Vertauschte Sinne: Untersuchungen zur Synästhesie in der römischen Dichtung 3598777272, 9783598777271

Die Abhandlung dokumentiert erstmals in systematischer Weise synästetische Metaphorik als Element der lateinischen Dicht

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Vertauschte Sinne: Untersuchungen zur Synästhesie in der römischen Dichtung
 3598777272, 9783598777271

Table of contents :
Frontmatter......Page 1
Vorwort......Page 7
Inhalt......Page 9
1.1 Gegenstand der Untersuchung......Page 11
1.2 Antike Zeugnisse zur Synästhesie......Page 14
1.3 Moderne Forschungsansätze......Page 17
2.1 Vorbemerkung......Page 27
2.2 Synästhesien als ,kühne' Metaphern......Page 28
2.3 Synästhesien als ,kognitive' Metaphern......Page 33
2.4 Folgerungen und Thesen......Page 35
3.1 Vorbemerkungen......Page 43
3.2 Gesichtssinn als Bildspender......Page 46
3.2.1 Nicht-Sichtbares wird ,gesehen'......Page 47
3.2.2 caecus......Page 70
3.2.3 Weitere Bildfelder......Page 74
3.3.1 Nicht-Hörbares wird .gehört'......Page 82
3.3.2 Nicht-Hörbares ,spricht'......Page 85
3.3.3 surdus......Page 89
3.3.4 ridere......Page 91
3.4 Geruchs- und Geschmackssinn als Bildspender......Page 94
3.5.1 Gesichtssinn als Bildempfänger......Page 100
3.5.2 Gehör als Bildempfänger......Page 127
3.5.3 Geruchs- und Geschmackssinn als Bildempfänger......Page 158
3.6 Resümee......Page 163
4.1 Metapher und Tastsinn bei Lukrez......Page 165
4.2 Zu De rerum natura 2,398-435......Page 174
4.3 Gesichtssinn als Bildempfänger......Page 180
4.4 Gehör als Bildempfänger......Page 186
4.5 Geschmacks- und Geruchssinn als Bildempfänger......Page 192
4.6 Die ,inneren Sinne'......Page 194
4.7 Schlußbetrachtung......Page 196
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis......Page 200
Lateinisches Wortverzeichnis......Page 216
Stellenregister......Page 220

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Christoph Catrein Vertauschte Sinne Untersuchungen zur Synästhesie in der römischen Dichtung

Beiträge zur Altertumskunde Herausgegeben von Michael Erler, Dorothee Gall, Ernst Heitsch, Ludwig Koenen, Reinhold Merkelbach, Clemens Zintzen Band 178

Κ · G · Saur München · Leipzig

Vertauschte Sinne Untersuchungen zur Synästhesie in der römischen Dichtung

Von Christoph Catrein

Κ · G * Saur München · Leipzig 2003

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2003 by Κ. G. Saur Verlag GmbH, München und Leipzig Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. All Rights Strictly Reserved. Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlages ist unzulässig. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, 99947 Bad Langensalza ISBN 3-598-77727-2

Meinen Eltern

Vorwort

Die vorliegenden Untersuchungen sind die überarbeitete Fassung einer Dissertation, die im Wintersemester 2000/2001 von der philosophischen Fakultät I der Universität des Saarlandes angenommen wurde. Mein Dank gilt vor allem Herrn Professor Woldemar Görler, der die Arbeit angeregt und ihre Entstehung wohlwollend und mit ständiger Gesprächsbereitschaft und kritischer Anteilnahme begleitet hat. Mein Dank gilt ferner Herrn Professor Peter Riemer für die Übernahme des Korreferats sowie den Herausgebern der ,Beiträge zur Altertumskunde', insbesondere Herrn Professor Clemens Zintzen, für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe. Dank schulde ich auch dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, der großzügig ein Forschungs- und Studienjahr am King's College in London finanziert hat. Dort hat mich Professor Roland Mayer sehr herzlich aufgenommen und vorzüglich betreut. Professor Michael Silk verdanke ich Anregungen, die vor allem dem zweiten Kapitel zugute kamen. Sarah Träm, Georg Müller und Thomas Wecker haben mich durch ihr Korrekturlesen vor vielen Versehen bewahrt. Ihnen und all denen, die ihre synästhetischen Lesefrüchte im Laufe der Jahre bei mir abgeladen haben, möchte ich aufs herzlichste dafür danken. Meinen Eltern, die mich in allem unterstützt und ermutigt haben und mir auf meinem Lebensweg immer die nötigen Freiräume ließen, verdanke ich mehr, als hier zum Ausdruck kommen kann; ihnen sei dieses Werk gewidmet. Saarbrücken, Oktober 2002

Christoph Catrein

Inhalt

1

Einleitung

11

1.1

Gegenstand der Untersuchung

11

1.2

Antike Zeugnisse zur Synästhesie

14

1.3

Moderne Forschungsansätze

17

2

Synästhesien als Metaphern

27

2.1

Vorbemerkung

27

2.2

Synästhesien als ,kühne' Metaphern

28

2.3

Synästhesien als ,kognitive' Metaphern

33

2.4

Folgerungen und Thesen

35

3

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

43

3.1

Vorbemerkungen

43

3.2

Gesichtssinn als Bildspender

46

3.2.1

Nicht-Sichtbares wird ,gesehen'

47

3.2.1.1

Vorbemerkungen

47

3.2.1.2

Lukrez

51

3.2.1.3

Vergil

58

3.2.1.4

Andere augusteische Dichter

66

3.2.2

caecus

70

3.2.3

Weitere Bildfelder

74

3.3

Gehör als Bildspender

82

3.3.1

Nicht-Hörbares wird .gehört'

82

3.3.2

Nicht-Hörbares .spricht'

85

3.3.3

surdus

:89

3.3.4

ridere

91

3.4

Geruchs- und Geschmackssinn als Bildspender

94

Inhalt

10

3.5

Tastsinn als Bildspender

100

3.5.1

Gesichtssinn als Bildempfänger

100

3.5.1.1

Gesehenes wird ,gefühlt' oder .ertastet'

101

3.5.1.2

Licht, Farbe und Dunkelheit sind .stofflich'

114

3.5.2

Gehör als Bildempfanger

127

3.5.2.1

Gehörtes wird .gefühlt' oder ,ertastet'

128

3.5.2.2

Geräusche sind .stofflich'

131

3.5.3

Geruchs- und Geschmackssinn als Bildempfanger

158

3.6

Resümee

163

4

Zur Funktion taktiler Synästhesien bei Lukrez

165

4.1

Metapher und Tastsinn bei Lukrez

165

4.2

Zu De rerum natura 2,398-435

174

4.3

Gesichtssinn als Bildempfänger

180

4.4

Gehör als Bildempfanger

186

4.5

Geschmacks- und Geruchssinn als Bildempfänger

192

4.6

Die ,inneren Sinne'

194

4.7

Schlußbetrachtung

196

Abkürzungs- und Literaturverzeichnis

200

Lateinisches Wortverzeichnis

216

Stellenregister

220

1 1.1

Einleitung

Gegenstand der Untersuchung Drei Herren hatten mit Falken gebeizt und freuten sich auf das Gelag. Da nahm sie der Greis in Beschlag und führte. Die Reiter hielten gespreizt vor dem dreifachen Sarkophag, der ihnen dreimal entgegenstank, in den Mund, in die Nase, ins Sehn; und sie wußten es gleich: da lagen lang drei Tote mitten im Untergang und ließen sich gräßlich gehen. Und sie hatten nur noch ihr Jägergehör reinlich hinter dem Sturmbandlör; doch da zischte der Alte sein: Sie gingen nicht durch das Nadelöhr und gehen niemals - hinein. Nun blieb ihnen noch ihr klares Getast, das stark war vom Jagen und heiß; doch das hatte ein Frost von hinten gefaßt und trieb ihm das Eis in den Schweiß. 1

Im Mittelpunkt der nachfolgenden Untersuchungen soll die Synästhesie als ein Element poetischer Sprache in der römischen Dichtung stehen. Die Bezeichnung .Synästhesie' ist dabei alles andere als eindeutig. Ihr nicht unbeträchtliches Bedeutungsspektrum läßt sich exemplarisch an dem oben zitierten Gedicht von Rainer Maria Rilke aufgezeigen. Dort wird zunächst ein eigentlich nur dem Geruchssinn zugehöriges Verb („entgegenstinken") auf zumindest einen anderen Sinn, nämlich den optischen, bezogen („ins Sehn"); wie „in den Mund" aufzufassen ist gustativ oder ebenfalls olfaktorisch - sei dahingestellt (obwohl die Tendenz des Gedichts darin zu bestehen scheint, die Wirkung auf alle Sinne zu beschreiben, und der Mund somit eher für den Geschmackssinn stehen dürfte). Dieses Phänomen kann man als eine Form der Metapher ansehen, man spricht von synästhetischer Metapher oder kurz von Synästhesie.

1 Rainer Maria Rilke, Legende von den drei Lebendigen und den drei Toten [1908], zitiert nach: R. M. Rilke, Werke in drei Bänden, Frankfurt 1955, Bd. 2, 125.

12

Einleitung

Diese synästhetische Metapher verweist aber auf einen physiologischen Vorgang, auf die Wahrnehmung eines Eindrucks mit einem nicht primär affizierten, eigentlich nicht ,zuständigen' Sinn. Dies ist die in Medizin, Psychologie und Neurologie übliche Verwendung des Begriffs Synästhesie.2 Neben der Konfusion von Sinneswahrnehmungen wird auch durch die parallele Affizierung mehrerer Sinne („Mund" - „Nase" - „Sehn" „Jägergehör" - „Getast") eine intensive ,Gesamtwahrnehmung' evoziert. Diese .Addition' von nebeneinander vorliegenden Wahrnehmungen ist ebenfalls als Form von Synästhesie bezeichnet worden.3 Gelegentlich werden auch lautmalerische Stilmittel als Synästhesien aufgefaßt.4 Hier z.B. fallen die a-Laute bei „klares Getast, das stark war vom Jagen" auf - vielleicht soll dadurch die vermeintliche Sicherheit des Tastsinns unterstrichen werden. Diese Deutung ist aber wohl kaum konsensfahig; die Analyse solcher .Synästhesien' ist sehr im Subjektiven verhaftet.5 Und ein letzter Aspekt sei vermerkt, der sich durch die Entstehung des Gedichts als Beschreibung eines Werkes der bildenden Kunst6 zumindest andeutet: die Kombination mehrerer Künste, sofern sie verschiedene Sinnesorgane betreffen, wird ebenfalls häufig als Synästhesie bezeichnet. Der Begriff bezieht sich in diesem Zusammenhang allerdings vor allem auf ein unmittelbares ,Zusammen-Spiel' von bildender Kunst und Musik 2

Dies muß natürlich nicht bedeuten, daß jeder synästhetischen Metapher ein synästhetisches Erlebnis zugrundeliegt. Von medizinischer und psychologischer Seite wird häufig gegen die Kurzform .Synästhesie' für .synästhetische Metapher' polemisiert, da dieser Terminus dem .echten' synästhetischen Erlebnis vorbehalten sei, vgl. Hadermann 1992, 55f. sowie Baron-Cohen/Harrison 1997, 11: „Distinguishing the .metaphor as pseudo-synaesthesia' from developmental synaesthesia is difficult and will rely on objective tests (...). However, the key differences are that in metaphoric pseudosynaesthesia (a) no percept is necessarily triggered; (b) the subject will often acknowledge that the description is only of an analogy; and (c) it is voluntary." 3

Ludwig Schräders „summierender Typ", vgl. unten S. 24.

4

Bei Landfester 1997, 58-60 und Spillner 1996, 252 wird die Synästhesie überraschenderweise ganz auf diesen Aspekt reduziert und der Metapherntyp gar nicht erwähnt. Vgl. auch Gross 2002, 83 mit Anm. 95. 5

Vgl. Landfester 1997, 58 („ist ein gewisser Grad an Vagheit und Subjektivität bei ihrer Bestimmung nicht auszuschalten") und 59f. Es scheint bei der Analyse von Lautmalerei ein übliches Verfahren zu sein, die Grundaussage der jeweiligen Stelle zu ermitteln und dann festzustellen, daß die Verteilung der Laute diese Grundaussage stützt und besonders bewußt macht; warum gerade diese Laute so wirken sollen, bleibt offen. 6

Nämlich Francesco Trainis Fresko .Triumph des Todes' auf dem Campo Santo in Pisa (entstanden um 1350).

Einleitung

13

(.Gesamtkunstwerk'), wie es insbesondere von der künstlerischen Avantgarde nach der Wende zum 20. Jahrhundert propagiert wurde.7 An der gerade illustrierten terminologischen Unschärfe ist ablesbar, daß Synästhesie ein äußerst vielschichtiges Phänomen ist.8 Die vorliegenden Untersuchungen werden sich auf den linguistischen Aspekt beschränken; die angedeuteten physiologischen und psychologischen Aspekte sollen keine Rolle spielen - nicht zuletzt wegen der engen Grenzen, die die Kompetenz des Verfassers dem interdisziplinären Ausgreifen der Arbeit in diese Richtung setzt.9 Ebenfalls unbehandelt bleiben soll die Synästhesie als eine Form von Lautmalerei oder Lautsymbolik: Dieser Typ ist von den semantischen Formen der Synästhesie strikt zu trennen und kann nicht sinnvoll mit diesen zusammen betrachtet werden. Wir werden uns ausschließlich auf die synästhetische M e t a p h e r konzentrieren: Es soll ein Überblick über die Verwendung dieser Metaphemform in der römischen Dichtung geboten werden. Die Arbeit will damit einen Beitrag zur Erforschung der lateinischen Dichtersprache als eines autorenübergreifenden „sprachlichen Kollektivbesitzes"10 bieten ein Ansatz, der sich in letzter Zeit zunehmender Aufmerksamkeit erfreut," wobei man sich allerdings häufig auf Morphologie und Syntax konzentriert bzw. bei der Behandlung von Bildlichkeit bevorzugt mit der Tradition der ,großen' Gleichnisse befaßt hat. Zugleich soll in allgemeiner Form über

7 Z.B. in Kandinskys Malerei (vgl. seine Schrift ,Über das Geistige in der Kunst' [Berlin 1912]) und Skrjabins Musik; vgl. hierzu Günther 1984; Pütz 1995; Dann 1998. Vgl. noch Urs Widmer, Indianersommer (Zürich 1985) S. 40: „Einmal hatte ich keine Zigaretten mehr und stieg zum Maler hinauf. Er bemerkte mich nicht, weil er gerade an der Saite zupfte und dann, während ein dumpfer Ton in der Luft hing, wie ein Wichtel zur Leinwand zischte, mit hocherhobenem Pinsel. Zu spät, wozu auch immer, denn er ließ ihn sinken. (...) Natürlich wollte er Töne malen. - Als ich mich räusperte, erschrak er so, daß ein schwarzer Fleck auf die Leinwand klatschte. Er sah ihn an, fiel mir um den Hals, lachte, weinte. - .Dein Gegrunz.'" 8

Der Terminus begegnet in den modernen Sprachen seit dem 19. Jh.; in Vulpian 1866 taucht in der 20. ,ΐβςοη' (vorgetragen 1864) das Substantiv .synesthesie' zum ersten Mal auf, vgl. Schräder 1969, 46-49; siehe auch Tempesti 1991, 133-144; Paissa 1995, 31-38. συναίσθησις kommt in der Antike nicht in einer Verwendung vor, die den modernen Bedeutungsgehalten von .Synästhesie' entspricht, vgl. Schräder 1969, 48 mit Anm. 244. 9 Wir werden nur sporadisch im Rahmen des Forschungsüberblicks (Kap. 1.3) auf diese Forschungsrichtung eingehen. 10

Leumann 1959, 131.

11

Vgl. Hillen 1989, lf„ Maurach 1989 und 1995.

14

Einleitung

Methoden der Metapherninterpretation reflektiert werden; dies ist im Bereich der Klassischen Philologie bislang noch kaum erfolgt.' 2 Für die Arbeit ergibt sich damit die folgende Struktur: Auf einen Forschungsüberblick, der auch die antike Beschäftigung mit der Synästhesie einbeziehen soll, folgen einige methodische Überlegungen zur Interpretation von Metaphern (Kapitel 2). Dann werden die wichtigsten Beispiele fur Synästhesien in der römischen Dichtung systematisch zusammengestellt (Kapitel 3). In einem abschließenden Teil (Kapitel 4) sollen dann die taktilen Synästhesien im Lehrgedicht des Lukrez einer gesonderten Deutung unterzogen werden, da wir glauben, dort eine besondere Funktion der synästhetischen Metapher im Rahmen der epistemologischen Argumentation feststellen zu können.

1.2

Antike Zeugnisse zur Synästhesie

Von antiken Wurzeln der Beschäftigung mit der Synästhesie kann man nur in höchst eingeschränkter Weise sprechen. Für eine Auseinandersetzung mit .echten' (physiologischen) Synästhesien gibt es in der ganzen antiken Literatur unseres Wissens kein Zeugnis.13 Nirgends wird explizit von der Möglichkeit gesprochen, daß ein Reiz, der auf einen Sinn wirkt, einen gleichzeitigen Effekt auf einen anderen hat (daß man z.B. mit Tönen Farben assoziiert u.ä.). Es könnte natürlich lohnend sein, epistemologische Aussagen aus dem Bereich der antiken Philosophie auf ihre Implikationen für unsere Fragestellung hin zu untersuchen. Vorab läßt sich vermuten, daß Philosophen, die den Sinnesorganen die Hauptfunktion bei der Wahrnehmung zuteilen (z.B. die Atomisten), eher zurückhaltend gegenüber der Vorstellung von einer möglichen Konfusion der Sinne sein müßten, es sei denn, man unterstellte, daß sich Atome in die falschen Rezeptoren .verirren'. Demgegenüber hätten Denker, die die Einheitlichkeit der Wahrnehmung betonen und einen Ort der Wahrnehmung jenseits der Sinnesorgane postulieren (vgl. den ,Gemeinsinn' [κοινή αίσθησις] bei Aristoteles14), vordergründig betrachtet mit dem Phänomen der Synästhesie ein ihre Ansicht stützendes Argument an der Hand; und dies gilt nicht nur für physiologische Synästhesien, sondern auch für synästhetische Metaphern, denn unsere Fähigkeit, solche Meta-

12

Eine Ausnahme stellt v.a. Silk 1974 dar; vgl. auch Nünlist 1998, 1-10.

13

Ebenfalls negativ der Befund von Tempesti 1991, 137.

14

Vgl. Schräder 1969, 240 (dort die einschlägigen Stellen bei Aristoteles).

Einleitung

15

phern zu verstehen, spricht ja für einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Sinnen. Doch scheint weder Piaton noch Aristoteles mit synästhetischen Phänomenen dieser Art zu argumentieren. Es wird vielmehr dezidiert die Vorstellung einer Trennung der Sinnessphären vertreten.15 Bei A r i s t o t e l e s gibt es allerdings Hinweise auf den metaphorischen Charakter von (alltagssprachlichen) Bezeichnungen von Sinneswahrnehmungen, z.B. De anima 420a28: ... τό όξύ και τό βαρύ. ταϋτα δέ λέγεται κατά μεταφορών άπό των απτών. Dabei werden diese Metaphern mit einer Analogie der Elemente ,hoch' und ,tief auf der einen und , scharf und ,schwer' auf der anderen Seite erklärt: „... es scheinen sich beide analog dem Scharfen und Stumpfen beim Tastsinn zu verhalten. Denn das Spitze sticht, das Stumpfe stößt sozusagen, weil das eine auf kurze, das andere auf lange Zeit bewegt, so daß nebenbei das eine schnell, das andere langsam ist."16 Aristoteles unternimmt es aber nirgends, diese psychologischen Erkenntnisse mit seinen im Bereich der Rhetorik angestellten Überlegungen zur Metapher zu verbinden.17 Nur die S c h o l i e n nehmen vereinzelt vom Phänomen der synästhetischen Metapher Notiz, ohne allerdings regelmäßig eine feste Bezeichnung dafür zu verwenden. Im Scholion zu Eur. Hek. 174f. (ώ τέκνον ώς 'ίδης ο'ίαν

15 Vgl. zu Aristoteles aber Schmitt 2002. Zur Trennung der Sinnesbereiche siehe Schräder 1969, 56f. (und 240 zum ,Gemeinsinn') sowie Jütte 2000, 48f. - Unter den wenigen Stellen, an denen doch wenigstens indirekt von so etwas wie .echter' Synästhesie die Rede ist, findet sich die rätselhafteste in Piatons Theaitet. Die Passage Tht. 184-186 bildet das Ende eines längeren Abschnitts, in dem die These, daß Wahrnehmung und Erkenntnis das gleiche seien, von Sokrates widerlegt wird. In diesem Zusammenhang fragt er Theaitet, ob dieser von einem Ton und einer Farbe, wenn beide wahrgenommen würden, nicht angeben könne, daß sie s e i e n , daß sie voneinander v e r s c h i e d e n seien und daß sie z w e i seien. Theaitet bejaht all dies (185a8-b3). Dann jedoch schließt Sokrates überraschend die Frage an, ob Theaitet nicht auch erforschen könne, ob die beiden Eindrücke einander ä h n l i c h oder u n ä h n l i c h seien (185b4): ούκοϋν και είτε άναμοίω είτε όμοίω άλλήλοιν, δυνατός εΐ έπισκέψασθαι; Die Antwort Theaitets fallt hier reservierter aus: 'ίσως, .vielleicht' (von Cornford S. 104 etwas keck mit „no doubt" übersetzt). Meines Wissens gibt es keine restlos befriedigende Erklärung dieser Stelle (vgl. z.B. Heitsch 1988, 97f.: „Die Anwendung der Relationen .ähnlich' und .unähnlich' auf Ton und Farbe ist nicht nur nicht besonders naheliegend, sondern vergleichsweise abwegig ... so, wie er [sc. Piaton] Sokrates die Frage stellen läßt, impliziert sie gerade die Vergleichbarkeit des Unvergleichbaren"); sie wäre bei Schräder (s.u. S. 24) unter dem „korrespondierenden Typ" aufzufuhren. 16

De anima 420bl-4, Übersetzung von Theiler. Weitere Belege bei Stanford 1936,

17

Vgl. Tempesti 1991, 155f.; Stanford 1936, 50.

49.

Einleitung

16

ο'ίαν/ άίω φάμαν περί σας ψυχδς)18 wird zwar fur die synästhetische Metapher der Terminus μετάληψις αίσθήσεως verwendet,19 dieser kommt aber in der gesamten überlieferten griechischen Literatur nur noch zweimal in den Odysseescholien vor,20 und beide Male wird keine Synästhesie damit bezeichnet: zu Od. 1,58, wo die Verwendung von νοήσαι .statt' ίδεΐν so bezeichnet wird, und zu Od. 1,115, wo der Scholiast meint, ein von der geistigen Vorstellung gesagtes όσσόμενος so bezeichnen zu müssen.21 Das - neben Homers δπα λειριόεσσαν (II. 3,152) - wohl bekannteste Beispiel22 für eine Synästhesie in der griechischen Dichtung stammt aus Aischylos' ,Sieben gegen Theben'. In v. 100 fragt die Chorführerin ihre Gefährtinnen: άκούετ' η οΰκ ακούετ' άσπίδων κτύπον; (,Hört ihr oder hört ihr nicht das Gedröhne der Schilde?') Diese Frage nimmt sie dann in v. 103 wieder auf: κτύπον δέδορκα πάταγος ούχ ένός δορός. Es ist nicht klar, wieviel der Chor von der Akropolis Thebens aus wirklich wahrnehmen kann,23 ob also hier ein verkürzter Ausdruck für eine Kombination aus optischer und akustischer Wahrnehmung vorliegt oder die Chorführerin tatsächlich ein ganz und gar ,falsches' Wort verwendet. Die Scholien bieten als Erklärung:24 a κτύπον δέδορκα· μετήγαγε τάς αισθήσεις προς τό ενεργέστερον (...) b α'ίσθησις άντί αίσθήσεως c ήγουν την άκοήν άντί της όράσεως d δέδορκα] άκούω e δέδορκα] αισθάνομαι f δέδορκα] εις νοϋν λαμβάνω g δέδορκα] κατανοώ τοις τοΰ νοϋ όφθαλμοϊς

18 Σ Eur. Hek. 174f., S. 28 Schwartz. In den modernen Ausgaben werden die Verse als 175f. gezählt und ε'ιδης gedruckt; mitunter wird das Stück nach ώ τέκνον athetiert (Härtung, Diggle), allerdings nicht wegen der Synästhesie, sondern wegen der dadurch möglichen Herstellung einer strophischen Struktur in der Passage. 19

Ebd., in quälender Ausführlichkeit: μετάληψις αισθήσεως καλείται τό σχήμα· τό γάρ 'ίδης άντι τοΰ άκούσης έφθέγξατο. μετήλλαξε 6έ την δνναμιν των ώτων εις τήν όύναμιν των οφθαλμών- ού γάρ μετά τών ώτων βλέπει τις. διά τοϋτο και μετάληψις α'ισθήσεως ώνομάσβη τοϋτο. 20

Nach Ausweis der TLG-CD-ROM.

21

Σ Horn. Od. 1,58. 1,115, S. 35. 62 Ludwich.

22

Auch von Lobeck (s.u. S. 17) an den Anfang seiner Untersuchung gestellt.

23

Vgl. zu diesem Problem Mesk 1934.

24

Σ Aischyl. Septem 103, S. 64 Smith.

Einleitung

17

Diese Kommentare bieten drei mögliche Deutungen: Entweder sind die Wahrnehmungsarten vertauscht (,Sehen' statt .Hören': a,b,c,d), oder ,Sehen' steht entweder für .Wahrnehmen' in allgemeiner Form (e) oder für ein Wahrnehmen mit den .inneren Sinnen' (f,g). Dieses Erklärungsmuster findet sich auch in anderen Scholien als Kommentierung synästhetischer Metaphern.25

1.3

Moderne Forschungsansätze26

1.3.1 Die moderne Beschäftigung mit der Synästhesie setzt mit der 1846 erschienenen Abhandlung ,De vocabulis sensuum eorumque confusione' 27 von Christian August Lobeck ein. Dieser betrachtet die Synästhesie freilich ohne große poetische Sensibilität; sie wird von der Warte des pedantischen Grammatikers als eine Art von Solözismus28 abgetan, den es rationalistisch wegzuerklären gelte. Typische Erklärungsmuster sind verkürzte Ausdrucksweise bei komplexen Vorgängen und vor allem das Zeugma: Wenn bei einer Synästhesie das Verb der sinnlichen Wahrnehmung neben der .unpassenden' auch eine .passende' Verbindung eingeht, .lindert'29 dies für Lobeck den .Solözismus'. Lobecks Arbeit ist wegen der eben skizzierten Grundhaltung immer wieder getadelt worden, u.a. von Jacob G r i m m , der in seinem zwei Jahre nach Lobecks Abhandlung erschienenen Aufsatz ,Die fünf Sinne' durch zahlreiche Beispiele aus der älteren deutschen Literatur zu belegen versuchte, wie unanstößig die Verwendung von Synästhesien in der Dichtung sei. Grimms Erklärung für das Phänomen ist ein „ahnen" der 25

Vgl. Lobeck 1846, 334: „Verum quo insolentior nobis ... videtur visus et auditus confusio, hoc minus molestiae exhibuit antiquis graecorum poetarum explanatoribus, qui plurimis in locis adnotant verba sentiendi et inter se et cum verbis cognoscendi permutari it

26

Forschungsberichte liegen vor in Schräder 1969, 11-55; Tempesti 1991; Hadermann 1992; Paissa 1995; Gross 2002. Wir haben versucht, neben ganz zentralen Arbeiten zur Synästhesie als sprachlichem Phänomen vor allem solche aufzuführen, die antike Autoren berücksichtigen. - Zu den neuropsychologischen Aspekten der Synästhesie vgl. Cytowic 1993; Baron-Cohen/Harrison 1997; Cytowic 2002. 27

Als 20. dissertatio in Lobeck 1846, 329-352.

28

Vom Vorwurf des Solözismus werden die synästhetischen Dichterstellen nur deshalb freigesprochen, weil schon die antiken Scholiasten den Dichtern verziehen, was sie anderen nicht nachsahen, vgl. Lobeck 1846, 329: „... prisci scriptorum existimatores ... quae vulgo indocto exprobrant, ignoscunt eruditis." Ä

Lobeck 1846, 338 „zeugma intercedit", ebd. 340 „zeugmate lenitur".

18

Einleitung

„geheime(n) bezüge der dinge" in der Poesie; durch Synästhesien werde eine alte Einheitlichkeit der Sinneswahrnehmung ausgedrückt.30 Man sollte es aber mit der Kritik an Lobeck nicht übertreiben; letztlich irritiert vor allem seine pedantische Grundhaltung, die ihn an den synästhetischen Metaphern Anstoß nehmen ließ. Man darf darüber aber nicht nicht die unbestreitbaren Verdienste seiner Studie vergessen:·" Es ist die erste Stellensammlung zur synästhetischen Metapher in der antiken Literatur, und Lobecks Erläuterungen zu den einzelnen Stellen sind durchaus akzeptabel; auch .sensiblere' Interpretationen, zu denen nicht zuletzt die vorliegende Arbeit gerechnet werden will, verwenden häufig die gleichen Erklärungsmuster, freilich unter Vermeidung von Lobecks polemischem Tonfall. 1.3.2 Im Rahmen seiner voluminösen Abhandlung ,Die Sprache als Kunst' (Berlin 21885), die von den (spekulativen) Anfängen des Spracherwerbs bis zu einem ausgefeilten System poetisch-rhetorischer Stilmittel vordringt, beschreibt Gustav G e r b e r auch die Synästhesie; dies geschieht zunächst im Kapitel „Vorstufen bis zur Schaffung der Sprach-Wurzel",32 wo, ausgehend von der Onomatopöie, die auf das Ohr wirke und zu akustischer Nachahmung animiere, auch die Reizung der übrigen Sinnesorgane in ähnlicher Weise erklärt wird: „Erfolgte in der Seele eine isolierte Auffassung der einzelnen Sinnesreize, so würde allerdings schwer einleuchten, wie überhaupt eine Reizung z.B. des Geschmacks oder des Hautgefuhls für das Organ des Gehörs erfaßbar, d.h. zum Ton gestaltet werden könnte. Aber der Sinnesreiz wird in uns auf eine Einheit bezogen, auf das Bewußtsein; er wird in seiner Isolierung weder empfunden, noch als solcher im Tone wiedergegeben. Es spiegelt sich daher in dem charakterisierenden Laute weder das Objekt, noch der einzelne Sinnenreiz, sondern eine T o t a l e m p f i n d u n g , deren lautliches Abbild (...) besser Nachschöpfung als Nachahmung genannt werden mag."33

30

Grimm 1848, lf.: „... auf gesicht und gehör zusammen, in demselben Augenblick ... eingewirkt", „gemeinschaft der einzelnen sinne unter einander". 31

Zutreffend Schräder 1969, 12.

32

„III. Die natürlichen Vorstufen der Sprache bis zur Schaffung der Sprach-Wurzel, d.h. bis zum Hervortreten der Kunst der Sprache" (Gerber 1885, 141-162). 33 Gerber 1885, 154f. Hier ist vor allem der Einfluß Herders zu spüren (Über den Ursprung der Sprache, hg. von C. Träger, Berlin 1959).

Einleitung

19

In diesem Zusammenhang erwähnt Gerber sowohl alltägliche Metaphern wie „helle und dunkle Töne", „weicher und harter Ton", „schreiende Farben" als auch griechische Beispiele wie Soph. OK 138f. (von Gerber als v. 137 zitiert) φωνή γαρ όρώ τό φατιζόμενον und Soph. ΟΤ 371 (s. unten S. 30). Von diesen Ursprüngen ausgehend kommt Gerber im Kapitel „Von den Tropen" noch einmal auf synästhetische Übertragungen zu sprechen, wobei er ausdrücklich an Lobecks Arbeit anknüpft und neben modernen Beispielen auch einige aus dessen Abhandlung wiederholt.34 1.3.3 Die bis heute wohl ausfuhrlichste35 Darstellung zur synästhetischen Metaphorik stammt von Erika von Siebold, die in den ,Englischen Studien' 1919-1920 zwei umfangreiche Abhandlungen zu ,Synästhesien in der englischen Dichtung des 19. Jahrhunderts' publizierte.36 Sie gliedert ihr Material zunächst sachlich (nach Sinnessphären), dann, für den Bereich der englischen Dichtung, nach Autoren.37 Von Siebold geht von den synästhetischen Metaphern im allgemeinen Sprachgebrauch aus, deren „merkwürdige Assoziationstätigkeit" sie mit einer „gleiche(n) Gefühlsreaktion"38 erklärt. Davon abzusetzen sei die „Synästhesie in der Sprache der Ästhetik":39 Hier wird besonders auf die Rolle, die Wechselbeziehungen zwischen den Künsten und das ,Gesamtkunstwerk' spielen, hingewiesen. Synästhesien äußerten sich in diesem Bereich u.a. bei der Titelgebung von Kunstwerken und bei Vergleichen zwischen verschiedenen Künsten.40 Die Funktion der poetischen Synästhesien beschreibt von Siebold treffend mit dem „Suggerieren von möglichst vielen und möglichst divergierenden Sinneseindrücken";41 ebenso wird man auch zustimmen, wenn sie urteilt: „Durch die Synästhesie verbinden die Dichter in Form von Vergleichen oder bewußtem Nebeneinanderstellen verschiedener

34

Gerber 1885, 314f.

35

Schräder 1969 hat einen viel weiteren Horizont, s.u. S. 24.

36

Wobei auch zahlreiche französische und deutsche Beispiele zitiert werden.

37

„Erster Teil. Aufkommen und Verbreitung der Synästhesien in der deutschen, englischen und französischen Literatur des 19. Jahrhunderts" (1-157). „Zweiter Teil. Spezialisierte Betrachtung der Synästhesien bei den englischen Dichtern" (196-334). 38

Von Siebold 1919-1920, 8.

39

Von Siebold 1919-1920, 9.

40

Von Siebold 1919-1920, 20-31.

41

Von Siebold 1919-1920, 35. Weiter heißt es: „Unser Staunen über diese neuen Gefuhlskombinationen macht uns aufmerksam und damit feinfühlig auch für die subtilsten Reize".

20

Einleitung

Sinnesdata die Wirkungskraft mehrerer Sinneseindrücke zu einer Gesamtempfindung."42 Einem kurzen Überblick über das „Aufkommen der Synästhesien in der Sprache der Dichtung", das ihrer Meinung nach in der Romantik erfolgt,43 schließt sich eine lange, unkommentierte Abfolge von Beispielen an, die nach Übertragungen geordnet sind, z.B. „akustisch-optisch", dann „TonLicht", dann als Beispiel u.a. Tiecks „Dein süßes Lied beglänzt die arme Welt".44 Der zweite Teil mit Beispielen ausschließlich aus der englischen Literatur enthält etwas weitergehende Deutungen der jeweiligen Stellen mit teilweise kühn psychologisierenden Vermutungen über die Gründe des jeweiligen Metapherngebrauchs. 1.3.4 Die nach Lobeck wichtigsten Impulse aus altphilologischer Richtung erhielt die Erforschung der Synästhesie durch W. Bedell S t a n f o r d . In seiner 1936 erschienenen Monographie ,Greek Metaphor' fuhrt er in einem größeren Kapitel, das der Synästhesie gewidmet ist, zahlreiche Beispiele aus der griechischen Dichtung an. Dabei glaubt er an eine physiologische Grundlage für synästhetische Metaphern: „I believe synaesthesia in words is a survival of the physical synaesthesia of primitive man when sense perceptions were far keener and far more efficiently co-ordinated than in more domesticated times."45 Der Dichter habe wegen seines besonderen Verhältnisses zur Sprache einen besseren Einblick in deren Strukturen;46 er könne durch synästhetische Metaphorik ursprüngliche physiologische Zusammenhänge .reaktivieren', aber auch neue Zusammenhänge herstellen.47 Stanford ließ 1942 noch einen kurzen Aufsatz folgen, in dem er einige Beispiele aus der antiken und auch neuzeitlichen Dichtung auflistete.48 1.3.5 Der apologetische Titel von Alfred E n g s t r o m s 1946 erschienener Studie ,In defence of synaesthesia in literature' ist eine Reaktion auf die

42

Von Siebold 1919-1920,36.

43

Von Siebold 1919-1920, 39f.

44

Von Siebold 1919-1920, 78.

45

Stanford 1936, 56f.

46

Aber nicht unbedingt in die etymologischen Verhältnisse, vgl. Stanford 1936, 52.

47 Stanford 1936, 56: „The poet ... purposely revives or recreates old and beautiful meanings of words, or creates and emphasizes new meanings". 48

Stanford 1942a.

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21

häufig geäußerte Polemik gegen die Synästhesie.49 Engstrom verweist dagegen auf das hohe Alter der synästhetischen Metapher und fuhrt in diesem Zusammenhang zahlreiche Beispiele aus der altgriechischen Literatur an: „Synaesthesia is in reality only the metaphor of the senses and deserves recognition as an invaluable source for poetic expression. Its employment in literature did not arise from a supposed degeneration or neurosis or excessive sentimental naturalism of the 18th and 19th centuries. It came rather from a natural human experience, and it is already apparent to a remarkable degree in the earliest surviving literature of the West."50 1.3.6 Heinz K r o n a s s e r fuhrt in seinem .Handbuch der Semasiologie'51 die Synästhesie als Ausdruck eines „Parallelismus" zwischen den Sinnessphären auf, „der im Sprachleben seinen Niederschlag findet (und der) physiologisch verankert erscheint";52 dementsprechend verweist er, ähnlich wie Stanford, auf die bei Kindern und „Primitiven" häufiger zu beobachtenden echten (physiologischen) Synästhesien: „Die Erklärung dieser Identifizierung der Qualitätsbezeichnungen scheint physiologisch möglich zu sein: ursprünglich waren die einzelnen Sinneswahrnehmungen nicht so stark differenziert wie beim heutigen Entwicklungsstand der Menschen, besonders der zivilisierten ... Es gibt sogar Forscher, welche die Meinung vertreten, daß es ursprünglich für die verschiedenen Qualitäten der Sinneseindrücke überhaupt nur ein Organ gegeben habe."53 Gewisse synästhetische Fähigkeiten sind deshalb laut Kronasser im Menschen von vornherein angelegt: „... gelten tiefe Töne als unrein, samtartig, dick, schwer, groß, undicht, unfest, diffus, weich, stumpf, ... hohe Töne dagegen als rein, silbern, leuchtend, schneidend, scharf, dünn, spitz, leicht ... Diese Austauschmöglichkeiten beruhen auf primär gegebenen

49

Berüchtigt ist dabei vor allem Max Nordaus Buch .Entartung' (Berlin 1892-93), in dem das Faible vor allem der symbolistischen Dichtung für Synästhesien als Zeichen völliger Degenerierung gedeutet wird. 50

Engstrom 1946, 19.

51

Heidelberg 1952.

52

Kronasser 1952, 147.

53

Kronasser 1952, 148f.

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22

Zuordnungen bestimmter Qualitäten der verschiedenen Sinnesgebiete. ... Man nannte diese Zuordnungen Ursynästhesien."54 Kronasser bietet für diese Ursynästhesien auch zahlreiche Beispiele aus dem Lateinischen und Griechischen, z.B. acer bezogen auf Gesicht (acer splendor), Tastsinn, Geruch (acer nidor), Geschmack (acetum) und Motorik (acris fuga). Dabei differenziert er nicht zwischen Belegen aus der Prosa und der Dichtung.55 1.3.7 Ingrid Waern gibt in ihrem 1952 erschienen Aufsatz .Synästhesie in griechischer Dichtung' eine kurze Stellensammlung, die ein wenig unter den von der Verfasserin vorgenommenen Einschränkungen leidet: Es werden keine Zeugmata zugelassen, und auch Übertragungen, an denen Adjektive beteiligt sind, werden nicht berücksichtigt. Für den sich aus diesen Restriktionen ergebenden Rest ist ihre Materialsammlung recht ergiebig. Die (z.B. von Stanford vertretene) Ansicht, die Neigung griechischer Dichter zur Synästhesie resultiere aus einer ursprünglich einheitlichen Sinneswahrnehmung, etwa einem .sensus communis', wird von ihr nicht geteilt: „Keiner der Dichter, von denen hier die Rede ist, kann mit derartigen primitiven Reminiszenzen in Verbindung gebracht werden, wenn es nun ein sensorium commune überhaupt gegeben hat."56 1.3.8 Sehr ausfuhrlich beschäftigt sich Stephen U l i m a n n in seinem Hauptwerk ,The principles of semantics'57 mit der Synästhesie, die für ihn zum Bereich der ,panchronischen Bedeutungsforschung' gehört, d.h. zu einer stark generalisierten Semantik, die auf rein deskriptiv-induktivem Weg versucht, allgemeine Strukturübereinstimmungen der Sprachen auf dem Gebiet der Semantik aufzudecken. Ulimann betont die Notwendigkeit, durch synchrone Untersuchungen die Miteinbeziehung von Metaphernleichen zu vermeiden: „Only those cases were included where synaesthetic provenance could be synchronistically felt as such. Faded images like ,sweet sound, soft voice' were excluded."58 Aussagen über etwaige synästhetische Gesetzmäßigkeiten' 54

Vgl. Kronasser 1952, 147. Der Terminus .Ursynästhesie' findet sich bereits bei Albert Wellek (Übersicht z.B. in Wellek 1931b, 121), dessen eher kulturgeschichtliche als linguistische Untersuchungen hier nur am Rande erwähnt seien (für das Altertum besonders Wellek 1929, Wellek 1931a und Wellek 1931b). 55 Kronasser 1952, 151. - Ähnlich, mit noch zahlreicheren Beispielen aus antiker Prosa und Dichtung, argumentiert Erdmann Struck in seinen beiden Arbeiten zur Semasiologie (Struck 1954 und 1959). 56

Warn 1952, 19.

57

Glasgow-Oxford 2 1957.

58

Ullmann 1957,278.

Einleitung

23

seien dabei nur durch die Arbeit mit .großen Zahlen' möglich.59 Von diesen Prämissen ausgehend untersuchte Ullmann die Werke von zwölf Dichtern des 19. Jahrhunderts;60 dabei kam er zu dem Ergebnis, daß Übertragungen im allgemeinen von den ,niedrigen' zu den .höheren' Sinnesbezirken ansteigen, also vom Tastsinn über Geschmack und Geruch zu Gesicht und Gehör. Es überwiegen Übertragungen aus dem taktilen Bereich, .Hauptabnehmer' sind der optische und akustische Bereich; dabei gibt es ein Übergewicht des Akustischen. Ullmann erklärt dies damit, daß für die visuelle Sphäre ein reichhaltigeres Vokabular zur Verfügung stehe als fur die auditive.61 1.3.9 Im selben Jahr, in dem Ullmans umfassende Studie erschien, legte Glenn O ' M a l l e y seinen Aufsatz ,Literary Synesthesia' vor. O'Malley betont vor allem die fundamentalen Unterschiede zwischen einer Form der Analogie zwischen den Sinnen, die für jeden erfahrbar ist, und dem pathologischen Phänomen („clinical synesthesia": „any involuntary awareness of a sensation, perception, or .image' of one sense which accompanies [...] the stimulation of a different sense or even the mental representation of that stimulation"62) und polemisiert gegen die unbedachte Vermischung dieser beiden Bereiche. Daneben bietet O'Malley einen gerafften Überblick über die wichtigsten Erscheinungsformen literarischer Synästhesien im 18. und 19. Jahrhundert, wobei er das Phänomen eher weit faßt und auch das, was Schräder (s.u. 1.3.10) als summierenden Typ' bezeichnet, miteinbezieht. Wichtig ist seine Warnung vor allzu großem Schematismus bei der Deutung von sprachlichen Synästhesien: „'bitter tone' might be a genuine synaesthetic transfer but might also be taken for a metaphorical qualification (bitter) of another metaphor for a general drift of speech (tone). (...) students of literary synesthesia must feel that linguistic classification of synesthetic transfers has limited value and that they, on the other hand, must assess each apparent intersense metaphor in its particular

59 Ullmann 1957, 276: „Large figures will ... be needed to bring out any inherent regularities, and to reduce the margin of error to a minimum." 60 Byron, Keats, William Morris, Oscar Wilde, Emest Dowson, Stephen Phillips, Lord Alfred Douglas, Arthur Symons, Longfellow, Leconte de Lisle, Theophile Gautier und Mihäly Vörösmarty. 61

Ebenfalls ein sehr deutliches Übergewicht von Übertragungen vom Tastsinn auf das Gehör stellt Sean Day in Thomas Manns Buddenbrooks fest (Day 1996). 62

O'Malley 1957, 392.

24

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context and against a background of literary fashions and related considerations."63 1.3.10 Der bedeutendste Beitrag zur Erforschung der Synästhesie aus literaturwissenschaftlicher Perspektive ist die 1969 publizierte Habilitationsschrift von Ludwig Schräder: ,Sinne und Sinnesverknüpfungen. Studien und Materialien zur Vorgeschichte der Synästhesie und zur Bewertung der Sinne in der italienischen, spanischen und französischen Literatur'. Wie der Untertitel deutlich macht, geht es um sehr weitgespannte Untersuchungen zur Bedeutung der Synästhesie in der Literatur vor der (vermeintlich ersten) .Blütezeit' in der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts. Dabei beschränkt sich der Verfasser nicht auf die in romanischen Sprachen abgefaßte Literatur, sondern bezieht auch antike Texte zumindest ansatzweise mit ein. Schräder definiert das Phänomen sehr großzügig;64 er unterscheidet zunächst „Verknüpfungen zwischen mehreren Sinnesbereichen" und „Verknüpfungen zwischen einem Sinnesbereich und einem außersinnlichen Bereich". Zu letzterem gehört die Analogie von Sinneseindrücken und „einem Gefühl, einem abstrakten Begriff oder einem sonstigen, nicht ohne weiteres dem Bereich der Sinne zuzurechnenden Objekt, z.B. mit einem der vier Elemente der alten Naturlehre".65 Die „Verknüpfungen zwischen mehreren Sinnesbereichen" werden nochmals unterteilt: a) „Transponierend-identifizierender Typ": Hierher gehören die ,klassischen' Synästhesien, bei denen zwei oder mehr Sinnessphären gegeneinander vertauscht und somit identifiziert werden. Viele Linguisten (z.B. oben 1.3.8 zu St. Ulimann) lassen nur diesen Typ als Synästhesie gelten. - Schräder unterscheidet formal zwischen drei Möglichkeiten, wie dieser Typ der Synästhesie vorliegen kann: als Metapher, als Katachrese und als synästhetisches Zeugma. b) „Korrespondierender Typ": Hier geht es nicht um Identifikation und Ineinssetzung von Sinnessphären, sondern um Analogien; dazu gehören beispielsweise die Analogie von Farben und dem Klang von Vokalen in Rimbauds berühmtem Gedicht ,Voyelles': „A noir, Ε blanc, I rouge, U vert, Ο bleu, voyelles, Je dirai quelque jour vos naissances latentes."66 63

O'Malley 1957, 396f.

64

Für das Folgende vgl. Schräder 1969, 49-54.

65

Schräder 1969, 53.

66

Zitiert nach Ullmann 1957, 274. Als weiteres Beispiel sei das .Farbenklavier' von P. Louis Bertrand Castel genannt, vgl. Schräder 1969,19f. mit Anm. 51.

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25

c) „Summierender Typ": Durch die Zusammenfassung mehrerer Sinne wird eine Art von ,Gesamtwahrnehmung' evoziert, die nichts mit einer Vertauschung verschiedener Sinnessphären zu tun hat, sondern auf einer bloßen Addition verschiedener Wahrnehmungsformen beruht. Es erheben sich gewisse Bedenken dagegen, diesen letzten Fall in eine Abhandlung zur Synästhesie miteinzubeziehen.67 Ähnlich problematisch ist die Einordnung von „Verknüpfungen zwischen einem sinnlichen und einem außersinnlichen Bereich" unter die Synästhesien.68 Die sehr weite Definition erlaubt es, eine Vielzahl zum Teil recht disparater Einzeluntersuchungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Diese sind vor allem kulturgeschichtlich von großem Interesse (von der „unio mystica" über das „Paradies und sein(en) Vorgeschmack" bis hin zur „Harmonie der Welt und der Korrespondenz der Sinne"), und auf diesem Gebiet liegt das große Verdienst von Schräders Buch. 1.3.11 Charles Segal hat in einem 1977 erschienenen kurzen Aufsatz ,Synaesthesia in Sophocles' wichtige Ansätze zur Deutung synästhetischer Metaphorik für den Bereich der sophokleischen Tragödien geliefert. Dabei gelingt es ihm auch, einige von Stanford als weniger aussagekräftig eingeschätzte Synästhesien innerhalb ihres Kontextes als durchaus relevante, dramaturgisch effektive Elemente im verbalen Spiel des Autors zu erweisen.69 Unseres Wissens ist dies die erste Abhandlung, in der versucht wird, die Funktion synästhetischer Metaphorik aus dem jeweiligen Zusammenhang heraus zu erklären. Obwohl solche Untersuchungen - im Bereich der griechischen Dichtung - besonders fur Pindar oder Aischylos lohnend wären, ist anscheinend niemand Segais Beispiel gefolgt. 1.3.12 Besondere Erwähnung verdient die 2001 erschienene, umfangreiche Untersuchung ,Akroasis' von Günther W i l l e . Der Autor verzeichnet in einer eindrucksvollen Arbeitsleistung sämtliche Formen, in der der Gehörsinn in der klassischen griechischen Literatur - Dichtung wie Prosa - Erwähnung findet, und registriert auch die synästhetischen Verwendungen der entsprechenden Ausdrücke. Für Synästhesien in der 67

Ullmann (1957, 233) bezeichnet dies als „pseudo-synaesthesia" - ironischerweise benutzt er damit den gleichen Terminus, den die neurologische Forschung für die linguistische Synästhesie verwendet, s.o. Anm. 2. Kritik auch bei Hadermann 1992, 62f. 68 69

Vgl. Ullmann 1957, 225.

Segal 1977, 91 unter Verweis auf Stanford 1936, 51. Stanford hatte auch das aischyleische κτύπον όέόορκα als nicht sehr bemerkenswert eingestuft („unemphatic examples").

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26

griechischen Literatur, die den akustischen Bereich einbeziehen, stellt diese postum publizierte Arbeit70 die umfangreichste Materialsammlung dar. Damit soll dieser recht selektive Forschungsüberblick abgeschlossen werden.71 Auf dem Gebiet der Klassischen Philologie existieren neben den angeführten Untersuchungen nur noch einige Erwähnungen in Kommentaren, die mit mehr oder weniger umfangreichen Zitatennestern aufwarten. Die vorliegende Arbeit stellt die erste Untersuchung der synästhetischen Metapher in der römischen Dichtung dar.72

70

Ursprünglich eine Habilitationsschrift aus dem Jahr 1958.

71

Nicht einbezogen wurden eher kulturgeschichtlich orientierte Arbeiten, die sich mit den Sinnen und damit am Rande auch mit Synästhesien befassen; den neuesten, großangelegten Entwurf in diesem Bereich stellt Jütte 2000 (.Geschichte der Sinne. Von der Antike bis zum Cyberspace') dar. 72

Für die neuzeitliche Literatur ist die Forschungslage günstiger, vgl. neben den erwähnten Untersuchungen von Erika von Siebold, Stephen Ullmann und Ludwig Schräder v.a. die Arbeiten von Victor Segalen (,Les synesthesies et l'ecole symboliste', 1902), Walter Fleischer (.Synästhesie und Metapher in Verlaines Dichtungen', 1911), Svend Johansen (,Le Symbolisme', 1945), Glenn O'Malley (.Shelley and synesthesia', 1964), Bernhard Engelen (,Die Synästhesien in der Dichtung Eichendorffs', 1966), Sean Day (.Synesthesia and Synesthetic Metaphors', 1996, zu Thomas Manns .Buddenbrooks') und Petra Wanner-Meyer (.Quintett der Sinne. Synästhesie in der Lyrik des 19. Jahrhunderts', 1998).

2

Synästhesien als Metaphern 2.1

Vorbemerkung

Da sich unsere Untersuchungen ausschließlich der Synästhesie als einer Form der Metapher73 widmen werden, sollen im folgenden Kapitel einige theoretische Überlegungen zur Definition und Interpretation der Metapher angestellt werden. Dabei sieht man sich einer Fülle verschiedener Deutungen und Erklärungsansätze aus den unterschiedlichsten Disziplinen gegenüber,74 u.a. aus der Rhetorik, der sprachanalytischen Philosophie,75 der Semiotik und der kognitiven Psychologie. Eine erschöpfende Behandlung dieses Themas ist daher kaum möglich und wäre auch für unsere Zwecke nicht hilfreich. Wir meinen aber, daß in bisherigen Untersuchungen zur Metapher in antiken Texten zu selten Rechenschaft darüber abgelegt wird, nach welchen Kriterien die Identifizierung und Klassifizierung von Metaphern vorgenommen wurde. Für den Literaturwissenschaftler stellt sich vor allem die Frage, ob auch Metaphern, die in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind, in die Betrachtung einbezogen werden sollen. Gerade bei der Synästhesie fällt ja ins Auge, daß uns ihre Verwendung in der Dichtung oft bemerkenswert kühn vorkommt, daß aber gleichzeitig unsere alltägliche Sprache durchsetzt ist von synästhetischen Metaphern, die wir ganz selbstverständlich verwenden. Diesen Aspekten tragen nun die beiden zur Zeit wohl wirkungsmächtigsten Interpretationsmodelle für Metaphern, die Interaktionstheorie und die in der Kognitionswissenschaft begründete Meta-

73

Die Einordnung sprachlicher Synästhesien als Metaphern erfolgt mitunter mit einer gewissen Zurückhaltung, weil ein physiologischer .Hintergrund' angenommen wird, vgl. z.B. Kayser 1960, 127: „Von der Metapher her gewinnt man den leichtesten Zugang zu der sogenannten Synästhesie. Man versteht darunter die im sprachlichen Ausdruck vollzogene Verschmelzung mehrerer Sinnesempfindungen." Vgl. auch Gross 2002, 59f.: „Und wird einerseits die Metapher als trügerische Stiefschwester der tatsächlich erlebten Wahrnehmungssynästhesie abqualifiziert, läßt sich andererseits gerade auf literaturwissenschaftlicher Seite der Impuls diagnostizieren, sie als Repräsentation von Wahrnehmung zu legitimieren." 2

74 Sehr guter Überblick bei Biebuyck 1998, 19-99; Aufsatzsammlungen: Ortony (Hg.) 1993; Haverkamp (Hg.) 2 1996.

75 Für den Literaturwissenschaftler sind auf diesem Gebiet v.a. Strub 1991 und White 1996 interessant.

Synästhesien als Metaphern

28

phemtheorie George Lakoffs, jeweils in besonderer Weise Rechnung;76 sie sollen deshalb im folgenden vorgestellt und auf ihre Implikationen für unsere Aufgabe hin untersucht werden. Dabei verstehen sich unsere Ausführungen nicht nur als Darlegung der in dieser Arbeit verfolgten Prinzipien bei der Deutung von Synästhesien, sie sind auch als grundsätzliche Überlegungen zur Interpretation von Metaphern in der römischen Dichtung gedacht.

2.2

Synästhesien als ,kühne' Metaphern

Moderne Forschungen zur Metapher nehmen ihren Ausgang in der Regel von der Behauptung, die in der Antike formulierten Theorien seien unzureichend und würden dem Phänomen nicht gerecht. Gemeint sind die vor allem auf Aristoteles und Quintilian zurückgehenden sogenannten Vergleichs- und Substitutionstheorien: nach diesen ersetzt die Metapher einen eigentlichen' Begriff, mit dem sie über ein tertium comparationis in einem Analogieverhältnis steht.77 Diese Ansätze gelten u.a. deshalb als unangemessen, weil der Kontext der Metapher keine Berücksichtigung findet und komplexe Metaphern, die aus mehr als nur einem Wort bestehen, nicht angemessen beachtet werden.78 Auch ist die Bestimmung des .eigentlichen' Begriffes, der von der Metapher verdrängt wurde, häufig nicht möglich, oder aber die Reduktion der Metapher auf einen solchen Ausdruck verschleiert gerade das Besondere der Übertragung. Aus diesem Grund werden diesen traditionellen Ansätzen aus dem Bereich der antiken Rhetorik die im zwanzigsten Jahrhundert entwickelten sogenannten I n t e r a k t i o n s t h e o r i e n entgegengesetzt, die vor allem auf Ivor Α. Richards und Max Black zurückgehen und als die in der Literaturwissenschaft gegenwärtig konsensfahigste Deutung des Phänomens Metapher anzusehen sind. In Deutschland ist Harald W e i n r i c h der wichtigste Vertreter dieser Richtung; seine Forschungen haben auch die Terminologie entscheidend geprägt. Die Interaktionstheorie leistet eine 76

Wobei sie sich gegenseitig nicht sehr schätzen, vgl. Lakoff/Turner 1989, 110-136 über „traditional views" und im Gegenzug White 1996, 300 über George Lakoffs Metaphemdeutung: „I find such a way of talking, if not positively misleading, at the very least entirely unhelpful." 77

Die entscheidenden Texte sind Aristot. poet. 1457M-33. 1458al8-1459bl6; rhet. 1404b26-1405b20. 1406b5-1408a9. 1410bl3-1413b2; Cie. de orat. 3,155-170; Quint, inst. 8,6,4-16. Zu den antiken Texten über die Metapher vgl. Jürgensen 1968 sowie die Zusammenstellung bei Guidorizzi/Beta 2000. 78

Vgl. Kurz 1997, 8.

Synästhesien als Metaphern

29

stärker textpragmatisch orientierte Erklärung der Metapher. Ihr Kerngedanke läßt sich in dem Postulat zusammenfassen, daß eine Metapher nur in einem ganzen Satz als solche erkennbar sein kann und in einem wechselseitigen Beeinflussungsverhältnis zu ihrer Textumgebung steht, mit dieser also ,interagiert'. Dabei wird nach Richards das .eigentlich Gemeinte' als ,tenor' bezeichnet, das metaphorisch Ausgedrückte als ,vehicle'. Black und Weinrich differenzieren innerhalb des metaphorischen Satzes zwischen den Teilen, welche die Metapher bilden (Black: ,focus', Weinrich: ,Bildspender') und der nichtmetaphorischen .Umgebung' (Black: ,frame', Weinrich:,Bildempfänger'). 79 Weinrich erläutert seine Metapherndefinition am Beispiel von Verlaines Gedicht ,Votre äme est un paysage choisi ...': „Die Bedeutung eines Wortes (...) ist wesentlich eine bestimmte Determinationserwartung. Das Wort paysage setzt die Erwartung eines Kontextes, in dem wahrscheinlich weiter von Landschaftlichem die Rede sein wird. Statt dessen befindet sich bei Verlaine das Wort tatsächlich in einem Kontext, in dem von etwas ganz anderem die Rede ist, nämlich von Seelischem. Darin liegt die Überraschung. Die in der Wortbedeutung paysage angelegte Determinationserwartung wird enttäuscht. (...) Es entsteht ein Überraschungseffekt und eine Spannung zwischen der ursprünglichen Wortbedeutung und der nun vom Kontext erzwungenen unerwarteten Meinung. Wir wollen diesen Vorgang Konterdetermination nennen, weil die tatsächliche Determination des Kontextes gegen die Determinationserwartung des Wortes gerichtet ist. Mit diesem Begriff ist die Metapher definierbar als ein Wort in einem konterdeterminierenden Kontext."80 Will man nun Synästhesien mit Hilfe der Interaktionstheorie deuten, kann man auf den ebenfalls von Weinrich postulierten Zusammenhang zwischen 79 Die polare Struktur der Metapher hatte bereits Samuel Johnson als ihr Hauptmerkmal herausgestellt (zitiert nach Stanford 1936, 103): „As to metaphorical expression that is a great excellence in style for it gives you two ideas in one." Es muß betont werden, daß Richards' Terminologie mit der von Black und Weinrich nicht völlig deckungsgleich ist: Diese beziehen sich auf die s p r a c h l i c h e F o r m , Richards aber auf die zugrundeliegenden I d e e n der Metapher, also die „two ideas" bei Dr. Johnson. Vgl. Zymner 1993, 12 Anm. 27. Silk (1974, 10) ist sich dieser Unterscheidung zwar bewußt, verwendet,tenor' und .vehicle' aber - wie nicht wenige Interpreten nach ihm (z.B. Nünlist 1998, 2 Anm. 7) - auf der Ebene der .Wörter': „I intend to make use of Richards' main terms, tenor and vehicle, and to use them not as their maker meant them, but as referring to words." 80

Weinrich [1976], 319f.

Synästhesien als Metaphern

30

der ,Kühnheit' einer Metapher und der Kürze ihrer Bildspanne verweisen:81 Wenn man davon ausgeht, daß eine Metapher nichts anderes ist als die Setzung eines Wortes, das den gesamten Satz unlogisch macht (eine, um es mit dem Titel einer neueren Abhandlung zur Metapherntheorie zu sagen, „kalkulierte Absurdität"82), dann ist eine Metapher um so kühner, je mehr man den Widerspruch, der ihr innewohnt, wahrnimmt. Und dieser Widerspruch ist nun für Weinrich um so stärker, je näher sich Bildspender und Empfänger semantisch sind; er nennt dies „gefahrliche Nähe"83. Die weit hergeholte Metapher dagegen ist weniger kühn,84 weil man einen logischen Ausgleich des Widerspruchs gar nicht erst versucht sie ist zu absurd. Weinrich illustriert diese Theorie mit dem Beginn von Celans ,Todesfuge' „Schwarze Milch der Frühe ...": „Wenn sich eine Wortfügung mühelos mit der sinnlich erfahrbaren Realität in Einklang bringen läßt, nehmen wir sie ohne weiteres hin: weiße Milch. Wenn sich eine Wortfügung sehr weit von der sinnlich erfahrbaren Realität entfernt und sehr verschiedene Gegenstände verbindet, etwa Stoffliches und Geistiges, nehmen wir sie auch ohne Zögern hin: traurige Milch. (...) Wenn aber eine Wortfügung um ein geringes von den Erfahrungen der sinnlich erfahrbaren Realität abweicht, dann nehmen wir den Widerspruch stark wahr und empfinden die Metapher als kühn: schwarze Milch. Diese Metapher ist so kühn, (...) weil sie so gering abweicht."85 Ein synästhetisches Beispiel mag dies verdeutlichen. In dem berühmten Vers aus Sophokles' ,König Ödipus' τυφλός τά τ'ώτα τόν τε νοϋν τά τ' δμματ'ει (ν. 371) gibt es zwei Metaphern: .blind mit den Ohren' und ,blind mit dem Verstand'. Wenn Weinrichs Theorie zutrifft (was wir glauben), dann ist die Ohrenblindheit eine deutlich kühnere Metapher als die geistige Blindheit. Der νοϋς hat mit Sinneswahrnehmung nichts zu tun, die Ohren aber sind ein Sinnesorgan, nur eben gerade das falsche. 81

Weinrich [1976], 295-316. Unter .Bildspanne' (eine Übersetzung des von R. A. Sayce geprägten Begriffs .angle of an image') versteht Weinrich die .Entfernung' zwischen Bildspender und Bildempfanger, wobei er sich der Problematik dieser an der Vorstellung von der ,arbor Porphyriana' orientierten Annahme bewußt ist: „Die Versuchung ist groß zu sagen, daß auf diese Ontologien kein Verlaß ist. Und doch können wir uns gewisse Schichtungsvorstellungen aus unserm alltäglichen Weltverständnis und auch aus der naturwissenschaftlichen Systematik kaum fortdenken" (Weinrich [1976], 300). 82

Strub 1991.

83

Weinrich [1976], 303.

84

Irreführend Landfester 1997, 89!

85

Weinrich [1976], 305.

Synästhesien als Metaphern

31

Eine Bestätigung dafür findet sich in der bereits erwähnten Abhandlung Lobecks;86 dieser operiert ja ebenfalls mit dem Kriterium der ,contradictio'; nur ist diese für ihn eine Schwäche der Synästhesie, nicht ein Gradmesser für die Kühnheit der Metapher. Aber dieses Kriterium des Widerspruchs wird von ihm durchaus nicht konsequent angewandt: Die Wendung populo Romano vox et auctoritas consults ... in tantis tenebris inluxif7 erklärt er mit dem Hinweis „hoc lenius est quia inteijectum est auctoritas". Das ist zwar richtig, aber der Satz auctoritas inluxit enthält natürlich ebenfalls einen Widerspruch. Diesen nimmt man allerdings nicht so stark wahr wie die Synästhesie, weil es eine geläufigere Form der Übertragung mit großer Bildspanne ist, und so hat selbst ein so sehr auf das Erkennen sprachlicher Ungenauigkeiten konditionierter Grammatiker wie Lobeck hier keine ,contradictio' sehen wollen. Daß die Gleichsetzung von großer Bildspanne und kühner Metapher, gegen die Weinrich polemisiert, weit verbreitet ist, zeigt im übrigen sehr schön Ciceros Ansicht über kühne Metaphern im Orator (orat. 81 f.), wo die Metaphern gemmare vites, sitire agros, laetas esse segetes, luxuriosa frumenta als kühn bezeichnet werden (nihil horum parum audacter). Michael Silk nennt diese Charakterisierung angesichts von Ciceros gleichzeitigem Verweis auf die Geläufigkeit dieser Wendungen .grotesk';88 für Cicero war aber offenkundig die Geläufigkeit einer Metapher überhaupt kein Kriterium für ihre audacia\ für ihn ist vielmehr das ,Weithergeholte' der Metaphern, also ihre große Bildspanne, entscheidend für ihre Charakterisierung als kühn. Weinrichs Überlegungen sind nicht unwidersprochen geblieben. Tatsächlich sind die Beispiele, mit denen er die Geläufigkeit und geringe Kühnheit von Metaphern mit großer Bildspanne illustriert, nicht ganz redlich, denn er zitiert als Belege fast ausschließlich verblaßte Metaphern.89 Und natürlich gibt es tatsächlich auch Metaphern mit großer Bildspanne, die wir als kühn empfinden.90 86 87

Lobeck 1846; s.o. S. 17.

Cie. agr. 1,24 (dort heißt es: ... cum populo Romano vox et auctoritas repente in tantis tenebris illuxerit...); Lobeck 1846, 340.

consults

88

Silk 1996, 966: „... which Cicero says was current among rural speakers in his own time, yet himself grotesquely calls ,bold metaphor'." 89

Beispiele bei Weinrich [1976], 300: „... sprechen wir ganz geläufig vom Redefluß, vom Gedächtniseindruck und vom Licht der Wahrheit." 90

Vgl. Friedrich 1984, 635: „Dantes berühmte Metapher vom .Blasebalg der Seufzer' (mantaco de sospiri, Purgatorio XV, 51) verdankt ihre Kühnheitswirkung der Feme zwischen .Seufzer' und .Blasebalg'..."

32

Synästhesien als Metaphern

Dennoch liefert Weinrichs Theorie der kühnen Metapher einen wichtigen Grund, warum uns Synästhesien auffallen: Ihre Bildspanne ist geringer als bei den Übertragungen, die den Bereich der Sinnessphäre verlassen. Die geläufige Übertragungsrichtung ist die vom Sinnlichen zum Nichtsinnlichen; dies hängt mit einer ganz ursprünglichen Funktion der Metapher zusammen: Sie soll veranschaulichen, was man mit den Sinnen nicht wahrnehmen kann. Metaphern, bei denen der Bildspender aus dem Bereich der Sinneswahrnehmung kommt, sind deshalb sehr häufig. Gustative Metaphern beispielsweise zur Bezeichnung subjektiver, emotionaler Beurteilung sind ganz geläufig: ,süß' für angenehm und ,bitter' für unangenehm kann in Metaphern mit enorm großer Bildspanne eingebunden sein, ohne daß wir einen starken logischen Widerspruch empfinden, und ähnliches gilt auch für die anderen Sinnessphären. Eine .bittere Erfahrung' finden wir nicht besonders kühn; eine ,bittere Farbe' schon eher. Hier ist die Bildspanne geringer, Bildspender und Bildempfanger befinden sich gleichsam in unmittelbarer Nachbarschaft, nämlich im Bereich der Sinneswahrnehmung: Das läßt sie uns auffallen. Daß die Theorie der kühnen Metapher im allgemeinen nicht zur Erklärung der Synästhesie herangezogen wird, hängt damit zusammen, daß Weinrich selbst die Synästhesie nicht unter die kühnen Metaphern rechnet: Für ihn ist vor allem die Metapher kühn, die in einem Sinnesbereich verbleibt.91 Und man wird zugeben, daß in diesen Fällen die Widersprüchlichkeit ganz besonders stark empfunden wird (falls nicht eine verblaßte Metapher vorliegt).92 Dennoch fühlen wir uns berechtigt, auch für die Synästhesie einen besonderen Status als kühne Metapher anzunehmen und sie insbesondere von den Metaphern abzugrenzen, die Außersinnliches miteinbeziehen.93 91

Weinrich [1976], 303f. wird in Rimbauds Prosagedicht .Metropolitain' die Synästhesie „les parfums pourpres" zwar erwähnt, die Aufmerksamkeit des Interpreten gilt aber der Metapher „les levres vertes". Die kühnste vorstellbare Metapher ist für Weinrich ganz folgerichtig die contradictio in adiecto: Weinrich [1976], 306-310. 92

Als Beispiel aus der antiken Literatur kann Sapphos berühmte Beschreibung des Eros als .bittersüßes Tier' (frg. 130 "Ερως ... γλυκύπικρον άμάχανον δρπετον) dienen oder auch Verg. Aen. 7,456f.: sie ejfata facem iuveni coniecit et atro / lumine fumantis fixit sub pectore taedas. Die Qualifizierung von Licht mit einem Helligkeitsgrad ist grundsätzlich sehr gut verträglich: nur eben nicht mit diesem Helligkeitsgrad. - Im System der klassischen Rhetorik werden diese Metaphern häufig als .Oxymoron' bezeichnet, vgl. Lausberg 1960, § 807; Bell 1923, 386-393 bietet unter der Kapitelüberschrift „Oxymoron" als Beispiele neben Fällen von contradictio in adiecto auch einige Synästhesien. 93 Diese werden von Gross 2002, 62 Anm. 14 als „Wahmehmungsmetaphem" bezeichnet. - Unsere Auffassung widerspricht damit der Tendenz, die Theorie Weinrichs dahingehend zu modifizieren, daß die Bildspanne und damit die Kühnheit von Metaphern

Synästhesien als Metaphern

2.3

33

Synästhesien als ,kognitive' Metaphern

Harald Weinrich hat noch in anderer Hinsicht terminologiebildend gewirkt, nämlich bei der sachlichen Klassifizierung von Metaphern nach ihren Bildspendern und -empfängern. Für solche Zusammenstellungen hat er den Begriff des B i l d f e l d e s entwickelt: „Im Maße, wie das Einzelwort in der Sprache keine isolierte Existenz hat, gehört auch die Einzelmetapher in den Zusammenhang ihres Bildfeldes. Sie ist eine Stelle im Bildfeld. ... In der aktualen und scheinbar punktuellen Metapher vollzieht sich in Wirklichkeit die Koppelung zweier sprachlicher Sinnbezirke. ... Entscheidend ist ..., daß zwei sprachliche Sinnbezirke durch einen sprachlichen Akt gekoppelt und analog gesetzt worden sind."94 Mit einem solchen Prinzip von ,Metaphernklassen' operiert auch ein Deutungskonzept, das deren Rolle für die Struktur unseres Denkens hervorhebt und deshalb die Verwendung ganz alltäglicher Metaphern in unserer Sprache untersucht; die zentrale Studie dieser Forschungsrichtung hat den bezeichnenden Titel .Metaphors we live by' 95 . Dieser Ansatz hat vor allem in der angelsächsischen Linguistik großen, mittlerweile vielleicht den von allen zeitgenössischen Metapherntheorien größten Einfluß.96 Gemeint ist die in Nachbarschaft zur Kognitionswissenschaft97 von George L a k o f f und seinen Mitarbeitern98 entwickelte Metapherntheorie, die davon ausgeht, daß unser Denken (unser .conceptual system') in hohem Grade metaphorisch strukturiert ist. Entsprechend bezeichnen sie nicht nur die konkrete sprachliche Form als Metapher, sondern auch das

nicht als graduell unterschiedlich angesehen wird, sondern eine grundsätzliche kategoriale Unterscheidung möglich ist, vgl. z.B. Strub 1991, 140: „Man muß sich ... von der Vorstellung einer graduellen Bildspannenerweiterung/-verengung und damit von Graden der Kühnheit der Metapher freimachen. Zwischen ,kühn' und .nichtkühn' ist dann vielmehr ein prinzipieller Unterschied (nämlich der zwischen Denkbarkeit und Nichtdenkbarkeit) festzumachen." 94

Weinrich [1976], 283.

95

Lakoff/Johnson 1980.

96

Vgl. die Prominenz dieser Theorie in neueren Abrissen der Literaturtheorie, z.B. Crystal (Hg.) 1994, s.v. metaphor: Die dort gegebene Definition ist nahezu wörtlich aus Lakoff/Johnson entnommen.

1989.

97

Vgl. Steen 1991, 3: „the .cognitive turn' in metaphorology".

98

V.a. Mark Johnson und Mark Turner, siehe Lakoff/Johnson 1980; Lakoff/Turner

Synästhesien als Metaphern

34

,Denkkonzept', dem diese Form angehört. Die Definition, die in .Metaphors we live by' fur die Metapher gegeben wird, lautet: „The essence of metaphor is understanding and experiencing one kind of thing in terms of another."99 Die Weinrich'sehen Bildfelder sind also bei Lakoff kognitiv ,aufgewertet', da sie nicht nur ein Klassifizierungsschema für Metaphern bilden, sondern ihnen eine Eigendynamik in unserem konzeptionellen System zugesprochen wird: Wir denken in solchen Metaphern und können uns in vielen Bereichen gar nicht von ihnen lösen.100 Die von Lakoff ausgemachten Metaphern sind dabei häufig sehr simpel. Sie bezeichnen z.B. einfache Orientierungen im Raum:101 MORE IS UP, CONTROL IS UP102 usw.; in diese ,Metaphern' werden dann ganz vertraute Wendungen wie (ins Deutsche übersetzt) .steigende Preise' und .Unterdrückung' eingeordnet. Andere Beispiele für solche Metaphernkonzepte sind A LIFETIME IS A DAY und ARGUMENT IS WAR103 mit Realisierungen wie .Lebensabend' und .Redeschlacht'. Ein wichtiger Aspekt der Theorie Lakoffs ist dabei die Kohärenz von Metaphernkonzepten innerhalb einer Kultur. MORE IS UP und GOOD IS UP beispielsweise sind kohärent zu MORE IS BETTER.104 Lakoffs Theorie bietet eine Möglichkeit, die linguistische und psychologische Seite der Synästhesieforschung miteinander zu versöhnen, indem man die alltagssprachlichen Erscheinungsformen des Phänomens als Ausdruck kognitiver Strukturen ansieht.105 Einige der ursprünglichen metaphorischen Konzepte unserer Kultur sind synästhetisch; so erklären sich die .synästhetischen Reihen' und ,Ursynästhesien', wie sie z.B. bei Wellek und Kronasser verzeichnet sind. Nur gilt für Lakoff derselbe Vorwurf, den 99

Lakoff/Johnson 1980, 5.

100

Diese kohärenten Metaphernkonzepte können dann zu universalen .Weltkonzepten' innerhalb einer Kultur werden, vgl. Lakoff/Turner 1989, 160-213: „the great chain of being". 101 Vgl. Lakoff/Johnson 1980, 17: „Most of our fundamental concepts are organized in terms of one or more spatialization metaphors." 102 Die Schreibweise der Metaphernkonzepte in Majuskeln ist typisch fur die Autoren der,Lakoff-Schule'. 103

Lakoff/Turner 1989, 6; Lakoff/Johnson 1980, 4.

104

Lakoff/Johnson 1980, 87-96. Vgl. das Bauhaus-Motto .Weniger ist mehr', das einerseits das Metaphernkonzept MORE IS BETTER voraussetzt, es andererseits aber revolutionär überwindet. 105

Synästhetische Lakoff-Metaphern sind z.B. LIGHT IS A SUBSTANCE, NIGHT IS A

COVER und SEEING IS TOUCHING ( L a k o f f / T u m e r 1989, 223f.).

35

Synästhesien als Metaphern

sich auch seine Vorgänger gefallen lassen müssen, daß nämlich dieser Zugang spekulativ ist. Tatsächlich ist von wenigen der von Lakoff ausgemachten Metaphern beweisbar, daß sie Ausdruck unseres konzeptionellen Systems sind.106 Bei der Beurteilung nicht-zeitgenössischen Sprachgebrauchs bewegt man sich dabei erst recht auf dem Boden bloßer Vermutungen.107 Im übrigen liegt aus dieser , Schule' auch eine Untersuchung zur poetischen Metapher vor,108 wobei diese (folgerichtig) als eine Erweiterung der konventionellen Metapher angesehen wird: „poetic thought uses the mechanisms of everyday thought, but it extends them, elaborates them, and combines them in ways that go beyond the ordinary."109 Damit ist aber wie bei der Interaktionstheorie die Unterscheidung zwischen etablierter und ungewöhnlicher Metapher in den Blick genommen, freilich mit einem Primat der etablierten Metaphorik, auf die die elaborierte poetische Metapher reduziert werden kann.

2.4

Folgerungen und Thesen

2.4.1 In den beiden hier behandelten Metapherntheorien manifestiert sich das Problem der grundlegenden Unterscheidung zwischen synchroner und diachroner Sprachbetrachtung."0 Wer synchron analysiert, für den existie106 Vgl. Glucksberg/McGlone 1999, die experimentell nachweisen, daß beispielsweise der Satz ,Our love is a voyage to the bottom of the sea' nicht, wie von Lakoff postuliert, zur Metapher ,Love is a journey' gehört; ähnliche Kritik an Lakoff bei Steen 1994, 9f. Fundierter sind die Untersuchungen auf experimenteller Basis von Lawrence Marks (1978. 1982. 1990). - Ein hier nicht weiter zu verfolgender Aspekt der experimentellen Untersuchung von Synästhesien ist die von Charles Osgood begründete linguistische Assoziationsforschung; für die Analyse synästhetischer Metaphern wird sie herangezogen in Abraham 1998, 283-288. 107

Uns ist nur eine Untersuchung zur lateinischen Metapher auf der Basis der Lakoff sehen Theorie bekannt: Francisco Garcia Jurado / Rosario Lopez Gregoris, Las ,metäforas de la vida cotidiana' en el lenguaje plautino, Studi Italiani di filologia classica 13, 1995,233-245. 108 Lakoff/Turner 1989 (,More than cool reason'); Lakoff/Johnson 1980 bezog sich nur auf die Alltagssprache. 109 Lakoff/Turner 1989, 67; die traditionelle Literaturtheorie würde in diesem Satz statt von „thought" eher von „language" reden. 110 Vgl. Strub 1991, 246f. - Lakoff würde natürlich bestreiten, Metaphernforschungen auf einer diachron-historischen Perspektive beruhen.

daß

seine

Synästhesien als Metaphern

36

ren als Metaphern nur die lebendigen', ,neuen', vom .normalen' Sprachgebrauch abweichenden Metaphern."1 Demgegenüber hat, wer eine diachrone Perspektive einnimmt, die zurückliegende Sprachgeschichte im Blick und damit auch die abgesunkenen', ,lexikalisierten"12 und ,toten' Metaphern. Interaktionstheorien fußen sinnvollerweise auf synchroner Sprachbetrachtung: Einen Widerspruch spürt man nur bei ,neuen' Metaphern. Allerdings lassen sich im großen Bereich der sprachlichen Phänomene, die im weitesten Sinne als Metaphern bezeichnet werden können, zwei Trennlinien ausmachen: Neben den ,neuen', vom normalen Sprachgebrauch abweichenden gibt es Metaphern, die zwar verblaßt sind, aber dennoch, wenn man sie in den Blick nimmt, wieder als Übertragungen erkennbar werden. .Elektrischer Strom', .Lebensabend', .Augenweide' sind solche Beispiele: Wir können uns sehr leicht der Tatsache bewußt werden, daß diese Wendungen ursprünglich Metaphern waren;" 3 sie machen das Hauptforschungsgebiet der ,Lakoff-Schule' aus. Daneben gibt es aber Begriffe, die nur noch dem Sprachhistoriker als Übertragung auffallen, während der ,Normalsprecher' an ihnen nichts Metaphorisches finden kann. Nur diese würde Lakoff als tote Metaphern bezeichnen."4 Wenn eben von ,Trennlinien' die Rede war, so ist das nicht im strikten Sinne zu verstehen: Viele Metaphern befinden sich in .Übergangszonen' zwischen den einzelnen Bereichen, werden auch von verschiedenen Angehörigen einer Sprachgemeinschaft unterschiedlich aufgefaßt. Aber, wie häufig, gilt auch hier, daß die Schwierigkeit, genaue Grenzlinien zwischen den Kategorien zu ziehen, nicht die Berechtigung der Kategorisierung an sich in Frage stellt. 111

Strub 1991, 247 spricht vom „metaphorische(n) Abweichungsbewußtsein des Sprechers". 112

Der in diesem Zusammenhang häufig gebrauchte Begriff der .lexikalisierten' Metapher impliziert natürlich nicht Wörterbücher wie OLD oder ThlL, sondern ein .Lexikon des geläufigen Sprachgebrauchs'. 113 Vgl. Kayser 1960, 125f.: „Der Glaube an die Sicherheit der sprachlichbegrifflichen Festlegung und an die Möglichkeit eines .eigentlichen' Sprechens überhaupt steht ja auf sehr schwachen Füßen. In unserer alltäglichsten Sprache erweisen sich nicht selten die .eigentlichen' Bezeichnungen als .übertragen', und das gleiche geschieht sogar in der wissenschaftlichen Sprache, die unter dem Stilgesetz der Eindeutigkeit steht." 114

Kurz 1997, 12 nennt „Zweck" (ursprünglich der Nagel in der Zielscheibe), Lakoff/Tumer (1989, 129) haben „Pedigree" (von altfrz. pied de grue = Kranichfuß) als Beispiel. - Einer irritierend großzügigen Metaphernauffassung folgt Paul McKendrick, der in seinem Handbuch zu Ciceros Reden u.a. atrox als visuelle Metapher von ater sowie Studium und vectigal als taktile Metaphern von tundere und vehi ableitet und diese mehr als toten Metaphern in einer abschließenden Statistik zusammenfaßt (McKendrick 1995, 15.451).

Synästhesien als Metaphern

37

2.4.2 Eine synchrone Sprachbetrachtung muß häufig Wortbedeutungen zugrundelegen, die sich bei diachroner Untersuchung als fehlerhaft herausstellen. Als Beispiel kann man die bereits zitierte" 5 Stelle aus Ciceros Orator anfuhren: Natürlich wissen wir heute, daß gemmare seinen Ursprung in eben der von Cicero zitierten .rustikalen' Verwendung hat und erst später auf Edelsteine u.ä. übertragen wurde; das gleiche gilt für die laetae segetes. Wie die Cicero-Stelle aber belegt, ist die Kenntnis dieses Sachverhalts im ersten Jahrhundert v. Chr. nicht verbreitet (man wird wohl kaum an eine zufallige Bildungslücke gerade Ciceros denken wollen). Eine Beurteilung dieser Metapher muß daher die etymologisch richtige Grundbedeutung ignorieren.116 2.4.3 Für den Bereich der antiken Literatur ist es ohne Frage einfacher, einen diachronen Standpunkt einzunehmen und jede Verwendung eines Wortes als , Metapher' aufzufassen, die von einer sinnlich-konkreten, als .ursprünglich' empfundenen .Grundbedeutung' abweicht.117 Dennoch sei hier für die Einbeziehung einer synchronen, an der Interaktionstheorie orientierten Auffassung plädiert: Es ist eine nicht zu vernachlässigende Frage, ob eine Metapher vom antiken Leser als neu oder als konventionalisiert wahrgenommen (bzw. gerade nicht wahrgenommen) wurde. Daß diese Unterscheidung in Untersuchungen zur antiken Metapher selten vorgenommen wird,118 hängt offenbar mit der Schwierigkeit zusammen, für zurückliegende Epochen die Ebene der .Normalsprache' zu rekonstruieren.119 Man kann sich aber, wenn man den .Status' einer Metapher in der römischen Dichtung beurteilen will, mit der Heranziehung von Texten behelfen, die noch am ehesten diese normale Sprachebene repräsentieren. Dies sind vor allem Prosatexte, und hier hauptsächlich solche, die einem 115

Oben S. 31.

116

Zu laetus vgl. Lausberg 1960, 289 Anm. 2 und Coleman 1999, 68; siehe auch Stanford 1936, 52 zu λευκή φωνή: „... it is pertinent to remember that while (...) IndoEuropean derivatives may persuade the modern etymologist that λευκή φωνή is not a metaphor at all, yet Demetrius, a learned Greek of the 4th century B.C., considered that λευκή φωνή was an especially unusual kind of metaphor." - Zur Notwendigkeit einer rein synchronischen Sprachbetrachtung vgl. neben Ullmann 1957, 278 die Arbeit von Baumgärtner (1969, lf.); vgl. auch U. Suerbaums 6. These (in: Bochumer Diskussion 1968, 102): „Die Einbeziehung der metaphorischen Ursprünge eigentlicher Ausdrücke verzerrt die Metaphorologie ebenso, wie die Etymologie lange die Bedeutungslehre verzerrt hat." 117

Etwa so, wie der ThlL bei seiner Unterscheidung zwischen ,proprie' und ,translate7,metaphorice' verfährt. 118

Eine Ausnahme stellen Silk 1974 und 1996 dar; vgl. Silk 1974, 27-56: „Dead metaphor and normal usage". 119

Vgl. Maurach 1989, 9f. zur „Normalerwartung".

Synästhesien als Metaphern

38

Stilideal der , Schlichtheit' folgen und eine gewisse Metaphernfeindlichkeit aufweisen.120 Wenn also eine Wendung in der Dichtung und in einem annähernd gleichzeitig verfaßten121 ,Vergleichstext' in identischer Form vorkommt, spricht viel dafür, daß eine lexikalisierte Metapher122 vorliegt. 2.4.4 Aus den gerade angeführten Prinzipien erwächst offenkundig ein gewisser Schematismus, der dem vielschichtigen Prozeß, der der ästhetischen Wirkung von Metaphern zugrundeliegt, nicht gerecht wird. Eine Metapher beispielsweise, die zur Tradition p o e t i s c h e r D i k t i o n gehört, ist weder ,neu' noch ,lexikalisiert': Der Rezipient kennt die Metapher nicht aus seiner alltäglichen Sprachverwendung, wohl aber aus seiner Lektüre; man spricht in diesem Fall von einem Klischee. Aber auch hier ist zu beachten, daß eine Veränderung der Form der Metapher diese wieder verlebendigt.123 2.4.5 „Identische Form" (oben 2.4.3) ist wörtlich zu verstehen: Eine Metapher , stirbt' immer nur in bestimmten Wendungen, und bereits eine geringfügige Veränderung ihrer Form Reaktiviert' die ursprüngliche 120

Vgl. bei Cicero die Markierung von .neuen' Metaphern durch Wendungen wie quasi, ut ita dicam etc. Besonders günstig sind die den sermo familiaris bzw. sermo cottidianus recht gut repräsentierenden Briefe Ciceros; aber auch Terenz kann als Folie für die Beurteilung der .Lebendigkeit' einer Metapher herangezogen werden, vgl. Fantham 1972,4-6. 121

Dabei kann der Begriff „gleichzeitig" durchaus großzügig gehandhabt werden, vgl. „assumption 6" bei Silk 1974, 35. Hier kann auch an Frank Goodyears Kritik an der Beschränkung des Materials im OLD auf die Zeit bis ca. 200 n. Chr. erinnert werden: Es sei unwahrscheinlich, daß in späteren Zeiten ganz alltägliche Gegenstände anders benannt worden seien als vorher, und wenn eine solche Bezeichnung zum ersten Mal in einem späteren Text auftauche, müsse sie von jemand, der ,das Latein' bis zum Jahr 200 in einem Lexikon bieten wolle, auch berücksichtigt werden (vgl. Goodyear 1983). Dies gilt auch für einen Teil des von uns untersuchten Vokabulars, z.B. bei den Geschmackskategorien: Auch hier darf davon ausgegangen werden, daß die verwendeten Adjektive eher zählebig sind, und selbst wenn z.B. der ältere Plinius unser erster Prosabeleg für eine Verwendung bei Vergil sein sollte, kann noch eine lexikalisierte Metapher angenommen werden. 122

Daß in der vorliegenden Arbeit von lexikalisierten .Metaphern' gesprochen wird, widerspricht zwar der Interaktionstheorie (für die diese ja keine Metaphern sind), deckt sich aber mit dem allgemeinen Sprachgebrauch. 123

Die Einbeziehung der Tradition der Dichtersprache stellt natürlich ein Element diachroner Sprachbetrachtung dar. Vgl. auch Maurach 1989, 10: „der Leser von Dichtung vergleicht die Sprache des gedichteten Textes nicht allein mit der Gemeinsprache oder Gewohnheitsprosa, sondern auch mit dem, was man die .poetische Koine' nennen kann: wer ein Buch mit Versen aufrollte, wußte, daß er eine verschönte und erschwerte Sprache antreffen wird; er besaß ein ungefähres Vorwissen von dem, was in Gedichtetem möglich war. Und auch dieses ist die Vergleichsmasse, an der Abweichungen zu messen sind".

Synästhesien als Metaphern

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Wirkung als .Abweichung'. Dabei erkennen Dichter den ursprünglichen Gehalt verschütteter und toter Metaphern besonders gut und können ihn mit bestimmten poetischen Techniken .reaktivieren'.124 Solche Veränderungen und Revitalisierungen gesunkener, lexikalisierter Metaphern stellen ein zentrales Element poetischer Metaphorik dar. Mögliche Techniken125 sind z.B. fur die Wiederbelebung von .schreiende Farben':126 a) veränderte syntaktische Struktur: .Die Farbe schreit.' b) Erweiterung: .laut schreiende Farben' c) veränderte Wortwahl, Synonyme: .brüllende Farben' d) Nachbarschaft zu einer lebendigen Metapher: .Schreiende Farben dröhnen im Ohr.' e) Zwei tote Metaphern können sich gegenseitig reaktivieren;127 hier ist allerdings Skepsis angebracht, wieweit man davon ausgehen darf, daß auch ein antiker Leser es wahrnahm, wenn zwei wirklich lexikalisierte Metaphern aufeinandertreffen. Im Deutschen z.B. können sich in der Wendung .ein schreiendes Knallrot' die beiden akustischen Elemente kaum als solche ins Bewußtsein heben; es müssen schon weitere der gerade aufgezählten Elemente hinzukommen.128 Natürlich haben die Resultate dieser Techniken eine andere Wirkung als ,neue' Metaphern. Sie erreichen eher, daß man sich des metaphorischen Ursprungs etablierten Sprachgebrauchs wieder bewußt wird, als daß sie eine ästhetisch wirksame Spannung erzeugen könnten. 2.4.6 Ein weitere Möglichkeit, die bei der Beurteilung einer Metapher in Betracht gezogen werden muß, ist die der L e h n ü b e r t r a g u n g (.Calque', .Kalkierung'); an der Kühnheit der Metapher ändert dieser Fall allerdings 124

Vgl. Ulrich Suerbaums 10. These in der Bochumer Diskussion 1968, 102: „Die Funktion der Poesie für das sprachliche Gesamtsystem besteht nicht nur darin, daß sie die Erkenntnismöglichkeit der metaphorischen Analogie voll ausnutzt, sondern auch darin, daß sie die Uneigentlichkeit der metaphorischen Aussage bewahrt, indem sie Metaphern nicht absinken läßt bzw. abgesunkene Metaphern der Normalsprache remetaphorisiert." 125

Gerlinde Huber-Rebenich analysiert diese Techniken in Bezug auf das Bildfeld .Liebe ist Feuer' in Ovids Metamorphosen (Huber-Rebenich 1994, 129-136). 126

Das gleiche Beispiel auch bei Nünlist 1998, 7.

127

Vgl. Silk 1974, 243f.: „2N = VI"; gemeint ist, daß zwei .neutrale', also sowohl metaphorisch als auch nicht-metaphorisch auffaßbare Elemente (d.h. verblaßte Metaphern), zusammengenommen soviel Aufmerksamkeit auf ihre metaphorische Herkunft lenken können, daß sie zu einem .vehicle' werden. 128

Ein Beispiel aus Lukrez: Es wäre womöglich übersensibel, im Proöm des zweiten Buches nach dem mehrmaligen Auftauchen von suave und dulcis (v. 1, 4, 6, 7) im darauf folgenden (v. 8) sapientum templa die ursprüngliche gustative Bedeutung von sapiens reaktiviert sehen zu wollen.

Synästhesien als Metaphern

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nichts: Eine Wendung, die im Lateinischen nicht beheimatet ist, wird nicht durch die Erklärung ihrer Herkunft als Lehnübersetzung idiomatisiert. Natürlich ist die ästhetische Wirkung komplexer, wenn der Rezipient um die Herkunft der Wendung weiß. 2.4.7 Einen Sonderfall stellt die Enallage dar. Man wird sie zunächst schwerlich als Metapher auffassen wollen: Es geht zwar auch hier um einen .Widerspruch', um ein Wort,129 das nicht der Determinationserwartung des Kontextes entspricht, aber dieses Wort ist im gleichen Satz an anderer Stelle (allerdings in veränderter Flexionsform) gefordert, und somit löst sich die aufgebaute Spannung nicht wie bei der Metapher durch den Versuch, die widersprüchlichen Begriffe durch Analogiebildung130 und Auslotung ihrer semantischen Felder in irgendeine Form von , Einklang' zu bringen, sondern in einer bloßen Verschiebung von Bezugswörtem und Umgruppierung der Syntax. Auf der anderen Seite läßt sich häufig nicht genau bestimmen, ob eine Enallage oder eine Metapher vorliegt, d.h. auf welche Weise die semantische Unverträglichkeit zu dekodieren ist. Man könnte überspitzt sagen, daß die Charakterisierung als Enallage bereits die Interpretation einer sprachlichen Erscheinung darstellt, die sich bei unbefangener Betrachtung zunächst als Metapher präsentierte.131 2.4.8 Vor dem Hintergrund der Interaktionstheorie ist auch eine Deutung des synästhetischen Zeugmas als einer besonderen Form der Metapher möglich. Schräder hatte das Zeugma als eine der drei Formen seines identifizierenden Typs' ausgemacht132, für Lobeck war es ein wichtiges 129

Metaphern müssen sich natürlich nicht auf einzelne Wörter beschränken.

130

Der Begriff der Analogie ist nur bei der Definition der Metapher problematisch, nicht bei der Beschreibung ihrer ästhetischen Wirkung bzw. ihrer Dekodierung. Er ergibt sich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit aus der polaren Struktur des metaphorischen Satzes: Der Leser wird immer ein Analogieverhältnis zwischen tenor und vehicle konstruieren. 131

Das gleiche gilt für die .Auflösung' des Widerspruchs durch vermeintlich naheliegende gedankliche Ergänzungen. Vgl. Maurach 1989, 155f., wo zu Stat. Theb. 3,176 (inspexit gemitus) angemerkt wird „... liegt keine Synästhesie vor, sondern lediglich die Ersetzung von labores pugnae gemitus efficientes durch gemitus allein." Dies mag stimmen oder auch nicht, aber es ist für uns kein hinreichender Grund, solche Stellen von vornherein auszuschließen; wir würden auch hier Maurachs Erläuterung bereits als eine Interpretation der Metapher ansehen. Vgl. auch Schräder 1969, 80 Anm. 78 zu „verde aroma" bei Calderön: „Freunde der rhetorischen Terminologie würden hier vielleicht von einer Hypallage sprechen: grüner Duft statt: Duft grüner Pflanzen. Das schließt die Bezeichnung dieser Formulierung als identifizierende Synästhesie nicht aus." 132

Schräder 1969, 50.

Synästhesien als Metaphern

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Argument für die ,Abmilderung' des Widerspruchs.133 Da die klassische Rhetorik bei der Verwendung des Terminus .Zeugma' nicht eindeutig verfahrt,134 sei hier an die Behandlung in Lausbergs Handbuch angeknüpft;135 die für die Synästhesie relevanten Fälle werden unter §§ 705-708 behandelt („semantisch kompliziertes Zeugma"); der entsprechende Text, der sich nicht leicht erschließt, lautet (§705): „Das semantisch komplizierte Zeugma besteht in der klammerartig (nicht unbedingt syntaktisch) übergeordneten Zuordnung eines Satzteils zu mehreren einander syntaktisch koordinierten Satzteilen, von denen einer semantisch zu dem klammerartig übergeordneten Satzteil nicht so paßt wie die ihm syntaktisch koordinierten anderen Satzteile. Das semantische Zeugma kommt in zwei Ausbeutungsvarianten vor: in einer Variante ohne beabsichtigte Ausbeutung (...) und in einer Variante mit beabsichtigter Ausbeutung (...) (§ 707) [Diese] besteht darin, daß die semantische Spannung des weniger passenden Bestandteils mit den anderen Bestandteilen zur ,Interessantmachung' der sprachlichen Äußerung ausgebeutet wird. Der weniger passende Bestandteil wirkt überraschend." Bei den Beispielen fiir „beabsichtigte semantische Ausbeutung" findet sich auch eine Synästhesie: manus ac supplices voces ad Tiberium tendens (Tac. ann. 2,29). Die Schlüsselbegriffe der Lausbergschen Definition („semantische Spannung", „Interessantmachung", „überraschend") weisen bereits eine gewisse Affinität zur hier vertretenen Metaphernauffassung auf. Man kann nun das Zeugma als eine komplexe Metapher beschreiben, wobei der .verklammernde' Teil sowohl den Bildspender bildet als auch zum Bildempfanger gehört und so zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung schillert. Auf das Tacitus-Beispiel übertragen heißt das: supplices voces ist Bildempfanger, tendens ist in der Verbindung mit voces Bildspender (und damit der eigentliche ,Kern' der Metapher), wobei die Verbindung mit manus die wörtliche Bedeutung von tendere so stark aktiviert, daß die Kombination mit der Stimme besonders kühn wirken

133

Vgl. oben Anm. 29.

134

Vor allem die Abgrenzung zur Syllepse ist bisweilen unscharf; in der vorliegenden Untersuchung sei unter Syllepse das .Einsparen' eines Wortes verstanden, das im Satz bereits in identischer Form vorkommt, das aber in einer anderen B e d e u t u n g gefordert ist. Vgl. Maurach 1995, 93 (nach einer Skizzierung der verschiedenen Definitionen von Zeugma und Syllepse bei den antiken Grammatikern): „Angesichts dieser Differenzen scheinen die Namen frei verfugbar.". 135

Lausberg 1960.

Synästhesien als Metaphern

42

muß; ad Tiberium ist ,neutrales' Element der Interaktion.136 Das ac ist dabei gleichsam das Gelenk, das bei tendens zwischen der mit manus verbundenen eigentlichen' und der mit voces verbundenen übertragenen Bedeutung hin und herschaltet. 2.4.9 Mitunter wird man synästhetische Metaphern auch (bzw. eher) als P e r s o n i f i z i e r u n g bezeichnen wollen - beispielsweise wenn etwas, das sichtbar, aber nicht hörbar ist, als .sprechend' wahrgenommen wird. Dies ist aber lediglich eine Frage der Klassifizierung (und ebenfalls, wie bei der Enallage, bereits eine Deutung der Metapher).137

136 Zu .neutralen' Elementen, die also sowohl zum Bildspender als auch zum Bildempfänger gehören, vgl. Silk 1974, 85 („neutral based interaction") und White 1996, 21 f. („bifurcation"). 137

Vgl. Maurach 1995, 160.

3

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung 3.1

Vorbemerkungen

3.1.1 Die Gliederung des nun folgenden systematischen Überblicks erfolgt nach sachlichen Kriterien, d.h. nach Metaphern- oder Bildfeldern; die jeweilige sprachliche Realisierung dieser Bildfelder ist nachgeordnet. In einigen Fällen mag das dazu fuhren, daß vermeintlich Zusammengehöriges auseinandergerissen wird; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das gleiche Wort in verschiedenen Bildfeldern als Bildspender auftritt. Es ist vielleicht wirklich fragwürdig, die Verwendung von mulcere im Bildfeld ,Sehen ist Fühlen' von der im Bildfeld ,Hören ist Fühlen' zu trennen. Dennoch sind Wirkung und Leistung synästhetischer Metaphorik klarer im sachlichen Zusammenhang des Bildfeldes zu sehen, und diese Gliederung soll deshalb auch zugrundegelegt werden. Es muß aber nochmals betont werden, daß die Zwischenüberschriften in den folgenden Unterkapiteln, so sehr sie sich mitunter auch an das Vorbild der Lakoff sehen , Metaphern' halten, für uns reine Klassifizierungen darstellen. Ein Anspruch auf die .Gültigkeit' dieser Kategorien im Sinne einer Vorformung des sprachlichen Ausdrucks durch entsprechende gedankliche Konzepte ist damit nicht verbunden. Insbesondere liegen die Bildfelder nicht alle auf einer Ebene, sondern stellen unterschiedlich feine Untergliederungen dar: Bisweilen ist es sinnvoll, von einem eher allgemeinen Bildfeld auszugehen, bisweilen lassen sich die entsprechenden Metaphern ausschließlich einem bestimmten lateinischen Wort zuordnen, das dann die Überschrift bildet. Eine pedantische Hierarchisierung der Bildfelder wurde nicht durchgeführt. 3.1.2 Was den B e t r a c h t u n g s z e i t r a u m betrifft, so war nicht beabsichtigt, eine semasiologische Durchmusterung der gesamten lateinischen Sprache auf synästhetische Strukturen hin vorzunehmen; auch eine systematische Behandlung der römischen D i c h t u n g kam nicht in Frage, zumal der hier vertretene synchronische Metaphernbegriff einen allzu forschen Durchmarsch durch die Literatur nicht geboten erscheinen ließ. Aus diesem Grund konzentriert sich dieses Kapitel auf Catull, Lukrez und die Dichter der augusteischen Zeit, wobei V e r g i l s Umgang mit dieser Metaphernform besondere Aufmerksamkeit verdient. Es sollten jedoch bemerkenswerte Beispiele aus anderen Epochen nicht übergangen werden.

44

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Das Kapitel hat dabei zwei Hauptanliegen: es will eine Dokumentation der Metaphernform Synästhesie in der Dichtung bieten, und es will die interessanteren Beispiele genauer interpretieren. Daraus resultiert eine gewisse Uneinheitlichkeit in der Präsentation: Bisweilen werden nur Aufzählungen von Belegen geboten bzw. lediglich das Problem erörtert, ob eine Synästhesie vorliegt oder nicht; bisweilen wird die Wirkung eines Bildes aber auch ausfuhrlicher behandelt. Das im vorangegangenen Kapitel geforderte Vorgehen für die Beurteilung einer Metapher (neu und innovativ, Klischee, verblaßte Metapher, je nach Alter, Anzahl und Stilhöhe der Prosaparallelen) soll dabei im folgenden nicht für jeden aufgeführten Beleg ausdrücklich durchgeführt werden; aber es soll durch den Verweis auf entsprechendes Vergleichsmaterial ermöglicht werden, Schlußfolgerungen dieser Art zu ziehen, wenn man die hier dargelegte Auffassung teilt. 3.1.3 Da unser Klassifizierungsschema ein semantisches sein wird, erscheint es sinnvoll, kurz die verschiedenen syntaktischen Möglichkeiten zu nennen, die für eine synästhetische Metapher bestehen; mit der gebotenen Behutsamkeit wird man vielleicht auch über die Intensität der synästhetischen Wirkung je nach der syntaktischen Form, in der die Metapher präsentiert wird, Vermutungen anstellen können. Synästhesien sind nicht sehr umfangreich; der Bildspender umfaßt selten mehr als ein Wort. Dies gilt auch für die oben (S. 41) besprochenen zeugmatischen Konstruktionen, obwohl dort, wie gezeigt, eine komplexere Form der Interaktion vorliegt. Grundsätzlich ist zwischen .expliziten' und .impliziten' Synästhesien zu unterscheiden; bei den expliziten wird ein Verb der Sinneswahrnehmung (yidere, audire etc.) mit einem .falschen' Objekt verbunden und die synästhetische Wahrnehmung damit auf der Ebene des Textes gleichsam .beschrieben'. Das Objekt - es handelt sich in jedem Fall um ein affiziertes Objekt - kann unterschiedliche Form haben (Substantiv im Akkusativ, Infinitiv, Akkusativ mit Infinitiv, Akkusativ mit Partizip). Dabei wird man Wendungen, bei denen das Objekt ausschließlich aus dem .falschen' Wahrnehmungsbereich stammt und sich somit eine harte, als widersprüchlich empfundene Fügung ergibt, als kühnere Synästhesien ansehen als diejenigen, bei denen das Objekt kombiniert ist aus einem ,möglichen' und einem .unmöglichen'/,unlogischen' Teil: video clamorem (hominum) ist kühner als video homines clamare / clamantes. Kaum wahrnehmbar dürfte der Widerspruch sein, wenn die .falsche' Wahrnehmung nur als Attribut der richtigen vorkommt (sehr blaß wäre z.B. video clamantium turbam).

Vorbemerkungen

45

Beim zweiten Haupttyp werden zwei Ausdrücke der Sinneswahrnehmung syntaktisch so miteinander kombiniert, daß sich , implizit' (beim Rezipienten) eine synästhetische Verbindung ergibt. Diese Kombinationen sind üblicherweise: - Substantiv mit Attribut: ater odor, - Verb mit Objekt (effiziert oder affiziert): lumen spargere, umbram discutere\ - Verb mit Adverbial: surdum spirare. Auch die .produktiven' Synästhesien, bei denen die Hervorbringung synästhetischer Effekte im Zentrum steht, gehören zu diesem zweiten Typ; hier kommen nie Verben der Sinneswahrnehmung, wohl aber solche der .Emittierung' von sinnlich Wahrnehmbarem in Verbindung mit einem effizierten Objekt vor (dulce ridere).

3.2

Gesichtssinn als Bildspender

Zu den verbreitetsten synästhetischen Übertragungen zählen die aus dem Bereich des Optischen. Dies hängt mit der besonderen Rolle des Gesichtssinns zusammen, die bereits in antiken Überlegungen zur Sinneswahrnehmung feststellbar ist: Vorstellungen von einer Hierarchie der Sinne, bei der das Auge die erste Position einnimmt, sind bereits für das Altertum gut bezeugt; auch die weitere Reihenfolge (Gehör, Geruchssinn, Geschmack, Tastsinn) scheint früh kanonisch geworden zu sein.138 Er liegt deshalb auch der Gliederung dieses Kapitels zugrunde. In Aristoteles' psychologischer Hauptschrift De anima werden die fünf Sinne ebenfalls in dieser Form angeordnet; die Reihenfolge wird begründet mit der Tatsache, daß der Geruchssinn eine mittlere Position einnimmt zwischen den Fernsinnen (optischem und akustischem Sinn) und den auf direktem physischen Kontakt mit dem Wahrgenommenen beruhenden Sinnen Geschmack und Tasten (De sensu 445a4ff.). - Die Vorstellung, daß der Gesichtssinn der wichtigste und schärfste Sinn ist, ist auch für das Lateinische häufig belegt, am deutlichsten durch Cicero im dritten Buch von De oratore in der Abhandlung über die Metapher: ... omnis translatio quae quidem sumpta ratione est, ad sensus ipsos admovetur, maxime oculorum, qui est sensus acerrimus. nam et ,odor' urbanitatis et ,mollitudo' humanitatis et ,murmur' maris et ,dulcitudo' orationis sunt ducta a ceteris sensibus; ilia vero oculorum multo acriora, quae paene ponunt in conspectu animi, quae cernere et videre non possumus,139 Optische Synästhesien sind auch der häufigste Fall, der in den antiken Scholien Erwähnung findet. Dieser Typus, also die Verwendung von Verben des Sehens - im Griechischen όρδν, δέρκεσθαι, Ιδεΐν, im Lateinischen üblicherweise videre - für nicht-optische Wahrnehmungen, ist gleichzeitig auch der verbreitetste Typ von Synästhesien, die auf a l l g e m e i n e n Verben der einzelnen Wahrnehmungsarten (,sehen', ,hören', .riechen', etc.) beruhen. Daß der Grund dafür in der oben beschriebenen Vorrangstellung des Gesichtssinns zu suchen ist, bezeugt für das Lateinische ausdrücklich Augustinus. Im zehnten Buch der 138

Vgl. Vinge 1975, 15-46. Erster Beleg fur diese Reihenfolge ist Demokrit 68B11

139

Cie. de orat. 3,160f. Ähnlich Quint, inst. 11,2,34 acrior est oculorum quam aurium

DK. sensus.

Gesichtssinn als Bildspender

47

Confessiones (c. 54) findet sich im Rahmen einer Abhandlung über die Versuchungen aufgrund der concupiscentia der Sinne folgende Passage: Ad oculos enim videre proprie pertinet. Utimur autem hoc verbo etiam in ceteris sensibus, cum eos ad cognoscendum intendimus. Neque enim dicimus: ,audi quid rutilet', aut: ,olefac quam niteat', aut ,gusta quam splendeat', aut: ,ραίρα quam fulgeat': ,videri' enim dicuntur haec omnia. Dicimus autem non solum: , vide quid luceat', quod soli oculi sentire possunt, sed etiam: ,vide quid sonet, vide quid oleat, vide quid sapiat, vide quam durum sit. ,|4° Dabei bezieht sich die Augustinus-Stelle, wenn auch als für unsere Zwecke sehr später Beleg, ausdrücklich auf die gesprochene Sprache.

3.2.1

Nicht-Sichtbares wird ,gesehen'

3.2.1.1

Vorbemerkungen

Der erste gesondert zu betrachtende Fall ist die Verwendung von Verben des Sehens für akustische Wahrnehmungen. Hierbei lassen sich aber einige Einschränkungen formulieren, die Wendungen der Form ,Nicht-Sichtbares wird gesehen' erklären und ihnen einiges von ihrer vermeintlichen Kühnheit nehmen können: - Bisweilen ergibt sich die Synästhesie aus einer verkürzten Ausdrucksweise, die eine kombinierte Wahrnehmung knapp beschreiben soll. Tatsächlich sehen und hören wir ja oft gleichzeitig den gleichen Gegenstand, und ein Satz wie ,ich sehe dich sprechen' verkürzt nur diese kombinierte Wahrnehmung.141 In diesen Fällen kann nur dann von Syn140

Vgl. auch Aug. ep. 147,2,7: nam cum sint quinque corporis sensus, cernendi, audiendi, olfaciendi, gustandi, tangendi, visus quidem in eis praecipue oculis attributus est, verum tarnen hoc verbo utimur et in ceteris, neque enim tantum dicimus, ,vide quid luceat', sed etiam: ,vide quid sonet, vide quid oleat, vide quid sapiat, vide quid caleat.' Vgl. ebenso Io. ev. tr. 121,5, wo es um die Aufforderung Jesu an Thomas geht, ihn anzuschauen und seine Finger in die Wunden zu legen; danach sagt Jesus aber lediglich quia vidisti me, credidisti; Augustin begründet dies wie an der oben zitierten Stelle: quoniam generalis quodammodo sensus est visus. An der entsprechenden Stelle im Johannesevangelium (Kap. 20, 24-29) scheint aber das Fühlen der Wundmale als Kriterium eine deutlich größere Rolle zu spielen. 141

Wenn nicht ausdrücklich betont wird, daß nur der optische Eindruck aufgenommen wird, wie in Dantons Tod 11,3: CAMILLE: Was sagst du, Lucile? LUCILE: Nichts, ich seh dich so gern sprechen. CAM. Hörst du mich auch? Luc. Ei freilich! CAM. Hab ich recht?

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

48

ästhesie gesprochen werden, wenn durch sprachliche Mittel der Gegensatz zwischen den beiden Wahrnehmungsarten unterstrichen wird (z.B. bei ,ich sehe deine Worte'). Wenn Cicero orat. 168 sagt contiones saepe exclamare vidi, so liegt darin nichts weiter Auffälliges, da er ja die Volksversammlungen tatsächlich gleichzeitig hören und sehen konnte, clamores contionum vidi wäre schon bemerkenswerter.142 - Sehr häufig steht die ,kühne' Wendung in einer zeugmatischen Verbindung, bei der das Verb des Sehens auch mit einem ,passenden' Objekt verbunden ist. (Diesen Fall kann man natürlich als Sonderfall der eben erwähnten .komplexen Wahrnehmung' annehmen.) Gern zitiertes143 Beispiel aus der lateinischen Prosa ist Liv. 10,42,2: progressus longius ab dextra capta castra videt, ab laeva clamorem in urbe mixtum pugnantium ac paventium fremitu esse. - Im Lateinischen muß darüber hinaus die Bedeutungsentwicklung des passivischen videri von ,gesehen werden' zu ,(er-)scheinen' bzw. ,meinen" 44 berücksichtigt werden (das Deutsche ,scheinen' bietet dazu eine gewisse Analogie). Diese Entwicklung ist bereits bei den frühesten uns erhaltenen Belegen aus der römischen Literatur vollzogen.145 Als Beispiel kann eine Wendung im Eunuchus des Terenz dienen (v. 454): (Thais:) audire vocem visa sum modo militis. - ,Mir schien / ich meinte, ich hörte eben die Stimme des Soldaten.' Donat gibt zu dieser Stelle den Kommentar: omnes sensus visa dicuntur ab eo quod est certissimum oculorum, und als Parallelstelle nennt er Aen.146 6,257f.: visaeque canes ululare per umbram / adventante dea. Nun ist videri in der eben skizzierten Bedeutung im Altlateinischen durchaus verbreitet, und man muß sich fragen, ob ein römisches Ohr an der Terenzstelle außer der Alliteration etwas Auffälliges wahrnahm; der gleichen Wendung bei

Weißt du auch, was ich gesagt habe? Luc. Nein, wahrhaftig nicht, (zitiert nach G. Büchner, Sämtliche Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe mit Kommentar. Hg. v. W. R. Lehmann, Bd. 1, Dichtungen und Übersetzungen. Mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte, München 3 1978). 142

Zu vidi als poetischer Formel vgl. La Penna 1987 und 2000.

143

Z.B. von Eden zu Aen. 8,35.

144

Im Sinne einer eingeschränkten Aussage, vgl. Eden zu Verg. Aen. 8,35: „videor was weakened idiomatically = ,seem'." 145

Das OLD nennt s.v. video vereinzelte Belege aus Naevius und Ennius sowie sehr zahlreiche aus Plautus. 146

Wegen der zentralen Rolle Vergils in unserer Untersuchung und der daraus resultierenden hohen Zahl der Belege werden Vergilstellen im folgenden ohne Verfasserangabe zitiert.

Gesichtssinn als Bildspender

49

Plautus in der Cistellaria147 (PHANOSTRATA audire vocem visa sum ante aedis modo / mei Lampadisci servi) folgt jedenfalls die bezeichnende Antwort Lampadios: non surda es, era: / rede audivisti. Ein weiterer Beleg für die Unempfänglichkeit des römischen Ohres für die ursprüngliche optische Bedeutung von videri ist die Unbefangenheit, mit der die Junktur videre videor gebraucht wird. Bentley nennt die Wendung eine „trita sed elegans locutio" und gibt als Beispiel u.a. Cie. Cat. 4,11 videor enim mihi videre harte urbem ... concidentem.m Die hohe Zahl der Belege für diese Wendung legt nahe zu vermuten, daß für den Römer hier im Grunde zwei verschiedene Wörter vorlagen, deren Kombination nichts Bemerkenswertes hat. Um so deutlicher muß man hiervon aber die Fälle abheben, bei denen videri seine ursprüngliche passivische Bedeutung bewahrt hat.149 Vor allem bei der Behandlung der Beispiele aus Vergil ist die Verwendung von videre bzw. videri bei Prodigien und Traumerscheinungen von Bedeutung. Der berühmteste und älteste uns erhaltene Gebrauch von videri bei einem Traum, in Ennius' Annalenproöm, wird von Lucullus in Ciceros Academica priora bekanntlich als Beleg für die Unwirklichkeit von Traumerscheinungen angeführt (Cie. Luc. 51): num censes Ennium, cum in hortis cum Ser. Galba, vicino suo, ambulavisset, dixisse , visus sum mihi cum Galba ambulare'? at cum somniavit, ita narravit, visus Homerus adesse poeta'. Es ist nicht ohne weiteres möglich, Lucullus' Polemik sprachlich richtig zu beurteilen. Das persönliche mihi videor heißt ganz unzweifelhaft .meinen'. Aber Ennius sagt ja nicht visus sum mihi Homerum videre, sondern visus Homerus adesse,*50 und hier liegt doch eher die Vorstellung einer 147

Plaut. Cist. 543f.

148

Bentley zu Hör. carm. 2,1,21, wo er statt des überlieferten audire magnos iam videor duces schreiben möchte: videre magnos .... Weitere Beispiele Bentleys sind Plaut. Most. 270, Ter. Ad. 384, Cie. fil. Cie. fam. 16,21,7, Prud. Peristeph. 2,557-58; man könnte Cie. inv. 2,171 und de orat. 2,33 ergänzen. Bentleys stilistische Charakterisierung von videre videor wird von Haffter 1934, 39-41 offenbar nicht geteilt, da dieser nur Parallelen aus Ciceros Briefen anfuhrt und aus den jeweiligen Kontexten eine besondere altertümlichlebhafte Färbung ermitteln will. Vgl. auch Lieberg 1982, 78, der an Eduard Fraenkels Bemerkung zu Bentleys Konjektur erinnert: „the horrible videre" (Horace, Oxford 1957, 236 Anm. 3). 149

Vgl. hierzu Claflin 1942; die Verfasserin sieht, aus sprachgeschichtlicher Perspektive, eine Priorität des .Mediums' videri und spielt die Zahl der Belege für passivisches videri herunter (vgl. auch Claflin 1943 zu Plaut. Cure. 260f. hoc node in somnis visus sum viderier [sic!] /proeul sedere longe a me Aesculapium). 150

Enn. ann. 3 Sk.; siehe Skutsch z.St. zur Frage, ob Cicero Ennius korrekt zitiert.

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

50

.Erscheinung' (die ja nichts .Scheinbares', bloß Gedachtes haben muß) zugrunde.151 Allerdings geht Cicero in seiner Entgegnung (Luc. 88) nicht auf Lucullus' sprachliche Argumente ein; er widerlegt seinen Kontrahenten rein sachlich: Entscheidend bei den visa sei, ob sie uns im Moment der Wahrnehmung richtig erschienen, nicht später (z.B. nach dem Aufwachen oder nach dem Nüchternwerden). Trotz dieser Einschränkungen lassen sich in einigen Fällen die synästhetischen Effekte nicht ohne weiteres ,wegerklären'; besonders Lukrez und Vergil machen sehr häufig bemerkenswerten Gebrauch von diesen Wendungen.152. Catull gebraucht nur in einem Fall eine ähnliche Synästhesie; allerdings ist der Text dieser Stelle umstritten. Das 62. carmen seines Gedichtbuchs ist ein Hochzeitslied, das abwechselnd von einem Chor junger Männer und einem Mädchenchor gesungen wird; in der zweiten Strophe sagen die Mädchen von den jungen Männern: Catull. 62,9 non temere exiluere, canent quod visere par est. visere TV: vincere Avantius, Beroaldus par est Τ: parent V

quod Τ: quo V

Dem überlieferten visere wird von den Herausgebern und Kommentatoren fast einhellig die Konjektur vincere vorgezogen (Ellis, Friedrich und Quinn sind die Ausnahmen). Der Einwand von Birt153, es sei ausgesprochen vermessen, wenn der Mädchenchor es als recht und billig ansehe, den Gesang der Knaben zu überbieten, und visere meine hier so viel wie ,kennenlernen', verkennt das im Gedicht leitmotivische Selbstbewußtsein der Mädchen. Auch die (z.B. von Friedrich z.St.) beigebrachten Parallelen (ein typisches Zitatennest für optische Synästhesien) belegen nun tatsächlich, wie Fordyce z.St. richtig anmerkt, nicht viel. Denn hier hieße visere soviel wie ,betrachten' (,sie werden etwas singen, was zu 151 Zur im Griechischen üblichen Einleitung von Träumen durch δοκεΐν vgl. Hanson 1980,1409. Dies hat freilich für die semantische Beurteilung von videri keine Bedeutung. 152 Da der Einfluß griechischer Vorbilder nicht auszuschließen ist, seien einige wichtige griechischen Beispiele für diesen Typ der Synästhesie vorangestellt: σκέπτετ' όϊστών τε ροϊζον και δοϋπον άκόντων (Horn. II. 16, 361); Κυκλώπων δ' ές γαϊαν έλεΰσσομεν εγγύς έόντων, / καπνόν τ' αύτών τε φθογγήν όΐων τε και αιγών (Horn. Od. 9,166f.); κτύπον δέδορκα (Aischyl. sept. 103, s.o. S. 16); 'ίν' οϋτε φωνην οϋτε του μορφήν βροτών / οψη (Aischyl. Prom. 21 f.); άλλ' ή που πταίων ϋπ' άνάγ-/ κας βοα τηλωπόν ιω- / άν,... (Soph. Phil. 215-17); δδ' εκείνος έγώ· φωνή γαρ όρώ, / τό φατιζόμενον (Soph. OK 138-39). - .sichtbarer Geruch': ... , αν οίνου μόνον / όσμήν ϊόωσιν (Alexis PCG 224,3-4); ΣΙ. παπαιάξ, ώς καλήν όσμήν εχει. / ΟΔ. είδες γαρ αυτήν; (Eur. Kykl. 153f.); όσμή δ' όνωνόμαστος ές βάθος κύκλου / χωρεί, καλόν θέαμα... (Aristoph. av. 1715-6); ήνίδε τοι τό δέπας· θασαι, φίλος, ώς καλόν δσδει... (Theokr. eid. 1,149). Ausführlichere Listen bei Stanford 1936 und Wsern 1952. 153

Birt 1904, 412f.

Gesichtssinn als Bildspender

51

betrachten billig ist', fast: ,was sich sehen lassen kann'), und dafür taugen Beispiele wie das aischyleische κτύπον δέδορκα, die vor allem den passiven Wahrnehmungsvorgang betonen, in der Tat wenig:154 Visere ist ein viel aktiverer Vorgang, mehr als nur die bloße (vertauschte) Wahrnehmung. Wenn der überlieferte Text richtig sein sollte (woran man ernsthaft zweifeln muß), läge hier jedenfalls ein überaus kühnes Beispiel von Synästhesie vor.

3.2.1.2

Lukrez

Der Gesichtssinn spielt für Lukrez' didaktische Absichten eine kaum zu überschätzende Rolle. In seiner Argumentation schließt er immer wieder von beobachtbaren Zuständen auf die atomare Struktur der Welt; hör-, schmeck-, riech- oder fühlbare Sachverhalte zieht er deutlich seltener heran, obwohl für die epikureische Epistemologie alle Sinnesdaten als zuverlässig gelten. Im gesamten lukrezischen Lehrgedicht ist eine ausgeprägte Licht-Dunkel-Metaphorik zu bemerken, deren wichtigste Bildfelder .Wissen ist Licht' und .Nichtwissen ist Dunkel' sind.155 Die Argumentation des Dichters zielt darauf ab, daß die für alle wahrnehmbare Welt ein simulacrum et imago der verborgenen Vorgänge ist, die er erklären will.156 Entsprechend ist die Verwendung von videre einzuordnen: Wie sich auch in der fast formelhaften häufigen Wendung nonne vides zeigt,157 ist videre oft geradezu ein Synonym für .einsehen', »verstehen'; dabei steht bisweilen animo oder mente o.ä., bisweilen auch nicht.158 Dies deckt sich mit der Lehre Epikurs, daß die Sinneswahrnehmung allein zu einer zutreffenden Erkenntnis der der Natur zugrundeliegenden 154 „In the instances adduced in support - Virg. Aen. IV.490 ..., Hör. Sat. II.8.77 ..., Prop. 11.16.49 ...- the verb does not mean .look at', as it would have to mean here, but only ,see"\ Vgl. Fraenkel [1975], 312: „Ein konservativer Textkritiker hält an visere (V und T) fest, übersetzt .sie werden etwas singen, das sich sehen lassen kann' und beschwichtigt sein Gewissen damit, daß er aus Aischylos κτύπον όέδορκα zitieren kann." 155

Vgl. Gale 1994, 203 mit Anm. 161: „knowledge as illumination"; vgl. auch Fögen 2000, 62 mit Anm. 3. 156

Lucr. 2.112; vgl. Schiesaro 1990; Fowler 1996, 890.

157

Vgl. hierzu Schiesaro 1984.

158

Einige Beispiele, die sich leicht um weitere ergänzen ließen: l,130f. tum cum primis ratione sagaci / unde anima atque animi constet natura videndum ... 3,902 ... videant animo; 5,148f. tenuis enim natura deum longeque remota / sensibus ab nostris animi vix mente videtur, 5,1169f. quippe etenim iam tum divum mortalia saecla / egregias animo facies vigilante videbant...

52

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Prozesse ausreicht. Die geläufige Ausweitung von ,Sehen' auf .innere' Vorgänge mußte daher ganz in Lukrez' Sinn liegen. Die übliche metaphorische Parallelisierung von Sehen und Denken bzw. Sehen und .innerer' Wahrnehmung hat fur ihn aber noch eine weitergehende Bedeutung wegen des tatsächlichen Zusammenhangs zwischen den etwas gröberen simulacra, die für optische Eindrücke verantwortlich sind, und den besonders feinen, die wir mit dem .inneren Auge' wahrnehmen. Da diese simulacra grundsätzlich von gleicher Art sind und sich nur in der Größe voneinander unterscheiden, ist Lukrez auch eine Metaphorik, die beide Arten der Wahrnehmung verklammert bzw. identifiziert, willkommen. Explizit gemacht wird diese Kombination in 4,750f.159: quatenus hoc simile est illi, quod mente videmus atque oculis. simili fieri ratione necesse est. Hinzu kommen zahlreiche synästhetische Verwendungen; die wichtigsten Beispiele sind: 1,255f. hinc laetas urbis pueris florere videmus frondiferasque novis avibus canere undique silvas Hier liegt eine nicht sehr auffallige kombinierte Wahrnehmung vor. 1,346-57: In der zusammenfassenden Passage 346-357 bezieht sich haud ulla fieri ratione videres (v. 357) auch auf zwei nicht-optische Eindrücke: inter saepta meant voces et clausa domorum/ transvolitant, rigidum permanat frigus ad ossa (354f.). 1,358f. denique cur alias aliispraestare videmus pondere res rebus nilo maiore figura? 1,364: Der in 358f. ausgedrückte Gedanke, daß gleich große Körper unterschiedliches Gewicht haben können (was man durch bloßes Sehen nicht wahrnehmen kann), wird in v. 364 noch einmal aufgegriffen: ergo quod magnumst aeque leviusque videtur: Hier muß, wegen der Parallele zu videmus in v. 358, videtur ein echtes Passiv sein. 1,532-34

nam neque collidi sine inaniposse videtur quicquam nec frangi nec findi in bina secando nec capere umorem neque item manabile frigus ... Auch hier ist videtur eindeutig ein echtes Passiv. 2,16-18 ... nonne videre nil aliud sibi naturam latrare. nisi utqui ... 159 Belege aus De rerum natura werden in diesem Unterkapitel ohne Verfasser- und Werkangabe zitiert.

Gesichtssinn als Bildspender

53

Die Formelhafligkeit von nonne videre mindert, die Besonderheit des Verbs latrare erhöht die Aufmerksamkeit des Lesers fiir die Synästhesie. latrare in dieser Bedeutung ist vorher nur bei Ennius belegt (Paul. Fest. p. 121,19: ,latrare' Ennius pro ,poscere' posuit, vgl. Ann. 481 Sk. animusque in pectore latrat mit Skutschs Kommentar; allerdings muß sich die Bemerkung des Festus nicht unbedingt auf das Annalenfragment beziehen). Die vom ThlL 72,1014,77 noch angeführte Stelle Mart. 4,53,6 (cui dat latratos obvia turba cibos) sagt nichts über die metaphorische Verwendung von latrare aus, da es um einen Kyniker (!) geht, der nach Essen ,bellt' (also gemäß der Terminologie des ThlL eher „proprie in imagine" als „metaphorice"). 2,404 at contra quae amara atque aspera cumque videntur ... Daß hier ein echtes Passiv vorliegt, lehrt nicht nur der Zusammenhang der Stelle,160 sondern auch die Häufigkeit, mit der die Kombination von quaecumque bzw. anderen Formen von quicumque mit aktiven Formen von videre bei Lukrez vorkommt;161 sie hat geradezu Formelcharakter. sed quod amara vides eadem quaefluvida constant... 2,464 2,471-73 et quo mixta putes magis aspera levibus esse principiis, unde est Neptuni corpus acerbum, est ratio secernendi, sorsumque videndi ... Die beiden .Naturen' des Meerwassers, das Salzige und das Süße, können (durch Sieben) geschieden werden und liegen dann getrennt vor - was man dann in der Tat nicht nur schmecken, sondern auch sehen (und ,einsehen') kann. 2,679f. denique multa vides quibus et color et sapor una reddita sunt cum odore ... Auch hier liegt kombinierte Wahrnehmung vor, wie auch im folgenden Fall: 3,152-156 verum ubi vementi magis est commota metu mens, consentire animam totam per membra videmus

4,259-64

160 161

... infringi linguam vocemque aboriri, 155 caligare oculos, sonere auris ... ventus enim quoque paulatim cum verberat et cum acre fluit frigus, non privam quamque solemus 261

Vgl. unten S. 174ff.; es geht hier ganz eindeutig um echte Wahrnehmung.

1,542; 2,461 (quodcumque videmus)·, 2,905; 2,1122 (quaecumqe vides); 5,585 (quoscumque vides)', 5,857 (quaecumque vides); 6,921 (quascumque videmus); ebenfalls ein echtes Passiv 1,262 (quaecumque videntur).

54

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

particulam venti sentire et frigoris eius, 260 sed magis unorsum fierique perinde videmus corpore tum plazas in nostro tamquam aliquae res verberet atque sui det sensum corporis extra. Hier geht es darum, daß wir bei der optischen Wahrnehmung die simulacra nicht einzeln sehen können; dies ist laut Lukrez genauso ausgeschlossen, wie daß wir einzelne Wind- oder Kältepartikel wahrnehmen. Es geht also bei videmus in v. 262 um eine rein taktile Wirkung, die freilich einen Sachverhalt aus dem Bereich der optischen Wahrnehmung illustrieren soll. Man könnte hier auch von einer besonderen Form der Interaktion sprechen, bei der sich im Bildspender ein Element des Bildempfängers befindet;162 dadurch oszilliert videre hier in besonderer Weise zwischen seiner wörtlichen, in den Bildempfänger-Bereich gehörigen, und seiner übertragenen Bedeutung. 4,464-66

... pars horum maxima fallit propter opinatus animi quos addimus ipsi, pro visis ut sint quae non sunt sensibu' visa. Der dieser Stelle vorausgegangene Katalog von Sinnestäuschungen enthielt zwar tatsächlich nur optische Täuschungen, aber an dieser allgemein gehaltenen Stelle, an der das Grundprinzip epikureischer Erkenntnislehre (,Die Sinne trügen nicht') propagiert werden soll, wäre eine Beschränkung auf einen Sinn verfehlt: Der Gesichtssinn vertritt hier alle fünf Sinne.163

4,490f.

... ideo ... necessest et quod molle sit et gelidum fervensve videre videre ist Konjektur von Martin fur das keinen Sinn ergebende videri der Hss.; Martin verweist im kritischen Apparat auf die Parallelen 2,404,4,598 und Aen. 4,490, also auf die hier besprochene Möglichkeit der Verwendung von videre für nicht-optische Wahrnehmungen. 4,577 sex etiam aut Septem loca vidi reddere voces Hier geht es um die Wahrnehmung des Echos (4,571: ... imagine verbi)\ vielleicht wird die tote Metapher imago verbi durch die synästhetische Verwendung von videre wiederbelebt.164 Die Stelle wird vom OLD s.v. video unter „9 (w. acc. and inf.) to see, notice, observe" aufgeführt.

162

Vgl. hierzu Silk 1974, VII-XIII.

163

Vgl. zu dieser Stelle die ausführliche Behandlung der optischen Täuschungen unten S. 56ff. 164

S. unten S. 78 mit Anm. 226.

Gesichtssinn als Bildspender

55

Ebenfalls im vierten Buch findet sich die wohl kühnste optische Synästhesie in De rerum natura: 4,598 conloquium clausis foribus quoque saepe videmus. videmus codd. audimus Watt 1996, 252.

Hier ist der Fall der kombinierten Wahrnehmung wegen der verschlossenen Türen ausgeschlossen, was Watt zu seiner Konjektur, die durch die Häufigkeit der Verwechslung von videre und audire in den Handschriften gestützt wird, veranlaßte. Doch ist der Text wohl zu halten, wenn man videre prägnant im Sinne von ,ich bin Zeuge' versteht (so ordnet auch das OLD die Stelle ein: OLD s.v. video 11 „to be a witness of') oder die Bedeutungsentwicklung zum ,geistigen Sehen' zugrunde legt: Dann heißt conloquium videmus hier soviel wie ,wir wissen, daß diese Unterhaltung stattfindet'. Aber es bleibt irritierend, daß diese Bedeutung von videre gerade da Verwendung findet, wo es dezidiert um ein Nicht-Sehen-Können geht. Vielleicht liegt eine besondere Pointe darin: Wir ,sehen', obwohl wir nicht sehen. 4,633-35 nunc aliis alius qui sit cibus ut videamus expediam, quareve, aliis quod triste et amarumst, hoc tarnen esse aliis possit perdulce videri. 4,695-97 nam penitus fluere atque recedere rebus odores signißcat quodfracta magis redolere videntur omnia, quod contrita, quod igni collabefacta. 5,1073 denique non hinnitus item differre videtur ... 5,1189-93 ... volvi ... nox et luna videtur. et rapidi fremitus et murmura magna minarum. Natürlich ist die Synästhesie wegen der ,Entfernung' zwischen videtur und fremitus hier kaum mehr spürbar; videtur ist aber echtes Passiv. 6,617f. quippe videmus enim vestis umore madentis exsiccare suis radiis ardentibus solem. Hier bedeutet videre eher ,verstehen', ,den Fall aus eigener Erfahrung kennen'. Das Beispiel ist natürlich nur wenig aussagekräftig, weil man den Effekt des Trockenwerdens auch sehen kann. 6,806-10 nonne vides etiam terra quoque sulpur in ipsa gignier et taetro concrescere odore bitumen

6,994

qualis exspiret Scaptensula subter odores? nam fluere hac species, iliac calor ire videtur ...

56

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Man wird wahrhaftig nicht in jedem der zitierten Fälle von kühner Metaphorik sprechen können, aber es bleibt festzuhalten, daß Lukrez signifikant häufig videre mit nicht-optischen Wahrnehmungsobjekten kombiniert und bei videri aus dem Argumentationszusammenhang ebenfalls sehr oft deutlich wird, daß ein echtes Passiv vorliegen muß. Dieser Befund wirft auch Licht auf die Verwendung von videri in der Passage über die optischen Täuschungen im vierten Buch (379-468). In dieser Auseinandersetzung mit skeptischen Positionen möchte Lukrez beweisen, daß die Sinne niemals trügen, sondern allenfalls die mens, welche die von den Sinnen gelieferten Daten falsch auswertet, sich täuschen kann, qua vehimur navi, fertur, cum stare videtur ist das erste Beispiel (4,387), ,das Schiff, mit dem wir fahren, bewegt sich, obwohl es stillzustehen scheint'. Dies ist auf den ersten Blick eindeutig: videri muß .scheinen' heißen, zumal es parallel zu dem creditur im folgenden Vers {quae manet in statione, ea praeter creditur ire) steht. Ähnlich steht 4,35355 bei der Beschreibung des eckigen Turms, der aus der Ferne rund wirkt, videri für die falsche Meinung und cerni fur die Beschreibung dessen, was tatsächlich wahrgenommen wird: quadratasque procul turris cum cernimus urbis, / propterea fit uti videantur saepe rutundae, / angulus obtusus quia longe cernitur omnis .... Und dies gilt fur fast alle der nun folgenden Beispiele: videri beschreibt jeweils die falsche Vorstellung und Meinung, die man sich aufgrund dessen, was man sieht, bildet. Daß die Sache aber etwas komplizierter ist, lehrt das Beispiel von der sich scheinbar in einem Fluchtpunkt verjüngenden Säulenhalle: 4,426-431

porticus aequali quamvis est denique ductu stansque in perpetuum paribus suffulta columnis, longa tarnen parte ab summa cum tota videtur, paulatim trahit angusti fastigia coni, tecta solo iungens atque omnia dextera laevi, 430 donec in obscurum coni conduxit acumen. Hier wird die optische Täuschung ohne ein relativierendes videri, credi etc. einfach geschildert (trahit ... iungens ... conduxit), während videtur ganz ohne Zweifel .betrachtet wird' heißt. Und auch die Zusammenfassung dieser Passage ist bemerkenswert: 4,462-68 cetera de genere hoc mirande multa videmus, quae violarefidem quasi sensibus omnia quaerunt nequiquam, quoniam pars horum maxima fallit propter opinatus animi quos addimus ipsi, 465 pro visis ut sint quae non sunt sensibu' visa.

Gesichtssinn als Bildspender

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nam nil aegrius est quam res secernere apertas ab dubiis. animus quas ab se protinus addit. Nach 17maligem videri, das jeweils die falsche Deutung der Sinnesdaten bezeichnet, wird zusammengefaßt: .Vieles dieser Art sehen wir.' Natürlich hat videre hier auch die schon erwähnte Konnotation des Kennens. Aber durch v. 466 wird visus als echtes Passiv noch einmal bewußt gemacht: ,... so daß Dinge für gesehen gehalten werden, die von unseren Sinnen nicht gesehen wurden.' sensibus visa ist dabei ein weiteres Beispiel für die rigorose Ausdehnung des Gesichtssinns auf Wahrnehmungen aller Art (die hier ja wohl gemeint sein müssen). Der Grund ist an dieser Stelle natürlich die Ambiguität von videri, die auf die Spitze getrieben werden soll. Man ist geneigt, in v. 466 zu ergänzen quae non sunt sensibus visa ... sed animo. videri vertritt in dieser Passage ebenso φαίνεσθαι wie δοκεΐν.165 Es dürfte ja auch äußerst schwierig sein, den optischen Eindruck zu schildern, ohne die falsche Deutung mitanklingen zu lassen. Wie sollte das z.B. im Falle des sich bewegenden Schiffes ohne sprachliche Verrenkung möglich sein? ,Wir sehen, daß sich das Verhältnis der Positionen unseres Schiffs und eines benachbarten ändert, daraufhin meinen wir, daß unser Schiff steht, das andere aber fahrt' wäre korrekt, aber höchst umständlich. Durch die Ambiguität von videri ,gesehen werden' und .scheinen, einem vorkommen' - werden die angeführten Beispiele zwar ungenau im Sinne der epikureischen Auffassung von der Sinneswahrnehmung, aber Lukrez umgeht die angedeuteten sprachlichen Schwierigkeiten, die mit dieser Auffassung einhergehen. Die Konsequenz, mit der laut Cicero ein Epikureer namens Timagoras leugnete, zwei Flammen zu sehen, wenn er ein Auge verdreht habe, liegt Lukrez fern.166 Er weiß, daß es schwierig ist, genau zwischen korrekten Sinnesdaten und falscher Interpretation zu unterscheiden und daß er bei seiner Darstellung nicht die Balance zwischen diesen beiden Aspekten verlieren darf: Den Sinneswahrnehmungen kommt auch im Falle von optischen Täuschungen ein epistemologischer Eigenwert zu. Wäre dies nicht klar, könnte ihm diese so überaus lange Passage unter der Hand zu einem Aufruf zum Skeptizismus geraten. Das Verb videri hält nun diese

165

Vgl. PHerc. 1013 (= Demetrius Lacon, [Περί ήλιου μεγέθους], ed. Constantina Romeo, Cronache Ercolanesi 9, 1979, 11-35) col. 20: ο[ύ] φαίνεται μ[έ]ν ό ηλιο[ς] έστηκώς, δοχεΐ 6έ φαιν[έσ]θαι... Siehe hierzu auch Asmis 1984, 156 mit Anm. 33. 166

Cie. Luc. 80: ... Timagoras Epicureus negat sibi umquam, cum oculum torsisset, duas ex lucerna flammulas esse visas, opinionis enim esse mendacium non oculorum\ die Passage Luc. 80-82 behandelt das Phänomen optischer Täuschungen aus der Perspektive des Skeptikers mit zum Teil ganz ähnlichen Beispielen wie Lukrez.

58

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Balance, wie gezeigt, genau. So kommt es, daß man bei dem bereits zitierten Satz qua vehimur navi, fertur, cum stare videtur nicht genau weiß, ob korrekte und neutrale Beschreibung dessen, was man sieht (das Schiff wird als .stehend' wahrgenommen) oder falsche Deutung (man meint, daß das Schiff tatsächlich steht) vorliegt. Beides ist semantisch möglich. Erreicht wird dies nun aber vor allem dadurch, daß beim Leser über das gesamte Gedicht hinweg ein Gespür für die passivische Bedeutung von videri kontinuierlich wachgehalten wird. Und so schwierig, wie es ist, die beiden Bedeutungen von videri zu trennen, so schwierig ist es res secernere apertas ab dubiis, animus quas ab seprotinus addit (4,467f.). Lukrez führt, so kann man zusammenfassen, das Verb videre an die Grenzen seiner semantischen Belastbarkeit. Die spezifischen Bedeutungsgehalte von videre bzw. videri werden von ihm dabei in einer Weise nutzbar gemacht, die seinen philosophischen Intentionen genau entsprechen: Er erreicht damit ein beständiges Bewußtsein vom Zusammenhang zwischen Sinneswahrnehmung und Erkenntnis. Wenn man die Bildfelder der beteiligten Metaphern ausformuliert: .Wahrnehmen ist Sehen', ,Erkennen ist Sehen', ,Wissen ist Sehen', dann laden diese metaphorischen Konzepte zu einer Kombination ein, die völlig mit Lukrez' Lehre vereinbar ist: ,Wahrnehmen ist Erkenntnis'.167

3.2.1.3

Vergil

Neben Lukrez hat Vergil die bemerkenswertesten Beispiele für die Verwendung von Verben des Sehens in Verbindung mit nicht-optischen Wahrnehmungen. Zunächst sollen die Beispiele mit aktivischer Verwendung von videre (bzw. anderen Verben, die ,Sehen' bedeuten) angeführt werden.168 Zunächst einige Fälle von ,kombinierter Wahrnehmung': ecl. 9,58 aspice, ventosi ceciderunt murmuris aurae Hier kommt der Effekt, daß mit der Synästhesie eine Gesamtwahrnehmung ausgedrückt werden soll, besonders gut zur Geltung.169 Das Verstummen

167

Vgl. zu diesem Gedanken der ,Kohärenz' von Bildfeldern oben S. 34.

168

Vgl. hierzu auch EV s.v. videre.

169

Treffend Forbiger z.St.: „exspectamus potius audi, sed, undis et foliis arborum nulla aura motis, poterat etiam adspici aeris tranquillitas. Omnino autem audiendi et videndi verba haud raro confunduntur." Vgl. auch Servius z.St.: frondes scilicet arborum.

Gesichtssinn als Bildspender

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der Winde und die damit einhergehende Bewegungslosigkeit der Blätter werden in einem Vers kurz und elegant zum Ausdruck gebracht. ecl. 10,47f.

... dura nives et frigora Rheni me sine sola vides. videre hat hier die Bedeutung des Sehens im Sinne von Erleben (vgl. OLD s.v. video 3: „... indicating the presence of the sub. in the locality of the obj.").170 Aen. 6,656-8 (Aeneas in der Unterwelt:) conspicit, ecce, alios dextra laevaque per herbam vescentis laetumque choro paeana canentis inter odoratum lauris nemus ... Das ,Paradies' präsentiert sich fur den Besucher Aeneas als eine Mischung aus Genüssen für Gaumen (vescentis), Ohren {paeana canentis - natürlich abhängig von der Qualität des Gesangs) und Nase (inter odoratum nemus). Diese Verse sind vor allem wegen der Kombination zweier Ausdrücke der optischen Wahrnehmung (man wird ecce wohl dazunehmen müssen)171 mit zwei nicht-optischen Wahrnehmungen (canentis, odoratum nemus) interessant; eine besonders kühne Synästhesie liegt nicht vor (auch eine wörtliche deutsche Übersetzung erregt keinen Anstoß), zumal odoratum nur Attribut ist.172 Das ist bei dem folgenden Beispiel aus der Aeneis anders. Nachdem Dido in ihrem Palast die lautstarken Abfahrtsvorbereitungen der Trojaner wahrgenommen hat, fragt der Erzähler: Aen. 4,408-11 quis tibi tum, Dido, cernenti talia sensus, quosve dabas gemitus, cum litora fervere late prospiceres arce ex summa, totumque videres misceri ante oculos tantis clamoribus aequor! Zusätzlich gesteigert durch die taktile Synästhesie unterstreicht die Vermischung von optischer und akustischer Wahrnehmung (videres ist 170 Eine ähnliche Bedeutung von videre kann man auch bei georg. l,455f. (omnia tum pariter vento nimbisque videbis /fervere ...) zugrundelegen. Die Synästhesie ist allerdings nicht sehr stark, da die taktile Bedeutungskomponente von fervere hier zurücktritt. 171

Im übrigen wird bloßes ecce (ohne sonstiges .optisches' Vokabular) von uns nicht als möglicher Bildspender einer synästhetischen Metapher angesehen (z.B. in Wendungen wie Ov. met. 12,215 ecce canunt Hymenaeon), ebensowenig wie en (anders Leo zu Copa 9f. en ... quae garrit dulce sub antro / rustica ... fistula unter Verweis auf Sen. Oed. 1013 matris en matris sonus). 172 Ebenfalls kaum spürbar ist die Synästhesie Aen. 6,703f.: interea videt Aeneas in valle reducta /seclusum nemus et virgulta sonantia silvae ...

60

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

noch durch ante oculos verstärkt) die Verwirrung und den verstörten Sinn Didos173 (insofern gibt v. 41 Of. eine indirekte Antwort auf die Frage nach Didos Verfassung in 408). Ein nicht uninteressantes Beispiel für .kombinierte Wahrnehmung' ist auch Aen. 8,359-61 (Aeneas spaziert mit Euander durch Pallanteum / Rom): talibus inter se dictis ad tecta subibant pauperis Euandri, passimque armenta videbant Romanoque foro et lautis mugire Carinis. Hier steht mugire so weit von videbant entfernt (und armenta so dicht daneben), daß kein unmittelbarer synästhetischer Effekt erreicht wird; eher soll ein Kontrast zwischen den .schmücken' Villen des Esquilin in der Zeit des Dichters und dem rustikalen Bild weidender Rinder in der Zeit Euanders hergestellt werden. Aber da dies ein Kontrast zwischen einem optischen und einem akustischen Eindruck (lautis - mugire) ist, erlaubt er die Kombination der beiden Vorstellungen: Man ist aufgerufen, sich das Muhen der Kühe in der Villengegend auf dem Esquilin zur Zeit Vergils vorzustellen. Aen. 12,222f.

quem simul ac Iuturna soror crebrescere vidit sermonem et vulgi variare labantia corda ... Vermutlich kann Iuturna die tuschelnde Menge hier besser sehen als hören. Bemerkenswert ist das folgende Beispiel für kombinierte Wahrnehmung aus dem 12. Buch der Aeneis: Aen. 12,638f. Vidi oculos ante ipse meos me voce vocantem Murranum ... Hier liegt wieder emphatisches vidi im Sinne von ,ich selbst war Zeuge' vor;174 Traina z.St. verweist auf die Alliteration, die die Synästhesie verstärkt („esalta la sinestesia"). Mit dem folgenden Beispiel gehen wir zu den Stellen über, an denen videre bei der Beschreibung übernatürlicher Vorgänge (besonders von Prodigien und Prophezeiungen) vorkommt. In ihrer Beschreibung des Zaubers der sacerdos Massylae gentis sagt Dido: Aen. 4,490f. ... mugire videbis sub pedibus terram et descendere montibus ornos. Hier bewirkt die pointierte Zusammenstellung von mugire videbis am Versende eine Unterstreichung des unwirklichen Charakters der 173

Vgl. Austin z.St.: „The sea is a mass of confusion and noise."

174

S.o. S. 55.

Gesichtssinn als Bildspender

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beschriebenen Vorgänge: man kann Eschen nicht von Bergen steigen sehen, weil dies nicht vorkommt, und ein Dröhnen kann man erst recht nicht sehen, weil das Auge das falsche Sinnesorgan dafür ist. Dabei ist für videre hier eine emphatische Bedeutung ,du wirst Zeuge sein, wie ... / du wirst erleben, wie ...' anzunehmen. Nicht wenige übernatürliche Erscheinungen werden mit Hilfe von videri im Passiv beschrieben; vor allem bei Prodigien ist dieses Wort geradezu ein terminus technicus.175 Es ist dabei festzuhalten, daß ein Prodigium für den Römer nicht in den Bereich der Vorstellung gehört, sondern eine Realität darstellt. Deshalb liegt auch bei videri im Falle eines übernatürlichen Vorzeichens keine ,schwache' oder ,mediale" 76 Verwendung vor, sondern ein echtes Passiv (,gesehen werden', .wahrgenommen werden'). Dies wird nahegelegt durch Stellen, an denen an der Richtigkeit der Wahrnehmung nicht zu zweifeln ist, z.B. beim Vogelvorzeichen Aen. l,395f. nunc terras ordine longo / auf capere aut capias iam despectare videntur, oder georg. l,477f. ... simulacra modis pallentia miris / visa ... pecudesque locutae.177 Die Übersetzer neigen dazu, immer dann mit ,scheinen' zu operieren, wenn ihnen das Wahrgenommene zu phantastisch vorkommt.178 Aber es geht in diesen Fällen nicht darum, ob das Wahrgenommene zweifelsfrei existiert, sondern ob es zweifelsfrei wahrgenommen wird. Nur darüber macht videre - im Aktiv wie im Passiv - eine Aussage.

175

Vgl. Mommsen 1887, 87; Norden zu Aen. 6,256; Grassmann-Fischer 1966, 10 mit Anm. 6. Ein wichtiger Beleg für die Rolle, die videre bei der Beschreibung von Prodigien und Traumerscheinungen spielt, ist die Sammlung des Iulius Obsequens; zur Rolle von videre bzw. videri vgl. Silvana Rocca, Iulii Obsequentis Lexicon, Genua 1978, 178f., darunter .synästhetische' Beispiele wie in Cephallenia tuba in caelo cantare visa (Obseq. 14), fremitus ab inferno ad caelum ferri visus (Obseq. 46); Aristagorae ... Proserpina in quiete visa est dicere adversus tibicines se tubicinem comparasse (Obseq. 60a). 176

Vgl. Claflin 1942.

177

Vgl. die oben Anm. 175 gebotenen Beispiele aus Iulius Obsequens. Der von diesem bevorzugt exzerpierte Autor ist Livius; vgl. dort z.B. Liv. 3,10,6 eo anno caelum ardere visum, terra ingenti concussa motu est. 178 Z.B. in David Wests Übersetzung von Aen. 2,682-84 (ecce levis summo de vertice visus Iuli /fundere lumen apex, tactuque innoxia mollis / lambere flamma comas et circum tempora pasci): „... a light began to stream from the top of the pointed cap and the flame seemed to lick his soft hair and feed round his forehead without harming him." Der Anfang des Wunderzeichens (fundere lumen) wird als Tatsache erzählt, aber bei lambere comas beschließt der Übersetzer, sich zu distanzieren. Dabei werden beide Vorgänge einfach nur .gesehen'.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Ähnlich ist es bei Träumen: Wenn im zweiten Buch der Aeneis (v. 270f.) Hektors Geist dem Aeneas erscheint (in somnis, ecce, ante oculos maestissimus Hector/ visus adesse mihi ...), so ist an der Wirklichkeit dieser Erscheinung (nicht wirklich Hektor, aber wirklich Hektors Geist, Hektors Traumbild) nicht zu zweifeln.179 Auf keinen Fall soll die Übersetzung die Epiphanie als unwirklich darstellen. - Für unsere Untersuchungen ist dies deshalb von Belang, weil bei einem echten Passiv die Konnotation des Optischen noch stärker erhalten ist als beim ,Medium' (vgl. oben über audire videor). Letzteres kommt bei Vergil, zumal außerhalb ,übernatürlicher' Zusammenhänge, durchaus vor;180 aber auch da gibt es Fälle, die nicht eindeutig zuzuordnen sind. Aen. 3,90-92

vix ea fatus eram: tremere omnia visa repente, liminaque laurusque dei, totusque moveri mons circum et musire adytis cortina reclusis. Die Synästhesie ist durch das Zeugma nicht sehr stark, aber das Erdbeben ist wohl ebenso echt wie das Dröhnen des Dreifußes. An der folgenden Stelle, der Traumerscheinung Merkurs, wird die Tatsache, daß es nicht der Gott selbst, sondern ein Traumbild ist, durch forma dei ausgedrückt; es gibt aber keinen Grund, die Realität dieser forma noch einmal einzuschränken, indem man visa als bloßes ,Scheinen' auffaßt: Aen. 4,556f.

huic se forma dei vultu redeuntis eodem obtulit in somnis rursusque ita visa monere est... Man übersetzt wohl besser ,... erschien und mahnte ...' als ,schien zu mahnen'.18'

179

Vgl. hierzu Clark 1998, 841: „Translate rather: ,Lo! In my dream, I saw Hector standing there most sorrowful before my eyes, weeping profusely.'" Zum Traum in der Aeneis vgl. noch Wetzel 1931; Steiner 1955. - Als Prosabeleg vgl. Liv. 2,36,2 Tito Latinio ... somnium fuit: visus Iuppiter dicere sibi.... 180 Z.B. Aen. 4,460f. hinc exaudiri voces et verba vocantis / visa viri, ...; auch Aen. 2, 730-33 ist hier zu nennen (iamque propinquabam portis omnemque videbar / evasisse viam, subito cum creber ad auris / visus adesse pedum sonitus, genitorque per umbram / prospiciens ,nate', exclamat, .fuge, nate; propinquant ...'), obwohl Eden v. 732 als Erläuterung zu Aen. 8,35 anführt: „when not so weakened video is used alone in synaesthetic expressions where sight- and sound-impressions are closely linked, cf. A. 2.732 visus adesse pedum sonitus, A. 6.257 ... and in prose Cie. or. 168 ...". Aber hier liegt der von Eden beschriebene Fall gar nicht vor, denn es geht ausschließlich um ein Hören es sei denn, in visus adesse schwingt auch eine schemenhafte optische Wahrnehmung mit (vgl. prospiciens in v. 733). 181 Ähnlich Aen. 5,722f. visa dehinc caelo facies delapsa parentis / Anchisae talis effundere voces ...

subito

Gesichtssinn als Bildspender

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Etwas komplizierter ist es mit der folgenden Passage aus dem 8. Buch (dem ,Waffenprodigium' der Venus): Aen. 8,524-26 namque improviso vibratus ab aethere fulgor cum sonitu venit et ruere omnia visa repente Tyrrhenusque tubae mugire per aethera clangor. Zunächst ist nicht einzusehen, warum visa hier, wie Servius glaubt,182 ein .Scheinen' ausdrücken soll: Das von Venus gesandte Prodigium (signum v. 523) existiert und wird als solches wahrgenommen, Blitz und Donner aus heiterem Himmel ebenso wie die tyrrhenische Trompete. Es ist wohl die Bedeutung von ruere, die es den Übersetzern schwer machte, von echter Wahrnehmung auszugehen. Es ist natürlich denkbar, daß Venus nur Blitz und Donner schickt, während das Weitere subjektive Deutung der Betrachter ist, die für einen Moment glauben, daß durch die Wucht des Blitzes und des Lärms alles einstürzt, und für die der Donner klingt wie etruskische Kriegstrompeten. Aber in den beiden folgenden Versen werden die Waffen und ihr Getöse wirklich wahrgenommen: Aen. 8,528f.

arma inter nubem caeli in regione Serena per sudum rutilare vident et pulsa tonare.

Auch hier liegt in vident ... tonare eine Synästhesie vor, keine spektakuläre, wegen des Zeugmas mit rutilare, aber dennoch eine durchaus spürbare. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß bei diesem Vorzeichen die zweifelsfrei wahrgenommenen Phänomene eine Art Halluzination umrahmen, die nicht wörtlich zu verstehen ist, daß also visa in v. 525 eine andere Bedeutung haben soll als vident in v. 529. Zusätzlich kompliziert wird die Deutung dieser Stelle dadurch, daß v. 526 (Tyrrhenusque tubae mugire per aethera clangor) nicht von visa abhängig sein muß, sondern auch der Fall des sogenannten .historischen' Infinitivs vorliegen könnte. Diese Möglichkeit besteht noch an einigen anderen Stellen. Das erste Beispiel in der Aeneis ist: Aen. 2,772-75 infelix simulacrum atque ipsius umbra Creusae visa mihi ante oculos et nota maior imago, obstipui, steteruntque comae et vox faucibus haesit. tum sie adfari et cur as his demere dictis: ... Bei dieser Interpunktion (sie folgt Mynors und Austin) sind die Infinitive in v. 775 .historische', d.h. nicht von visa abhängig. Der gleiche Vers

182 bene autem temperavit dicens visa id est ad opinionem animi Serv. auet. z.St.; vgl. auch Grassmann-Fischer 1966, 10 Anm. 7: „ ... Verb des Scheinens ... [das] hyperbolisch die verstörten Gemüter charakterisiert."

64

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

kommt noch zweimal in der Aeneis vor, zunächst in 3,153 bei der Erscheinung der Penaten: Aen. 3,147-53 nox erat et terris animalia somnus habebat: effigies sacrae divum Phrygiique penates, quos mecum a Troia mediisque ex ignibus urbis extuleram, visi ante oculos astare iacentis in somnis multo manifesti lumine, qua se plena per insertas fundebat luna fenestras; tum sie adfari et curas his demere dictis: ... Auch hier folgt die Interpunktion der Ausgabe von Mynors. Williams z.St. hält es (bei gleicher, allerdings aus Hirtzels Text [Oxford 1900] reproduzierter Interpunktion) für wahrscheinlicher, daß kein historischer Infinitiv, sondern Abhängigkeit von visi vorliegt. - Das letzte Beispiel ist Aen. 8,35 (Voraussage des Tiber); obwohl die syntaktische Struktur hier ganz ähnlich ist wie in den beiden vorangegangenen Beispielen, interpungiert Mynors nach v. 34 schwächer: Aen. 8,31-35

huic deus ipse locifluvio Tiberinus amoeno populeas inter senior se attollere frondes visus (eum tenuis glaueo velabat amictu carbasus, et crinis umbrosa tegebat harundo), tum sie adfari et curas his demere dictis: ...

Ob diese Interpunktion etwas mit einer anderen Deutung dieser Stelle zu tun hat, ist schwer zu beurteilen. Eden (z.St.) ist unentschlossen, welche Konstruktion vorliegt; für den Fall der Abhängigkeit von visus verweist er aber auf die Synästhesie („in strict logic auditus adfari would be required"). Die Neigung, an diesen Stellen historische Infinitive zu sehen, rührt natürlich einerseits von der ansonsten recht langen Parenthese her, ist z.T. aber auch mit der Irritation über die Synästhesie verknüpft.183 Ähnlich uneins wie in den vorangegangenen Fällen sind die Kommentatoren auch beim folgenden Beispiel (Aeneas opfert mit der Sibylle vor dem Eingang zur Unterwelt): Aen. 6,255-58 ecce autem primi sub limina solis et ortus sub pedibus mugire solum et iuga coepta moveri

183 Vgl. G. P. E. Wagner, Quaestiones Virgilianae, Quaestio XXX, De infinitivo absoluta, in: C. G. Heyne, G. P. E. Wagner (Hg.), Virgilii opera, Leipzig - London 4 183041, Nachdr. Hildesheim 1968, 516: „non recte enim Wunderlich ad 11,775. statuit, hos infinitivos pendere ex verbo praegresso visa est, visi sunt, quod his locis non valet δοκεΐν, sed όφθήναι." (Wagner wird wohl kaum meinen, von videri im Simme von όφθηναι könne kein Infinitiv abhängig sein.)

Gesichtssinn als Bildspender

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silvarum, visaeque canes ululare per umbram adventante dea.... Norden z.St. verbindet visae άπό κοινοϋ mit mugire und ululare und verweist auf die für Prodigien typische Verwendung von videri.1*4 Austin (z.St.) sieht dagegen mugire als historischen Infinitiv an und erklärt die Bedeutung von visae mit „they thought they heard howling". Dies könnte stimmen, da ansonsten der doch unwahrscheinliche Fall vorläge, daß mit videri ein ausschließlich akustischer Eindruck eingeleitet wird. Aber denkbar ist auch, daß visae canes ululare per umbram hier heißt: ,man vernahm aus dem Dunkel das Gebell von Hunden'.185 Die optische Wirkung der ganzen Passage wird dabei durch ecce noch unterstrichen. Es scheint uns ausgeschlossen, daß an den eben zitierten Stellen immer ein historischer Infinitiv vorliegen soll. Es ist unwahrscheinlich, daß dieses in der Aeneis nun nicht gerade sehr häufige Phänomen derartig oft in der Nähe von Formen von videri vorkommen soll. Beim antiken Leser, der ja nicht durch die Interpunktion geleitet wurde, dürfte sich in den entsprechenden Passagen ganz zwangsläufig das Gefühl einer syntaktischen Abhängigkeit von visus (visa etc.) eingestellt haben. Man könnte noch an eine Art von gleitendem Übergang denken, bei dem sich die Infinitive aus ihrer Abhängigkeit von visus lösen und .verselbständigen'; aber auch hier ist nicht daran zu zweifeln, daß visus noch - wenn auch schwächer - nachwirkt. Bei den in diesem Kapitel bislang betrachteten Passagen, in denen videre Verwendung findet, liegt ein für uns nicht mehr so leicht faßbarer, geradezu formelhafter Gebrauch von videre in der Bedeutung , Sehen von etwas Ungeheurem, kaum Glaublichem; religiös-ehrfürchtiges Sehen' bzw. .Wahrnehmen einer Offenbarung oder eines Traumes' vor.'86 Diese emphatische Bedeutung ist auch in Verbindung mit nicht-optischen Wahrnehmungen anwendbar und tritt auch in der passivischen Variante von videri auf. Der synästhetische Effekt ist dadurch zwar weniger stark als bei einer wörtlichen Übersetzung ins Deutsche, aber er dürfte noch ein wenig empfunden worden sein;187 die Synästhesie ist dann sowohl 184

Nordens Bemerkungen zu dieser Stelle gehören zu den wenigen ausfuhrlicheren Betrachtungen zur Synästhesie bei Vergil, ohne daß der Terminus genannt wird. 185

Vgl. die Übersetzung von West: „... dogs could be heard howling in the darkness."

186

Zum mit emphatischen Sonderbedeutungen gleichsam .aufgeladenen' videre (.Zeuge sein', .verstehen', .wahrnehmen' etc.) vgl. auch die Verwendung von me vide im Sinne von .verlaß dich auf mich' in der plautinischen Komödie (vgl. Riemer 1996, 102104). 187

Zumindest wurde er von den antiken Kommentatoren bemerkt.

66

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Manifestation des übernatürlichen Elements als auch Beschreibung der Wirkung dieses Erlebnisses auf den .Betrachter', sie bringt dessen Erschrecken und Verstörung zum Ausdruck. Man wird aber in diesen Fällen gerade nicht von einer subjektiven Abschwächung der Wahrnehmung im Sinne eines bloßen , Scheinens' ausgehen dürfen. Die eher harte Synästhesie, die sich bei einer wörtlichen Übersetzung einstellt, hat wohl zusammen mit der bequemen, der lateinischen Syntax entsprechenden Übersetzungsmöglichkeit des , Scheinens' zu einer Überbewertung des Aspekts der Unwirklichkeit geführt. Eine Übersetzung sollte eher mit Wendungen wie .wahrnehmen', ,träumen', .erschien mir ... und sagte ...' operieren.

3.2.1.4

Andere augusteische Dichter

Bei Horaz gibt es ausschließlich Fälle von kombinierter Wahrnehmung, die nicht sehr auffällig sind. epod. 2,11 f. (ganz besonders blaß, aber wieder mit mugire): aut in reducta valle mugientium prospectat errands greges. sat. 2,8,77f. ... tum in lecto quoque videres stridere secreta divisos aure susurros. Dieses Beispiel ist etwas kühner, da susurros direktes Objekt zu videres ist. carm. 1,14,3-6 ... nonne vides ut nudum remigio latus et malus celeri saucius Africo antemnaeque semant Vgl. Nisbet/Hubbard zu dieser Stelle: „there is nothing unusual about the verb of sound following vides." Bentley dachte anders: „placetne illud vides ut gemanfl oculisne percipi poterit gemitus? crediderim gemitum auribus potius sentiri."188 Die Kombination vides ut... gemant ist jedenfalls auffalliger als die folgende Passage:

188 Vgl. Jacob Grimms Reaktion hierauf in Grimm 1848, 1: „den Bentley beschleicht . krittelei".

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carm. 2,13,22-27

67

et iudicantem vidimus Aeacum sedesque discretas piorum et Aeoliis fidibus querentem Sappho puellis de popularibus, et te sonantem plenius aureo Alcaee, ...

Erwähnenswert ist vielleicht noch epist. 1,7,78, wo Volteius Mela im Wagen des Philippus das Sabinerland preist, von Philippus aber gesagt wird: videt ridetque. Bei Tibull findet sich keine erwähnenswerte Realisierung dieses Bildfeldes.189 Properz scheint dagegen etwas kühner in seiner Verwendung von Verben des Sehens zu sein. Die markantesten Stellen sind: Prop. 2,16,49f. vidistis toto sonitus percurrere caelo, fulminaque aetheria desiluisse domo? Vgl. Enk z.St.: „vidistis hic est κατάχρησις pro audistis." Prop. 1,17,6 aspice, quam saevas increpat aura minasm Hier könnte man darauf verweisen, daß der Indikativ increpat das aspice eher als Einschub erscheinen läßt und die beiden Verbalhandlungen grammatisch und somit auch sachlich weniger voneinander ,abhängen'.191 Im folgenden Beispiel, bei dem es um das Sehen eines Geruchs geht, besteht dagegen eine stärkere Abhängigkeit: Prop. 2,29,37f. aspice ut in toto nullus mihi corpore surgat spiritus admisso notus adulterio. Weniger auffallend sind die kombinierten Wahrnehmungen Prop. 2,26,1-3 vidi te in somnis fracta, mea vita, carina / Ionio lassas ducere rore manus, / et quaecumque in me fueras mentita fateri; 2,30,27f. illic aspicies scopulis haerere Sorores / et canere antiqui dulcia furta Iovis und erst recht 3,4,13f. ... videam spoliis oneratos Caesaris axis, / ad vulgiplausus saepe resistere equos. Bemerkenswerter ist 4,7,27f.: denique quis nostro curvum te funere vidit/ atram quis lacrimis incaluisse togam? Der wärmende Effekt der Tränen kann nicht gesehen, aber natürlich erschlossen werden.

189 Vgl. allenfalls Tib. 1,2,91-93 vidi ego, qui iuvenum miseros lusisset amores, Veneris vinclis subdere colla senem/et sibi blanditias tremula componere voce ... 190 191

/post

Dieses Beispiel auch in Lobeck 1846, 337.

Rothsteins Kommentar z.St. ist auch leicht synästhetisch: „Davon soll sie sich selbst durch einen Blick auf das stürmische Meer überzeugen, dessen Tosen hier, wie es scheint, mit dem Schelten einer erzürnten Frau verglichen werden soll."

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

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Auch bei Ovid finden sich Beispiele für die Kombination von videre mit nicht-optischen Wahrnehmungen, wobei bisweilen wie bei Vergil unsicher ist, ob ,passivisches' oder .mediales' videri vorliegt; einige Beispiele, vor allem aus den Metamorphosen: hoc aditu vidi tetricae data verba puellae (ars 1,721; vidi wieder im Sinne von ,habe selbst gesehen', ,kann bezeugen'); redditus orbis erat; quem postquam vidit inanem/ et desolatas agere alta silentia terras (met. 1,348f.); tollens ad sidera vultus / et gemitu et lacrimis et luctisono mugitu / cum love visa queri finemque orare malorum (met. 1,731-33); torrentem ... / lenius et modico strepitu decurrere vidi (met. 3,568f.); saepe illum gemitus edentem, saepe frementem /... /... videres (met. 9,207-9); Byblida non aliter latos ululasse per agros / Bubasides videre nurus (met. 9,643 f.); visa tepere est (met. 10,281 von Pygmalions Statue: wohl eindeutig ,es schien ihm, als sei sie warm'); cernunt/ Orphea percussis sociantem carmina nervis (met. 11,4f.); hanc ubi lustrantem leni sua castra volatu / Mopsus et ingenti circum clamore sonantem / adspexit ... (met. 12,527-29); ... nymphae quoque ftere videntur / siccatosque queri fontesm (met. 13,689f.); visus adesse idem deus est eademque monere (met. 15,32, die bereits erwähnte technische' Bedeutung von videri)·, ossa gravem dare fracta sonum ... videres {met. 15,527). Eine Nachahmung Vergils liegt im 14. Buch der Metamorphosen vor. Nachdem Circe Picus verwandelt hat und von dessen Gefolge bedrängt wird, wehrt sie sich mit allerlei Zauber (met. 14,409-411): ... et lapides visi mugitus edere raucos, et latrare canes et humus serpentibus atris squalere et tenues animae volitare videntur. Börner z.St. geht davon aus, daß videri hier ,scheinen' heißt: „Ovid mildert, geradezu formelhaft, seine Behauptung durch visi..." Die Kommentierung Nordens zu Aen. 6,257 („stehender Ausdruck des Prodigienstils", s.o.) wird von ihm als „zu eng" bezeichnet unter Verweis auf met. 4,402. Dort heißt es (402-404): tecta repente quati pinguesque ardere videntur lampades et rutilis conlucere ignibus aedes falsaque saevarum simulacra ululare ferarum. Auch hier „mildert" für Börner (z.St.) „videri... die Ungewöhnlichkeit der Darstellung". Die anderen, nicht minder ungewöhnlichen Elemente, die in v. 389ff. beschrieben werden, sind dagegen nicht derartig abgemildert (391-95: ... tympana cum subito non apparentia raucis /obstrepuere sonis 192

Börner z.St. glaubt an ein .Scheinen': „Götter, also auch Nymphen, weinen nicht".

Gesichtssinn als Bildspender

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et adunco tibia cornu / tinnulaque aera sonant et olent murraeque crocique; / resque fide maior: coepere virescere telae / inque hederae faciem pendens frondescere vestis ...); dies gilt auch für die dem ,Muhen' der Steine in 14,409 vorausgehenden Verse (406-408: exsiluere loco (dictu mirabile) silvae / ingemuitque solum, vicinaque palluit arbor, / sparsaque sanguineis madueruntpabula guttis /et lapides ...). Und an der von Börner noch herangezogenen Stelle met. 15,508-510 (Hippolytos-Geschichte) heißt visus ohne Zweifel .wurde gesehen': cum mare surrexit cumulusque inmanis aquarum in montis speciem curvari et crescere visus et dare mugitus summoque cacumine findi.193 Die Frage nach der Realität der mir videri eingeführten Erscheinungen ist natürlich verbunden mit der Rolle des Erzählers in den Metamorphosen und der möglichen Distanzierung von dem, was er berichtet. Dies kann und soll hier für den Fall von videri nicht abschließend entschieden werden; aber auch wenn man die von uns angenommene prägnante Bedeutung von videre bei übernatürlichen Vorgängen zugrundelegt, deuten Variationen, wie sie in met. 9,686-8194 bzw. in met. 9,782195 vorliegen, darauf hin, daß der Dichter die Doppeldeutigkeit von videri bewußt ausnutzt.196 *

Friedrich führt zu Catull 62,9 noch ein Beispiel aus der Ciris an, das in gewisser Verbindung zur bereits besprochenen Passage Lucr. 4,263 steht: Ciris 182 tabidulam ... videt labiper viscera mortem, ... Scylla fühlt die Liebe als Tod durch ihr Inneres gleiten, und dieses Gefühl kann sie auf keinen Fall sehen. Man sollte hier jedoch die Neigung des 193

Von Albrecht übersetzt zu Recht: „... da erhob sich plötzlich die See, und i c h s a h , wie sich ein gewaltiger Wogenschwall gleich einem Berg emporwölbte und wuchs. Dumpfes Brüllen l i e ß er v e r n e h m e n und teilte sich ganz oben an der Spitze." 194

cum medio noctis spatio sub imagine somni / Inachis ante torum pompa comitata sacrorum / aut stetit aut visa est. Vgl. die Fortsetzung 695f. tum velut excussam somno et manifesta videntem /sie adfata dea est. ... 195 196

visa dea est movisse suas (et moverat) aras.

Vgl. Bernbeck 1967, 102 Anm. 47 (zu met. 1,731-33, s.o.): „Freilich ist ... videri doppeldeutig. Es kann einerseits bedeuten, daß ,nur scheinbar' das alte Wesen in der neuen Form erkennbar blieb ..., andererseits, daß es tatsächlich noch ,zu sehen' war. Auch bei dieser letzten Annahme ergibt sich durch die Umschreibung mit videri eine Erhöhung der Überzeugungskraft des Dargestellten: das Verhalten des neuen Wesens macht die rational unerklärliche Immanenz des alten deutlich." Bembeck führt als Beispiel noch met. 1,567 an: Der Lorbeer (vormals Daphne) adnuit utque caput visa est agitasse cacumen.

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

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Ciris-Dichters bedenken, in einer Art Cento-Technik vorgefundene Verse bzw. Versteile seinem Gedicht zu inkorporieren. Lyne z.St. spekuliert, daß ein Vers aus Cinnas Smyrna Vorbild sein könnte. Und dort könnte videt durchaus von jemandem gesagt sein, der die Auswirkung der Liebeskrankheit bei einer anderen Person wahrnimmt (Lyne denkt an eine Amme). Natürlich ist es dennoch bezeichnend, daß der Ciris-Dichter die neue Zuordnung dieses Verses vornehmen konnte, ohne zu furchten, übergroßen Anstoß zu erregen.'97

3.2.2

caecus

Auch ein Gegenteil des Bildfeldes ,Nicht-Sichtbares wird gesehen' ist als Metapher belegt: die Unsichtbarkeit, Dunkelheit etc. als Bild für die Unmöglichkeit oder Schwierigkeit der Wahrnehmung durch andere Sinne. In dieser Kategorie ist an erster Stelle caecus zu nennen. Dieses Adjektiv hat eine äußerst bemerkenswerte Bedeutungsentwicklung durchlaufen. Bereits seit Plautus sind sowohl aktivische als auch passivische Bedeutungen belegt, caecus kann also nicht nur denjenigen meinen, der nichts sieht, sondern auch etwas bezeichnen, das man nicht sehen kann;198 von beiden Grundbedeutungen ausgehend gibt es metaphorische Erweiterungen: aktivisch auf den Geist bezogen (,verblendet' u.ä.), passivisch im Sinne von .unsicher, nicht erkennbar'.199 Der hier zu behandelnde synästhetische Bezug auf andere Sinnessphären ist auf die Dichtung beschränkt und nur für den akustischen Sinn belegt. Zum ersten Mal kommt er bei Vergil200 vor: 197 Weitere Belege fur .synästhetisches' videre aus nachaugusteischer Dichtung sind hier nicht mehr erfaßt; vgl. aber noch Langen zu Val. Fl. 7,586 viso pallescit flamma veneno: der feuerschnaubende Stier kann das von Medea auf Jasons Schild aufgetragene Zaubermittel wohl eher fühlen als sehen. Leo (1897, 954) weist noch auf das ebenfalls bei Valerius Flaccus überlieferte cantus respice (4,387) hin. - Einen Beleg für den Bezug von videre auf den Geschmackssinn glaubt Karl Emst Georges' Lateinisch-deutsches Handwörterbuch (Hannover 8 1913, Nachdr. Darmstadt 1973) bei Celsus zu finden (2,30,2, über .stopfende' Speisen): caseus qui vehementior vetustatefit vel ea mutatione quam in eo transmarine videmus . . . . Freilich kann sich der Käse aus Übersee auch optisch verändert haben. 198 Vgl. im Deutschen .blinder Passagier'. Vgl. ThlL 3,44,70ff.; OLD s.v. caecus 311; Norden zu Aen. 6,30; Maurach 1989, 139f.; Maurach 1995, 1 lOf. 199 200

Vgl. ThlL 3,43,38ff. und 3,45,83ff.

Vgl. ThlL 3,46,4-9; OLD s.v. caecus 8. In der ursprünglichen Bedeutung findet sich caecus im übrigen bei Vergil überhaupt nicht (vgl. Eden zu Aen. 8,253 und EV s.v. caecus).

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In Aen. 10,96-99 wird die Reaktion der Götterversammlung auf Junos Rede mit einem im Entstehen befindlichen Sturm verglichen: Talibus orabat Iuno, cunctique fremebant caelicolae adsensu vario, ceu flamina prima cum deprensa fremunt silvis et caeca volutant murmura venturos nautis prodentia ventos. Da Vergil als erster (für uns faßbarer) römischer Autor caecus auf Laute bezogen verwendet, sind wir für die Deutung der Stelle auf die Grundbedeutungen, die zu Vergils Zeit bereits etablierten metaphorischen Bedeutungen und den Kontext der Stelle angewiesen. Man wird kaum daran denken wollen, daß hier die aktivische Bedeutung von caecus im Hintergrund steht; das von der Götterversammlung ausgehende Gemurmel ist schwer wahrnehmbar. Harrison (z.St.) deutet caeca murmura als nicht differenziert wahrnehmbares Geräusch und damit als Synästhesie201 („indiscriminate noise ... a poetic μετάληψις αισθήσεως"); man kann die Urheber des murmur nicht einzeln hören, und man kann damit auch die Richtung, aus der das Gemurmel kommt, nicht genau bestimmen. Da die Pointe des Vergleichs mit den aufkommenden Winden gerade darin liegt, daß auch in der Götterversammlung nicht leicht zu erkennen ist, wer nun eigentlich Juno murmelnd zustimmt, dürfte diese Erklärung zutreffen.202 Vergil spricht noch einmal von murmur caecum: Ein Bienenschwarm wird ausgeräuchert (Aen. 12, 589-92): illae [sc. apes] intus trepidae rerum per cerea castra discurrunt magnisque acuunt stridoribus iras; volvitur ater odor tectis, tum murmure caeco intus saxa sonant, vacuas it fumus ad auras. Hier wird mit ,blind' das Summen der Bienen im Stock bezeichnet; dies kann, im Sinne Harrisons, wieder soviel wie ,ununterscheidbar, undifferenziert' bedeuten; doch scheint es nicht nötig zu sein, für einen Schwärm Bienen herauszustellen, daß man kein einzelnes Summen erkennen kann. Andere Interpretationen sind hier plausibler: - Das Summen ist ,blind', weil man die Bienen als die Urheber des Geräuschs im Stock nicht sehen kann und somit auch das Geräusch selbst nicht genau lokalisierbar ist.203 201

Die er auch in seiner Übersetzung der Stelle beibehält: „unseen rumblings".

202

Wegen der durch murmur geleisteten .Interaktion' (Bildempfängervokabular im Bildspender, vgl. hierzu Silk 1974) wird der Leser dazu eingeladen, b e i d e Bereiche, die Götterversammlung wie auch den in den Wäldern entstehenden Wind, zur Erläuterung des jeweils andern heranzuziehen, vgl. auch hierzu Harrison z.St. 203

Vgl. OLD 7a.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

- Die Bienen sind .blindwütig': Diese Erklärung würde in Form einer Enallage die aktivische Bedeutung von caecus ins Spiel bringen (das Summen der Bienen, die blind sind vor Erregung); da durch ater odor die blindmachende Funktion des Rauches angedeutet ist, ist diese Deutung nicht auszuschließen, ja man kann sich fragen, ob man beim vorliegenden Gleichnis nicht zwangsläufig bei caecus auch die ,blind anstürmenden' Bienen assoziieren muß.204 - Man könnte an eine synästhetische semantische Entwicklung vom .dunklen' zum .dumpfen' Ton205 denken. Diese Möglichkeit, daß caecus eine rein akustische Kategorie darstellt, kommt auch bei der ersten zitierten Vergilstelle (Aen. 10,98) schon in Betracht.206 Man kann an einen Einfluß von fuscus denken, das ebenfalls auf Laute ausgedehnt wird (und dann den Gegenpol zu Candidus bildet).207 Es gibt aber keinerlei Hinweis, daß caecus jemals in dieser Weise aufgefaßt wurde; auch wenn Dichter nach Vergil caecus auf Laute beziehen, läßt sich diese Verwendung durch Rückgriff auf die etablierten Bedeutungen erklären. Auch Seneca verwendet in den Troades bei der höchst pathetischen Schilderung von Prodigien caecus zur Charakterisierung eines Geräuschs (Tro. 168-72): pavet animus, artus horridus quassat tremor, maiora veris monstra (vix capiunt fidem) vidi ipse, vidi, summa iam Titan iuga 170 stringebat ortu, vicerat noctem dies, 170a cum subito caeco terra musitu fremens concussa totos traxit ex imo sinus Hier scheint caecus mugitus ein Dröhnen aus dem Erdinnern zu bezeichnen, wie es bei Erdbeben in der Vorstellung der Antike üblich ist (vgl. Sen. nat. quaest. 6,13,5); caecus heißt deshalb hier mit großer Wahr-

204

Vgl. OLD 3.

205

Im Sinne von OLD 8a „muffled, hoarse".

206

Vgl. Traina zu Aen. 12, 591 „caeco: ,sordo' (opposto al suono acuto di stridoribus), propriamente .invisibile' (cf. intus), valore passivo frequente soprattutto in poesia ...; ma in V. per la prima volta riferito, con una ... sinestesia, ad astratti di suono". 207

Erster Beleg bei Cie. nat. deor. 2,146 in einer Aufzählung von Kategorien der Tonhöhe, die deutlich macht, wie stark synästhetisch dieser Bereich auch im Lateinischen ist: ... vocis genera permulta, canorum fuscum leve asperum grave acutumßexibile durum quae hominum solum auribus iudicantur. Vgl. auch Cie. de orat. 3,216.

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scheinlichkeit soviel wie .verborgen'208 (Elaine Fantham übersetzt „rumbling with a roar from underground"209). Bei Valerius Flaccus (2,460f.) finden wir die Junktur caecus clamor·, Bauern hören (in einem Gleichnis), wie ein Stier brüllt, der von einem Löwen angegriffen wird: ... coit e sparso concita mapali agrestum manus et caeco clamore coloni. Langens Erklärung zu dieser Stelle („in quo nihil discernas, cum omnes simul clament" - ganz im Sinne Harrisons) dürfte zutreffen;210 Langen führt allerdings auch Aen. 12,591 als Beleg für diese Bedeutung an. Die Parallele ist durchaus treffend, aber eher deshalb, weil man die aktivische Bedeutung von caecus bei den aus ihren Hütten stürzenden coloni auch hier, wie bei den Bienen, noch mitempfinden dürfte (Rupprecht übersetzt „blindlings schreiende Siedler"). Ausgeschlossen ist an dieser Stelle die Bedeutung .verborgen'. 2 " Murmur caecum kommt, in Anlehnung an Vergil, noch bei Silius (9,281, s.u.) vor sowie bei Iuvencus 2,169 (Uli inter sese tractantes murmure caeco, vom Volk, das ungläubig das Wort Jesu vom Wiederaufbau des Tempels in drei Tagen kommentiert - eine eindeutige Variation von Aen. 10,98). Bei Silius wird die Bedeutung ,nicht differenziert wahrnehmbar' aus dem Zusammenhang ganz deutlich, weil die ,Einzelkomponenten' des beschriebenen Geräuschs genannt werden (Sil. 9, 278-281): Iamque propinquabant acies, agilique virorum discursu mixtoque simul calefacta per ora cornipedum hinnitu et multum crepitantibus armis errabat caecum turbata per agmina murmur. Die beschriebenen Geräusche addieren sich wohl kaum zu einem besonders ,dunklen' oder .dumpfen' Gesamteindruck auf. Es bleibt festzuhalten, daß es eher nicht geboten ist, bei caecus an eine Bedeutungsentwicklung ähnlich wie bei fuscus zu denken. Die im ThlL gegebene Definition („de iis rebus quae cognosci male possunt, vel 208 Silius Italicus verwendet bei seiner Schilderung des Ätnaausbruchs caeci fragores ganz analog zur Seneca-Stelle vom Getöse im Innern des Berges: murmure per caecos tonat irrequieta fragores (Sil. 14,60) 209

In ihrem Kommentar z.St.

210

Zustimmend Poortvliet z.St.: „probably correct".

211

Poortvliet zu Val. Fl. 2,461 nimmt für die Beispiele bei Vergil, Seneca und Silius (14,60) die Bedeutung „of which the origin cannot be traced" an, betrachtet Valerius' Verwendung also als Neuerung.

74

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

quarum causae non cognoscuntur, fere i.q. incognitus, incertus")212 genügt zur Erklärung der jeweiligen Stellen, falls man nicht, wie angedeutet, die aktivische Komponente noch mithören will; für die semantische Einordnung des OLD („muffled, hoarse") gibt es keinen rechten Grund (vor allem nicht für „hoarse", das wohl aus der Valerius-Flaccus-Stelle herausgelesen ist). Die verschiedenen Zweige der Bedeutungsentwicklung sind durch die schillernde Verwendung des Adjektivs bei Vergil begründet.213

3.2.3

Weitere Bildfelder

alta silentia Die Bezeichnung eines Schweigens als ,tief, d.h. die Kombination von akustischem Eindruck (hier natürlich ein nicht vorhandener akustischer Eindruck) mit einer Orientierung im Raum, kann ebenfalls als optische Synästhesie betrachtet werden.214 quid me alta silentia cogis / rumpereni iurantem me scire nihil mirantur, ut unum scilicet egregii mortalem altique silenti. Ov. met. l,348f. redditus orbis erat; quempostquam vidit inanem et desolatas agere alta silentia terras ... Die bei Börner z.St. aufgeführten Parallelen (außer den bereits zitierten noch Sen. dial. 6,5,2, Calp. ecl. 2,17 und Sil. 5,2) lassen sich um Quint, inst. 10,3,22 ergänzen: nach der Seneca-Stelle ist dies der einzige Prosabeleg.

Aen. 10,63f. Hör. sat. 2,6,57f.

212

ThlL 3,45,83; die Definition im Lexikon von Forcellini ist ein wenig unglücklich: „de iis quae sensu auditus non percipiuntur". 213

Im ThlL wird noch Stat. silv. 5,5,82 (ThlL 3,46,4; Druckfehler bei der Stellenangabe) angeführt; überliefert ist jedoch hier vulnera caeca, und die von manchen Herausgebern vorgeschlagene Konjektur murmura (von Courtney in der Oxoniensis weder in den Text noch in den Apparat aufgenommen) ist nicht zwingend. Das OLD (s.v. caecus 8a) übersieht Vergil und nennt als ersten Beleg die Silius-Stelle. 2.4

Die natürlich der Bezeichnung des Schlafes bzw. der Nacht als ,tief sehr nahe steht, vgl. ThlL 1,1780,3-27. 2.5

Zu rumpere s.u. S. 154.

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ater Am Beispiel von ater läßt sich sehr deutlich der Charakter der Synästhesie als .kühner Metapher' aufzeigen. Von der ursprünglichen Bedeutung als Farbadjektiv hat sich ater zu einem allgemeinen Gefuhlswort entwickelt, das nicht mehr bedeutet als .unheilvoll', am deutlichsten wohl in der Junktur dies ater. Bei Vergil wird in dem unter caecus bereits erwähnten Bienengleichnis das Farbwort auf den Geruch übertragen (Aen. 12,58792): inclusas ut cum latebroso in pumice pastor vestigavit apes fumoque implevit amaro; 588 volvitur ater odor tectis, tum murmure caeco intus saxa sonant

591

Servius bemerkt zu dieser Stelle: ater odor: nove. nam in odore quis color est? Sed hoc dicit, odor atrae rei, fumi scilicet [-] ,ater odor', id est pessimus, ut ,fumoque implevit amaro'. Die zweite Deutung wäre eine recht simple Erklärung, die aber dem sonstigen Gebrauch von ater bei Vergil zuwiderläuft; er verwendet dieses Adjektiv sonst nicht in einer Weise, die ausschließlich der allgemeinen metaphorischen Bedeutungserweiterung .unglücklich', .unselig' entspricht,216 d.h. er kombiniert es nicht mit .weit hergeholten' Substantiven wie z.B. abstrakten Zeiteinheiten {dies)\ vielmehr steht es immer bei Konkretem, das zunächst einmal den Versuch der sachlichen Kombination erlaubt. Stößt dieser Versuch dann auf Schwierigkeiten, weil z.B. odor oder auch ignis nicht primär als dunkel empfunden werden, muß diese Spannung ausgeglichen werden, ater odor läßt sich dann auffassen als vom Rauch auf den Geruch übertragene Eigenschaft, in einer Verschränkung, die analog ist zu dem in v. 588 erwähnten fumus amarus.211 Auf dieser Deutungsebene kann man dann die etablierte metaphorische Färbung des Wortes in die Interpretation mit hineinnehmen, aber in einer Weise, die das unmittelbare, auf die Sinneswahrnehmung bezogene Moment nicht ausschließt, sondern in seinem Recht beläßt.2'8 216

Vgl. Worstbrock 1963, 184: „Es ist wesentlich, daß Vergil dem ater die propria vis verbi erhält, es also nicht in einer Verbindung wie dies ater gebraucht. Das Farbwort bezeichnet zuerst immer eine anschaubare reale Eigenschaft eines Gegenstandes." Vgl. auch die Zusammenstellung bei Edgeworth 1992, 74-85. 217 218

Vgl. Servius' ersten Kommentar und Traina z.St.

Vgl. auch hierzu Worstbrock 1963, 184: „Eine Synästhesie wie ater odor (12, 599) zeigt, daß mit ater nicht mehr eigentlich das Auge angesprochen, sondern durch das Medium zweier Sinneseindrücke eine Empfindung hervorgerufen wird. So eindrucksvolle Prägungen wie face atra vim ferre (10,77), atro lumine tument taedae (7,456, gemeint sind die Fackeln der Allecto), subiectis ignibus atris (11,186) werden nicht erfaßt, wollte man

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

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clarus, clarescere Ein ebenfalls sowohl für optische als auch akustische Wahrnehmungen gebrauchtes Adjektiv ist clarus;219 hier ist jedoch - unter Vernachlässigung der Etymologie220 - keine Entwicklung der einen zur anderen Bedeutung festzustellen; beide Varianten sind sehr früh belegt.221 Bei Vergil lassen sich die optische, akustische und auch die übertragene Bedeutung gleichermaßen nachweisen.222 Bei der akustischen Verwendung kann man im übrigen so gut wie nie abschließend entscheiden, welche akustische Qualität durch clarus ausgedrückt wird, die Tonhöhe, die Deutlichkeit oder die Lautstärke des Tones; der Kontext bietet dazu meist nur wenige Anhaltspunkte.223 Erwähnt sei aber die Entwicklung beim Verb clarescere. Es wird erstaunlicherweise in der erhaltenen lateinischen Literatur nur dreimal von Geräuschen benutzt;224 in der Dichtung findet man es in dieser Bedeutung nur bei Vergil: Aen. 2,301 clarescunt sonitus armorumque ingruit horror. Bei Gellius (5,7,2) ist eine (falsche) Erklärung des Grammatikers Bassus für die Herkunft des Wortes persona überliefert (von personare ,hindurchtönen'); auch dort wird clarescere im akustischen Sinne gebraucht: Quoniam igitur indumentum illud oris clarescere et resonare vocem facit, ob earn causam ,persona'dicta est,ο' litterapropter vocabuli formam productiore. Weiss übersetzt clarescere hier vermutlich richtig mit ,den Stimmklang verschärfen'; eindeutig ist dies aber nicht. Keinen den metaphorischen Gebrauch von ater zu Hilfe holen. Hier liegt keine gedankliche Übertragung vor, vielmehr ist zunächst eine optische Vorstellung da, und sie bleibt, eröffnet aber die Perspektive ins Seelische, und hier erst erschließt sich die tatsächliche Bedeutung der Epitheta." Für uns ist natürlich auch diese Verwendung von ater eine Metapher, es wird lediglich der lexikalisierte metaphorische Gebrauch von ater nicht aktiviert. - Zu ignes atrae als .kühne Metapher' siehe oben S. 32 Anm. 92. 219

Vgl. Struck 1954, 112.

220

Ursprünglich akustisch, mit clamare verwandt. Vgl. das deutsche .hell', das ebenfalls zunächst eine Tonkategorie bezeichnete (Schräder 1969, 17). 221 Plautus (u.a. Amph. 1120: voce clara) für die akustische und Ennius (ann. 555 Sk.: fulmine claro) für die optische Verwendung (vgl. ThlL 3,1271,29.74). 222 Erwähnenswert ist ein Spiel mit optischer und übertragener Verwendung in Aen. 8,47f.: ex quo ter denis urbem redeuntibus annis / Ascanius clari condet cognominis Albam. Das cognomen yrAlba" ist sowohl ,hell' (da ,weiß') als auch berühmt; vgl. Heyne z.St. und O'Hara 1996,201. Zu Aen. 2,705 clarior ignis auditur s. unten S. 83f. 223

Vgl. Horsfall zu Aen. 7,141.

224

ThlL 3,1264,21-26; optische Bedeutung: ThlL 3,1264,27ff., seit Lukrez bezeugt.

Gesichtssinn als Bildspender

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Zweifel läßt die dritte Stelle zu, an der clarescere im akustischen Sinn gebraucht wird. Bei Quintilian heißt es (inst. 1,11,7): ... cantus tibiarum, quae praeclusis, quibus clarescunt, foraminibus, recto modo exitu graviorem spiritum reddunt. Hier ist durch den .technischen' Verweis auf ein Musikinstrument der semantische Gehalt von clarescere objektiv feststellbar. , cruentum signum' Aen. 1 l,474f. bello dat signum rauca cruentum /bucina: hier wird man an eine Enallage denken {bello cruento)·, dennoch ist die Zusammenstellung effektvoll: Die weitergehende Wirkung des Trompetentons als Anfeuerung zum blutigen Krieg wird auf die unmittelbare akustische Wirkung des Lauts übertragen. , discolor aura' Bei Vergil heißt es im sechsten Buch der Aeneis von den Vögeln der Venus (204f.): sedibus optatis gemina super ardore sidunt discolor unde auri per ramos aura refulsit. Die Verbindung discolor aura refulsit erscheint kühn (und ist in der lateinischen Dichtung singulär). Sie ist wohl ein stark verkürzter Ausdruck eines komplexen Vorgangs, bei dem optische Wahrnehmung (das Schimmern des goldenen Zweiges zwischen vom Wind bewegten Blättern) und taktile Wahrnehmung (das Wehen des Windes) zusammenkommen. Vgl. Norden z.St., der eine Deutung Friedrich Leos zitiert: „der Windhauch des Goldes glänzt, d.h. das im Winde bewegte Gold; und zwar discolor, denn wegen des Windes sieht man wechselnd grün und gold." Servius z.St. sieht einen etymologischen Zusammenhang zwischen aura und aurum, der allerdings aus der Vergil-Stelle herausgesponnen sein könnte, vgl. O'Hara 1996, 167; dort auch ein Verweis auf Macr. Sat. 6,6,8 (mit Servius als Sprecher, der hier von etymologischer Beziehung zwischen aurum und aura nichts weiß): quid est enim in aura auri, aut quem ad modum aura refulget? sed tarnen pulchre usurpavit. Nisbet/Hubbard verweisen zu Hör. carm. 2,8,24f. (... tua ne retardet/ aura maritos) darauf, daß aura neben der konkreten Bedeutung ,Lufthauch' auch eher unstoffliche (an unser Wort ,Aura' erinnernde) Konnotationen habe. Doch die dort gegebenen Parallelen sind abgesehen von der Vergil-Stelle nicht aussagekräftig. Daß aura bei der Erklärung des Magnetismus Verwendung findet (Plin. nat. 32,7; Claud, carm.min. 29,38f.), ist eine Ausnahme, eine rein technische Metapher wie unser

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

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Magnet-,Feld'. Die Kühnheit der Wendung bei Vergil wird davon nicht berührt. eminere Ov. met. 15,607 vox eminet una ,eine Stimme ragt heraus': laut ThlL 52,491,54f. (und Börner z.St.) nur an dieser Ovidstelle belegt, die vox eminens dann noch einmal bei Augustin und bei Caelius Aurelianus (Aug. civ. 2,4; Cael. Aur. chron. 1,4,123; vgl. ThlL 52,494,35ff.).225 imago imago (verbi, vocis etc.) ist die übliche Bezeichnung fur das Echo, vgl. Serv. auct. zu georg. 4,50: quae Graece ηχώ, Latine imago dicitur. Vgl. ThlL 7i,408,45ff. „de voce repercussa"; erste Belege sind Varro rust. 3,16,12 und Lucr. 4,571 (... frustratur imagine verbi). Vgl. in der Dichtung noch georg. 4,50 (vocis ... resultat imago)·, Hör. carm. 1,12,4 (cuius recinet iocosa / nomen imago), Ον. met. 3,385 (imago vocis). Der Vergleich Cie. Tusc. 3,3 (ea [sc. gloria] virtuti resonat tamquam imago) setzt eine verfestigte und etablierte Bedeutung ,Echo' fur imago voraus. Dementsprechend darf man den synästhetischen Gehalt der Wendung nicht überschätzen.226 incendere clamore Im sechsten Buch der Aeneis wird der Trompeter Misenus folgendermaßen gepriesen (164f.): (vident) Misenum Aeolidem, quo non praestantior alter aere eiere viros Martemque accendere cantu. Bei accendere Martern denkt man an das ,Entzünden' im Sinne von .Initiieren', ,Anfeuern' der Kriegshandlungen - nicht unbedingt eine Synästhesie. Doch diese Stelle wird variiert in Aen. 10,895: clamore incendunt caelum Troesque Latinique

225

Ebenfalls singulär ist emicare für das ,Herauszucken' einer Stimme (nämlich der Stimme Apollons aus dem Adyton in Delphi) in Senecas Ödipus: Oed. 232 emicat vasto fragore maior humano sonus, vgl. ThlL 5 2 ,484,34ff. sowie Töchterle z.St. 226 Bei Clay 1996, 785 muß man freilich den Eindruck gewinnen, daß Lukrez mit imago verbi (4,571) eine besonders kühne Metapher verwendet: „He [Lucretius] ... confuses the distinct objects of the senses. ... he goes on to speak of ... the ,image' of a word ..." Lukrez hatte, wenn er vom Echo sprechen wollte, kaum eine andere Wahl, als imago zu benutzen. S. aber oben (S. 54) zur Revitalisierung der toten Metapher durch die synästhetische Verwendung von videre.

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und Aen. 11,147: ... maestam incendunt clamoribus urbem. Hier wird ein akustischer Eindruck mit einem Vokabular verbunden, das Helligkeit bzw. Hitze suggeriert.227 Nun ist allerdings die metaphorische Verwendung von incendere im Sinne von .antreiben', .Emotionen erzeugen' (analog zum Deutschen: .entflammen', .entfachen') im Lateinischen und insbesondere auch bei Vergil228 gut belegt, und man könnte einwenden, daß an den hier zitierten Stellen urbs und caelum metonymisch für die Bewohner der Stadt bzw. die Götter stehen, die im einen Fall angefeuert, im anderen (emotional) bewegt werden. Aber Servius bemerkt zu 10,895 clamore incendunt caelum: implent; et abusive dixit, und Statius imitiert Vergil im fünften Buch der Thebais (5,552f.): horruit infelix visu longoque profundum / incendit clamore nemus. Außerdem gibt es Parallelen in der griechischen Literatur, die Vergil inspiriert haben könnten.229 liquidus Vgl. ThlL 72,1486,1 I f f ; ob die akustische Verwendung von der Bedeutung ,klar', .durchscheinend' ausgeht oder von ,flüssig', ,leicht dahinfließend' - in letzterem Fall wäre liquidus unter den taktilen Synästhesien einzuordnen - muß offen bleiben. Das Adjektiv ist vor allem für die Dichtung bezeugt, erster Beleg ist Varro (Men. 131 Phrygios per ossa cornus liquida canit anima2W), dann folgt Lukrez (2,146 volucres ... liquidis loca vocibus opplent; 4,981 citharae liquidum carmen·, 5,1379 liquidas avium voces). Das Adjektiv ist in Bezug auf Lautliches je einmal bei Vergil, Horaz und Ovid belegt: georg. 1,41 Of. tum liquidas corvi presso ter gutture voces / aut quater ingeminant; Hör. carm. l,24,3f. Melpomene cui liquidam pater/ vocem ... dedit; Ov. am. 1,13,8 (mit adverbialem Akkusativ) et liquidum tenui gutture cantat avisP] 227

Vgl. Harrison zu Aen. 10,895; Struck 1954, 112.

228

Vgl. EV s.v.

incendere.

229

Erinnert sei nur an Aischyl. Pers. 395 σάλπιγξ δ' ctwfj πάντ' έκεΐν' έπέφλεγεν. Die Metapher ,Laut = Flamme' ist im Griechischen sehr weit verbreitet, vgl. Kamerbeek zu OT 186, Mastronarde zu Eur. Phoin. 1377 und (zur selben Euripides-Stelle) J. Diggle, Proceedings of the Cambridge Philological Society 195, 1969, 41; Stanford 1942b, 108110. 230

Von Nonius zweimal zitiert, einmal p. 233,17 (anima, sonus) und einmal p. 334,16 (liquidum, suave, dulce). 231 Nachaugusteische Dichter: Calp. ecl. 4,150 tarn liquidum, tarn dulce canunt (wie Ov. am. 1,13,8 mit adverbialem Akkusativ), Pers. 1,17f. liquido cum plasmate guttur/ mobile conlueris mit der Deutung von Kißel z.St.

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Nisbet/Hubbard vermuten zur Horazstelle, daß liquidus in der Dichtung wegen des Anklangs an das griechische λιγύς bzw. λιγυρός (.schrill') gewählt worden sei, obwohl es diese Lautqualität weniger gut wiedergebe als acutus; Prosabelege sind jedenfalls selten (wenn man von der üblichen Bezeichnung der Laute 1, m, η und r in der Grammatik als Liquidae absieht, vgl. ThlL 72,1486,32ff.), aber Synon. Cie. p. 448,15 läßt an eine allgemeine Stimmkategorie der vox liquida denken: vox ... clara, Candida, pura, liquida, lucida. torvus Bisweilen wird die akustische Verwendung von torvus als Beispiel für Synästhesien herangezogen.232 Grundlage hierfür ist die Vorstellung, daß die optische Bedeutung , finster' (vom Blick) die ursprüngliche ist, während die allgemeine Bedeutung .schrecklich' (oder ,grausig') sowie die Charakterisierung von Lauten mit torvus als Übertragung aufzufassen sind (so z.B. Fordyce und Horsfall zu Aen. 7,399f.). Nun scheinen allerdings die ältesten Belege zunächst gegen diese Auffassung zu sprechen; hier finden wir sehr früh sowohl die erwähnte allgemeine Bedeutung (Pac. trag. 37, vgl. auch Catull. 66,20 proelia torva) als auch die Beschreibung eines Lautes:233 sed quid tonitru turbida torvo / concussa repente aequora caeli / sensimus sonere (Accius trag. 223-225), ast hic quem nunc tu tarn torviter increpuisti (Enn. ann. 93 Sk.). Aber an den beiden zuletzt zitierten Stellen könnte torvus auch .schrecklich' o.ä. heißen,234 und die sonstigen Parallelen aus der Dichtung235 legen doch nahe, daß man torvus spontan auf den Anblick bezieht. In diesem Fall wäre tatsächlich die folgende Vergilstelle der erste Beleg für akustisches torvus: Aen. 7,399f.

sanguineam torquens aciem, torvumque repente clamat... clamat dürfte nach dem Verswechsel für den Leser in der Tat überraschend kommen; man erwartet wohl, zumal nach torquens aciem,226 eine

232

Vgl. Görler 1985, 277.

233

Vgl. hierzu Leumann 1933, 198f.

234

Vgl. OLD 3a. Nur in diesem Fall hat Kißel recht, wenn er zu Pers. 1,99 behauptet, vor Persius werde torvus auf den akustischen Bereich übertragen ausschließlich im adverbialen Akkusativ verwendet. 235 Vgl. EV s.v. torvus·, in der Prosa kommt das Wort praktisch nicht vor, vgl. Kißel zu Pers. 1,99 236 Horsfall z.St. verweist auf die mögliche etymologische Beziehung torquere torvus\ vgl. Isid. orig. 10,269.

-

Gesichtssinn als Bildspender

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Fortführung der Beschreibung von Amatas Blick, analog z.B. zum Blick Didos in Aen. 6,467 torva

237

tuentemP7

Weitere Belege für synästhetisches torvus in der Dichtung: Pers. 1,99 torva Mimalloneis implerunt cornua bombis; Sil. 11,99 fulminea torvum exclamat Marcellus ab ira.

3.3 3.3.1

Gehör als Bildspender Nicht-Hörbares wird .gehört'

Die in Kapitel 3.2.1 herausgestellte Bedeutungsentwicklung von ,Sehen' zu ,Wahrnehmen' gibt es im Bereich des Gehörs nicht.238 Dementsprechend sind Wendungen, bei denen Verben des Hörens mit einem nicht-akustischen Objekt kombiniert werden, auffallig; ein Beispiel ist Hör. carm. 3,10,5-8: audis quo strepitu ianua, quo nemus inter pulchra satum tecta remugiat ventis, et positas ut glaciet nivis 7 puro numine Iuppiter? 1 sentis Bentley

Der exclusus amator wendet sich an seine Geliebte (Lyce) im Haus und möchte eingelassen werden. Um sie milde zu stimmen, schildert er ihr die unwirtliche Winterlandschaft, die ihn umgibt. Dabei werden mit dem Prädikat audis zunächst akustische Eindrücke verbunden (quo strepitu ... remugiat), dann aber, gleichsam ,nachklappend', ein optischer: Lyce kann unmöglich ,hören', daß der Schnee durch die kalten Winde an der Oberfläche vereist. Es kann auch nicht kombinierte Wahrnehmung vorliegen, da Lyce ja nicht sehen kann, was vor ihrer Tür vor sich geht. Und der Vorgang des Vereisens ist auch nur mit den Augen wahrnehmbar. Bentley nahm Anstoß an der Synästhesie und änderte ventis in sentis, wodurch er gleichzeitig den etwas schwierigen Dativ (oder den nicht minder schwierigen zweiten Ablativ neben quo strepitu) beseitigte.239 Kiessling/Heinze erklären die Stelle mit einer allgemeinen Bedeutung ,merken' für audire, die freilich sonst nicht belegt ist.240 Mitscherlich hatte 238 Jedenfalls nicht, soweit die u n m i t t e l b a r e Wahrnehmung betroffen ist. Bei mittelbarer Wahrnehmung (,νοη etwas unterrichtet worden sein') steht audire u.ä. natürlich sehr oft mit nicht-akustischen Eindrücken, vgl. OLD s.v. audio 8 („to be informed [about], be told, learn, hear [of]"); daß dieses ,Hören' aus Betrachtungen über unmittelbare Sinneswahrnehmungen ausgeklammert werden muß, ist selbstverständlich, vgl. auch Blum 1969, 167. - Ebenfalls unberücksichtigt bleibt die Verwendung von audire statt videre oder legere bei Briefen, i.S.v. ,ich höre von Dir, daß ...', zumal hier ohnehin auch an ein lautes Lesen gedacht werden kann. 239 240

Vgl. Syndikus 1973, 121 Anm. 27.

„Das dritte Glied ut glaciet ist mit audis wie grammatisch, so auch der allgemeinen Bedeutung nach verbunden (.merkst du nicht'), an ein Hören aber nicht zu denken."

Gehör als Bildspender

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in seinen Erläuterungen zur Stelle Beispiele für ähnliche Zeugmata (oder, in seiner Terminologie, Syllepsen) angeführt, die aber ausschließlich aus der optischen Sphäre kamen (Hymn. Horn. Apoll. 264f., Aisch. Ag. 21 f.); daß eine echte μετάληψις αίσθήσεως vorliegen könnte (er fuhrt als Beispiele Aisch. Ag. 103 κτύπον δέδορκα und Prop. 2,16,49 vidistis ... sonitus percurrere an), hält er für unwahrscheinlich („minus accomodata haec ratio est h.l."). Seine Erklärung der ,Syllepse' („uni verbo duas saepenumero ac plures adeo paullo diversas enuntiationes adaptari, e quo aliud, alteri membro congruum, elici oporteat") geht an der Sache vorbei, denn selbst wenn man ein vides vor dem dritten Glied ergänzt (oder Bentleys sends übernimmt), bleibt das Problem bestehen, daß Lyce den vereisten Schnee nicht wahrnehmen kann. Aber der Dichter erzielt mit dem Wechsel des Wahrnehmungsobjekts einen hübschen Effekt: Die Unwirtlichkeit der Umgebung wirkt so stark auf den Sprecher ein, daß er ,vergißt', seine Beschreibung auf die Sinnessphäre zu beschränken, in der Lyce ihm folgen kann. Die Naturschilderung .verselbständigt' sich gleichsam - man sieht förmlich vor sich, wie der Sprecher zunächst noch der verschlossenen Tür zugewandt ist, sich dann aber ganz in der Beschreibung der Winterlandschaft verliert.241 Ein weiteres Beispiel für die synästhetische Verwendung von audire findet sich am Ende des zweiten Aeneisbuches; nachdem durch Götterzeichen (Flammen um Iulus' Haupt, Donner und Stern) Anchises umgestimmt ist und der Flucht aus der brennenden Stadt zugestimmt hat, spitzt sich die Lage zu, da das bedrohliche Feuer immer näher kommt: Aen. 2,705f. ... iam per moenia clarior ignis auditur propiusque aestus incendia volvunt. Austin bemerkt treffend z.St.: „perhaps the brightness of the flames as well as their noise is meant." Clarior kann in der Tat ,hell, klar, deutlich' im optischen wie im akustischen Sinn bedeuten.242 Durch die Versfuge nach ignis wird aber beim Leser zunächst einmal ein (bei ignis näherliegender) optischer Eindruck hervorgerufen; das Prädikat auditur kommt dann im nächsten Vers etwas überraschend. Zusammen mit dem folgenden propiusque aestus incendia volvunt wird aber in geschickter Weise das Sich-Nähern des Feuers als mit drei Sinnen wahrgenommen beschrieben 241

Ähnliches kann man auch am Beginn der Soracte-Ode carm. 1,9 konstatieren (freilich für den optischen Bereich): Die von vides ut ... abhängigen Wahrnehmungen sind nicht alle ausschließlich optisch; bei nec iam sustineant onus / silvae laborantes (v. 2-3) wird man nicht nur an ein Sich-Biegen der Äste, sondern vielleicht auch an ein Ächzen der Bäume unter den Schneelasten denken dürfen. 242

Vgl. dazu oben S. 76f.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

(Sehen, Hören, Fühlen). Daß Aeneas und seine Familie das Feuer tatsächlich nur lauter und heißer, nicht aber heller wahrnehmen, ist unmöglich, schließlich befand man sich, wie das zuvor erfolgte Auspicium belegt, nicht im Innern eines Raumes, sondern unter freiem Himmel, vermutlich in einem Innenhof.243 In Aen. 7,15-18 schließlich können die Tiere auf Circes Insel zunächst nur gehört werden, durch formae luporum wird aber auch die Vorstellung einer zumindest schemenhaften Sichtbarkeit evoziert: hinc exaudiri gemitus iraeque leonum vincla recusantum et sera sub node rudentum, saetigerique sues atque in praesepibus ursi saevire ac formae magnorum ululare luporum * A n w e i s u n g e n werden meist auf akustischem Wege gegeben. Auch im Deutschen assoziiert man mit Befehlen und Kommandos bevorzugt lautliche (und laute, eben in Befehlston gehaltene) Äußerungen. Und das Befolgen von Anweisungen wird, auch wenn es sich um geschriebene Befehle handelt, als .Gehorchen' bezeichnet. Im Lateinischen liegt das gleiche Phänomen vor, einschließlich der etymologischen Beziehung zwischen oboedire und audire. Bisweilen steht aber bloßes audire für Gehorchen, und zwar auch bei nicht-akustischen Wahrnehmungen, die als .Anweisungen' verstanden werden sollen.244 Die Beispiele dafür sind auf die Dichtung beschränkt. Der früheste Beleg findet sich bei Vergil am Ende des ersten Buches der Georgica; der Bürgerkrieg nach dem Tod Cäsars wird dort mit einem außer Kontrolle geratenen Renngespann verglichen, das sich den verzweifelten Bemühungen des Lenkers widersetzt (georg. l,513f.): ... etfrustra retinacula tendens fertur equis auriga neque audit currus habenas. 243

Vgl. zu dieser Stelle auch Paratore: „Sulla base del v. 301 (clarescunt sonitus), l'Ussani jr. fa di clarior un complemento predicativo di auditur. Ma qui il poeta vuole elencare tutte le percezioni dei sensi attraverso cui si ha coscienza dell'incalzare dell'incendio: quindi prima la vista {clarior), poi l'udito (auditur), poi la sensazione del calore (aestus)." Das Problem ist wohl kaum syntaktisch zu fassen (attributiv = optisch, prädikativ = akustisch); man wird clarior prädikativ auffassen, parallel zu propius in v. 706. Vgl. auch EV s.v. clarus: „... non e esclusa una densitä dell'immagine". - Ebenfalls vor allem akustisch ist der Eindruck des Feuers Ov. met. 3,550 (utinam) ferrumque ignisque sonarent! 244

Vgl. ThlL 2,1289,29-44.

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Vorbild für diese Stelle ist Homer: II. 11,531 f. ώς αρα φωνήσας ΐμασεν καλλίτριχας 'ίππους μάστιγι λιγυρη· τοί όέ πληγής άίοντες ...245 Die Pferde (metonymisch als currus bezeichnet246) ignorieren die Zügel, d.h. die Anweisung, die sie über die Zügel erhalten: eine Vermischung der akustischen und taktilen Ebene. Im Gegensatz zur Homer-Stelle ist hier auch ausgeschlossen, daß an ein (ohnehin unwahrscheinliches) Knallen der Zügel gedacht werden soll, denn die Pferde sollen ja nicht angetrieben, sondern zum Stehen gebracht werden.247 - Ein weiteres Beispiel des gleichen Typs ist Horaz epist. 1,15,13:... sed equifrenato est auris in ore. Hier spielt Horaz zusätzlich mit der Tatsache, daß das Zaumzeug sich im Maul des Pferdes befindet, also in dem Organ, mit dem das Pferd sich lautlich äußert. Bei Ovid met. 5,380-382 wird audire auf die Pfeile Amors bezogen: ... de mille sagittis unam seposuit, sed qua nec acutior ulla nec minus incerta est nec quae magis audiat arcum 382 audiat arcus Ε: avolat arcu ßM: advolat arcu ν

Ähnlich ist Sen. Here. Oet. 975f. an arma cessant teque languenti manu / non audit arcus?248

3.3.2

Nicht-Hörbares ,spricht'

Die natürlichste Form der Informationsweitergabe ist das Sprechen; soll daher die besondere (oder, ins Gegenteil verkehrt, die sehr geringe) Aussagekraft einer Wahrnehmung ausgedrückt werden, bedient sich die lateinische Dichtung gerade auch bei optischen Eindrücken gerne eines

245

Von den Vergilkommentatoren anscheinend nicht vermerkt, aber von Lobeck (1846, 334) angeführt (dieser erwähnt allerdings die Vergil-Stelle nicht). 246

Ebenfalls erstmals bei Vergil; vgl. ThlL 4,1520,41-48.

247

Ameis-Hentze bemerken zur zitierten Homer-Stelle: ,,άίοντες zeigt, daß bei πληγής mehr an das durch λιγυρη angedeutete Schwirren der Geißel gedacht ist." 248 Vgl. noch Statius Theb. 5,412f. (ipse graves fluetus clavumque audire negantem / lassat agens Tiphys) und (mit deutlicher Anlehnung an Vergil) Claudian 17,187 (desidis aurigae non audit verbera currus); wie bei Statius auf das Schiff bezogen ist audire Lucan. 3,592-94 (derigit hue puppern miseri quoque dextra Telonis, / qua nullam melius pelago turbante carinae / audivere manum...)\ Sil. 14,393 (procurrunt levitate agili docilesque regentis / audivisse manum Latio cum milite puppes) ahmt die Lucanstelle nach.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Ausdrucks aus der akustischen Sphäre; bestes Beispiel ist das Adjektiv loquax,249 Erstmals kommt es in dieser Bedeutung bei Tibull vor: Tib. 1,2,21 (illadocet) ... viro coram nutus conferre loquaces. Tib. 2,6,43

nec lacrimis oculos digna est foedare

loquaces.250

Die .beredten', d.h. den Seelenzustand preisgebenden Augen kennt auch Ovid: am. 1,4,17 me specta nutusque meos vultumque loquacem. Häufiger als loquax wird aber von ihm loqui verwendet:251 verba superciliis sine voce loquentia dicam (am. 1,4,19, 2 Verse nach der eben zitierten Stelle), multa supercilio vidi vibrante loquentes; / nutibus in vestris pars bona vocis erat (am. 2,5,15f.); nil opus est digitis, per quos arcana loquaris ... (ars 1,137); multa supercilio, multa loquare notis (ars 1,500); signa supercilio paene loquente dari (epist. 17,82); ... oculo renuente negavi / ei mihi, iam didici, sic ego posse loqui (epist. 17,89f.); conscius omnis abest: nutu signisque loquuntur (met. 4,63, über Pyramus und Thisbe); digitis saepe est nutuque locutus (trist. 2,1,453). Ovid schätzt diese Metapher mehr als irgendein anderer lateinischer Dichter. Vgl. noch sed taciti fecere tarnen convicia vultus (am. 1,7,21); saepe tacens vocem verbaque vultus habet (ars 1,574).252 Die arguti ocelli bei Ovid (am. 3,2,83; 3,3,9) sind auch für die Prosa belegt.253 Catull hat clamare in analoger Bedeutung: Catull. 6,7f.

taciturn eubile clamat / ...fragrans

249

Vgl. ThlL 72,1655,30-42 „facultas tacite significant".

250

Vgl. Murgatroyd z.St.

olivo

251

Vgl. ThlL 72,1667,29-1668,21 „transfertur ad actionem mute significandi". Frühester Prosabeleg für den Bezug auf die Augen ist Cie. leg. 1,27 nam et oculi nimis argute quem ad modum animo affecti simus loquuntur. 252 Das .Sprechen' von Schriftstücken (z.B. Prop. 3,23,1-6 tabulae norant ... sine me verba diserta loqui\ 3,25,17 has tibifatalis cecinit mea pagina diras) wird hier nicht weiter beachtet, da an lautes Lesen zu denken ist, vgl. auch oben Anm. 238. 253

Cie. leg. 1,27 (s.o. Anm. 251), vgl. ThlL 2,557,49ff. - Bei Catull. 68,72 ist nicht sicher, ob die arguta solea der Geliebten, die auf die Schwelle tritt, dabei ein Geräusch macht oder eher an einen optischen Eindruck (des Fußes) zu denken ist, vgl. F. E. Brenk in Glotta 61, 1983, 234-236. Die Mehrzahl der Übersetzer und Kommentatoren entscheiden sich aber für die erste Möglichkeit.

Gehör als Bildspender

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Hier , schreit' nicht nur der Anblick des Bettes, daß Flavius seine Nächte in Gesellschaft verlebt (vgl. v. 9f.: die Polster sind ganz abgenutzt), sondern auch der Duft!254 Auch das Gegenteil der eben behandelten Metapher, das S c h w e i g e n der Augen,255 ist belegt; Vergil sagt Aen. 4,363f. hue illuc volvens oculos totumque pererrat / luminibus tacitis ...: Didos Augen geben ihren Seelenzustand Aeneas nicht preis, sie .sprechen' genausowenig wie ihr Mund.256 - Ähnlich: Ov. am. 2,5,15-17 multa supercilio vidi vibrante loquentes / nutibus in vestris pars bona vocis erat / non oculi tacuere tui. Für diese Ausdrucksweise gibt es griechische Vorbilder, Murgatroyd (zu Tib. 2,6,43) nennt u.a. Meleager AP 12,63,1: σιγών 'Ηράκλειτος έν ομμασι τοϋτ' 'έπος αΰδά.257 .Aktives' (bzw. .produktives') Gegenstück zum oben (S. 82) skizzierten Gebrauch von audire für das Wahrnehmen von Anweisungen ist die (recht häufige) Verwendung von vocare u.ä. von .auffordernden' bzw. .einladenden' optischen Eindrücken,258 vgl. z.B. Vergils aurae vela vocant (Aen. 3,356f.; vgl. schon Catull. 4,20 vocaret aura, wobei die Luft natürlich auch gehört werden kann; Lucr. 2,318f. ...vocantes / invitant 254

Vgl. noch Catull. 80,7f. clamant Victoris rupta miselli / ilia et emulso labra notata sero. - clamare von einem rein optischen Eindruck ist in der Form, wie Catull das Verb verwendet, vor ihm nicht belegt. Cie. Verr. II 1,150 werden die tabulae, die den Diebstahl .herausschreien' (ipsius Haboni tabulae praedam illarn istius fuisse clamant), laut verlesen, an den anderen ThlL 3,1254,5ff. verzeichneten Stellen .schreit' etwas Nicht-Sichtbares (virtus bzw. Veritas bei Cie. fin. 2,65 und 4,55) bzw. wird ein Gegenstand tatsächlich als schreiend dargestellt (Plaut. Asin. 391 ita haec morata est ianua: extemplo ianitorem clamat). 255

Es sei hier nur am Rande an die Tatsache erinnert, daß das Kriterium des logischen .Widerspruchs', das für die Wirkung einer Metapher als entscheidend herausgestellt wurde, im Falle einer verneinten Metapher (wie sie ja auch hier bei den nicht sprechenden Augen vorliegt) nicht gilt. Wollte man hier genau sein - und dies sind in der Regel vor allem die sprachanalytischen Philosophen - so müßte man das Kriterium .widersprüchlich' bzw. .falsch' bei negierten metaphorischen Sätzen um das Kriterium .trivial richtig' ergänzen. 256 Dies ist die Deutung von Williams z.St.; die meisten anderen Kommentatoren gehen von einer Enallage aus (Servius z.St.: luminibus tacitis pro ipsa tacita). 257

Zum .Schweigen' nicht der Augen, aber anderer nur optisch wahrnehmbarer Phänomene vgl. die interessante, aber nicht in der Dichtung belegte Verwendung von luna silens für Neumond (das OLD nennt s.v. silens 3 als Belege Cato agr. 40,1; Colum. 2,10,12; Plin. nat. 16,190), vgl. Wellek 1931b, 139: „Wenn ... tiefe Töne zunehmend dunkler sind, so ist das Schweigen vollends schwarz". Vergils tacitae ... amica silentia lunae (Aen. 2,255) sind natürlich etwas anderes. 258

Vgl. OLD s.v. voco 2b.

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

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herbae gemmantes rore recenti;259 Hör. epod. 16,21 f. ... quocumque per undas / Notus vocabit), Aen. 2,668 vocat lux ultima sowie Aen. 6,518f.: Das Fackelzeichen Helenas kann von den Griechen nur gesehen werden (... flammam media ipsa tenebat/ ingentem et summa Danaos ex arce vocabat). Vgl. auch Tib. 1,2,3If. ... reseret modo Delia posies/ et vocet ad digiti me taciturna sonum\ 2,5,42 iam vocat errantes hospita terra Lares\ Ov. am. 1,13,16 (von Aurora gesagt) prima vocas tardos sub iuga panda boves (unterstützt die Personifikation); 1,13,24 lanificam revocas ad sua pensa manum\ 2,16,35 et vocet in rivos currentem rusticus undam; ars 1,452 revocat cupidas alea saepe manus.260 Weniger einladend geht es in der ersten Elegie Tibulls zu (l,l,29f.): nec tarnen interdum pudeat tenuisse bidentem aut stimulo tardos increpuisse boves increpare wird hier erstmals auf nicht-lautliche Handlungen übertragen (ThlL 7|,1056,37ff.: „notione crepandi evanida"; vgl. Murgatroyd z.St.); ähnlich Ov. am. 3,15,17 (increpuit thyrso graviore Lyaeus) und met. 14,820f. (conscendit equos Gradivus et ictu/ verberis increpuit)', spätere Nachahmung noch bei Statius (Theb. 3,431 terga comasque deae Scythica pater increpat hasta\ Theb. 10,461 f. ... iamiamque cadat [nämlich das Vogeljunge aus dem Nest] ni pectore toto / obstet aperta parens et amantibus increpat alis). Bis auf die zuletzt zitierte Statius-Stelle geht es in den zitierten Verwendungen von increpare um eine heftige Aufforderung mit Hilfe eines Stocks o.ä. Es kann natürlich in diesen Fällen immer auch eine begleitende lautliche Äußerung mitgedacht werden.261 *

Nur am Rande, da ohne bemerkenswerte Ausnutzung für synästhetische Effekte in der römischen Dichtung, sei eine weitere Grundfunktion von Metaphern aus dem Bereich des Akustischen erwähnt: Es kann durch sie eine gut zusammenpassende Anordnung oder ein als angenehm empfundenes .Zusammenspiel' von nicht-akustischen Sinneswahrneh-

259

Vgl. Fowler z.St.: „vocante / invitanf. both of these are less hackneyed of inanimate objects than English .invite' and we should not play down the personification." 260

Vgl. auch Prop. 1,2,13 litora nativis persuadent picta lapillis: Hier hat der singuläre absolute Gebrauch von persuadere viele Herausgaber zur Annahme einer Korruptel verleitet, vgl. aberTränkle 1960, 82. 261

Ebenfalls ,laut' wird das Spiegelbild der gealterten Cynthia (Prop. 3,25,14): ... speculo rugas increpitante tibi, increpitare scheint nur hier für etwas lediglich Sichtbares verwendet zu sein (ThlL 7,,1049,78ff.).

Gehör als Bildspender

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mungen ausgedrückt werden.262 Offenkundig liegt bei ,Harmonie' in beliebigen Sinnessphären das akustische Bild am nächsten, vielleicht weil man im Bereich des Akustischen Harmonie und Disharmonie am deutlichsten unterscheiden kann.263 Ganz analog dazu wird auch mangelnde Fügung und mangelndes Zusammenpassen mit Wörtern ausgedrückt, die eigentlich akustische Disharmonie zum Ausdruck bringen.264

3.3.3

surdus

Es liegt nahe, bei surdus nach Bedeutungserweiterungen analog zu caecus zu suchen. Doch die Beispiele fiir nicht-akustische Verwendung dieses Adjektivs sind - ebenso wie die für passiven Gebrauch (,schwer oder unmöglich zu hören') - selten. Zum ersten Mal ist die passive Verwendung von surdus bei Properz belegt, einmal eindeutig (4,5,58 surda ... lyra265), einmal an einer schwieriger zu deutenden Stelle (Prop. l,7,17f.): longe castra tibi, longe miser agmina Septem flebis in aeterno surda iacere situ. Wenn der epische Dichter Ponticus von Amors Pfeil getroffen werden wird, dann werden die agmina vor Theben, über die er eigentlich dichten 262

Lobeck führt zwei Beispiele aus Plinius' Naturgeschichte für die Verwendung von concentus in diesem Sinne an (Lobeck 1846, 344): 12,86 heißt es in einer Abhandlung über den Zimt: comitata vero fabula est ad meridiani solis repercussus inenarrabilem quendam universitatis halitum e tota paeninsula existere tot generum aurae spirante concentu Magnique Alexandri classibus Arabiam primurn odoribus nuntiatam in altum. Hier beschreibt concentus das .Zusammenspiel' von Düften, die sich (angeblich wegen der .Rückstrahlung' der Sonne) in Arabien von der Erde aus erheben und noch vom Meer aus wahrnehmbar sind. In ganz ähnlicher Weise gebraucht Plinius das Wort concentus bei einer Beschreibung des Onyx (nat. 37,91): veram autem onychem plurimas variasque cum lacteis habere venas, omnium in transitu colore inenarrabili et in unum redeunte concentum suavitate grata. Hier ist das harmonische Zusammenspiel der Farben (wie oben als inenarrabilis bezeichnet) gemeint. Zum ersten Mal kommt concentus in übertragener Bedeutung bei Cicero (u.a. nat. deor. 2,119) vor; dort geht es jedoch um die harmonische Bewegung der Planeten, und es ist wohl beabsichtigt, daß man die ursprüngliche Bedeutung .akustisches Zusammenspiel' noch mitempfindet (wegen der Sphärenharmonie, vgl. Pease z.St.). 263

Vgl. auch die Verwendung von harmonia im Lateinischen (ThlL 6 3 ,2537,l-56); vgl. unten S. 166f. zu Lucr. 3,131. 264

Z.B. absonus, discrepare, dissonare, inconcinnus etc. - in der Regel sind dies tote Metaphern; vgl. zu absonus bei Lukrez (4,517) unten S. 167. 265

Vgl. Tränkle 1960, 82.

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

90

will, unbesungen bleiben und auf ewig surda bleiben. Hier ist die Bedeutung ,taub' nicht ausgeschlossen - die Heere können Ponticus nicht helfen - , aber man versteht wohl doch vor allem , stumm' im Sinne von ,unbesungen': Man wird von den Heeren nichts mehr hören.266 Weitere Belege fur passivisches surdus finden sich fast267 nur in der Dichtung: neben Properz verdienen Erwähnung Ovid Pont. 2,6,32 {non erit officii gratia surda tui)\ Pers. 6,27-29 (trabe rupta Bruttia saxa / prendit amicus inops remque omnem surdaque vota / condidit Ionio ...); Sil. 6,74f. (vetus ille parentis / miles et haud surda tractarat proelia fama)\ Stat. Silv. 1,4,19-21 (ast ego nec Phoebum, quamquam mihi surda sine illo / plectra nec Aonias ... divas / ... hortabor)', luv. 7,71 (surda nihil gemeret grave bucina)\ luv. 13,192-95 (cur tarnen hos tu / euasisse putes, quos diri conscia facti / mens habet attonitos et surdo uerbere caedit / occultum quatiente animo tortoreflagellum?). Von dieser Verwendung ausgehend, findet sich surdus einmal auf den Geruchssinn bezogen in Persius' sechster Satire (6,34-36): ... urnae ossa inhonora dabit, seu spirent cinnama surdum seu ceraso peccent casiae, nescire paratus. Da hier immer noch der Geizhals spricht, der auch für die passivische Verwendung von surdus in v. 28 {surda vota, s.o.) verantwortlich war, vermutet Kißel z.St. ansprechend, daß die hier skizzierte ungewöhnliche Verwendung von surdus eine Marotte dieser Person war. Übersetzen muß man surdus hier wohl mit ,dumpf (Kißel wählt mit ,leise' ebenfalls eine Synästhesie). - Exsurdare findet sich in der Bedeutung .betäuben' bei Horaz (sat. 2,8,38): ...fervida quod subtile exsurdant vina palatum™

266 Für ,taub': Stroh 1971, 14 Anm. 22; für .ungehört': Rothstein, Enk, Fedeli z.St., Tränkle 1960, 82; Camps hört, vielleicht zu Recht, beides heraus: ,jurda: ,unhearing' and so of no help to you. But surdus can also mean .unheard' and so .forgotten', and this meaning is also present here as an overtone." Man wird vielleicht eher umgekehrt den .overtone' in „unhearing" sehen wollen. 267

Plin. nat. 19,20 vom ,Asbest-Lein': ... linteo eo circumdatam ictibus et qui non exaudiantur caedi. 268

arborem

surdis

Das Verb ist nicht sehr häufig, vgl. ThlL 5 2 ,1957,8-16; frühester und für metaphorischen Gebrauch einziger Beleg ist die Horaz-Stelle.

Gehör als Bildspender

3.3.4

91

ridere

Die Verwendung des Verbs ridere und seiner Komposita im übertragenen Sinne, auf die äußere Erscheinung von Gegenständen bezogen, kann natürlich nur unter der Bedingung als Synästhesie bezeichnet werden, daß ridere akustische Konnotationen hat, die in den entsprechenden Beispielen mitschwingen; die Bedeutung .strahlen' ist zwar metaphorisch, aber nicht synästhetisch. Nun kann kein Zweifel daran bestehen, daß ridere von Anfang an auch die akustische Seite des Lachens mitmeint; wer einen Beleg sucht, wird schon bei Plautus fündig (Poen. 32): matronae tacitae spectent, tacitae rideant - hier beruht die Pointe gerade auf der Tatsache, daß man eigentlich nicht schweigend lacht. Von einer Eindeutigkeit, die nichts zu wünschen übrig läßt, ist Ter. Haut. 886 (hahahae! - quid risisti?). Aber dies heißt natürlich nicht, daß der akustische Aspekt i m m e r .aktiviert' ist. Im Lateinischen begegnet ridere in metaphorischer Bedeutung (als Belebung des Unbelebten) nur in der Dichtung.269 Erstmals ist es für Ennius belegt (ann. 446f. Sk.): Iuppiter hic risit tempestatesque serenae riserunt omnes risu Iovis omnipotentis. Steuart z.St. weist auf das Fehlen dieses Zusammenhangs (Jupiter lacht die Natur lacht) in griechischen Vorbildern hin, und dies ist auch nicht verwunderlich wegen der erwähnten Grundbedeutung von γελάν. Man kann an dieser Stelle sehr schön die Übertragung aus dem Griechischen bei gleichzeitiger Nutzbarmachung der im Lateinischen bei ridere zusätzlich vorhandenen akustischen Komponente beobachten. Catull hat die Metapher zweimal:270 Catull. 64,284 quo permulsa domus iocundo risit odore Dies ist vielleicht die kühnste Synästhesie in der lateinischen Dichtung; taktile {permulsa), olfaktorische {odore) und optische {risit) Eindrücke sind miteinander verwoben, und falls ridere hier, wie vermutet, auch noch 269 Vorbild im Griechischen ist γελάν, das allerdings die Grundbedeutung ,scheinen', ,hell sein' hat, vgl. Stanford 1936, 114-116; Belege aus der griechischen Dichtung: Horn. II. 19, 362f. αίγλη 6' ούρανόνΙκε, γέλασσε δε πασα περί χθων / χαλκοϋ ύπό στεροπής- ...; Horn. Hym. Dem. 14f. γαΐά τε πασ' έγέλασσε καί άλμυρόν ο'ίδμα θαλάσσης (vgl. Richardson z.St.); Hes. Theog. 39-42 ... των δ' άκάματος ρέει αύδή / έκ στομάτων ήδεΐα- γελα δέ τε δώματα πατρός / Ζηνός έριγδούποιο θεάν όπι λειριοέσση / σκιδναμένη· ... (vgl. West z.St.). Kühn ist der lachende Geruch Aischyl. Eum. 254: ύσμή βροτείων αιμάτων με προσγελα. 270

Vgl. Svennung 1945, 139f.

92

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

leichte akustische Konnotationen haben sollte,271 wird eine Wahrnehmung mit nahezu allen Sinnen evoziert (nur der Geschmack ist ausgeschlossen): ein höchst kunstvolles Bild.272 Catull. 31,13f. vos ..., ο Lydiae lacus undae ridete quidquid est domi cachinnorum. Hier wird in einer raffinierten Kombination273 vor allem auf das Geräusch der Wellen angespielt; die Verbindung mit cachinni belebt dabei die in ridere vorhandene akustische Komponente, weitet das Bild aber auch ins Optische aus.274 Am beliebtesten ist die Verwendung von ridere in dieser Bedeutung bei L u k r e z . Insgesamt kommen ridere und seine Komposita in De rerum natura 13mal vor; nur viermal ist die Verwendung nicht metaphorisch.275 Die restlichen Stellen: 1,8 tibi rident aequora ponti; 2,32 praesertim cum tempestas arridet;276 2,502 aurea pavonum ridenti imbuta lepore\ 2,559 subdola cum ridet placidi pellacia ponti; 3,22 (aether) ... large diffuso lumine ridet; 4,82f. tarn magis haec intus perfusa lepore / omnia conrident211 correpta luce diei; 4,1125 pulchra in pedibus Sicyonia rident; 5,1005 ... ridentibus undis; 5,1395praesertim cum tempestas ridebat. Bei Vergil kommt metaphorisches ridere nur in den Eklogen vor: ecl. 4,20 (mixta ... ridenti colocasia fundet acantho) und ecl. 7,55 (omnia nunc rident). Erwähnenswert noch Horaz carm. 2,6,13f. ille terrarum mihi

271

Vgl. bei Catull noch 51,3-5 ... te/spectat

et audit /dulce ridentem ...

272

Vgl. hierzu auch Jenkyns 1982; zum .lachenden Geruch' vgl. Aischyl. Eum. 254 (oben Anm. 269). 273

Vgl. Syndikus 1984, 188.

274

Vgl. Fordyce z.St.

275

2,983. 986 (in diesem Vers zweimal); 4,1157

(irridere).

276

arridere ist im Gegensatz zu ridere in der Prosa recht geläufig und heißt häufig nur .gefallen': ThlL 2,638,71-639,24. Aus den Thesaurus-Belegen läßt sich eine gewisse Vorliebe der Kirchenväter für diese Metapher herauslesen, die vielleicht Thomas von Aquin bewogen hat, bei seiner Erklärung der Metapher vom Beispiel ridere auszugehen: sicut ridere, dictum de prato, nihil aliud signißcat quam quod pratum similiter se habet in decore cum floret, sicut homo cum ridet, secundum similitudinem proportionis, sie ... (Summa theologiae Ia quaestio 13, articulum 6, resp.). 277 Erstmals hier im Lateinischen, sonst nur in der Vulgata und bei Augustin belegt (ThlL 4,1032,57-61).

Gehör als Bildspender

93

praeter omrtis / angulus ridet ... (mit Nisbet/Hubbard z.St.) und carm. 4,11,6 (ridet argento domus).in

278

Vgl. aus nachaugusteischer Zeit noch Stat. Ach. 1,643 risit [vidit v.l.] chorus omnis ab alto astrorum\ hier ist mit chorus natürlich auf die Sphärenharmonie angespielt, vgl. ThlL 3,1020,5ff. und 3,1023,53ff. sowie Wellek 1931b, 139.

3.4

Geruchs- und Geschmackssinn als Bildspender

Die Zusammenfassung von Geruchs-279 und Geschmackssinn in diesem Abschnitt ist leicht begründbar: Beide Sinne haben den Grundcharakter der ,chemischen Sinne' gemeinsam und sind an der Beurteilung von Speisen untrennbar beteiligt; der eigentliche Geschmackssinn ist beim Menschen höchst begrenzt und beschränkt sich auf vier mit der Zunge wahrnehmbare Qualitäten: süß, sauer, salzig, bitter. Was darüber hinausgehend als .Geschmack' empfunden wird, sind in Wirklichkeit Differenzierungen, die der Geruchssinn vornimmt. Daß beide Bereiche gerne zusammengenommen werden, ist auch für das Lateinische nachweisbar. Plinius der Ältere beispielsweise zählt im fünfzehnten Buch seiner Naturgeschichte dreizehn Arten von Geschmack auf, die Obst haben kann: Interim quae sunt communia et pomis omnibusque sucis saporum genera XIII reperiuntur: dulcis. suavis, pinguis, amarus, austerus. acer, acutus, acerbus, acidus, salsus. praeter haec tria sunt senera mirabili maxime natura: unum, in quo plures pariter sentiuntur sapores, ut vinis; namque in his austerus et acutus et dulcis et suavis, omnes alieni. alterum est genus, in quo sit et alienus quidem, sed et suus quidam ac peculiaris, ut in lacte; si quidem inest ei, quod tarnen iure dici dulce et pingue et suave non possit, obtinente lenitate, quae ipsa succedit in saporis vicem (nat. 15,106). Daneben aber verwendet er diese Adjektive auch ausdrücklich zur Charakterisierung von Geruch:280 acri et dulci odore (26,148), radice suavissimi gustus et odoris (25,110), odore tantum austerus (12,121), acidum halitum faciunt (30,27).281 Für den Geruch hat das Lateinische sonst nur Ausdrücke, die auf Analogien beruhen.

279

Zur .Kulturgeschichte' des Geruchs in der Antike vgl. Faure 1990; Le Guerer 1992, 204-209; Classen et al. 1994,13-50. 280

Beispiele zusammengestellt bei Struck 1954, 113f. (114: „Keine Trennung zwischen Geschmacks- und Geruchsbezeichnungen!"). Weitere dort genannte Beispiele (von Struck irrtümlich ebenfalls Plinius zugeschrieben): pingue merum (aus Hör. sat. 2,4,65); pampineus ... amarus odor (Prop. 2,33b,30); odorem ... acrem (Lucr. 4,123f.). Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Im ThlL s.v. dulcis wird neben „A de genere saporis" auch „B de genere odoris" in der Rubrik „proprie" aufgeführt (5],2190,26-31), allerdings mit einem verblüffend späten ersten Beleg (georg. 4,416f. at Uli/dulcis compositis spiravit crinibus aura ...). 281 Vgl. auch sapor, das sich ursprünglich auf den Geschmack bezieht (Varro ling. 9,92), dann aber, unter anderem beim älteren Plinius (nat. 17,239), für den Geruch belegt ist.

Geruchs- und Geschmackssinn als Bildspender

95

,süß' und .bitter' Geruch und Geschmack sind aus den eben genannten Gründen in synästhetischen Metaphern viel häufiger Bildempfänger; die Möglichkeit metaphorischer Verwendung als Bildspender reduziert sich auf die oben genannten vier Geschmackskategorien sowie auf,Grundbegriffe' wie gustare, odor, olere. Die Mehrzahl der so gebildeten Metaphern ist freilich nicht synästhetisch, da diese häufig ,weit' übertragen werden und die fur Synästhesien typische kurze Bildspanne nicht vorliegt. Aber auch wenn die Bedingungen für eine Synästhesie scheinbar erfüllt sind, wenn suavis, dulcis, amarus etc. mit Substantiven aus anderen Sinnesbereichen verbunden sind, muß ernsthaft gefragt werden, ob irgendjemand einen auch noch so geringen Widerspruch wahrnehmen konnte. Denn daß Ausdrücke des Riechens und Schmeckens häufig Gefühlswerte repräsentieren und dulcis und suavis damit soviel wie ,angenehm', amarus und acerbus soviel wie .unangenehm' bedeuten können, ist eine im Lateinischen sehr früh vollzogene Entwicklung; es ist daher von einem völligen Verblassen der sinnlichen Grundkomponente dieser Adjektive schon im Altlatein auszugehen, dulcis ist z.B. bereits bei Plautus mit beiden Bedeutungen belegt (vgl. Asin. 614: melle dulci dulcior tu es). Ganz ähnlich liegt der Fall bei suavis. Hier ist die .ursprüngliche', auf den Geschmack bezogene Verwendung ebenfalls bereits für Plautus belegt (Most. 1114f.: T H E O P R O P I D E S iam iubebo ignem et sarmenta, carnufex, circumdari. / T R A N I O ne faxis, nam elixus esse quam assus soleo suavior282) Aber bereits bei Ennius findet sich die Bedeutung ,angenehm', und zwar auf einen Menschen bezogen: suavis homo, facundus, suo contentus, beatus (ann. 280 Sk.). Diese Bedeutungserweiterung von dulcis und suavis dürfte auch die Übertragung auf andere Sinne beeinflußt haben,283 und häufig wird man dabei gar nicht entscheiden können, ob die ursprüngliche 282 Selbst hier, wo es eindeutig ums Essen geht, ist es im übrigen sehr zweifelhaft, ob die Geschmackskategorie ,süß' gemeint ist oder nicht vielmehr ein unspezifisches .wohlschmeckend'. - Zu suavis vom Geruch nennt das OLD 2 u.a. Plaut. Asin. 893 animam suaviorem aliquanto quam uxoris meae; Cie. Verr. II 3,23 odor ... isti suavis et iueundus videretur. (Hier legt die Junktur suavis et iueundus ebenfalls nahe, bei suavis einen allgemeineren Bedeutungsgehalt zu vermuten.) Bei den uns besonders interessierenden Dichtern ist es ebenfalls belegt (Lucr. l,7f. tibi suavis daedala tellus / summittitßores ...; Catull. 61,6f. floribus /suave olentis amaraci\ Catull. 64,87 suavis ... odores; ecl. 2,55 suavis ... odores). 283

Vgl. auch den Artikel ,süß' im Grimm'schen Wörterbuch (10. Band, IV. Abteilung, Leipzig 1942, 1279-1325), wo 1279 darauf hingewiesen wird, daß von einer .Übertragung' historisch keine Rede sein könne, da der sinnliche und der außersinnliche Gebrauch schon früh nebeneinander vorlagen.

96

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

sinnliche Bedeutung noch in irgendeiner Form mitempfunden wird. Dadurch verlieren die meisten vermeintlich synästhetischen Junkturen einiges von ihrer Kühnheit, z.B. die Wendung inepto colore sed dulci (Sen. contr. 1,4,7, über den Stil des Gorgias): Gerade im Bereich der rhetorischen Terminologie sind color wie dulcis stark abgenutzte Metaphern, dulcis wird in rhetorischen Schriften sowohl von Werken gebraucht (Cie. Brut. 83; Quint, inst. 9,4,14; 11,3,164) als auch (in metonymischer Erweiterung) von Schriftstellern bzw. Rednern (Cie. off. 1,3; Quint, inst. 10,1,73; 12,10,44) bzw. von der Stimme bzw. dem Ton (Quint, inst. 11,3,16; 12,10,27).284 Metaphern, die eine nicht-gustative bzw. nicht-olfaktorische Wahrnehmung als ,süß' oder ,bitter' bezeichnen, kann man also kaum als ,kühne' Vertreter der Gattung Synästhesie ansehen. Dies gilt für Übertragungen auf alle Sinnesbereiche, z.B. bei Catull dulce ridere (51,5; 61,212),285 die honigsüßen Augen (48,1: mellitos oculos tuos), bei Lukrez dulces cachinni (5,1397; 5,1403) und dulces querellae (4,584), bei Vergil suave rubens (ecl. 3,63; 4,43) und dulcis umbra (Aen. 1,694).286 Womöglich könnte man aus der Häufung dieser Metaphern in einem Gedicht den Schluß ziehen, daß die sinnliche Komponente wieder aktiviert wird. Eine solche Häufung liegt beispielsweise in Catulls 68. Gedicht vor, das im ersten Vers casu ... acerbo hat und mit lux mea, qua viva vivere dulce mihi est schließt; dazwischen steht (v. 17f.) ... non est dea nescia nostri / quae dulcem curis miscet amaritiem sowie noch fünfmal dulcis (v. 7, 24, 61, 96, 106, bei insgesamt 26 Belegen für dulcis bei Catull) und noch einmal acerbus in v. 284 Weitere Beispiele bei Assfahl 1932, 16f. Diese Metaphorik ist auch in der griechischen Rhetorik verbreitet, vgl. van Hook 1905, 28f. 285 ,Süße Laute' schon bei Naevius trag. 23 (suavisonum melos) sowie Ennius ann. 113 Sk. Olli respondit suavis sonus Egeriai. Skutsch z.St. betont den (rein statistisch) ,unpoetischen' Charakter des Adjektivs, vgl. Axelson 1945, 36; vgl. noch Enn. ann. 304f. Sk. additur orator Cornelius suaviloquenti/ore, nachgeahmt Lucr. l,945f. (= 4,20f.) volui tibi suaviloquenti / carmine Pierio rationem exponere nostram, vgl. auch Lucr. 4,180 und 4,909 suavidicus. Frühester Beleg für dulcis auf Geräusche bezogen ist Cie. orat. 57: ... voce dulci et clara. Im ThlL (5 l ,2191,53ff.: „de sono, voce, oratione, cantu sim.") wird nicht zwischen dem Fall, in dem der Inhalt der Rede ,süß' ist und dem, daß die Rede selbst ,süß' klingt, unterschieden. Nur letzteren kann man als Synästhesie auffassen. Weitere Beispiele für ,süße' Laute in der augusteischen Dichtung: Hör. carm. 4,3,18 dulcem ... strepitum; sat. 1,4,76 suave locus voci resonat conclusus\ epist. 1,7,27 dulce loqui\ Prop. 1,12,6 nostra dulcis in aure sonat\ Tib. 1,3,60 dulce sonant, 1,7,47 dulcis tibia cantu; Ov. ars 2,284 dulci ... sono; met. 1,709 vocis ... dulcedine; met. ll,169f. tum stamina docto/ pollice sollicitat, quorum dulcedine captus. 286 Vgl. allerdings hierzu Clausen zu ecl. 2,49: „dulci ... umbra, virtually unique". dulcis wird von Vergil nicht von akustischen Eindrücken verwendet.

Geruchs- und Geschmackssinn als Bildspender

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90 (damit zwei von drei Belegen für acerbus bei Catull in diesem Gedicht). Auch vom Stamm amar- kommt außer amaritiem in 68,18 nur noch einmal amariores vor (Catull. 27,2). Aber trotz dieses Befundes wird man auch hier eher zurückhaltend sein; eine Synästhesie läge ohnehin nicht vor.287 Interessant ist eine adverbiale Verwendung von acerbus: Lucr. 5,33 asper, acerba tuens, immani corpore serpens ... Diese Wendung wird von Vergil einmal nachgeahmt (Aen. 9,794: asper, acerba tuens retro redit ...) und einmal variert, indem sie auf einen anderen Sinn bezogen wird: asper, acerba sonans heißt es georg. 3,149 von der Bremse.288 olere Die Tatsache, daß Geruch und Geschmack sehr stark mit unseren Emotionen verbunden sind,289 dürfte dafür verantwortlich sein, daß .riechen' und verwandte Ausdrücke in vielen Sprachen als Metaphern für subjektive Beurteilung Verwendung finden. Dies ist auch im Lateinischen der Fall; zu olere im übertragenen Sinne (,riechen nach') vgl. Plaut. Men. 170 MEN. quid igitur? quid olet? responde. PE. furtum, scortum, prandium. Weitere Belege u.a. bei Cicero (de orat. 3,44: Qua re cum sit quaedam certa vox Romani generis urbisque propria, in qua nihil offendi, nihil displicere, nihil animadverti possit, nihil sonare aut olere perezrinum, hanc sequamur neque solum rusticam asperitatem, sed etiam

287

In der Aeneis wird amarus dreimal für Geräusche verwendet: 4,203 (... rumore accensus amaro, vgl. Maurach 1989, 155), 10,368 (... dictis virtutem accendit amaris) und 10,591 (quem pius Aeneas dictis adfatur amaris). - Eine schöne .Reaktivierung' der ursprünglichen sinnlichen Bedeutung bietet Ov. met. 14,525f., wo der Hirte, der die Nymphen schmäht, in einen wilden Ölbaum verwandelt wird: quippe notam linguae bacis oleaster amaris / exhibet; asperitas verborum cessit in illas. Die .bitteren' Worte werden zu bitteren Früchten, vgl. Bardon 1964, 15. 288

Ein ähnlicher innerer Akkusativ findet sich bei Persius (prol. 12-14): quod si dolosi spes refulserit nummi / corvos poetas et poetridas picas / cantare credas Pegaseium nectar. Kißel z.St. notiert v.a. griechische Vorbilder, aber auch Plaut. Poen. 325 mulsa loquitur, vgl. auch Rud. 364 mulsa dicta dicis. 289

Vgl. hierzu Hatt 1990, 94. Es gibt wohl keinen Sinn, bei dem sich so rasch ein emotionales Urteil bei der Wahrnehmung einstellt wie beim Geruchssinn, vgl. Wöhrle 1987, 94; Piaton unterscheidet bei Gerüchen überhaupt nur zwischen τύ ήόύ und χό λυπηρόν (Tim. 66d, vgl. auch hierzu Wöhrle a.O.). Auch Aristoteles hebt die Tatsache hervor, daß man mit Geruchseindrücken sofort emotionale Wirkungen verbindet, und begründet dies damit, daß der Mensch nicht sehr gut riechen könne (De anima 421al2-14).

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

98

peregrinam insolentiam fugere discamus).290 Die zwanglose Verknüpfung von sonare und olere - das eine wörtlich, das andere metaphorisch zu verstehen - deutet darauf hin, wie blaß die Metapher zu Ciceros Zeit war. In ähnlichem Zusammenhang sagt Quintilian (inst. 8,1,3) et verba omnia et vox huius alumnum urbis oleant, ut oratio Romana plane videatur, non civitate donata.29i gustare Es soll an dieser Stelle noch ein Metapherntyp erwähnt werden, der erst im folgenden Unterkapitel (3.5) aufgeführt wird, aber mit einer gewissen Berechtigung auch hier erwartet werden könnte. Gemeint ist die metaphorische Verwendung von Ausdrücken des Trinkens und Essens. Diese Metaphern heben ja regelmäßig zweierlei hervor: einmal, daß etwas Materielles aufgenommen wird, dann, daß etwas geschmacklich beurteilt werden kann. Je nach Zusammenhang wird man eher der einen oder der anderen Möglichkeit den Vorzug geben. Fälle mit devorare, bibere, erst recht mit haurire mögen dabei besonders strittig sein. Wir haben uns für die Auffassung von der vorherrschenden stofflichen Vorstellung entschieden, wenn nicht durch zusätzliche Textsignale deutlich wird, daß der Geschmack bevorzugt angesprochen werden soll. Ein naheliegendes Beispiel hierfür ist die metaphorische Verwendung von gustare: es bedeutet .schmecken', ,mit dem Geschmackssinn wahrnehmen', ,kosten'; dabei kann sowohl der bloße Vorgang des Schmeckens (im transitiven Sinne) als auch die Geringfügigkeit des Aufgenommenen betont werden. Der erste Fall liegt vor allem bei den ,technischen' Verwendungsweisen vor, z.B. in Aufzählungen der Sinneswahrnehmungen (Cie. Tusc. 5,111: ... ea quae gustemus olfaciamus tractemus audiamus).292 Die zweite Verwendungsmöglichkeit ist aber die weitaus häufigere (ThlL 62,23 67, 23ff). 290

Vgl. ThlL 9,543,72ff. „pereeptio fit sola mente". Vgl. noch Plaut. Cist. 314; True. 131; Varro ling. 5,74 et arae Sabinum linguam olent, quae Tati regis voto sunt Romae dedicatae; Cie. Rose. 20 olere malitiam. 291

Auch odor wird im übertragenen Sinne seit Cicero verwendet, vgl. ThlL 9,469,355; Verr. II 5,160 odore aliquo legum recreatus; de orat. 3,161 odor urbanitatis. 292

Vgl. auch Caes. Gall. 5,12, wo von den Briten gesagt wird, sie enthielten sich des Genusses bestimmter Fleischsorten: leporem et gallinam et anserem gustare fas non putant. Die zitierte Cicero-Stelle Tusc. 5,111 widerlegt Meusels Bemerkung, in „gutem Latein" habe gustare „stets (selbst in übertragenem Sinne) die Bedeutung .kosten, ein ganz klein wenig von etwas genießen'." Freilich dürfte kein Zweifel daran bestehen, daß Meusels Urteil, die Cäsar-Stelle sei interpoliert, aus anderen Gründen richtig ist. - Das deutsche .Genießen' hat die gleiche Doppelbedeutung wie gustare: bloßes ,zu sich nehmen', aber auch prägnant ,in kleinen Mengen zu sich nehmen und den Geschmack würdigen'.

Geruchs- und Geschmackssinn als Bildspender

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Synästhetisch ist die Verwendung von gustare Plaut. Most. 1063: gustare ego eius sermonem volo. Eine Übersetzung, die gustare hier ähnlich wie devorare oder bibere auffaßt, geht an der Sache vorbei (z.B. E. Segal: „I would like to drink in what he has to say"; dagegen W. Ludwig: „Ich will doch etwas kosten von der Sprache, die er fuhrt"); der Witz liegt in dem komischen Gegensatz zwischen der Ankündigung Tranios, nur ein wenig „kosten" zu wollen, und der für den Zuschauer klar erkennbaren Absicht, alles zu belauschen. In der späteren Dichtung finden sich keine Synästhesien mit gustare™

293

Vgl. ThlL 6 2) 23 68,27ff.

3.5

Tastsinn als Bildspender

Die aus dem Bereich des Taktilen kommenden Metaphern haben alle die gleiche Grundfunktion der ,Verstofflichung': Etwas eigentlich Unkörperliches, nicht Fühlbares wird stofflich und ,anfaßbar' gedacht; eine Hauptempfängerdomäne ist dabei der Bereich geistiger und seelischer Vorgänge. Dieser Zusammenhang gilt auch im Bereich der Sinneswahrnehmung, und zwar gleichermaßen fur Sehen und Hören wie für die .chemische' Form der Wahrnehmung beim Riechen und Schmecken. Übertragungen aus dem Taktilen spielen daher im Bereich der sogenannten ,Ursynästhesien' eine wichtige Rolle;294 auch bei den statistischen Untersuchungen Ulimanns hat sich der taktile Bereich als die Haupt-,Quelle' für synästhetische Übertragungen erwiesen.295 Man kann aber zweifeln, ob taktile Synästhesien grundsätzlich als eher kühn anzusehen sind. Auch der im zweiten Kapitel dargelegten Theorie der kühnen Metapher zufolge wird man wegen der größeren Bildspanne (vom Stofflichen zum Nicht-Stofflichen) keine .gefahrliche Nähe' bei diesen Übertragungen ausmachen können. Doch muß natürlich auch hier der Einzelfall entscheiden. Dieses Unterkapitel wird jedenfalls einen im Vergleich zu den vorangegangenen eher dokumentierenden als interpretierenden Charakter haben und vor allem bei Bildfeldern mit sehr zahlreichen Belegen den Befund nicht vollständig präsentieren.296

3.5.1

Gesichtssinn als Bildempfänger

Beschreibungen des Sehens müssen mit einem Paradox zurechtkommen: Einerseits ist das Sehen ein aktiver, zielgerichteter, steuerbarer Vorgang man wendet den Blick hin zum Objekt, man kann aber auch ,nicht hinsehen', die Augen schließen etc.: Hören ist dagegen viel weniger dem Willen unterworfen, man kann die Ohren nicht so einfach und effektiv 294

Vgl. die Zusammenstellungen von Kronasser 1952, 151 f. (vgl. oben S. 21).

295

Ulimann 1957, 281.

296 Insbesondere in den Fällen, in denen Belegsammlungen im ThlL zur Verfügung stehen, wurde auf das Anführen aller Stellen verzichtet. Vollständigkeit wurde für Catull, Lukrez, Vergil und Horaz angestrebt. Es ist im übrigen bei diesem Bildfeldtyp häufig nicht einfach zu entscheiden, ob eine ,materielle' Vorstellung vorherrschend ist oder nicht. Wenn vom Licht oder der Stimme Aussagen gemacht werden, die diese wie ein Objekt betrachten, muß nicht unbedingt eine taktile Vorstellung zugrundeliegen (obwohl natürlich jedes Objekt eine Masse hat). Wir haben daher nur eine Auswahl solcher Bildfelder angeführt.

Tastsinn als Bildspender

101

.schließen' und sich einem akustischen Eindruck verweigern. Auf der anderen Seite ist das Sehen selbst aber ein ganz passiver Vorgang, bei dem die Augen bloße Rezeptoren von Lichteindrücken sind. Dieses Spannungsverhältnis beeinflußt die jeweilige Metaphorik: Es muß einem Sprecher erwünscht sein, bisweilen den eigentlichen Sehvorgang als materiell darstellen zu können, etwa als ein »Greifen' mit den Augen. Dies entspricht der (im Altertum verbreiteten) Vorstellung vom Blick als einem ,Sehstrahl', der auf das Objekt gerichtet wird. Etwas anderes ist es, wenn nicht der Wahrnehmungsprozeß, sondern das Wahrnehmungsobjekt als stofflich beschrieben wird. Zwar kann auch dabei der Sehvorgang aktivzugreifend gedacht sein, aber dies ist nicht zwingend impliziert: Solche Metaphern betonen in der Regel eher den passiven Sehvorgang, bei dem nicht das Auge auf das Objekt gerichtet ist, sondern das Objekt auf das Auge einwirkt. Die Kombination beider Metaphernarten ist denn auch selten, weil ja die beiden Grundfunktionen nicht vereinbar sind und damit die Gesamtwirkung beeinträchtigt wird: Entweder man ,greift' das eigentlich Ungreifbare, oder das eigentlich Immaterielle wirkt dennoch wie ein Stoff auf das Auge. Entsprechend diesen beiden Grundvorstellungen des Sehens erfolgt die weitere Untergliederung dieses Abschnitts zunächst nach , Gesehenes wird „gefühlt" oder „ertastet"' und .Wahrgenommenes ist „stofflich"', wobei mit dem .Wahrgenommenen' ein eigentlich unkörperlicher Eindruck (Licht, Dunkelheit oder Farbe) gemeint ist und der Sehvorgang selbst gar nicht beschrieben wird.

3.5.1.1

Gesehenes wird »gefühlt' oder .ertastet'

Der Blick wird,gerichtet',

,gelenkt', ,geworfen' u.a.

arrigere, dirigere Aen. 12,730f. ... exclamant Troes trepidique Latini, arrectaeque amborum acies. ... arrigere heißt ursprünglich .aufrichten', wird seit Plautus nach dem Vorbild des aufmerksamen Aufrichtens von Tierohren vom .Spitzen' der Ohren des Menschen gesagt (ThlL 2,638,40-52) und von da auf den menschlichen Geist übertragen (ThlL 2,638,73: „animum, hominem elevare, incitare", Prosabelege v.a. bei Sallust [Cat. 39,3; lug. 84,4; vgl. ThlL 2,638,73ff.]); in dieser Bedeutung steht es häufig bei Vergil (georg. 3,105 spes arrectae; Aen. 5,138 laudum ... arrecta cupido; 5,643 arrectae

102

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

mentes', 11,452 arrectae ... irae\ 12,251 arrexere animos Itali). In der ursprünglichen Bedeutung ,aufrichten', aber auf die Augen bezogen, hat Vergil das Wort Aen. 2,172f. (von den Augen des Standbilds der Pallas: arsere coruscae /luminibusflammae arrectis ...). Läßt man die Möglichkeit zu, daß mit acies an der oben zitierten Stelle Aen. 12,730f. auch die Augen der Umstehenden gemeint sein können,297 so entsteht im Spannungsfeld zwischen der üblichen übertragenen Verwendung ,mit gespitzten Ohren = aufmerksam' und der ebenfalls gängigen Übertragung auf ,innere' Vorgänge ,innerlich gespannt sein' eine neue Vorstellung von gespanntem (.gespitztem') Sehen; die an der Szenerie beteiligten Schlachtreihen (und Schwertschneiden!) sorgen für ein stärkeres Mitempfinden der ursprünglichen Bedeutung von acies. Catull. 63,56

cupit ipsapupula ad te sibi dirigere aciem

dirigere (bzw. derigere) ist hier erstmals mit den Augen bzw. dem Blick als Objekt verwendet; es ist jedoch in (nur unwesentlich) späterer Prosa geläufig, vgl. ThlL 5,,1242,71-1243,11 (Belege u.a. Bell. Afr. 26,4; Sen. contr. 1,8,6; in der Dichtung noch Manil. 2,514). dimittere Ov. met. 3,381 (Narcissus) aciem partes dimittit in omnes Laut ThlL 51,1208,64-77 wird dimittere vom Blick nur hier verwendet; das häufigere oculos demittere ist natürlich auf das Senken des Kopfes bezogen und nicht synästhetisch. ferre ferre wird selten von den Augen gesagt; laut ThlL 6U542,56-58 sind die folgenden beiden Vergilstellen die einzigen Belege: Aen. 2,570 passim ... oculos per cuncta ferenti Aen. 3,490 sie oculos, sie ille manus, sie ora ferebat Beim zuletzt zitierten Vers ist jedoch mit ferre keine Bewegung, sondern eine Eigenschaft des Blickes gemeint, vgl. Heyne z.St.: „est autem exquisite dictum pro tales oculos habebat, tales manus etc." Für ora ferre gibt es weitere (allerdings ebenfalls spärliche) Belege; aber dort scheint

297

Servius z.St. läßt beide Möglichkeiten offen {aut exercitus, aut oculi). David West möchte wohl die Ambiguität bewahren und übersetzt „both armies watched intently". Die Ansichten sind ansonsten geteilt: Die Haltung des ThlL (2,639,6) ist nicht klar (die Angabe des Synonyms intentae läßt beides zu), Williams z.St. bevorzugt die Deutung von acies als Auge, Traina und Maguinness die als Schlachtreihe.

Tastsinn als Bildspender

103

doch nicht so sehr das Wandern des Blicks als vielmehr das Wandern und Hinwenden des Gesichts gemeint zu sein. iacere Hier ist conicere in der Prosa üblich (ThlL 4,307,54-58; u.a. Varro rust. 2,2,2; Cie. Verr. II 5,35; zahlreiche weitere Cicero-Stellen).298 Vergil verwendet es einmal in der Aeneis im 12. Buch, wo durch den Kontext die Analogie zum Schleudern eines Wurfgeschosses deutlich wird:299 Aen. 12,483 ... quotiens oculos coniecit in hostem iacere ist in dieser Bedeutung nicht sehr häufig: Cicero hat quantos radios iaeimus de lumine nostro (Arat. 313), danach ist der erste Beleg Arnob. nat. 4,5 (vgl. ThlL 7i,40,73). Lukrez hat einmal traicere: Lucr. 4,424 et quocumque oculos traieeimus. Ebenfalls selten ist das Intensivum iactare in dieser Bedeutung (vgl. ThlL 1\,51,39-42), es kommt einmal bei Lukrez vor (4,1139 ... nimium iactare oculos ...) und außerdem noch Ov. epist. 3,11 alter in alterius iactantes lumina vultum. Das ,Zurückwerfen' des Blickes im Sinne von , Wegschauen' begegnet nur in der Aeneis: Aen. 10,473 sic ait atque oculos Rutulorum reicit arvis.300 (in-)tendere Aen. 7,251

(Latinus)... intentos volvens oculos. ...

intentus vom Auge gesagt ist ganz geläufig, vgl. ThlL 7,,2118,18; Otto 1890, 250; Horsfall zu dieser St.; Cie. Flacc. 26: intends oculis, ut aiunt, ... Auch die anderen Formen von intendere sind auf die Augen bezogen in der Prosa belegt, z.B. Cie. Luc. 80 intendi acies longius non potest und Tubero hist. 9 intendere in caelum oculos.νΛ Bloßes tendere hat dagegen selten die Augen als Objekt. Eine bemerkenswerte Stelle ist Lucr. l,66f.: primum Graius homo mortalis tendere contra est oculos ausus ... tollere codd. : tendere Nonius p. 411,3f. 2

West 1994, 61 f. plädiert zu Recht für tendere, da die Metaphorik des gespannten Bogens besser in den kriegerischen Kontext paßt: Epikur kehrt 298

Vgl. Halter 1970, 145 Anm. 12.

299

Vgl. auch Halter ebd.

300

Gebildet nach Horn. II. 21,415, vgl. Conington/Nettleship z.St. sowie Halter 1970,

146. 301 Bei der Beschreibung der grausamen Bestrafung des Atilius Regulus durch die Karthager (überliefert bei Gell. 7,4,3).

104

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

als siegreicher Feldherr und Triumphator zurück.302 Ansonsten wird tendere auf die Augen bezogen bevorzugt in zeugmatischen Konstruktionen verwendet.303 Auch bei Vergil begegnet die Einbindung dieser Form der Synästhesie in ein Zeugma: Aen. 5,508 ... pariter ... oculos telumque tetendit Vgl. Williams z.St.: „'took aim with eye and arrow together', but not nearly so marked as Aen. 12,930f. ...": Aen. 12,930f.

... oculos protendens

dextramqueprecantem

oculos protendere ist sonst nicht belegt, aber Catull hat 64,127 protendere aciem: unde aciem in pelagi vastos protenderet aestus. Ein Zeugma besonderer Art ist Aen. 2,405f.: ad caelum tendens ardentia lumina frustra, lumina, nam teneras arcebant vincula palmas. Die Griechen haben Kassandras Hände gefesselt, so daß sie faktisch nur den Blick .ausstrecken' kann. Der Blick

wirdfestgemacht'

(de-)ßgere Vor allem in der Aeneis wird das .Festmachen' des Blickes häufig durch figere bzw. defigere ausgedrückt (vgl. ThlL 6i,718,46-81 und 51,340,75341,52): Aen. 6,469 (ähnlich 1,482) illa solo fixos oculos aversa tenebat; Aen. 11,507 Turnus ad haec oculos horrenda in virgine fixus\ Aen. 12,70 ... figit ... in virgine vultus; Aen. 1,226 (Iuppiter) ... Libyae defixit lumina regnis\ Aen. 1,495 dum stupet obtutuque haeret defixus in uno; Aen. 6,156 Aeneas maesto defixus lumina voltu\ Aen. 7,249f. talibus Ilionei dictis defixa Latinus /obtutu tenet ora ...; Aen. 8,520 vix ea fatus erat, defixique 302

Die Handschriften überliefern zwar einhellig tollere, Lukrezstelle an, um die Verwendung von tendere zu illustrieren. 303

aber Nonius führt die

Z.B. Sen. dial. 6,20,2 exulibus irt patriam semper animum oculosque tendentibus. Verbindungen von Händen und Blicken sind in ciceronischer Prosa geläufig, vgl. Cie. Clu. 20 et res non coniectura sed oculis et manibus teneretur, Cael. 14 ... cuius ego facinora oculis prius quam opinione, manibus ante quam suspicione deprendi; Man. 66 ... qui ab auro gazaque regia manus, oculos, animum cohibere possit. Vgl. Brown zu Lucr. 4,1078 (oculis manibusque frui): „perhaps the phrase has a legal tone." Ein Beispiel fur ein Zeugma mit intendere ist Plin. epist. 7,27,7 ... ipse ad scribendum animum oculos manum intendit.

Tastsinn als Bildspender

105

ora tenebant. Für defigere existieren dabei zahlreiche Prosaparallelen, fur figere nicht. Dies gilt sowohl für den aktiven als auch den reflexiven Gebrauch des Verbs defigere, vgl. ThlL a.O. Zu figere zitiert der ThlL als frühe Prosabelege Liv. 9,7,3 und Sen. epist. 11,7; die Aeneisstellen sind die insgesamt frühesten Belege. In der übrigen augusteischen Dichtung vgl. noch Hör. epist. 1,6,14 defixis oculis304; Ov. met. 4,196f. virgine figis in una /... oculos\ met. 7,86f. in vultu ... /lumina fixa tenet; met. 13,456 in ... suo vidit figentem lumina vultu (wobei Neoptolemos dem Anheften des Blicks das Durchbohren mit dem Messer folgen lassen wird, wenn auch widerwillig [v. 475]); 13,541 figit ... lumina terra-, trist. 4,2,29 qui nunc in humo lumen miserabile fixit.305 haerere Obwohl man versucht sein könnte, Stellen, an denen es um ein ,An-denLippen-Hängen' geht, unter der Rubrik taktü-akustisch einzuordnen, ist wohl doch vor allem ein gebanntes Sehen gemeint, das durch das gespannte und intensive Zuhören hervorgerufen wird. - Zu haerere „de aviditate videndi et audiendi"306 ist Vergil ältester Belegautor: Aen. 1,495 dum stupet obtutuque haeret defixus in uno Aen. l,717f. ... haec oculis haecpectore toto /haeret Die früheste Prosaparallele ist Sen. dial. 5,4,1 oculis ... in uno obtutu defixis et haerentibus. Vgl. noch Prop. 1,3,19 intentis haerebam fixus ocellis\ Ov. met. 2,409f. in virgine Nonacrina/ haesiV, met. 10,359 patriis ... in vultibus haerens. Bei Vergil gibt es auch ein ,Hängen', das nicht die Gespanntheit des Betrachters ausdrücken soll, sondern einfach ein konstantes Hinstarren: Aen. 7,249f. talibus Ilionei dictis defixa Latinus obtutu tenet ora soloque inmobilis haeret ...

304

Vgl. Halter 1970, 149.

305

Syntaktisch anders Pers. 3,80 figentes lumine terram (es spricht ein fiktiver Centurio, dem das .Durchbohren' näher ist als das .Anheften' des Blicks, vgl. Kißel z.St.). - Vgl. auch Hör. carm. 1,36,18 deponent oculos (mit Nisbet/Hubbard z.St.: defigere would have been more normal" und Halter 1970, 148, der auf die Verwendung von oculos deponere Bell. Afr. 26,4 verweist). Ebenfalls selten ist inserere oculos'. Ov. met. 2,93f. oculos in pectora ... / inserere (Börner nennt z.St. Cie. Font. 43 inserite oculos in curiam [inferte v./.] und Val. Max. 3,3ext.,l miraculo Dareus inseruisset oculos\ weitere Parallelen erst ab Paulinus von Nola, vgl. ThlL 7j,1871,35-38). 306

ThlL 6 3> 2495,59.

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

106

Vgl. Horsfall z.St.: „There is a sort of hypallage involved: ... we realise that here it is not Lat(inus) who is literally stuck (haeret); rather it is his gaze that is fixed or stuck to the ground." pendere Aen. 4,78f.

Iliacos ... iterum demens audire labores exposcit pendetque iterum narrantis ab ore. Vgl. ThlL 10,,1041,15-57. Die Vergil-Stelle ist erster Beleg fur durch pendere ausgedrücktes optisches ,Hängen'; erster Prosabeleg ist Sen. contr. 9 praef. 5 ex vultu dicentis pendent omnium vultus. Die bisweilen (z.B. von Pease z.St.) angeführten weiteren Parallelen meinen ein ,inneres', geistiges Hängen mit der mens (z.B. Catull. 64,69f. toto ex te pectore, Theseu, / toto animo, tota pendebat perdita mente). Gesehenes wird, ergriffen'

capere georg. 2,230 ante locum copies oculis ... Hier ist ein Aussuchen des geeigneten Ortes mit den Augen gemeint; keine Parallele liefert das Verhalten der Schwäne Aen. l,395f. nunc terras ordine longo / aut capere aut captas iam despectare videntur, trotz Servius z.St. (capere: eligere);307 weitere Belege (vgl. ThlL 3,321,1 Iff.) Ον. met. 3,246 ... capere oblatae ... spectacula praedae (mit Börner z.St.); 7,780 capio ... novi spectacula cursus; trist. 4,2,65 capiet populus spectacula felix; Prosabelege: Liv. 1,18,7prospectu ... capto; 9,17,14; Sen. dial. 3,3,7 capit ... visus speciesque rerum. oculis scheint nur bei Vergil hinzugefügt zu sein. Von dieser Verwendung zu trennen ist natürlich das ,EingenommenW er d e n ' der Augen durch einen Anblick, v.a. den Anblick einer geliebten Person, vgl. ThlL 3,338,20-29 (Belege u.a. Prop. 2,30,10 lumina capta\ 3,10,15 oculos cepisti ... Property, 3,21,29 tabulae capient mea lumina pictae; Ov. am. 1,2,27 capti iuvenes captaeque puellae·, met. 14,372f. ,per, o, tua lumina' dixit, / .quae mea ceperunt ... ').308

307 308

Vgl. ThlL 3,320,71; Austin zu Aen. 1,396.

concipere wird äußerst selten von optischer und recht häufig von geistiger Wahrnehmung gebraucht, vgl. ThlL 4,59,9ff. Frühester Beleg für die erste Verwendung ist Plaut. Poen. 277 haec tanta oculis bona concipio. In der Dichtung kommt es nur noch Stat. Theb. 3,533 vor (Inachii sint hi tibi, concipe, reges), wo concipere aber auch auf akustische Wahrnehmung bezogen werden kann.

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contrectare Singulär und besonders drastisch ist die Verwendung von praecontrectare309 in der Tereus-Procne-Geschichte in Ovids Metamorphosen: Ov. met. 6,478 spectat earn Tereus praecontrectatque videndo Börner z.St. bemerkt treffend: „Tereus nimmt einen Teil [der erotischen Begegnung], nämlich das contrectare, in Blicken und Gedanken vorweg." Nicht minder bemerkenswert ist Tacitus' Verwendung von contrectare in einer Tiberius-Rede (ann. 3,12): ... quo pertinuit nudare corpus et contrectandum vulgi oculis permittere; vgl. ThlL 4,774,70-775,3: Tacitus ist erster Beleg, da das oculis der Handschriften in Sen. contr. 1,2,13 von den Herausgebern zu Recht in osculis geändert wird.310 (de-), (com-)prehendere Bei diesem Verb ist die Beziehung auf geistiges Verstehen in ciceronischer Prosa belegt (OLD s.v. prehendo 7b, z.B. leg. 1,61); die auf unmittelbares Sehen und ,Ergreifen' mit den Augen (OLD 7a) begegnet erstmals bei Lukrez: Lucr. 4,1142f. ... in adverso vero atque inopi sunt, prendere quaepossis oculorum lumine operto, ... Weitere Belege, auch fur die Komposita: Sen. nat. 6,3,2 naturam oculis, non ratione comprehendimus; nat. 6,24,1 tenuia foramina nec oculis comprehensibilia; Quint, inst. 7,2,4 non argumentis ... sed oculis deprehendenda sunt; Plin. nat. 13,81 deprehenditur et lentigo oculis (hier wohl ein terminus technicus für das Aufspüren von Symptomen); Plin. epist. 6,16,10 ... ut omnes illius mali motus omnes figuras ut deprehenderat oculis dictaret enotaretque; Apul. Plat. 1,6 ilia (sc. ουσία) quae mentis oculis conprehenditur; aus der Dichtung nur noch Lucan. 4,20 vix oculo prendente modum. Bei den Prosaparallelen sind offensichtlich die sylleptischen (bzw. zeugmatischen, das ist schwer entscheidbar) Konstruktionen beliebt. Zwei interessante Ausnahmen sind die beiden Stellen aus Plinius d. Ä. und Plinius d. J. (über seinen Onkel!).

309 310

Es ist auch percontrectat

überliefert. Beide Lesarten sind &ιαξ λεγόμενα.

Seit Cicero in der Prosa gut belegt ist contrectare in der metaphorischen Bedeutung ,sich geistig mit etwas beschäftigen' (z.B. Cie. de orat. 3,24). - Vgl. auch Woodman/Martin zur Tacitus-Stelle: „The sense of touch, normally contrasted with that of s i g h t . . i s combined metaphorically with sight in a striking example of synaesthesia ...".

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

108

rapere Dieses Bildfeld ist in der Aeneis nicht vertreten. Die ältesten Belege fur diese Metaphern kommen durch Tragödienfragmente auf uns: Enn. trag. 32 Jocelyn (= Alexander XVII)3" sed quid oculis rapere visa est derepente ardentibus trag, incert. Ali. ... vive, Ulixes, dum licet: oculis postremum lumen radiatum rape! Die zuletzt zitierten Verse sind überliefert bei Cie. de orat. 3,162, wo es weiter heißt: non dixit ,pete', non ,cape' ... sed ,rape': est hoc verbum ad id aptatum, quod ante dixerat, ,dum licet', rapere meint ein aktives, heftiges An-Sich-Reißen; das Licht bezeichnet zwar metonymisch das Leben, lumen rapere folgerichtig ein intensives Erleben der letzten Momente, bevor man stirbt. Aber man wird auch an ein ganz konkretes Sehen und Aufnehmen des Tageslichts denken dürfen.312 Erwähnenswert ist noch Hör. sat. 2,5,53 sic tarnen ut limis rapias quid prima secundo / cera velit versu (bei limis liegt eine umgangssprachliche Ellipse von oculis vor, vgl. Kiessling/Heinze z.St.); rapere für hastiges Lesen scheint sonst nicht belegt zu sein. Analog zu oculos capere muß auch hier von der gerade zitierten Bedeutung von rapere das .Rauben der Augen' durch einen Anblick unterschieden werden;313 Ov. met. 13,772-775 wird dabei die wörtliche Bedeutung von rapere durch ein Wortspiel aktiviert: terribilem Polyphemon adit, , lumen 'que, ,quod unum fronte geris media, rapiet tibi' dixit, Ulixes.' risit et ,o vatum stolidissime, falleris' inquit, , altera iam rapuit.' Gesehenes

wird,gegessen'

Bemerkenswert ist bei diesem Bildfeld eine Verwendung von vesci bei Accius: Acc. trag. 189 prius quam infans facinus oculi vescuntur tui. Quelle ist Nonius p. 416,13: vesci ... videre. Accius Athamante: ,prius ...'; vgl. d'Anto z.St: „vesci inteso, come suggerisce Nonio a pag. 416, nel 3,1

Vgl. Jocelyn z.St.

312

Vgl. Görler 1995,49f.

313

Vgl. Ov. am. 2,19,19; Sen. dial. 4,1,2; Börner zu met. 13,775 verweist auf dt. .hinreißend'.

Tastsinn als Bildspender

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senso di videre e semplicistico; nel significato invece piü ovvio di edere e molto ardito e espressivo." Bei Lukrez kommt diese Metaphorik im Zusammenhang mit der Polemik gegen die Liebe am Ende des vierten Buches vor, z.B. Lucr. 4,1092-6: Hunger und Durst sind leicht stillbar, aber vom geliebten Menschen kann man nur simulacra aufnehmen; vgl. auch: Lucr. 4,1102 nec satiare queunt spectando ... Der Aspekt des ,Sich-Satt-Sehens' ist auch sonst belegt:314 Lucr. 2,1038f. quam tibi iam nemo fessus satiate videndi suspicere in caeli dignatur lucida templa. Prop. 2,15,23

dum nos fata sinunt, oculos satiemus amore.3I5

pascere, pabulum Analog zu unserer .Augenweide' kennt der Lateiner die Wendung oculos pascere?16 vgl. ThlL 10,,595,66; Solimano 1991, 105 mit Anm. 20 und 21. Ältester Beleg ist Terenz (Phorm. 85): restabat aliud nil nisi oculos pascere; als Prosabeleg vgl. Cie. Verr. II 5,65 (... cum eius cruciatu atque supplicio pascere oculos animumque exsaturare vellent, potestas aspiciendi nemini facta est) sowie Suet. Vit. 14,2: coram interßei iussit, velle se dicens pascere oculos. Lukrez verwendet das Bildfeld zweimal: Lucr. 1,36 (Mavors) pascit amore avidos inhians in te, dea, visus visus statt oculi kommt nach dieser Stelle nur noch Cypr. Gall. los. 165 vor. Lucr. 2,418f. neve bonos rerum simili constare colores semine constituas, oculos qui pascere possunt Zu dieser Stelle siehe unten S. 178. Beispiele aus der augusteischen Dichtung: georg. 2,285 non animum modo utipascatprospectus inanem ... Aen. 1,464 ... animum picturapascit inani

314

Prosabeleg: Sen. dial. 6,18 cum satiatus spectaculo supernorum in terram

oculos

deieceris. 315 316

Vgl. Maurach 1989, 155f.

Erstaunlicherweise bei Otto 1890 s.v. oculus nicht verzeichnet, trotz der eindeutigen Klassifizierung als Redewendung Sen. epist. 58,25. - Vgl. auch Plaut. Poen. 1175 oculis epulas dare mit Maurach z.St.; epulae von einem Anblick gesagt ist sonst nicht belegt, vgl. ThlL 5 2> 701,11-16.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Hier liegen zwei Grenzfalle vor: Zwar geht es strenggenommen um ein ,Weiden' der Seele und nicht der Augen, aber dieses Weiden entzündet sich an optischen Eindrücken.317 Ov. am. 3,2,6 ... oculospascat uterque suos Ov. met. 14,728 corpore ut exanimi crudelia lumina pascas Die folgende Verwendung bei Seneca weist eindeutig darauf hin, daß oculos pascere als eine zwar eigenartige, aber doch übliche Redewendung empfunden wurde: sed quemadmodum ille caelator oculos diu intentos ac fatigatos remittit atque avocat et, ut dici solet. pascit, sie nos animum aliquando debemus relaxare et quibusdam oblectamentis reßcere (Sen. epist. 58,25). Diese Passage warnt auch vor einer allzu simplen Gleichsetzung mit dem deutschen ,die Augen weiden', denn die hier nachweisbare Konnotation der Erholung der Augen (vgl. das zum Augenweiden parallel gesetzte animum relaxare et refleere) ist der deutschen Wendung fremd. Nicht mit dem Betrachter, sondern dem Betrachteten als Subjekt kommt pascere neben Lucr. 2,418f. (s.o.) nur noch einmal vor: (piscis) oculos ante quam gulam pavit heißt es Sen. nat. 3,17,3.318 Auch pabulum u.ä. wird in metaphorischem Sinn gebraucht, häufig in ,weit' übertragenen Metaphern, z.B. Cie. Cato 49 pabulum studii atque doctrinae, bisweilen aber auch synästhetisch, vgl. z.B. Lucr. 4,1063, wo die simulacra als pabula amoris bezeichnet werden. Zu alimentum vgl. Prop. 3,21,3f.: crescit enim assidue spectando cura puellae: ipse alimenta sibi maxima praebet Amor. Vgl. Fedeli z.St.; ThlL l,1587,3ff.; Ovid ahmt die Stelle nach: met. 3,478f. ... liceat, quod tangere non est, adspicere et misero praebere alimenta furori. Vgl. noch Ov. met. 6,480f. (von Tereus, vgl. oben zu 6,478 praecontrectatque videndo): omnia pro ... eibo ... furoris / aeeipit ...

317 Vgl. ThlL 10,596,13. Servius bietet zu beiden Stellen delectare als Erklärung für pascere. - Daneben ist medialespasci im Sinne von delectari belegt, vgl. ThlL 10,600,5Iff. 318 Einen etwas anderen Sinn hat oculos fuligine pasci in Juvenals sechster Satire (6,365 21 ); dort geht es um Schminke, die das Auge färbt.

Tastsinn als Bildspender

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expleri Ebenfalls unter dem hier behandelten Bildfeld sei die Verwendung von expleri im Sinne von „durch einen Anblick ,erfüllt' werden" subsumiert. Die folgende Catull-Stelle ist der erste Beleg (64,267f.):319 quae postquam cupide spectando Thessala pubes expletast... Daneben sind noch zwei Verwendungen in der Aeneis von Bedeutung: Aen. l,712f. praecipue infelix, pesti devota futurae expleri mentem nequit... Dies kann als erster Schritt zu Didos .Trinken der Liebe' (longum amorem bibere, s.u. S. 113) gesehen werden; auch hier wird der Gedanke durch infelix eingeleitet! Aen. 8,617f. ille deae donis et tanto laetus honore expleri nequit atque oculos per singula volvit. Hier kann sich Aeneas an den Geschenken seiner Mutter Venus nicht ,sattsehen'; im Gegensatz zu Dido ist er freilich laetus. Gesehenes

wird,getrunken'

haurire haurire in Verbindung mit optischen Eindrücken ist seit Vergil belegt320 und kommt erstmals in den Georgica vor: georg. 2,340 ... / cum primae lucempecudes hausere ... Ältester Prosabeleg ist Livius (27,51,1: oculis auribusque haurire tantum gaudium cupientes)·, schon seit Cicero belegt ist die ,weite' metaphorische Verwendung;321 vgl. die an taktiler Metaphorik reiche Passage Cie. Phil. 11,10 Quid eum non sorbere animo, quid non haurire cogitatione, cuius sanguinem non bibere censetis, in cuius possessiones atque fortunas non impudentissimos oculos spe et mente defigere? Die Vergil-Stelle ist auch insofern bemerkenswert, als hier kein Sinnesorgan angegeben ist. Sie läßt sich wohl als eine höchst wirkungsvolle Zusammenfassung der Vorstellung vom ersten Einatmen und vom

3,9

Vgl.ThlL 5 2 ,1717,6-8.

320

Vgl. ThlL 03,2570,49-71; Halter 1970, 155 Anm. 29.

321

Vgl. ThlL 63,2571,84-2572,52.

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

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Erblicken des ersten Lichts durch die neugeborenen Tiere deuten: Licht und Luft werden gleichzeitig aufgenommen.322 Aen. 4,661 f. hauriat hunc oculis ignem crudelis ab alto Dardanus ... Durch die exponierte Anfangsstellung wird dem Prädikat hier zusätzliches Gewicht verliehen; man versteht beinahe: ,Die Trojaner sollen das Feuer nicht bloß wahrnehmen, sie sollen das Bild geradezu physisch in sich aufnehmen und nie wieder vergessen; es soll sich unauslöschlich einprägen.' Und tatsächlich sind die Trojaner bei ihrer Weiterfahrt vom Anblick des Feuers und den sich daran anschließenden Spekulationen gebannt: quae tantum accenderit ignem / causa latet; duri magno sed amore dolores / polluto, notumque furens quid femina possit, / triste per augurium Teucrorum pectora ducunt (Aen. 5,4-7). Schwierig zu beurteilen ist die folgende Stelle: Aen. 10,898f.

... contra Tyrrhenus, ut auras suspiciens hausit caelum mentemque recepit Hier liegt vermutlich die bisweilen bei Vergil konstatierte Vertauschung von Objekten vor.323 Durch die so ermöglichte Kombination hausit caelum in unmittelbarer Nachbarschaft von suspiciens könnte aber in caelum haurire auch eine optische Wahrnehmung anklingen.324 Nicht synästhetisch sind Verbindungen wie animo haurire (Aen. 10,647f. Turnus/ credidit atque animo spem turbidus hausit inanem ...; 12,26 hoc animo hauri\ Ov. met. 10,252f. miratur et haurit / pectore Pygmalion simulati corporis ignes). Eindeutig und kühn aber ist die Synästhesie Aen. 12,945-47: ille, oculis postquam saevi monimenta doloris exuviasque hausit, furiis accensus et ira terribilis: ... Aeneas nimmt den Anblick des Pallas abgenommenen Schwertgurtes mit der größtmöglichen Intensität auf. Dieser Anblick und der ihn 322 Vgl. Conington/Nettleship z.St. „... light and air are not unfrequently confounded, pure ether being supposed to be liquid flame." 323 Börner 1952; Görler 1985, 276 („in 10,898-899 ... viene evidentemente descritto con vivacita un venir meno e un senso di vertigine ..."); vgl. Harrison z.St.: „auras ... would go better with hausit, caelum with suspiciens, but the poet has interchanged the two."

Im ThlL (63,2570,24) wird die Stelle nicht unter die optischen Verwendungen eingeordnet, sondern als Einziehen der Luft durch den Mund (oder die Nase) aufgefaßt; ähnlich Servius z.St.; vgl. aber Servius zu Aen. 1,738: hausit... alibi vidit, ut hausit caelum mentemque recepit. Harrison z.St. verweist auf die griechische Parallele άέρα ελκειν. 324

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wachrufende Rachegedanke beseitigt mit einem Schlag die vorher angestellten, von Mitleid geprägten Überlegungen. Damit ist das Schicksal des Turnus besiegelt.325 Eine Verbindung zwischen optischem und geistigem ,Einsaugen' bietet die folgende Passage aus den Metamorphosen: Ov. met. 15,63f. mente deos adiit et, quae natura negabat visibus humanis, oculis ea pectoris hausit. Diese Stelle ist, obwohl es eigentlich gerade nicht um echtes Sehen geht, dennoch hier einzuordnen, da die Junktur oculis haurire für sich genommen synästhetisch ist und die Ergänzung pectoris, die das ganze Bild in den Bereich des Geistigen hebt, daran nichts ändern kann. Die ,inneren' Vorgänge werden in einer metaphorischen Verschränkung mit Hilfe einer taktilen Synästhesie dargeboten. Weitere Belege in der nachaugusteischen Dichtung sind Stat. silv. 5,3,32 {einerem ... oculis umentibus hausi) und Sil. 11,281 f. (miles faciem ... superbi /ignotam luxus oculis mirantibus haurit). bibere Das Bildfeld ,Gesehenes wird „getrunken"' hat mit bibere bei Vergil nur eine Realisierung,326 freilich eine höchst bemerkenswerte. Beim abendlichen Festmahl in Karthago, als Aeneas beginnt, von seinen Abenteuern zu erzählen, verliebt sich Dido (unter dem Einfluß von Cupido) in ihn: Aen. 1,748f. nec non et vario noctem sermone trahebat infelix Dido longumque bibebat amorem. Servius z.St. weist auf die Beziehung des bibere zum Kontext der Szene, nämlich dem Gelage, hin (adlusit ad convivium).327 Es ist nicht eindeutig, ob es eher Aeneas' Anblick oder seine Erzählung ist, die Dido in sich aufnimmt, vermutlich beides. Man spürt geradezu, daß mit bibere eine ähnlich umfassende Wahrnehmung beschrieben wird wie später an der 325

Vgl. Halter 1970, 155.

326

Es ist überhaupt sehr selten, vgl. ThlL 2,1966,35-48: Lucil. 601 (... ne caelum bibat) ist der einzige Beleg (Aen. 1,749 ist unter „res spiritualiter [pereipere]" [1966,51] eingeordnet). 327

Vgl. noch das Urteil von Norden gelegentlich mit gewöhnlichen Worten longumque bibebat amorem, dem ich in Seite zu stellen wüßte". Kaum plausibel einen echten Liebestrank denkt.

zu Aen. 6,5: „Wie starke Wirkung er (sc. Vergil) erziehlt, mache man sich etwa klar an 1,749 lateinischer Poesie wenig Vergleichbares an die ist die Deutung von Lyne (1989, 29-31), der an

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

bereits interpretierten Stelle im vierten Buch mit haurire oculis. Diese Passage korrespondiert gleichsam mit der hier beschriebenen: Dido wünscht sich, der Anblick ihres brennenden Scheiterhaufens möge für die Trojaner ein ebenso verhängnisvolles Unglückszeichen sein wie es für sie der Anblick des Aeneas beim Festmahl war. Der Leser weiß indes, daß dies nicht der Fall sein wird: Der amor, den Dido trinkt, wird sie vernichten, die Trojaner aber werden den beunruhigenden Anblick des Feuers wohl bald vergessen haben.

3.5.1.2

Licht, Farbe und Dunkelheit sind ,stofflich'

In dieser zweiten großen Rubrik sollen solche Stellen behandelt werden, an denen nicht der eigentliche Sehvorgang beschrieben wird, sondern Licht, Dunkelheit und Farbeindrücke als etwas Ertastbares bzw. Fühlbares dargestellt werden; dabei sollen die Belege für Licht und Farbe auf der einen und die Dunkelheit auf der anderen Seite getrennt präsentiert werden.328 Licht und Farbe sind stofflich amictus Lucr. 6,1134 ... caeli mutemus amictum Dies ist der erste Beleg für eine metaphorische Verwendung von amictus überhaupt.329 Vergil hat amictus einmal vom Nebel (der allerdings etwas körperlicher ist): et multo nebulae circum dea fudit amictu (Aen. 1,412). ducere, trahere Hierher gehört vor allem das ,Ziehen' von Farbe: ecl. 9,48f. ... et quo duceret apricis in collibus uva colorem

328

Hierher gehören auch Fälle, bei denen von .nicht vorhandenem' oder .weggenommenem' usw. Licht gesprochen wird. Wir finden sie zu schwach synästhetisch, um sie aufzunehmen; es sei aber auf einige Lukrez-Stellen verwiesen: Lucr. 2,806 cauda ... pavonis, larga cum luce repleta est, 4,368 nam nil esse potest aliud nisi lumine cassus; Lucr. 4,377 ... spoliatur lumine terra; Lucr. 5,981 detracto lumine solis; Lucr. 4,83 omnia corrident correpta luce diei (s.u. S. 18If.). 329

Vgl. ThlL 1,1901,13-50; Bailey z.St.: „bold metaphor".

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Dies ist eine Variation der verbreiteten Wendung colorem trahere, vgl. Clausen z.St., der u.a. Quint, inst. 12,10,44 zitiert (lacertos ... colorem trahere naturale est); eine Nachahmung findet sich Ov. met. 3,485 {ducere purpureum ... colorem). Allerdings ist colorem ducere auch in der Prosa belegt, z.B. Sen. epist. 71,31 quemadmodum lana quosdam colores semel ducit; hier ist besonders die Bedeutung ,Patina ansetzen' zu erwähnen, vgl. Sen. dial. 9,1,3 colorem diuturnitas ducat; epist. 108,5; Sen. Here. fur. 347f. ducet e genere inclito novitas colorem nostra·, Lucan. 6,828 caelo lucis ducente colorem. - Auch colorem trahere kommt bei Vergil vor: Aen. 4,700-2

ergo Iris croceis per caelum roscida pennis mille trahens varios adverso sole colores devolat Diese Wendung wird ebenfalls von Ovid nachgeahmt (met. 2,236 ... nigrum traxisse colorem; 3,482 traxerunt roseum ... ruborem; 10,594f.; 14,393).330 efflare Aen. 12,115 solis equi lucem ... elatis naribus efflant Dies ist eine Variation zum Ausatmen des Feuers durch die Pferde des Sonnengottes, vgl. unten die Ennius-Stelle zu lucem fundereVergil kombiniert die Luft und das Licht des Himmels in einer schönen Metapher, efflare von optisch Wahrnehmbarem ist seit Lukrez belegt: Lucr. 2,832f. noscere ut hinc possis prius omnem efflare colorem particulas, quam discedant ad semina rerum. Dies ist laut ThlL 52,190,76ff. die einzige Verwendung von efflare mit Farbe als Objekt (Bailey z.St.: „a picturesque word").

fundere Während das ,Ausgießen' von Worten eine übliche Metapher im Lateinischen ist,"2 ist das Vergießen von Licht deutlich kühner.333 Es geht auf Ennius zurück: Enn. ann. 606 Sk. fundunt... elatis naribus lucem334 330

Wohl bestenfalls schwach synästhetisch ist das .Wegnehmen' der Farbe durch die Dunkelheit Aen. 6,272 (... rebus nox abstulit atra colorem). 331

Vgl. auch die Nachahmungen Ov. met. 2,84f. (mit ignis) mit Börner z.St. (griechische Vorbilder). 119. 155. - Man kann natürlich einwenden, daß lux bzw. lumen an diesen Stellen Synonyme zu bzw. Varianten von ignis sind. 332

S. aber unten S. 145ff.

333

Vgl. Maurach 1995, 68f.; ThlL 6,,1566,6ff.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Neben Lukrez335 ist es vor allem Vergil, der das Fließen des Lichts nachahmt: georg. 2,432 pascuntur ignes nocturni et lumina fundunt... Aen. 2,682f. ecce levis summo de vertice visus Iuli fundere lumen apex ... Ähnlich ist das eben zitierte solis equi lucem ... elatis naribus efflant (Aen. 12,115), das eine unmittelbare Ennius-Nachahmung darstellt.336 Besonders bemerkenswert ist an der folgenden Stelle die syntaktische Struktur (georg. 1,430): at si virgineum suffuderit ore ruborem ... Daß das Gesicht mit Farbe oder Blässe Übergossen ist, wird zwar häufig mit suffundere ausgedrückt (vgl. OLD 3c; Börner zu Ov. met. 1,484 [verecundo suffuderat ora rubore]), aber die hier vorliegende Konstruktion ist singulär, vgl. Mynors z.St.: „unless we are to supply sibi, we can only say that for variety V(ergil) has interchanged the cases of the two substantives, so that ore has become an ablative of place." Da mit rubor hier das Blut gemeint ist, ist die synästhetische Wirkung nicht sehr stark. Weitere Beispiele aus der Aeneis für sich ergießendes Licht: Aen. 3,151 f. ... se/plena per insertas fundebat luna fenestras Aen. 9,461 iam sole infuso, iam rebus luce retectis ... Aen. 10,270f. ardet apex capiti cristisque α vertice flamma funditur... iacere, iactare Dies ist eine Lieblingswendung in Ciceros Aratübersetzung (ohne griechisches Vorbild), z.B. Arat. 51 sed mediocre iacit quatiens e corpore lumen·, 331 Gemini clarum iactantes lucibus ignem; 458 radios laeto cum lumine iactans. Auch Lukrez hat dieses Bildfeld häufiger:337 334 Maurach ebd.: „Ennius' fundere lucem ... von den lichtschnaubenden Rossen des Helios gesagt, ist unerhört gewesen und blieb auf (nachahmende) Dichter beschränkt..." 335 Siehe unten S. 184. Die wichtigsten Stellen sind: 2,114f. contemplator enim, cum solis lumina cumque / inserti fundunt radii per opaca domorum; 2,147f. soleat sol ... / convestire sua perfundens omnia luce; 4,375 semper enim nova se radiorum lumina fundunt', 5,573 und 5,767 lumen profusum\ von der Dunkelheit: 6,479 {nebulae) suffundunt ... sua caelum caligine. 336

Vgl. Halter 1970, 189. Vergil konnte den Ennius-Vers nicht genau nachbilden, da die Elision des ,s' von naribus zu seiner Zeit in der Dichtung nicht mehr üblich war; vgl. Skutsch zur Ennius-Stelle. 337 Vgl. ThlL 7],1816,46ff.; in der Prosa ist .geworfenes Licht' beim älteren Plinius (nat. 11,151 lucem ... iaculantur) belegt.

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Lucr. 1,663 Lucr. 2,822f.

aestifer ignis ... lumen iacit atque vaporem conveniebat enim corvos quoque saepe volantis ex albis album pinnis iactare colorem Lucr. 5,302f. sie igitur solem lunam stellasqueputandum ex alio atque alio lucem iactare subortu Lucr. 5,575f. lunaque sive notho fertur loca lumine lustrans, sive suam proprio iactat de corpore lucem Nachahmungen bei Vergil: Aen. 5,88f. ... ceu nubibus arcus mille iacit varios adverso sole colores. Aen. 7,526f. ... aeraque fulgent sole lacessita et lucem sub nubila iactant. Vgl. noch die Verwendung von inicere Prop. 4,6,86: iniciat radios in mea vina dies. spargere Das Bild vom .verstreuten Licht' ist homerisch (II. 8,1 [= 24,695] und 23,227 wird κίδνημι fur das Verstreuen des Lichts gesagt; II. 11,1-2 = Od. 5,1-2 ist strukturell den folgenden Stellen aus der römischen Dichtung ähnlicher, aber dort wird φέρω verwendet).338 Lucr. 2,144 primum aurora novo cum spargit lumine terras Diese Junktur wird von Vergil nachgeahmt:339 Aen. 4,584f. = 9,459f. et iam prima novo spargebat lumine terras Tithoni croceum linquens Aurora cubile. Servius vermerkt zu novo lumine: [aut recenti, aut Serv. auet.] secundum Epicureos, qui stulte solem de atomis dicunt constare et cum die nasci, cum die perire. Fowler merkt zu Lucr. 2,144 zu Recht an, daß die Epikureer die jeweils neu entstehende Sonne nur als eine Möglichkeit ansahen; Vergil dürfte aber in der Tat - im Sinne des Servius auetus novo umgedeutet und an das ,erste' Licht des Tages gedacht haben. Aen. 12,113f. postera vix summos spargebat lumine montis orta dies ...

338 Fowler führt zu Lucr. 2,144 noch TrGF adesp. F 85 Kannicht-Snell (σπείρων θεοκτίσταν φλόγα).

an

339 Zur Tradition des Themas , Sonnenauf- und -Untergang' in der antiken Dichtung vgl. Bardon 1946. Zu spargere bei Vergil vgl. auch EV s.v. spargere.

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

118

Diese Verse gehen unmittelbar der Beschreibung des ,Lichtschnaubens' lucetn elatis naribus efflant (Aen. 12,115, s.o. S. 115) voraus und tragen so zu der Vorstellung bei, daß das Licht eine fühlbare Substanz ist. Bei den Augusteern findet sich spargere vom Licht nur noch Ov. fast. 1,78: (flamma) tremulum summa spargit in aede iubar. Spätere Verwendungen: Montan, carm. frg. 1,1 f. incipit ardentes Phoebus producere flammas, / spargere rubicunda dies', Sen. Med. 74 radios spargere lucidos; Lucan. 1,532 sparso lumine\ Sil. 5,55f. ... flammiferum tollenies aequore currum/ solis equi sparsere diem ...; 9,33f. ... cum spargere primis / incipiet radiis Gargana cacumina Phoebus', 15,677 sparsa micant stellarum lumina caelo; Val. Fl. l,275f. sparguntur litore curvo / lumina nondum ullis terras monstrantia nautis; 3,257f.: ecce levi primos iam spargere lumine portus / orta dies ...; 5,247f. tua nunc terris, tua lumina toto / sparge mari (Aietes betet zu seinem Vater, dem Sonnengott - durch die Personifikation wird man bei lumina wohl eher an die Augen denken, vgl. Pers. 5,33 [permisit sparsisse oculos ...] mit Kißel z.St.); Anth. 389,9f. sol ... spargit in aethereos flammantia lumina campos.34° spargere vom Feuer, weniger synästhetisch als beim Licht, ist mit unterschiedlichsten Konstruktionen belegt (Prosa: Livius 30,2,12 Anagniae sparsi ... ignis in caelo), vgl. u.a. Lucr. 4,605f. quasi ignis / saepe solet scintilla suos se spargere in ignis und Aen. 7,77 (Lavinia ... visa) Volcanum spargere.™ Von der Farbe ist spargere auch in der Prosa belegt, vgl. Horsfall zu Aen. 7,191 (s.u.), der Liv. 41,21,13 und Sen. benef. 4,6,2 (tectum ... auro aut coloribus sparsum) anfuhrt (siehe auch OLD 9). Auffallig ist die Konstruktion Sen. Oed. 184 (maculae ... cutem sparsere leves), weil dort die maculae Subjekt sind.342 Beispiele aus Lukrez und Vergil sind: 340

Prosabelege: Petron. 22,3 lucernae quoque umore defectae tenue et extremum lumen spargebanf, Plin. nat. 2,92 sparguntur aliquando et errantibus stellis ceterisque crines; 37,83 ... fulgor subinde variatur et modo ex hoc plus, modo ex illo spargit, fulgorque lucis in digitos funditur, 37,117 extra fulgorem spargunt (über aus Glas verfertigte Imitationen von Edelsteinen); 37,181 solis gemma Candida est, ad speciem sideris in orbern fulgentis spargens radios. 341

Horsfall z.St.: „Neither the metonymy nor the verb ... would be surprising, were not the subject still Lavinia herself." - Vgl. noch Aetna 402 ignem nec spargere posse; Sen. Here. fur. 87 ignem flammeae spargant comae; Here. Oet. 1914 ignis spargendus erat; Stat, silv. 3,3,133f. crinibus ignem/ spargere; Sil. 1,462 (von einem Kometen): sanguineum spargens ignem. 342 Vgl. Töchterle z.St.: „In dieser grammatischen Umgewichtung' ... drückt sich die Hilflosigkeit des betroffenen .Subjekts' aus."

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Lucr. 5,739f.

Flora ... materpraespargens ante viai cuncta coloribus egregiis et odoribus opplet. eel. 2,40f. praeterea duo nec tuta mihi valle reperti capreoli, sparsis etiam nunc pellibus albo Aen. 7,191 fecit avem Circe sparsitque coloribus alas (Bezieht sich auf die Verwandlung des Picus durch Circe.) Vgl. noch Prop. 3,5,24 ...sparserit et nigras alba senecta comas. Diese Stelle wird in den Tristien nachgeahmt (Ov. trist. 4,8,2 inficit ... nigras alba senecta comas); zu inficere vgl. unten S. 181 f. (mit Anm. 516) zu Lucr. 4,79f.; vgl. noch Ov. met. 10,595f.: haud aliter quam cum super atria velum / Candida purpureum simulatas inficit umbras. Das Licht ist Subjekt Val. Fl. 5,318 ergo ubi lux altum sparget mare ... . spirare, spirabilis spirare hat häufiger Feuer als Objekt,343 was man nicht unbedingt synästhetisch nennen würde; bei Vergil wird aber spirabilis vom Licht gesagt: Aen. 3,599f. ... per sidera testor, per superos atque hoc caeli spirabile lumen ... Vgl. OLD s.v. spirabilis 1, Cie. nat. deor. 2,91 terra ... circumfusa ... est hac animali spirabilique natura cui nomen est aer. spirare vom Licht noch Sil. 12,508f. Titan ... lucem / spirantis proferret equos. (con-)vestire Vgl. OLD s.v. vestio 2d: „transf. (with light, shade)..."; sehr häufig in Ciceros Aratübersetzung, sowohl convestire (262; 332) als auch bloßes vestire (473); vgl. auch Arat. 205 (vestire) und 440 (convestire) mit umbra, 479 (vestire) mit caligine.344 Lukrez und Vergil verwenden diese Metapher je einmal: Lucr. 2,147f.

quam {sc. aera) ... soleatsol... convestire sua perfundens omnia luce

343

Lucr. 2,705; 5,29; Cie. Arat. 110 spirans ... jlammam; georg. 2,140 und Aen. 7,281 spirantis naribus ignem (vgl. Horsfall z.St.); Ov. met. 8,356 emicat ex oculis, spirat quoque pectore flamma. 344

Vgl. Norden zu Aen. 6,640: „Cicero schwelgt darin." Norden zitiert Wilamowitz, der diese Metaphorik wegen fehlender Parallelen im Griechischen als „gute alte italische Rede" bezeichnet.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Fowler z.St. verweist auf die besondere Wirkung der ,mixed metaphor' (convestire und perfundens): „The mixture is effective; the two essential points, that the light comes from a single source like a liquid but surrounds everything like a jacket, are fused into one." Aen. 6,640f. largior hie campos aether et lumine vestit purpureo ... Zu (con-)vestire von der Dunkelheit s.u. S. 125. (in-)volvere ,Gewälzt' werden Flammen und Hitze, nicht aber Licht.345 Bemerkenswert ist aber Aen. 7,76f. lumine fulvo / involvi: vgl. Horsfall z.St.: „here, the waves are ... of a strange light". Licht,schlägt' Eine zwar nicht ungebräuchliche, aber doch eindeutig synästhetische Vorstellung ist die, die Licht als einen Schlag auffaßt, der auf eine Oberfläche trifft. Hierher gehört die Bezeichnung der Sonnenstrahlen als lucida tela diei,iA6 die mehrmals bei Lukrez vorkommen (1,147; 2,60; 3,92; 6,40). Beachtlich ist die Wirkung der Sonnenstrahlen Lucr. 6,869 ... ubi sol radiis terram dimovit ... Aber hier wirkt natürlich die Hitze und nicht das Licht; dies gilt auch für die verbera in den folgenden Beispielen: Lucr. 5,484f.

et radii solis cogebant undique terram verberibus crebris extrema ad limina in artum Lucr. 5,1103f. ... quoniam mitescere multa videbant verberibus radiorum atque aestu victa per agros Vgl. OLD s.v. verbero 3b; weitere Parallelen sind: Ov. fast. 1,77 flamma nitoresuo templorum verberat auro; Sen. nat. 1,8,3; Plin. nat. 14,136. Erstaunlich ,fest' sind die Sonnenstrahlen auch Ov. met. 4,241 dissipat hunc (tumulum) radiis Hyperione natus ... Lucr. 2,808 (colores) qui ... gignuntur luminis ictu Vgl. ThlL 7i,166,28-35; erster Beleg Tubero hist. 9 adversus ictus solis oppositum.347 Vgl. Hör. carm. 2,15,9f. tum spissa ramis laurea fervidos / 345

Vgl. OLD 7a.

346

lucidus ist von schimmernden Waffen belegt (lucida tela in dieser Bedeutung auch bei Lukrez: 4,845), vgl. Fowler zu Lucr. 2,60. Zum „Licht als Pfeil" vgl. Wellek 1931b, 123f., der auf den Obelisken als Symbol für den Sonnenstrahl verweist. 347

Siehe oben S. 103 zu intendere.

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excludet ictus; Ov. met. 3,183 ... adversi solis ab ictu; 5,389 Phoebeos ... ictus; Lucan. 7,214 Phoebi radiatus ab ictu. Prosabelege: Sen. nat. 1,5,9 radiorum ... ictus; 5,9,3 (diese ,Schläge' implizieren natürlich vor allem Hitze der Sonneneinstrahlung).348 Lucr. 2,800 (vom Taubenhals) ... percussus luce refulget Vgl. ThlL 10,,1244,50ff.; OLD 3b: Lukrez ist erster Beleg fur optische Verwendung, Prosabelege: Sen. nat. 5,9,3; Ps. Quint, decl. 12,17. Vgl. noch Ov. met. 6,63f. ... qualis ab imbre solet percussis solibus arcus/ inficere ... caelum: Hier werden die Sonnenstrahlen vom Regen getroffen - eine interessante Umkehrung der üblichen Verwendung von percutere (Börner z.St.: „gedankliche Enallage"). Eine Besonderheit ist die Verwendung von repercutere im achten Buch der Aeneis: Aen. 8,22-25 sicut aquae tremulum labris ubi lumen aenis sole repercussum aut radiantis imagine lunae omnia pervolitat late loca, iamque sub auras erigitur summique ferit laquearia tecti. Eden z.St. verweist darauf, daß sole repercusso die übliche Wendung ist; hier wird nun nicht das Sonnenlicht, sondern das Licht durch die Sonne (im Sinne von: aufgrund der Aktivität der Sonne) .zurückgeschlagen', also reflektiert.349 ferire ist für das Auftreffen des Sonnenlichts hier erstmals belegt; vgl. noch Ov. met. 7,804 sole fere radiis feriente cacumina primis (ähnlich met. 9,93 primo feriente cacumina sole) und aus der Prosa Sen. nat. 1,8,3; 5,8,2; spätere Dichtung: Lucan. 6,744; Sil. 3,694; Stat. Theb. 3,226 (vgl. ThlL 6,,513,57ff.).350 Ein kühnes Beispiel für die Darstellung von Lichtstrahlen als fest ist Lucr. 2,21 Of.: sol etiam de vertice dissipat omnis ardorem in partis et lumine consent arva. Zum metaphorischen Gebrauch von conserere vgl. Kroll und Fordyce zu Catull. 64,207f.; üblich ist die Konstruktion aber mit dem Partizip 348

Ohne Parallele ist die Verwendung von figere Pers. 4,33 ...ßgas Vorwurf an einen stark Gebräunten), vgl. Kißel z.St.

in cute solem (als

349

Weitere Belege für repercutere: Ov. met. 2,110; 3,434; 4,783 (wobei hier nicht das Licht reflektiert wird, sondern der als Spiegel dienende Schild: aere repercusso, vgl. Börner z.St.); epist. 18,77; in der Prosa seit Seneca (dial. 4,36,1; nat. 1,7,2). 350 Mitunter wird das Licht auch von der Dunkelheit geschlagen (Ov. met. 15,65 ... seram pepulere crepuscula lucem).

122

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

consitus, und vom Licht ist conserere nur hier bei Lukrez verwendet (vgl. Fowler z.St.)· Bei Catull ist es metaphorischer Nebel, der Theseus umgibt (ipse autem caeca mentem caligine Theseus /consitus oblito ...). Erwähnenswert ist in diesem Bildfeld noch georg. l,445f. ubi sub lucem densa inter nubila sese / diversi rumpent radii ...; se rumpere steht hier für erumpere;3S[ dieses ist vom Licht bei Lukrez belegt (5,598 erumpere lumen), die übrigen Stellen (vgl. ThlL 02,36ff.) beziehen sich in der Regel auf den Blitzschlag oder auf hervorbrechendes Feuer. Dunkelheit ist stofflich Zunächst eine indirekte Verwendung des Bildfeldes: Licht .öffnet' die Dinge, die vorher von Dunkelheit ,bedeckt' waren (vgl. OLD s.v. retego 2):

Aen. 4,119

... Titan radiis ... retexerit orbem,352

Aen. 9,461

iam sole infuso, iam rebus luce retectis ...

Vergil scheint sein Vorbild Lukrez zu variieren, der im gleichen Zusammenhang retexere verwandt hatte: Lucr. 5,267 = 389 radiis ... retexens aetherius sol Hier geht es um das Verdunsten des Wassers, das mit dem Auflösen eines Gewebes verglichen wird.353 Eine Nachahmung Vergils findet sich Ov. met. 8,If.: iam nitidum retegente diem noctisque fugante/ tempora Lucifero ... Das ,Öffnen' des Himmels begegnet zum ersten Mal bei Ennius (ann. 572 Sk.: indepatefecit radiis rota Candida caelum354) und dann bei Lukrez: nam simul ac speciespatefactast verna diei... (Lucr. 1,10). Daß etwas ,νοΙΓ von Dunkelheit ist, wird man als eher schwach synästhetisch ansehen; an der folgenden Lukrez-Stelle ist dieses Bildfeld aber recht kühn realisiert (,vollgestopft mit Dunkelheit'): Lucr. 6,256-8

praeterea persaepe niger quoqueper mare nimbus ut picis e caelo demissum flumen, in undas sie cadit effertusi5S tenebris ...

351

Vgl. EV s.v. rumpo, 600.

352

Ganz ähnlich Aen. 5,65.

353

Vgl. West 2 1994, 82. Zur Nachahmung bei Stat. Theb. 5,296 (wieder mit retexere) vgl. W. Schetter, Statius, Thebais 5,296, Rheinisches Museum für Philologie 122, 1979, 344-347. 354 Vgl. ThlL 10,654,2-10. Nachgeahmt von Ovid met. 9,795 postera lux radiis latum patefecerat orbem.

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123

effercire ist sonst nicht von der Dunkelheit belegt, vgl. ThlL 52,137,33.356 circumvolare Aen. 2,360 ... nox atra cava circumvolat umbra. Vgl. Ennius ann. 414 Sk. nox quando mediis signis praecincta volabit. Skutsch z.St. erwägt, daß die Nacht einen Wagen lenkt und nicht mit eigenen Flügeln fliegt. In der Aeneis ist wohl eher letzteres der Fall, vgl. Aen. 8,369 (nox ... tellurem amplectitur alis). Aen. 6,866 nox atra caput tristi circumvolat umbra. Hier ist nicht die Nacht, sondern die Dunkelheit des Todes gemeint; Austin z.St. weist darauf hin, daß Vergil möglicherweise Hör. sat. 2,l,57f. im Sinn hatte (war zur Zeit der Abfassung der Aeneis bereits veröffentlicht): seu me tranquilla senectus / exspectat seu mors atris circumvolat alis. Norden schließt aus der Übereinstimmung auf ein gemeinsames Vorbild. discutere u.ä. Lucr. 4,315f. ... lucidus aer/qui... nigras discutit umbras. Die übliche Verwendung ist discutere caligines im metaphorischen Sinne (von geistiger Dunkelheit): vgl. ThlL 5,,1373,21ff.; Cie. Phil. 12,5 discussa est illa caligo, Liv. 29,27,7 noctem insequentem eadem caligo obtinuit: sole orto est discussa; Sen. epist. 102,28 discutietur ista caligo. Lukrez gebraucht diese Wendung in einem Bild: 1,146-48 terrorem animi tenebrasque necessest / non radii solis neque lucida tela diei / discutiant. Vergil hat die lukrezische, auf echte Dunkelheit bezogene Formulierung einmal im gleichen Sinn in den Georgica und einmal im übertragenen Sinn (analog zum gerade behandelten Fall caligines discutere) in der Aeneis: georg. 3,357 tum Solpallentis haud umquam discutit umbras Aen. 12,669 ut primum discussae umbrae et lux reddita menti357 Im neunten Buch der Aeneis wird die Dunkelheit ebenfalls ,zerteilt': Aen. 9,411 hasta volans ... diverberat umbras diverberare vom Schatten kommt nur bei Vergil vor358 (vgl. Dingel z.St.; diverberare ist insgesamt selten, nur dreimal bei Vergil [noch 5,503; 6,294], vorher nur Lucr. 1,222 und 2,152; vgl. ThlL5,,1571,38ff.).359 355 i56

Eine einhellig akzeptierte Konjektur Lachmanns für das überlieferte et fertus.

farcire

357

wird so gut wie gar nicht metaphorisch verwendet, vgl. ThlL 6,,280,60-66.

Vgl. Traina z.St.

358 Wobei Aen. 6,294 mit umbrae die Schatten Verstorbener gemeint sind, die Aeneas beinahe mit dem Schwert (vergeblich, frusträ) zu spalten versucht.

124

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Erwähnt sei noch das .Entfernen' der Dunkelheit in der Aeneis: Aen. 3,589 (= 4,7) Aurora ... dimoverat umbram, 5,838f. somnus ... aera dimovit tenebrosum und 11,210 tertia lux gelidam caelo dimoverat umbram?60 dispellere ist in diesem Zusammenhang selten, aber wegen der Verwendung in einem Bild Cie. Tusc. 1,64 (ab animo tamquam ab oculis caliginem dispulit) eher als gesunkene Metapher einzuschätzen; in der Dichtung ist es bei Vergil (Aen. 5,839 dispulit umbras) und Seneca (Here, fur. 279f. dispulsas manu / abrumpe tenebras) belegt. Bei Ovid wird die Dunkelheit vom Licht .vertrieben' (met. 7,835): postera depulerant Aurorae lumina noctem. (co-)operire Lucr. 6,490f.

... tempestas atque tenebrae coperiant maria ac terras inpensa superne ... Vgl. ThlL 4,893,52-82; nur hier von der Dunkelheit. Aen. 4,351 f. ... umbris / noχ operit terras Vgl. OLD s.v. operio 2e; ThlL 9,685,17ff.; trag, incert. 76 ... animae excitantur obscura umbra opertae ... ist frühester Beleg, vgl. noch Plin. nat. 12,23 (dort aber rami als Subjekt) u.ö.; Pease z.St. vergleicht Lucr. 6,864 terram nox obruit undis (vgl. Lucr. 5,650 nox obruit ingenti caligine terras).m complecti, amplecti Aen. l,693f.

... mollis amaracus illum ... dulei... complectitur umbra. Aen. 2,513f. ... laurus /... umbra complexapenatis. Da in beiden Fällen von Bäumen die Rede ist, hat die Synästhesie eine Stütze in der stofflichen Realität. Aen. 8,369 nox ... tellurem amplectitur alis

359

digerere umbras ist nur Sen. Thy. 826 (s.u. S. 126) und Plin. nat. 33,130 (digesta claritate materiae aeeipientis umbra) belegt. 360 361

Vgl. Sen. nat. 6,5,2 rerum naturae latebras

dimovere.

In der Dichtung selten, aber gut in der Prosa belegt ist obducere vom .Verhüllen' mit Dunkelheit (mit der Dunkelheit als Subjekt bzw. als Objekt, vgl. ThlL 9,39,40ff.), vgl. Cie. Arat. 477; Prop. 3,16,5 obduetis ... tenebris; Fedeli z.St. vergleicht Cie. rep. 4,9 quas illi obdueunt tenebras; Nep. Hann. 5,2 obdueta nocte\ Man. 3,194 obdueta ... nox; Plin. nat. 11,143.

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125

Vgl. ThlL l,1994,64f.: amplecti ist nur hier von der Dunkelheit belegt.362 premere Dieses Bildfeld existiert fast nur in der Dichtung (Ausnahme laut ThlL 102,1172,15ff.: Sen. suas. 1,2 taetra caligo fluctus premit),363 vgl. Hör. carm. 1,4,16 iam te premet nox fabulaeque Manes et domus exilis Plutonia\ carm. 3,29,29f. prudens futuri temporis exitum / caliginosa nocte premit deus\ Aen. 6,827 animae ... dum noctepremuntur; bei Ovid u.a. ars 3,648 victa ... Lethaea lumina nocte premant; met. l,70f. ... quae pressa diu fuerant caligine caeca / sidera. Nicht der umgekehrte Fall (das .Drücken' von Dunkelheit), sondern eine bloße Metonymie für das Schneiden schattenwerfender Zweige liegt georg. 1,157 vor (falcepremes umbras). spargere spargere umbram ist nur bei nachaugusteischen Autoren belegt, vgl. Sen. benef. 5,24,1 arbore minimum umbrae spargente", Ag. 94 densas ... nemus spargens umbras',364 Sil. 16,589 latam spargens quercus, dum nascitur, umbram\ Stat. Theb. 4,549f. iussa facit carmenque serit, quo dissipat umbras, / quo reciet sparsas (spargere hier eher .zerstreuen' als ,verstreuen'); Mart. 8,53,9f. Ο quantum per colla decus, quem sparsit honorem /Aurea lunatae, cum stetit, umbra iubae! (con-)vestire Zu vestire von der Dunkelheit vgl. die oben S. 119 genannten Parallelen aus Ciceros Aratea sowie Buc. Eins. 2,11 f. ergo si causas curarum scire laboras, / quae spargit ramos, tremula nos vestiet umbra und Stat. Theb. 5,5If. ingenti telluremproximus umbra /vestit Athos.

362 Vgl. noch die Verwendung von alligare in der auch sonst wegen ihrer .geballten' Stofflichkeit interessanten Passage Sen. Here. fur. 709f.: est in recessu Tartari obscuro locus / quem gravibus umbris spissa caligo alligat. Vgl. OLD s.v. alligo 6c („to enclose in a constricting manner, envelop"), Hillen 1989, 61 und Fitch z.St.: „Darkness covers the whole underworld ..., but here it is especially impenetrable." 363 Sen. nat. 2,56,1 nisi ilium (Caecinam) den toten Cicero. 364

Ciceronis umbra pressisset

meint umbra

Tarrant z.St. sieht spargere umbras als Variation von spargere ramos an; diese Deutung wird zweifelsohne durch die häufige Verwendung von umbra in diesem Sinne unterstützt, ist aber nicht zwingend.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

volvere Zum ,Wälzen der Dunkelheit' vgl. OLD 7a, mit dem Prosabeleg Sen. nat. 6,28,2 infernam noctem volvit. Lucr. 5,1189

per caelum volvi...

nox et luna videtur

nox codd. : sol Lambinus, Müller

Hier wälzt sich nicht eine ,Masse' von Dunkelheit heran, sondern volvere beschreibt die Kreisbahn der Gestirne und des Mondes (falls nicht die Konjektur von Lambinus zutrifft); im weiteren Verlauf der Passage (bis v. 1193) wälzen sich noch Wolken, Sonne, Regen, Schnee, Wind, Blitz, Hagel und rapidi fremitus sowie murmura magna minarum heran. Aen. 2,250f. ... ruit Oceano nox involvens umbra magna terramque polumque Wenn es nicht die Dunkelheit selbst ist, die sich heranwälzt, sondern sich etwas .dunkel heranwälzt', liegt keine Synästhesie vor: quis globus, ο cives, caligine volvitur atra (Aen. 9,36); volvitur ad muros caligine turbidus atra /pulvis, ... (Aen. ll,876f.). Adjektive zur Beschreibung der Dunkelheit densus densus laut ThlL 51,546,65-67 als Attribut der umbra seit Catull. 65,13 (sub densis ramorum ... umbris), dann georg. 1,342 ... densae ... in montibus umbrae (Servius z.St.: quia tunc incipiunt arbores frondescere, also hier metonymisch auf dichtes Laubdach bezogen); nach Vergil noch Hör. carm. l,7,20f. ... seu (te) densa tenebit/ Tiburis umbra tui\ Culex 108.157; Sen. epist. 41,3. Da umbra häufig metonymisch fur die schattenspendenden Zweige steht, ist die Junktur nicht sehr auffällig. gravis Vgl. ThlL 6 2 ,2296,61ff. „de nocte, tenebris". Eindrucksvollstes Beispiel ist Sen. Here. fur. 710 (s.o. Anm. 362). Vgl. noch Sen. Thy. 826 non Luna grauis digerit umbras. ecl. 10,75f. heißt gravis umbra ,verderbenbringender Schatten'; erstmals kommt diese Junktur bei Lukrez vor (Lucr. 6,783), wo die gravis umbra bestimmter Bäume Kopfschmerzen verursacht. Ob der Vers aus den Eklogen das gleiche meint, ist unklar. Vielleicht ist der ruhig im Schatten sitzende Sänger auch besonders anfallig für Erkältungen.

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levis .Leichter' Schatten findet sich erstmals bei Tibull (2,5,96): ... arboris antiquae qua levis umbra cadit. Die genaue Bedeutung ist umstritten, doch ist man versucht, mit Murgatroyd z.St. eine bewußte Kontrastierung der gerade zitierten Eklogenstelle (die freilich ebenfalls nicht klar gedeutet ist) zu erwägen: levis hieße dann hier soviel wie .harmlos'. Die von Murgatroyd und vom ThlL (72,1207,4ff.) angeführten Parallelen aus Plinius' Naturgeschichte sind dabei besonders überzeugend (u.a. 17,89: umbrarum proprietas: iuglandum gravis et noxia ...flcorum levis). Vgl. in augusteischer Dichtung noch Ovid met. 5,336 Pallas ... levi consedit in umbra. (Die leves umbrae bei Ovid fast. 5,434, Paneg. in Mess. 68 und Val. Fl. 1,783 sind die .Schatten' Verstorbener). mollis georg. 3,464 molli succedere saepius umbrae Mynors z.St. verweist auf die Verwendung von mollis in der Bedeutung „agreeable to senses other than touch"; vgl. ThlL 8,1379,66ff.: vom Schatten nur hier bei Vergil und noch bei Properz (3,3,1); häufiger von Winden (ThlL 8,1397,80ff.), aber das wird man wohl kaum als synästhetisch ansehen. Vgl. noch Prop. 2,22a,5 molli ... gestu und Stat. silv. 3,5,66 molli ... motu. spissus Aen. 2,621 ... spissis noctis se condidit umbris Zu spissus von der Dunkelheit vgl. OLD 2c; Ov. met. 7,528f. caelum spissa caligine terras / pressit; Sen. Here. fur. 710 (s.o.); Thy. 993f. spissior densis coit / caligo tenebris; Prosa: Petron. 79,4 spississimam ... noctem; Sen. nat. 3,27,4 spissa caligo.

3.5.2

Gehör als Bildempfänger

Die Organisation dieses Abschnitts ist analog zum vorangegangenen gestaltet: Es werden zunächst Beispiele angeführt, an denen der Vorgang des Hörens als das Aufnehmen eines Stoffes beschrieben wird, dann schließen sich Belege für die ,stoffliche' Auffassung der Stimme bzw. anderer Laute an.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

3.5.2.1

Gehörtes wird ,gefühlt' oder ,ertastet'

,Richten' der Ohren Da das Hören im Gegensatz zum Sehen nie als das Richten eines .Strahls' o.ä. auf das Objekt der Wahrnehmung aufgefaßt wurde, sind auch Beispiele für das ,Richten' der Ohren nicht synästhetisch: Es geht dort ja lediglich um ein Ausrichten der Ohren auf eine Schallquelle hin.365 Gehörtes wird, ergriffen' Hier sollen ganz unspezifische und geläufige Wendungen wie accipere ausgeschlossen bleiben.366 Andere Formen (capere, captare) sind dagegen ungewöhnlicher, capere (auribus) ist nicht sehr häufig belegt, vgl. ThlL 3,321,39-52; vgl. u.a. Cie. rep. 6,1 ... ut eum (sc. sonitum) aures hominum capere non possint; Aen. 6,377 ... cape dicta memor (ohne aure o.a.); weitere Belege sind spät. Das Intensivum captare vom wiederholten oder gründlichen Hinhören ist seit Plautus belegt (ThlL 3,376,78-377,13): Cas. 444 captandust ... sermo mihi; Ter. Phorm. 869 ... sermonem captans. Bei den uns besonders interessierenden Dichtern kommt captare in dieser Verwendung zweimal vor: Catull. 61,54f.

te timens cupida novos captat aure maritus. Das gespannte Warten des Bräutigams könnte nicht besser ausgedrückt sein. Aen. 3,514 ... auribus aera captat Gemeint ist Palinurus, der hier aber vielleicht eher die Richtung des Windes mit den Ohren f ü h l e n als hören will.367 Gehörtes

wird,gegessen'

Von diesem Bildfeld gibt es keine Stellen in Catull, Lukrez oder der augusteischen Dichtung. Es ist typisch für die Diktion altlateinischer 365

Z.B. attentae aurae Lucr. 6,920; arrectae aures Aen. 12,618 (siehe Traina z.St.); aure sublata Hör. epod. 6,7; ... modos ... quibus obstinatas / adplicet aures\ carm. 3,1 l,7f.; suspensis auribus Prop. 3,6,8. 366 Überraschend selten ist (auribus) concipere, vgl. ThlL 4,20-26; frühester Beleg ist Sen. Phoen. 224 ego ullos aure concipio sonos ... 367 Ganz außergewöhnlich und sonst nicht belegt ist die Verwendung von temptare im gleichen Sinn in der Ciris (210): (Scylla) ... auribus arrectis nocturna silentia temptaf, „a striking line" (Lyne).

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Komödiensprache und wohl ein Element der Umgangssprache.368 Beispiele für edere und devorare:369 Plaut. Aul. 537 Plaut. Asin. 649

nimium lubenter edi sermonem tuom. auscultate et operam date et mea dicta devorate

Plaut. Poen. 968

quam orationem hanc aures dulcem devorant?™

bibere Auch dieses Bildfeld begegnet bereits in der Komödie, z.B. Plaut, mil. 883 postquam adbibere aures meae tuam oram371 orationis?n Bloßes bibere kommt in der Bedeutung .hören' erst ab der augusteischen Dichtung vor;373 der erste Beleg liegt in Hör. carm. 2,13,30-32 vor: ... sed magis pugnas et exactos tyrannos densum umeris bibit aure volgus. Hier kommt in bibere sowohl die Gier als auch der Genuß beim Hören der Kriegsmeldungen zum Ausdruck: ein besonders eindringliches Bild. 368 Immerhin gibt es für devorare auch ein Beispiel aus Ciceros Rede für Sestius: verbum ipsum omnibus animi et corporis devorarat (Cie. Sest. 23). Vgl. auch Haffter 1934, 45. 369 Vgl. zu devorare ThlL 5,,875,62-72. Das .Verschlingen' von Büchern scheint in klassischer Zeit nur Cie. Att. 7,3,2 belegt zu sein. Zu edere vgl. ThlL 52,105,27-37. Seinen Durchbruch erlebt dieses Bildfeld natürlich im Christentum, vgl. Curtius 1961, 144-146 zu „Speisemetaphern". 370

Hier kann man fragen, ob nicht durch dulcem der Geschmack des Aufgenommenen mit hervorgehoben wird und durch die Alliteration (dulcem devorant) die ,tote' Metapher dulcis wiederbelebt wird; vgl. Haffter 1934, 48f. zu dieser Stelle und ganz allgemein zur stilistischen Einordung von „Beiseitegesprochenem". Mäurach z.St. sieht diese Metaphorik als weniger drastisch an als Haffter und verweist neben anderen Plautus-Stellen auch auf Cie. Sest. 23. 371

tuam oram Lindsay : tuam moram codd. Einen Rückschluß auf umgangssprachliche Verwendung des Bildfeldes erlaubt Cie. Att. 2,14,1 proinde ita fac venias ut ad sitientis auris; da der Brief beginnt mit quantam tu mihi moves exspectationem de sermone Bibuli und hier also ein Wortspiel vorliegt, gibt die Stelle aber allenfalls Auskunft über die Geläufigkeit des Bildfeldes, da die Wendung sitientes aures eine ad-hoc-Bildung Ciceros sein könnte (und vermutlich ist). 372

373 ThlL 2,1966,35-48; der dort genannte Beleg Mart. 6,86,2 ist hinfällig. Eine gänzlich andere Verwendungsweise von bibere liegt Plaut. Pers. 170 vor: quamquam ego vinum bibo, at mandata non consuevi simul bibere una sagt die Sklavin Sophoclidisca, und sie meint mit bibere im Grunde ,mit hinuntergeschluckt' im Sinne von .vergessen'. Diese Verwendung ist singulär (ThlL 2,1964,5; vgl. jedoch die Verwendung von ebibere Plaut. Amph. 631 non ego cum vino simitu ebibi imperium tuom).

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Streng genommen nicht aufs Hören, sondern auf,geistige' Wahrnehmung bezogen ist Hör. epist. l,2,67f.: nunc adbibe puro pectore verba puer, nunc te melioribus offer. Weitere Beispiele: Prop. 3,6,7f. nunc mihi, si qua tenes, ab origine dicereprima incipe: suspensis auribus ista bibam. Ov. trist. 3,4,39f. nostra tuas vidi lacrimas super ora cadentes tempore quas uno fidaque verba bibi. Ov. trist. 3,5,13f. et lacrimas cernens in singula verba cadentes ore meo lacrimas auribus ilia bibi. Ovid verstärkt durch die Parallelisierung mit den Tränen die Vorstellung von der .Flüssigkeit' der Worte. Pers. 4,50 nequiquam populo bibulas donaveris aures Kißel z.St. spricht von „ungewöhnliche(r) Zuspitzung zweier gängiger Metaphern" (bibulus und donare). Vgl. noch Stat. silv. 5,2,58f. bibe374 talia pronis /auribus ... Auch das Gegenteil zum .Trinken' mit den Ohren ist bei Horaz belegt: Hör. epist. 1,8,16 praeceptum auriculis hoc instillare memento Diese akustische Verwendung von instillare ist völlig singulär (ThlL 7i,l982,18-30); allerdings wird das Verb häufig vom Einträufeln von Medizin gerade in die Ohren verwendet (ThlL 1\, 1981,49-60; erster Beleg istCatoagr. 157,16).375 haurire Vgl. ThlL 63,2570,49ff. „auribus sonos recipere": die Metapher ist seit Vergil belegt; vgl. aus der Prosa Liv. 27,51,1 oculis auribusque haurire tantum gaudium cupientes ...; Sen. dial. 6,3,2 non licuerat matri ultima filii oscula gratumque extremi sermonem oris haurire (hier ist vielleicht auch der letzte Atem mitgemeint). 374 bibe Heinsius, tibi codd.\ an der Stichhaltigkeit der Konjektur dürfte kein Zweifel bestehen. 375 Vgl. zu bibere noch die allegorische Aussage am Ende der dritten Ekloge claudite iam rivos, pueri, sat prata biberunt (v. 111). Palaemon weist nach dem Ende des Wettstreits zwischen Menalcas und Damoetas seine Diener an, die Bewässerung der Felder zu beenden; diese Aussage, die pointiert am Schluß der Ekloge steht, ist auch deutbar als .beendet den Gesang, wir haben genug gehört' (so Servius, Conington/Nettleship, Coleman z.St.; Clausen erwähnt diese Deutung nicht).

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131

Aen. 4,358f.

... ipse deum manifesto in lumine vidi intrantem muros vocemque his auribus hausi. Aen. 6,559 constitit Aeneas strepitumque exterritus hausit. Norden z.St. bevorzugt die (gut bezeugten) Lesarten strepitu ... haesit, da haurire, wenn metaphorisch verwendet, nur mit auribus verbunden werden könne. Austin nennt als Gegenbeispiele u.a. Aen. 10,899 und georg. 2,340 (vgl. oben S. lllf.). Nachahmungen Vergils in den Metamorphosen: met. 13,787f. auribus hausi/ talia dicta meis\ 14,309 multa auribus hausi. Spätere Imitationen: Sen. Ag. 31 non pavidus hausi dicta·, Oed. 385 voces aure non timida hauriam\ Stat. Theb. 10,770f. si non attonitis vatis consulta recepi / auribus et Thebis nondum credentibus hausi.

3.5.2.2

Geräusche sind ,stofflich'

Hier soll unterschieden werden zwischen Beispielen, bei denen die Stimme bzw. andere Geräusche ,aktiv' und eher als Subjekt der (synästhetischen) Handlung aufzufassen sind, und solchen, wo mit der Stimme oder mit Geräuschen etwas geschieht, sie also das Objekt der Handlung bilden. Dies ist keine strikte grammatische Kategorie: Auch Stellen, an denen die Stimme im instrumentalen Ablativ steht, sollen hier berücksichtigt werden, da auch in diesem Fall das Geräusch als gedankliches Subjekt aufgefaßt werden kann.376 Geräusche als ,Subjekt' Geräusche , gehen', , laufenKfliegen'

etc}11

Einfaches ire kommt in dieser Verwendung nur in der Dichtung vor, Vergil liefert die frühesten Belege (vgl. ThlL 52,644,84ff.): Aen. l,375f. per auris / Troiae nomen iit; 4,665 (mit den Parallelen bei Pease z.St.); 5,451, 11,192 u.ö.; vgl. Ov. met. 12,426f. ... dictis quae clamor ad aures / arcuit ire meas. 376 Nicht berücksichtigt werden soll die physische Wirkung des Schalls bei der Beschreibung magischer Praktiken (z.B. Hör. epod. 5,45f. quae sidera excantata voce Thessala / lunamque caelo deripit; epod. 17,78; ecl. 8,69-71; Tib. 1,8,20; Ον. am. 2,1,2329) oder der Errichtung der Mauern Thebens durch Amphion (z.B. Hör. carm. 3,11,2 movit Amphion lapides canendo), vgl. Schräder 1969, 211-224 („Der synästhetische Laut"). 377

Dieses Bildfeld ist in der Literatur natürlich seit Homers .geflügelten Worten' heimisch. Es ist nur bedingt als taktil-synästhetisch zu bezeichnen und wird hier nur mit einigen uns interessant scheinenden Realisierungen angeführt.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

meare von Lauten begegnet erstmals bei Lukrez (Lucr. l,354f. inter saepta meant voces et clausa domorum/ transvolitant ...; 6,777 multa meant inimica per auris), dann erst wieder bei Plinius (nat. 2,193), vgl. ThlL 8,785,53-55. Andere Varianten: Catull. 63,74f. ... ut hinc labellis sonitus ... adiit geminas deorum ad auris nova nuntia referens adiit V: abiit η Lucr. l,489f. transit enim fulmen caeliper saepta domorum clamor ut ac voces Vgl. noch Ov. met. 4,70 und 77 (transire und transitus - hier wandert die Stimme durch die Wand zwischen Pyramus und Thisbe) sowie Prop. l,16,27f.: Der exclusus amator wünscht sich, seine Stimme würde durch eine Spalte bis ins Ohr der domina wandern: ο utinam traiecta cava mea vocula rima /percussas dominae vertat in auriculas! Aen. 12,239 serpit ... per agmina murmur Nachgeahmt Stat. Theb. 1,168 iam murmura serpunt; vgl. Cie. Mur. 45 serpit hic rumor. Aen. 11,296f. ... varius ... per ora cucurrit / ...fremor Lucr. 5,1221 ... percurrunt murmura caelum Vgl. Prop. 2,16,49 vidistis toto sonitus percurrere caelo. Aen. 9,474f. nuntia Fama ruit matrisque adlabitur auris / Euryali. allabi wird hier erstmals von etwas Akustischem (ThlL 1,1659, 37) gebraucht (wobei Fama natürlich auch als Wesen gedacht werden kann);378 ähnlich noch Amm. 15,5,24 ante adlapsum ... ullum rumorem und Amm. 16,7,1 adlapso rumore. Aen. 10,584 dicta volant... (vgl. 11,381) volare von Geräuschen erstmals Enn. ann. 409 Sk. (qui clamos oppugnantis vagore volanti)·, vgl. Hör. epist. 1,18,71 volat ... verbum; vgl. auch Lucr. l,354f. (vgl. oben S. 52) voces ... transvolitant (transvolitare ist άπαξ λεγόμενον, wohl aus metrischen Gründen). advolare ist von Geräuschen seit Plautus belegt (z.B. Amph. 325 vox mi ad aures advolavit, mit Sosias' typisch plautinischem Wörtlichnehmen der Metapher: ne ego homo infelix fui qui non alas intervelli: volucrem vocem gestito), vgl. ThlL l,895,76ff. penetrare (ad) aures ist seit Lukrez belegt (4,542 nec simili penetrant auris primordia forma', 6,303 ... quae nequeunt pariter penetrare per 378 Dingel z.St. schlägt vor, matrique zu lesen und auris als Ablativ .durch die Lüfte' aufzufassen.

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133

auras\ beide Stellen beziehen sich auf die Elementarteilchen), dann noch Val. Max. 3,8ext.,l quod quia incredibile existimabatur et ad unius tantum aures penetraverat ...; Ov. met. 12,42 cavas ... ad aures (in der Schilderung des Hauses der Fama);379 Sil. 6,519; 12,211.380 haerere Zu haerere vgl. ThlL 63,2497,56-60.381 Erster Beleg für die ,hängende Stimme' ist laut ThlL Ter. Eun. 977 (perii, lingua haeret metu - allerdings von der Zunge und damit physiologisch durchaus zutreffend382), danach bei Vergil (Aen. 2,774 = 3,48 = 12,868: vox faucibus haesit). Nach Vergil ist diese Metaphorik ebenfalls selten, vgl. u.a. Sen. Oed. 1009 sed haeret ore prima vox und Stat. Theb. 10,688 steterunt... ambo et vox haesit utrimque. mulcere Bei mulcere scheint auf den ersten Blick keine Synästhesie vorzuliegen, da es meistens in einer verblaßten Metapher .besänftigen' heißt.383 Dies gilt auch für die Mehrzahl der Stellen bei Vergil und anderen augusteischen Dichtern: georg. 4,510 mulcentem tigris; Aen. 1,153 ille regit dictis animos et pectora mulcet; Aen. 1,197 dictis maerentia pectora mulcet; Aen. 5,463f. Dareta / eripuit mulcens dictis; Hör. carm. 3,ll,23f. puellas carmine mulces; Ov. met. l,390f. placidis Epimethida dictis / mulcet; met. 10,301 vestras mulcebunt carmina mentes u.ö.; hier sind Lebewesen, die »beruhigt' werden, Objekt zu mulcere. Anders ist es in Aen. 7,33f.: ... volucres ... aethera mulcebant cantu lucoque volabant. Hier paßt die etablierte metaphorische Bedeutung fur mulcere nicht, da der aether kein Adressat für Besänftigungen' sein kann. Es ist tatsächlich ein synästhetisches , Streicheln' der Luft durch den Gesang der Vögel 379

Anders natürlich met. 12,336 (iaculum) missum a dextra laevam penetravit aurem und Ser. Samm. 176 si vero incautas animal penetraverit aures.

ad

380 In Persius' erster Satire .dringt' die Stimme nicht in die Ohren, sondern in die Lenden ,ein' (Pers. l,20f.): ... cum carmina lumbum / intrant et tremulo scalpuntur ubi intima versu. (Kißel übersetzt: „... wenn das Lied in die Lende dringt und der zuckende Vers am Mark schrubbt".) 381

Mit Druckfehlern bei den Stellenangaben Ter. Eun. 977 und Stat. Theb. 10,688.

382

Vgl. noch Ov. epist. 4,7f. ter ... conata loqui, ter ... haesit/lingua

383

...

Vgl. ThlL 8,1562,63-81: ältester Beleg Pacuv. trag. 395 (quid me obtutu ter res. mulces laudibus?), dann Lucr. 5,1317 und die im folgenden zitierten Vergil-Stellen. In der Prosa ist das Verb seit Livius vertreten, vgl. Börner zu Ov. met. 2,683.

134

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

gemeint.384 Nachgeahmt wird dies u.a. von Ovid in den Fasten: tepidum volucres concentibus aera mulcent (fast. 1,155). Ebenfalls stärker synästhetisch ist die direkte Besänftigung nicht des animus, sondern der Sinne; dies ist seit Lukrez belegt (2,422 sensus quae mulcet cumque tibi res).™ Auch permulcere wird bei akustischen Reizen verwendet (ThlL 10i, 1571,15-21), vgl. Hör. epist. 1,16,26: (siquis) ... his verbis vacuas permulceat auris ...; als Prosaparallelen vgl. Cie. de orat. 2,315 (wo allerdings nicht das Sinnesorgan, sondern der ganze Mensch besänftigt wird) und Cie. orat. 163 duae sunt igitur res quae permuleeant aures, sonus et numerus ... Geräusche

fällen'

Seit Plautus werden in der Dichtung Komposita von -plere mit Lauten kombiniert. complere: ThlL 3,2092,82ff.; zahlreiche Prosabelege, u.a. Caes. Gall. 5,33,6 clamore ... omnia', Cie. rep. 6,18 quis est qui complet aures meas tantus et tarn dulcis sonus? complere scheint das in der Prosa am häufigsten verwendete Verb für dieses Bildfeld zu sein. - Lucr. 2,358 querelis / frondiferum nemus; 4,1017 magnis clamoribus omnia; 5,226 vagitu ... locum lugubri; 5,1066 voeibus omnia. - Vergil: Aen. 7,395 ululatibus aethera; 9,113 (s.u.); 12,724 fragor aethera. - weitere Belege: Hör. epod. 6,9 voce ... nemus; Ov. met. 5,153 ululatu atria; 14,537 tinnitibus aera pulsi / aeris et inflati complevit murmure buxi; fast. 6,513 ululatibus auras; Prop. 2,16,37f.fremitu ... Actia ... aequora. implere: ThlL 7i,629,74ff; in der Prosa offenkundig von Geräuschen erst seit Livius (5,39,4; 24,26,12); erstmals bei Vergil: ecl. 6,48 Proetides implerunt falsis mugitibus agros; georg. 3,93f. altum / Pelion hinnitu ... acuto; 4,460f. clamore supremos / ... montis; 4,515 loca questibus; Aen. 2,769 clamore vias; 3,312f. omnem/ ... clamore locum; 4,189 (s.u.); 8,215f. querelis / ... nemus; 9,480 caelum ... questibus; 11,274 scopulos ... voeibus; 1 l,896f. (s.u.). - Weitere Belege: Hör. epod. 17,59 urbem nomine ... meo; Ov. met. 2,154f. hinnitibus auras; 2,371f. amnem ... querellis Eridanum; 3,179f. ululatibus ... nemus; 4,735f. litora cum plausu clamor superasque deorum / inplevere domos; 6,547 silvas; 7,114 locum mugitibus; 7,414 latratibus auras; 8,447f. clamoribus urbem; 9,165

384 385

ThlL 8,1564,9-17; Vergil ist erster Beleg, keine Beispiele aus der Prosa.

ThlL 8,1563,61-75; Prosa: Sen. benef. 4,5,1 unde haec innumerabilia aures, animum muleentia?

oculos,

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135

vocibus Oeten; 12,56 sermonibus aures\ 13,675f. convivial Lygd. 3,3,1 caelum votis. opplere: ThlL 9,762,74ff.; selten von Geräuschen, einzige Belege Plaut. Rud. 905; Enn. trag. 394 Jocelyn ager oppletus imbrium fremitu; Lucr. 2,146 liquidis loca vocibus opplent (mit Fowler z.St.); Carm. adv. Marc. 5,36. replere: OLD 5a; erster Beleg Plaut. Rud. 1226; Lucr. 5,992 nemora ac montis gemitu silvasque replebaf, Aen. 2,679 gemitu tectum omne; 7,501 f. questu ... / ... tectum omne·, ll,139f. (s.u.); 11,380 curia verbis. - Weitere Belege: Ov. met. 1,338 litora voce; 3,239 iuga ... querellis (mit Börner z.St.); Pont. 4,4,19 Pontum rumore. Auffallig ist es aber, wenn nicht Orte, sondern Menschen ,gefüllt' werden: Aen. ll,896f. ... Turnum ... saevissimus implet/nuntius Hier liegt der Gedanke zugrunde, daß die Ohren bzw. auf diesem Wege der animus des Hörenden den Schall und die damit verbundene Information aufnimmt, vgl. auch die Kombination der beiden bisher angeführten Vorstellungen Aen. 1 l,139f.: Fama Euandrum Euandrique domos et moenia replet Wenn es um Gruppen von Menschen geht, ist auch denkbar, daß die ,Zwischenräume' zwischen den einzelnen Menschen ,gefüllt' werden, weil die Stimme innerhalb der Gruppe von Ohr zu Ohr wandert: Aen. 4,189 haec tum multiplici populos sermone replebat Aen. 9,112f.

... vox horrendaper auras excidit et Troum Rutulorumque agmina complet

Vgl. aus der Prosa Liv. 34,12,8 hostes fama ... impleverat. Im folgenden Beispiel ist diese Deutung nicht möglich: Aen. 5,340f. hic totum caveae consessum ingentis et ora prima patrum magnis Salius clamoribus implet. Williams z.St. nennt die Verwendung von implet hier zu Recht „colourful and unusual".387 consessum clamore implere ergibt einen guten Sinn: Salius erfüllt das Theaterrund mit seinen Klagen. Aber die Gesichter der patres? Williams glaubt, daß implet hier fast soviel wie „constantly assails", „importunes" bedeutet, unter Heranziehung der eben zitierten 386

Wohl eher in Verbindung mit Stellen zu sehen, an denen Zeiträume .gefüllt' werden, vgl. Börner z.St. 387

Conington/Nettleship z.St.: „(the) combination with ,inplet' is harsh."

136

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Verse Aen. 896f. Durch die Verfremdung wird jedenfalls ein starkes Gefühl für die stoffliche, fühlbare Seite des Schreiens erzeugt: der Schall schlägt den Vätern geradezu ins Gesicht. onerare onerare von Gesprochenem ist seit Plautus belegt (u.a. Mere. 978, vgl. Hardie zur unten zitierten Vergilstelle; Mil. 902f. te / oneravit praeeeptis; Prosa: Ps. Sali. In Tull. 6); die folgende Vergilstelle ist die erste, an der keine Person .belastet' wird (ThlL 9,632,59-633,35, bes. 632,81).388 Aen. 9,24 ... oneravit... aethera votis389 Die

Stimme,schlägt'

Hier muß unterschieden werden zwischen Metaphern, die den Inhalt des Gesagten in seiner Wirkung mit einem Schlag vergleichen, und solchen, bei denen ein Laut unmittelbar wie ein Schlag wahrgenommen wird. Für beide Möglichkeiten wird man bei Plautus fündig: Plaut. Aul. 1 5 0 - 5 2 . . . M E G A D O R U S ei occidil EUNOMIA quid ita? ME. quia mi misero cerebrum excutiunt tua dicta soror: lapides loqueris. Was Eunomia sagt, ist fur Megadorus unangenehm; die Wirkung der Worte ist rein psychisch.390 Anders im folgenden Fall (Plaut. Amph. 333f.): MERCURIUS hinc enim mihi dextra vox auris, ut videtur, verberat. SOSIA metuo, vocis ne vicem hodie hie vapulem, quae hunc verberat. Hier schlägt die Stimme physisch an Merkurs Ohr, und Sosia macht einen Witz über die Metapher.391

388

Vgl. Prop. 3,15,15 famulam onerantur legibus aures.

pensis

oneravit

iniquis

(eher indirekt); 2,30,15

389

Etwas anders, nämlich im Sinne von augere, wird onerare im elften Buch der Aeneis verwendet: surgit et his onerat dictis atque aggerat iras (Aen. 11,342); laut ThlL 9,634,73 ist dies der erste Beleg. Vgl. in der Prosa u.a. Liv. 6,11,9 bellum ... oneratum Latinorum ... defections, Sen. contr. 2,2,6 onerari ... invidiam, cum extenuari deberet. Vgl. Gransden z.St.: „... here the metaphor is reinforced by a second verb." (iras onerare ist natürlich nicht synästhetisch.) 390

Ähnlich, nur mit .passiver' Auffassung der Stimme bzw. der vorangegangenen für Gelasimus unangenehmen Phrase, Stichus 190f.: ,vocem te ad cenam nisi egomet cenem foris.' / Ei hercle ego verbo lumbos diffractos velim ... 391

Zu verbera / verberare von der Stimme vgl. Cie. rep. 1,9 contumeliarum verbera subire; Hör. carm. 3,12,3 patruae verbera linguae·, Petron. 132,2 matrona contumeliis verberata.

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ferire ferire von Tönen gesagt findet erstmals bei Vergil Verwendung (vgl. ThlL 6i,513,17f.): Aen. 2,488 ferit aurea sidera clamor, 5,140 ferit aethera clamor, ll,832f. ferit aurea clamor /sidera; Prosaparallele: Vitr. 5,5,3 vox ... tactu... feriens singulorum vasorum cava; Sen. epist. 83,7 voce feriuntur aures meae. icere Vgl. ThlL 7,,160,38-46; erster Beleg ist Lucr. 2,327f. (clamore ... monies/ icti), dann folgen in der Dichtung Ov. met. 3,706f. (... Penthea sic ictus longis ululatibus aether / movit) und met. 9,584 (lingua ... vix tales icto dedit aere voces ... - die Luft wird vom Stimmhauch tatsächlich mehr oder weniger stark getroffen). Die meisten Prosaparallelen (z.B. Sen. nat. 2,29,1) beziehen sich auf die stoische Theorie von der Körperlichkeit der Stimme (auch beim Substantiv ictus, vgl. ThlL 71,166,68-74). impellere Bemerkenswert ist im vierten Buch der Georgica die Beschreibung, wie die Klagelaute des Aristaeus zu seiner Mutter Cyrene dringen. Diese befindet sich unter Wasser, vernimmt aber dennoch das Gejammer ihres Sohnes; 4,333f. heißt es mater sonitum ... sensit, und wenig später liest man: georg. 4,349f. iterum maternas impulit auris /luctus Aristaei ... Es gelingt dem Dichter, durch impellere392 (und das vorangegangene unspezifische sensit) den Eindruck zu erwecken, daß es eher eine mechanische Übertragung der Laute durch das Medium Wasser ist, die Cyrene vernimmt, und nicht so sehr ein wirkliches Hören.393 Besonders eindringlich ist die Stofflichkeit von Lauten im zwölften Buch der Aeneis geschildert, wenn Turnus aus der Feme den Lärm von der Stadt her vernimmt (Aen. 12,617-19): attulit hunc Uli caecis terroribus aura commixtum clamorem, arrectasque impulit auris confusae sonus urbis et inlaetabile murmur. Traina bemerkt z.St.: Jmpulit e l'effetto fisico, l'impatto del suono ..., arrectas ... quello psichico, l'attenzione ..." Aber natürlich wird die psychische Wirkung auch durch das physische Bild der gespitzten Ohren 392

Vgl. ThlL 7,,539,13-16 zu

393

Zu impellere sensus bei Lukrez s.u. S. 186.

impelleresensus.

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

138

ausgedrückt. Besonders raffiniert ist die Junktur confusae sonus urbis, denn sie ist als Enallage auffaßbar für confusus sonus urbis.394 percutere Prop. 1,16,28 percussas dominae auriculas ist der erste Beleg (ThlL 10i, 1245,27-51); vgl. noch Sen. Ag. 635 murmur percussit aures\ luv. ll,197f. fragor aurem / percutit sowie aus der Prosa Sen. nat. 2,9,1 vox una totas urbes simul percussit und Petron. 68,5. Nicht immer sind es die Ohren, die ,getroffen' werden: Lucan. 6,483 onus percussum voce ...; 9,168 percussus planctibus aether, Sil. 3,436 voce Herculea percussa cacumina; 16,397; Stat. Theb. 4,814. perstringere Hör. carm. 2,1,17f.

iam nunc minaci murmure cornuum perstringis auris Nisbet/Hubbard z.St.: „The verb suggests a blow that causes shock rather than injury ..."; die angeführten Parallelen für aures perstringere (Sil. 15,459 und Tac. dial. 27,2) sind tatsächlich die einzigen in der römischen Literatur. tangere Das Berühren vornehmlich der Ohren mit einer Stimme ist seit Plautus belegt (aures tangere: Plaut. Poen. 1375f.; Rud. 233). Vgl. trag. inc. 23 (überliefert bei Cie. Att. 13,47,1) postquam abs te, Agamemno, ut uenirem tetigit aures nuntius und Lucr. 1,643f.: ... quae belle tangerepossunt

/auris

Vgl. noch Ov. Pont 4,9,125 et tarnen haec tangent aliquando Caesaris aures: ...; Germ. Arat. 37 tangeret auris; Prop. 3,2,2 gaudeat in solito tacta puella sono,395 Zu contingere vgl. Ov. met. 1,211 contigerat nostras infamia temporis aures und met. 2,578f. nec contigit ullum/vox mea mortalem.396 394

Vgl. auch Traina z.St. - impellere in dieser Bedeutung noch Pers. 2,21 (mit Kißel z.St.); Sil. 2,580; Stat. Theb. 5,554f., vgl. ThlL 2,1511,68-73. Bloßes aures pellere ist vor der Spätantike nur Sen. Here. fur. 415, Med. 116 und Phaedr. 850 belegt. 395

in solito sono muß wohl mit Fedeli auf gaudeat bezogen werden, zu tacta ist dann ein (solito) sono im bloßen Ablativ zu ergänzen. 396

Für weitere Belege vgl. Börner z.St., der auf Ov. epist. 3,59, met. 1,211, 15,497, trist. 4,10,87 und luv. 10,341 verweist („Die Verwendung [von contingere] in der Bedeutung fere i.q. ,sensus tangere' beginnt mit Ovid."). Vgl. ThlL 4,717,52ff.

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tergere tergere von einem Geräusch ist nur Lucr. 6,119 belegt: aridus ... auris terget sonus, vgl. unten S. 140 zu aridus. Natürlich ist ein lautes Donnern im Ohr wirklich fühlbar. Vergleichbar ist noch tergere palatum bei Hör. sat. 2,2,24.397 tundere Zu tundere vgl. Aen. 4,447f.: haud secus adsiduis hinc atque hinc vocibus heros tunditur Das OLD nennt s.v. tundere ld: Plaut. Poen. 434 pergin auris tundere-, Ter. Hec. 123 tundendo atque odio denique effecit senex\ Prop. 4,5,35f.: ingerat Aprilis Iole tibi, tundat Omichle / natalem Maiis Idibus esse tuum.m Pease z.St. merkt an: „In comedy and in prose obtundere is frequently so used" (Belege u.a. Ter. Eun. 554, Ad. 113, Haut. 879, Cie. Att. 8,1,4). Nur an der Vergilstelle scheint ein instrumentaler Ablativ (vocibus) vorzukommen. Adjektive zur Beschreibung der Stimme bzw. von Geräuschen acer acer wird akustisch nicht so häufig verwendet, scheint aber eine normale Bezeichnung für die Stimme zu sein, vgl. Rhet. Her. 3,21 acri clamore.m Zu Lukrez siehe auch unten S. 191 A.550 (u.a. l,275f. ... acri / cum fremitu ...; 3,953 voce ... acri). georg. 4,409 (von Proteus): ... acrem flammae sonitum

dabit...

Hör. carm. 1,12,1-3 Quem virum aut heroa lyra vel acri tibia sumis celebrare, Clio, quem deum? ... 397

Die im Ohr .kratzende' Stimme ist selten, vgl. Pers. l,107f. sed quid opus teneras mordaci rädere vero / auriculas? („Aber wieso mit beißender Wahrheit empfindliche Öhrchen kratzen?" Kißel) und (wohl von Persius beeinflußt, vgl. Adamietz z.St.) Quint, inst. 3,1,3 ne ieiuna atque arida traditio ... aures ... räderet verebamur im Sinne von ,die Ohren beleidigen'. 398

Vgl. Tränkle 1960, 138: „'etwas immer wieder sagen, einhämmern'. ausdruckskräfitige Übertragung stammt aus der Volkssprache." 399

ThlL 1,360,40-49; erster Beleg: Lucil. 1005f. acri induetum cantu.

Die

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

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Nisbet/Hubbard z.St. zitieren griechische Parallelen und ein Lob Quintilians (inst. 8,2,9) für das treffende Attribut. Dieses Lob deutet natürlich darauf hin, daß acer hier kein alltäglicher Ausdruck für den Klang einer Flöte ist. Vielleicht handelt es sich um eine poetische Variante zum üblichen acutus, die durchaus aus einem Gespür für die etymologische Verwandschaft der beiden Adjektive heraus gewählt sein kann, acutus wiederum ist eine gewöhnliche Stimmkategorie.400 aridus Vgl. ThlL 2,568,45 „de sonitu aut visu"; erster Beleg ist Varro Men. 267 (cum corrigia dirupta sonat aridum); nach den folgenden Verwendungen bei Lukrez und Vergil ist das Adjektiv erst wieder Ter. Maur. 238 belegt. Lucr. 6,119 aridus ... auris terget sonus ... (auf den Donner bezogen) georg. l,357f. ... aridus altis /montibus audirifragor ... Die Übertragung erfolgt von einer Eigenschaft des tönenden Gegenstandes auf den Klang selbst, vgl. Servius z.St.: sonitus qualis solet fieri ex aridis cum franguntur arboribus. durus durus ist eine geläufige Stimmkategorie (ThlL 2310,43ff, vgl. Cie. nat. deor. 2,146 vocis genera permulta ... durum), in der Dichtung aber nur Prop. 2,33a,10 (duro ... sono) belegt. ferreusm Dieses Adjektiv kommt als Attribut zu vox nur bei Vergil vor (georg. 2,44 und Aen. 6,626). Vorbild ist, wie die Kommentatoren bemerken, Horn. II. 2,490 φωνή άρρηκτος. Vergil ahmt laut Servius einen (sonst nicht überlieferten) Lukrezvers nach, wobei Lukrez allerdings aerea vox sagt (vgl. ThlL 6,, 1061,7).

400 ThlL l,465,62ff.; vgl. Cie. de orat. 3,216 sowie in der Dichtung Catull. 63,24 acutis ululatibus\ Hör. carm. 1,34,15 Stridore acuto; 3,4,3 voce ... acuta; ars 349 (sonum) ... gravem ... acutum·, Ov. met. 3,224 acutae vocis Hylactor. 401

Vgl. Schräder 1969, 122.

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fractus, fragilis, fragosus fractus kommt in verschiedenen akustischen Bedeutungen erstmals in Vergils Aeneis vor (ThlL 61,1245,28-33), so z.B. von der zurückgeworfenen Stimme: Aen. 3,556 audimus ...fractas ... ad litora voces An der folgenden Stelle meint fractus, wie der Zusammenhang zeigt, ein unterbrochenes, nicht kontinuierliches Geräusch (weitere Belege aus der Dichtung sind Sil. 1,532 und Stat. Theb. 10,323): georg. 4,71 f. vox / auditurfractos sonitus imitata tubarum. Ganz geläufig ist fractus dagegen als Bezeichnung fur die .gebrochene' Stimme.402 Höchst selten ist das Adjektiv fragilis „de sono"; es ist nur bei Lucr. 6,112 {fragilis sonitus), ecl. 8,82 {fragilis incende ... lauros)m und Prop. 4,7,1 If. (... illi/pollicibus fragiles increpuere manus) belegt. Die Erklärung des ThlL fur diese Metapher dürfte stimmen: „sono qui fit aliqua re frangenda vel plicanda". fragosus von Geräuschen erstmals Aen. 7,566f. medio ... fragosus / dat sonitum torrens, in augusteischer Zeit nur noch Ov. met. 4,778 silvis horrentia saxa fragosis (vielleicht .rauschend', vgl. Börner z.St.), vgl. ThlL 6i,l236,77ff.404 gravis gravis ist eine gewöhnliche Stimmkategorie wie unser ,tief, vgl. ThlL 62,2299,69ff. (Cie. de orat. 1,251; 3,216; orat. 57 u.ö.) und somit nicht weiter bemerkenswert. Belege: Catull. 63,22 ... tibicen ubi canit Phryx curvo grave calamo\ Lucr. 4,543 tuba depresso graviter sub murmure mugit; 6,142f. murmur/ dant in frangendo graviter, georg. 3,88 graviter sonat; 3,133; 3,374 graviter rudentis; 4,260 sonus auditur gravior; 4,452 graviter frendens; Ov. met. 12,203f. graviore ... sono; fast. 6,343. Von

402

ThlL 6,,1252,33, vgl. Cie. de orat. 3,216 und Quint, inst. 11,3,20.

403

Hier wird durch das Vorbild Theokr. eid. 2,23-25 deutlich, daß es sich um das Geräusch des verbrennenden Lorbeers handelt. 404

fragosus ist in einer .weiteren' Übertragung in einer höchst kühnen Verwendung in den Argonautica auch vom Licht belegt (Val. Fl. 2,198f.): nimbis et luce fragosa/ prosequitur polus et tonitru pater äuget honoro. Vgl. Langen z.St.: „id est fulmine cum tonitru coniuncto"; ein schönes Beispiel für die Funktion der Synästhesie, auf ökonomische Weise eine Wahrnehmung mit mehreren Sinnen zu beschreiben (vgl. Garson 1970, 183: „perhaps the most original phrase in Latin literature for lightning and the thunder that follows it"), fragosus ist sonst vom Licht nicht belegt (vgl. ThlL 6,, 1236,5Iff. - die Val. Fl.-Stelle ist kommentarlos unter „quod magnum dat sonitum" eingeordnet).

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

dieser Verwendung zu trennen ist natürlich die metaphorische Bedeutung .unangenehm', z.B. Hör. epod. 11,26 contumeliae graves.405 lenis Auch lenis ist ein übliches Adjektiv zur Beschreibung einer bestimmten Art der Stimme, vgl. Rhet. Her. 3,21 laeditur arteria si antequam voce leni permulsa est acri clamore conpletur. Interessant ist Catull. 84,8: audibant ... leniter et leviter. Im ThlL werden beide Adverbien als rhetorische termini technici auf die Psilose bezogen (ThlL 72,1147,27 und 1220,26); Fordyce z.St. bemerkt zu Recht, daß die Adverbien eigentlich eher zum Sprechen als zum Hören passen. levis levis (,leicht') ist im Sinne von ,leise' einige Male in der Dichtung belegt;406 zu dem gerade zitierten Beispiel leniter et leviter bei Catull (84,8) gesellen sich noch drei weitere aus den hier bevorzugt betrachteten Dichtern: Catull. 54,3 subtile et leve peditum Libonis Catull. 64,273 ... leviter ... sonantplangore cachinni eel. 1,55 (saepes) saepe levi somnum suadebit inire susurro. Daneben kommt das Adjektiv in dieser Bedeutung noch bei Properz und etwas häufiger bei Ovid vor, vgl. ThlL 72,1206,48-68: Prop. 1,3,43 leviter mecum ... querebar, 2,32,15 leviter ... crepitantibus\ 4,8,50 levia ... murmura; Ov. fast. 3,18 leve murmur, ars 3,286 leve ... sonent (risus); met. 4,413 leves ... querellas; 7,840 levem ... strepitum. Prosaparallelen: Cie. Rab. perd. 18 ... iam levior est adclamatio, dazu spätere Belege aus Tacitus und Ammianus Marcellinus. mollis mollis bezieht sich bei Gesagtem ausschließlich auf den Inhalt, bei Geräuschen auf die angenehme Wirkung (vgl. ThlL 8,1376,45-1377,61); fiir beide Verwendungsweisen ist Cicero jeweils erster Beleg (u.a. fam. 6,14,2 ...ex oratione Caesaris quae sane mollis et liberalis fuit\ de orat. 2,95 dicendi molliora ... genera), vgl. aus der Dichtung u.a. georg. 3,41 haud mollia iussa; Hör. epod. 5,83f. mollibus / lenire verbis·, Hör. carm. 405 Diese Verwendung ist auch in der Prosa ganz normal, Mankin verweist zur Epodenstelle auf Cie. Tusc. 4,77 gravissimae contumeliae. 406 Im Gegensatz zu levis (,glatt'), das als synästhetische Metapher keinen Eingang in die Dichtung gefunden hat, vgl. ThlL 7 2 ,1223,43-48.

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4,l,6f. mollibus/ iam durum imperiis\ Ov. met. 3,376 molles ... preces. molle als inneres Objekt ist dagen nicht vor Properz belegt: 4,7,52 molle sonet\ Ov. ars 3,513 ridenti mollia ride (vielleicht nur optisch aufzufassen). plenus plenus ist ebenfalls, wie Cie. de orat. 3,31 belegt, eine übliche Bezeichnung für eine .volle' Stimme. Erster Beleg in der Dichtung ist georg. 1,388 tum comix plena pluviam vocat improba voce.*01 tenuis OLD 8a; wohl kein sehr kühnes Wort, vgl. Quint, inst. 11,3,32 in einer Aufzählung von Stimmkategorien. Ältester Beleg ist Pompon. Atell. 58f. ... iube modo adferatur munus, vocem reddam ego/tenuem et tinnulam. Catull. 64,262 ... tereti tenuis tinnitus aere ciebant Weitere Belege bei den augusteischen Dichtern: Tib. 1,3,60; Ov. ars 1,369; met. 1,708; 2, 373 (vox est tenuata). Bemerkenswert ist allerdings Ov. met. 14,498 (von der Verwandlung eines Gefährten des Diomedes in einen Vogel): vox pariter vocisque via est tenuata: Hals und Stimme werden ,dünn'. vastus Nur für die Dichtung und hier seit Cicero408 belegt ist das Adjektiv vastus für Geräusche. Aen. 1,245 ... vasto cum murmure ... Aen. 10,716 missilibus longe et vasto clamore lacessunt. vastus clamor ist erstmals hier belegt, vgl. ThlL 3,1258,39ff., Harrison z.St. und Töchterle zu Sen. Oed. 232. Geräusche als , Objekt' ferre, tollere Hier gibt es eine Fülle von ,toten Metaphern', und der synästhetische Charakter (Hörbares als ,stofflich' aufgefaßt) wird kaum empfunden, wohl deshalb, weil der Schall sich - ähnlich wie stofflich Ausgedehntes 407 408

Vgl. hierzu auch Kallimachos frg. 757 mit Pfeiffers Kommentar.

Cie. Tusc. 2,24 (in einer Aischylos-Übersetzung): clangorem fundit vastum ... (s.o. S. 145ff. zu fundere).

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

tatsächlich bewegt. Aber es bleibt festzuhalten, daß Verben wie ferre und tollere meist Objekte regieren, die eine Masse haben (vgl. ThlL 6],543, 63ff.). Beispiele: georg. 1,362 clamorem ... ferunt; Aen. 3,40 = 3,93 vox ... fertur ad auris; 6,82 vatis ... ferunt responsa per auras (gemeint sind die Öffnungen der Grotte in Cumae); 12,455 sonitum ...ferunt ad litora venti (hier ist die Luft ausdrücklich als Träger des Schalls genannt). Interessant ist die Verwendung von referre in Aen. 5,409: tum senior talis referebat pectore voces Hier wird die geläufige übertragene Bedeutung ,Sprechen', .Berichten' fur referre durch die Angabe der Herkunft der Stimme {pectore) wieder etwas anschaulicher gemacht, analog zu imo ... trahens α pectore vocem (Aen. 1,371). deferre kommt von mündlich Geäußertem nur Aen. 4,226 {defer mea dicta per auras) und 4,357f. {mandata per auras / detulit) sowie Ov. met. 10,642 {detulit aurapreces) vor, vgl. ThlL 5,,314,24-76. tollere für das ,Erheben' der Stimme ist früh und auch in der Prosa weit verbreitet.409 In der Dichtung ist Ennius der früheste Beleg: Enn. ann. 428 Sk. tollitur in caelum clamor exortus utrimque. Dieser Versanfang wird in der Aeneis zweimal wörtlich aufgegriffen (11,745 und 12,462: tollitur in caelum clamor) und mehrmals variiert (2,222 clamores ...ad sidera tollit, vgl. 3,672; 10,262; 11,37; 11,878; 9,566f. clamor / tollitur und reflexiv 1 l,454f. clamor / ... se tollit in auras). In Aen. 5,369 kann man aus magno ... virum se murmure tollit vielleicht ein murmur se tollit mit heraushören.410 Vgl. noch Hör. carm. 2,16,34 tollit hinnitum\ ars 113 Romani tollent ... cachinnum; ars 381 ne ... risum tollant... coronae. (in-)flectere Das Verb flectere bezeichnet mit vox bzw. sonus als affiziertem Objekt die Veränderung der Tonhöhe (OLD 11 „to modulate", ThlL 6,,895,61-64); frühester Prosabeleg ist Cicero (de orat. 3,216 flexo sono, vgl. auch noch Vitruv. 5,4,2 vox ... cum flectitur), die technische Verwendung macht auch Plin. nat. 16,171 deutlich {apertioribus earum [sc. tibiarum] lingulis ad 409

Das OLD zitiert s.v. tollo 5b Plaut. Cure. 277; Cie. fat. 10; Caes. Gall. 5,37,3. Die Grundvorstellung ist natürlich das Heben des Kopfes, vgl. Nisbet/Hubbard zu Hör. carm. 2,16,34. 410 Ähnlich wie in Aen. 1,381 conscendi navibus aequor, wo die Vorstellung naves conscendere mit anklingt, vgl. Görler 1985, 277.

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flectendos sonos). In der Dichtung kommt flectere in dieser Bedeutung noch bei Ovid (am. 2,4,25 haec ... dulce canit flectitque facillima vocem) und Statius (silv. 5,3,152 Pindaricae voxflexa lyrae) vor. Das Lied als Objekt411 zu flectere begegnet erstmals bei Lukrez: Lucr. 5,1405f. et vigilantibus hinc aderant solacia somni ducere multimodis voces et flectere cantus. Auch die weiteren Belege beschränken sich auf die Dichtung (Sen. Ag. 329f. sed quale soles leviore lyra/flectere carmen mit Tarrant z.St.; Stat. silv. 3,5,65 ... mea carmina flectit). Zu inflectere vgl. Tib. 1,7,37: ille liquor docuit voces inflectere cantu. Diese Verwendung von inflectere ist nicht sehr häufig (vgl. ThlL 7i,1458,66-70: Tibull einziger Beleg in der Dichtung vor Ambrosius, s. auch Murgatroyd z.St.), aber in der Prosa belegt (Cie. de orat. 2,193 inflexa ad miserabilem sonum voce; orat. 56 contenta voce atrociter dicere et summissa leniter et inclinata videri gravis et inflexa miserabilis). (ef-)fundere Gesprochenes mit einem eigentlich Flüssigkeiten zukommenden Vokabular zu verbinden, ist eine in vielen Sprachen verbreitete Metaphernkategorie. Im Lateinischen sind diese Übertragungen früh belegt412 und in ciceronischer Zeit in der Prosa ganz geläufig;413 sie dürften kaum noch als lebendige Metaphern empfunden worden sein. Für die Beurteilung der republikanischen und augusteischen Dichtung ist Ennius' Verwendung von effundere der Ausgangspunkt. In den uns

411 Ob dies nun, wie es im ThlL heißt, ein effiziertes Objekt ist (6],895,70f.: „cantum, carmen flectere i. flectendo vocem cantum efficere sive cantare"), sei dahingestellt. 412 Vgl. zu fundere ThlL 6,,1566,45ff.; frühe Belege: Plaut. Pseud. 943 mendacia fundes-, Ter. Ad. 769 tu verba fundis hic, Sapientia?\ Cato orat. frg. 84 Cugusi (ORF frg. 114 Malcovati) ridicularia fundere·, effundere: ThlL 52,223,66ff.; frühe Belege: Enn. ann. 544 Sk.; ann. 553 Sk (s. S. 146). Plautus verwendet in ähnlicher Bedeutung auch das seltene funditare (Amph. 1033; Asin. 902; Poen. 273). Vgl. auch Nonius p. 312,42: fundere, dicere. 413 Vgl. zu fundere Cie. fin. 4,10 (und Ter. Ad. 769), zu effundere Cie. Flacc. 69; de orat. 3,219; Att. 16,7,5. Siehe auch K. F. von Nägelsbach, Lateinische Stilistik, 9. Aufl. von I. von Müller, Nürnberg 1905, 569:, fundere bezeichnet, wie bekannt, ein müheloses, wohl auch unabsichtliches, oder ein reichliches Hervorbringen". Von diesem Prosagebrauch, von dem sich auch das genus fusum als Stilgattung ableitet, ist der poetische Gebrauch von (ef-) fundere zu trennen.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

erhaltenen Annalenfragmenten kommen diese Ausdrücke zweimal auf Laute bezogen vor: Enn. ann. 544 Sk. inde loci lituus sonitus effud.it acutosili Enn. ann. 553 Sk. effudit voces proprio cum pectore sancto Im letzten Beispiel ist, wie Skutsch im Kommentar zur Stelle anmerkt, mit Sicherheit davon auszugehen, daß ein Gott zu sprechen beginnt (wegen pectore sancto), vielleicht Juppiter. Diese beiden Realisierungsmöglichkeiten des Bildfeldes - Stimme .fließt' aus dem Körper, Musik ,fließt' aus dem Instrument - prägen auch die weiteren Verwendungen. Bei Catull kommt fundere (bzw. profundere) dreimal in der Bedeutung ,Worte verströmen' vor: Einmal in 64,125 (... clarisonas imo fudisse e pectore voces), dann in v. 202 (has postquam maesto profudit pectore voces ...), sowie in v. 321 (talia divino fuderunt carmine fata). Bei den ersten beiden Beispielen ist der Bezug auf Ennius durch die Verbindung mit pectore unverkennbar (vgl. Kroll zu 64,125), obwohl die Worte hier nicht aus einem Gott ,hervorströmen'. Aber auch beim dritten Beispiel (fata fundere) könnte, obwohl keine Parallele erhalten ist, ennianischer Einfluß vorliegen; dies legt vor allem die ähnliche Wendung Lucr. 5,110 (qua prius aggrediar quam de re fundere fata) nahe.415 Bei Lukrez kommt diese Metaphorik auch sonst einige Male vor: l,39f. suavis ex ore loquelas/ funde; l,412f. ... largos haustus e fontibus magnis / lingua meo suavis diti de pectore fundet, 4,584f. = 5,1384f. dulcis ... querelas, / tibia quas fundiv, 6,401 Iuppiter in terras fulmen sonitusque profundit, wobei hier die Vorstellung zurückgedrängt ist, daß die Stimme aus dem Innern des Körpers durch den Mund nach außen dringt. Besonderes Augenmerk verdient der Umgang Vergils mit dieser Metaphorik. Bei ihm wird nämlich einige Male durch den Kontext der ursprüngliche, stoffliche Gehalt von fundere .reaktiviert'. In Aen. 3,344-48 beispielsweise wird der Strom der Worte Andromaches mit dem ihrer Tränen kombiniert: talia fundebat lacrimans longosque ciebat 344 incassumfletus ... / ... / ... et multum lacrimas verba inter singula fundit. 348 414 Skutsch ζ.St. wundert sich darüber, daß die sonitus acuti lautmalerisch mit eigentlich unpassenden langen u-Lauten dargestellt werden. 415

fundo.

Vgl. aus der Prosa noch Cie. nat. deor. 1,66 haec ego nunc physicorum

oracla

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Zu Beginn ihrer Rede war die Perspektive umgekehrt gewesen: dixit lacrimasque effudit et omnem / inplevit clamore locum (312f.). Bei der Verfluchung des Aeneas durch Dido im vierten Buch werden Worte mit Blut kombiniert: Aen. 4,621 haec precor, hanc vocem extremam cum sanguine fundo. Etwas weniger deutlich ist der angedeutete Zusammenhang bei der Tötung des Stiers durch Entellus im fünften Buch: Aen. 5,478-82 ... durosque reducta libravit dextra media inter cornua caestus, arduus, effractoque inlisit in ossa cerebro: sternitur exanimisque tremens procumbit humi bos. ille super talis effundit pectore voces Vielleicht wird durch die drastische Schilderung, auch ohne daß davon ausdrücklich die Rede ist, das ,Ausgießen' der voces parallel zum Vergießen des Stierblutes aufgefaßt. Ganz deutlich ist dieses Vorgehen Vergils im achten Buch nach der Rede des Tiber, wenn Aeneas zum Fluß geht, Wasser schöpft und danach Worte .vergießt': Aen. 8,68-70 surgit et aetherii spectans orientia solis lumina rite cavis undam de flumine palmis sustinet ac talis effundit ad aethera voces Diese Stelle ist gedeutet worden als bewußte Ambiguität, bei der durch die Verwendung von effundere angedeutet werden soll, daß Aeneas das Flußwasser aus seinen Händen verströmen läßt.416 Dies ist nicht ausgeschlossen, und es widerspricht auch gar nicht der hier gegebenen Deutung: Die Verbindung mit dem Wasser leistet in jedem Fall eine .Aktivierung' der eigentlichen Bedeutung von effundere; es ist gut vorstellbar, daß diese Aktivierung dann noch einmal .zurückwirkt' und beim Leser eine konkrete Vorstellung vom aus der Handfläche verströmenden Wasser auslöst.417 Beim folgenden Beispiel ist das .Fließen' der Stimme nicht durch die Erwähnung von Flüssigkeiten ausgedrückt, sondern dadurch, daß die Vorstellung eines ,Gefälles' evoziert wird: 416

Görler 1985, 277: „... ciö che Enea lascia scorrere non sono soltanto le parole della preghiera, ma anche l'acqua nella sua mano." 417

Eine ähnliche Verschränkung, aber mit libare, findet sich Prop. 4,6,7f. spargite me lymphis carmenque recentibus aris / tibia Mygdoniis libet eburna cadis. Das in eine Opferhandlung eingebundene Flötenspiel wird metaphorisch wie eine Libation dargestellt (vgl. Fedeli z.St.).

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

Aen. 11,481 f.

succedunt matres et templum ture vaporant et maestas alto fundunt de limine voces

Alto de limine suggeriert - nicht zuletzt durch Rahmung von fundere eine Bewegung der Stimme ,νοη oben herab'.418

-

Bei Horaz kommt diese Verwendung von fundere nur zweimal vor: epod. 17,53 quid obseratis auribus fundis preces? und epist. 2,1,146 ... opprobria rustica fudit. Ο ν id spielt sehr gern in expliziter Weise mit der übertragenen Bedeutung von fundere und seinen Komposita: nihil praeter lacrimas ... profudi (epist. 11,81); verba ... tot fudit vacuas animosus in auras (met. 12,469; vacuas verstärkt die Vorstellung, daß etwas Materielles verströmt wird Börner z.St. bemerkt, daß vacuas formelhaft gemeint sein müsse, da die Luft von Lärm und Feuer erfüllt ist); illic cum lacrimis ipso modulata dolore / verba sono tenui maerens fundebat (met. 14,428f.). Eine interessante Parallele zur Auffassung von Zaubersprüchen als ,Zutat' in georg. 3,282f. (vgl. unten S. 151 zu miscere) ist met. 7,245-48: ... patulas perfundit sanguine fossas. tum super invergens liquidi carchesia vini alteraque invergens tepidi carchesia lactis verba simul fundit In met. 9,368-70 verstärkt die Verbindung mit den Tränen und mit vocis iter die Stofflichkeit der Stimme: ... lacrimae miser ο de corpore factis inrorant foliis, ac, dum licet oraque praestant vocis iter, tales ejfundit in aera questus:...419 418

Weitere Stellen aus der Aeneis ohne erkennbare Verstärkung der stofflichen Vorstellung: 5,232-34 et fors aequatis cepissent praemia rostris, / ni palmas ponto tendens utrasque Cloanthus / fudissetque preces divosque in vota vocasset (vielleicht Vorstellung vom Verströmenlassen über dem Meer?); 5,722f. visa dehinc caelo facies delapsa parentis / Anchisae subito talis effundere voces; 5, 779f. At Venus interea Neptunum exercita curis / adloquitur talisque effundit pectore questus; 5,841 f. ... puppique deus consedit in alta / Phorbanti similis funditque has ore loquelas; 6,54f. ... gelidus Teucris per dura cucurrit / ossa tremor, funditque preces rex pectore ab imo (Norden z.St. leitet „ennianisches Kolorit" aus dem Umfeld der Stelle ab, ohne die Parallelen aus den Annalen zu nennen); 7,291 f. ...stetit acrifixa dolore, / tum quassans caput haec effundit pectore dicta (effundere vielleicht durch quassans verstärkt?); 8,583f. ...haec genitor digressu dicta supremo / fundebat. famuli conlapsum in tecta ferebant (vielleicht ist das Zusammenbrechen Euanders in fundebat vorweggenommen). 419

Bei Hecuba verhindert der Schmerz das Nach-außen-Strömen von Stimme und Tränen (met. 13,539f.): et pariter vocem lacrimasque introrsus obortas / devorat ipse

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Auch diffundere420 kann bei lautlichen Äußerungen verwendet werden, allerdings ist dies selten: erstmals bei Lukrez (4,569, vgl. unten S. 190), dann bei Vergil von der Fama: Aen. 4,195 haec passim dea foeda virum diffundit in ora. Austin z.St. bemerkt treffend, wie ökonomisch Vergil den Akt des Weiterverbreitens des Gerüchts darstellt, wenn er nicht diffundit in aures, sondern in ora sagt und damit Hören und Weitererzählen zu einer Handlung macht.421 (e-)mittere mittere von der Stimme oder von Worten gesagt ist geläufig, vgl. ThlL 8,1174,77-1175,41 (zahlreiche Beispiele in rhetorischen Schriften, z.B. Rhet. Her. 4,60 citharoedus ... si ... vocem mittat, sowie in Reden Ciceros). Ältester Beleg aus der Dichtung scheint Lucil. 1102 zu sein (... vocem mittere coepit - es ist unklar, wer spricht, möglicherweise ist es ein Fuß); spätere Dichter: Catull 64,166 ... nec missas audire queunt nec reddere voces·, Lucr. 2,834f. non omnia corpora vocem / mittere concedis; 3,93lf. si vocem rerum natura ... / mittat", 4,563f. verbum ... / ... missum praeconis ab ore; 4,991 f. voces ... repente/ mittunf, 5,1028f. at varios linguae sonitus natura subegit / mittere-, 5, 1173f. voces ... superbas/ mittere-, 6,199 fremitus per nubila mittunV, Hör. epod. 5,86 (puer) mis it Thyesteas preces-, ars 390 nescit vox missa reverti; Prop. 2,17,16 aut per rimosas mittere verba fores (durch per rimosas fores wird vielleicht die räumlich-taktile Vorstellung etwas stärker aktiviert); 4,7,11 spirantisque animos et vocem misit; Ovid met. 3,38 und 15,670 sibila misit (von einer Schlange); trist. l,2,15f. preces ... / ad quos mittuntur non sinit ire deos\ Ciris 92 cantus ... mittere-, häufig auch in Senecas Tragödien (Med. 108; Phaedr. 942; Thy. 954; Tro. 1161). Die oben angeführte Stelle aus Horaz' fünfter Epode steht in einem Zusammenhang, in dem man von einer ,Reaktivierung' der ursprünglichen Bedeutung durch Häufung toter Metaphern ausgehen kann (epod. 5,8386):

dolor. - Vgl. aus den Metamorphosen noch 13,306 (convicia fundere) und 14,429 (verba fundere). 420 421

ThlL 5i,l 109,71-76.

Einen Variante zum .Verströmen' der Stimme bildet das .tropfenweise Durchseihen' bei Persius (l,34f.: Phyllidas, Hypsipylas vatum et plorabile siquid/ eliquat ac tenero supplantat verba palato); daß den Worten beim Austreten aus dem Gaumen .ein Bein gestellt wird', ist eine zusätzliche synästhetische Pointe, vgl. Kißel z.St.

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

sub haec puer iam non, ut ante, mollibus lenire verbis impias sed dubius unde rumperet silentium, misit Thyesteas preces Das Besänftigen mit .weichen' Worten hat sich als zwecklos erwiesen, und so greift der Knabe, der sich in der Gewalt der Hexen befindet, zu .härteren' Aussagen, die das Schweigen tatsächlich .durchbrechen'.422 Eine Stimme bzw. Geräusche .hinauszuschicken' (emittere) ist in der lateinischen Literatur ebenfalls nichts Außergewöhnliches, vgl. ThlL 52,506,47-507,38 mit zahlreichen Prosabelegen; frühester Beleg ist Varro ling. 6,30 ... id verbum emisit. In der Dichtung: Lucr. 4,547f. (voces ... foras emittimus ore, vgl. unten S. 188); 4,795 cum vox emittitur una\ 5,1043f. nam cur hie posset cuncta notare / vocibus et varios sonitus emittere linguae·, 5,1088 varias emittere voces; Tibull l,9,27f. ipse deus somno domitos emittere vocem iussit - vielleicht hört man hier aufgrund des göttlichen Zwangs ein .physischeres', spürbareres .Hinausschicken' der Stimme; Hör. epist. 1,18,71 et semel emissum volat inrevocabile verbum\ Ov. met. 4,412f. vocem / emittunt, 15,657 etplacido tales emittere pectore voces. Auffallend ist das Fehlen beider Verben in dieser Bedeutung bei Vergil; Lukrez hingegen scheint eine Vorliebe dafür zu haben. iacere, iactare Dies ist nichts Außergewöhnliches, vgl. z.B. Cie. Sull. 23 contumeliam iacere; Flacc. 6 quae est umquam iacta non suspicio ... sed iracundiae vox aut doloris·, Cat. 4,14 iaciuntur enim voces. In der Prosa ist freilich das ,Werfen' von Gerüchten, Prahlereien etc. vorherrschend,423 nicht das unspezifische Werfen einer Stimme, wie z.B. bei Lukrez (Lucr. 4,577f. sex etiam aut septem loca vidi reddere voces, / unam cum iaceres ...; 5,1081 longe alias alio iaciunt in tempore voces; 2,327f. clamore ... monies / icti reiectant voces ...). Vergil bietet Beispiele für beide Vorstellungen: ecl. 2,4f. haec ... / montibus et silvis ... iactabat; ecl. 5,62f. ipsi laetitia voces ad sidera iactant / intonsi monies ...; Aen. 1,102 talia iactanti ...; Aen. 2,768 voces iactare per umbram; Aen. 10,95 iurgia iactas424; Aen. 10,322 voces ... iactat. 422

Siehe unten S. 154 zu rumpere und oben S. 142f. zu mollis.

423

ThlL 7|,40,76ff.; zu iactare vgl. ThlL 7,,55,83ff., ältester Beleg ist Afran. com. 266 (verba iactare). 424

Harrison z.St. vergleicht Horn. IL 18, 324 („double military metaphor").

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Weitere Belege aus der augusteischen Dichtung: Prop. 2,1,77 talia ... illacrimans mutae iace verba favillae; 3,8,11 mulier rabida iactat convicia lingua; 3,11,7 isla ego ... iactavi verba; 3,23,14 crimina ficta iacis; 4,9,32 iacit ... verba minora deo; 4,11,84 singula verba iace; Ον. met. 15,779f. talia ... / verba iacit; 2,815f. cui blandimenta precesque/ verbaque iactanti... dixit mit Börner z.St.425 ingerere Vor allem fur das Schleudern von Schmähungen wird seit Plautus das Verb ingerere verwendet (ThlL 7,,1552,45-60: u.a. Asin. 927, Bacch. 875; vgl. Murgatroyd zu Tib. 2,5,101-2; ältester Prosabeleg ist Livius [2,45,10 u.ö.]). In augusteischer Dichtung kommt es mit dieser Bedeutung bei Horaz und Tibull vor: Hör. sat. 1,5,1 If. {tum pueri nautis, pueris convicia nautae / ingerere ...) und Tib. 2,5,101 (ingeret hic potus iuvenis maledicta puellae). Bei Properz hat ingerere einmal die Bedeutung des Immerwieder-Sagens: Prop. 4,5,35f. ingerat Aprilis Iole tibi, tundat Omichle / natalem Maiis Idibus esse tuum.*26 miscere Der Vorstellung des Mischens wohnt immer eine, wenn auch schwache, taktile Komponente inne. Stellen, an denen miscere nur mit akustischen Objekten verbunden wird, sind nun nicht besonders kühn, z.B. Lucr. 6,1244 blanda ... vox mixta voce querelae; georg. 1,359; 2,486f.; 4,210 inania murmura miscent; 12,618 commixtum clamorem. Hör. epod. 9,5 sonante mixtum tibiis carmen lyra; carm. 4,1,22-24; 4,15,29f.; Ov. met. 4,652 ... placidis miscentem fortia dicti; ars 2,102 mixta ... cum magicis nenia Marsa sonis. Hervorzuheben sind Fälle, bei denen Objekte aus verschiedenen Sinnessphären .vermengt' werden: georg. 3,282f.

... novercae miscuerunt... herbas et non innoxia verba. Hier addieren sich die Giftkräuter nicht nur in ihrer Wirkung mit den Zaubersprüchen der Stiefmütter, sondern sie scheinen, da zur gleichen .Rezeptur' gehörend, schon im Trank gemischt zu werden. Nachahmung

425

Zu conicere vgl. ThlL 4,307,54-66, fast ausschließlich mit Prosabelegen (Cie. Mur. 73; Sest. 40; Cael. Cie. fam. 8,4,4 in disputando eoieeit illam vocem Cn. Pompeius)·, die Ausnahme ist Tib. l,8,53f. ... saepe querelas /conicit. 426 Tränkle 1960, 134 vergleicht Petron. 36,7 ingerebat lentissima voce: carpe, carpe.

nihilo minus

Trimalchio

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Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

bei Ov. met. 14,43f.: (Circe) horrendis infamia pabula sucis / content et tritis Hecateia carmina miscet. Aen. 1,124 interea magno misceri murmure pontum ... sensit Neptunus Hier könnte die Mischung von Stimmen und Meer die Vorstellung unterstreichen, daß das Jammern der Trojaner ja tatsächlich durch das Meerwasser und damit mit diesem gemischt und ein wenig gedämpft an das Ohr Neptuns dringt. Fast identisch ist Aen. 4,160f.: interea magno misceri murmure caelum incipit Das bemerkenswerteste Beispiel ist Aen. 4,41 Of.:427 totumque videres misceri ante oculos tantis clamoribus aequor. Hier werden der Anblick und das Geschrei der aufbruchsbereiten Trojaner für Dido in verstörender Weise zusammengemischt. In den meisten anderen Fällen liegt keine Synästhesie vor.428 portare portare vom .Überbringen' von mündlichen Nachrichten, seit Plautus in der römischen Literatur belegt, ist in der augusteischen Dichtung selten;429 zum ersten Mal kommt es bei Vergil vor (Aen. 9,312 multa patri mandata dabat portanda), dann Ov. met. 2,744 (es spricht Merkur): verba patris porto,430 premere Aen. 9,324 sie memorat vocemquepremit ... Vgl. Serv. auet. z.St.: aut summissa voce loquitur, aut tacef, die Kommentatoren haben in der Folgezeit immer zwischen diesen beiden Möglichkeiten geschwankt, die Belege sprechen aber eindeutig für das vollständige .Unterdrücken' der Stimme.431 Ähnlich umstritten ist eine Stelle im siebten Buch der Aeneis:

427

Zur optischen Synästhesie videres ... clamoribus s.o. S. 59f.

428

Vgl. noch Prop. 4,5,78 mixta ... cum saxis addite verba mala·, Ov. ars 1,663 quis sapiens blandis non misceat oscula verbis?; 3,580 miscenda est laetis rara repulsa iocis. 429

ThlL10 2 ,49,33ff.: erstmals Plaut. Capt. 869.

430

Singulär ist verba adferre Ov. ars 2,159f. (blanditias molles auremque verba / adfer ...), vgl. Janka z.St. 431

Vgl. Dingel z.St. (zahlreiche Belege bei Henry z.St.).

iuvantia

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Aen. 7,117-19

153

... ea vox audita laborum prima tulitfinem, primamque loquentis ab ore eripuit pater ac stupefactus numine pressit.

Iulus hat gerade geäußert, daß man ja nun die Tische esse, was eine harmlose Erfüllung des Tischprodigiums bedeutet. Aeneas ,reißt' die Stimme vom Mund des Sprechenden und .drückt' sie. Diese Vorgänge sind nicht zweifelsfrei deutbar. Horsfall z.St. bemerkt zu Recht, daß eripere kaum heißen könne, daß Aeneas seinem Sohn nach dessen Äußerung das Wort abschneidet: dieser war bereits verstummt (nec plura v. 117). Aeneas nimmt das Wort von Ascanius auf,432 vielleicht indem er es wiederholt, dann schweigt er oder läßt Ascanius bzw. seine Gefährten schweigen. Für Ascanius spricht, daß pressit sich auf seine vox bezieht; will man die Stimmen anderer zum Objekt machen, muß man ein (unproblematisches, vgl. Fordyce z.St.) Zeugma annehmen.433 Die Vergilstellen sind die ältesten Belege fur vocem premere;434 in der Prosa ist diese Wendung selten und spät (Ps. Quint, decl. 19,14 ... quam me putas premere vocem).*35 Stellen, an denen ein ore hinzugefugt ist (z.B. Aen. 7,103 von Latinus: non ipse suo premit ore) legen nahe, den Vorgang des premere vor allem als ein Zurückhalten der Stimme durch den fest geschlossenen Mund zu sehen. Vgl. noch Ovid met. 9,692 qui ... premit vocem et digitoque silentia suadet (vom Gott Horns, der den Finger zum Mund führt und zum Schweigen gemahnt, also hier die Stimme des Betrachters .unterdrückt'; anders Börner z.St., der Horus selbst als schweigend auffaßt).

432

Vgl. Horsfall z.St. und ThlL 5 2 ,791,64f.

433

Wenn nach wie vor von Ascanius' vox die Rede ist, liegt eine Syllepse vor, da vox einmal das Gesagte, einmal die Stimme wäre (vgl. Conington/Nettleship z.St. und oben S. 41 Anm. 134 zur Terminologie). 434

ThlL 10 2 ,1180,48ff.; 1180,63ff. sind auch Belege angeführt, bei denen der Gegenstand der unterdrückten Äußerung Objekt zu premere ist; auch hier beginnt die Entwicklung mit der Aeneis (1,209 premit ... dolorem). Vgl. noch Aen. 10, 464f. magnum ... sub imo / corde premit gemitum; Ov. met. 1,715 supprimit... vocem; 9,764 pressit ab his vocem. Zu vocem supprimere vgl. Cie. Sull. 30 suppressa voce; Cels. 2,10,6 quidquid supprimit subito vocem; Quint, inst. 8,3,85 voce ... suppressa (vom Unterdrücken einer Äußerung) - dies die einzigen Belege. 435

Allerdings gibt es für das p.p.p. pressus von der Stimme einen Beleg bei Cicero (Cie. p. red. in sen. 13 pressa voce ... dixit („mit ,gepreßter\ undeutlicher Stimme", vgl. ThlL 10,1182,36ff.).

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

154

rodere Pers. 3,81 ... murmura cum secum et rabiosa silentia rodunV. die Philosophen (dieselben, die die Erde mit ihrem Blick .durchbohren', vgl. oben S. 105 Anm. 305) scheinen ihr Gemurmel und ihr Schweigen zu ,zerkauen' - wohl ein Hinweis auf ,mümmelnde' Mundbewegungen und Gemurmel bei den grübelnden Denkern (Kißel z.St.). rumpere rumpere bezogen auf Worte, die man .hervorbrechen' läßt, ist erstmals für Vergil belegt: Aen. 2,129 ... rumpit vocem et me destinat arae. Austin z.St. geht (wie vor ihm u.a. Conington/Nettleship) von einer Lehnübersetzung aus dem Griechischen aus (φήγνυμι φωνήν / αύδήν, mehrmals bei Herodot [u.a. 1,85,4; 2,2,3], Aristophanes [equ. 626; nub. 357. 960] und einmal bei Euripides [Hik. 710]): „Virgil has invented an idiom." Aen. 3,246 ... rumpitque hattepectore vocem. Interessanterweise handelt es sich in beiden Fällen um ,Seher', nämlich um Calchas und die sich zumindest in dieser Szene prophetisch (infelix vates) gebende Celaeno. Aen. 11,377 dat gemitum rumpitque has imo pectore voces Vgl. Gransden z.St.: „This highly poetic idiom is first found in V(ergil)." Ovid ahmt diese Junktur einmal nach (ars 1,539, von Ariadne angesichts des sich nahenden Dionysos): excidit ilia metu rupitque novissima verba Vom Zusammenhang her scheint rumpere hier eher .abbrechen' (im Sinne unseres ,blieb ihr im Halse stecken') zu bedeuten, vgl. OLD 9 „to break off, cut short". Aber die Vergil-Parallelen legen nahe, auch hier ein Äußern von Worten anzunehmen, eben von Ariadnes vermeintlich letzten Worten (novissima verba).436 Das Gegenteil kann durch abrumpere ausgedrückt werden: Aen. 4,388 his ... dictis sermonem abrumpit

436

Spätere Nachahmung u.a. bei Stat. Theb. 6,136; 11,676; Val. Fl. 1,508; 4,42; Sil. 4,456; Austin zu Aen. 2,129 nennt noch Tac. ann. 6,20 non damnatione matris, non exitio fratrum rupta voce.

Tastsinn als Bildspender

155

Das .Brechen' des Schweigens: Lucr. 4,583 taciturna silentia rumpi; Aen. 10,63f. quid me alta silentia cogis / rumperei; Hör. epod. 5,85437; Ov. met. 1,208; 1,384; 11,598 nec voce silentia rumpunt. Börner zu met. 1,208: „Diese Junktur findet sich bei den augusteischen Dichtern nur an diesen Stellen." Allerdings kommt sie in nachaugusteischer Zeit vereinzelt auch in Prosatexten vor (Curt. 9,2,30, Sen. apocol. 4,1, Plin. paneg. 55,4 und Apul. met. 10,3). Belege aus nachaugusteischer Dichtung: Lucan. 6,729; Val. Fl. 3,509; 5,649; Sil. 5,13; Mart. 9,68,3. spargere Aen. 2,98f. ... hinc spargere voces / in vulgum ambiguas ... spargere unterstreicht wie unser ,ausstreuen' bei Gerüchten u.ä. sehr anschaulich den Vorgang des systematischen Verteilens; es wirkt nicht sehr kühn auf uns, allerdings ist dispergere das in der Prosa geläufigere Wort, und durch die Verwendung des verbum simplex wird mehr Aufmerksamkeit auf die .eigentliche' Bedeutung des Verbs gelenkt.438 (in-)tendere intendere mit der Stimme als Objekt ist seit Cicero belegt, vgl. ThlL 7i,2114,69-78: voces ut chordae sunt intentae (de orat. 3,216); (orator) sonorum tum intendens tum remittens persequetur gradus (orat. 59); die Metapher ist also von einem Musikinstrument mit gespannten Saiten her erklärbar, vgl. noch Quint, inst. 11,3,63 (vox) velut omnibus nervis intenditur. In der Dichtung kommt sie selten vor, erstmals bei Vergil: Aen. 7,513f. ... cornu ... recurvo Tartaream intendit vocem ... Es ist nicht klar, was Allecto hier tut; jedenfalls scheint sich vox auf den Ton, den das Horn von sich gibt, zu beziehen (vgl. Servius z.St.: ad vocem bucinae, nam quicumque sonus dici vox potest). J. G. Landeis hat vermutet, intendere sei als typisch vergilische iunctura callida die Umdeutung des .ballistischen' intendere (einen Pfeil o.ä. abschießen) auf den Laut eines Musikinstruments;439 das Bild des in v. 497 genannten Bogens des Ascanius (ebenfalls cornu genannt) wirke beim Leser nach

437

Zum Zusammenhang dieser Stelle s.o. S. 149f.

438

Austin zitiert z.St. allerdings zwei Parallelen aus Quintilian, an denen ebenfalls spargere verwendet ist, freilich mit suspiciones (inst. 7,2,12) bzw. crimina (9,2,80) als Objekt; voces spargere nur noch Val. Fl. 3,602f. longas ... voces/spargere. 439

Landeis 1958.

156

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

und fördere die Vorstellung des Tons als eines Geschosses'. 440 Dem möchte ich zustimmen; Allectos Alarm ist ja tatsächlich eine Reaktion auf Ascanius' Schuß.441 Daß es hier um ein Blasinstrument geht, könnte auch auf Vergils erste Leser bereits befremdend gewirkt und weitergehende Assoziationen begünstigt haben.442 Ein anderes Beispiel ist Aen. 9,776: ... numeros ... intendere nervis ... Hier liegt wohl eine Verfremdung des zu erwartenden nervös intendere (,die Saiten spannen') vor; die Möglichkeit, diesen Vorgang auf die menschliche Stimme zu übertragen,443 die ja sowohl ,Instrument' als auch lautliche Äußerung sein kann, mag die vorliegende Umstellung und Übertragung auf die Töne, die die Kithara hervorbringt, begünstigt haben.444 Wie im optischen (oculos dextramque tendere u.ä., vgl. oben S. 103f.) gibt es auch im akustischen Bereich eine von Vergil geschätzte Form des Zeugmas, bei der der Vorgang des Sprechens oder Rufens in eine Beschreibung des Gehens oder Handausstreckens eingebunden ist, gerade so, als könne man seine Stimme wie seine Hände vor sich halten oder wie einen Fuß .zurücknehmen'. Aen. 2,378

... retroquepedem

cum voce repressit

440

Auch wegen des ähnlichen Attributs: Ascanius curvo derexit spicula cornu (497) cornu ... recurvo / Tartaream intendit vocem (513f.). 441

Horsfall z.St. fuhrt dagegen an, daß der Kontext nicht kriegerisch sei (so deute ich seine Bemerkung „but we are on a farm, and the word is cornu\")\ er sieht die Stelle im Zusammenhang mit den oben (und in der folgenden Anmerkung) zitierten Parallelen („usage is clear enough") und folgert: „V(ergil) suggests that Allecto blew a note effortful, powerful, and perhaps both sustained and high-pitched!" Dagegen ist hauptsächlich einzuwenden, daß die meisten Parallelen einen expliziten Vergleich zwischen der Stimme und den Saiten der Lyra ziehen. (Eine Ausnahme bildet Cie. orat. 59 [s.o.], aber dort heißt intendens die Tonlage oder Intensität der Stimme erhöhen; wenn diese Parallele zuträfe, dann würde Allecto mit H i l f e des Horns ihre Stimme verstärken': eine wenig poetische Vorstellung.) 442

Horsfall z.St. nennt als Parallelen noch Varius trag. 3f. (primum huic / nervis Septem est intenta fides) und Pers. 6,3f. (mire opifex ... marem strepitum fidis intendisse Latinae). Bei Varius geht es aber nur um das Bespannen der Leier. Zu Persius vgl. Kißel z.St.: „Offenbar legt Persius seiner Formulierung ein abstrakteres Verständnis der Wortbedeutung (sc. von intendere) zugrunde, ist doch jede Art des Anspannens insbesondere dadurch definiert, daß ein noch strukturloses Material durch Überwindung des ihm selbst innewohnenden Widerstandes eine sinnvoll gefügte Form erhält..." 443

Siehe die eben erwähnten Belege.

444

Vgl. Hardie und Dingel z.St.

Tastsinn als Bildspender

157

caelo palmas cum voce tetendit Aen. 2,688 tendo ... /ad caelum cum voce manus Aen. 3,176f. Aen. 10,667 et duplicis cum voce manus ad sidera tendit Aen. 7,237 praeferimus manibus vittas ac verba precantia Die drei zunächst zitierten Stellen wirken weniger hart als die letzte, wo die nach vorne gestreckten .Objekte' die gleiche syntaktische Funktion wie die Stimme haben. Auch Ovid schätzt diese Art des Zeugmas, vgl. die von Austin zu Aen. 2,378 angeführten Belege Ovid ars 1,551 et color et Theseus et vox abiere puellae; met. 2,60If. pariter metusque deo plectrumque colorque / excidit. Vgl. auch ars 2,450 miserae voxque colorque fugit. Eine spätere Nachahmung in der Dichung ist Sil. 15,637 tendens vocemque manusque. Tacitus verwendet ebenfalls diese Form des Zeugmas: ann. 2,29 manus ac supplices voces ad Tiberium tendens (vgl. Goodyear z.St.); ann. 3,36 ... cum voces, cum manus intentaret (vgl. Woodman/Martin z.St.: keine Parallele fur voces intentare). Zur Beurteilung dieser Fälle ist es natürlich von Bedeutung, ob tendere vocem außerhalb solcher Verbindungen belegt ist, ob also eine Syllepse oder ein (kühneres) Zeugma vorliegt.445 tendere scheint aber von der Stimme allein nicht gesagt worden zu sein.446 torquere Properz bedient sich in der achten Elegie des vierten Buches in der Beschreibung einer sich windenden und dabei zischenden Schlange einer verknappte Ausdrucksweise, in der auch eine Synästhesie erkennbar ist (4,8,8): ex ima sibila torquet humo. (de-)volvere, volutare volvere ist ein geläufiges Prosawort für das gleichmäßige ,flüssige' Vortragen.447 volutare findet sich dagegen in dieser Bedeutung ausschließlich bei Vergil.448 Aen. l,725f. ... vocem ... per ampla volutant /atria 445

S.o. S. 41 Anm. 134 zur Terminologie.

446

Aen. 9,377 wird nihil illi tendere contra von Servius im Sinne von nihil contra responderunt aufgefaßt, doch ist diese Deutung unwahrscheinlich, vgl. Dingel z.St. 447

Vgl. OLD s.v. volvo 10. Frühe Belege laut OLD: Cie. de orat. 3,182; Brut. 246. Früheste Belege für die Dichtung Sen. Oed. 561; Lucan. 9,927. - Vgl. aber Lucr. 5,1189-93 volvi... videtur ... rapidi fremitus et murmura magna minarum. 448

„A Vergilian innovation" (Harrison zu Aen. 10,98f.).

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

158

Aen. 5,149f.

... vocemque inclusa volutant litora, pulsati colles clamore resultant. Diese Stelle läßt sich sowohl unter , Stimme als Objekt' (vocem volutant litora) als auch unter ,Stimme als (gedankliches) Subjekt' einordnen (icolles clamore resultant). Dabei entspricht dieser Perspektivenwechsel exakt dem Wechsel der ,Flugrichtung' der Stimmen, wenn sie am Ufer gebrochen werden. Aen. 10,98f. (flamina prima)... caeca volutant /murmura ...449 devolvere wird nur in Hör. carm. 4,2,1 Of. von der Stimme gesagt, eingebunden in ein elaboriertes Bild von der Stimme Pindars als Fluß: (Pindarus) ... per audacis nova dithyrambos verba devolvit ... devolvere ist gebräuchlich von Flüssen, aber neu von der Stimme: eine schöne Interaktion zwischen Bildspender und -empfanger.

3.5.3

Geruchs- und Geschmackssinn als Bildempfänger

„Das Vokabular, das sich auf das Bukett bezieht, ist unbegrenzt."450 - „Der Geruchssinn und der Geschmackssinn bieten so wenig Meßbares und gar nichts Reproduzierbares. Die Sprache dient ihnen nur unvollkommen; bei fast allem, was sie an Erhellendem dazu liefern kann, lahmt sie auf den Krücken von Vergleichen und Sinnbildern einher."451 Diese Sätze aus zwei verbreiteten Weinfuhrern umreißen treffend eine Besonderheit des Vokabulars für Geschmack und Geruch: Es ist zwar überaus umfangreich, beruht aber größtenteils auf Analogien. Wer einen Geruch oder Geschmack beschreiben will, kann dies meist nur in vergleichender Form tun (,schmeckt wie/nach x').452 Eine Ausnahme von dieser Regel bilden nun - neben vageren Assoziationen - vor allem taktile Synästhesien.453 Und dies ist nicht nur in modernen Sprachen, sondern 449

Zu caeca murmura vgl. oben S. 71.

450

Hachette Weinführer Frankreich 2000, Bern - Stuttgart 1999, 65.

451

Hugh Johnson, Der große Johnson. Die neue Enzyklopädie der Weine, Weinbaugebiete und Weinerzeuger der Welt, Bern - Stuttgart 6 1992, 595. 452 453

Vgl. Struck 1954, 113; Wöhrle 1987, 95.

Dies ist gerade bei der differenzierten geschmacklichen Beurteilung von Wein zu beobachten. Der wohl kundigste Beschreiber von Weingeschmack ist der Brite Michael Broadbent; in seinem ,Pocket Guide to Winetasting' (London 1982) findet man im

Tastsinn als Bildspender

159

auch im Lateinischen der Fall. Allerdings ist hier die Zahl der toten Metaphern sehr hoch. Hinzu kommt, daß odor häufig metonymisch für die Substanz, die den Geruch ausströmt, steht, bzw. der Lufthauch, der den Geruch transportiert, mitgedacht ist.454 In den Georgica findet sich dabei einmal eine bewußte Vertauschung von Geruch und Luft: georg. 3,251 ... si ... notas odor attulit auras Karl Maurer hat dies treffend als eine „sprachliche Verschränkung im Nachvollzug komplexer Wahrnehmungsvorgänge" bezeichnet.455 Wenig auffällig ist das .Berühren' der Nasen der Hunde von vertrautem Duft in Aen. 7,480 (... naris contingit odore). Erwähnenswert ist der bereits zitierte Duft, der das Haus streichelt, bei Catull: quo permulsa domus iucundo risit odore (64,284). Aber auch hier weht natürlich ein Lufthauch durchs Haus, der den Geruch mit sich fuhrt. Der Reiz dieses Bildes entsteht vor allem durch die Kombination mit der optisch-akustischen Metapher risit. acer acer odor ist selten, zuerst bei Lukrez belegt (Lucr. 4,123f.; 6,1217; vgl. auch Lucr. 6,791 f. acri / nidore offendit nares), aber auch beim älteren Plinius (nat. 12,81 u.ö.). Es kommt weder bei Catull noch bei Vergil456 vor. gravis gravis vom Geruch ist zwar in der Prosa erst spät belegt,457 aber es ist wohl nicht daran zu zweifeln, daß die Römer einen unangenehmen Geruch immer schon als , schwer' bezeichnet haben. Erster Beleg ist laut ThlL Catull. 17,25, wo grave caenum aber auch den schweren und damit zähen

Glossary of tasting terms (131-143) fast nur Analogien (z.B. „apples, blackcurrants, cat's piss, garlic, mushroomy, oak"), der Rest sind Synästhesien („penetrating, pungent, rough, smooth, tactile") oder sonstige Assoziationen („hedonistic, superficial"). Vgl. zu diesem Problem Adrienne Lehrer, Talking about wine, Language 51, 1975, 901-923; dies., Wine and conversation, Bloomington 1983. 454

Dies gilt insbesondere auch fur Aen. 12,591 volvitur ater odor tectis ...

455

In der Diskussion zu Görler 1979, 206.

456

Conington/Nettleship spielen zu Aen. 12,591 mit dem Gedanken, acer odor statt ater odor zu lesen. 457 Vgl. ThlL 6 2 ,2296,79 („de odore"); Sen. nat. 2,53,2; Plin. nat. 7,25; 8,46; 9,89 u.ö. (ThlL: „saepissime"); zu graviter vgl. ThlL 6 2 ,23 05,37-42.

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

160

Schlamm meinen kann. Neben einigen Belegen bei Lukrez458 kommt das Adjektiv mehrere Male bei Vergil vor: georg. 4,31 ··· graviter spirantis copia thymbrae Dies ist die einzige Stelle, an der gravis einen angenehmen Geruch meint und lediglich die Intensität bezeichnet. georg. 4,49 ... odor caeni gravis ... georg. 4,270 ... grave olentia centaurea Aen. 6,201 ... ad fauces grave olentis Avernae Norden z.St. und Clausen zu ecl. 2,48 (dort: bene olentis) verweisen auf Nicander Ther. 51, woher Vergil das Adjektiv βαρύοδμος ,kannte'. Andererseits ist graveolens bei Plinius belegt (nat. 23,165 u.ö.), und vielleicht war es auch zu Vergils Zeit schon verbreitet.459 iacere, iactare Lucr. 2,846 nec iaciunt ullum proprio de corpore odorem georg. 2,132 ... si non alium late iactaret odorem Für odorem iacere bzw. iactare gibt es nur noch eine Nachahmung bei Valerius Flaccus: Val. Fl. 5,590 ... croceos sie illius omnis odores /iactat eques. miscere ecl. 2,55

... suavis miscetis odores

Dies ist natürlich nur eine verkürzte Form für das Mischen von duftenden Kräutern. Bei Lukrez (Lucr. 2,852 ... mixtos in corpore odores) sind es dagegen tatsächlich die Gerüche (d.h. die für den Geruch verantwortlichen Atome), die im duftenden Balsam vermischt sind. mollis mollis ausdrücklich vom Geruch nur Plin. nat. 21,61 amaracum ... odore mollius, vgl. ThlL 8,1380,47; allerdings könnten bei Stellen, die auf den Geschmackssinn bezogen sind (s.u.), auch der Geruch eine Rolle spielen. spirare Bei diesem Bildfeld liegt sehr häufig eine Form komprimierter Ausdrucksweise vor, bei die Luft als Trägerstoff des Geruchs ausgespart

458

4,125; 6,221; 6,794; 6,802.

459

Vgl. noch den gravis hircus in Hör. epod. 12,5 und Ov. ars 3,277 gravis oris odor.

Tastsinn als Bildspender

161

wird, spirare ist daher ganz üblich vom Geruch, sowohl intransitiv als auch transitiv. Catull. 64,87f. regia, quam suavis exspirans castus odores lectulus in molli complexu matris alebat60 Lucr. 4,123 f. praeterea quaecumque suo de corpore odorem expirant acrem, panaces, absinthia taetra, ... Aen. 1,403f. ambrosiae ... comae divinum vertice odorem /spiravere ... Auch bloßes spirare ohne Ergänzung ist für .duften' belegt, und dies keineswegs nur in der Dichtung,461 vgl. Plin. nat. 21,117 cypiros radice durissima vixque spirans. Weitere Belege: georg. 4,31 (... graviter spirantis copia thymbrae); georg. 4,416f. (at illi / dulcis compositis spiravit crinibus aura). Geruch

ist,flüssig'

permanare ist vom Geruch nur Lucr. 6,952 (permanat odor) belegt (vgl. ThlL 10i,1533,59ff.). Auch defundere ist eher selten und wird für den Geruch nur an den folgenden Lukrez-Stelle verwendet (vgl. ThlL 51,376,50): Lucr. 4,90f. praeterea omnis odor fumus vapor atque aliae res consimiles ideo diffusae e rebus abundant. georg. 4,415 haec ait et liquidum ambrosiae defundilA62 odorem Zu odorem spargere vgl. Lucr. 4,675f. (fluctus odorum/ ... spargi ... putandumst) und Hör. carm. 2,15,5-8: tum violaria et myrtus et omnis copia narium spargent olivetis odorem fertilibus domino priori Nisbet/Hubbard z.St. betonen den Zusammenhang von spargere mit .säen':463 Was in Horaz' Zeit auf den großen Landgütern gesät wird, ist nur noch Duft.464

460

Die Fortsetzung dieser Stelle stellt im übrigen einen der wenigen synästhetischen Vergleiche in der lateinischen Dichtung dar (v. 89f. [odores] quales Eurotae progignunt flumina myrtus /aurave distinctos educit verna colores): vgl. Rees 1994, 75. 461 462

So Kißel zu Pers. 6,35 (... seu spirent cinnama surdum)\ vgl. oben S. 90 zu surdus.

Auch diffundit difficilior. 463

ist überliefert, aber defundit verdient den Vorzug als

lectio

Wodurch natürlich die Einordnung in .Geruch ist eine Flüssigkeit' ungenau wird.

162

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

*

Im Falle des G e s c h m a c k s s i n n s ist es müßig, bereits früh zur Beschreibung von Geschmack etablierte Adjektive, die ursprünglich taktil waren, aufzufuhren, wie z.B. acer (Plaut. Bacch. 405 und Cato agr. 104,1, wie bei Plautus von acetum gesagt; 157,1 brassica ... acris); asper (seit Ter. Haut. 458 und Cato agr. 109, vgl. georg. 4,277 asper in ore sapor ...). Immerhin ist mollis vom Geschmack eher selten,465 erstmals bei Vergil (georg. 1,341 mollissima vina) und Horaz (carm. 1,7,17-19 sie tu sapiens finire memento / tristitiam vitaeque labores / molli, Planee, mero), dann noch, ebenfalls vom Wein, Stat. silv. 3,5,102 und luv. 1,69 molle Calenum. Doch auch hier deuten Prosabelege an, daß es eine Geschmackskategorie mollis als Gegensatz zu acer bzw. salsus gab: Cels. 4,7,4 molles et non acres eibi; Plin. nat. 28,131 salsa minuunt corpus, alunt mollia.

464 In späterer Literatur noch Phaedr. 3,1,3 (... odorem quae iueundum late spargeret) belegt. - Anders ist die Verwendung von odor im Sinne von ,duftende Flüssigkeit', z.B. Ov. met. 2,626; Sen. Phaedr. 393. 465

ThlL 8,1380,43-52.

3.6

Resümee

3.6.1 Die Synästhesie hat sich als eine sehr vielschichtige Erscheinung erwiesen. Darum fallt es schwer, zu den vorangegangenen Beobachtungen zusammenfassende Bemerkungen zu formulieren. Das Auftreten vordergründiger semantischer Unverträglichkeiten, nämlich der ,falschen' Verwendung von Ausdrücken der Sinneswahrnehmung, wurde zum Ausgangspunkt ganz unterschiedlicher Überlegungen gemacht; bisweilenwie im Falle von videre / videri - war die Synästhesie nur ein Anstoß, um Überlegungen über das Bedeutungsspektrum der verwendeten Bildspender-Wörter anzustellen. 3.6.2 Wir haben auf die Zusammenfuhrung der Ergebnisse in einer Statistik verzichtet, weil wir der Ansicht sind, daß dies nur von begrenztem Nutzen wäre. Wir können (und sollen) zwar im Einzelfall mit aller notwendigen Behutsamkeit entscheiden, welchen Status eine Metapher hat; aber es wäre töricht, aus diesen vorsichtigen Urteilen eine Summe in Form einer quantifizierenden Gesamtbetrachtung ziehen zu wollen. Immerhin kann man von einem Übergewicht des Tastsinns als Bildspender ausgehen; dabei sind der optische und akustische Sinnesbereich die mit Abstand häufigsten ,Abnehmer'.446 Hier ist aber auch mit einem großen Bestand an konventionalisierten Metaphern zu rechnen, und wegen der größeren Bildspanne (vom Stofflichen zum Unstofflichen) sind diese Übertragungen in der Regel auch weniger kühn. 3.6.3 Ganz allgemein partizipieren Synästhesien wie die anderen Metaphern aus dem Bereich der Sinneswahrnehmung am Assoziationspotential der verschiedenen Sinnessphären:467 - Die visuelle Sphäre steht für eine objektive Form der Wahrnehmung sowie für leichte (.deutliche') Wahrnehmbarkeit; daneben gibt es eine ausgeprägte Lichtmetaphorik mit den Bildfeldern ,positiv ist „hell"', ,negativ ist „dunkel"'. - Die akustische Sphäre spendet Metaphern, mit denen ein hoher Informationsgehalt und die hohe Aussagekraft von Wahrgenommenem zum Ausdruck gebracht wird sowie das Wahrnehmen von Befehlen und Anordnungen; zudem steht die akustische Harmonie für ,Harmonie' in allgemeiner Form.

466

Vgl. oben S. 22f. zu den Ergebnissen in Ulimann 1957.

467

Vgl. zur folgenden Aufstellung auch Abraham 1998, 290-292.

164

Synästhetische Bildfelder in der römischen Dichtung

- Die gustativ-olfaktorische Sphäre betont die subjektive Form der Wahrnehmung (.angenehm ist „süß"',,unangenehm ist „bitter"'). - Die taktile Sphäre schließlich betont die stoffliche Vorstellung und bietet die Möglichkeit, mit Metaphern des ,Zugreifens' eine eher aktive Form der Wahrnehmung zu unterstreichen. Die Synästhesie als poetisches Kunstmittel ist somit vor allem Ausdruck einer besonderen Sensibilität des Dichters gegenüber diesem Assoziationspotential, das sich eben auch in der ,kühnen' Variante der synästhetischen Metapher nutzen läßt. 3.6.4 Als Hauptfunktion vor allem der optischen und akustischen Synästhesie hat sich die Absicht der Dichtung erwiesen, eine Art Gesamtwahrnehmung durch die an der Metapher beteiligten Sinne ökonomisch und ästhetisch raffiniert zum Ausdruck zu bringen und, wie Wilamowitz es formuliert, „durch die komplementären Züge ein Vollbild zu liefern."468 Kurz zuvor hat er apodiktisch geurteilt: „Nur ein Dichter, der sich seiner sprachschöpfenden Gewalt bewußt ist, aber auch bewußt mit der Sprache experimentiert, kann so etwas wagen, und die Erklärungen des Verstandes bleiben ohnmächtig. Gelingt es, so ist das Gefühl überwältigt, mißlingt es, so ist der Galimathias da." Dies gilt auch für unsere Beobachtungen zur Synästhesie.

468 Wilamowitz zu Eur. Herakl. 883 (Ndr. Darmstadt 1959, S. 198); an dieser Stelle geht es nicht um Synästhesien, sondern ganz allgemein um das Vertauschen von Attributen.

4

Zur Funktion taktiler Synästhesien bei Lukrez 4.1

Metapher und Tastsinn bei Lukrez

4.1.1 Lukrez gilt als überaus metaphernfreudiger Dichter.469 Dieses Urteil bezieht sich nicht nur auf die Ausgefeiltheit und den Detailreichtum seiner Bilder, sondern auch auf die Tatsache, daß die Metaphern in De rerum natura zuweilen in bemerkenswerter Weise die philosophische Argumentation stützen.470 Nun muß man gerade im Fall der Synästhesie aber feststellen, daß eine ,echte', physiologische Sinneskonfusion für Lukrez ausgeschlossen ist. Jeder Sinn hat seinen Zuständigkeitsbereich, und dessen Grenzen werden nicht überschritten:471 4,486-496472

an poterunt oculos aures reprehendere, an aures tactus? an huncporro tactum sapor arguet oris, an confutabunt nares oculive revincent?m non, ut opinor, ita est. nam seorsum cuique potestas divisast. sua vis cuiquest, ideoque necesse est 490 et quod molle sit et gelidum fervensve seorsum474 et seorsum varios rerum sentire colores, et quaecumque coloribus sint coniuncta videre. seorsus item sapor oris habet vim, seorsus odores nascuntur, sorsum sonitus. ideoque necesse est non possint alios alii convincere sensus. ,Oder werden etwa die Ohren fähig sein, die Augen zu widerlegen oder der Tastsinn die Ohren? Oder wird den Tastsinn wieder der Geschmack des Mundes beschuldigen oder die Nase ihn widerlegen oder die Augen ihn überfuhren? Nicht so, meine ich, wird es sein. Denn jedem Sinn ist gesondert sein Bereich zugeteilt, jeder hat seine 469

Davies 1931; West 2 1994, 1 („for sublimity and passion, the imagery of Lucretius is unsurpassed"); Bardon 1964, 16f. 470

Vgl. West 2 1994, 15-18; Clay 1996; Fowler 1996, 890.

471

Vgl. Schräder 1969, 56; Clay 1996, 785.

472

Die Stellenangaben aus De rerum natura werden in diesem Kapitel ohne Verfasser und Werktitel angeführt. 473

Es dürfte Lukrez entgangen sein, daß seine Argumentation gegen die Synästhesie hier leicht synästhetisch ist: reprehendere und arguere, hier von Ohren und Geschmackssinn gesagt, bezeichnen in der Regel mündliches Argumentieren. 474

seorsum Bentley, Müller : videri codd. : videre Martin, vgl. oben S. 54.

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eigene Fähigkeit, und deshalb muß man, was weich, was kalt ist oder heiß, getrennt empfinden, und getrennt davon die mannigfachen Farben der Dinge und was immer mit Farbe verbunden ist. Ebenso hat der Geschmack des Mundes seine Fähigkeit, gesondert entstehen die Düfte, gesondert die Töne. Und deshalb kann es unmöglich sein, daß ein Sinn den anderen widerlegen kann.' (Übersetzung von Martin) Wer eine so dezidierte Position vertritt, von dem erwartet man, daß er diese in seinem Sprachgebrauch berücksichtigt, daß er also auf Metaphern verzichtet, welche die Grenzen der Sinnesbereiche überschreiten, und dies insbesondere in den Passagen seines Werkes, die sich mit Sinneswahrnehmungen befassen. Allenfalls wird er die Widersprüchlichkeit der synästhetischen Metapher zur Illustrierung der Irrationalität einer gegnerischen Lehre heranziehen, wie im ersten Buch bei der Kritik an der obscura lingua Heraklits (1,641-44): omnia enim stolidi magis admirantur amantque inversis quae sub verbis latitantia cernunt, veraque constituunt quae belle längere possunt auris et lepido quae sunt fucata sonore. ,Es bewundern nämlich und lieben die Toren mehr all das, was sie unter verdrehten Worten verborgen erkennen, und nehmen als wahr an, was ihre Ohren angenehm berühren kann und mit schönem Klang geschminkt ist.' Nun ist aber, wie der Überblick im letzten Kapitel gezeigt hat, der tatsächliche Befund ein anderer: Lukrez bedient sich über sein gesamtes Gedicht hinweg einer Vielzahl synästhetischer Metaphern. Für den Fall der mit videre gebildeten optischen Synästhesien ist bereits oben (S. 51-58) der Versuch einer Deutung unternommen worden. In diesem vierten Kapitel soll nun untersucht werden, welche Rolle taktile Synästhesien in De rerum natura spielen und wie sie mit Lukrez' Auffassung von Metapher und Sinneswahrnehmung zu vereinbaren sind. 4.1.2 Es gibt von Lukrez keine explizite Aussage über den Gebrauch von Metaphern in seinem Gedicht; aber aus einer Passage, die sich gegen den Sprachgebrauch philosophischer Gegner richtet, kann man seine Haltung indirekt erschließen. Im dritten Buch von De rerum natura widerlegt er die Ansicht, die Seele sei eine Art .Harmonie' zwischen den einzelnen Teilen des Körpers; im Anschluß an seine Argumentation weist er die Verwendung des Begriffs harmonia zurück:

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3,130-135

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quapropter quoniam est animi natura reperta atque animae quasi pars hominis, redde harmoniai nomen, ad organicos alto delatum Helicone, sive aliunde ipsi porro traxere et in illam transtulerunt, proprio quae tum res nomine egebat.

Der Ausdruck harmonia soll dem Bereich ,zurückgegeben' werden, aus dem er kommt, nämlich der Musik; aber auch die Musiker haben ihrerseits den Begriff .übertragen'.475 Daß es hier um falschen Metapherngebrauch geht, wird durch die Verwendung von transferre deutlich: tra(ns)latio ist das lateinische Äquivalent zu μεταφορά.476 Es ist Lukrez klar, daß auch die Musiker diesen Terminus aus einem anderen Bereich übernommen haben; dies ist zwar für ihn ein zusätzlicher Grund, seine Verwendung in der Philosophie abzulehnen, aber den Musikern verargt er die Verwendung von harmonia nicht.477 ,Notmetaphern', so scheint der Dichter zu sagen, sind erlaubt, mehr aber nicht. Und doch verstößt Lukrez sehr häufig gegen diesen Grundsatz, einmal sogar im gleichen Bildfeld, aus dem auch die (zweite) Übertragung von harmonia kommt: Die Verwendung von absonus in 4,517 (vgl. auch oben S. 89) fur den Vergleich von auf falschen Sinneswahrnehmungen basierendem Räsonnement mit einem windschiefen, aufgrund falscher Berechnungen errichteten Haus dürfte wohl kaum als Katachrese durchgehen. Die in 3,130-135 zum Ausdruck kommende puristische, auf präzise Diktion bedachte Auffassung geht offenbar auf Epikur zurück; Sprache ist für diesen eine Mischung aus .naturalistischen' und .konventionalistischen' Elementen, wobei die naturalistischen Elemente überwiegen: Im Grunde ist Epikurs Sprachtheorie eine höchst originelle Erklärung dafür, wieso Sprache sich auf natürlichem Wege, ohne Vermittlung eines ,Sprachschöpfers', bilden kann und die einzelnen Sprachen sich dennoch unterscheiden: Die ersten Laute werden spontan hervorgebracht, um z.B. Gegenstände zu bezeichnen; dabei unterscheiden sich diese Laute bei verschiedenen .Sprachgemeinschaften' wegen der unterschiedlichen Lebensbedingungen. In einem zweiten Schritt werden diese Laute und .Urvokabeln' dann zu einem sprachlichen System erweitert und ausge475

... delatum Heliconi und aliunde ... traxere et in illam transtulerunt sind wohl kaum als echte Alternativen gedacht; Lukrez hält die zweite Möglichkeit für die allein zutreffende, die erste ist pure Ironie. 476 477

Vgl. Kenney z.St.

harmonia erscheint noch einmal im nicht-musikalischen Sinn im vierten Buch (4,1248: nam multum harmoniae Veneris dijferre videntur), aber dort ist gerade die .ursprüngliche' (d.h. etymologisch korrekte) Bedeutung .Verbindung, Zusammenfügung' gemeint und keine .Metapher aus zweiter Hand', vgl. Bailey und Brown z.St.

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baut.478 Dabei ist der .normale' Sprachgebrauch für Epikur eine wichtige Erkenntnisquelle.479 Zwei Zeugnisse sind hierfür entscheidend (wenn auch der Terminus , Metapher' darin nicht vorkommt480); zum einen eine Passage im Brief an Herodot (Diog. Laert. 10, 38): άνάγκη γαρ τό πρώτον έννόημα καθ' εκαστον φθόγγον βλέπεσθαι και μηθέν άποδείξεως προσδεΐσθαι,... ,Man muß nämlich das erste (ursprüngliche) Gedankenbild bei einem jeden Wort im Auge zu haben, und das darf keines Beweises bedürfen ...' (Übersetzung nach Jürß), zum anderen Diog. Laert. 10,13f.: κέχρηται δέ λέξει κυρία κατά των πραγμάτων, ήν δτι ίδιωτάτη εστίν, 'Αριστοφάνης ό γραμματικός αΙτιαται. σαφής δ' ήν οΰτως, ώς και εν τώ περί φητορικής άξιοι μηδέν άλλο ή σαφήνειαν άπαιτεΐν και έν ταϊς επιστολαΐς άντί τοΰ Χαίρειν Ευ πράττειν και Σπουδαίως ζην. ,Die Dinge bezeichnet er (sc. Epikur) mit umgangssprachlichen Ausdrücken, die der Grammatiker Aristophanes als zu eigentümlich tadelt. Er bestand so sehr auf Deutlichkeit, daß er auch im Werk über die Rhetorik nur die Forderung nach Deutlichkeit erhob. Und in den Briefen schrieb er statt ,Sei gegrüßt' ,Mach's gut' und ,Bleib anständig'.' (Übersetzung von Jürß) Bei diesen Sätzen ist nicht ganz klar, was mit dem πρώτον έννόημα481 bzw. mit σαφήνεια genau gemeint ist und worauf also ein Epikureer bei der semantischen Beurteilung von Sprache achten soll. Es bietet sich eine diachrone (ursprüngliche, ,wörtliche', etymologisch .korrekte' Bedeutung) und eine synchrone (geläufige Bedeutungen, aber keine ,neuen' Metaphern) Erklärung an. Möglicherweise hatte Epikur keine einheitliche Haltung zu diesem Problem (oder war sich seiner Implikationen nicht

478

Vgl. Erler 1994,136f.

479

Vgl. epist. Her. 72 über die Zeit.

480

μεταφορά kommt bei Epikur nur einmal vor, im 28. Buch von Περί φύσεως (frg. 13 col. V 6 inf., vgl. Sedley 1973, 49). Vgl. auch Philodems Abhandlung über die Metapher in seiner Rhetorik (Volumina rhetorica ed. S. Sudhaus, Leipzig 1896 [Bibliotheca ... Teubneriana], 172,16-181,24); dort ist der Zusammenhang ebenfalls unklar, immerhin deutet die Stelle darauf hin, daß es nach Philodems Ansicht kein prinzipielles Metaphernverbot für einen Epikureer gibt, vielmehr höchstens eine falsche Verwendung von Metaphern, vgl. Clay 1996, 782 Anm. 7. 481

πρώτον έννόημα entspricht wohl dem, was Epikur später als πρόληψις bezeichnet (z.B. epist. Her. 72 - nach Ansicht von Sedley 1973, 14f. ein späterer Zusatz zum Herodotbrief)·

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bewußt).482 Für unsere Beurteilung des Metapherngebrauchs bei Lukrez bleibt festzuhalten, daß der Dichter sich in seiner Diktion bisweilen kräftig von den Vorschriften seines Meisters entfernt;483 andererseits aber stellt das Postulat, das πρώτον εννόημα eines Wortes oder einer Wendung enthalte einen Hinweis auf die 'Wahrheit', für Lukrez ein wichtiges Potential dar; ohne den Befund der folgenden Unterkapitel vorwegnehmen zu wollen, muß man, von Epikur ausgehend, feststellen, daß es bei der Interpretation lukrezischer Metaphern besonders lohnend sein kann, die den Metaphern zugrundeliegenden Bildfelder 'wörtlich' zu nehmen und entsprechend zu interpretieren.484 4.1.3 Der Tastsinn hat fur Lukrez ohne Zweifel eine besondere Bedeutung,485 denn für einen Atomisten ist die Welt stofflich - für Epikur existieren nur Atome und das Leere. Das bedeutet, daß auch das, was einem Nichtepikureer als immateriell erscheinen mag, aus Atomen aufgebaut ist. Wir haben oben (Kap. 3.5) bei der allgemeinen Behandlung taktiler Synästhesien von einer Grundtendenz dieser Metaphern gesprochen, das Nicht-Faßbare und Unstoffliche fühlbar und plastisch zu machen. In dem sich daran anschließenden Überblick haben wir zahlreiche Beispiele aus De rerum natura angeführt, ohne auf die epikureischmaterialistische Naturauffassung und die damit verbundenen Probleme bei der Beurteilung taktiler Metaphern einzugehen. Das soll nun, gleichsam in einem neuen Anlauf, geschehen. Dabei stellt sich die Frage, wie sich der Dichter die Möglichkeiten, die ihm konventionelle taktile Metaphern boten, nutzbar machte, obwohl er doch, wie oben gezeigt, Metaphern grundsätzlich als verfehlt ansah. Schon zu Beginn des Gedichts, bei der Anrufung von Venus, scheint er gegen seinen Grundsatz zu verstoßen (1,36-40, Subjekt ist Mavors): pascit amore avidos inhians in te dea visus. eque tuo pendet resupini spiritus ore. 482

Vgl. Sedley 1973; Sedley geht von einer Änderung der Haltung Epikurs gegenüber der Umgangssprache aus, die sich in Buch 28 von Περί φύσεως vollzogen habe. 483

Ob das Verfassen eines Lehrgedichts ebenfalls im Widerspruch zu angeblich dichtungsfeindlichen Äußerungen des Schulgründers steht, ist unklar; die Einstellung Epikurs zur Dichtung ist aus den vorhandenen Quellen nur schwer ohne Widersprüche zu rekonstruieren (vgl. zu dieser Problematik Asmis 1995; Arrighetti 1997). 484

Vgl. die Methode von David West (West 2 1994, 92f.). Unser Vorgehen unterscheidet sich von dem Wests vor allem durch die Einbeziehung der Rolle .konventioneller' Metaphern. 485 Vgl. 2,434f. tactus enim tactus, pro divum numina sancta / corporis est sensus ... Siehe zu dieser .Hymne auf den Tastsinn' unten S. 174ff.

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hunc tu diva tuo recubantem corpore sancto circumfusa super, suavis ex ore loquelas funde petens placidam Romanis incluia pacem. Hier kombiniert Lukrez durchaus geläufige Metaphern wie ex ore pendere und loquelas fundere, wodurch eine Vorstellung von Stofflichkeit evoziert wird;486 diese wird verstärkt durch suavis, das zwar ein gebräuchliches Attribut zu lautlichen Äußerungen ist, aber in Verbindung mit funde möglicherweise die Konnotation eines fühl-, weil schmeckbaren Materials unterstützt. Bei visus pascere könnte wiederum die Verfremdung des üblichen oculos pascere verstärkte Aufmerksamkeit auf die materielle .Basis' der Metapher lenken.487 Durch die Verbindung mit dem vorangegangenen e ... pendet spiritus ore (verknüpft durch das zweimalige e[x] ore) erhält man den Eindruck, daß Mars' Atem und Blick und die Worte, die Venus an ihn richtet, eine direkte, stoffliche Verbindung zwischen den beiden bilden. Ähnlich gehäuft findet sich taktile Metaphorik in der Passage 2,144148: primum aurora novo cum sparsit lumine terras, et variae volucres nemora avia pervolitantes aera per tenerum liquidis loca vocibus opplent, quam subito soleat sol ortus tempore tali convestire sua perfundens omnia luce. Omnibus in promptu manifestumque esse videmus. Die einzelnen Metaphern sind oben im Unterkapitel 3.5 bereits behandelt worden.488 Wichtig ist hier der Zusammenhang mit der Argumentation der Stelle: Es geht um die Geschwindigkeit der Atome, die im luftleeren Raum noch viel schneller sind als die Licht- und Wärmepartikel, die wir in der Atmosphäre wahrnehmen; deren Bewegung ist ja durch die Luft verzögert. Durch die Metaphern wird nun das Materielle dieser Bewegung sehr stark betont, allerdings, im Gegensatz zur eben zitierten Passage 1,36-40, mit eher ungewöhnlichen und in der Prosa seltenen Wendungen. 4.1.4 Man kann folgendes Schema entwerfen, das Lukrez' Verfahren in der Verwendung taktiler Synästhesien zeigt:

486

Zu ex ore pendere s.o. S. 106 (Sen. contr. 9 praef. 5), zu fundere s.o. S. 145ff.

487

S.u. S. 178 zu oculos pascere.

488

Ausgenommen manifestos, dessen taktile Komponente im allgemeinen nicht mehr wahrnehmbar ist; hier ist dies jedoch, im Zusammenhang mit so viel taktiler Metaphorik, möglicherweise anders: Vielleicht sind die Wahrnehmungen wirklich ,mit Händen zu greifen', vgl. Schrijvers 1970, 87-91 und Fowler z.St.

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Lukrez beschreibt einen Sachverhalt, den ein Nichtepikureer als immateriell ansehen dürfte, z.B. den Vorgang des Sehens. Dafür existieren in der lateinischen Sprache (deren Sprecher ja mehrheitlich Nichtepikureer sind) etablierte Metaphern, die diesen Sachverhalt als materiell beschreiben, also taktile Synästhesien. Für den Dichter gibt es nun mehrere Möglichkeiten; er könnte beispielsweise explizit auf diese Metaphern verweisen, etwa: ,Wir sprechen, lieber Memmius, ja von ex ore pendere, woraus du folgern kannst, daß Sehen tatsächlich materiell ist.' Dies geschieht aber nirgends in De rerum natura.489 Es ist auch fraglich, ob Lukrez der Existenz dieser Metaphern im Lateinischen irgendeine Beweiskraft zubilligen würde. Der Dichter verwendet taktile Synästhesien ausschließlich unkommentiert, hebt sie aber bisweilen mit den bereits erwähnten Mitteln490 implizit hervor (z.B. visus pascere statt oculos pascere). Dies ist auf drei Arten möglich: a) bei der Beschreibung a t o m a r e r P r o z e s s e (,Die simulacra treffen491 unser Auge.'); b) bei der Beschreibung von f ü r uns w a h r n e h m b a r e n V o r g ä n g e n mit solchen Metaphern (,Ein Anblick „trifft" unser Auge.'); c) bei der Erläuterung der A n a l o g i e zwischen den für uns wahrnehmbaren Vorgängen und den zugrundeliegenden atomaren Prozessen (,Wenn ein Anblick unser Auge „trifft", dann treffen die simulacra unser Auge.'). Im Fall a) liegen keine echten Metaphern vor, da für Lukrez als Epikureer die atomaren Vorgänge in der Tat stofflich sind. Ein Nichtepikureer kann aber auf die Tatsache aufmerksam werden, daß in der traditionellen Sichtweise die gleiche Terminologie bereits metaphorisch für diesen Vorgang existiert. Lukrez dürfte es gern hinnehmen, wenn der Nichtepikureer dem sprachlichen Phänomen Beweiskraft zubilligt. Im Fall b) liegt für einen Epikureer ebenfalls keine Metapher vor; aber auch ein Nichtepikureer kann diese Beschreibung leicht verstehen, wenn er ein Element darin als metaphorisch auffaßt. In diesem Fall gibt es also zwei Möglichkeiten, solche Sätze zu lesen, eine unepikureische, metaphorische und eine epikureische, nicht-metaphorische.

489 In Lucr. 3,597f. wird immerhin eine Parallele gezogen zwischen der Erklärung der Ohnmacht und im Lateinischen gebräuchlichen Redewendungen dafür: quod genus est, animo male factum cumperhibetur /aut artimam liquisse ... 490

S.o. S. 38f.; entsprechende Mittel sind z.B. Häufung .gesunkener' Metaphern, leichte Verfremdung, Kombination mit, neuer' Metapher. 491

S.u. S. 182 Anm. 521 zu oculos ferire.

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Am interessantesten ist c): Denn der Begriff der Analogie verweist auf eine Möglichkeit, die auch der Metapher mit ihrer polaren Struktur innewohnt: Mit dem Gedanken ,Was dir, Memmius, so und so erscheint, hat seine Ursache darin, daß die beteiligten Atome sich so und so verhalten' könnte eine entsprechende metaphorische ,Übertragung' korrespondieren.492 4.1.5 Daß Lukrez in seinem Gedicht mit sprachlichen Ambiguitäten spielt, ist keine neue Beobachtung. Ein schönes Beispiel bildet Lucr. 3,984-94, wo der Zusammenhang zwischen der traditionellen Mythenerzählung von Tityos und der tatsächlichen Bedeutung dieses Mythos dargestellt wird Tityos liegt nicht in der Unterwelt, sondern repräsentiert den von Leidenschaften zerrissenen Menschen: nec Tityon volucres ineunt Acherunte iacentem. nec quod sub magno scrutentur pectore quicquam perpetuam aetatem possunt reperire profecto. (...)

sed Tityos nobis hic est, in amore iacentem 992 quem volucres lacerant atque exest anxius angor aut alia quavis scindunt cuppedine curae. Die offenkundigen Interaktionen zwischen Bildspenderund Bildempfängerebene sind nicht unbemerkt geblieben:493 Entscheidend ist für uns, daß lacerare, exedere und scindere gebräuchliche Metaphern sind494, die hier durch das vorausgegangene mythologische Beispiel in ihrer wörtlichen Bedeutung aktiviert werden. Das , Zerfleischen' und .Aufzehren' ist genauso wenig real wie die Gestalt des Tityos; der Mythos ist genauso deut- und erklärbar wie eine ganz vertraute Metapher. Wollte

492 Ein Beispiel für die explizite Unterscheidung dieser beiden Ebenen ist Lucr. 2,810812 (wobei freilich keine Metaphern verwendet werden): Et quoniam plagae quoddam genus excipit in se/pupula, cum ,sentire colorem' dicitur .album', / atque aliud porro, ,nigrum' cum ,et cetera sensit' ...; die im Zitat hinzugefügten Anfuhrungszeichen unterstreichen die Ebene des .normalen' Sprachgebrauchs, dem die Erklärung des Phänomens auf atomarer Ebene gegenübergestellt ist. 493 West 2 1994, 99f.; Kenney 1970; ders. in seinem Komm. z.St.; ich halte Watts Einwände (in der Nachfolge von Postgate und Jocelyn, vgl. Watt 1996, 251) gegen volucres in 993 für triftig, ohne die Änderung in veneres als schlagend anzusehen; andernfalls muß man entweder mit Heinze und Munro z.St. das atque explikativ im Sinne von ,und zwar' bzw. ,das heißt' auffassen oder wie Kenney (loc. cit.) volucres als geflügelte Liebesgötter deuten. 494 Cie. Att. 3,8,2 meus me maeror cotidianus laceraf, fin. 1,59 aegritudines, molestiae, maerores, qui exedunt animos; Att. 3,15,2 ne scindam ipse dolorem meum.

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man die Funktion der Wortspiele in diesem Passus beschreiben, könnte man sagen: Lukrez weist indirekt darauf hin, daß der allgemeine Sprachgebrauch einen Hinweis auf die richtige Einordnung des Mythos bieten kann, und er macht dem Leser die Simplizität dieser Mythendeutung augenfällig. Bei den taktilen Synästhesien bei Lukrez liegt der Fall insofern anders, als die w ö r t l i c h e Bedeutung der Metapher nicht, wie im obigen Beispiel, .falsch' (freilich instruktiv falsch, da analog zu einem zu erklärenden Phänomen), sondern vielmehr gerade zutreffend ist und die Übertragung' dadurch gleichsam .zurückgenommen' wird. Ein Lexikograph hätte bei diesen Stellen große Schwierigkeiten, sie richtig einzuordnen: gehören sie in den Bereich ,proprie' oder .translate' bzw. ,metaphorice'?495 Im Grunde müßte man hier zwischen einem epikureischen und einem nichtepikureischen Lexikon unterscheiden. Die Übersetzer ahmen diese Ambiguitäten selten nach, häufig auch dann nicht, wenn sich eine analoge deutsche Wendung eigentlich anbietet; im allgemeinen schlagen sie sich bei der Übersetzung auf die nichtmetaphorische, .physiologische' Seite.496 4.1.6 Im nun folgenden Überblick über die Verwendung taktiler Synästhesien in De rerum natura werden wir ausschließlich .synchron' vorgehen, da es ja um die Beziehung zwischen lukrezischem Sprachgebrauch und konventionellen Metaphern im Lateinischen geht. Dabei wollen wir vor allem die Passagen im vierten Buch durchmustern, die die Wirkungsweise der Sinneswahrnehmung behandeln, so daß beim Leser mit einer besonderen Aufmerksamkeit für die sprachliche Verwirklichung dieser Darstellung zu rechnen ist. Den Anfang soll jedoch die .Hymne auf den Tastsinn' (2,398-435) machen, da wir glauben, dort die eben (4.1.4) unter c) beschriebene Variante der metaphorischen Unterstützung einer explizit im Gedicht ausgeführten Analogie ausmachen zu können. 495 Ein Beispiel hierfür ist die Ansicht von Elaine Fantham zur Verwendung von rabies bei Lukrez: „The use of rabies for sexual passion in Lucretius, 4.1083, 1117, is not intended as a metaphor, but as a true description ..." (Fantham 1972, 66). Diese Auffassung wird von den Lexika offensichtlich nicht geteilt (Forcellini: .transfertur ad hominem ...'; Lewis / Short: „trop."; OLD s.v. rabies 2b „uncontrolled emotion, passion, frenzy, madness; mad passion, applied to love or sexual desire" - die Lukrezstelle wird dort zusammen mit eindeutig metaphorischen Stellen eingeordnet). 496

Vgl. z.B. unten S. 195 Anm. 562 die Übersetzungen von in mentem venire. Der Rekurs auf die Übersetzungen ist für den Interpreten auch eine angenehme Rückversicherung gegen den Vorwurf, allzu Triviales und Selbstverständliches zu bieten, vgl. West 2 1994, 92: „ ... dangers ... that I have wasted everybody's time by pointing out the obvious, and this is why I have so often quoted the translators and commentators."

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4.2

Zu De rerum natura 2,398-435

In dieser Passage aus dem zweiten Buch von De rerum natura geht es um den Zusammenhang zwischen der Form der principia und deren Wirkung auf die Sinne: 2,398-435 hue accedit uti mellis lactisque liquores iueundo sensu linguae traetentur in ore, at contra taetra absinthi natura ferique 400 centaurifoedo pertorquent ora sapore; ut facile agnoscas e levibus atque rutundis esse ea quae sensus iueunde tangere possunt, at contra quae amara atque aspera cumque videntur, haec magis hamatis inter se nexa teneri, 405 proptereaque solere vias rescindere nostris sensibus introituque suo perrumpere corpus, omnia postremo bona sensibus et mala tactu dissimili inter se pugnant perfecta figura; ne tu forte putes serrae stridentis acerbum 410 horrorem constare elementis levibus aeque ac musaea mele, per chordas organici quae mobilibus digitis expergefacta fisurant: neu simili penetrare putes primordia forma in nares hominum, cum taetra cadavera torrent, 415 et cum scena croco Cilici perfusa recens est araque Panchaeos exhalat propter odores; neve bonos rerum simili constare colores semine constituas, oculos qui pascere possunt, et qui conpungunt aciem lacrimareque cogunt 420 aut foeda specie diri turpesque videntur. omnis enim, sensus quae muleet cumque, 497 haut sine principiali aliquo levore creatast; at contra quae cumque molesta atque aspera constat, non aliquo sine materiae squalore repertast. 425 Sunt etiam quae iam nec levia iure putantur esse neque omnino flexis mucronibus unca, sed magis angellis paulum prostantibus, titillare magis sensus quam laedere possint; fecula iam quo de genere est inulaeque sapores. 430 497 tibi res Postgate : figura Schneidewin : videntur Mss (offensichtlich aus v. 421 übernommen).

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Denique iam calidos ignis gelidamque pruinam dissimili dentata modo conpunsere sensus corporis, indicio nobis est tactus uterque. tactus enim, tactus, pro divum numina sancta, corporis est sensus. ... 435 ,Dazu kommt, daß die Flüssigkeit der Milch und des Honigs mit angenehmem Gefühl für die Zunge im Munde bewegt wird, (400) die abscheuliche Art des Wermuts aber und des wilden Tausendgüldenkrautes mit bitterem Geschmack das Gesicht verzerren. So daß du leicht erkennst, daß aus glatten und runden Körpern besteht, was die Sinne angenehm zu berühren vermag. Was von uns im Gegensatz dazu aber bitter und rauh wahrgenommen wird, (405) wird mehr durch verhakte Körper unter sich verknüpft gehalten und pflegt deshalb die Wege in unseren Sinnen aufzureißen und durch seinen Eintritt den Körper zu zerbrechen. Alles schließlich, was gut und schlecht für die Sinne ist in der Berührung, liegt miteinander im Kampf, weil es mit ungleicher Gestalt geschaffen ist. (410) Daß du nicht etwa glaubst, der kreischenden Säge rauher und schaudererregender Ton bestehe aus glatten Körperchen wie die Melodien der Musik, die mit flinken Fingern die Künstler über die Saiten hin erregen und gestalten, und daß du auch nicht glaubst, es drängen Urkörper von ähnlicher Gestalt (415) in die Nasen der Menschen, wenn man häßliche Kadaver verbrennt und wenn die Bühne frisch mit kilikischem Safran übergössen ist und der Altar in der Nähe panchäische Düfte ausatmet. Behaupte auch nicht, die schönen Farben der Dinge, die die Augen weiden können, bestünden aus ähnlichen Samen (420) wie jene, die ins Auge stechen und zu weinen zwingen oder durch ihren häßlichen Anblick widrig und schimpflich erscheinen. Jedes Ding nämlich, das die Sinne streichelt, ist nicht ohne eine gewisse Glätte der Atome geschaffen; was umgekehrt aber rauh ist und lästig, (425) ist nicht ohne eine gewisse Rauheit des Stoffes gefunden worden. Es gibt aber auch welche, die man mit Recht noch nicht für glatt hält und überhaupt auch nicht für gekrümmt mit gebogenen Spitzen, sondern mehr mit ein wenig vorstehenden Ecken, so daß sie die Sinne mehr zu kitzeln als zu verletzen vermögen; (430) dazu gehören der Weinstein und die Düfte des Alant. Zuletzt noch, daß das heiße Feuer und der kalte Frost nicht auf gleiche Weise gezähnt die Sinne unseres Körpers stechen, das belegt uns beider Berührung. - (434) Die Berührung, ja die Berührung, bei dem heiligen Wesen der Götter, ist die Empfindung des Körpers ...' (Übersetzung nach J. Martin)

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Wir wissen, daß die hier vertretene Auffassung auf die vorsokratische Atomistik und namentlich auf Demokrit zurückgeht; die epikureische Zwischenquelle, die Lukrez benutzt hat, ist uns nicht erhalten.498 Die Vorstellung Demokrits ist uns vor allem durch Theophrast überliefert, ausfuhrlich in De sensibus 64-67, geraffter in De causis plantarum 6,1,6 (= Demokrit 68A129 DK): Δημόκριτος δέ σχήμα περιχυθείς έκάστω γλυκύν μέν τον στρογγύλον και ευμεγέθη ποιεΓ στρυφνόν δέ τον μεγαλόσχημον τραχύν τε και πολυγώνων και άπεριφερή· όξύν δέ κατά τοΰνομα τον οξύν τω δγκω και γωνοειδή και καμπύλον και λεπτόν και άπεριφερή· δριμύν δέ τον περιφερή και λεπτόν και γωνοειδή και καμπύλον· άλμυρόν δέ τον γωνοειδή ευμεγέθη και σκολιόν και ισοσκελή- πικρόν δέ τον περιφερή και λεΐον 'έχοντα σκολιότητα μέγεθος δέ μικρόν· λιπαρόν δέ τον λεπτόν και στρογγύλον και μικρόν. ,Demokrit aber, der jedem einzelnen (Geschmack) eine bestimmte Form (der den Geschmack verursachenden Atome) zuschreibt, läßt süß den runden und mittelgroßen (Geschmack) sein, herb den großen, rauhen, vieleckigen und rundungslosen, scharf entsprechend der Bezeichnung - den scharfkantigen, eckigen, gekrümmten, dünnen und rundungslosen, ätzend den runden, dünnen, eckigen und gekrümmten, salzig den eckigen, mittelgroßen, schiefen und gleichschenkligen, bitter den runden und glatten, der schiefe Form und geringe Größe hat, fett den dünnen, runden und kleinen (Geschmack).' (Übersetzung nach Ernst Günther Schmidt) Dies ist eine synästhetische, auf Analogie beruhende Reduzierung von Sinnesqualitäten auf das Taktile; sie ist spekulativ und beruht wohl auf (im einzelnen durchaus nachvollziehbaren) Assoziationen. In einem Fall, beim ,scharfen' Geschmack, wird dabei eine Verbindung zum metaphorischen Sprachgebrauch hergestellt: κατά τοΰνομα, gemäß der Bezeichnung, kommen die scharfen Geschmackseindrücke von scharfkantigen Grundkörpern her. Ob diese Verbindung von Theophrast stammt oder bereits von Demokrit hergestellt wurde, wissen wir nicht. Bei Lukrez wird eine solche Verknüpfung zwar nie explizit vollzogen - nirgends sagt er etwas, das mit ,κατά τοΰνομα' vergleichbar wäre - , aber implizit wird die Beziehung zwischen Sprachgebrauch und epikureischer Epistemologie mehr als deutlich. Lukrez beschreibt die Wirkung der Atome auf die Sinnesorgane alternierend auf jeweils zwei Ebenen; auf einer ,konventionellen', nicht498 Im Werkverzeichnis bei Diogenes Laertius (10,28) wird eine (nicht erhaltene) Schrift Περί άφης aufgeführt. Natürlich kann auch Περί φύσεως die Quelle sein.

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epikureischen, die ohne Rekurs auf die Atomlehre auskommt, und dann auf der Ebene der physikalisch korrekten Beschreibung der atomaren Vorgänge. Dabei ist es für ihn wegen seiner didaktischen Intention unerläßlich, daß er auf der ,konventionellen' Ebene die Sinneswahrnehmung in einer dem Leser unmittelbar einleuchtenden Weise beschreibt und auf allzu exzentrischen (,atomistischen') Sprachgebrauch verzichtet. Man muß sich vorstellen können, wie es wirkt, wenn harmonische Musik erklingt, Kadaver verbrennen, Safran auf der Bühne ausgegossen wird. Die Beziehung der Wahrnehmung auf die Atomform ist für den Leser dann eine neue Erkenntnis.499 Diese Beziehung wird von Lukrez aber durch eine Reihe von taktilen Synästhesien auf der .konventionellen' Ebene verdeutlicht. asper z.B. wird in v. 404 und 424 zunächst in der etablierten metaphorischen Bedeutung ,bitter' bzw. .unangenehm' verwendet; aber im jeweils folgenden Vers (405 und 425) wird sofort der Bezug zur ,rauhen' Form der beteiligten Elementarteilchen hergestellt: ... haec magis hamatis inter se nexa teneri - ... non aliquo sine materiae squalore repertast. Auch bei acerbus (v. 410) wird durch den in v. 411 gegebenen Kontrast elementis levibus die ,Grundbedeutung' (acerbus) aktiviert, figurant (ν. 413)500 und exhalat (v. 417; hier ist natürlich vor allem der Hauch gemeint, der den Duft transportiert) unterstützen ebenfalls die Vorstellung von der Stofflichkeit der Wahrnehmung. Bei conpungunt (v. 420) liegt wohl so etwas wie eine .Übernahme' der konventionellen Ebene durch das Vokabular der atomaren Ebene vor;501 pungere aliquem ist aber in der metaphorischen Bedeutung jemanden quälen' bei Cicero üblich,502 und das Präfix verfremdet die Metapher und macht sie so bewußt. Auch bei mulcet in v. 422 ist die metaphorische Bedeutung ,die Sinne besänftigen' ungleich häufiger für das Kompositum permulcere belegt, vor allem in der

499

Oder, wie die Kommentatoren zu Recht bemerken, auf die Form der atomaren nuclei. Auf diese Unterscheidung soll im folgenden nicht weiter eingegangen werden; auch Lukrez scheint sie mitunter zu vergessen. 500

figurare hier erstmals von der Musik, aber durch die Verwendung von ßgurare / figura als rhetorischem t.t. (ThlL s f i g u r e 6 1 ,742,82ff. ) vgl. unten S. 189 zur Darstellung des Hörens) dürfte der antike Leser hier leicht eine metaphorische Bedeutung auch ohne den Rekurs auf atomare Vorgänge verstanden haben. 501 Also, auf die Metaphorik bezogen, eine Interaktion von Bildspender und Bildempfänger, vgl. West 2 1994,43-48 („transfusion of terms"). 502

Rose. 60; Att. 2,16,1 (epistula ... ita me pupugit); vgl. OLD s.v. pungo 4a. Compungere begegnet metaphorisch in einem Wortspiel Cie. de orat. 2,158: (dialectici) ipsi se compungunt acuminibus suis. Allerdings sind es die metaphorischen acumina, deren wörtliche Bedeutung durch compungunt aktiviert wird, vgl. Leeman/ Pinkster / Rabbie z.St.

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Prosa.503 Aber auch hier wird gerade durch die leichte Verfremdung der geläufigen Metapher dem Leser nahegelegt, diese wörtlich zu nehmen. Ähnliches gilt für tangere in v. 404: tangere im Sinn von ,die Sinne erreichen' ist schon bei Plautus belegt (Poen. 1376 quod verbum auris meas tetigit), und Lukrez verwendet tangere ebenfalls metaphorisch (5,846 aetatis tangere florem).m - Keine etablierte Metapher liegt beim ,Kitzeln' der Sinne (titillare, v. 429) vor; bezeichnenderweise stellt Cicero diesem Verbum (bzw. dem Substantiv titillatio) stets ein (entschuldigendes) quasi voran.505 Das aussagekräftigste Beispiel aber ist in v. 418f. colores ... oculos qui pascere possunt. Daß man an einem angenehmen Anblick die Augen ,weidet', ist auch im Lateinischen ein verbreitetes Bild.506 Die LukrezKommentare verweisen auf Terenz, Phormio 85 restabat nil nisi oculos pascere und Seneca, epist. 58,25, wo es ausdrücklich als Redewendung markiert ist (oculos ut dici solet pascit), und reihen die Lukrezstelle hier ein. Die angeführten Parallelstellen belegen aber, daß die Wendung in ihrer üblichen Form die Person, die ihre Augen weidet (bzw. ,weiden läßt', ,füttert'), zum Subjekt hat und der Gegenstand der Beobachtung, wenn er ausgedrückt wird, im instrumentalen Ablativ steht. Auch Lukrez benutzt die Wendung in dieser Form (allerdings mit visus, s.o. S. 169f.) im Proöm des ersten Buches, wo er von Mars in den Armen Aphrodites sagt: pascit amore visus. An der hier vorliegenden Stelle ist die syntaktische Form jedoch verändert: Nicht der Mensch ist Subjekt des Satzes, sondern eine Qualität des beobachteten Gegenstandes, nämlich die Farbe. Durch diese Verfremdung ist die Metapher ein gutes Stück weniger banal, als die Kommentatoren glauben möchten.507 Und sie paßt vorzüglich zur Erkenntnistheorie Epikurs, der ja die είδωλα, die sich von den Gegenständen lösen, als Auslöser der Wahrnehmung ansieht. Insofern entspricht die veränderte

503

Vgl. ThlL 10i,1570,35ff. („praecipue in oratione pedestri, mulcere simili usu maxime apud poetas"). Zu permulcere s.o. S. 134. 504

Vgl. auch 1,643f. quae belle tangere possunt / auris.

505

Cato 47; fin. 1,39; nat. deor. 1,113; off. 2,63; Tusc. 3,47. An diesen Stellen geht es immer um epikureisches ,Kitzeln' der Sinne, titillare entspricht γαργαλίζειν bei Epikur, vgl. Bailey z.St. und die Belege bei H. Usener, Glossarium Epicureum, hg.von M. Gigante u. W. Schmid, Rom 1977, 153. 506 507

Zu diesem Bildfeld vgl. oben S. 109f.

Vgl. Emout-Robin z.St.: „une image devenue banale". Giussani stellt eine Ausnahme dar, weil er über das bloße Zitieren von Parallelstellen hinaus den epistemologischen Gehalt der Metapher analysiert; aber auch er geht auf die gegenüber dem üblichen Sprachgebrauch veränderte Form nicht ein.

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Metapher genau der veränderten Aktionsrichtung beim Wahrnehmungsvorgang. Im Anschluß an diese Passage (bis v. 477) geht es zunächst um die Analogie zwischen Molekülform und der Konsistenz der daraus zusammengesetzten Stoffe (von fest bis gasförmig). Am Ende geht Lukrez dann auf den Fall ein, daß die Eigenschaften eines Stoffes auf eine unterschiedliche und nicht kohärente Form der Urkörper schließen lassen. Hier sind für ihn die entsprechenden Atome kombiniert, z.B. im Fall des salzigen Wassers: Flüssigkeiten erfordern glatte, runde Moleküle (v. 451 f.), salziger Geschmack wird durch rauhe, mit Haken versehene Grundkörper erzeugt (siehe v. 404f.), im Meerwasser findet sich beides (2,471 f.): et quo mixta putes magis aspera levibus esse principiis, unde est Neptuni corpus acerbum ... Wieder findet sich das Spiel mit asper, das hier auf die atomare Ebene bezogen ist, aber gleichzeitig auch als Synonym zu acerbus gebraucht wird. Was also auf der ,konventionellen' Ebene eine mehr oder weniger geläufige synästhetische Metapher ist, das erweist sich auf der ,atomaren' Ebene als eine nichtmetaphorische (oder zumindest nicht synästhetische, oculos pascere bleibt natürlich eine Metapher) Beschreibung der der Wahrnehmung zugrundeliegenden Prozesse.508 Der Ausruf in v. 434 tactus enim, tactus, pro divum numina sancta, corporis est sensus liest sich somit nicht nur wie die Quintessenz der gerade dargestellten physischen Zusammenhänge,509 sondern implizit auch wie ein Fazit aus dem Metapherngebrauch in dieser Passage und über sie hinaus. Und wenn wir das zugrundeliegende Bildfeld ausformulieren,

508

Wegen dieser Trennung der beiden Ebenen, die in dieser Passage ziemlich deutlich durchgehalten ist, lese ich auch lieber mit Postgate, Martin und Müller in v. 422 tibi res statt des von anderen Herausgebern favorisierten figura\ aus den gleichen Gründen verdient in v. 462 Müllers Konjektur quod inimicumst sensibus sed rarum (basierend auf Lachmanns venenumst sensibus sed rarum) den Vorzug vor Martins Heilungsversuch quodcumque videmus sensibus dentatum·. figura und dentatum gehören zur .atomaren' Ebene. (Überliefert ist quodcumque videmus /sensibus sedatum.) 509 Der Ausruf hat eine gewisse Gelenkfunktion, da er nicht nur das Davorliegende zusammenfaßt (enim), sondern auch zum Folgenden überleitet. - Erler 1994, 147f. möchte hier den Tastsinn ausschließlich als einen der fünf Sinne angesprochen sehen, aber das kann nach dem Vorangegangenen kaum der Fall sein: Es geht um den tactus, der allen Sinneswahmehmungen zugrundeliegt. Zur Rolle des Tastsinns bei Lukrez vgl. auch Schoenheim 1966, 81 f.

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180

,Wahrnehmen ist Fühlen', dann erhalten wir exakt das auf Demokrit zurückgehende Grundprinzip atomistischer Erkenntnislehre.510

4.3

Gesichtssinn als Bildempfänger

Bei keinem anderen Sinn ist die Vorstellung von Stofflichkeit von vornherein so wenig gegeben wie beim Gesichtssinn. Dementsprechend ist die lukrezische Überzeugungsfähigkeit nirgends so gefordert wie bei der Untermauerung des Grundsatzes, daß Sehen eine Form des Fühlens ist. Nun gibt es, wie oben im Kapitel 3.5 bereits dargestellt, im Lateinischen durchaus einen großen Bestand an Metaphern aus dem Bildfeld ,Sehen ist Fühlen'; ihre Grundfunktion ist die Plastizität des Wahrgenommenen und Aktivität des Wahrnehmenden. Für Lukrez ist Plastizität ein erwünschter, Aktivität des Wahrnehmenden ein weniger willkommener Aspekt dieser Bildlichkeit. Man findet deshalb bei ihm selten Metaphern, die auf der ,Sehstrahlvorstellung' beruhen. Eine Ausnahme ist die Verwendung von usurpare in 1,298-304: tum porro varios rerum sentimus odores, nec tarnen ad naris venientis cernimus umquam, nec calidos aestus tuimur, nec frigora quimus 300 usurpare oculis. nec voces cernere suemus; quae tarnen omnia corporea constare necessest natura, quoniam sensus impellere possunt: tangere enim et tangi, nisi corpus, nulla potest res. Dieser Text ordnet sich in einen längeren Abschnitt ein, in dem es um den Nachweis geht, daß die Atome, obwohl sie unsichtbar sind, dennoch existieren und stoffliche Qualität haben. Lukrez führt als Beweis an, daß wir auch andere Dinge, deren physischer Effekt nicht bezweifelt werden kann, nicht mit den Augen wahrnehmen können; zunächst nennt er den Wind, um dann an der vorliegenden Stelle zu Gerüchen, Hitze, Kälte und Lauten überzugehen: auch diese könnten wir nicht s e h e n , obwohl wir ihre Wirkung spürten. Durch die Verwendung von usurpare wird die Vorstellung eines aktiven ,Legens' des Blickes auf etwas erzeugt;5" dies

510

Vgl. Demokrit 68A119 DK (Δημόκριτος και οι πλείστοι των φυσιολόγων) πάντα γάρ τά αισθητά άπτά ποιοϋσιν. 511

OLD s.v. usurpo 6: ,to grasp (with the senses), perceive'; Plaut. Cas. 631; Trin. 846: quas ego neque oculis nec pedibus umquam usurpavi meis; Rut. Lup. 1,13 (zwar in der Übersetzung einer Lysias-Rede, aber dies bedeutet wohl kaum, daß hier eine

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181

ist insofern hier in Lukrez' Sinn, als er gerade die Unmöglichkeit der optischen Wahrnehmung selbst bei angestrengtem .Betrachten' betonen will. Außerdem wird durch das folgende quoniam sensus impellere possunt die korrekte Richtung der Wahrnehmung wieder stark betont: Es ist gerade nicht das usurpare, welches das Wesen der Wahrnehmung ausmacht, sondern das impelli. Ansonsten sind die Beispiele für aktives ,In-den-Blick-Nehmen' bei Lukrez selten.512 Im folgenden sollen einige Beispiele vornehmlich aus dem vierten Buch vorgestellt werden.513 Zu Beginn des Abschnitts über das Sehen illustriert Lukrez das Ablösen der Atome von der Oberfläche der Gegenstände mit dem Beispiel des Sonnensegels im Theater, durch das die darunterliegende Bühne und der Zuschauerraum ,eingefarbt' werden:514 4,78-83

namque ibi consessum caveai supter et omnem scaenai speciem, personarumque decorem515 inficiunt coguntque suo fluitare colore. 80 et quanto circum mage sunt inclusa theatri moenia, tarn magis haec intus perfusa lepore omnia conrident correpta luce diei.

inficere ist ein häufiger Ausdruck für das Färben von Gegenständen, wird aber hier erstmals von Licht bzw. Farbe verwendet.516 Durch die Verbindung mit fluitare wird die Vorstellung eines Einfärbens mit flüssigen Farben aktiviert und somit der materielle Aspekt betont. Dabei wirkt bei der Verwendung von fluitare zunächst auch die Vorstellung einer .fließenden' Bewegung des Sonnensegels im Wind mit (vgl. die vorausgegangenen Verse 75-77: et volgo faciunt id lutea russaque vela / et ferrugina, cum magnis intenta theatris / per malos volgata trabesque trementia flutant):517 diese Bewegung wird von den Farbschattierungen im Theater natürlich mitvollzogen.518 Anschließend wird das Theaterinnere als unidiomatische Wendung vorliegt): simul et oculis et auribus scelus illius (praetereuntes). 512

Vgl. oben S. 107 (4,20 prendente

oculo; 4,1143 prendere

usurparent

... oculorum

lumine

operto). 513

Es werden aber nicht alle in Kapitel 3.5.1 genannten Beispiele wiederholt.

514

Vgl. zu dieser Passage auch West 2 1994, 38f.

515

Eine Konjektur Konrad Müllers für das unverständliche patrum deorum der Handschriften. 516

matrumque

ThlL 7|,1411, 47ff.: von Wolle u.ä. seit Plautus, vgl. Varro rust. 2,2,18 als frühen Prosabeleg; vom Licht bzw. von der Sonne: ThlL 7i,1412,12ff. 517

Vgl. ThlL 6i,955,55ff.

518

Vgl. Giussani z.St.

182

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.durchtränkt' bezeichnet (perfusa);5[9 das suggeriert die Vorstellung, daß die Farbe, in die die cavea ,getaucht' ist, flüssig ist (was natürlich die .atomare' Seite stärker hervorhebt). Das Tageslicht ist durch das Sonnensegel .reduziert'520 (4,83 ... omnia conrident correpta luce diei). In dieser Passage operiert Lukrez offenbar nicht mit konventionellen Metaphern. Man kann allerdings mit einer gewissen Berechtigung im vierten Buch auch eher blasse taktile Synästhesien als in ihrer materiellen Grundbedeutung hervorgehoben ansehen. So wird in der ersten, kurzen Passage über die Wirkungsweise des Spiegels (4,98-109) reddere zusammen mit Wörtern wie repulsus und reicere verwendet, die das wirkliche Zurückwerfen des Bildes betonen: sunt igitur tenues formarum Ulis similesque / effigiae, singillatim quas cernere nemo / cum possit, tarnen adsiduo crebroque repulsu / reiectae reddunt speculorum ex aequore visa ... (4,104-107). Allerdings geht es an dieser Stelle um die Bewegungen der Elementarteilchen, und der Leser könnte bei reddere höchstens an die Tatsache erinnert werden, daß dieses Verb auch außerhalb epikureischer Argumentation als ganz gewöhnliche Metapher für die .Wiedergabe' von Bildern vorkommt.521 4,235f.

... in lud quaepoterit res accidere ad speciem quadrata nisi eius imago? accidere (mit und ohne ad/in oculos) ist eine geläufige Metapher (vgl. u.a. Hirt. Gall. 8,8,3; Cie. Verr. II 4,2 nihil quod ad oculos animumque acciderit), aber hier wird klar, daß die simulacra wirklich ,ins Auge fallen'.

519

perfundere 10i,1422,26fF.).

mit Licht bzw. Farbe ist eine lukrezische Neuschöpfung, vgl. ThIL

520

Im Gegensatz zu den meisten Kommentatoren und Übersetzern sind wir der Ansicht, daß corripere hier weniger ein .Zusammenpressen' des Tageslichts als vielmehr ein simples .Wegnehmen' meint. 521

Also der Fall (a) (vgl. oben S. 171); vgl. u.a. Vitruv. 7, pr. 11; 7,3,9 ... speculum ... certas imagines reddat; Sen. epist. 88,27; Plin. nat. 11,148 u.ö. - Ebenfalls nur auf simulacra und nicht auf die .konventionelle' Ebene bezogen steht das häufiger vorkommende oculos ferire (u.a. 4,218 corpora quae feriant oculos ...; 243; 257; 328; vgl. ThIL 6i,512,81ff.); es ist anscheinend keine lexikalisierte Metapher (Cie. fam. 15,16,2 geht es auch um simulacra; Sen. epist. 88,22 scheint eine sonst nicht belegte Bedeutung von ,die Augen beeindrucken' vorzuliegen). Prop. 4,8,66 (oculos qui meruere ferit) gehört im übrigen nicht hierher, da die Augen von Cynthia tatsächlich geschlagen werden).

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183

4,304-6

praeterea splendor quicumque est acer adurit saepe oculos ideo quod semina possidet ignis multa, dolorem oculis quae gignunt insinuando. acer wird von Lukrez auf alle Sinneswahrnehmungen bezogen und auch in der weiter übertragenen Bedeutung ,heftig' (u.ä.) verwendet. Dabei ist zwischen diesen beiden Verwendungen nicht immer klar zu unterscheiden; in 1,246f.522 beispielsweise ist die satis acris vis sowohl eine Kraft, die ganz allgemein stark und heftig genug ist, die Bindungen der Atome zu lösen, als auch in ganz konkreter Vorstellung eine vis, die mit irgendwie spitzen Körpern diese Verbindungen .auftrennt'. Üblicher in der Prosa ist fur die konkrete, taktile Vorstellung von Schärfe und Spitzsein acutus.™ Die Dunkelheit ist auch fur einen Epikureer nicht materiell, da sie nichts anderes als das Wegnehmen von Licht ist; vgl. hierzu Stellen, an denen ein dunkler Raum als ,leer' bzw. ,frei von Licht' bezeichnet wird - markant ist z.B. 4,368-378: nam nihil esse potest aliud nisi lumine cassus aer id quod nos umbram perhibere suemus. semper enim nova se radiorum lumina fundunt 375 primaque dispereunt, quasi in ignem lana trahatur. propterea facile et spoliatur lumine terra et repletur item nigrasque sibi abluit umbras. lumine cassus auch 5,719.757. Vgl. Cie. Arat. 369 (et dextra retinens non cassum lumine ensem)\ spätere Nachahmungen erfolgen unter Nutzung der Polysemie von lumen z.T. stark umdeutend: Aen. 2,85 (,des Lebenslichtes beraubt, tot' [ähnlich Stat. Theb. 2,15]), Auson. 163,26 (hoc laevo lumine cassus ,des linken Auges beraubt'). Die ,Leere' hat natürlich für einen Epikureer eine besondere Bedeutung, vgl. von Raumer 1893, 14, wo es heißt, lumine cassus sei bei Lukrez keine Metapher, da Licht für diesen 522

incolumi remanent res corpore, dum satis acris / vis obeat pro textura

cuiusque

reperta. 523 Ein weiterer Beleg für acer auf optische Eindrücke bezogen ist 4,706-709: nec tarnen hoc solis in odoribus atque saporum / in generest, sed item species rerum atque colores / non ita conveniunt ad sensus omnibus omnes, / ut non sint aliis quaedam magis acria visu. Auch hier wird für acris durch den Kontext sowohl die allgemeine als auch die konkret-taktile Bedeutung aktiviert (zu dieser Passage vgl. Craver 1990). Ebenfalls sowohl körperlich als auch übertragen wird acer in der häufigeren Verbindung acre venenum (4,637.640; 5,900; 6,974) verwendet; vgl. auch acre malum (3,252f.), acer dolor (4,716, von dem für Löwen unerträglichen Anblick der Hähne). Das Gift ist sowohl .heftig' als auch , scharf von seinen Urkörpern her, die tatsächlich im Körperinnern als spitze Körper wirken.

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etwas Stoffliches darstelle. - Zu fundere vom Licht s.o. S. 115f.; aber die Kombination mit radiorum lumina ist bemerkenswert. - spoliatur lumine'. Auch diese Wendung wird von Vergil umgedeutet (Aen. 12,935 seu corpus spoliatum lumine mavis). - repletur524 nimmt cassus wieder auf, abluit korrespondiert mit fundunt. abluere vom Schatten ist singulär; auch metaphorisch kommt es nicht eben häufig vor.525 Vielleicht spielt die antike Vorstellung von einer etymologischen Verwandtschaft zwischen luere und lumen eine Rolle (vgl. Varro ling. 6,79 lucere ab luere, et luce dissolvuntur tenebrae).526 Die Auffassung von Licht als einer Flüssigkeit ist ein bei Lukrez sehr beliebtes Bildfeld. Dabei werden häufig fundere und Komposita von fundere eingesetzt, im vierten Buch z.B. 4,375 (... se radiorum lumina fundunt ...) und 4,202f. ([corpuscula ... cernuntur] per totum caeli spatium diffundere sese / perque volare mare ac terras caelumque rigareV27 wo es aber, wie corpuscula (v. 199) belegt, ausdrücklich um die ,atomare' Ebene geht.528 Ein besonders schönes Beispiel für die lukrezische Technik der Präsentation etablierter Metaphern in leicht veränderter Form findet sich ebenfalls im vierten Buch, wenn Lukrez davon spricht, daß die Atome, die

524

Vgl. auch 4,161f. et quasi multa brevi spatio summittere debet/ lumina sol ut perpetuo sint omnia plena, ... ; in der Prosa vgl. u.a. Sen. suas. 3,1 (zitiert wird Arellius Fuscus) (luna) plena lucis suae est splendensque pariter adsurgit in cornua ... (im Gegensatz zu suas. 4,2 plenam lucem an initio surgentis acceperit an abdiderit in noctem obscurum caput Luna kann hier kein Vollmond gemeint sein); Plin. nat. 2,48 omnia lucis plena, übertragen: Plin. nat. 2,214 argumentum plenum ... lucis ac vocis. - Vgl. Cie. nat. deor. 2,49 sol ... cum terras larea luce compleverit (epikureischer Zusammenhang); rep. 6,17. 525

ThlL 1,108,46-57; als metaphorische Verwendung sei Cie. Tusc. 4,60 erwähnt: omnis eiusmodi perturbatio animi placatione abluitur. Vgl. für diese Stelle auch 4,875f. sitis de corpore abluitur und von Raumer 1893, 7. 526 luere und abluere sind zwar nicht verwandt, aber vgl. die Erklärung Prise, gramm. 8,113,20f. GLK: Juo lumen' (quo omnia abluuntur, id est purgantur a tenebris). 527 diffundere mit Licht als Objekt ist nicht ungewöhnlich (ThlL 5,,1108,44ff.), obwohl die frühen Prosabelege Varro ling. 7,76 und Cie. nat. deor. 2,95 nahelegen, daß das Partizip diffusus das übliche ist; rigare ist dagegen vom Licht nur bei Lukrez belegt. 528

Belege aus anderen Büchern: 2,114f. contemplator enim, cum solis lumina cumque / inserti fundunt radii per opaca domorum; 2,147 (soleat sol) ... convestire sua perfundens omnia luce; 3,39 ... suffundens mortis nigrore; 3,304 ... suffundens caecae caliginis umbra ...; 5,573 = 5,767 lumen ... profusum; 6,401 Iuppiter ...fulmen sonitusqueprofundit, 6,479 (nebulae) suffundunt... sua caelum caligine ...

Zur Funktion taktiler Synästhesien bei Lukrez

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den animus treffen, viel feiner sind als die, die von den Augen wahrgenommen werden: 4,728f.

... magis haec sunt tenuia textu quam quae percipiunt oculos visumque lacessunt.

oculos percipere ist ein völlig singulärer Ausdruck; üblich ist das umgekehrte, aliquid oculis percipere.529 Aber diese Umkehrung der Wendung entspricht ganz genau der veränderten Richtung im Wahrnehmungsprozeß: Das Auge ist nicht der aktive ,Zugreifer', sondern es sind die von den wahrgenommenen Objekten ausgehenden simulacra, die in das Auge eindringen. *

Außerhalb des epistemologischen Lehrteils von Buch IV ist noch anmerkenswert: 4,1054

... mulier toto iactans e corpore amorem

Hier ist mit amor vor allem ein optischer Eindruck gemeint; das ,Schleudern' des verführerischen Anblicks ist in Lucr. 4,1052 mit der Erwähnung der tela Veneris vorbereitet. Im Grunde liegt hier eine ähnliche Umdeutung von mythologischen Vorstellungen vor wie im oben besprochenen Falle von Tityos (s.o. S. 172f.): Die Geschosse der Venus (bzw. Cupidos) sind nichts anderes als verführerische simulacra, die von den Objekten unserer Begierde zu uns heranfliegen.530

529 Man kann höchstens von Affekten .erfaßt' werden, vgl. ThlL 10 h 1207,39ff., aber nie, außer an der hier vorliegenden Stelle, von Sinneseindrücken. 530 Aus den anderen Büchem sind noch zwei Passagen erwähnenswert, in denen die Analogie zwischen Licht und Flüssigkeit (s.o. zu fundere) ausgeführt wird; zum einen ist dies 5,281-287: largus item liquidi fons luminis. aetherius sol. / inrisat adsidue caelum candore recenti/ ... / et radios inter quasi rumpere lucis. Die übliche metaphorische Verwendung von fons (ThlL 6|,1025,6ff.) wird durch die Kombination mit liquidus und vor allem inrigat zugunsten der wörtlich empfundenen Bedeutung zurückgedrängt (vgl. Pope 1949, 73). Aber auch schon die bloße Kombination fons luminis ist eine durchaus bemerkenswerte Metapher (kein „conventional phrase" [Pope ebd.]), denn die übliche übertragene Verwendung ist doch eine weiter, aus dem Abstrakten, hergenommene (fons luminis begegnet erst wieder Min. Fei. 32,6; vgl. ThlL 6i,1024,66ff.). Die Stofflichkeit der Lichtstrahlen wird zusätzlich durch die Tmesis inter ... rumpere betont. - Explizit ist der Vergleich des ,Bewässerns' der Luft mit Licht und einer Wiese durch einen kleinen Bach in 5,590-603, wo allerdings keine .Verwertung' gesunkener Metaphern erkennbar ist. Vgl. Schrijvers 1970, 242-245 und West 2 1994, 89-92.

Zur Funktion taktiler Synästhesien bei Lukrez

186

4.4

Gehör als Bildempfänger

Übertragungen vom Gehör auf den Tastsinn sind, wie oben S. 143f. bereits eingestanden, nicht übermäßig kühn, da das Gehör als mechanischer Sinn tatsächlich auf Berührungen beruht. Nur ist es, im Gegensatz zur epikureischen Vorstellung, nicht die Stimme bzw. der Laut selbst, sondern es sind die Wellen im Trägermedium Luft, die an unser Ohr dringen. Beschreibungen der Stimme als körperlich bleiben daher synästhetische Metaphern. Weil es aber wohl gerade deshalb im Lateinischen wie auch in anderen Sprachen eine große Zahl gesunkener taktiler Synästhesien gibt, die sich auf das Gehör beziehen, findet Lukrez hier für sein Spiel mit etablierten synästhetischen Wendungen reiches Material. Dies wird schon in den ersten Sätzen des Abschnitts über das Gehör im vierten Buch (4,524-614) deutlich: 4,524-29

principio auditur sonus et vox omnis, in auris insinuata suo pepulere ubi corpore sensum. corpoream quoque enim vocem constare fatendumst et sonitum, quoniam possunt impellere sensus. praeterea radit vox fauces saepe, facitque asperiora foras gradiens arteria clamor. In diesem kurzen Abschnitt wird die Körperlichkeit der Stimme nicht nur explizit bewiesen (durch die Wirkung, die sie sowohl auf die Stimmapparatur als auch auf die Ohren ausübt), sie wird auch illustriert durch eine Vielzahl von etablierten Wendungen, die durchschimmern: Am wenigsten ist dies vielleicht noch bei insinuare der Fall; das Wort ist bei Lukrez nicht selten,531 aber in der Verbindung mit vox ist es möglich, daß der antike Leser die rhetorische Verwendung532 dieses Ausdrucks mithört. — sensus impellere kann metaphorisch ,auf die Sinne wirken' heißen, vgl. Cie. de orat. 3,98 difficile enim dictu est, quaenam causa sit, cur ea, quae maxime sensus nostros impellunt voluptate et specie prima acerrime commovent, ab eis celerrime fastidio quodam et satietate abalienemur. — Zu radit vox fauces läßt sich auf Quint, inst. 11,3,13 und 20 verweisen, wo der entzündete Rachen als fauces rasae bezeichnet wird,533 einmal auch mit dem Effekt fauces ... vocem ... rasae exasperant. 531

Vgl. Koenen 1999,435 Anm. 2.

532

ThlL 7|,1915,41: „usu rhet. et gramm. fere i.q. insinuatione inducere"; vgl. z.B. Rhet. Her. 1,10 his nos rebus insinuabimus ad causam. 533

Quint, inst. 11,3,13 mala vel imbecilla (vox) ... aliqua cogit, ut intermittere et deflectere et rasas fauces ... deformi canticu reficere ...; inst. 11,3,20 fauces tumentes strangulant vocem, obtusae obscurant, rasae exasperant.

Zur Funktion taktiler Synästhesien bei Lukrez

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vgl. fecit ... asperiora im folgenden Vers.534 -— Am deutlichsten wird Lukrez' Technik bei der Beschreibung, wie die Luftröhre durch die Stimme aufgerauht wird (radit vox fauces saepe, facitque / asperiora foras eradiens arteria clamor). Denn arteria aspera ist das lateinische Äquivalent zu griechisch τραχεία άρτηρία ,Luftröhre'.535 Es ist instruktiv zu sehen, wie die Kommentare mit diesem Befund umgehen: Sie registrieren natürlich die Anspielung, kommentieren aber nicht im geringsten deren Art. 536 Es ist nicht unwahrscheinlich, daß man zu Lukrez' Zeit bei der Verwendung des Ausdrucks arteria aspera (bzw. des griechischen Ursprungs dieser Lehnübersetzung) nicht mehr zwangsläufig an die Bedeutung ,rauh' dachte. Mit geringem Aufwand, nämlich durch die Steigerung des Adjektivs, füllt Lukrez diese Wendung mit neuem Leben537 und betont so die Körperlichkeit der Stimme, die die Luftröhre tatsächlich noch weiter ,aufrauhe'.538 Das deutlichste Beispiel für das Grundprinzip bei Lukrez, etablierte Metaphern so zu präsentieren, daß sie in ihrer stofflichen Grundbedeutung wahrgenommen werden, liefern die von den Lukrezherausgebern nach v. 541 eingefügen Verse 551 f.: asperitas autem vocisßt ab asperitate principiorum. et item levor levore creatur.

534

Siehe aber auch oben S. 139 Anm. 397 zur rädere.

535

Vgl. Cie. nat. deor. 2,136: aspera arteria, sie enim a medicis appellator.

536 Bailey, Godwin: „reference", Ernout-Robin: „cf. gr. τραχεία", Koenen 1999, 443f.: „hints at". - Die Übersetzer scheitern natürlich zwangsläufig an dieser Stelle. 537 Vielleicht auch durch die singulare Verwendung von arteria im Neutr. PI. statt Fem. Sg.; dies ist aber schwer zu beurteilen, vgl. Maurach 1995, 41 zu „Genus-Varianzen": „derlei Variationen werden die allgemeine Unfixiertheit des Lateinischen widerspiegeln". 538

Mieke Koenen zieht in ihrer Analyse dieser Passage (Koenen 1999, 438f.) ebenfalls außerepikureischen Sprachgebrauch heran. Sie versucht, Lukrez gegen den Vorwurf einiger Kommentatoren (Bailey, Godwin), er argumentiere in 527 (quoniam possunt impellere sensus) zirkulär, in Schutz zu nehmen. Allerdings deutet sie das Vorkommen von Wendungen wie aures tangere und sensus impellere außerhalb epikureischer Kontexte als Hinweis darauf, daß es für Lukrez' Zeitgenossen völlig evident und eine normale E r f a h r u n g war, daß Laute mechanisch auf die Ohren wirken. Dagegen muß man einwenden, daß diese Wendungen allenfalls Rückschlüsse auf den S p r a c h g e b r a u c h in Lukrez' Zeit liefern und ein Zeitgenosse des Dichters dies wohl auch so gesehen hätte. An der auch von Koenen herangezogenen Cicero-Stelle (de orat. 3,98, vgl. oben) bezieht sich sensus impellere jedenfalls auf optische Eindrücke, und ein Nichtepikureer hätte wohl kaum diese Wendung als Beleg für die Evidenz der Körperlichkeit optischer Wahrnehmung angesehen.

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188

Die erste Verwendung von asperitas ist (wieder: für einen Nichtepikureer) metaphorisch, die zweite nicht; das gleiche gilt fur levorP9 Und die verwendete Terminologie ist in der Rhetorik ganz geläufig, levis und asper sind ein typisches Gegensatzpaar zur Beschreibung sowohl der Rede als auch der Stimme.540 4,547-562

hasce igitur penitus voces cum corpore nostro exprimimus rectoque foras emittimus ore, mobilis articulat verborum daedala lingua, formaturaque labrorum pro parte figurat, 550 hoc ubi non longum spatiumst unde illa profecta 553 perveniat vox quaeque, necessest verba quoque ipsa plane exaudiri discernique articulatim: servat enim formaturam servatque figuram. at si interpositum spatium sit longius aequo, aera per multum confundi verba necessest et conturbari vocem, dum transvolat auras. 559

usque adeo con fusa venit vox inque pedita. 562 exprimere ist eine übliche Metapher wie die deutsche Lehnübersetzung .ausdrücken': ThlL 52,1789,16-1790,59; üblicherweise steht es mit voce, verbis u.ä. im Abi., aber auch mit einem inneren Objekt, vgl. Cie. div. 1,61 haec verba ipsa Piatonis expressi. emittere von der Stimme ist ebenfalls normal, s.o. S. 149f. Durch die Adverbialien penitus und foras werden diese Wendungen allerdings so verfremdet, daß ihre ursprüngliche Bedeutung deutlich wird: ,Wenn wir diese Stimmen tief aus unserem Körper „ausdrücken" und nach draußen „äußern"...'. 541 — articulat: Das Verb begegnet erstmals hier und dann erst wieder ab Apuleius (vgl. ThlL 2,690,49f.); das Adverb articulatim ist seit Plautus belegt. Es ist anzunehmen, daß sich zu Lukrez' Zeit die in späteren Grammatik539

Im ThlL wird diese Stelle s.v. asperitas dementsprechend zweimal eingeordnet, einmal unter „de rebus non levibus" (2,822,1 f.), einmal unter „(asperum) auditu" (2,822,17f.). Daß beide Verwendungen von asperitas unter .proprie' stehen und die .auditu'-Stelle nicht unter translate', hängt mit der (vertretbaren, aber letztlich willkürlichen) Entscheidung zusammen, als .proprie'-Bedeutung „de eis, quae sensus offendunt" zu wählen und nicht ausschließlich die taktile Verwendung (.translate' ist dann „de eis, quae animum offendunt"). S.v. levor ist diese Stelle dagegen nur unter „(levitas) soni" vermerkt, nicht unter „(levitas) rerum corporearum", während Lucr. 2,423 (sensus quae muleet res ... haut sine principiali aliquo levore creatast) dort aufgeführt ist. 540 541

Z.B. Cie. de orat. 3,216plura genera ... leve asperum; vgl. Wille 1967, 477f.

Martin: „Wenn wir nun diese Stimmen tief aus unserem Körper herauspressen und auf geradem Wege aus dem Munde hinaussenden ..."

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189

handbüchern zu findende Terminologie, insbesondere die Unterscheidung von vox articulata und vox confusa, bereits entwickelt hatte,542 daß der Leser also ein vertrautes Verb vor sich hatte, bei dem er nicht sofort an den Zusammenhang mit articulus bzw. artus dachte. Im Zusammenhang der Argumentation aber und insbesondere wegen der Wiederaufnahme durch das seltene543 Adverb articulatim in v. 558 dürften die taktilen Konnotationen sehr deutlich werden. — formatura: formare und figurare werden häufig in rhetorischen Schriften als Synonyme zu componere u.ä. verwendet, vgl. ThlL 61,1105,82ff.; Belege für die Kombination von forma undfigura sind zahlreich, vgl. u.a.: Cie. de orat. 2,98; 3,34. 179; orat. 9,7; opt. gen. 14,5; erster Beleg Acc. trag. 254 formae figurae nitiditatem, hospes, geris. Hier werden aber durch die Einbindung dieser Termini in eine syntaktische Struktur, die die beiden zueinander in eine kausale Beziehung setzt (die formatura der Lippen .figuriert' die Wörter), die ursprünglichen Bedeutungen bewußt gemacht.544 Wie articulat durch articulatim wiederaufgenommen wird, so werden auch formatura und figura wiederholt, diesmal betont parallel gestellt durch zweimaliges servat. — vox confusa ist ein grammatischer terminus technicus für die undeutliche, nicht schriftlich fixierbare Stimme; durch die Verwendung von confundere (v. 558) wird aber auch hier der .ursprüngliche' stoffliche Gehalt der Metapher spürbar.545 - Auch vocem impedire scheint eine gebräuchliche Wendung zu sein (allerdings für die im Körper des Sprechers .festsitzende' Stimme, vgl. Cie. Sest. 123 vox ... lacrimis impediretur); die Verfremdung durch die Tmesis, die ja gleichsam ein Abbild des verzögerten lautlichen Eindrucks ist, evoziert die starke Vorstellung, daß hier etwas körperliches .gehindert' wird.546 4,565-69

in multas igitur voces vox una repente diffugit, in privas quoniam se dividit auris, obsignans formam verbis clarumque sonorem.

542 Dies ist die ansprechende Hypothese von Wolfram Ax, der vermutet, daß sich in dieser Darstellung bei Lukrez Reflexe des einleitenden Kapitels De voce einer alten Ars grammatica finden, wie es sich in spätantiken Grammatiklehrbüchern findet, vgl. Αχ 1986, 253-257 (Kritik bei Koenen 1999,460 Anm. 76). 543

Das selbst kein t.t. für die Beschreibung der Stimme in den Grammatiklehrbüchern wurde (keine Belege im ThlL s.v.). 544

Vgl. auch unten zu v. 567 obsignans formam ...

545

Vgl. ThlL 4,266,59ff., Ax 1986,15 und oben Anm. 542.

546

Man wird zur Erklärung der Tmesis hier nicht nur an metrische Zwänge denken

wollen.

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190

at quae pars vocum non auris incidit ipsas, praeterlata perit frustra diffusa per auras. Auch hier wird eine geläufige Wendung verfremdet: obsignare hat üblicherweise ein affiziertes Objekt bei sich, z.B. das Dokument, das gesiegelt wird; hier steht dagegen ein effiziertes Objekt (formam).547 — incidere auris ist als Metapher für ,gehört werden' nicht belegt; ganz geläufig ist aber accidere auribus bzw. ad aures: Accius trag. 449 vox ad auris accidit, Cie. Sest. 107, Cie. Vatic. 4 ad auris accidat, de orat. 3,29 auribus accidit, vgl. ThlL 1,290,83-291,29.548 Durch die (seltene: ThlL 7i,905,67ff.) transitive Verwendung wird zusätzlich Aufmerksamkeit auf die Junktur gelenkt. — Zu diffundere vgl. Cie. de orat. 3,217 über die Stimmqualitäten: plura genera ... contractum diffusum ... 4,612f.

et tarnen ipsa quoque haec, dum transit clausa domorum, vox obtunditur atque auris confusa penetrat ...

obtunditur läßt an die Stimmqualität der vox obtusa denken, vgl. ThlL 9,299,64ff. (u.a. Cie. de orat. 2,282 ... cum vocem in dicendo obtudisset ...; Sen. contr. 1,7,18; Quint, inst. 11,3,15). Vgl. auch Plin. nat. 32,96,7 fauces enim vexant vocemque obtundunt. — Zu confusa siehe oben S. 189. Man darf davon ausgehen, daß Lukrez in der Passage über das Hören synästhetische ,Grundstrukturen' der rhetorischen Terminologie, aber auch des .normalen' Sprachgebrauchs, erkannt und bewußt verarbeitet hat549 teilweise nur andeutend, teilweise auch explizit wie im Fall der asperitas der Stimme, die von der asperitas derprineipia herrühre (v. 551 f.).550 547 Zu den philosophischen Implikationen dieser Stelle vgl. Clay 1996, 791. Effiziertes Objekt bei obsignare nur noch Plaut. Pseud. 1092, wo aber mit sumbolum auch der gesiegelte Brief gemeint sein könnte, vgl. ThlL 9,228,66. 548

Die Parallele Celsus 6,7,9 in aurem aliquid incidere, ut calculus ... bezieht sich natürlich auf ein tatsächliches Hineinfallen. 549 550

Das impliziert Ax 1986, 256.

Es seien noch einige weitere Bildfelder angeführt, die nicht in den besprochenen Passagen vorkommen, aber oben in Kapitel 3.5 zum großen Teil bereits erwähnt wurden; ,zu-den-Ohren-bringen': 2,1024f. nam tibi vementer nova res molitur ad auris: 5,100 ut fit ubi insolitam rem adportes auribus ante ...; .Bewegung' von Lauten: l,354f. inter saepta meant voces et clausa domorum / transvolitanf. l,489f. (entspr. 6,228f.) transit fulmen ... per saepta domorum / clamor ut ac voces; 5,1221 percurrunt murmura caelum; etwas ist ,νοΙΓ von Lauten: 2,146 (volucres) ... liquidis loca voeibus opplent; 2,358f. (mater) complet ... querellis /frondiferum nemus ...; 4,1017 magnis clamoribus omnia complent; 5,226 vagitu ... locum lugubri complet; 5,992 nemora ac montis gemitu silvasqe replebat: 5,1066 voeibus omnia complent; 6,1185 plenae ... sonoribus aures; die Stimme wird .geworfen': 2,327f. clamore ... monies / icti reiectant voces; 4,578 sex etiam aut Septem loca vidi reddere voces / unam cum iaceres; 5,1081 (volucres) ... iaciunt ... voces; zur

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191

*

Eine weitere Klasse von akustisch-taktilen Synästhesien bezieht sich auf Aussagen des Dichters über sein eigenes Gedicht bzw. über die Philosophie Epikurs. Es liegt in der Konsequenz der epikureischen Epistemologie, die ja in De rerum natura ausführlich dargestellt wird, daß das Lesen bzw. Hören eines Satzes in der geistigen Vorstellung ein echtes, physisches Bild erzeugt von dem, was ausgesagt wird. Beim Akt des Lesens bzw. Hörens wird also die Lehre Epikurs tatsächlich materiell aufgenommen (da ja auch Stimme und Schrift bzw. die simulacra der Buchstaben materiell sind) und ,weiterverarbeitet'.551 Dies verleiht auch den Metaphern, die den Text von De rerum natura als .Nahrung', ,Gewebe' o.ä. sehen, ein anderes Gewicht. Zwei Beispiele seien herausgegriffen: 1,412-418

usque adeo larsos haustus e fontibus masnis lingua meo suavis diti de pectore fundet, ut verear ne tarda prius per membra senectus serpat et in nobis vitai claustra resolvat, quam tibi de quavis una re versibus omnis areumentorum sit copia missa per auris. Sed nunc ut repetam coeptum pertexere dictis ...

Hier sind die akustische (lingua), taktile (largos haustus e fontibus, fundet) und gustative (suavis) Sphäre miteinander verknüpft; fundet und suavis bilden dabei eine Interaktion zwischen Bildspender und Bildempfänger, da beide einerseits etablierte Metaphern fur die Stimme bzw. Rede sind, andererseits in ihrer wörtlichen Bedeutung auf die aus den Quellen geschöpfte Flüssigkeiten (die ihrerseits natürlich wieder metaphorisch gemeint sind) Bezug nimmt. Diese Vorstellung wird gestützt durch die

Musik: 5.1406 flectere cantus (,modulieren', OLD 11); 5,1379ff.: at liquidas aerium voces ... (1380) ... levia carmina cantu ... (1384) dulcis ... querellas, /tibia quas fundit ...(1390) haec animos ... mulcebanf. zu fundere und Komposita von akustisch Wahrnehmbarem gesagt: 1,40 ... loquellas funde ...; 2,926 ... quod fudimus ante ...; 6,6 ex ore profudit: 4,585 ... tibia quas fundit. 4,589 fistula silvestrem ne cesset fundere musam; 4,931 verba profundam: 5,110 ... fundere fata: 6,401 sonitus ... profundit: acer von Akustischem: 1,275 ... acri cum fremitu ...; 3,953 voce ... acri\ an der oben S. 166 erwähnten Stelle l,643f. (über die ,mit Wohllaut geschminkten' Sätze Heraklits) findet sich auch eine taktile Synästhesie: quae belle taneere possunt / auris. 551

Vgl. zu dieser Überlegung vor allem Schiesaro 1994, 87f.

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192

,Menge der Argumente', die durch die Ohren geschickt wird,552 und die Darstellung der Wiederaufnahme der Lehrdichtung als ein pertexere.5" Ein weiteres Beispiel ist 3,10-12: ... tuis ... ex inclute chartis, floriferis ut apes in saltibus omnia libant, omnia nos itidem depascimur aurea dicta. Durch den Vergleich mit den Bienen wird depasci in seiner eigentlichen Bedeutung stärker aktiviert; das Aufnehmen der Lehren Epikurs deutlicher als tatsächlich physischer Akt dargestellt.554

4.5

Geschmacks- und Geruchssinn als Bildempfänger

Auch beim Schmecken ist stets ein taktiles Element vorhanden, da ja direkter Kontakt zwischen Speise und Geschmackssinn besteht. Der entsprechende Abschnitt im vierten Buch bei Lukrez ist allerdings nicht sehr reich an Metaphern. Das interessanteste Beispiel dort gehört streng genommen gar nicht in diese Rubrik, sondern in die entgegengesetzte (Geschmackssinn als Bildspender, Tastsinn als Bildempfänger); aber man kann hierin vielleicht eine besondere Form der Interaktion sehen: 4,622-4

hoc ubi levia sunt manantis corpora suci, suaviter attinsunt et suaviter omnia tractant umida lingual circum sudantia templa.

Lukrez beschreibt unter Umkehrung seines üblichen Prinzips taktile Vorgänge mit gustativem Vokabular, und auch dabei wird eine ganz alltägliche Metapher beim Wort genommen, ,süß' für ,angenehm', und auf den eigentlichen Zuständigkeitsbereich, nämlich den Geschmack, zurückgeführt. Hier aber ist es die falsche Ebene, nämlich die der Elementarteilchen. Die Übersetzer sind auch entsprechend zurückhaltend

552

copia argumentorum sonst nur noch in rhetorischem Zusammenhang: Cie. inv. 1,16; 2,16; de orat. 2,117. 141; Brut. 145; top. 65; Quint, inst. 5,10,100.125. 553 554

pertexere ist geläufige Metapher für das Dichten, vgl. Cie. Att. 1,14,3.

Vgl. noch die (nicht ungewöhnliche: OLD 6) Verwendung bemerkenswert freilich bei Lukrez wegen der Verbindung mit contingere in deinde qnod obscura de re tarn lucida parteo / carmina musaeo continsens Ob bei contingere hier mehr an Berührung (tangere) oder an ein Benetzen (tingere) gedacht ist, ist nicht entscheidbar.

von pangere, l,933f. = 4,8f.: cuncta lepore. oder Einfärben

Zur Funktion taktiler Synästhesien bei Lukrez

193

in der Nachahmung dieser ,Vertauschung' und bleiben meistens im Bereich des Taktilen.555 Weitere Beispiele: 4,625f. at contra puneunt sensum lacerantque coorta, quanto quaeque magis sunt asperitate repleta. Bei pungere gibt es eine ganz übliche übertragene Bedeutung .quälen' (s.o. S. 177 zu 2,420), die hier wörtlich genommen wird. 4,661 f. at contra quibus est eadem res intus acerba. aspera nimirum penetrant hamataque fauces. Bei dieser Interaktion von Bildspender und -empfanger bildet aspera die Brücke zwischen den beiden Bereichen, denn asper kann natürlich auch, wie acerbus, ,bitter' heißen; dadurch aber wird die asperitas von Speisen wieder auf die Rauheit der Urkörper zurückgeführt. *

Beim Geruch ist die entsprechende Abhandlung im vierten Buch (673705) für unsere Fragestellung nicht sehr ergiebig. Die Darlegung des Geruchssinns beginnt zwar wie die des Gehörs mit einer starken Häufung von Verben, die das Materielle der Wahrnehmung von Geruch betonen, mit einer besonderen Betonung des ,Fließens' der Gerüche; aber hier ist nicht so sehr der Einfluß etablierter Metaphern spürbar: 4,673-676 nunc age, quo pacto naris adiectus odoris tangat agam. primum res multas esse necessest unde fluens volvat varius se fluctus odorum, et fluere et mitti volgo spargiqueputandumst ... adiectus ist als Substantiv selten, vom Geruch sonst gar nicht belegt; zu tangere vgl. oben S. 178 zu 2,403; fluere und fluctus sind von Sinneswahrnehmungen nur bei Lukrez belegt,556 zu spargere s.o. S. 161,557 555 „Wenn die Körper des fließenden Saftes glatt sind, rühren sie alles sanft an und behandeln sanft alle Gebiete der Zunge, die ringsum Feuchtigkeit ausschwitzen" (Martin); „wenn darum sind glatt die Körper des strömenden Saftes, rühren sie mild alles an und mild behandeln sie alles ..." (Büchner); „Wo nun glatt sind die Stoffe des rinnenden Saftes, da gibt es milde Berührung ..." (Diels). 556

Vgl. auch 4,218 = 6,924 perpetuo penitus fluere atque recedere rebus odores 557

... fluunt certis ab rebus odores; 4,695f. nam /signifiat...

Weitere taktile Synästhesien mit dem Geruchssinn als Bildempfänger in De rerum natura (teilweise in Kapitel 3.5 bereits angeführt): 2,846 ... nec iaciunt ullum proprium de corpore odorem; 2,852 ... quam minime ut possit mixtos in corpore odores / concoctosque suo contractans perdere viro\ 3,327f. ... e thuris glaebis evellere odorem / haud facile est ...; 5,740 ... cuncta coloribus egregiis et odoribus opplet: 6,802 carbonum ... gravis vis atque odor insinuatur ...; 6,1154 spiritus ore foras taetrum volvebat odorem: 6,952f. ...

194

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4.6

Die ,inneren Sinne'

Unter diese Überschrift558 sollen einige Fälle subsumiert werden, bei denen bei der Beschreibung ,innerer', über die bloße Sinneswahrnehmung hinausgehender Vorgänge, z.B. der Vorstellung und des Denkens, aber auch der Wirkung bestimmter Emotionen, taktile Metaphorik zum Tragen kommt. Dies sind eigentlich keine Synästhesien im Sinne der im ersten Teil dieser Arbeit angestellten Überlegungen, da diese Übertragungen die Sphären der fünf Sinne verlassen. Aber für einen Epikureer ist die ,innere' Wahrnehmung keine prinzipiell andere als die Wahrnehmung äußerer Reize mit den Sinnesorganen: Beides erfolgt durch Elementarteilchen.559 Lediglich der Grad der Feinheit ist unterschiedlich: die simulacra, die für unsere Vorstellungen verantwortlich sind, sind besonders klein. Ansonsten aber nimmt das ,Auge der Seele' genauso wahr wie das wirkliche Auge,560 und die taktile Metaphorik, die auf diesem Gebiet etabliert ist, kann vom Dichter in der gleichen Weise nutzbar gemacht werden wie die synästhetischen Metaphern. Bereits in den ersten Versen der Passage, die sich besonders mit dem animus befaßt (4,722-822), wird deutlich, welche Rolle die Umdeutung gesunkener Metaphern bei Lukrez spielt: 4,722f. nunc age, quae moveant animum res accipe, et unde quae veniunt veniant in mentem percipe paucis. Hier wird die verbreitete561 Wendung in mentem venire wörtlich aufgefaßt; in der Tat impliziert ja auch das deutsche ,in den Sinn k o m m e n ' eine Bewegung von einem Ort zu einem anderen, ohne daß sich uns die Frage nach dem ,woher' aufdrängt. Lukrez stellt diese Frage und kündigt an, sie permanat odorfrigusque vaposque / ignis ... - Zu acer odor bei Lukrez s.o. S. 159 (4,123f. praeterea quaecumque suo de corpore odoretn / expirant acrem. panaces absinthia taetra ...; 6,791f. ... extinctum lumen ... acri/nidore offendit nares ...; 6,1217 acrem ... odorem). Die schon früh verbreitete Verwendung von acer in der .weiten' Übertragung (.heftig' u.a., s.o. S. 183 zur optischen Verwendung) legt auch hier nahe, daß der Leser beides, das unmittelbar Stoffliche und das Übertragene, vor Augen hat; ebenso würde im Deutschen das Adjektiv .stechend', wenn es in einem ähnlichen epistemologischen Kontext vorkäme, eine neue Aktivierung seiner Grundbedeutung erfahren. 558

Vgl. Schräder 1969, 113-125.

559

Vgl. oben S. 51 f.

560 Vgl. die Verwendung des Adjektivs sensifer, das im dritten Buch viermal (240, 245, 272, 379) nur auf die äußeren Sinnesorgane bezogen ist, sich aber auch zweimal (570, 924) auf die mens mitbezieht; siehe Brown zu 3,240. 561

31 Belege in Ciceros Briefen.

Zur Funktion taktiler Synästhesien bei Lukrez

195

zu beantworten, und er verleiht durch die Verdoppelung veniunt veniant dem Verb venire eine Emphase, die die Implikationen des ,Kommens' bewußt macht: , Woher „kommt" eigentlich, was uns (wie man so sagt) „in den Sinn kommt"?'562 Auch das in v. 722 verwendete movere animum kann im übertragenen Sinne563 und in epikureischer Umdeutung aufgefaßt werden als eine echte Form von ,Bewegung'. Ein ähnliches Beispiel ist occurrere, das im vierten Buch einmal auf geistige Vorstellungen bezogen wird: 4,781 f. anne voluntatem nostram simulacra tuentur, et simul ac volumus nobis occurrit imago? Dies ist eine besonders schöne Aktivierung der ursprünglichen Bedeutung von occurrere durch die Vorstellung, die simulacra befanden sich gleichsam in Warteposition, um im richtigen Moment, wenn sie von der voluntas aktiviert werden, loszumarschieren.564 Ebenfalls im vierten Buch wird beschrieben, wie sich der Geist während des Schlafes verhält: Seine Atome haben den Körper teils verlassen, teils sind sie in ihm verteilt (4,916-918: principio somnus fit ubi est distracta per artus / vis animae partimque foras eiecta recessit / et partim contrusa magis concessa in altum). Dieser Sachverhalt ist bereits im dritten Buch geschildert worden. Und dort wird auch gesagt, was passiert, wenn man plötzlich erwacht: 3,923-25

et tarnen haudquaquam nostros tunc ilia per artus longe ab sensiferis primordia motibus errant, cum correptus homo ex somno se collieat ipse.

se colligere ist eine in der Prosa gut belegte Wendung; sie meint, in teilweiser semantischer Überschneidung mit unserem ,sich sammeln': ,zur Besinnung kommen', ,sich erholen' (im Sinne von: ,den Geist auf 562

Die Kommentatoren gehen auf die Tatsache, daß hier eine ganz gebräuchliche Wendung wörtlich aufgefaßt wird, nicht ein, und die meisten Übersetzer ahmen dies auch nicht nach: „woher der Gedanke zum Denken gebracht wird" (Diels); „von wannen das, was kommt, in den Geist eindringt" (Büchner); „woher kommt, was in den Verstand eingeht" (Martin). 563

Ebenfalls - gerade auch für die ciceronische Prosa - sehr gut belegt, vgl. ThlL 8,1542,34-84. 564

occurrere im übertragenen Sinn ist natürlich überreich auch in der Prosa belegt, sowohl in persönlicher als auch in unpersönlicher Konstruktion, vgl. ThlL 9,396,69-398,8 „de eis, quae animo vel menti occurrunt". Zur Verwendung in einem epistemologischen Zusammenhang vgl. Cie. Luc. 25 quod si aliquid aliquando actururs est, necesse est id ei verum quod occurrit videri.

196

Zur Funktion taktiler Synästhesien bei Lukrez

Wesentliches konzentrieren').565 An dieser Stelle aber erhält sie durch den Bezug auf die verstreuten Seelenatome neues Gewicht: se colligere ist das .Einsammeln' dieser Seelenteilchen beim hastigen (correptus 566 ) Aufwachen.567 Es ließen sich noch weitere Beispiele dieser Art anfuhren.568 Aber mit der Ausdehnung der Untersuchung in diesen Bereich ergibt sich ein überaus weites Feld der Erforschung des Metapherngebrauchs bei Lukrez. Eine ausfuhrlichere Behandlung müßte im Rahmen von eigenständigen Überlegungen zur Verlebendigung gesunkener Metaphern bei Lukrez erfolgen und nicht mehr unter der Überschrift ,Synästhesie'.

4.7

Schlußbetrachtung

Es stellt sich die Frage, ob für Lukrez' Metaphernspiele dasselbe gilt wie zumindest nach Ansicht einiger Gelehrter - für seine morphologischen 565

ThlL 3,1614,69-1615,5; dort eine Fülle von Cicero-Belegen, nicht wenige aus den Briefen, u.a. Att. 9,9,1; ad Q. fr. 3,1,1. Daß es de orat. 1,24 heißt quasi colligendi sui causa, hat nichts damit zu tun, daß Cicero die Metapher wegen ihrer Kühnheit abschwächen wollte, sondern geht auf den ganzen dort ausgedrückten Gedanken, nämlich daß L. Crassus sich unter dem Vorwand, sich erholen zu wollen, auf sein Landgut begeben habe, während er in Wirklichkeit mit seinen Gesinnungsgenossen über die politische Lage sprechen wollte; vgl. Leeman / Pinkster z.St. 566

Auch corripere könnte man hier anführen, obwohl die frühen Belege (Plaut. Mere. 661, Ter. Hec. 365.376.518) eher ein hastiges Wegstürzen als ein Sich-Zusammenreißen belegen (ThlL 4,1041,34-47). Vgl. auch Norden zu Aen. 6,472 (Dido / tandem corripuit sese atque inimica refugit). 567

Cicero erklärt in Tusc. 4,78 ebenfalls die Bedeutung der Metapher, wenn auch nicht atomistisch: ... dum se ipsi colligant (quid est autem se ipsum colligere nisi dissupatas animipartis rursum in suum locum cogere?) ... 568

Erinnert sei nur an die häufige Verwendung von Komposita von quatere, die auf .innere' Vorgänge bezogen werden, z.B. 1,19 ... omnibus ineutiens ... amorem; 2,886f. ... quid id est, animum quod percutit ipsum ...; 6,769-772 prineipio hoc dico, quod dixi saepe quoque ante, / in terra cuiusque modi rerum esse figuras; / multa eibo quae sunt vitalia, multaque morbos / ineutere et mortem quae possint adcelerare (zu ineutere als geläufige Metapher für „incorporalia" vgl. ThlL 7i,l 101,33-1102,41; zu percutere ThlL 10|,1246,31ff. [Prosabeleg u.a. Cie. Brut. 305 me dolor ... percussit]). - Ganz in unserem Sinne argumentiert auch Brown zu 4,1135 animus se remordet: „a common metaphor (cf. ... Tusc. 4,45, morderi conscientia, ThlL 8.1486.60ff. ...), but the idea of the mind gnawing itself is more vivid than usual and the prefix adds an extra nagging quality ..." Wir würden nur hinzufügen, daß der beschriebene Prozeß für Lukrez tatsächlich materiell ist, und daß die „extra nagging quality" genau dies unterstreichen soll.

Zur Funktion taktiler Synästhesien bei Lukrez

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Wortspiele, ob nämlich diese Phänomene mehr sind als eine bloße Illustration von Argumenten. Die oben (S. 168) erwähnte Aufforderung Epikurs, bei jedem Wort das πρώτον εννόημα zu beachten, mag, wenn dieser schwierig zu deutende Satz sich auf Metaphern beziehen läßt, besonders im Fall der taktilen Synästhesien zutreffen - die wörtliche Bedeutung der Metapher fuhrt zur Beschreibung der tatsächlichen Zusammenhänge, und die Beachtung des πρώτον εννόημα leitet den epikureischen Eleven dazu an, die den Wörtern zugrundeliegenden Konzepte und damit die Wahrheit zu erkennen. Aber andere von Lukrez benutzte Bildfelder stützen die epikureische Lehre weit weniger gut, und vielleicht ist bei der immer weiter getriebenen Analogisierung, ja geradezu Identifizierung von rerum natura und De rerum natura, von Welt und Werk über die Welt, eher Skepsis angebracht.569 Dennoch fühlt sich der Interpret bei Lukrez zu Deutungen berechtigt, fur die er sich bei anderen Dichtern den Vorwurf der Überinterpretation einhandelte. Das effektvolle Spiel mit der Sprache,570 verknüpft mit dem Bekenntnis der Schwierigkeit im Umgang mit dem patrius sermo,m lenkt die Aufmerksamkeit sehr stark auf die genaue sprachliche Realisierung des lukrezischen Projekts. Zudem ist durch den ,Experimentalcharakter' von De rerum natura mit einer weniger stark verfestigten Rezeptionshaltung zu rechnen, als das bei anderen Beispielen römischer Dichtung der Fall ist; von Anfang an ist dem LukrezLeser klar, daß er etwas nie Dagewesenes vor Augen hat, ein nie in der Dichtung und nie in lateinischer Sprache dargestelltes Sujet, und deshalb wird seine Aufmerksamkeit auch für sprachliche Details hoch gewesen

569

Dies betrifft insbesondere die ,atomology=etymology'-Richtung in der Lukrezdeutung, die auf einen Zusammenhang zwischen der Anordnung der Buchstaben in Wörtern in De rerum natura und der atomaren Struktur der Welt hinausläuft; zwar vergleicht Lukrez Buchstaben mit Atomen (Lucr. 1,820-827), aber die Weise, in der beispielsweise Deutsch 1978 und Snyder 1980 diese Analogie fur die Deutung des Gedichts nutzbar machen, kann nicht überzeugen; vgl. die Kritik von David West in West 2 1994, VI und in der Rezension zu Snyder 1980 (Classical Review 32, 1982, 25-27). Dagegen ergibt sich bei Schiesaro 1994 die Analogie zwischen Gedicht und Welt aus der plausiblen Grundannahme, daß das Gedicht tatsächlich ein physisches Element unserer Welt ist und die simulacra, die sich beim Lesen des Gedichts und dem ,Sich-Vorstellen' dessen, was man liest, einstellen, ebenfalls real sind. Dieser Annahme kann man nicht widersprechen, sie ergibt sich aus der epikureischen Physik. Aber wie weit man sie zur Interpretation des Gedichts nutzbar machen kann, ist eine andere Frage. 570 Erinnert sei an den Einsatz von Tmeseis zur Illustrierung von physikalischen Unterbrechungen' (vgl. Hinds 1987). 571 Lucr. 1,832; 3,260. Dieses Bekenntnis soll natürlich vor allem eine Folie für die Leistung des Dichters abgeben, vgl. Fögen 2000, 61-76.

Zur Funktion taktiler Synästhesien bei Lukrez

198

sein; wer einem Dichter durch avia loca nullius ante trita solo572 folgt, beobachtet genauer. Zur Erklärung des lukrezischen Metapherngebrauchs erscheint es am sinnvollsten, noch einmal an den didaktischen Grundzug des Gedichts zu erinnern. So sehr er immer wieder herausgestellt wird, so häufig gerät er bei der Beschäftigung mit Einzelproblemen wieder in den Hintergrund vielleicht wegen der schlechten Quellenlage, die uns zwingt, De rerum natura wie ein normales doxographisches Werk zu lesen, gleichsam als ein Surrogat für Epikurs Περί φύσεως. Aber wie sehr De rerum natura auch von dieser Abhandlung abhängt,573 es ist ein anderes Werk mit einem anderen Adressatenkreis. Es mag sein, daß ein Exemplar des Gedichts in Philodems Bücherschrank stand,574 der intendierte Leser ist er aber ganz sicher nicht. Dafür weiß er bereits zu viel.575 Wenn oben (S. 176f.) von zwei Ebenen die Rede war, der sichtbaren und der unsichtbaren, atomaren Welt, dann entspricht dieser Gegenüberstellung in anderer Akzentuierung die Opposition zwischen der traditionellen' und der epikureischen Weltdeutung. Und hier liegt Lukrez' eigentlicher Kunstgriff, die Welt, wie ,Memmius' sie kennt, und die Welt, wie Epikur sie erklärt, zusammen anklingen zu lassen, im didaktisch klugen Erklären der ersten durch die zweite. Und wie jeder gute Lehrer entfaltet Lukrez nicht einfach nur den neuen Stoff vor seinem Schüler, sondern geht auf ihn zu und holt ihn in seiner Welt ab; zu dieser Welt gehört aber auch nichtepikureischer Sprachgebrauch. Das Spiel mit der Metapher ordnet sich dann ein in den öfter konstatierten Grundzug von De rerum natura, der dem üblichen Ethos des Lehrgedichts widerspricht: nicht das Wunderbare und Staunenswerte soll herausgestellt werden, sondern es wird vielmehr das gar nicht Staunenerregende, das völlig Folgerichtige, mit gar nicht so großer Anstrengung Einsichtige des vor dem Leser Ausgebreiteten betont (nec mirum, necesse est u.ä. sind die Schlüsselwörter).576 Deshalb muß auch der Metapherngebrauch bei Lukrez nicht ausschließlich im Rahmen epikureischer Semantik gesehen werden, wie überhaupt das ganze Gedicht nicht ausschließlich mit epikureischer Sprach- und auch Dichtungsauffassung abgeglichen werden muß. Dies ist 572

Vgl. Lucr. 1,926f.

573

Fast ausschließlich nach Ansicht von Sedley 1998.

574

Vgl. Kleve 1989.

575 Vgl. Sier 1998, 102: „Der werbende Charakter der lukrezischen Dichtung ist auf einen Rezipientenkreis berechnet, dem die Lehre Epikurs gerade erst erschlossen werden soll". 576

Vgl. Conte 1994, 161.

Zur Funktion taktiler Synästhesien bei Lukrez

199

nicht eine neue Variante des berüchtigten ,Anti-Lucrece chez Lucrece', sondern ein zwangsläufiger Effekt des didaktischen Projekts, das De rerum natura verwirklichen soll.577 Es sei noch auf einen letzten Aspekt hingewiesen, der sich im Verlauf der Untersuchung angedeutet hat, aber letztlich nicht beweisbar ist. Wir haben gesehen, daß für Lukrez eine aus seiner philosophischen Position und seiner didaktischen Intention ableitbare Technik im Umgang mit synästhetischer Metaphorik feststellbar ist; gleichzeitig hat Lukrez auf seine Nachfolger, und hier vor allem auf Vergil, starken Einfluß ausgeübt, und dies auch auf dem Gebiet der poetischen Technik und der Metaphorik. Wir haben im dritten Kapitel bisweilen feststellen können, daß Vergil taktile Synästhesien direkt von Lukrez übernimmt.578 Die weitere Wirkung in der nachaugusteischen Dichtung konnte ebenfalls zumindest angedeutet werden. Es ist eine interessante Vorstellung, daß der Bestand an taktilen Synästhesien in der nachlukrezischen römischen Dichtung, als festes Element im Repertoire der lateinischen Dichtersprache, zu einem Teil direkt auf eine poetische Technik des Lukrez zurückgeht, die in fundamentaler Weise mit dessen Philosophie verknüpft ist; dies wäre ein schwaches, aber nicht uninteressantes Element epikureischen ,Nachlebens'.

577 Vgl. hierzu auch die Deutung des Venus-Hymnus im Proöm des ersten Buches in Sier 1998, 103: „Mein Interpretationsvorschlag geht dahin, daß der Epikureer das traditionelle religiöse Denken sozusagen beim Wort nimmt, um sich mit dem unbewußten Gehalt dieses Denkens zu verbünden." 578

Z.B. Lucr. 2,144 - Aen. 4,584 spargebat lumine terras; Lucr. 4,375 - georg. 2,432 lumina fundunt. Vgl. auch die Listen im Anhang bei Giesecke 2000, 181-194. Natürlich kann hier auch der Einfluß eines gemeinsamen Vorbildes (v.a. Ennius) nicht ausgeschlossen werden.

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OLD PCG ThlL DK

Lateinische Werke werden nach dem ThlL, griechische nach dem ,Lexikon der alten Welt' (hg. von C. Andresen, H. Erbse u.a., Zürich 1965) zitiert; zu den Ausnahmen vgl. das Stellenregister S. 220ff.

Textausgaben, Übersetzungen, Scholien, Kommentare Kommentare werden nur mit dem Herausgebernamen zitiert; sie sind im folgenden nach den kommentierten Autoren geordnet. - Unkommentierte Textausgaben sind nur aufgenommen, wenn die Textgestaltung von Bedeutung ist. Accius: L. Accio, I Frammenti delle tragedie, a cura di Vincenzo D'ANTÖ, Lecce o.J.

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Lateinisches Wortverzeichnis

abluere abrumpere accidere acer acerbus adbibere adiectus advolare alimentum allabi alligare altus amarities amarus amictus amplecti apportare argutus aridus arridere arrigere articulare articulatim asper asperitas ater audire bibere bibulus cachinni

183f. 154 182f., 190 139f., 159, 162, 183 94-97, 177, 179, 193 130 193 132 110 132 125 A.362 74 97 94-97 114 124 190 A.550 86 140 92 lOlf. 188f. 188f. 162, 177, 179, 186f., 193 187f. 75 82-85 113f., 129f. 130 92

caecus 70-74 capere 106, 128 captare 128 cassus 183 circumvolare 123 clamare 86f. clarescere 76f. clarus 76f. colligere 195f. 124 complecti complere 134 comprehendere 107 compungere 177 concentus 89 A.262 concipere 128 A.366 confundere 190 confusus 190 conicere 103 conserere 121f. conspicere 59 contingere 138 conturbare 188 convestire 119f., 125, 170 124 cooperire corridere 92 corripere 181f., 195 cruentus 77 currere 132 deferre 144 defigere 104 f. defundere 161

Lateinisches Wortverzeichnis densus depasci depellere deponere

126 192 124

ferreus

105 A.305

flectere fluctus

deprehendere 107 detrahere 114 A.328 devolvere 157f. devorare diffundere digerere dimittere dimovere

129 161, 184 359 A.359 102

dirigere discolor

lOlf.

figere figurare

fluere fluitare

217 140 104f. 177, 188f. 144 f. 193 193 181

fons formare fractus fragilis fragosus

185 A.530 188f. 141 141

Iii.

fucare fiindere

discutere dispellere

123 124

fuscus

166 115f., 145-49, 170, 183, 191 f. 72

dissipare diverberare ducere dulcis

120

durus ebibere ecce edere effercire efflare effiindere emicare eminere emittere en erumpere excutere expleri

124

123 114f. 94-96, 129 140

gravis gustare haerere harmonia

129 A.373

haurire haustus

59 A.171 129 122f.

iactare

115 115f., 145-149 78 A.225 78 149f., 188 59 A.171 122 136 111

exprimere exsurdare

188 90

ferire ferre

137, 182 A.521 102f., 143f.

iacere

icere ictus imago impellere implere incendere incidere increpare incutere inficere inflectere ingerere inserere insinuare

141

126, 141 f., 159f. 98f. 105f., 133 167 U l f . , 130f. 146, 191 103, 116f., 150f., 160, 190 A.550 116f., 150f„ 160, 185 137 120f. 78 137f., 180f., 186 134-136 78f. 190 88 196 A.568 181 144f. 151 105 A.305 186f.

218

instillare intendere intentare interrumpere intrara involvere ire irrigare lapis lenis levis levor liquidus loquax loqui meare miscere mittere mollis movere mulcere obducere obsignare obtundere occurrere odor olere onerare operire opplere pabulum pangere pascere patefacere pellere pendere penetrare percipere

Lateinisches Wortverzeichnis 130 103f., 155f. 157 185 A.530 133 A.380 120, 126 131 185 A.530 136 142 127, 142, 192f. 187f. 79f. 85f. 85f. 132 151f., 160 149f. 127, 142f„ 160, 162 194f. 133f., 177f. 124 A.361 189f. 190 195 98 A.292 97f. 136 124 135, 170 110 192 A.554 109f., 169f., 178f. 122 138 A.394 105, 169f. 132f. 184f.

percontrectare 107 percurrere 132 percutere 121, 138, 196 A.568 perfundere 170, 181f. permanare 161 permulcere 134, 177f. perstringere 138 persuadere 88 A.260 pertexere 191f. 94 pinguis plenus 143, 184 A.524 portare 152 praecontrectare 107 prehendere 107 premere 125, 152f. profundere 146, 148 104 protendere pungere 177, 193 rädere 139 A.397, 186f. rapere 108 reddere 182 144 referre reicere 182, 190 A.550 repellere 182 repercutere 121 replere 135, 183f., 193 retegere 122 retexere 122 ridere 91-93 rigare 184 154 rodere rumpere 122, 154f. 109 satiare serpere 132 silens 87 A.257 spargere 117-119, 125, 155, 161, 170 spirabilis 119 spirare 119, 160f.

219

Lateinisches Wortverzeichnis

spissus spoliare suaviloquens suavis suffundere surdus tacere tangere telum temptare tendere tenuis tergere titillare tollere torquere torvus trahere

127 183f. 96 A.285 192f. 116 89f. 87 138, 191 A.550, 193 120 128 A.367 103f., 155-57 143 139 178 143 f. 157 79f. 114f.

traicere transire transvolitare hindere usurpare vastus venire verber verberare vesci vestire videre / -ri visere vocare volare volutare volvere

103 190 A.550 190 A.550 139 180f. 143 194 f. 120f., 136 120f., 136 108f. 119f., 125 46-70 50f. 87f. 123, 132 157f. 120, 126, 157f.

Stellenregister

Accius trag. 189 223-25 254 449 Aetna 402 Afranius com. 266 Aischylos Eum. 254 Pers. 395 Prom. 21f. sept. 100 103

108 80 189 190

154 154 154

150 A.423

Aristoteles De an. 420a28 15 420b 1-4 15 421al2-14 97 A.289 sens. 445a4ff. 46

91 A.269

Arnobius nat. 4,5

118 A.341

79 A.229 50 A. 152 16 16, 25 A.69, 50 A. 152

Alexis (PCG 224) 3f. 50 A. 152 Ammianus Marcellinus 15,5,24 132 16,7,1 132 Anthologia Latina (Riese) 389,9 118 Apuleius Plat. 1,6

equ. 626 nub. 357 960

107

Aristophanes av. 1715f. 50 A. 152

103

Augustinus civ. 2,4 conf. 10,54 epist. 147,2,7 Io. ev. tr. 121,5

47 A. 140

Ausonius 163,26

183

Bell. Afr. 26,4

102, 105 A.305

Buc. Eins. 2,1 If.

125

78 47 47 A. 140

Caelius Aurelianus chron. 1,4,123 78

221

Stellenregister

Caelius Cie. fam. 8,4,4

151 A.425

Caesar Gall. 5,12 5,33,6 5,37,3

98A.292 134 144 A.409

Calpurnius Siculus ecl. 2,17 74 4,150 79A.231 Carm. adv. Marc. 5,36 135 Cato agr. 40,1 87A.257 104,1 162 109 162 157,1 162 157,16 130 orat. (Cugusi) 84 145 A.412 Catull 4,20 6,7f. 17,25 27.2 31,13f. 48,1 51,3-5 51,5 54.3 61,6f. 61,54f. 61,212 62,9 63,22 63,24 63,56 63,74f. 64,69f.

87 86f. 159 97 92 96 92 A.271 96 142 95 A.282 128 96 50f. 141 140 A .400 102 132 106

64,87f. 64,89f. 64,125 64,166 64,202 64,207f. 64,262 64,267f. 64,273 64,284 64,321 65,13 66,20 68 68,72 80,7f. 84,8 Celsus 2,30,2 4,7,4 6,7,9 Cicero ad Q. fr. 3,1,1 agr. 1,24 Arat. 51 110 205 262 313 331 332 369 440 458 473 477 479 Att. 1,14,3 2,14,1 2,16,1

95 A.282, 161 161 A.460 146 149 146 121f. 143 111 142 91 f., 159 146 126 80 96f. 86 A.253 87 A.254 142 70 A.197 162 190 A.548

196 A.565 31 A.87 116 119 A.343 119 119 103 116 119 183 119 116 119 124 A.361 119 192 A.553 129 A.372 177 A.502

222

3,8,2 3,15,2 7,3,2 8,1,4 9,9,1 13,47,1 16,7,5 Brut. 83 145 305 Cael. 14 Cat. 4,11 4,14 Cato 47 49 Clu. 20 div. 1,61 fam. 6,14,2 15,16,2 fat. 10 fin. 1,39 1,59 2,65 4,10 4,55 Flacc. 6 26 69 Font. 43 inv. 1,16 2,16 2,171

Stellenregister

172 A.494 172 A.494 129 A.369 139 196 A.565 138 145 A.413 96 192 A.552 196 A.568 104 A.303 49 150 178 A.505 110 104 A.303 188 142 182 A.521 144 A .409 178 A.505 172 A.494 87 A.254 145 A.413 87 A.254 150 103 145 A.413 105 A.305 192 A.552 192 A.552 49 A.148

leg. 1,27 Luc. 25 51 80 88 Man. 66 Mur. 45 nat. deor. 1,66 1,113 2,49 2,91 2,95 2,119 2,136 2,146 off. 2,63 opt. gen. 14,5 de orat. 1,24 1,251 2,33 2,95 2,98 2,117 2,141 2,158 2,193 2,282 2,315 3,24 3,29 3,31 3,34 3,44 3,98 3,160f. 3,162 3,179

86 A.251.253 195 A.564 49 57 A. 166, 103 50 104 A.303 132 146 A.415 178 A.505 184 A.524 119 184 A.527 89 A.262 187 A.535 72 A.207, 140 178 A.505 189 196 A.565 141 49 A.148 142 189 192 A.552 192 A.552 177 A.502 145 190 134 107 A.310 190 143 189 97f. 186 46, 98 A.291 108 189

223

Stellenregister

3.216 3.217 3,219 orat. 56 57 59 8 If. 97 163 168 Phil. 11,10

72, 140A.400, 141, 144, 155, 188 A.540 190 145 A.413 145 141 155 31,37 189 134 48 111

12,5 123 p. red. in sen. 13 153 A.435 Rab. perd. 18 142 rep. 1,9 136 A.391 4,9 124 A. 124 6,1

6.17 6.18 Rose. 20 60 Sest. 23 107 123 Sull. 23 30 top. 65 Tusc. 1,64 2,24 3,3 3,47 4,45 4,60 4,77

128

184 A.524 134 98 A.290 177 A.502 129 A.368 190 189 150 153 A.434

4,78 5,111 Vat. 4 Verr. II 1,150 4,2 5,35 5,65 5,160

196 A.567 98 190 87 182 103 109 98 A.291

Cie. fil. Cie. fam. 16,21,2 49 A. 148 Ciris 92 182

149 69f.

Claudian 17,187 85 A.248 carm. min. 29,38f. 77 Columella 2,10,12 87 A.257 Copa 9f.

59 A. 171

Culex 108 157

126 126

Cyprianus Gallus los. 165 109 Demetrios Lakon [Περί ήλιου μεγέθους]

192 A.552 124 143 78 178 196 184 142

(Cron. Ere. 9,1979, 11 ff.) col. 20 57 A. 165

A.408 A.505 A.568 A.525 A.405

Demokrit (68DK) Al 19 180 A.510 A129 176 Bll 46 A. 138

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224 Diogenes Laertius 10,13f. 168 10,28 176 A.498 10,38 168 Ennius ann. (Skutsch) 3 49f. 93 80 113 96 A.285 280 95 304f. 96 A.284 132 409 144 428 446f. 91 481 53 544 146 146 553 555 76 A.221 122 572 606 115 trag. (Jocelyn) 32 108 394 135 Epikur Περί φύσεως

fr. 13 col. V 6 inf. 168 A.480 epist. Her. 72 168 A.481 Euripides Hek. 175 f. Hik. 710 Kykl. 153f. Phoen. 1377

79 A. 229

Gellius 5.7.2 7.4.3

76 103 A.301

Germanicus Arat. 37

138

15 154 50 A.152

Hesiodos Theog. 39-42

91 A.269

Hirtius Gall. 8,8,3

182

Homer II. 2,490 3,152 8,1 11,lf. 11,53lf. 16,361 19,362f. 21,415 23,227 24,695 Od. 1,58 1,115 5,1 f. 9,166f.

140 16 117 117 85 50 A.152 91 A.269 103 A.300 117 117 16 16 117 50 A.152

Horaz ars 113 144 349 140 A.400 381 144 390 149 carm. 1,4,16 125 1,7,17-19 162 1.7.20 126 1,9,2-3 83 A.241 1,12,1-3 139 1,12,4 78 1,14,3-6 66 1,24,3 79 1,34,15 140 A.400 1,36,18 105 A.305 2,l,17f. 138 2.1.21 49 2,4,65 94 A.280 2,6,13f. 92f.

225

Stellenregister

2,8,24f. 77 2,13,22-27 67 2,13,30-32 129 2,15,5-8 161 2,15,9f. 120f. 2,16,34 144 3,4,3 140 A.400 3,10,5-8 82f. 3,11,2 131 A.376 3,11,7 128 A.365 3,ll,23f 133 3,12,3 136 A.391 3,29,29f. 125 4,l,6f. 143 4,2,1 Of. 158 4,3,18 96 A.285 4,11,6 93 epist. l,2,67f. 130 1,6,14 105 1,7,27 96 A.285 1,7,78 67 1,8,16 130 1,15,13 85 1,16,26 134 1,18,71 132, 150 2,1,146 148 epod. 2,1 lf. 66 5,45f. 131 A.376 5,83-86 149f. 142 5,83f. 5,85 155 5,86 149 6,7 128 A.365 6,9 134 11,26 142 16,21 f. 88 17,53 148 17,59 134 17,78 131 A.376 sat. 1,4,76 96 A.285 1,5,11 151 2,l,57f. 123

2,2,24 2,5,53 2,6,57f. 2,8,38 2,8,77f.

139 108 74 90 51 A. 154, 66

Hymn. Horn. Dem. 14f. 91 A.269 Isidor orig. 10,269 Juvenal 1,69 162 6,36521 110 A.318 7,71 90 10,341 138 A.396 13,192-95 90 Kallimachos (Pfeiffer) fr. 757 143 A.407 Livius 1,18,7 106 2,36,2 62 A. 179 2,45,10 151 3,10,6 61A.177 6,11,9 136 A.389 9,7,3 105 9,17,14 106 10,42,2 48 27,51,1 111,130 29.27.7 123 30,2,12 118 34.12.8 135 41,21,13 118 Lucilius 601 1005f. 1102

113 A.326 139 A.399 149

Lukan 1,532 118 3,592-94 85 A.248 4,20 107

226

Stellenregister 6,483 6,729 6,744 6,826 7,214 9,927

138 155 121 115 121 157 A.447

Lukrez l,7f. 95 A.282 1,8 92 1,10 122 1,19 196 Α.568 1,36-40 169 1,36 109 l,39f. 146, 191 A.550 1,66f. 103 1,130f. 51 A.158 1,146-48 123 1,147 120 1,246f. 183 l,255f. 52 1,262 53 A.161 l,275f. 139, 191 A.550 1,298-304 180 1,346-57 52 l,354f. 132, 190 A.550 l,358f. 52 1,364 52 1,412-18 191 l,412f. 146 1,489f. 132, 190 A.550 1,532-34 52 1,542 53 A.161 1,641-44 166 1,643f. 138, 191 A.550 1,663 117 1,832 197 A.571 1,926f. 198 A.572 1,933f. 192 A.554 1,945f. 96A.285 2,1-8 39A.128 2,16-18 52f. 2,32 92 2,60 120 2,112 51 2,114f. 116 A.335, 184 A.528

2,144-48 170 2,144 117, 199 A.578 2,146 79, 135, 190 A.550 2,147f. 116 A.335, 119, 184 A.528 2,21 Of. 121 2,318f. 87f. 2,327f. 137, 150, 190 A.550 2,358f. 134, 190 A.550 2,398-435 173-180 2,404 53 2,418f. 109 2,422 134 2,434f. 169 A.485 2,451-52 179 2,461 53 A.161 2,464 53 2,471-73 53, 179 2,502 92 2,679f. 53 2,705 119 A.343 2,800 121 2,806 114 A.328 2,808 120 2,810-12 172 A.492 2,822f. 117 2,832f. 115 2,834f. 149 2,846 160, 193 A.557 2,852 160, 193 A.557 2,886f. 196 A.568 2,905 53 A.161 2,926 191 A.550 2,983 92 A.275 92 A.275 2,986 2,1024f. 190 A.550 2,1038f. 109 2,1122 53 A.161 3,10-12 192 3,22 92 3,39 184 A.528 3,92 120 3,130-35 167 3,152-56 53 3,252f. 183 A.523

Stellenregister 3,260 197 Α.571 3,304 184 Α.528 3,327f. 193 Α.557 3,597f. 171 Α.489 3,902 51 Α.158 3,923-25 195 3,93 If. 149 3,953 139, 191 Α.550 3,984-94 172 4,8f. 192 Α.554 4,20f. 96 Α.285 4,75-83 181 4,82f. 92 4,83 114 A.328 4,90f. 161 4,104-7 182 4,123f. 94 A.280, 159, 161 194 A.557 4,125 160 A.458 4,161 f. 184 A.524 4,180 96A.285 4,218 193 A.556 4,235f. 182 4,304-6 183 4,359-64 53f. 4,368-378 183 4,368 114 A.328 4,375 116 A.335, 184, 199 A.578 4,377 114 A.328 4,379-468 56ff. 4,424 103 4,464-6654 4,486-96 165 4,490f. 54 4,517 89A.264, 167 4,524-29 186 4,542 132 4,543 141 4,547-62 188 4,547f. 150 4,55 If. 187, 190 4,558 189 4,563f. 149 4,565-69 189f.

227 4,571 78 4,577 54 4,578 150, 190A.550 4,583 155 4,584 96 4,585 146, 191 A.550 4,589 191 A.550 4,598 55 4,605f. 118 4.612f. 190 4,622-24 192 4,625f. 193 4,633-35 55 4,637 183 A.523 4,640 183 A.523 4,66 If. 193 4,673-76 193 4,675f. 161 4,695-97 55, 193 A.5i 4,706-9 183 A.523 4,716 183 A.523 4,722f. 194 4,728f. 185 4,750f. 52 4,78 If. 195 4,795 150 4,875f. 184 A.525 4,909 96 A.285 4,916-18 195 4,931 191 A.550 4,981 79 4,99 If. 149 4,1017 134, 190 A.550 4,1052 185 4,1054 185 4,1063 110 4,1078 104 A.303 4,1083 173 A.495 4,1092-96 109 4,1102 109 4,1117 173 A.495 4,1125 92 4,1139 103 4,1142f. 107 4,1157 92 A.275

228

Stellenregister

5,29 119 A.343 5,33 97 190 A.550 5,100 5,110 191 A.550 5,148f. 51 A.158 5,226 190 A.550 122 5,267 5,281-287 185 Α.530 5,302f. 117 5,389 122 5,484f. 120 5,573 116 A.335, 184 A.528 5,575f. 117 5,590-603 185 A.530 122 5,598 124 5,650 5,719 183 5,739f. 119 5,740 193 A.557 5,757 183 5,767 116 A.335, 184 A.528 5,857 53 A.161 5,900 183 A.523 5,981 114 A.328 5,992 135, 190 A.550 5,1005 92 5,1028f. 149 5,1043f. 150 5,1066 134, 190 A.550 5,1073 55 5,1081 150, 190 A.550 5,1088 150 5,1103 f. 120 5,1169f. 51 A.158 5,1173f. 149 5,1189 126 5,1189-93 55, 157A.447 5,1221 132, 190 A.550 5,1317 133 A.383 5,1379 79 5,1380 191 A.550 5,1384 146, 191 A.550 5,1390 191 A.550 5,1395 92 5,1397 96

5,1403 96 5,1405f. 145, 191 A.550 6,6 191 A.550 6,40 120 6,112 141 6,119 139f. 6,142f. 141 6,199 149 6,221 160 A.458 6,228f. 190 A.550 122f. 6,256-58 6,303 132f. 6,401 146, 184 A.528, 191 A.550 6,479 116 A.335, 184 A.528 6,490f. 124 6,617f. 55 6,769-72 196 A.568 6,777 132 6,783 126 6,791 f. 194 A.557 6,794 160 A.458 6,802 160 A.458, 193 A.557 6,806-10ι 55 6,864 124 6,869 120 6,920 128 A.365 6,921 53 A.161 6,924 193 A.556 6,952f. 161, 194 A.557 6,974 183 A.523 6,994 55 6,1134 114 6,1154 194 A.557 6,1185 190 A.550 6,1217 159, 194 A.557 6,1244 151 Lygdamus 3,3,1

135

Macrobius Sat. 6,6,8

77

Manilius 2,514

102

Stellenregister 3,194

124 Α.361

Martial 4,35,6 53 8,53,9f. 125 9,68,3 155 Meleager AP 12,63,1 87 Minucius Felix 32,6 185 A.530 Montanus carm. frg. l,lf. 118 Naevius trag. 23

96 A.284

Nepos Hann. 5,2

124 A.361

Nonius 233,17 334,16

79A.230 79 A.230

Obsequens 14 46 60a

61 A.175 61 A. 175 61 A.175

Ovid am. 1,2,27 1 4 17

106

' ' 1,4,19 1,7,21 1,13,8

86

1 13 16

88

86 86 79

' ' 88 ' ' 2,1,23-29 131 A.376 1 13 24

2 4 25

145 ' ' 2,5,15-17 86,87 2 16 35

88 ' ' 2,19,19 108 A.313

229 3,2,6 3,2,83 3,3,9 3,15,17 ars 1,137 1,369 1,452 1,500 1,539 1,551 1,574 1,663 1,721 2,159f. 2,284 2,450 3,513 3,580 3,648 epist. 3,11 3,59 4,7f. gl

^ 17,89f. 18,77 fast. 1,77 1,78 1,155 5,434

110 86 86 88 86 143 88 86 154 157 86 152A.428 68 152 A.430 96 A.285 157 143 152 A.428 125 103 138 A.396 133 A.382 ,48 g6

86 121 A.349 120 118 134 127

6 3 4 3

141

6,513

134

met 1 70

125

1 211

138

1,338 1,348f.

135 68,74

1 390f

133

1,567

69 A. 196

1 708

143

1,709

96 A.285 153A_434

1 J 1 5

230

Stellenregister 1,731-33i 68,69A.196 2,84f. 115 A.331 2,93f. 105 A.305 2,110 121 A.349 2,119 115 A.331 2,154f. 134 2,155 115 A.331 2,236 115 2,371 f. 134 2,373 143 2,409f. 105 2,578f. 138 2,601 f. 157 2,744 152 2,815f. 151 3,38 149 3,179f. 134 3,183 121 3,224 140 A.400 3,246 106 3,376 143 3,381 102 3,385 78 3,434 121 A.349 3,478f. 110 3,482 115 3,485 115 3,550 84 A.243 3,568f. 68 3,706f. 137 4,63 86 4,70 132 4,77 132 4,196f. 105 4,241 120 4,402-4 68f. 4,412f. 150 4,735f. 134 4,778 141 121 A.349 4,783 5,153 134 5,336 127 5,380-82 85 5,389 121 121 6,63f.

6,478 107 6,480f. 110 6,547 134 7,528 127 7,86f. 105 7,114 134 7,245-48 148 7,414 134 106 7,780 7,804 121 7,835 124 8,1 f. 122 8,356 119 A.343 8,447f. 134 9,93 121 9,165 134f. 9,207-9 68 9,368-70 148 9,584 137 9,643f. 68 9,686-88 69 A. 194 9,692 153 9,764 153A.434 9,782 69 A. 195 9,795 122 A.354 10,252f. 112 10,281 68 10,301 133 10,359 105 10,594f. 115 10,595f. 119 10,642 144 11,4f. 68 11,169f. 96 A.285 12,42 133 12,56 135 12,203 141 12,215 59A.171 12,336 133 A.379 12,426f. 131 12,469 148 12,527-29 68 13,306 149 A.419 13,456 105 13,539f. 148 A.419

Stellenregister

13,541 105 13,675f. 135 13,689f. 68 13,772-75 108 13,787f. 131 14,43 152 14,309 131 14,372f. 106 14,393 115 14,409-11 68 14,428f. 148 14,429 149 A.419 14,498 143 14,525f. 97 A.287 14,537 134 14,728 110 14,820f. 88 15,32 68 15,63f. 113 15,65 121 A.350 15,497 138 A.396 15,508-10 69 15,527 68 15,607 78 15,657 150 15,670 149 15,779f. 151 Pont. 2,6,32 90 4,4,19 135 4,9,125 138 trist. l,2,15f. 149 2,1,453 86 3,5,13f. 130 4,2,29 105 4,2,65 106 4,8,2 119 4,10,87 138 A.396 Pacuvius trag. 37 395

80 133 A.383

Paneg. in Mess. 68 127 Persius prol. 12-14 97 A.288 1,17f. 79 A.231 1,20f. 133A.380 1,34f. 149 A.421 1,99 81 A.237 1,107f. 139 A.397 3.80 105 A.305 3.81 154 4,33 121 A.348 4,50 130 5,33 118 6,3f. 156 A.442 6,27-29 90 6,34-36 90, 161 A.461 Petron 22.3 36,7 68,5 79.4 132,2 Platon Theait. 185b4 Tim. 66d Plautus Amph. 325f. 333f. 631 1033 1120 Asin. 391 614 649 893 902 927

118 A.340 151 A.426 138 127 136 A.391

15 A.15 97 A.289

132 136 129 A.373 145 A.412 76 A.221 87 A.254 95 129 95 A.282 145 A.412 151

232 Aul. 150-52 136 537 129 Bacch. 405 162 875 151 Cas. 444 128 631 180A.511 Cist. 314 98A.290 543f. 49 A. 147 Cure. 260f. 49 A. 149 277 144 A.409 Men. 170 97 Merc. 661 196 A.566 978 136 Mil. 883 129 902f. 136 Most. 270 49 Α. 148 1063 99 1114f. 95 Pers. 170 129 Α.373 Poen. 32 91 273 145 A.412 277 106 A.308 325 97 A.288 434 139 968 129 1092 190 A.547 1175 109 A.316 1375f. 138, 178 Pseud. 943 145 A.412 Rud. 233 138 364 97 A.288 905 135

Stellenregister

1226 Stich. 190f. Trin. 846 True. 131 Plinius d. Ä. nat. 2,48 2,92 2,193 2,214 11,143 11,148 11,151 12,23 12,81 12,86 12,121 13,81 14,136 15,106 16,171 16,190 17,89 17,239 19,20 21,61 21,117 23,165 25,110 26,148 28,131 30,27 32,7 32,96,7 33,130 37,83 37,91 37,117 37,181

135 136 180A.511 98A.290

184 A.524 118 A.340 132 184 A.524 124 A.361 182 A.521 116 A.337 124 159 89 A.262 94 107 120 94 144 87 A.257 127 94 A.281 90 A.267 160 161 160 94 94 162 94 77 190 124 A.359 118 A.340 89 A.262 118 A.340 118 A.340

Stellenregister

Plinius d. J. epist. 6,16,10 107 7,27,7 104 A.303 Pomponius Atell. 58f.

143

Priscianus gramm. (GLK) 8,113,20f. 184 A.526 Properz 1,2,13 88A.260 1,3,19 105 1,3,43 142 1,12,6 96 A.285 1.16.27 132 1.16.28 138 1.17.6 67 2,1,77 151 2,15,23 109 2,16,37f. 134 2,16,49 51 A. 154, 67, 132 2,17,16 149 2,22a,5 127 2,26,1-3 67 2,29,37 67 2,30,10 106 2,30,15 136 A.388 2,30,27f. 67 2,32,15 142 2,33a, 10 140 2,33b,30 94 A.280 3,2,2 138 3,3,1 127 3,4,13f. 67 3,6,7f. 130 3,6,8 128 A.365 3,8,11 151 3,10,15 106 3.11.7 151 3,15,15 136 A.388 3,16,5 124 A.361 3,21,3f. 110 3.21.29 106

3,23,1-6 3,23,14 3.25.14 3,25,17 4,5,35f. 4,5,58 4,5,78 4,6,7f. 4,6,86 4,7,1 lf. 4,7,27f. 4,7,52 4.8.8 4,8,50 4,8,66 4,9,32 4,11,84

86A.252 151 88 A.261 86 A.252 139,151 89 152 A.428 147 A.417 117 141,149 67 143 157 142 182 A.521 151 151

Prudentius perist. 2,557f. 49 A. 148 Quintilian inst. I,11,7 77 3.1.3 139 A.397 5,10,100 192 A.552 5,10,125 192 A.552 7.2.4 107 8,1,3 98 8.2.9 140 8,3,85 153 A.434 9,4,14 96 10,1,73 96 10,3,22 74 II,2,34 46 11,3,13 186 11.3.15 190 11.3.16 96 11,3,20 141, 186 A.533 11,3,32 143 12,10,27 96 12,10,44 96, 115 Ps. Quintilian decl. 12,17 121

Stellenregister

234 19,14 Rhet. Her. 1,10 3,21 4,60

153 186 A.532 139, 142 149

Rutilius Lupus 1,13 180 A.511 Sallust Cat. 39,3 lug. 84,4 Ps. Sali. In Tull. 6

101 101

136

Sappho (Lobel/Page) frg. 130 32 A.92 Seneca d. Ä. contr. 1,2,13 1,4,7 1,7,18 1,8,6 2,2,6 9 praef. suas. 1,2 3,1 4,2 Seneca d. J. Ag31 94 329f. 635 benef. 4,5,1 4,6,2 5,24,1 dial. 3,3,7

107 96 190 102 136 A.389 5 106 125 184 A.524 184 A.524

131 125 145 138 134 A.385 118 125 106

4,1,2 4,36,1 5,4,1 6,3,2 6,5,2 6,20,2 9,1,3 epist. 11,7 41,3 58,25 71,31 83,7 88,22 88,27 102,28 Here. fur. 87 347f. 415 709f. Here. Oet. 975f. 1914 Med. 74 108 116 nat. 1,5,9 1,7,2 1,8,3 2,9,1 2,29,1 2,56,1 3,17,3 3,27,4 5,8,2 5,9,3 6,3,2 6,5,2 6,13,5 6,24,1 6,28,2

108 A.313 121 A.349 105 130 74 104 A.303 115 105 126 110, 178 115 137 182 A.521 182 A.521 123 118 A.341 115 138 A.394 125 A.362, 126f. 85 118 A.341 118 149 138 A.394 121 121 A.349 120f. 138 137 125 A.363 110 127 121 121 107 124 A.360 72 107 126

Stellenregister

Oed. 184 118 232 78 A.225 385 131 561 157 A.447 1009 133 1013 59 A.171 Phaedr. 138 A.394 850 Phoen. 128 A.366 224 Thy. 826 124 A.359, 126 954 149 993f. 127 Tro. 168-72 72f. 1161 149 Silius 118 A.341 1,462 1,532 141 138 A.394 2,580 3,436 138 3,694 121 4,456 154 5,2 74 5,13 155 5,55f. 118 6,74f. 90 6,519 133 9,3 3 f. 118 9,278-81 73 11,99 81 A.237 11,281 f. 113 12,211 133 12,508f. 119 14,60 73 A.208 14,393 85 A.248 15,459 138 15,637 157 15,677 118 16,397 138 16,589 125

235

Sophokles Phil. 215-17 50 A.152 OT 186 79 A.229 371 18, 30 OK 138f. 18, 50 A.152 Statius Ach. 1,643 93 A.278 silv. 1,4,19-21 90 3,3,133f. 118 A.341 3.5.65 145 3.5.66 127 3,5,102 162 5,2,58f. 130 5,3,32 113 5,3,152 145 5,5,82 74A.213 Theb. I,168 132 2,15 183 3,176 40A.131 3,226 121 3,431 88 3,533 106 A.106 4,549f. 125 4,814 138 5,51 f. 125 5,412f. 85A.248 5,552f. 79 5,554f. 138 A.394 6,136 154 A.436 10,323 141 10,461 f. 88 10,688 133 10,770f. 131 II,676 154 A.436 Sueton Vit. 14,2

109

Stellenregister

Synon. Cie. p. 448,15 Tacitus ann. 2,29 3,12 3,36 6,20 dial. 27,2

80

41f., 157 107 157 154 A.436 138

Terentianus Maurus 238 140 Terenz Ad. 113 769 Eun. 454 554 977 Haut. 458 879 886 Hec. 123 365 376 518 Phorm. 85 869

139 145 A.412 48 139 133 162 139 91 139 196 A.566 196 A.566 196 A.566 109, 178 128

Theokrit eid. 1,149 50 A. 152 2,23-25 141 A.403 Theophrast caus. plant. 6,1,6 176 sens. 64-67 176

Tibull 1,1,29f. 88 1,2,21 86 1,2,3If. 88 1,2,91-93 67 A. 189 1,3,60 96A.285 1,7,37 145 1,7,47 96A.285 1,8,20 131 A.376 l,8,53f. 151 A.425 1,9,27f. 150 2.5.42 88 2,5,96 127 2,5,101 151 2.6.43 86 trag, incert. 23 47f. 76

138 108 124

TrGF (Kannicht-Snell) adesp. F 85 117 A.338 Tubero hist. 9

103, 120

Valerius Flaccus l,275f. 118 1,508 154 A.436 1,783 127 2,198f. 141 A.404 2,460f. 73 3,257f. 118 3,509 155 3,602f. 155 A.438 4,42 154 A.436 4,387 70 A. 197 5,247f. 118 5,318 119 5,590 160 5,649 155 7,586 70 A. 197

Stellenregister Valerius Maximus 3,3ext.,l 105 A.305 3,8ext.,l 133 Varro ling. 5,74 6,30 6,79 7,76 9,92 Men. 131 267 rust. 2,2,2 2,2,18 3,16,12

98 Α.290 150 184 184 Α.527 94 A.281 79 140 103 181 A.516 78

Vergil Aen. 1,102 150 1,124 152 1,153 133 1,197 133 1,209 153 1,226 104 1,245 143 1,371 144 l,375f. 131 1,395f. 61, 106 1,403 161 1,412 114 1,464 109 1,482 104 1,495 104f. l,693f. 96, 124 1,712f. I l l 1,717f. 105 1,725f. 157 l,748f. 113 2,85 183 2,98f. 155 2,129 154 2,172f. 102 2,222 144

237

2,250f. 126 2,255 87 A.257 2,270f. 62 2,301 76 2,360 123 2,378 156 2,405f. 104 2,486f. 151 137 2,488 2,513f. 124 2,570 102 2,621 127 2,668 88 2,679 135 2,682f. 116 2,688 157 2,705f. 83f. 62 A. 180 2,730-33 150 2,768 2,769 134 2,772-75 73f. 2,774 133 3,40 144 3,48 133 3,90-92 62 144 3,93 3,147-53 64 3,15 If. 116 3,176f. 157 154 3,246 3,312f. 134 3,344-48 146f. 3,356f. 87 102 3,490 3,514 128 3,556 141 124 3,589 3,599f. 119 3,672 144 4,7 124 4,78f. 106 4,119 122 4,151 149 4,160f. 152 4,189 135

238

Stellenregister

4,203 97 A.287 4,210 151 144 4,226 4,35 If. 124 4,357f. 144 4,358f. 131 4,363f. 87 154 4,388 59f. 4,408-11 4,41 Of. 152 4,447f. 139 4,456f. 62 4,460f. 62 A.180 4,490f. 51 A.154, 60f. 4,584f. 117, 199 A.578 4,621 f. 147 4,661 f. 112 4,665 131 4,700-2 115 5,4-7 112 5,88f. 117 5,138 101 5,140 137 5,149f. 158 5,232-34 148 A.418 5,340f. 135 144 5,369 5,409 144 5,451 131 5,463f. 133 5,478-82: 147 5,503 123 5,508 104 5,643 lOlf. 5,722f. 62 A.181, 148 A.418 5,779f. 148 A.418 5,838f. 124 5,841f. 148 A.418 6,54f. 148 A.418 6,82 144 104 6,156 6,164f. 78 160 6,201 6,204f. 77f. 6,255-5£; 48,64f.

6,272 115 A.330 6,294 123 A.358 6,377 128 6,469 104 6,472 196 A.566 6,518f. 88 6,559 131 6,626 140 6,640f. 120 6,656-58 59 6,682-84 61 A. 178 6,703f. 59 A. 172 6,827 125 6,866 123 7,15-18 84 7,33f. 133f. 7,76f. 120 7,103 153 7,117-19 153 7,191 119 7,237 157 7,249f. 104f. 7,251 103 7,292 148 A.418 7,395 134 7,399f. 80f. 7,456f. 32 A.92,75 A.218 7,480 159 7,501 f. 135 7,513f. 155 7,526f. 117 7,566f. 141 8,31-35 64 8,47f. 76 A.222 8,68-70 147 8,82 141 8,215f. 134 8,359-61 60 8,369 123f. 8,520 104f. 8,524-26 63 8,528f. 63 8,583f. 148 A.418 8,617f. 111 9,24 136

239

Stellenregister

126 9,36 9,112f. 135 152 9,312 9,324 152 9,411 123 9,459f. 117 9,461 116, 122 9,474f. 132 134 9,480 9,566f. 144 156 9,776 9,794 97 10,63 f. 74, 155 10,77 75 A.218 10,95 150 10,96-99' 71 10,98f. 158 10,262 144 10,270f. 116 10,322 150 10,368 97 A.287 10,464f. 153 A.434 10,473 103 10,584 132 10,591 97 A.287 10,647f. 112 10,667 157 10,716 143 10,895 78 10,898f. 112, 131 144 11,37 1 l,139f. 135 11,147 79 11,186 75 A.218 11,192 131 11,210 124 11,274 134 1 l,296f. 132 11,342 136 A.389 11,377 154 11,380 135 11,381 132 11,452 102 11,454f. 144 11,474f. 77

11,481 f. 148 11,507 104 11,745 144 11,832f. 137 11,876f. 126 11,878 144 1 l,896f. 135 112 12,26 104 12,70 12,113f. 117f. 12,115 115 12,222f. 60 12,239 132 12,251 102 12,455 144 12,462 144 12,483 103 12,587-92 71f.,75, 159 A.454.456 12,617-19 137f. 12,618 128 A.365, 151 12,638f. 60 12,669 123 12,724 134 12,730f. lOlf. 12,868 133 12,930f. 104 12,935 184 12,945-47 112f. ecl. 2,4f. 150 2,55 95 A.282, 160 3,63 96 3,111 130 A.375 4,20 92 4,43 96 5,62f. 150 7,55 92 8,69-71 131 A.376 8,82 141 9,48f. 114 9,58 58 10,47 f. 59 10,75f. 126

240

Stellenregister

georg. 1,157 1,341 1,342 l,357f. 1,359 1,362 1,388 1,41 Of. 1,430 1,445f. 1,455f. l,477f. 1,513f. 2,44 2,132 2,230 2,285 2,340 2,432 3 41 ' 3,88 3,105

125 162 126 140 151 144 143 79 116 122 59 A.170 61 84f. 140 160 106 109 111, 131 116, 199A.578 142 141 101

3149

97

3;25

159

i

3,282f. 151 3,357 123 3,374 141 3,464 127 4,31 160f. 4,49 160 4,50 78 4,71 f. 141 4,260 141 4,270 160 4,277 162 4,333f. 137 4,349f. 137 4,409 139 4,415 161 4,416 94 A.280 4,416f. 161 4,452 141 4,510 133 Vltruv

542 144 >,4,2 44 ^ ,, 7, pr. 11 182 A.521 7 3 9 ' ' 182 A.521