

(0,70)

Kontrolle aller Vertriebsmaßnahmen

0,59

Mitwirkung bei der Entwicklung neuer Produkte Zusammenarbeit mit anderen Untemehmensbereichen

0,47

(0,39)

0,64

(0,59) 0,39 (0,39)

(0,54)

0,72

(0,67)

0,41

(0,34)

0,44

(0,41) 0,46 (0,42)

0,45

(0,36)

0,64

(0,54)

Motivierung der Mitarbeiter der Vertriebsabteilung

0,64

(0,55)

0,78

(0,72)

Kooperation mit Handelsunternehmen

0,48

(0,40)

0,65

(0,57)

Koordination VOTI Innen- und Außendienst im Vertriebsbereich

0,69

(0,62)

0,83

(0,79)

Qualifizierte Betreuung von "Schlüsselkunden"

0,43

(0,29)

0,82 (0,80)

0,63 (0,49)

Anmerkungen: 1) Die Werte ohne Klammern repräsentieren die Ergebnisse der Hauptkomponentenanalyse. Die Befunde der Hauptachsenfaktorenanalyse sind durch Klammem gekennzeichnet 2) Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden nur solche Faktorladungen in die Tab. 5.4. aufgenommen, die einen Wert > ± 0 3 0 aufweisen. 3) Zur besseren Orientierung wurden die Aufgaben in der gleichen Reihenfolge wie in Tab. 5.3. aufgeführt.

Faktor 1 erklärt bereits 42,5 % der Gesamtvarianz der Variablen und wird, wie Tab. 5.4. zu entnehmen ist, vor allem durch solche Variablen bestimmt, die sich auf die abteilungsbezogene Kontroll- und Managementfunktion von Vertriebsleitern beziehen. Lediglich die Aufgabe "Kooperation mit Handelsunternehmen" entspricht diesem Interpretationsmuster nicht. Allerdings besitzt diese Variable eine vergleichsweise geringe Kommunalität, so daß es gerechtfertigt zu sein scheint, Faktor 1 als "innerbetrieblicher Aufgabenbereich" zu interpretieren.

1) Vgl. Backhaus et al. (1987), S. 92. Darüber hinaus wird bei der Interpretation der Faktoren die Höhe der Kommunalität der Variablen berücksichtigt. Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 781.

130

5. Empirische Befunde

12,5 % der Gesamtvarianz der Variablen werden durch den Faktor 2 erklärt. Auf diesen laden diejenigen Variablen hoch, die sich auf den außerbetrieblichen Bereich erstrecken. Auch die Faktorladung der Variablen "Mitwirkung bei der Entwicklung neuer Produkte" (0,46) vermag diesen Eindruck nicht zu widerlegen, zumal ihre Kommunalität (0,41) zu wünschen übrig läßt. Deswegen wird Faktor 2 als "außerbetrieblicher Aufgabenbereich" bezeichnet.1^ Bezugspunkte dieses Faktors bilden Verbraucher, Konkurrenten und Handel. Wie die Berechnung von Produkt-Moment-Korrelationskoeffizienten zwischen den auf der Basis der Hauptkomponentenanalyse gebildeten Faktorenwerten und der Zufriedenheit der Probanden mit der Leistung von Vertriebsleitern ergab, besteht zwischen diesen Variablen ein statistisch signifikanter Zusammenhang. Je geringer die Defizite bei dem Faktor "innerbetrieblicher Aufgabenbereich" ausfallen, um so zufriedener sind die Probanden mit der Leistung von Vertriebsleitem (r = -0,56; α < 0,01). Gleiches gilt in abgeschwächter Form für den Faktor "außerbetrieblicher Aufgabenbereich" (r = -0,26; α = 0,01). 2 ) Nachdem wir die Indikatoren, die die Dimension "Wahrnehmung bestimmter Aufgaben" prägen, auf zwei Faktoren zurückführen konnten, soll nachfolgend der Versuch unternommen werden, die Meßebenen der Dimension "vertriebspolitische Ziele" zu komprimieren. Gelänge dies, könnte die Suche nach den Determinanten der Marketingorientierung wesentlich vereinfacht werden; denn dann müßte nicht auf die Vielzahl der Indikatoren abgestellt werden.

5.1.1.3. Ein Index zur Erfassung wichtiger Ebenen der Marketingorientierung von Vertriebsleitem (1) Zur Konstruktion des Index Da aus befragungstechnischen Gründen lediglich bei der Dimension "vertriebspolitische Ziele" sowohl die Bedeutung als auch der Erfüllungsgrad der einzelnen Variablen erfaßt werden konnten,3^ bezieht sich die Indexkonstruktion nur auf diese Ebene. Dies erscheint 1) Wegen der Skalierung der Ausgangsvariablen spiegeln bei beiden Faktoren hohe positive Faktorenwerte gravierende Defizite in bezug auf die Aufgaben wider, während hohe negative Faktorenweite geringe bzw. keine Defizite reflektieren. 2) Da die hier zugrunde liegenden Aufgaben nicht sämtliche Dimensionen der Leistung von Vertriebsleitern abdecken, liegen die Korrelationskoeffizienten deutlich unter dem Wert eins. 3) Wenn dies den Probanden auch hinsichtlich der Aufgaben von Vertriebsleitem abverlangt worden wäre, hätte damit gerechnet werden müssen, daß aufgrund der drastisch gestiegenen Komplexität (Konstantsummenskalierung) und des dann größeren Umfangs der Befragung die Rücklaufquote spürbar gesunken wäre.

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

131

auch deswegen zulässig, weil die in Abschn. 5.1.1.2. enthaltenen Aufgaben wesentlich von den Zielen determiniert werden. Insofern stellen wir die für die weitere Vorgehensweise zentrale Hypothese auf, daß es der auf der Basis der Dimension "vertriebspolitische Ziele" berechnete Index erlaubt, zwischen Vertriebsleitern mit einer hohen und solchen mit einer niedrigen Marketingorientierung zu differenzieren. Im Zuge der Indexkonstruktion wird deswegen noch der Frage nachzugehen sein, ob und inwieweit die Indexergebnisse durch die Befunde hinsichtlich der Dimension "Wahrnehmung bestimmter Aufgaben" einer Ergänzung bzw. Korrektur bedürfen. Des weiteren sei darauf hingewiesen, daß bei der kausalanalytischen Überprüfung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern beide Dimensionen dieses Konstruktes Berücksichtigung finden (vgl. Abschn. 5.1.2.4.). Die wichtigste Voraussetzung für die Entwicklung eines Index der Marketingorientierung von Vertriebsleitern (IMV) bildet die Kenntnis derjenigen Verknüpfungsregel, welche die in den Vorgesetzten und Kollegen bei der Beurteilung von Bedeutung und Erfüllungsgrad vertriebspolitischer Ziele ablaufenden mentalen Prozesse in hinreichender Weise repräsentiert.1^ Deswegen wurde zunächst ermittelt, inwieweit verschiedene Modellalgebren der individuellen Informationsverarbeitung entsprechen. Dabei konzentrieren wir uns auf die in den Sozialwissenschaften zumeist verwandten linear-kompensatorischen Modelle (vgl. Abb. 5.1.). 2) In die Untersuchung wurden die folgenden Modellvarianten einbezogen: Modell 1: Addition des Erfüllungsgrades vertriebspolitischer Ziele ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedeutung der einbezogenen Indikatoren. Modell 2: Additive Verknüpfung des Zielerreichungsgrades mit Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedeutung der einbezogenen Indikatoren (nachfolgend als Bedeutungsgewicht bezeichnet) und anschließende Summation der Einzelurteile. Modell 3: Mulüplikative Verknüpfung des Erfüllungsgrades von Zielen mit den relativen Bedeutungsgewichten und anschließende Summation der so erhaltenen gewichteten Einzelwteile.

Als Goodness of fit-Kriterium diente das Maß an Übereinstimmung zwischen den mit Hilfe der skizzierten Modellalgebren festgestellten Indexwerten und dem erfragten globalen Zufriedenheitsurteil bezüglich der Leistung von Vertriebsleitern (vgl. Tab. 5.1.).

1) Vgl. Beeskow (1985), S. 81 f. 2) Vgl. Freter (1979), S. 163 ff.

132

5. Empirische Befunde

Hierbei mußten zwei Annahmen getroffen werden: (1)

Einerseits wurde die Validität des Globalurteils als gegeben angesehen. ^

(2)

Andererseits spricht für die Eignung der Zufriedenheit mit der Leistung als Validierungskriterium, daß die Marketingorientierung als tragendes Element der Leistung von Vertriebsleitern betrachtet werden muß. Das Heranziehen einer derartigen Hilfsgröße (nachfolgend als globale Leistungsbeurteilung bezeichnet) erscheint angesichts der Tatsache plausibel, daß die Probanden nicht aufgefordert werden 2)

konnten, die Marketingorientierung von Vertriebsleitern anhand einer Skala direkt zu beurteilen. Gleichwohl soll hier nicht verhehlt werden, daß die Zufriedenheit mit der Leistung eines Vertriebsleiters von wesentlich mehr Variablen als von den der Indexbildung zugrunde liegenden Indikatoren der Marketingorientierung abhängt (z.B. auch von der Qualität der Mitwirkung bei der Entwicklung der Marketingstrategie).

Zur Validierung der linear-kompensatorischen Modelle wurden zunächst in Gestalt einer aggregierten Betrachtung Korrelationen zwischen den Indexwerten und der globalen Leistungsbeurteilung berechnet. Wie die Ergebnisse der Konvergenzvalidierung belegen, erzielt Modell 3 den höchsten Fit (r = 0,55; vgl. Abb. 5.1.). Im Rahmen einer sich daran anschließenden disaggregierten Analyse wurden multiple Regressionsanalysen durchgeführt, bei denen die globale Leistungsbeurteilung als Kriteriumsvariable und die vertriebspolitischen Ziele (je nach Modell entweder nur Erfüllungsgrad oder Erreichungsgrad und Bedeutung) als Prädiktorvariablen in die Berechnung einflossen. Um das Problem der Multikollinearität der Prädiktoren zu entschärfen, wurde auf die sukzessive Regressionsanalyse rekurriert. Zur Überprüfung, ob das unbefriedigende Validierungsergebnis, das sich bei der disaggregierten Analyse von Modell 3 einstellte (R^ = 0,20; vgl. Abb. 5.1.), mit einer Verletzung der der multiplikativen Verknüpfung zugrunde liegenden Prämissen in Verbindung steht, führten wir Korrelations- und Varianzanalysen durch. Da die Linearität und die Kompensation mit Hilfe der vorliegenden Daten nicht geprüft werden konnten, konzentrierten wir uns auf die Überprüfung der Unabhängigkeit zwischen den Angaben zur Bedeutung und jenen zum Erfüllungsgrad (Multiplikativitätsprämisse) sowie des zwischen den Teilurteüen bestehenden Zusammenhangs (Additivitätsprämisse). Die korrelationsanalytischen und varianzanalytischen Befunde ergaben, daß lediglich bei der Variablen "Entwicklung innovativer Vertriebskonzepte" ein Zusammenhang zwischen ihrer Bedeutung und ihrem Erfüllungsgrad vorhanden ist Insofern muß die Multiplikativitätsprämisse bei Modell 3 als erfüllt gelten. 1) Zur Problematik einer mangelnden Validität des Globalurteils und der daraus resultierenden Gefahr des infiniten Regresses vgl. Finck/Beeskow/Müller (1979), S. 65 ff. 2) Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 4.2.

1

» Mit Bedeutungsgewichten

R

J—

* R 2 = 0,43 „ ^ΛΛΠΙ a m 0,001

fÇZ^G)

I

R = 0,47 α f(Z j · B!,G)

Disaggregiert

*

< — * \ _ __ . Nach Multiplikation (J^

1

f(J 3,G)

χτ

R = 0,47 α * 0,001

I

__ .. r Vor Multipliplikation (J3)

Disaggregiert Aggregiert

Dabei bedeuten: J = Index der Marketingorientierung Zi = Ausprägung der Indikatoren (i = 1,2 10) Bi = Bedeutung eines Indikators (i = 1,2, ...,10) R = Produkt-Moment-Korrelationskoeffizient nach Pearson R2 = Bestimmtheitsmaß der multiplen Regressionsanalyse α = Signifikanzniveau G = Globale Leistungsbeurteilung

* R = 0,47 rt.nnni amo,001

R f ( J j , G ) R2

I

Modell 1: J^^Zj J Ì [ 1-1 Additive Verknüpfung Multiplikative Verknüpfung Γ 1 10 10 10 10 • . • . MofeiLfc j2= lOZi + Bi) ModslUi j 3 = ΣΖ-IBibzw.J 4 = KZ-Bi) Aggregiert Disaggregiert i=i i=i i=i i=i

Ohne Bedeutungsgewichte

I

Linear-kompensatorische Modelle

Abb. 5.1.: Die Validität ausgewählter linear-kompensatorischer Modelle zur Bildung eines Index der Marketingorientierung

1\

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen 133

134

5. Empirische Befunde

Die Additivitätsprämisse,1 ^ die die Unabhängigkeit der Teilurteile unterstellt, prüften wir durch die Ermittlung der Signifikanz der 45 Korrelationskoeffizienten. Im Falle von Modell 3 erreichten lediglich neun das vorgegebene Signifikanzniveau ( α < 0,05), wobei alle Korrelationen auf einen schwachen Zusammenhang hindeuten (r < 0,28). Hinsichtlich des Modells 1 und des Modells 2 zeigte sich jedoch, daß ein hohes Maß an Muldkollinearität das Entstehen des hohen Bestimmtheitsmaßes begünstigte ( R 2 = 0,43 bzw. R 2 = 0,39; vgl. Abb. 5.1.). Bei Modell 1 beispielsweise weisen 14 Koeffizienten einen Wert >

2) 0,40 auf und nur fünf sind nicht signifikant.

Vor dem Hintergrund dieser in der aggregierten und disaggregierten Betrachtung ermittelten Validierungsergebnisse erscheint es somit gerechtfertigt, das Modell 3, d.h. die multiplikative Verknüpfung von Urteils- und Bedeutungskomponente mit anschließender Summation der gewichteten Teilurteile auszuwählen und den folgenden Berechnungen zugrunde zu legen. Wie erinnerlich, fließen nicht alle dem Konstrukt "Marketingorientierung von Vertriebsleitern" subsumierten Dimensionen bzw. Indikatoren in die Indexkonstruktion ein. Um die Aussagekraft des IMV nachzuweisen, wollen wir daher die mit Hilfe des Modells 3 berechneten Indexwerte und die zwei Dimensionen der Marketingorientierung diskriminanzanalytisch untersuchen. Wegen der tragenden Bedeutung, die dem IMV bei der Suche nach den Determinanten der Marketingorientierung zukommt, soll durch diese Form der Konvergenzvalidierung die Tragfähigkeit des gewählten Modells abschließend geklärt werden. Dazu werden die auf der Basis der individuellen Indexwerte beurteilten Vertriebsleiter zwei Gruppen zugeteilt. Gruppe 1 gehören dabei jene Vertriebsleiter an, die in die untere Bandbreite des Index fallen, und Gruppe 2 faßt jene mit einem höheren Indexwert zusammen. Als unabhängige Variablen wurden einerseits nur die Indikatoren der Dimension "vertriebspolitische Z i e l e b z w . "Wahrnehmung bestimmter Aufgaben" und andererseits die Indikatoren beider postulierter Dimensionen der Marketingorientierung herangezogen, so daß sich folgende Diskriminanzfunktionen ergeben: - Gruppenzugehörigkeit = f (vertriebspolitische Ziele), - Gruppenzugehörigkeit = f (Wahrnehmung bestimmter Aufgaben) und - Gruppenzugehörigkeit = f (vertriebspolitische Ziele, Wahrnehmung bestimmter Aufgaben).

1) Vgl. Freier (1979), S. 168. 2) Ein vergleichbares Ergebnis wurde bei Modell 2 erzielt 3) Hier fließen die Indikatoren ohne Berücksichtigung ihrer Bedeutungsgewichte ein.

135

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

Die mit Hilfe der SPSSX-Prozedur DISCRIMINANT erzielten Ergebnisse sind in Tab. 5.5. ausgewiesen. ^ Tab. 5.5.: Die Gütekriterien der diskriminanzanalytischen Untersuchung der auf der Basis von Modell 3 gebildeten Gruppen von Vertriebsleitern ^^^^^^

In die Diskriminanzanalyse einbezogene unabhängige ^^^^^^ ^ ^ ^ ^ ^ Variablen

Vertriebspolitische Ziele und Wahrnehmung bestimmter Aufgaben

Vertriebspolitische Ziele

Wahrnehmung bestimmter Aufgaben

Kanonische Korrelation Wilks' Lambda

0,77 0,41

0,61 0,62

0,83 0,31

Irrtumswahrscheinlichkeit der ermittelten Diskriminanzfunktion

0,00

0,00

0,00

Gütekriterium

^^^^^^

Anteil richtiger Klassifikation der in die Analyse einbezogenen Fälle (in %)

94,3

85,0

98,2

Anteil richtiger Klassifikation der aus der Analyse ausgeschlossenen Fälle (in %)

87,8

70,6

68,4

Maximale Zufallswahrscheinlichkeit bei der Zuordnung zur größten Gruppe (in %)

77,6

80,7

82,7

Bezieht man lediglich den Erfüllungsgrad vertriebspolitischer Ziele in die Diskriminanzanalyse ein, können immerhin 87,8 % aller aus der Analyse ausgeschlossenen Fälle der richtigen Gruppe zugeordnet werden. Auch die anderen Gütekriterien weisen durchwegs auf das positive Resultat der Konvergenzvalidierung hin. Methodenbedingt ist es nicht weiter erstaunlich, daß sowohl der mit dem Bestimmtheitsmaß vergleichbare Wert der quadrierten kanonischen Korrelation als auch Wilks' Lambda dann eindeutig bessere Werte aufweisen, wenn beide Dimensionen der Marketingorientierung in das Diskriminanzmodell einfließen. 2^ Darüber hinaus lassen die Ergebnisse vermuten, daß beide Dimensionen in einem engen Zusammenhang miteinander stehen. Um dies zu überprüfen, wurden Produkt-Moment-Korrelationskoeffizienten von den Indexwerten und jedem der beiden in Abschn. 5.1.1.2. ermittelten Faktoren berechnet. Dabei identifizierten wir zwischen den Faktoren "innerbetrieblicher Aufgabenbereich" und "außerbetrieblicher Aufgabenbereich" sowie dem Indexwert einen negativen Zusammen1) Es wurden jeweüs schrittweise Diskriminanzanalysen auf der Basis der Methode von Wilks gerechnet 2) Deswegen werden in Abschn. 5.1.2.4. in der kausalanalytischen Überprüfung der Marketingorientierung von Vertriebsleitem beide Dimensionen berücksichtigt

136

5. Empirische Befunde

hang (r = -0,49; α < 0,00 bzw. r = -0,23; α = 0,01). Je weniger Defizite ein Vertriebsleiter bei der Wahrnehmung seiner innerbetrieblichen Aufgaben 1^ zeigt, desto besser erfüllt er also seine Ziele. Eine deutlich schwächere, aber sinngemäß ähnliche Wirkung besitzt der Faktor "außerbetrieblicher Aufgabenbereich". Dieser Befund, der in den weiteren Erörterungen noch detaillierter zu hinterfragen sein wird, deutet an, daß der Erfüllungsgrad von Zielen hauptsächlich von unternehmensinternen Rahmenbedingungen abhängt. Gelingt es einem Vertriebsleiter, die damit zusammenhängenden Aufgaben zu meistern, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit auch erfolgreich sein. Wenn diese Überlegung stimmt, müßte der Beitrag des Faktors "innerbetrieblicher Aufgabenbereich" zur Erklärung der Zufriedenheit mit der Leistung von Vertriebsleitern höher ausfallen als der des Faktors "außerbetrieblicher Aufgabenbereich". Die regressionsanalytische Prüfung dieser Hypothese ergab, daß der innerbetriebliche Aufgabenbereich das Globalurteil deutlich stärker prägt (ß = -0,31) als der außerbetriebliche Aufgabenbereich (ß = -0,19). Der zusätzlich berücksichtigte IMV vermag jedoch mehr Varianz zu erklären als beide Faktoren zusammengenommen (ß = 0,51). 44 % der Varianz der Variablen "Zufriedenheit mit der Leistung von Vertriebsleitern" können auf die beiden Faktoren und den IMV zurückgeführt werden. Bevor wir auf die mit Hilfe des IMV erzielten Ergebnisse eingehen, erscheint es angebracht, an dieser Stelle ein kurzes Fazit zur Konstruktion des Indexmodells zu ziehen: - Das der Untersuchung zugrunde liegende Operationalisierungskonzept der Marketingorientierung von Vertriebsleitern, nämlich die Dimensionen "vertriebspolitische Ziele" und "Wahrnehmung bestimmter Aufgaben", vermag die Zufriedenheit mit der Leistung von Vertriebsleitern zu 44 % zu erklären. Akzeptiert man die Annahme, daß das Zufriedenheitsurteil ein valides Kriterium der Leistung von Vertriebsleitern darstellt, so bedeutet dies, daß die Gesamtleistung von Vertriebsleitern etwa zur Hälfte auf der Marketingorientierung beruht. - Die Dimension "vertriebspolitische Ziele" leistet einen größeren Beitrag zur Erklärung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern als die Kategorie "Wahrnehmung bestimmter Aufgaben". Deshalb wird im folgenden die Marketingorientierung von Vertriebsleitern vorwiegend mit Blick auf die Indikatoren der Dimension "vertriebs-

1) Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 5.1.1.2.

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

137

politische Ziele" näher untersucht, allerdings ohne die anderen Meßebenen vollkommen zu vernachlässigen. (2) Die mit Hilfe des Index erzielten Ergebnisse Aufgrund der als Bedeutungsgewichte zu verteilenden Punktesumme (40) und der neunstufigen Skala, die zur Erfassung der Indikatorausprägung diente, ergibt sich für den IMV eine Spannweite von 320 Skaleneinheiten. Die Verteilung der IMV-Werte ist Abb. 5.2. zu entnehmen.1^ Der Mittelwert aller 94 Indexwerte beträgt 199 und liegt somit um 39 Skaleneinheiten höher als der theoretische Skalenmittelwert (160), worin die Rechtsschiefe der Verteilung deutlich wird. Der Modalwert des IMV beläuft sich auf 236.2) Analog zur Vorgehensweise im Rahmen der Zufriedenheitsforschung 3^ wird im nächsten Analyseschritt die IMV-Skala in Bereiche eingeteilt, die verschiedene Kategorien des Schlüsselkonstruktes widerspiegeln. Wie aus Abb. 5.3. hervorgeht, ist der Sektor, der eine relativ hohe Marketingorientierung repräsentiert (160 < IMV ^ 240), am häufigsten besetzt. 18,1 % der Vertriebsleiter erhalten von ihren Vorgesetzten und Kollegen eine sehr hohe Marketingorientierung (240 < IMV < 320) zuerkannt Hingegen konstatieren die Probanden lediglich bei 2,1 % aller Vertriebsleiter eine sehr niedrige und bei 16 % eine niedrige Marketingorientierung. Rund einem Fünftel der Zielgruppe mangelt es somit in erheblichem Maße an Marketingorientierung. Angesichts der Tatsache, daß alle beurteilten Vertriebsleiter der Markenartikelindustrie angehören, der gemeinhin Kompetenz in allen Marketingfragen attestiert wird, überrascht dieser Befund. Berücksichtigt man weiterhin die enorm hohe Bedeutung, die den Vertriebsleitern für den Marketing- bzw. Unternehmenserfolg zukommt, liegt die Notwendigkeit, die auf der Basis des IMV identifizierten Defizite einer detaillierten Diagnose zu unterziehen, auf der Hand. Nur mit Hilfe einer solchen Nahaufnahme lassen sich konkrete Handlungsalternativen entwickeln, die es erlauben, Vorschläge zur Förderung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern zu unterbreiten (vgl. Abschn. 6.).

1) Der IMV wurde auf den Nullpunkt normiert. 2) Der Modus in bezug auf die in Abb. 5.2. gebildeten Kategorien liegt bei der IMV-Kategorie 240. 3) Vgl. Finck/Beeskow/Müller (1979).



Anmerkung: Die IMV-Kategorien enthalten jeweils die vor- und nachgelagerten IMV-Werte. So faßt z.B. die IMV-Kategorie "230" Indexwerte von 225 bis 234 zusammen.

Abb. 5.2.: Die Häufigkeitsverteilung des Index der Marketingorientierung 138 5. Empirische Befunde

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

139

Hierzu werden auf der Basis des IMV zwei Gruppen gebildet, die zum einen Vertriebsleiter mit einer sehr niedrigen bzw. niedrigen Marketingorientierung (im folgenden als Gruppe 1 definiert) und zum anderen Vertriebsleiter mit einer hohen bzw. sehr hohen Marketingorientierung (nachfolgend als Gruppe 2 bezeichnet) zusammenfassen (vgl. Abb. 5.3.). Um festzustellen, inwiefern sich die in die IMV-Berechnung einfließenden Indikatoren bei diesen zwei Segmenten unterscheiden, wollen wir zunächst die gruppenspezifische Bewertung der Bedeutungsgewichte analysieren (vgl. Abb. 5.4.). Abb. 5.3.:

Die Besetzungshäufigkeit verschiedener Bereiche des Index der Marketingorientierung Variationsbereich des IMV MARKETINGORIENTIERUNG .

sehr niedrig

Relative Häufigkeit (in %)

niedrig ι 1 80

ι 1 0

2,1

hoch ι 1 160

16,0

sehr hoch ι 1 240

63,8

ι 1 320

18,1

Zur Überprüfung der Signifikanz der Mittelwertdifferenz von Gruppe 1 und Gruppe 2 wurde der t-Test herangezogen.1^ Die Anwendung des t-Tests setzt allerdings bei kleineren Stichproben (Gruppe 1 enthält lediglich 17 Urteile) voraus, daß die zugrunde liegenden Merkmale normalverteilt sind. Dies ist hier nur eingeschränkt der Fall, so daß die berechneten t-Test-Werte streng genommen nur einen groben Anhaltspunkt für die Signifikanz der Mittelwertdifferenz darstellen können. Konzentriert man die Betrachtung zunächst auf die Variablen, hinsichtlich derer sich beide Gruppen signifikant unterscheiden, dann wird deutlich, daß marketingorientierte Vertriebsleiter der raschen Penetration neuer Produkte eine deutlich größere Bedeutung beimessen müssen als ihre Kollegen, denen es gemäß dem IMV an Marketingorientierung 2) mangelt. ' Unter Umständen sehen die Probanden, denen Vertriebsleiter der Gruppe 1 angehören, weniger in Produktinnovationen als vielmehr in der Verbesserung der Marktstellung bei etablierten Produkten (u.a. durch Relaunchmaßnahmen) einen Weg zur Erhöhung des Unternehmenserfolgs. Diese Schlußfolgerung läßt zumindest die überragende Bedeutung des Marktanteils in diesem Segment zu. 1) Vgl. Bortz (1977), S. 160 ff. Abb. 5.4. enthält die t-Test-Ergebnisse für die zweiseitige Fragestellung. 2) Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 5.1.2.2.

5,1

4,5 4,5

3,4

3,2 3,0 2,8

2,0

Rasche Diffusion neuer Produkte

Langfristige Bindung von Handelsunternehmen an das Unternehmen

Gestaltung effizienter Verkaufsförderungsmaßnahmen

Senkung der Vertriebskosten

Entwicklung innovativer Vertriebskonzepte

Erhöhung der Verbraucher-

Entlastung der Außendienstmitarbeiter von administrativen Tätigkeiten

,

,

ι

,

,

1

1

ι

= Mittelwertdifferenz zwischen Gruppe 1 und 2 signifikant (α < 0,05)

2,0

2,4+

4,8+

1,9

3,0

1

3,4

2,9

2,9 33

3,3

4,5

4,8+

2,9+ 4,5

4,9

5,2

5,0

4,7

6,6

1

1

,

yr

1

,

,

,

ι

1

ι

1

χ

J

3

1

ι

«

|

1

4-1

Jk

1

^SJ



1

ι

2

,

'

ο ο = Gruppe 1

1

1

ry^^ ·

J

ι fJ

,

ι

1

1

ι

1

Mittelwert von

ι

ι

4

ι

1

it

,

ι

1

1

1

ι

·

ι

ι

'

5

ι

,

ι

ι

Γ

^

7

· = Gruppe 2

ι

«

1

Λ

0

A^

6

Bedeutungsgewicht-Skala

Anmerkungen: 1) Wegen Rundungsfehlern addieren sich die Bedeutungsgewichte in den einzelnen Spalten nicht auf 40. 2) Die den Profilen zugrunde liegende Skala reicht von "0" bis "40". Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird hier nur der relevante Ausschnitt davon wiedergegeben.

+

Zufriedenheit

4,9

Erhöhung des Deckungsbeitrags

Distributionsquote

Erhöhung der gewichteten

7,0

Mittelwert für die Gruppe 1 Gruppe 2

6,7

Gesamtstichprobe

Erhöhung des Marktanteils

Indikator

Abb. 5.4.: Eine Kontrastgruppenanalyse der Bedeutung der IMV-Indikatoren 140 5. Empirische Befunde

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

141

Gerade umgekehrt verhält es sich mit der Erhöhung der Verbraucherzufriedenheit. Dies muß wohl darauf zurückgeführt werden, daß in den Unternehmen, deren Vertriebsleiter der Gruppe 1 angehören, die Marketingfunktion nicht in dem Maße organisatorisch differenziert und, was die Anzahl der Mitarbeiter anbetrifft, besetzt ist wie in den Unternehmen mit eher marketingorientierten Vertriebsleitern. So weist das Segment 1 beispielsweise durchschnittlich 104 Vertriebsmitarbeiter gegenüber 235 bei Gruppe 2 auf. 1^ Die Bedeutung des Ziels, den Kontakt zu den Absatzmittlern langfristig zu sichern, bewerten beide Cluster gleich. Dies mag nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, daß alle Markenartikelhersteller in gleichem Maße mit den Folgen der Konzentration auf der Handelsebene zu kämpfen haben. Was den Erfüllungsgrad von Zielen anbelangt (vgl. Abb. 5.5.), werden die marketingorientierten Vertriebsleiter durchwegs positiver beurteilt als die Vergleichsgruppe. Dabei fällt auf, daß es Gruppe 1 nicht gelingt, der überragenden Bedeutung des Marktanteils gerecht zu werden; denn hinsichtlich dieses Ziels schneiden die Vertriebsleiter des Segments 1 fast am schlechtesten ab. Ein weiterer gravierender Unterschied wird bei der Erhöhung des Deckungsbeitrags sichtbar. Dem Segment 2 gelingt es offenbar, den Marktanteil nicht auf Kosten des Deckungsbeitrags (z.B. durch die Gewährung von Sonderkonditionen und die Zahlung höherer Werbekostenzuschüsse) zu erhöhen. Diese Interpretation wird auch dadurch belegt, daß Gruppe 2 im Gegensatz zu Gruppe 1 eher unter Kosten/Nutzen-Gesichtspunkten Verkaufsförderungsmaßnahmen entwickelt und einsetzt. Bedeutungsvoll erscheint ferner die Vernachlässigung der Entwicklung innovativer Vertriebskonzepte durch das Segment 1. Da die nicht marketingorientierten Vertriebsleiter bei allen quantitativen Zieldimensionen (Marktanteil, Deckungsbeitrag etc.) schlechter als die Kontrastgruppe abschneiden, muß dieser Befund als dramatisch eingeschätzt werden; denn er läßt wenig Hoffnung auf eine Besserung der Lage in der Zukunft aufkommen. In bezug auf die Entlastung der Außendienstmitarbeiter von administrativen Tätigkeiten ergibt sich die geringste Mittelwertdifferenz. Hier überrascht das vergleichsweise gute Abschneiden von Segment 1, obwohl jener Variablen die geringste Bedeutung beigemessen wird (vgl. Abb. 5.5.). Dieser Befund drängt den Verdacht auf, daß sich nicht marketingorientierte Vertriebsleiter auf Unwichtiges konzentrieren, anstatt den Schlüsselgrößen des Marketingerfolgs Rechnung zu tragen.

1) Vgl. Abschn. 5.1.2.2. und die Ausführungen zu Tab. 5.9.

6,2

6,2

5,5 5,2 5,0 5,8

Rasche Diffusion neuer Produkte

Langfristige Bindung von Handelsunternehmen an das Unternehmen

Gestaltung effizienter Verkaufsförderungsmaßnahmen

Senkung der Vertriebskosten

Entwicklung innovativer Vertriebskonzepte

Erhöhung der Verbraucher-

+

6,5+

4,6+

6,0+

4,6+

,

5,5+

2,8+

4,5 5,5

5,5+

3,9+

3,6 5,9

4,5 6,6

6,3+

3,6+

4,0 6,6

6,6

+

+

+

+

,

,

ι

1

1

1

1

,

(

, χ

ι

1

ι

1

1

t

2

, j ,

.

ι

'

1

/Sp »

ι

'\

,

, /

ι

—7

1

ι 7

7,5). Um der Frage nachgehen zu können, ob bestimmte Persönlichkeitsmerkmale mit einer hohen Marketingorientierung korrespondieren, greifen wir auf die in Abb. 5.8. zusätzlich enthaltenen Persönlichkeitsprofile der zwei auf der Basis des IMV gebildeten Segmente zurück. Die für jede Persönlichkeitsdimension berechnete Differenz der Gruppenmittelwerte wurde mittels des t-Tests auf ihre statistische Signifikanz hin überprüft. Demnach trennen fünf Persönlichkeitsdimensionen die zwei Kategorien systematisch. Vertriebsleiter, die über eine hohe Marketingorientierung verfügen, sind verantwortungsbewußter, risikofreudiger, vertrauensvoller, geschickter im Umgang mit Menschen und entschlußfähiger als ihre Kontrastgruppe. Besonders gravierend fällt dabei die unterschiedliche Bewertung bei der Persönlichkeitsdimension "vertrauensvoll vs. mißtrauisch" aus. Die Ergebnisse der Kontrastgruppenanalyse deuten auf einen zwischen der Persönlichkeit, insbesondere den fünf angesprochenen Dimensionen, und der Marketingorientierung bestehenden Zusammenhang hin. Wollten sich Unternehmen diesen für die Personalpolitik wichtigen Befund zunutze machen, so gelänge dies dadurch, daß man beispielsweise im Rahmen der Personalauswahl auf diese Merkmale abstellt. Weiterhin sollte diesen Kriterien auch bei der für die Beförderung und die Entlohnung maßgeblichen Leistungsbeurteilung Aufmerksamkeit geschenkt werden. Darüber hinaus könnte durch entsprechende Seminare eine Sensibilität für die Bedeutung der Persönlichkeit geweckt werden, wobei die Beseitigung von Defiziten durch derartige Entwicklungsmaßnahmen, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen möglich erscheint (vgl. Abschn. 6.3.1.).

+

7,9

7,8

7,7+

3,3+

4,8+

6,0

4,5

7,2

4,4

3,5

5,9 5,6

4,8 5,8

7,0 6,2

4,5 5,3

1

teamorientiert

1 1

1 1

I

'

1

ι

'

1

1

1

1

1

'

= Mittelwertdifferenz zwischen Gruppe 1 und 2 signifikant (α < 0,05)

1

'

1

\

1

6

'

I

1

1

«

1

^jr

1

1

1

1

'

1

' 1

1

1

1

»

1

«

1

1

Positiver Pol 10

intelligent emotional stabil

1

< progressiv

«

·

· = Gruppe 2

angespannt

beharrlich

individualistisch

«

zweiflerisch

mißtrauisch

leicht verletzlich

risikofineudig

unkonventionell

1

1

1

verantwortungsbewußt

kontaktfreudig

eigensinnig

1

• • • ^hickH^gajg

1

1

1

1 1

1

10,301 aufweisen.

1) Während Cattell ein Befürworter der obliquen Rotation ist, plädieren beispielsweise Eysenck und Guilford für die orthogonale Rotationstechnik. Vgl. Schneewind (1982), S. 241. Da an dieser Stelle jedoch nicht, wie bei Cattell, mehrere Faktorenanalysen hintereinandergeschaltet werden sollen - dies wäre nur bei einer obliquen Rotationstechnik sinnvoll -, und die Datenreduktion in bezug auf die zugrunde liegenden Persönlichkeitsmerkmale im Vordergrund der Betrachtung steht, wollen wir an der orthogonalen Rotation festhalten. Vgl. zur Sinnhaftigkeit verschiedener Rotationskriterien Bortz (1977), S. 679 ff. 2) Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1988), S. 781. Variablen mit einer Kommunalität < 0,50 werden bei der Interpretation der Faktoren weitgehend vernachlässigt

156

5. Empirische Befunde

(a) Faktor 1 Faktor 1 wird durch die Persönlichkeitsmerkmale "geistig unbeweglich", "unbekümmert", "mißtrauisch", "sozial ungeschickt" und "sprunghaft" bzw. die entsprechenden Gegenbegriffe geprägt. Dieser Faktor, der 38,2 % der Varianz der Persönlichkeitsmerkmale erklärt, bringt somit die Kontaktorientierung eines Vertriebsleiters zum Ausdruck. Auch die recht hohen Ladungen der Merkmale "eigensinnig" und "individualistisch" bestätigen diese Umschreibung, obgleich sie eine geringe Kommunalität erzielen. Folglich wird Faktor 1 als "Sozialkompetenz" bezeichnet (b) Faktor 2 12,0 % der Varianz der Persönlichkeitsmeikmale werden durch Faktor 2 erklärt, auf den die Merkmale "risikofreudig", "unkonventionell", "progressiv" und "locker" hoch laden. Eine starke Ausprägung bei diesem Faktor müßte demzufolge auf eine anpassungsbereite und zukunftsorientierte Persönlichkeit schließen lassen, die keiner reglementierenden Struktur und einengender Normen bedarf sowie bereit ist, neue Aufgaben zu übernehmen. Deswegen wird dieser Faktor mit dem Begriff "Flexibilität" belegt. (c) Faktor 3 Den geringsten Beitrag zur Varianzerklärung erbringt Faktor 3 mit 9,0 %. Aufgrund des Faktorenmusters prägen ihn die Persönlichkeitsmerkmale "zurückhaltend", "verschlossen", "leicht verletzlich" und "zweiflerisch". Erwähnt werden sollte auch die vergleichsweise hohe Ladung des Merkmals "übermäßig vorsichtig". Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, diesen Faktor mit "Introversion" zu bezeichnen.1^ Vor allem die Sozialkompetenz, aber auch die Flexibilität und die Introversion bilden folglich diejenigen Persönlichkeitsfaktoren, die bei der Beurteilung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern eine Schlüsselrolle einnehmen. Um zu überprüfen, ob sich die Vertriebsmanager auf der Basis dieser drei Faktoren in homogene Gruppen einteilen lassen, die sich untereinander möglichst stark unterscheiden, wurden mit Hilfe des CLUSTAN-Programmpaketes verschiedene Clusteralgorithmen angewandt (vgl. Abb. 5.9.). Als Grundlage der Segmentierung wurde mit der CLUSTAN-Prozedur CALCULATE SIMILARITY MATRIX eine Matrix der interindividuellen (Un-)Ähnlichkeit der Faktorwerte erzeugt, wobei die quadrierte Euklidische Distanz als Proximitätsmaß diente. Darauf aufbauend fusioniert das Ward-Verfahren diejenigen Individuen zu Gruppen, die den geringsten Zuwachs beim gewählten Heterogenitätsmaß liefern.

1) Vgl. hierzu auch Eggert (1985), S. 3.

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

157

Die CLUSTAN-Prozedur RELOCATE wurde einerseits dazu herangezogen, die 10er Gruppierung der hierarchischen Fusionierung nach Ward weiterzuverarbeiten, andererseits dazu, eine zufällige Startpartition dem Iterationsprozeß zu unterwerfen. Durch diese Vorgehensweise war es möglich, die drei ermittelten Clusterlösungen in bezug auf ihre Güte zu vergleichen und die Stabilität des Gruppierungsvorgangs zu überprüfen. Bei allen drei Verfahren ergab sich gemäß dem Elbow-Kriterium eine 2-Clusterlösung, wobei beide RELOCATE-Ergebnisse zu einer identischen Qusterbildung führten. Zur weiteren Überprüfung der Aussagekraft der auf hierarchischem und partitionierendem Wege identifizierten zwei 2-Clusterlösungen wurde die multiple Diskriminanzanalyse herangezogen. Unter Nutzung der Clusterzugehörigkeit der Probanden als abhängiger Variablen sollte dadurch geklärt werden, inwieweit die A posteriori-Segmentierung der Stichprobe eine zuverlässige Klassifikation von Elementen gewährleistet. Als unabhängige Variablen dienten die 16 Meßebenen des Persönlichkeitstests. Der Rückgriff auf diese Variablen (und nicht auf die Faktorenwerte) wirft in diesem Kontext deshalb keine Probleme auf, weil die extrahierten drei Faktoren bzw. die hieraus abgeleiteten Faktorenwerte nichts anderes als mathematische Beschreibungsdimensionen der Ausgangsvariablen darstellen.1^ Die dabei erzielten Ausprägungen der relevanten Gütekriterien der multiplen Diskriminanzanalyse deuten an, daß beide Clusterlösungen fast ähnlich gute Ergebnisse liefern. 2^ Die 2-Clusterlösung nach Ward bietet insofern Vorteile, als die Kanonische Korrelation (0,94) und Wilks' Lambda (0,12) hier besser ausfielen als bei der RELOCATE-Lösung (0,89 und 0,22). Deswegen wird dem Ward-Gruppierungsvorgang, dessen Ablauf Abb. 5.10. zu entnehmen ist, der Vorzug gegeben. Inhaltlich zeigte sich bezüglich Cluster 1, das 31 Vertriebsleiter enthält, daß dessen Mitglieder eine vergleichsweise geringe Sozialkompetenz (Faktor 1) und ein hohes Maß an Introversion (Faktor 3) besitzen. Bei beiden Faktoren unterscheidet sich Cluster 1 signifikant von den Durchschnittswerten des Clusters 2, das 63 Vertriebsleiter zusammenfaßt. In bezug auf den Faktor 2 ("Flexibilität") ergaben sich nur geringfügige Divergenzen zwischen beiden Clustern (vgl. Abb. 5.11.).

1) Vgl. Überla (1977), S. 88. 2) Insofern büden die Ausprägungen der Gütekriterien einen Indikator dafür, daß die in Abb. 5.9. enthaltene Vorgehensweise insgesamt betrachtet zu guten Resultaten führt

Abb. 5.10.: Das Dendrogramm der beurteilten Vertriebsleiter nach Maßgabe ihrer Persönlichkeit 158 5. Empirische Befunde

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

159

Daneben wollen wir noch solche Variablen zur Interpretation heranziehen, die einerseits Indikatoren der Marketingorientierung bilden und andererseits die Fähigkeiten und Kenntnisse von Vertriebsleitern symbolisieren.1^ In bezug auf die Dimension "vertriebspolitische Ziele" erreichen Vertriebsleiter des Clusters 1 einen IMV-Wert von durchschnittlich 174,7, während sich der Vergleichswert bei Cluster 2 auf 211,1 beläuft. Daraus folgt, daß es sozial wenig kompetente, introvertierte Vertriebsleiter sind, denen es an Marketingorientierung mangelt Abb. 5.11.: Die Persönlichkeitsstruktur der zwei Cluster von Vertriebsleitern geistig unbeweglich, unbekümmert, miß-

_i

ungeschickt, sprunghaft

übermäßig vorsichtig,

0

+1

γ



\

J/

\

j

+1

^ p —

vativ, angespannt

As '

geht aus sich heraus,

/

Cluster 1

Faktor 1:

risikofreudig, unkonventionell, progressiv, locker

Faktor 2:

zurückhaltend, verschlossen, leicht verletzlich, zweiflerisch

Faktor 3:

"Sozialkompetenz"

"Flexibilität"

>

entschlußfShig • — ·

intelligent, verantwortungsbewußt, vertrauensvoll, geschickt im Umgang mit Menschen, beharrlich

O —Ο

"Introversion"

Cluster 2

Anmerkung: Die Faktoren werden mit den in Tab. 5.8. aufgeführten, hoch ladenden Variablen (Faktorladung > 10,501 mit einer Kommunalität > 0,50) umschrieben.

Bei der Dimension "Wahrnehmung bestimmter Aufgaben" weist das Cluster 1 mit Ausnahme zweier Indikatoren, und zwar Aufbau eines EDV-gestützten Informationssystems sowie Mitwirkung bei der Entwicklung neuer Produkte, durchwegs höhere Defizite auf als Cluster 2. Schwachstellen bei diesen beiden Aufgaben sind somit nicht auf die Persönlichkeit der Vertriebsmanager zurückzuführen. Ursachen dafür müssen vielmehr in innerbetrieblichen Rahmenbedingungen (z.B. Form der Beteiligung des Vertriebsleiters am Innovationsprozeß) oder in fehlenden Kenntnissen der Führungskraft gesucht werden, die zur Bewältigung dieser Aufgaben notwendig sind (z.B. Wissen über benötigte Hard- und Software). Der gravierendste Unterschied zwischen beiden Segmenten besteht in der Motivierung der Mitarbeiter der Vertriebsabteilung, die den empirischen

1) Die Mittelwertdifferenzen zwischen Cluster 1 und 2 sind bei allen nachfolgend zur Interpretation dienenden Variablen statistisch signifikant.

160

5. Empirische Befunde

Befunden zufolge zu den Vorzügen der Mitglieder des Cluster 2 zählt. Dies deckt sich damit, daß das Cluster 1 gemäß Abb. 5.11. als sozial inkompetent eingeschätzt wird. Die Persönlichkeit übt auch einen starken Einfluß auf Fähigkeiten und Kenntnisse aus. Wie die t-Test-Ergebnisse zeigen, werden Vertriebsleiter des Clusters 1 auf fast allen Ebenen der Qualifikation schlechter beurteilt als jene des Clusters 2. Lediglich bei der Variablen "fundierte theoretische Marketingkenntnisse" unterscheiden sich die Mittelwerte beider Cluster nur geringfügig (Cluster 1: χ = 3,7; Cluster 2: χ = 4,2). Darüber hinaus erfreuen sich die Mitglieder des Cluster 2 einer deutlich höheren Zufriedenheit der Vorgesetzten und Kollegen mit ihrer Leistung (x = 6,2) als Cluster 1 (x = 5,0). Insofern liegt die Schlußfolgerung auf der Hand, daß die auf der Basis der Persönlichkeit ansetzende Clusteranalyse zu weitgehend ähnlichen Resultaten führt wie die Kontrastgruppenanalyse der Stichprobe mit Hilfe des IMV. Die Ergebnisse unserer vielschichtigen Analyse belegen somit eindrücklich die Schlüsselrolle der Persönlichkeit für den Erfolg von Vertriebsleitem. Wie wir feststellten, sind zwei Faktoren (Sozialkompetenz und Introversion) ausschlaggebend dafür, ob eine hohe oder niedrige Marketingorientierung vorhanden ist, wobei allerdings, wie gezeigt, die Sozialkompetenz eine größere Bedeutung aufweist. Der Faktor "Flexibilität" vermag demgegenüber nicht hinreichend zwischen den beiden Clustern zu diskriminieren. Folglich bestünde eine praktische Anwendung unserer Überlegungen z.B. darin, die Marketingorientierung von Bewerbern um eine Stelle als Vertriebsleiter derart zu messen, daß man ihre Sozialkompetenz und Introversion auf der Basis des hier entwickelten Instrumentariums bestimmt und mit den in Abb. 5.11. enthaltenen Werten von Cluster 2 vergleicht. Stellt man eine Übereinstimmung fest, wäre die Wahrscheinlichkeit für das erfolgreiche Bestehen in der Position zumindest vor dem Hintergrund der Persönlichkeit der Bewerber relativ hoch.1^

(4) Ausgewählte soziodemographische Merkmale Das Alter der beurteilten Vertriebsleiter beeinflußt den IMV nicht. Während der Durchschnittswert für die Gesamtstichprobe 46,2 Jahre beträgt, belaufen sich die Vergleichswerte bei Gruppe 1 auf 46,8 und bei Gruppe 2 auf 46,1 Jahre. Da die untersuchten 94 Vertriebsleiter überwiegend männlichen Geschlechts sind (es befand sich lediglich eine

1) Weitere Konsequenzen aus diesen Befunden werden in Abschn. 6. thematisiert

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

161

Frau darunter), kann die Frage, welchen Einfluß diese Variable auf die Marketingorientierung entfaltet, nicht beantwortet werden. Gemäß unseren Befunden weisen marketingorientierte Vertriebsleiter einen höheren Bildungsstand auf. Diesem Segment gehören nämlich alle sechs Promovierten und, relativ betrachtet, wesentlich mehr Fachhochschul- bzw. Universitätsabsolventen an, als dies bei Gruppe 1 der Fall ist. Im übrigen dominiert in beiden Segmenten eindeutig die Fachrichtung Wirtschaft (nahezu 90 %).

5.1.2.2.

Unternehmensinterne Determinanten der Marketingorientierung von Vertriebsleitem

(1) Die Unternehmensstruktur Da auf die Unternehmensgröße der in die Auswertung aufgenommenen Markenartikelhersteller bereits in Abschn. 4.2.^ anhand des von diesen erzielten Umsatzes eingegangen wurde, sei an dieser Stelle lediglich vermerkt, daß kein gravierender größenbedingter Einfluß von Umsatz und/oder Anzahl der Beschäftigten auf die Marketingorientierung von Vertriebsleitem diagnostiziert werden kann. Allerdings gehören die 17 Unternehmen, bei denen die Vertriebsleiter der Gruppe 1 beschäftigt sind, alle der Umsatzklasse bis zu 1 Mrd. DM und der Beschäftigtenklasse bis zu 3.000 Mitarbeitern an. Bei sehr großen Unternehmen (über 1 Mrd. DM Umsatz und mehr als 3.000 Beschäftigte) dürfte deshalb ceteris paribus die Wahrscheinlichkeit dafür, Vertriebsleiter mit einer hohen Marketingorientierung vorzufinden, steigen.2^ Um Struktur und Personalstärke des Marketingbereichs ermitteln zu können, wurden die Probanden aufgefordert anzugeben, wieviele Mitarbeiter den absatzwirtschaftlichen Funktionsbereichen ihres Unternehmens angehören (vgl. Tab. 5.9). In den befragten Unternehmen erfüllen 245 Mitarbeiter Marketingaufgaben, der weit überwiegende Teil davon im Funktionsbereich Vertrieb. Nicht zuletzt wegen der damit einhergehenden hohen Personalkostenbelastung kommt dem Vertrieb besondere Relevanz für den Erfolg eines Unternehmens zu. Da die Probanden allerdings der Senkung der Vertriebskosten eine relativ geringe Bedeutung beimessen,wird dieses Problem in seiner Tragweite entweder verkannt, oder den Markenartikelherstellern gelang es bereits 1) Vgl. Tab. 4.2. 2) Gemäß dem Ergebnis des Chi2-Tests ist der hier angedeutete Zusammenhang nicht signifikant. Infolgedessen darf dieso- Aussage lediglich tendenzieller Charakter beigemessen werden. 3) Vgl. die Ausführungen in Abschn. 5.1.1.1. und Tab. 5.2. Siehe hierzu auch die Erläuterungen zu Abb. 5.13. in diesem Abschnitt.

162

5. Empirische Befunde

in der Vergangenheit, die Vertriebskosten durch entsprechende Maßnahmen zu reduzieren.1^ Tab. 5.9.: Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl in verschiedenen absatzwirtschaftlichen Funktionsbereichen Durchschnittliche Mitarbeiterzahl 1 * Absatzwirtschaftlicher Funktionsbereich Gesamtstichprobe

Gruppe 1

Gruppe 2

212

104

235

15

8

17

Werbung und Verkaufsförderung

9

4

10

Marktforschung

4

1

5

Sonstiger Funktionsbereich

5

6

5

245

129

272

Vertrieb Produktmanagement

Gesamt

Legende: 1) Es handelt sich hierbei um gerundete Werte. 2) Beispielsweise Marketing-Services, Handelsmarketing, Kundendienst, Marketing- bzw. SalesControlling.

Überraschenderweise verfügt lediglich einer der befragten Hersteller über eine Marketingbzw. Vertriebs-Controlling-Abteilung. Auch wenn man unterstellt, daß in dem einen oder anderen Fall eine zentrale Controllinginstanz die Marketing-Controllingfunktion wahrnimmt, und dieser Bereich deswegen nicht dem Marketingsektor subsumiert wird, steckt hinter diesem Befund zumindest eine eindeutige Absage an das sog. dotted line-Prinzip. Darüber hinaus ist zu vermuten, daß sich das Controlling des Marketing- und Vertriebsbereiches in vielen Unternehmen der Markenartikelindustrie noch in einem unterentwickelten Stadium befindet. Wie aus Tab. 5.9. hervorgeht, gehören Vertriebsleiter der Gruppe 2 Unternehmen an, die eine deutlich höhere Anzahl von Mitarbeitern in absatzwirtschaftlichen Funktionsbereichen beschäftigen (x = 272), als dies bei der Kontrastgruppe der Fall ist (x = 129). Zieht man die durchschnittliche Anzahl an Vertriebsabteilungen als Kriterium heran, so fällt auf, daß Unternehmen, die wenig marketingorientierte Vertriebsleiter beschäftigen, tendenziell mehr Vertriebssparten besitzen, und zwar durchschnittlich 6,5, als die

1) Ergebnisse der von der Zeitschrift "absatzwirtschaft" in jedem Jahr durchgeführten Befragung von Vertriebsleitern liefern Argumente für beide Standpunkte. Vgl. z.B. o.V. (1986), S. 50 ff., und o.V. (1987e), S. 62 ff.

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

163

Vergleichsgruppe (x = 3,9 Vertriebsabteilungen). 1 ^ Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl in einer Vertriebssparte beläuft sich bei Gruppe 1 demnach auf 16, bei Gruppe 2 hingegen auf 60. Infolgedessen kann vermutet werden, daß bei erfolgreichen Vertriebsleitern eine relativ hohe Subordinationsquote vorhanden ist.2^ Verbindet man diesen Befund mit den Ergebnissen hinsichtlich der Bedeutung und des Erfüllungsgrades der Variablen "Senkung von Vertriebskosten" und "Entlastung der Außendienstmitarbeiter von administrativen Tätigkeiten" (vgl. Abb. 5.4. und Abb. 5.5.), wird klar, daß ein größerer, aber effizient geführter Vertrieb einen Garanten für eine hohe Marketingorientierung darstellt. (2) Strategische Stoßrichtung des Unternehmens Wie in Abschn. 2.4.2. angedeutet, beeinflussen unternehmenspolitische Entscheidungen, z.B. hinsichtlich der Relevanz von Produktinnovationen und des bei ihrer Realisierung einzuschlagenden Weges, die Gestaltung des Vertriebsmanagements. Deshalb erscheint es reizvoll zu klären, in welchem Zusammenhang Variablen, welche die strategische Stoßrichtung eines Unternehmens prägen, mit der Marketingorientierung von Vertriebsleitem stehen.3^ Interpretiert man die in Abb. 5.12. zusammengefaßten Befunde, so fällt zunächst auf, daß die Gesamtstichprobe der Entwicklung neuer Produkte, der Verbesserung der Qualifikation von Mitarbeitern und der Berücksichtigung der Mitarbeiterinteressen bei wichtigen Entscheidungen eine geringe Bedeutung beimißt Dagegen charakterisieren die Variablen "Vorhandensein von ausreichendem Kapital", "Betonung des technologischen Fortschritts", "Aufgeschlossenheit der Geschäftsleitung gegenüber neuen Ideen" und "Behandlung jedes Kunden gemäß der Maxime 'Der Kunde ist König'" die strategische Position der befragten Unternehmen eher. Demzufolge kommt bei den in der empirischen Untersuchung berücksichtigten Markenartikelherstellem mitarbeiterbezogenen Überlegungen eine untergeordnete Bedeutung zu. Betrachtet man aber das Humankapital als strategischen Erfolgsfaktor (vgl. Abschn. 3.2.), scheinen in diesem Bereich noch erhebliche Erfolgsreserven brachzuliegen, die es z.B. durch eine gezielte Personalentwicklung und eine stärkere Partizipation der Mitarbeiter am Unternehmen zu erschließen gilt Letzteres könnte konkret durch die Teilhabe 1) Der Mittelwertunterschied ist statistisch nicht signifikant. Der Durchschnittswert für die Gesamtstichprobe beläuft sich auf 4 3 Vertriebsabteilungen je Unternehmen. 2) Da allerdings die zugrunde liegenden empirischen Befunde nicht signifikant sind, wäre es einer breiter angelegten empirischen Untersuchung vorbehalten, dieser Vermutung nachzugehen. 3) Die Auswahl dieser Variablen erfolgt auf der Basis von Studien von Pümpin/Kobi/Wüthrich (1985), S. 29, Peters/Waterman (1984), S. 36 ff., sowie eigenen Überlegungen.

5,1 5,1 4^ 4,9

Vorhandensein eines angenehmen Betriebsklimas

Einstufung des Marketing als wichtigster Funktionsbereich

Berücksichtigung der Interessen von Handelsunternehmen

Vorhandensein besonderer Stäricen im

+

4,0

43 3,4+

3,1+

3,9+

4,2+

4,6+

4,8+

5,1

+

+

3,6

5,0

4,5

5,2

5,4+

4,0+ 4,7

5,2

5,4

5,3

5,1

4,6

5,0

5,6

,

,

,

ι

ι

1

1

,

1

1

ι



1

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,

.

1

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1

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1

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1 « Λ

ι

5

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1

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1

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j

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ι

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1

6

Τ

Τ

Τ

/

1

1

1

/I

I

/ 1

7

trifft in hohem

· = Gruppe 2

' /

/ À—ι / ι—ο

1

f— 1

4

>—J «

ι 1

Jx

, J1

. \

3

9"1 1

Vi

/ ' uC.

1



1 rf

2

trifft überhaupt Maße zu

ο—ο = Gruppe 1

ι

.

«

ι

Mittelwert von

= Mittelwertdifferenz zwischen Gruppe 1 und 2 signifikant (α < 0,05)

Berücksichtigung der Mitarbeiterinteressen bei wichtigen Entscheidungen

Maßnahmen zur Verbesserung der Qualifikation der Mitarbeiter

Entwicklung neuer Produkte

4,7

5,2

Behandlung jedes Kunden gemäß der Maxime "Der Kunde ist König"

Vertrieb

5,2

Aufgeschlossenheit der Geschäftsleitung gegenüber neuen Ideen

53

Betonung des technologischen Fortschritts

4,8

Mittelwert für die Gruppe 1 Gruppe 2 nicht zu

5,4

Gesamtstichprobe

Vorhandensein von ausreichendem Kapital

Indikator

Abb. 5.12.: Determinanten des strategischen Handlungsspielraums von Markenartikelherstellern

1

1

164 5. Empirische Befunde

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

165

der Mitarbeiter an Entscheidungsprozessen und die Beteiligung am Erfolg sowie am Kapital des Unternehmens erreicht weiden. Daß die schweizerische Markenartikelindustrie, was die Haltung gegenüber ihren Mitarbeitern betrifft, besser abschneidet, belegen Befunde von Matt, nach denen die Mitarbeiterorientierung, ausgedrückt durch hohe Wertschätzung des Mitarbeiters, Teamwork und Partizipation, nach der Kundenorientierung die Unternehmensstrategie am nachhaltigsten prägt. ^ Demgegenüber setzen Schweizer Hersteller von Markenartikeln weniger als die Deutschen auf den technologischen Fortschritt. Diese Divergenzen erscheinen vor dem Hintergrund plausibel, daß die in der Schweiz beheimateten Anbieter aufgrund der charakteristischen Standortnachteile (weniger hochtechnologisierte Industrie, Dominanz des Dienstleistungssektors) die Mitarbeiter nach den Kunden als zweitwichtigste Strategiedeterminante betrachten. In einer Zeit, in der sich gerade Markenartikelhersteller der Gefahr eines sog. unfriendly takeover ausgesetzt sehen,bei dem der Aufkäufer auf eine Zerschlagung stark diversifizierter Unternehmen durch den Verkauf einzelner Marken oder Markenfamilien abzielt,3^ verwundert es nicht, daß die Unternehmen ihre Kapitalbasis zur Abwehr solcher Übernahmeversuche zu erhöhen suchen. Daß allerdings bei Markenartikelherstellern die Einstufung des Marketing als wichtigster Funktionsbereich, die Berücksichtigung der Interessen von Handelsunternehmen und das Vorhandensein besonderer Stärken im Vertrieb einen mittleren Rangplatz einnehmen (vgl. Abb. 5.12.), erstaunt den Betrachter. Die Funktion "Marketing" spielt demnach in den befragten Unternehmen nicht die Schlüsselrolle, die ihr von Seiten der Marketingwissenschaft zuerkannt wird. Unternehmen, die marketingorientierte Vertriebsleiter beschäftigen (Gruppe 2), gelingt es unseren Befunden zufolge, besondere Stärken im Vertrieb aufzubauen (vgl. Abb. 5.12.). Diese Unternehmen dürften deshalb über einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber der Kontrastgruppe verfügen. Weiterhin bestehen signifikante Unterschiede darin, daß diese Kategorie von Unternehmen im Vergleich zur Gruppe 1 - wesentlich aktiver ist, was die Verbesserung der Qualifikation der Mitarbeiter betrifft, - ein spürbar angenehmeres Betriebsklima aufweist, 1) Vgl. Matt (1988), S. 65 f. und S. 121 ff. 2) Prominentes Beispiel hierfür bildet der Aufkauf von RJR Nabisco durch Kohlberg, Kravis, Roberts & Co., für ca. 25 Mrd. US-$. Vgl. Becker (1990), S. 218. 3) Ohne Zweifel wird die Diskussion über die Bewertung von Marken durch die rapide gestiegene Anzahl von Aufkäufen großer Markenartikelherstella· weiter angefacht. Vgl. Schulz/Brandmeyer (1989), S. 364 ff. Gemäß dem von diesen Autoren mitentwickelten Marken-Bilanzkonzept, das von Nielsen vermarktet wird (vgl. Raithel, 1989, S. 296 ff.), läßt sich der Markenwert anhand folgender Kategorien ermitteln: Größe des Marktes, Marktanteil der Marke, Bewertung der Marke durch Handel, Maßnahmen des Markeninhabers, Verbundenheit der Konsumenten mit der Marke und Geltungsbereich der Marke.

166

5. Empirische Befunde

- der Entwicklung neuer Produkte eine ungleich größere Bedeutung beimißt und - die Interessen der Mitarbeiter bei wichtigen Entscheidungen eher berücksichtigt. Auch bei den übrigen Variablen schneidet Gruppe 2 besser als Gruppe 1 ab, ohne daß aber die Mittelwertdifferenzen nach Maßgabe der t-Test-Ergebnisse das notwendige Signifikanzniveau erreichen (vgl. Abb. 5.12). Nahezu identisch fallt die Beurteilung der von vielen Unternehmen zur Leitkonzeption erhobenen Aussage "Der Kunde ist König" aus. Gleichwohl scheint der hohe Wert, den die Gruppe 1 hier erzielt (x = 5,1), eher ein Lippenbekenntnis denn ein Faktum zu sein. Würde die Kundenorientierung nämlich so konsequent wie angegeben in die Tat umgesetzt, wäre der berechnete IMV-Wert bei diesem Segment zweifellos höher. Abschließend sei an dieser Stelle noch auf die unterschiedliche Beurteilung der Variablen "Betonung des technischen Fortschritts" einerseits und "Entwicklung neuer Produkte" andererseits hingewiesen. Der Gruppe 1 gelingt es demzufolge in geringerem Umfang, die mit der Betonung von Innovationen (x = 5,0) einhergehenden hohen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen in ein neuartiges Produktangebot marktgerecht umzusetzen (x = 3,9). Die Lücke, die zwischen den Beurteilungen beider Variablen klafft, ist bei Gruppe 2 demgegenüber deutlich geringer (x = 5,3;x = 4,8), womit klar wird, daß für den Erfolg von Innovationsstrategien nicht nur die technische Ebene, sondern vor allem auch die humane bzw. soziale Ebene entscheidend ist. Darüber hinaus dürfte die spannungsgeladene Umsetzung von Innovationen bei diesem Segment durch die höhere Aufgeschlossenheit der Geschäftsleitung gegenüber neuen Ideen gefördert werden.1^

(3) Der Tätigkeitsbereich von Vertriebsleitern Um das Tätigkeitsspektrum von Vertriebsleitern zu erhellen, werden zunächst einige Daten zur Struktur der zugehörigen Vertriebsabteilung erörtert. Der Verantwortungsbereich der 94 beurteilten Manager umfaßt durchschnittlich 171 Produkte. Davon wurden ca. 15 %, d.h. etwa 26, in den letzten zwei Jahren neu bzw. nach einer grundlegenden Modifikation (Relaunch) in den bundesdeutschen Markt eingeführt. Nur geringfügig unterscheiden sich die marketingorientierten Vertriebsleiter von ihren Kollegen, indem Gruppe 2 lediglich für die Distribution von 170 Produkten zuständig ist (Gruppe 1: 175) und in den letzten zwei Jahren nur 26 Innovationen bzw. modifizierte Angebote am Markt durchsetzen mußten (Gruppe 1: 28). Daraus läßt sich ableiten, daß 1) Gemäß einer Untersuchung von Berth bildet diese Tugend einen der Eckpfeiler einer innovationsorientierten Unternehmenskultur. Vgl. Berth (1988), S. 92 ff.

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

167

die Marketingorientierung nicht mit der Anzahl der zu distribuierenden Ware korrespondiert. Allenfalls wird ein (nicht signifikanter) schwach negativer Zusammenhang erkennbar, der angesichts des für einen Hersteller hohen Risikos von Neueinführungen und der Gate keeper-Position des Handels durchaus erklärbar erscheint. Da Vertriebsleiter der Gruppe 2 dem Handel in einer bestimmten Zeitspanne weniger neue Produkte mit einem größeren Außendienst anbieten,1^ verwundert der deutlich höhere Erfüllungsgrad des Ziels "rasche Penetration neuer Produkte" (vgl. Abb. 5.5.) nicht.2^ Was die Erklärungsbedürftigkeit der angebotenen Leistungen betrifft, so handelt es sich nach Maßgabe der Äußerungen der Probanden in der Mehrzahl der Fälle um typische Konsumgüter, die einfach handhabbar und nicht komplex sind. Auch diesbezüglich unterscheiden sich die beiden Gruppen nur unwesentlich. Die Vermutung, daß die Marketingorientierung von der Art des Produktes abhängt, bestätigte sich somit nicht Die Strukturierung des Außendienstes der hier zur Diskussion stehenden Vertriebsabteilungen orientiert sich in der überwiegenden Anzahl der Fälle an Regionen. Allerdings finden sich bei etwa 50 % der befragten Markenartikelhersteller Anzeichen eines nach Kunden organisierten Außendienstes,3^ was ein Anzeichen dafür ist, daß sich die Diskussion um das Key Account Management in der Praxis spürbar niedergeschlagen hat. Wie die Ergebnisse der Kontrastgruppenanalyse erkennen ließen, besteht jedoch kein Zusammenhang zwischen dem vorherrschenden Organisationsprinzip und der Marketingorientierung von Vertriebsleitern. Weitere Parameter des Aufgabenumfeldes des Vertriebsmanagements beziehen sich auf die genutzten Vertriebskanäle und die Partner auf Seiten des Handels. Bei den Distributionskanälen dominieren bei der Gesamtstichprobe, wie nicht anders zu erwarten war, die Absatzwege "Reisender - Einzelhandel" und "Reisender - Großhandel - Einzelhandel". Gravierende Divergenzen zwischen den von Gruppe 1 und 2 gewählten Vertriebskanälen bestehen nicht. Lediglich die Vertriebsschiene "Großhandel - Einzelhandel" wird von Vertriebsleitern der Gruppe 2 etwas stärker genutzt. Dies bedeutet, daß die Marketingorientierung nicht von den mit der Nutzung bestimmter Vertriebskanäle einhergehenden Schwierigkeiten (z.B. distributionslogistische Probleme bei einer Direktbelieferung des Einzelhandels) berührt wird Die von den Probanden in der Herstellerbefragung ausgewählten Vertriebsabteilungen betreuen durchschnittlich 5,6 der in Tab. 5.10. enthaltenen Betriebsformen des Handels bzw. Handelsunternehmen gleichzeitig. Spitzenwerte erreichen dabei Warenhäuser, 1) Vgl die Ausführungen zu (4) in diesem Abschnitt. 2) Vgl. hierzu die in Abschn. 5.1.2.3. diskutierten empirischen Befunde und Bauer (1980), S. 11 ff. 3) Mehrfachnennungen waren möglich. Vgl. Anhang C, Teil 2, Frage 3.

5. Empirische Befunde

168

Großhandelsunternehmen und Verbrauchermärkte. Demgegenüber kooperieren die ausgewählten Vertriebsabteilungen selten mit dem Handelsunternehmen Aldi und Reformhäusern bzw. Drogeriefachgeschäften. Analysiert man die in Tab. 5.10. dokumentierten Unterschiede zwischen Gruppe 1 und 2, so lassen sich daraus folgende Schlußfolgerungen ableiten: -

Vertriebsleiter der Gruppe 1 arbeiten häufiger mit dem Facheinzelhandel, mit Versandhandelsunternehmen und Aldi zusammen.

-

Hingegen setzt Gruppe 2 vergleichsweise eher auf Großhandelsunternehmen, Supermärkte, Diskonter und Genossenschaften.

Angesichts der geringen Zellenbesetzung kann es sich dabei allerdings nur um Tendenzaussagen handeln. Infolgedessen konnte die Hypothese, daß der Kontakt zu bestimmten Handelspartnern die Marketingorientierung präjudiziert, nicht bestätigt werden, auch wenn ein schwacher Einfluß der Struktur der Handelspartner auf den IMV nicht negiert werden kann. Tab. 5.10.: Die Handelspartner der ausgewählten Vertriebsabteilungen

Betriebsform bzw. Handelsunternehmen1 *

Angaben für die Gesamtstichprobe absolut

(in %)

Angaben2^ für Gruppe 1 Gruppe 2 absolut

(in %)

absolut

(in %)

64,7

4ZJL

55 54

71,4 70.1

66 62

70,2 66,0

11 8

Verbrauchermärkte

57

52,9

48

53 52

60,6 56,4 55,3

9

Freiwülige Ketten Supermärkte

8 8

47,1

4L1

45 44

62,3 58,4 57.1

Nicht organisierter Einzelhandel Facheinzelhandel Diskonter

51 47

54,3 50,0

9 10

52,9 58.8

42 37

54,5 48.1

43 24

45,7

5

29.4

38

49.4

Versandhandelsuntemehmen

25,5

6

35.3

18

23.4

Drogeriemärkte Genossenschaften

20 19

21,3 20,2

3 1

17,6

13.

17 18

214

Fachmärkte Aldi

15 8

16,0 8,5

3 3

17,6 17.6

12 5

15,6

8

8,5

1

5,9

7

9,1

Warenhäuser Großhandelsunternehmen

Reformhäuser, Drogeriefachgeschäfte

22,1

Legende: 1) Mehrfachnennungen waren möglich. 2) Unterstrichen sind diejenigen Angaben, bei denen die Differenz zwischen Gruppe 1 und Gruppe 2 mindestens 10 % beträgt

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

169

Darüber hinaus zeigt sich, daß marketingorientierte Vertriebsleiter mit einer größeren Anzahl unterschiedlicher Betriebsformen in Kontakt stehen (x = 5,7) als ihre Kollegen der Gruppe 1 (x = 5,0). Das Segment 2 ist demzufolge eher in der Lage, dem Unternehmen verschiedene Vertriebskanäle zu erschließen, was unter anderem auch durch den ihnen zur Verfügung stehenden größeren Außendienstapparat erklärt werden kann.

(4) Führungspolitische Merkmale der Vertriebsabteilung Durchschnittlich unterstehen den Vertriebsmanagern 22 Innen- und 74 Außendienstmitarbeiter. Vergleicht man den sich daraus ergebenden Gesamtwert (x = 96) mit der durchschnittlichen Mitarbeiterzahl der Vertriebsabteilungen der berücksichtigten Unternehmen (x = 49),^ wird deutlich, daß sich die Aussagen der Probanden meist auf die größte Sparte bzw. einen der größten Bereiche des Unternehmens beziehen. Vertriebsleitern mit einer niedrigen Marketingorientierung obliegt den empirischen Befunden zufolge die Führung von 29 Innen- und 66 Außendienstmitarbeitern. Im Gegensatz dazu unterstehen den Marketingorientierten weniger Innendienstmitarbeiter (x = 20), aber dafür mehr Außendienstmitarbeiter (x = 76). Aus diesen Divergenzen läßt sich eine Tendenz dahingehend herauslesen, daß Unternehmen mit marketingorientierten Vertriebsleitern viermal soviel Mitarbeiter im Außendienst wie im Innendienst beschäftigen, während bei den anderen das Verhältnis lediglich 2:1 lautet. In diesem Kontext drängen sich folgende Konsequenzen auf: - Unternehmen verkennen die Schlüsselrolle des Außendienstes dann, wenn sie pro Innendienstmitarbeiter nur zwei Reisende beschäftigen. Den betroffenen Unternehmen wäre darüber hinaus anzuraten, die Effizienz des Innendienstes zu überprüfen. - Für die Betreuung der größeren Anzahl an Außendienstmitarbeitern wird die Führungskompetenz des Vertriebsleiters zur entscheidenden Qualifikation. Eine große Rolle dürfte dabei auch die Bewältigung der Probleme spielen, die bei der Zusammenarbeit zwischen Innen- und Außendienst auftreten. Wie erinnerlich, schneiden aber auch hier marketingorientierte Vertriebsleiter deutlich besser ab als ihre Kollegen (Gruppe 1: χ = 3,6; Gruppe 2: χ = 2,7; vgl. Abb. 5.6.), obwohl sie einerseits mehr Mitarbeiter und andererseits einen größeren Außendienstapparat und anders zusammengesetzten Mitarbeiterstamm führen.

1) Wie erinnerlich, beläuft sich die durchschnittliche Anzahl da' Vertriebsmitarbeiter auf 212 (vgl. Tab. 5.11.) bei 4,3 Vertriebsabteilungen pro Unternehmen.

170

5. Empirische Befunde

Wenden wir uns den in Abb. 5.13. enthaltenen empirischen Befunden zu, wird deutlich, daß die Anzahl der im Außendienst beschäftigten Mitarbeiter weder bei der Gesamtstichprobe noch bei den Untergruppen verringert werden soll. Auch das Risiko des Vertriebsleiters, seinen Arbeitsplatz wegen Nichterreichung kurzfristiger Zielvorgaben zu verlieren, wird von dessen Vorgesetzten und Kollegen durchwegs als gering eingeschätzt. Gemäß den Angaben der Probanden erscheint die Versorgung des Vertriebsleiters mit Informationen, die er zur Entwicklung einer Vertriebsstrategie benötigt, gewährleistet. Zudem herrscht in der Mehrzahl der Fälle in der Vertriebsabteilung ein "Wir-Gefühl", das weder durch Intrigen noch durch persönliche Spannungen beeinträchtigt wird.1^ Generell verfügen Vertriebsleiter über einen hohen Handlungs- und Entscheidungsspielraum, der durch Vorgaben von Seiten der Muttergesellschaft bzw. Zentrale kaum eingeschränkt wird. Dieser Befund findet nicht zuletzt darin eine Begründung, daß ca. ein Fünftel aller beurteilten Vertriebsleiter dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung und über zwei Drittel der zweiten Hierarchieebene angehören, d.h. unmittelbar einem Geschäftsführungs- bzw. Vorstandsmitglied unterstellt sind. Lediglich 10 % der Zielgruppe gehören den Angaben ihrer Vorgesetzten bzw. Kollegen zufolge der dritten oder vierten Hierarchieebene an. Der Vergleich der Gruppenmittelwerte fördert vier statistisch signifikante Unterschiede zutage, und zwar bei den Variablen "optimales Key Account Management", "Vorhandensein von Intrigen und persönlichen Spannungen", "Vorhandensein eines 'Wir-Gefühls'" und "systematische Personalentwicklung für Vertriebsleiter". Den Leitern von Vertriebsabteilungen, die über ein effizientes Key Account Management verfügen, wird folglich eine höhere Marketingorientierung attestiert Allerdings weist der Mittelwert von 4,5 darauf hin, daß auch dort noch Defizite bei der Gestaltung und der organisatorischen Verankerung des Großkundenmanagements bestehen. Weiterhin fördert gemäß den in Abb. 5.13. enthaltenen Befunden ein kooperatives Klima in der Vertriebsabteilung die Marketingorientierung von Vertriebsmanagern. Nur eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen allen Ebenen des Vertriebs ermöglicht es dem Vertriebsmanagement, die ihm übertragenen Aufgaben und Ziele optimal wahrzunehmen bzw. zu erreichen.

1) Allerdings muß dabei berücksichtigt werden, daß angesichts der Hierarchieebene, die die Probanden erklommen haben (vgl. Tab. 4.2. in Abschn. 4.2.), die Beurteüung dieser abteilungsinternen Sachverhalte mit Fehlern behaftet sein könnte.

3,9 3,7 3,2 2,8 2,8 2,6 2,3

Übernahme personalpolitischer Funktionen durch die Vertriebsabteilung

Systematische Personalentwicklung für Vertriebsleiter

Fehlende Koordination zwischen Vertrieb und Produktmanagement

Vorhandensein von Intrigen und persönlichen Spannungen

Restriktive Vorgaben der Zentrale

Drastische Verringerung der Mitarbeiterzahl im Außendienst

Arbeitsplatzrisiko des Vertriebsleiters

2,6

2,4 2,2

2,6

2,6

2,6+

4,1+ 3^

3,0

3,9+

2,8+ 3,9

3,8

4,5+

2,8+ 4,1

5,1

5,3 +

5,2

4,4 +

5,3

ι

,



ι

1

= Mittelwertdifferenz zwischen Gruppe 1 und 2 signifikant (α < 0,05)

4,2

Optimales Key Account Management

+

5,1

Hoher Handlungs-und EntscheidungsSpielraum für Vertriebsleiter

5,2

Vorhandensein eines nWir-Gefühls M

4,8 1

1

,

ι

|

|

J

L.

^Cj

/

t

y

1

\

1

·

ι

1

1



5

ι

1

1

/

6

1

1

ι

1

1

1

'

1

1

1

7

1

in sehr hohem

· = Gruppe 2

1

1

7

Τ

X

ι

1

1

4

«

1

L^-i—ι

|

f

»

Τ

ι Χ

ι

jo

— / Flhigkeiten V^^ einer optimalen Vetriebskonzeption 0,419 / ^^ j S \ \ Kenntnisse 0,723 Gespür für Erwartungen und Bedürfnisse 0,477 5 \ /v der unterstellten Mitarbeiter r \ ΓΤ . , _ „, . Λ___ * / \ \0827_^ Ber ejt^ zur WeUerg.be ,A Λ \ / von Informationen γ' Υ ο

)

I ., ^,χΛ. y ^^s^ff/^ 0600 ^ Sozial ungeschickt vs. 0,632 Λ«^ geschickt im Umgang mit Menseben X/ À / 0.735 y^ / 0,460 • EntschlußfShig vs. zweiflerisch ^ ^ / /

0,518 • Vertrauensvoll vs. mißtauisch

0,547 • Übermäßig vorsichtig vs. risikofireudig

0,680 • Unbekümmert vs. verantwortungsbewußt ^ 0.565

Abb. 5.19.: Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern als Element eines LISREL-Modells

I

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

194

5. Empirische Befunde

Insgesamt betrachtet erscheint es somit gerechtfertigt, das postulierte Kausalmodell als bestätigt einzustufen.^ Abb. 5.19. enthält das auf der Basis der empirischen Daten berechnete LISREL-Modell, wobei auf die standardisierte Lösung rekurriert wird, 2^ um die Vergleichbarkeit der einzelnen Parameterschätzungen sicherzustellen. Zunächst fällt ins Auge, daß Fähigkeiten und Kenntnisse von Vertriebsleitern deren Marketingorientierung in starkem Maße positiv beeinflussen. Besonders die Bereitschaft zur Weitergabe von Informationen prägt die latente endogene Variable "Fähigkeiten und Kenntnisse".3^ Das negative Vorzeichen der direkt beobachtbaren endogenen Variablen "innerbetrieblicher Aufgabenbereich" erklärt sich aus der Skalierung der zugrunde liegenden Variablen, derzufolge hohe Werte große Defizite verkörpern et vice versa. Die geschätzten Parameter bringen zum Ausdruck, daß die Marketingorientierung in nahezu gleichem Umfang von dem I M V und dem innerbetrieblichen Aufgabenbereich repräsentiert wird (vgl. Abb. 5.19.). Betrachtet man die zwischen den latenten exogenen Variablen und den latenten endogenen Variablen bestehenden Effekte, so fällt zunächst der positive Zusammenhang zwischen der strategischen Stoßrichtung und führungspolitischen Charakteristika auf. Dagegen konnte kein direkter kausaler Effekt der Persönlichkeit auf die Marketingorientierung nachgewiesen werden. Zieht man allerdings die totalen Beeinflussungseffekte 4^ der latenten exogenen Variablen auf die Marketingorientierung als Kriterium heran, so geht die größte Wirkung von den führungspolitischen Charakteristika (0,508) aus, gefolgt von der Persönlichkeit (0,303) und der strategischen Stoßrichtung (0,299). Somit erscheint das Kausalmodell auch vor dem Hintergrund theoretischer Überlegungen durchaus plausibel. Wenngleich aus den bereits erläuterten Gründen der außerbetriebliche Aufgabenbereich im Rahmen des Meßkonzepts für die latente endogene Variable "Marketingorientierung" vernachlässigt wurde, liefern die Parameterschätzungen und Totaleffekte interessante 1) Ein weiteres Indiz hierfür bildet die Tatsache, daß, wie Abb. 5.19. zeigt, nur plausible Parameterschätzungen vorliegen. Darüber hinaus deutet die relativ geringe Rechenzeit darauf hin, daß vergleichsweise wenige Iterationen zur Berechnung der Parameterschätzungen erforderlich sind und somit das postulierte theoretische Kausalmodell relativ gut mit den empirischen Daten übereinstimmt. Vgl. hierzu Fritz (1984), S. 290, Fußnote 29. 2) In Anlehnung an die Argumentation von Fritz werden lediglich Parameter interpretiert, die aufgrund ihrer Ausprägung einen klaren Ursache-Wirkungszusammenhang erkennen lassen (Parameterweit > ± 0,10). Dadurch wird zugleich dem Multikollinearitätsproblem Rechnung getragen. Vgl. hierzu Fritz (1984), S. 351 und S. 353, der allerdings die "Interpretationsgrenze" bei ± 0,20 fixiert. 3) GemäJß dem Reliabilitätskoeffizienten von 0,684 (= 0,827 2 ) mißt diese Variable die latente endogene Variable "Fähigkeiten und Kenntnisse" gut. Vgl. hierzu Backhaus et al. (1987), S. 283 ff. 4) Vgl. hierzu Förster et al. (1984), S. 355 f.

5.1. Sicht von Vorgesetzten und Kollegen

195

Anhaltspunkte hinsichtlich der Entwicklung von Maßnahmen zur Erhöhung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern. ^ So wäre es beispielsweise unter Würdigung von Kosten/Nutzen-Überlegungen sinnvoll, die Intensität von Maßnahmen zur Förderung der Marketingorientierung nach Maßgabe der Rangfolge der von den latenten exogenen Variablen und den latenten endogenen Variablen ausgehenden Wirkungen zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund wäre die Beeinflussung von Fähigkeiten und Kenntnissen sowie von führungspolitischen Charakteristika vordringlich. 2^

5.1.3. Die wichtigsten Untersuchungsbefunde im Überblick Die Fülle der in Abschn. 5.1. präsentierten Ergebnisse läßt es zweckmäßig erscheinen, die wichtigsten der mit Hilfe der Befragung von Vorgesetzten und Kollegen gewonnenen Erkenntnisse zusammenzufassen. Auf diesen Hauptaussagen und jenen, die wir in Abschn. 5.2.3. noch präsentieren, basieren dann die in Abschn. 6. vorgestellten Handlungsalternativen zur Förderung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern. Verdichtet man die bislang vorgetragenen Befunde, so schält sich folgendes heraus: (1) Ca. 30 % aller durch die Probanden beurteilten Vertriebsleiter weisen in bezug auf ihre Leistung Defizite auf. (2) Bei den verfolgten vertriebspolitischen Zielen dominieren solche quantitativer und kurzfristiger Art. (3) Vertriebsleiter offenbaren vor allem beim Aufbau von EDV-gestützten Vertriebsinformationssystemen sowie bei der Beobachtung und Analyse von Maßnahmen der Wettbewerber Schwächen. (4) Etwa 20 % aller Vertriebsleiter weisen eine sehr niedrige bzw. niedrige Marketingorientierung auf. (5) Hauptsächlich Fähigkeiten und Kenntnisse sowie die Persönlichkeitsstruktur prägen die Marketingorientierung von Vertriebsleitern. Aber auch der Karriereweg als Indikator für den beruflichen Werdegang vermag dieses Konstrukt zu beeinflussen.

1) Vgl. hierzu Abschn. 6. 2) Eine optimale Steuerung der Maßnahmen zur Erhöhung der Marketingorientierung von Vertriebsleitern setzt allerdings eine detaillierte Kosten/Nutzen-Analyse der zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen voraus. Vgl. Abschn. 6.4.

196

5. Empirische Befunde

(6) Unter den unternehmensinternen Einflußfaktoren nehmen die strategische Stoßrichtung des Unternehmens und spezifische führungspolitische Charakteristika, die in der Vertriebsabteilung vorzufinden sind, eine prominente Stellung ein. (7) Die Marketingorientierung von Vertriebsleitern hängt nicht von den vorherrschenden unternehmensexternen Rahmenbedingungen ab.

5.2.

Die Interaktion zwischen Vertriebs- und Einkaufsleiter aus der Sicht von Einkaufsleitern

Wie bereits die Befragung von Vorgesetzten und Kollegen enthüllt hat, kommt der Verhandlungsführung von Vertriebsleitern und somit gleichsam dem zwischen Vertriebsleitern von Herstellern und Einkaufsleitern von Handelsbetrieben ablaufenden Interaktionsprozeß1^ eine wichtige Rolle bei der Erklärung der Marketingorientierung zu.2^ So zeigen beispielsweise die kausalanalytischen Befunde (vgl. Abb. 5.19.) den Stellenwert der Variablen "geschickte Verhandlungsführung" auf. 3) Deswegen wurde im Rahmen der vorliegenden Untersuchung die Interaktion von Absatzund Beschaffungsseite aus der Sicht von Einkaufsleitern von Handelsunternehmen näher 4)

beleuchtet. ' Für eine solche, die in Abschn. 5.1. präsentierten Befunde ergänzende Befragung sprach nicht zuletzt auch, daß marketingorientiertes Verhalten von Vertriebsleitern die Ausrichtung aller Handlungen an den Bedürfnissen der Abnehmer der Unternehmensleistungen impliziert, wobei wegen der Gate keeper-Position des Handels5^ in erster Linie die Interessen von Einkaufsleitern von Belang sind. Die Analyse der Meinungen dieser Mitarbeiter von Absatzmittlern eröffnet die Chance, Defizite im Verhandlungsverhalten von Vertriebsleitern zu entdecken, deren Ursachen nachzuspüren und Ansatzpunkte zur Behebung der identifizierten Mängel aufzuzeigen. Diese Defizite zu beseitigen bedeutet gleichzeitig, den Interaktionsprozeß von Vertriebsund Einkaufsleitern zu optimieren und dadurch die Marketingorientierung von Vertriebsleitern zu erhöhen.

1) Verhandlungen stellen dominante Teilprozesse der Transaktion zwischen Anbieter- und NachfragerOrganisation dar. Vgl. Kutschker/Kirsch (1978), S. 1 ff. 2) Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 5.1.2.1. und 5.1.2.4. sowie u.a. Abb. 5.7. und Abb. 5.19. 3) Auch in der Untersuchung von Heidrick and Struggles wird dem Verhandlungsgeschick höchste Priorität zuerkannt. Vgl. Heidrick and Struggles (1986), S. 16. 4) Zum Design der Befragung siehe Abschn. 4.2. 5) Vgl. hierzu u.a. Bauer (1980). Gleichwohl sollten Vertriebsleiter nicht der Gefahr der von Levitt beschriebenen Marketing Myopia erliegen. Vgl. Levitt (1960), S. 45 ff.

5.2. Sicht von Einkaufsleitern

197

Zunächst gilt es, die Befunde, die die Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit den in Verhandlungen mit Vertriebsleitern erzielten Ergebnissen betreffen, zu diskutieren. Danach spüren wir den Ursachen der (Un-)Zufriedenheit auf Seiten der Einkaufsleiter nach.1^ Dabei liegt der Schwerpunkt der Betrachtung auf den Dimensionen bzw. Variablen, die unmittelbar die Vertriebsleiter tangieren.

5.2.1. Die Bewertung von Verhandlungsergebnissen durch Einkaufsleiter Von der in der Literatur geführten Diskussion über die Meßbarkeit von Verhandlungsergebnissen interessiert an dieser Stelle, daß objektive (z.B. Verteilung der Kosten oder des Gewinns auf die Verhandlungspartner) und/oder subjektive Kriterien (Zufriedenheit mit dem erzielten Ergebnis oder dem Verlauf der Interaktion etc.) zur Bewertung der Resultate von Verhandlungsprozessen herangezogen werden können.2^ Im Rahmen dieser Untersuchung wird das Ergebnis des Interaktionsprozesses zwischen Vertriebs- und Einkaufsleiter durch die Zufriedenheit des befragten Einkaufsleiters mit dem Ausgang der Verhandlung operationalisiert In diese subjektive Bewertung fließt der damit verbundene Nutzen in Abhängigkeit von den Forderungen, die Einkaufsleiter in ein Gespräch einbringen, und dem Anspruchsniveau der Einkaufsleiter ein. Der Zufriedenheitsweit spiegelt somit alle mit dem Verhandlungsergebnis verbundenen Sachverhalte wider, die sich in der langfristigen Einkaufsstrategie des Handelsunternehmens, der Nachfrage- und Konkurrenzsituation, der Machtrelation zwischen Anbieter und Nachfrager, dem Objekt der Interaktion, der zwischen den Verhandlungspartnern bestehenden Beziehungen etc. niederschlagen. Da es unser Anliegen ist, Aufschluß über die Verhandlungskompetenz von Vertriebsleitern zu gewinnen, wollen wir den Beitrag des Vertriebsleiters zum Zustandekommen der Zufriedenheit von Einkaufsleitern bestimmen. Damit ist gleichzeitig die Problematik des gewählten Indikators angesprochen; denn eine hohe Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit dem erzielten Ergebnis deutet vordergründig betrachtet auf eine einseitig zu Lasten des Herstellers getroffene Vereinbarung (z.B. Preiszugeständnisse, Umfang gewährter Nebenleistungen) hin. Empirische Befunde beispielsweise von Kutschker/Kirsch zeigen jedoch, daß Interaktionsergebnisse von den Geschäftspartnern in der Regel als Kompromiß eingeschätzt

1) Vgl. Abb. 4.2. 2) Vgl. hierzu u.a. Crott (1972), S. 134 ff. und S. 227 ff.; Druckmann (1977) und Kutschker/Kirsch (1978), S. 36 und S. 48 f.

198

5. Empirische Befunde

werden.1^ Da es dem Wesen von Verhandlungen entspricht, für beide Seiten tragfähige Lösungen zu ermitteln, erscheint diese Überlegung plausibel.2^ Gegen die Auffassung, eine hohe Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit dem in Verhandlungen erzielten Ergebnis spiegele die einseitige Durchsetzung von deren Forderungen wider, spricht auch der Sachverhalt, daß die von uns befragten Einkaufsleiter den bzw. einen Vertriebsleiter ihres wichtigsten Lieferanten zu beurteilen hatten. Insofern kann davon ausgegangen werden, daß der Einkaufsleiter bzw. alle auf Seiten des Abnehmers am Verhandlungsprozeß Beteiligten eine langfristige Geschäftsbeziehung anstreben bzw. sicherstellen wollen, was nur durch eine von beiden Seiten an den Tag gelegte Kompromißbereitschaft zu erreichen sein dürfte. Somit erscheint es zulässig, die Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit den Verhandlungsergebnissen als Indikator zu betrachten, der es erlaubt, Verhandlungsprozesse zwischen Vertriebs- und Einkaufsleitern 3)

zu bewerten. Die befragten Einkaufsleiter sind mit dem Verhandlungsergebnis insgesamt eher zufrieden (x = 3,1). 4 ^ Ca. 30 % der Probanden bezeichnen sich als "sehr zufrieden" bzw. "zufrieden" (vgl. Tab. 5.15.). Keine der Auskunftspersonen äußert in bezug auf das Verhandlungsergebnis eine sehr unzufriedene Haltung, und lediglich ein Einkaufsleiter ist "unzufrieden". Dieser positive Eindruck wird jedoch getrübt, wenn man alle Einstufungen außer "zufrieden" und "sehr zufrieden" als Ausdruck der Wahrnehmung mehr oder weniger großer Defizite betrachtet, die die Einkaufsleiter in bezug auf das Verhandlungsergebnis verspüren; denn dann führen Verhandlungen mit etwa 70 % aller Vertriebsleiter zu Ergebnissen, die nicht voll befriedigen. 5^ Berücksichtigt werden sollte zudem, daß das hier herangezogene Globalurteil keine Unzufriedenheit mit Teilergebnissen des Verhandlungsprozesses offenbart. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, die Stichprobe in zwei Gruppen einzuteilen, und zwar in ein Einkaufsleitersegment, das ein Urteil im Bereich von "eher zufrieden" bis "unzufrieden" artikuliert (Gruppe 1), und in ein anderes, dessen Bewertung "sehr zufrieden" bzw. "zufrieden" lautet (Gruppe 2). Die 71 Angehörigen von Gruppe 1 repräsentieren dann Urteile über jene Kategorie von Vertriebsleitern, die in bezug auf das Resultat des Verhandlungsprozesses bei ihren Interaktionspartnern einen schlechteren Eindruck hinterlassen als die 31 Fälle von Gruppe 2. 1) Vgl. Kutschker/Kirsch (1978), S. 50 f. 2) Siehe auch Crott (1972), S. 134 f., der Verhandlung als Interessenkonflikt definiert, dessen Ergebnis ein von allen Beteiligten akzeptiertes Übereinkommen sein muß. 3) Im Rahmen der Kausalanalyse wild zu prüfen sein, ob und inwieweit dieser Indikator durch andere, d.h. nicht vom Vertriebsleiter ausgehende Einflußfaktoren tangiert wird. Vgl. Abschn. 5.2.2.5. 4) Die zugrunde liegende Skala reicht von " 1" (= sehr zufrieden) bis "7" (= sehr unzufrieden). 5) Zur Begründung siehe die Argumentation in Abschn. 5.1.1.1. und die dort angegebene Literatur.

5.2. Sicht von Einkaufsleitern

199

Tab. 5.15.: Die Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit dem erzielten Verhandlungsergebnis Bewertung

Angaben der Probanden in % absolut

Sehr unzufrieden

0

0

Unzufrieden

1

1,0 8,7 21,4

Eher unzufrieden Weder unzufrieden noch zufrieden

9 22

Eher zufrieden

39

Zufrieden Sehr zufrieden

29 2

Keine Angäbe

1

Gesamt

103

37,9 28,2 1,9 1,0 100,1 1}

Legende: 1) Die Abweichung von 100,0 ist durch Rundungsfehler bedingt

Im folgenden Abschnitt wollen wir der Frage nachgehen, welche Variablen für die Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit von Einkaufsleitern mit dem erzielten Verhandlungsergebnis maßgebend sind. Dabei wird auf die beiden beschriebenen Gruppen rekurriert.

5.2.2. Determinanten der Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit den Verhandlungsergebnissen Die Fülle interaktionstheoretischer Studien, die sich mit dem Phänomen "Verhandlungsprozeß" auseinandersetzen, hat zur Entwicklung einer Vielzahl von Systematiken zur Erfassung der Determinanten von Verhandlungsergebnissen geführt. Da die einzelnen Studien unterschiedliche Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen den berücksichtigten Variablen postulieren, fällt es schwer, einen allgemein akzeptierten theoretischen Bezugsrahmen heranzuziehen, der für unsere Zwecke geeignet ist. Wenn wir im folgenden auf den Interaktionsansatz der IMP-Gruppe 2^ zurückgreifen, so deshalb, weil die diesem Konzept zugrunde liegenden Hauptelemente, Interaktionsprozeß, Merkmale der beteiligten Parteien, Atmosphäre, in der die Interaktion stattfindet,

1) Einen Überblick über verschiedene interaktionstheoretische Ansätze vermittelt Kern (1987). Kutschker/ Kirsch gehen auf das Problem der Definition von abhängigen und unabhängigen Variablen im Rahmen der Analyse von Verhandlungsprozessen ein. Vgl. Kutschker/Kirsch (1978), S. 35 ff. 2) Die IMP-Gruppe setzt sich aus Wissenschaftlern von sechs Universitäten aus fünf europäischen Ländern zusammen und bearbeitet das Forschungsprojekt "International Marketing and Purchasing". Vgl. Kern (1987), S. 48 ff.

200

5. Empirische Befunde

und U m w e l t der Interaktion, ohne Schwierigkeit auf unser Problem transferiert werden können (vgl. Abb. 5.20.).

Abb. 5.20.: Einflußfaktoren des Verhandlungsergebnisses

Makro-Umwelt der Interaktion - Konzentration im Handel - Veränderung des Veibraucherverhaltens - EG-Binnenmarkt

Mikro-Umwelt der Verhandlung (Geschaftsbeziehung) - Beziehung zwischen Vertriebs- (Hersteller) und Einkaufsmanagement (Handel) - Marktstellung/Marktanteil der Produkte des Herstellers - Struktur und Entscheidungskompetenz der Einkaufsabteilung

Handelsunternehmen

Hersteller

Einkaufsleiter

Vertriebsleiter Verhandlungsprozeß - Anlaß -Dauer - Anzahl der beteiligten Mitarbeiter

- Verantwortungsbereich - Verhandlungskompetenz - Persönlichkeitsstruktur

D e r Bezugsrahmen, der den folgenden Ausführungen zugrunde liegt, lautet formelhaft ausgedrückt: 1^ Verhandlungsergebnis = f (Charakteristika des Verhandlungsprozesses; Verantwortungsbereich, Verhandlungskompetenz und Persönlichkeitsstruktur von Vertriebsleitern; Elemente der M i k r o - U m w e l t der Verhandlung (Geschäftsbeziehung); Merkmale der Makro-Umwelt der Interaktion)

1) Vgl. Abb. 4.2. Siehe hierzu auch Kutschker/Kirsch (1978) und Turnbull/Valla (1986), S. 5 ff.

5.2. Sicht von Einkaufsleitern

201

Jede der in dieser Formel enthaltenen unabhängigen Variablen wird durch eine mehr oder weniger große Anzahl von Indikatoren operationalisiert, die vor dem Hintergrund interaktionstheoretischer Studien ausgewählt wurden.1^ Dabei schenken wir hauptsächlich denjenigen Determinanten des Verhandlungsergebnisses große Aufmerksamkeit, die unmittelbar die Tätigkeit und das Verhalten von Vertriebsleitern betreffen (vgl. Abschn. 5.2.2.2.). Jeder Indikator wird zunächst in univariater Betrachtung mit Hilfe von t-Tests bzw. Chi 2 Tests darauf untersucht, ob er bei den beiden a priori gebildeten Segmenten (Gruppe 1 und Gruppe 2) signifikant unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Mit Hilfe einer solchen Kontrastgruppenanalyse sollen, analog zur Vorgehensweise in Abschn. 5.1.2., Anhaltspunkte in bezug auf die Bedeutung von Variablen und die zwischen den untersuchten Größen bestehenden Zusammenhänge gewonnen weiden. Diese Erkenntnisse bilden dann die Basis für die mit Hilfe des LISREL-Verfahrens

zu bewerkstelligende

kausalanalytische Erklärung der Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit den erzielten Verhandlungsergebnissen (vgl. Abschn. 5.2.2.5.).

5.2.2.1. Charakteristika von Verhandlungsprozessen Gemäß einer von Albaum/Richardson durchgeführten Studie korrelieren die Merkmale des Interaktionsprozesses positiv mit dem Ausgang von Verkaufsverhandlungen. Durch die Beobachtung und die Befragung von 80 Kunden an 18 Tankstellen stellten sie beispielsweise fest, daß mit steigender Anzahl der Interaktionen die Verkäufe zunehmen.2^ Ein ähnliches Resultat erzielte Pennington, der den Zusammenhang zwischen Verhandlungsintensität, -inhalt und -ausgang untersuchte.3^ Deswegen wollen wir nachfolgend wichtigen Charakteristika von Verhandlungsprozessen nachgehen und deren Einfluß auf das Zufriedenheitsurteil von Einkaufsleitern bestimmen. Aus Tab. 5.16. kann entnommen werden, daß keine gravierenden Abweichungen zwischen beiden Segmenten hinsichtlich des Anlasses der Kontaktaufnahme bzw. Verhandlung bestehen. Tendenziell sind bei Gruppe 1 Beschwerden des Einkaufsleiters eher Ursache von Verhandlungen, während es bei Gruppe 2 häufiger zu Aktions- und Kontrollgesprächen zwischen Vertriebs- und Einkaufsleitern kommt. Vertriebsleiter der Gruppe 2 suchen demzufolge öfter den Kontakt zu ihren Abnehmern, wenn es darum geht, Marketingmaßnahmen zu besprechen. Dies drückt sich auch darin aus, daß Gruppe 1 1) Darauf wird in den nachfolgenden Abschnitten jeweils kurz eingegangen. 2) Vgl. Albaum/Richardson (1967), S. 1 ff. 3) Vgl. Pennington (1968), S. 255 ff.

202

5. Empirische Befunde

etwas seltener als Gruppe 2 Verhandlungen mit Einkaufsleitern führt. ^ Die höhere Zufriedenheit mit dem Verhandlungsausgang bei Gruppe 2 findet darin ihr Korrelat, daß die betroffenen Vertriebsleiter weniger Anlaß zu Beschwerden des Einkaufsleiters bieten, als dies bei Gruppe 1 der Fall ist Da eine hohe Marketingorientierung eine Reduktion von Beschwerden auf Seiten der Abnehmer impliziert, bestätigt dieses Ergebnis, daß die Variable "Zufriedenheit des Einkaufsleiters mit dem erzielten Verhandlungsergebnis" einen Teilbereich der Marketingorientierung zu erfassen erlaubt Die Vermutung, daß das Zufriedenheitsurteil nur vom Ausgang des Jahresgespräches abhängt, kann gemäß diesen Befunden als widerlegt gelten. Vielmehr hegen Einkaufsleiter des Handels durchaus den Wunsch, gemeinsame Marketingaktivitäten (Aktionsgespräche) und die Geschäftsentwicklung (Kontrollgespräche) mit dem Vertriebsleiter zu besprechen sowie Verbesserungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Tab. 5.16.: Anlässe für Verhandlungen (Angaben in %) Angaben für Gesamtstichprobe

Gruppe 1

Gruppe 2

Jahresgespräche

98,1

98,6

96,8

Listungsgespräche

74,8

76,1

74,2

7,8

8,5

6,5

Beschwerden des Einkaufsleiters

35,0

38,0

29,0

Aktionsgespräche

18,4

15,5

22,6

Kontrollgespräche

18,4

15,5

22,6

Anlaß

Routinebestellungen

Anmerkung: Mehrfachnennungen waren möglich.

Im Gegensatz zur durchschnittlichen Dauer von Verhandlungen, die unser Zielkriterium nicht beeinflußt (Gruppe 1: χ = 68,5 Minuten; Gruppe 2: χ = 64,6 Minuten), hängt die Anzahl der zu Verhandlungen hinzugezogenen Mitarbeiter mit der abhängigen Variablen zusammen. Während auf Seiten des Einkaufs bei Segment 1 durchschnittlich 6,3 Mitarbeiter mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Verhandlungen betraut werden, beziffert sich der Vergleichswert auf 3,8.2^ Die Einkaufsleiter artikulieren

1) Die Anzahl der Verhandlungen pro Jahr beläuft sich bei Gruppe 1 auf 4,2 und bei Gruppe 2 auf 4,5. Allerdings ist diese Mittelwertdivergenz nicht signifikant. 2) Das Signifikanzniveau der Mittelwertdifferenz beträgt 0,073.

5.2. Sicht von Einkaufsleitern

203

darüber hinaus dann höhere Zufriedenheit mit dem erzielten Verhandlungsergebnis, wenn Vertriebsleiter allein mit ihnen verhandeln. Entsprechend schwindet die Zufriedenheit, wenn Vertriebsleiter im Verhandlungsprozeß von einem Team Unterstützung erfahren. 1^ Je weniger Mitarbeiter auf beiden Seiten am Verhandlungsprozeß beteiligt sind, um so bessere Chancen bestehen für erfolgreiche Verhandlungen. Die negative Einstellung von Einkaufsleitern gegenüber Teamverhandlungen mag darauf zurückzuführen sein, daß es schwierig ist, alle Verhandlungsteilnehmer auf einen bestimmten Kurs einzuschwören. Zudem dürfte bei Verhandlungen unter vier Augen die Wahrscheinlichkeit dafür steigen, rasch einen tragfähigen Kompromiß zu erreichen, da man sich dann gegenüber den eigenen Mitarbeitern, die sonst an den Verhandlungen teilnehmen würden, nicht profilieren muß.

5.2.2.2. Verantwortungsbereich, Verhandlungskompetenz und Persönlichkeitsstruktur von Vertriebsleitern Aus der Fülle der Merkmale, die eine Charakterisierung der Anbieter-Organisation erlauben, wurden im Rahmen der empirischen Untersuchung lediglich diejenigen herausgegriffen, die auf Vertriebsleiter bezogen sind (vgl. Abb. 5.20.). Dabei handelt es sich um den Verantwortungsbereich, die Verhandlungskompetenz und die Persönlichkeitsstruktur von Vertriebsleitern. Hierbei steht die Klärung der Frage im Vordergrund, ob die Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit dem Verhandlungsergebnis von diesen Faktoren abhängt.2^ Über 75 % der beurteilten Vertriebsleiter tragen für alle Produkte des Herstellers Verantwortung. Bei Gruppe 1 fällt der Durchschnittswert mit 83,1 % signifikant höher aus als bei Gruppe 2 (64,5 %). Daraus folgt, daß sich Vertriebsleiter mit einem engeren produktpolitischen Zuständigkeitsbereich intensiver um die Abstimmung von Marketingmaßnahmen sowie die Interessen des Handels kümmern können und deshalb bessere Verhandlungsergebnisse erzielen. Beispielsweise erlaubt es ihnen ihre Spezialisierung, wesentlich häufiger Aktions- und Kontrollgespräche mit Einkaufsleitern als ihre Kontrastgruppe zu führen (vgl. Abschn. 5.2.2.1. und Tab. 5.16.). Eine Beschränkung des Verantwortungsbereiches von Vertriebsleitern auf Großkunden und/oder Handelsunternehmen einer bestimmten Region vermag unseren Befunden zufolge keinen statistisch signifikanten Einfluß auf die Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit 1) Dies ergaben Chi2-Tests. Das Signifikanzniveau bei beiden nominal skalierten Variablen beträgt

0,012.

2) Vgl. Campbell (1985), S. 35 ff.

204

. Empirische Befunde

dem erzielten Verhandlungsergebnis zu entfalten. Hier bestätigt sich das Resultat einer Untersuchung von Diller, der nachgewiesen hat, daß diese Form der Spezialisierung auf Seiten der Handelsunternehmen keine nachhaltige positive Wirkung zeitigt (vgl. Abschn. 2.3.2.2.). 1 } Das gleiche Ergebnis wurde hinsichtlich der Entscheidungskompetenz von Vertriebsleitern erzielt. Lediglich 53,8 % der beurteilten Vertriebsleiter dürfen, ohne Rücksprache mit der Geschäftsleitung nehmen zu müssen, in Verhandlungen mit Einkaufsleitern weitreichende Entscheidungen treffen. Ob darin eine Verhandlungsstrategie der Vertriebsleiter (Zeitgewinn), ein geringer Grad an Handlungsautonomie oder hohe Forderungen der Einkaufsleiter, z.B. hinsichtlich von Rabatten, zum Ausdruck kommt, entzieht sich einer Beurteilung. Gemäß einer Studie von Cunningham werden Form und Umfang der Beziehungen zwischen Kunden- und Verkaufsorganisation u.a. von dem Verhandlungsverhalten der Interaktionspartner bestimmt.2^ Konkreter argumentieren beispielsweise Taylor/Woodside, die postulieren, daß ein positives Verhandlungsergebnis vor allem dann erreicht wird, wenn es gelingt, Sympathie aufzubauen. 3^ Vor diesem Hintergrund lag es nahe, den Leistungen bzw. Fähigkeiten von Vertriebsleitern nachzuspüren, soweit diese in Verhandlungen mit Einkaufsleitern eine Rolle spielen.4^ Um das Verhandlungsverhalten von Vertriebsleitern aus der Sicht ihrer Interaktionspartner beurteilen zu können, wurden die Einkaufsleiter zunächst gebeten, ihrer Zufriedenheit mit dem Verhandlungsverhalten von Vertriebsleitern Ausdruck zu verleihen. Der bei der Gesamtstichprobe errechnete Mittelwert von χ = 2,9 5 ^ deutet auf eine eher positive Einschätzung durch die Einkaufsleiter hin. Allerdings wählen nahezu 30 % der Probanden Einstufungen, die von "unzufrieden" bis "weder unzufrieden noch zufrieden" reichen. Betrachtet man die von Gruppe 1 und Gruppe 2 erzielten entsprechenden Mittelwerte, so unterscheiden sich diese statistisch signifikant (Gruppe 1: χ = 3,2; Gruppe 2: χ = 2,2). Demnach besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit dem Verhandlungsverhalten von Vertriebsleitern und der Zufriedenheit mit dem erzielten Verhandlungsergebnis.

1) 2) 3) 4) 5)

Vgl. Düler (1987), S. 91. Vgl. Cunningham (1984). Vgl. Taylor/Woodside (1982), S. 25 ff. Vgl. hierzu auch Crott (1972), S. 236 ff. Die zugrunde liegende Skala reicht von "1" (= sehr zufrieden) bis "7" (= sehr unzufrieden).

5.2. Sicht von Einkaufsleitern

205

Da demgemäß dem Verhandlungsverhalten von Vertriebsleitern eine hohe Bedeutung für den Verhandlungserfolg zukommt, wurden die Probanden aufgefordert, ihr Globalurteil zum Verhandlungsverhalten von Vertriebsleitem durch die Bewertung einzelner verhandlungsrelevanter Leistungen bzw. Fähigkeiten von Vertriebsleitern zu ergänzen. Die dabei gewonnenen empirischen Befunde dokumentiert Abb. 5.21. Wie daraus hervorgeht, schneiden die Vertriebsleiter bei der Gesamtstichprobe in bezug auf die Vorbereitung des Jahresgesprächs, ^ die Fähigkeit, persönlich zu kommunizieren, und den Aufbau von Sympathie bzw. Vertrauen am besten ab. Hingegen fallen die Bewertung der Fähigkeit, schriftlich zu kommunizieren, und der Leistung "Forcierung des Aufbaus eines EDV-gestützten Vertriebsinformationssystems zur besseren Kooperation" sowie der Bereitschaft zu einer gemeinsamen Produktentwicklung am schlechtesten aus (vgl. Abb. 5.21.). Gleichwohl fällen die Probanden insgesamt relativ positive Urteile, wodurch letztlich auch das zuvor ermittelte Globalurteil in bezug auf die Zufriedenheit von Einkaufsleitern mit dem Verhandlungsverhalten von Vertriebsleitern bestätigt wird. Betrachtet man die für jede Leistung bzw. Fähigkeit des Vertriebsleiters errechneten Mittelwerte für Gruppe 1 und Gruppe 2, springt zunächst ins Auge, daß diejenigen Einkaufsleiter, die mit dem erzielten Verhandlungsergebnis zufriedener sind (Gruppe 2), die Vertriebsleiter mit einer Ausnahme durchwegs positiver bewerten als Einkaufsleiter der Gruppe 1. Lediglich hinsichtlich der Fähigkeit, schriftlich zu kommunizieren, zeigt sich das Segment 1 leicht überlegen. t-Test-Ergebnisse bestätigen den zwischen dem Verhandlungsverhalten von Vertriebsleitern und dem Verhandlungsausgang bestehenden Zusammenhang: Von den 14 die Verhandlungskompetenz beschreibenden Variablen weisen lediglich vier keine zwischen Segment 1 und 2 bestehenden statistisch signifikanten Unterschiede auf (vgl. Abb. 5.21.). Die deutlichsten Divergenzen bestehen bei den Variablen "Eingehen auf Probleme des Einkaufsleiters", "Bereitschaft, Verhandlungsgewohnheiten dem Verhandlungsstil des Einkaufsleiters anzupassen" und "Bereitschaft zu gemeinsamer Produktentwicklung". Die von Gruppe 2 beurteilten Vertriebsleiter weiden diesbezüglich durchwegs positiver eingestuft, weshalb sie als kooperationswilliger gelten können. Die vergleichsweise negative Beurteilung der die Zusammenarbeit kennzeichnenden Indikatoren bei Gruppe 1 weist auf deren schwache Kundenorientierung hin, was keineswegs im Interesse von Herstellern liegen kann; denn der anvisierte Erfolg ist mit Angeboten, die die Interessenlage der Einkaufsleiter unzureichend berücksichtigen, nicht zu erreichen.2^

1) Gemäß Tab. 5.16. stellt dies den häufigsten Anlaß für Verhandlungen dar. 2) Vgl. Geisthövel (1984), S. 41 ff.

2,6 2,7 2,7 2,8 3,1 3,1 3,1 3,2 3,2

3,3 3,3

Aufbau von Sympathie/Vertrauen

Kulante Behandlung von Beschwerden

Schnelle Weitergabe von Informationen

Fähigkeit, beim Einkaufsleiter Vertrauen zu erwecken

Eingehen auf Probleme des Einkaufsleiters

Aufbau eines kompetenten Verhandlungsteams

Fähigkeit, neue IuK-Technologien sinnvoll einzusetzen

Verständnis für die Verhaltensweisen des Einkaufsleiters

Bereitschaft, Verhandlungsgewohnheiten dem Verhandlungsstil des Einkaufsleiters anzupassen

Fähigkeit, schriftlich zu kommunizieren

Forcierung des Aufbaus eines EDV-gestützten Vertriebsinformationssystems zur besseren

+

2,4 +

2,6+ 2,6+

3,4+ 3,5+

4,4+

3,5+

3,5+

2,7+

3,4

2,6+

3,3+

3,2

2,7+

3,2+

2,5

3,3 +

3,0

+

+

2,4

2,3 +

2,9+ 2,8

2,4

2,1+

2,7

2,5+

1,9

+

1

|

ι

I

I

'

I

I

1

I

I

1

1

1

ι

1

,

l

1

1

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1

1 1

Τ V

1 y





1

' I

'

Ό

I

I

Γ

1

1

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l

Γ Λ

ι

I

1

1

3

\

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1

ι !

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1

I

ι

I

1

I

6

·

1

χ».

Γ

I

1

1

1

5 1

l

• Τ

Τ

I \

1

4

'

ο ο = Grappe 1

\

V

,

^ ι

1

'

'

2

L^

• ^

1

, > ι

t

l ' è

1

sehr schlecht

Λ '

' f x '

λ

' V ' • 1



1

Λ

Mittelwert von

= Mittelwertdifferenz zwischen Gruppe 1 und 2 signifikant (α < 0,05)

Bereitschaft zu gemeinsamer Produktentwicklung 4,1

Kooperation

2,4

2,2

+

sehr gut

Mittelwert für die Gruppe 2

Fähigkeit, persönlich zu kommunizieren

Gruppe 1

2,1

Gesamtstichprobe

Vorbereitung des Jahresgesprächs

Indikator

1

I

1

I

I

1

ι

I

1

7

I

1

1

1

· = Grappe 2

ι

1

1

1

Abb. 5.21.: Die Bewertung verhandlungsrelevanter Leistungen bzw. Fähigkeiten von Vertnebsleitem 206 5. Empirische Befunde

5.2. Sicht von Einkaufsleitern

207

Infolgedessen bietet es sich an, zunächst bei diesen Indikatoren der Verhandlungskompetenz von Vertriebsleitern anzusetzen, um die Interaktion zwischen Vertriebs- und Einkaufsleitern zu verbessern. Zu denken wäre etwa an ein Schulungsprogramm, das die Möglichkeiten und Grenzen der Kooperation mit Einkaufsleitern bzw. Handelsunternehmen aufzeigt. In dieses sollten alle Mitarbeiter auf Seiten des Herstellers einbezogen werden, die an Verhandlungen mit dem Handel mitwirken. Da die Absatzmittler ihre Vorstellungen aber auch bereits in der Produktentwicklung berücksichtigt sehen möchten, gilt es, die damit verbundenen Fragen frühzeitig mit Vertretern des Handels (Lead user) zu besprechen. Dies könnte unter Umständen in Händlerbeiräten geschehen, wobei die Kooperation in diesem heiklen Feld allerdings nicht so weit gehen sollte, daß die Innovationspolitik des Unternehmens Schaden nimmt (z.B. Geheimhaltungsproblematik). Nichtsdestotrotz erscheint eine intensive Zusammenarbeit bei allen Problemen, die nicht dem Kern der Produktpolitik zuzurechnen sind (z.B. Verpackung), sinnvoll. Die Entscheidung, welche Leistungen bzw. Fähigkeiten von Vertriebsleitem vordringlich verbessert werden müssen, hängt auch von der Bedeutung ab, die Einkaufsleiter diesen für einen erfolgreichen Verlauf des Verhandlungsprozesses beimessen. Deshalb wurden die Probanden aufgefordert, die Wichtigkeit ausgewählter verhandlungsrelevanter Leistungen bzw. Fähigkeiten von Vertriebsleitern anzugeben.1^ Gemäß Tab. 5.17. erachten die Einkaufsleiter die Vorbereitung des Jahresgesprächs durch Vertriebsleiter als wichtigste Voraussetzung, um ein optimales Verhandlungsergebnis zu erzielen. Weiterhin läßt sich aus den gewonnenen Daten ableiten, daß sich die Auffassungen der beiden Gruppen darüber nur geringfügig unterscheiden. Lediglich in bezug auf die Bedeutung der Bildung eines kompetenten Verhandlungsteams für den Verhandlungserfolg besteht ein statistisch signifikanter Unterschied. Daß Gruppe 1 dieser Variablen (x = 9,5) eine höhere Relevanz als Gruppe 2 (x = 6,3) beimißt, ist insofern für die betroffenen Vertriebsleiter bedenklich, als sie häufig von einem Team im Verhandlungsprozeß unterstützt werden.2^ Wenn die Einkaufsleiter gerade bei Segment 1 diese Leistung akzentuieren, deutet dies auf Defizite hin, die z.B. durch eine bessere Vorbereitung von Verhandlungen und die Entwicklung einer von allen Teilnehmern an Verhandlungen auf Seiten des Anbieters getragenen Verhandlungsstrategie behoben werden sollten. 1) Um zu vermeiden, daß die Probanden dem Phänomen der Anspruchsinflation unterliegen, wurden 100 Punkte vorgegeben, die gemäß der empfundenen Wichtigkeit auf bestimmte Leistungen bzw. Fähigkeiten zu verteilen waren. Da den Auskunftspersonen nicht zugemutet werden konnte, alle zuvor beurteilten 14 Leistungen bzw. Fähigkeiten durch die Vergabe von Punkten miteinander zu vergleichen, wurden bei dieser Frage nur die acht als besonders wichtig erscheinenden Variablen vorgegeben. Deshalb sind die nachfolgend dargestellten Ergebnisse nur teilweise mit den bislang vorgestellten Urteilen über die Verhandlungskompetenz von Vertriebsleitern vergleichbar. 2) Vgl. die Ausführungen in Abschn. 5.2.2.1.

208

5. Empirische Befunde

Tab. 5.17.: Die Bedeutung einzelner verhandlungsrelevanter Leistungen bzw. Fähigkeiten von Vertriebsleitern für den Verhandlungserfolg Mittelwert für Leistung bzw. Fähigkeit

Gesamtstichprobe

Gruppe 1

Gruppe 2

Vorbereitung des Jahresgesprächs

20,1

19,3

21,8

Verhandlungsführung

18,1

17,7

18,8

Bereitschaft zur Kooperation

15,0

15,7

13,5

Schnelle Abwicklung von Beschwerden

10,4

10,0

11,3

Aufbau von Sympathie

10,2

10,5

9,3

Fähigkeit, neue IuK-Technologien sinnvoll einzusetzen

9,2

8,8

10,2

Schnelle Weitergabe von Informationen

8,8

8,6

9,4

Bildung eines kompetenten Verhandlungsteams

8,5

9,5

6,3

Anmerkung: Durch Rundungsfehler bedingt summieren sich die Punkte der einzelnen Spalten nicht auf exakt 100.

Verbindet man die in Abb. 5.21. enthaltenen Beurteilungen und die in Tab. 5.17. dokumentierte Bedeutung einzelner Leistungen bzw. Fähigkeiten von Vertriebsleitern, so muß vor allem die Dimension "Kooperation" herausgestellt werden. Gemäß Tab. 5.17. rangiert die Bereitschaft zur Kooperation auf Rang 3 der Wichtigkeitsskala. Wie Abb. 5.21. verdeutlicht, sind bei den dieser Dimension zurechenbaren Variablen (z.B. Bereitschaft, Verhandlungsgewohnheiten dem Verhandlungsstil des Einkaufsleiters anzupassen, Forcierung des Aufbaus eines EDV-gestützten Vertriebsinformationssystems zur besseren Kooperation und Bereitschaft zu gemeinsamer Produktentwicklung) die Defizite bei den Vertriebsleitern, die von Gruppe 1 beurteilt wurden, am größten. Somit scheint es vordringlich zu sein, die sich in diesem Bereich offenbarenden Defizite durch geeignete Maßnahmen z.B. der Personalentwicklung zu beheben. Betrachtet man das in Abb. 5.22. dargestellte Persönlichkeitsprofil von Vertriebsleitern, so fällt zunächst die Homogenität der Ergebnisse im Vergleich zu den Angaben von Vorgesetzten und Kollegen auf. 1^ Nicht nur die Mittelwerte für die Gesamtstichprobe unterliegen lediglich geringfügigen Schwankungen,2^ sondern auch die Abweichungen der Gruppenmittelwerte vom Mittelwert der Gesamtstichprobe. 1) Vgl. die Ausführungen in den Abschn. 3.3.1. und 5.1.2.1. Siehe hierzu auch Abb. 5.8. 2) Die größte Abweichung beträgt 0,7 Einheiten, was angesichts einer Skala, die von "1" bis "10" reicht, als Ausdruck einer hohen Homogenität der bei beiden Stichproben erzielten Ergebnisse gewertet werden muß.

+

anpassungsfähig

verschlossen

+

+

8,8

+

+

2,9

+

8,5+

2,6+

+

3,1

8,4

4,8

+

7,8

3,3+

6,9

+

+

8,0

5,7

+

6,0

7,3+

4,1+

+

5,5

4,9

+

4,2

3,8

+

7,8

+

4,2

6,9

4,1+

7.2

3,9

8.1

8,1

6,1

3.8

3,6

6.3

7.6

3.7

6.0

4.9

7.1

3.8

locker

sprunghaft

teamorientiert

konservativ

entschlußfähig

sozial ungeschickt

konventionell

vertrauensvoll

robust

übermäßig vorsichtig

= Mittelwertdifferenz zwischen Gruppe 1 und 2 signifikant (α < 0,05)

7,7

7,3

6,9

3,1

7,1

unbekümmert

leicht aufgebracht

geistig unbeweglich

+

8,2

+

7,6

7,3

+

+

zurückhaltend

7,6+

6,7+

Mittelwert von Negativer Pol Gruppe 1 Gruppe 2

7.0

Mittelwert für die Gesamtstichpcobe

1

1

1

I

1

1

1

i

1

1

"

1

1

1

1

1

I

1

1

1

1

1

1

'

1

^jt ^^L

—Ja ïk—

1

1

1

1

'

'

1

1

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1

1

'

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1

ι^ Φ

1

I L.

1

'

1

1

1

1

1

1

1

1

'

1

1

1 1

7

1

1

1

mißtrauisch

leicht verletzlich

risikofreudig

verantwortungsbewußt

kontaktfreudig

eigensinnig

emotional stabil

intelligent

unkonventionell

1

1

Positiver Pol 10

geht aus sich heraus

9

1

1

beharrlich

individualistisch

progressiv

zweiflerisch

geschicl^imJJmgang

1

1

I

8

1 1 " 1 angespannt