Ursprünge und Strukturen alttestamentlicher Eschatologie

225 20 19MB

German Pages [244] Year 1969

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Ursprünge und Strukturen alttestamentlicher Eschatologie

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Begriff, Aufgabe und Methode
1. Teil Das Eingreifen Gottes in die Geschichte
2. Teil Der Segen
3. Teil Der Bund
Ergebnis (Thesen)
Abkürzungen
Register der Bibelstellen

Citation preview

Hans-Peter Müller Ursprünge und Strukturen alttestamentlicher Eschatologie

Hans-Peter Müller

Ursprünge und Strukturen alttestamentlicher Eschatologie

Verlag Alfred Töpelmann Berlin 1969

Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von Georg Fohrer 109

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

© 1969 by Alfred Töpelmann, Berlin 30, Genthiner Straße 13 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Archiv-Nr. 3822691

Meiner Frau

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1967 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen WilhelmsUniversität in Münster als Habilitationsschrift angenommen. Sie wurde für den Druck ein wenig gekürzt. Herrn Professor Dr. R. Smend danke ich, daß er die Untersuchung mit großem persönlichen Interesse, tatkräftiger Hilfe und vielen wertvollen Ratschlägen begleitet hat. Ebenso hat mir Herr Professor D. Dr. F. Hesse mit einer Reihe von Hinweisen geholfen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft gewährte mir fast zwei Jahre lang ein Habilitandenstipendium und hat den Druck des Buches durch eine hohe Druckbeihilfe gefördert. Schließlich gilt mein Dank Herrn Professor D. Dr. G. Fohrer, der sich freundlich bereit erklärt hat, die Arbeit in die Reihe der »Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft« aufzunehmen, mich auf einige neue Veröffentlichungen hinwies und die Korrekturen mitlas, sowie dem Verlag A. Töpelmann für die großzügige und sorgsame Herstellung des vorliegenden Bandes. Da das Manuskript bereits im Oktober 1967 abgeschlossen vorlag, konnten Arbeiten, die seit dem Sommer 1967 erschienen sind, leider nicht mehr berücksichtigt werden. Münster, im August 1968

Hans-Peter Müller

Inhaltsverzeichnis Einleitung: Begriff, Aufgabe und Methode 1. Teil: Das Eingreifen Gottes in die Geschichte

1 13

1. Kapitel: Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Eingreifens Gottes in die Geschichte 15 I. Die universalen Auswirkungen des Kommens Gottes

16

II. Die universalen Auswirkungen des Eingreifens Gottes a) Der verallgemeinernde Bericht b) Der Ausblick auf die Zukunft c) Die Entfaltung zum beschreibenden Lob d) Weisheitliche Verallgemeinerungen e) Zusammenfassung

20 21 22 23 24 25

III. Die universale Ausweitung des Lobes Gottes 26 a) Das Lobgelübde in der Klage 26 b) Das Lobgelübde im berichtenden Lob 28 c) Das »Jetzt« des Eingreifens Gottes als Augenblick der Eröffnung des Lobes 29 IV. Zusammenfassung

29

2. Kapitel: Die Aporie der Endgültigkeit des gegenwärtigen Eingreifens Gottes in die Geschichte 32 I. Wesen und Grund der Aporie

32

II. Die verbale Vergegenwärtigung

33

III. Die kultische Vergegenwärtigung a) Was wird in den Zionspsalmen vergegenwärtigt ? b) Inwieweit erscheint das so Vergegenwärtigte als ein Endgültiges ? c) Wie wurde der Kampf gegen den Zion vergegenwärtigt ? d) Traditionsgeschichtlicher Zusammenhang der Zionspsalmen . . . e) Wie verhält sich die kultische Vergegenwärtigung zur verbalen ?

38 39 41 43 44 48

IV. Die Heilsgeschichte a) Der Jahwist b) Der Elohist c) Das Deuteronomium d) Das deuteronomistische Geschichtswerk e) Die Priesterschrift f) Das chronistische Geschichtswerk

49 50 57 58 60 62 65

X

Inhaltsverzeichnis

3. Kapitel: Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte 69 I. Die Ankündigung des ffl?T DT1 a) Die Form der nUT' DV-Ankündigung b) Die Traditionsgeschichte der ¡11 ¡"P DV-Ankündigung c) Der eschatologische Charakter des m r P DV1

72 72 77 79

II. Die Ankündigung der Rettung auf dem Zion a) Die Form der Ankündigung b) Die Traditionsgeschichte der Ankündigung der Rettung auf dem Zion c) Die Rettung auf dem Zion als eschatologisches Geschehen . . . . I I I . Die Ankündigung des neuen Exodus bei Deuterojesaja a) Die Form der Ankündigung b) Die Traditionsgeschichte der Ankündigung Deuterojesajas c) Der neue Exodus als eschatologisches Geschehen IV. Eschatologische Ankündigung und Geschichtsverständnis

. . . .

86 87 91 96 101 102 107 108 113

2. Teil: Der Segen 129 1. Kapitel: Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Segens und Fluches 132 I. Einfache Segens- und Fluchsprüche a) Nominalsätze b) Verbalsätze c) Die Verbindung von Nominal- und Verbalsätzen II. Die Funktion der Gottheit bei Segen und Fluch a) Adverbielle Nennung der Gottheit b) Die Gottheit als Subjekt des Segens- und Fluchspruches c) Heils- und Unheilsschilderungen

132 132 135 137 137 138 138 140

I I I . Der Inhalt von Segen und Fluch

141

IV. Die raum-zeitliche Struktur von Segen und Fluch

143

2. Kapitel: Die Aporie der Endgültigkeit des gegenwärtigen Segens und Fluches 148 I. Der Akt des Segnens und Fluchens und sein Danach II. Die Aporie vom Segnenden bzw. Fluchenden her I I I . Die Aporie vom Gesegneten bzw. Verfluchten her a) Begründungssätze beim Segens- und Fluchspruch 1. Die Identifikation des Gesegneten bzw. Verfluchten 2. Segen und Fluch mit beschreibender Begründung 3. Segen und Fluch mit berichtender Begründung 4. Segen als Dank an einen Menschen 5. Segen als Lob Gottes

148 149 150 150 150 151 154 155 156

Inhaltsverzeichnis

XI

b) Bedingungssätze beim Segens- und Fluchspruch

157

1. Segnung eines unbekannten Wohltäters, Verfluchung eines unbekannten Verbrechers 2. Verfluchung eines Tatverdächtigen 3. Konditionale Selbstverfluchung als Gelübde 4. Verallgemeinernde Segnung und Verfluchung bestimmter Handlungen c) Zusammenfassung

157 157 158 158 160

3. Kapitel: Die Endgültigkeit des zukünftigen Segens Gottes 161 I. Segens- und Fluchankündigungen auf sofortige Erfüllung

162

a) Die bedingte Segensankündigung und die begründete Fluchankündigung auf sofortige Erfüllung 162 1. Ankündigungen ohne das Subjekt der Gottheit 162 2. Ankündigungen mit dem Subjekt der Gottheit 164 b) Die unbedingte (unbegründete) Segensankündigung auf sofortige Erfüllung 164 1. Ankündigungen ohne das Subjekt der Gottheit 165 2. Ankündigungen mit dem Subjekt der Gottheit 166 I I . Segens- und Fluchankündigungen auf zukünftige Erfüllung a) Die bedingte Segensankündigung und die begründete kündigung auf zukünftige Erfüllung

167 Fluchan167

b) Die unbedingte (unbegründete) Segensankündigung auf zukünftige Erfüllung 168 1. Ankündigfungen ohne das Subjekt der Gottheit 169 2. Ankündigungen mit dem Subjekt der Gottheit 169 I I I . Heils- und Unheilsschilderungen

3. Teil: Der Bund

170

173

1. Kapitel: Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Bundesschlusses 176 I. Der Bund als gegenseitige Segnung I I . Der Bund als Vertrag

176 183

a) Der Bund zwischen Ungleichen 1. Einseitige Leistung des Überlegenen 2. Einseitige Leistung des Unterlegenen

184 184 189

b) Der Bund unter Gleichgestellten

193

c) Der Geltungsbereich des vertraglichen Bundes

195

XII

Inhaltsverzeichnis

2. Kapitel: Die Aporie der Endgültigkeit des gegenwärtigen Bundesschlusses 201 3. Kapitel: Die Endgültigkeit des neuen Bundes I. Der Fortfall der göttlichen Forderung I I . Die Umwandlung der Forderung in Verheißung

206 207 208

I I I . Die Ankündigung des Messias

212

IV. Der eschatologische Charakter des neuen Bundes

218

Ergebnis (Thesen)

222

Abkürzungen

226

Stellenregister

226

Einleitung: Begriff, Aufgabe und Methode 1. H. Greßmann1 hat Eschatologie als »den Ideenkomplex« definiert, »der mit dem Weltende und der Welterneuerung zusammenhängt«. Er und die ihm darin vorangehenden und folgenden Forscher fanden das Eschatologische also durch »einen großen, zusammenhängenden Vorstellungskomplex, . . . einen Fond mannigfaltiger kosmisch-mythologischer Erwartungselemente«2 konstituiert, die der Wissenschaft vor allem die Frage nach der Herkunft des solchem Komplex zugrunde liegenden Schemas und seiner Einzeltopoi aufgeben. An ägyptischen Ursprung des Schemas — wobei auf einige vaticinia ex eventu auf gegenwärtige Herrscher und auf den Einfluß der hinter den wenigen bekannten Beispielen zu vermutenden breiteren Überlieferung verwiesen wurde — dachte E. Meyer3 und zögernd auch einmal Greßmann4. H. Gunkel5 dagegen suchte die Herkunft im mesopotamischen Mythos vom Ansturm der Chaosdrachen gegen die Götter und seiner Überwindung, wobei er auch voraussetzen konnte, daß dieser schon in Erwartung umgesetzt in den biblischen Bereich übernommen wurde6. In seiner ersten Untersuchung unterschied Greßmann den Ursprung der Heilseschatologie noch von dem der Unheilseschatologie. Die letztere leitete er in Anlehnung an H. Winckler7 von der Erwartung einer Weltkatastrophe ab, die sich in Mesopotamien aus astrologischen Spekulationen auf Grund der Beobachtung der Präzession der Sonne gebildet habe8. Der Ursprung der ersteren dagegen Hege im Dunkeln; Greßmann stellt lediglich fest, daß sie »ihrem Wesen nach uralt« und wie die Unheilseschatologie »in Israel nicht autochthon« sei9. Ein hinter beiden stehender, einheitlicher, mythisch-kosmologischer Bau lasse sich zwar nicht nachwei1 2 3 4 6 6 7

8 9

Der Ursprung der israelitisch-jüdischen Eschatologie, 1905, 1. Formulierung von G. von Rad: Theologie des AT, II i960 4 , 123. Die Israeliten und ihre Nachbarstämme, 1906, 451 ff. Der Messias, 1929, 445. Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit, 19212. Zum religionsgeschichtlichen Verständnis des NT, 1903, 21 f. Z. B.: Himmels- und Weltenbild der Babylonier, Der Alte Orient III, 2, 3 (1903), 30 f. 36. 49. Greßmann, Ursprung, 159ff. A. a. O. 244ff. M ü l l e r , Eschatologie

1

2

Begriff, Aufgabe und Methode

sen, wohl aber postulieren10. Später hat Greßmann zwischen Heilsund Unheilseschatologie im Blick auf die Ursprungsfrage nicht mehr unterschieden: er glaubte »den Faden . . . an dem sich die mythologischen Vorstellungen vom Ende der Welt, vom Messias und vom Erlöser aufreihen lassen . . . letzten Endes in Babylon« angeknüpft zu finden, und zwar in »Spekulationen über das große Weltjähr und seine Perioden«11. Letztlich auf derselben Ebene liegt auch A. von Galls iranische Ableitung einer nur im Spät Judentum vorgefundenen Eschatologie12. Gegenüber dieser von den Vorstellungsinhalten her bestimmten Fragestellung hat G. von Rad13 einen formaleren Begriff des Eschatologischen eingeführt. Die Ankündigung der Propheten sei dann als eschatologisch anzusehen, wenn (a) die Möglichkeit besteht, »dem Geschehen, das sie weissagen, den Charakter des Endgültigen zuzuerkennen«; dazu muß (b) »das zum Tragen kommen, was man die .dualistische Konzeption der Geschichte', die Vorstellung von den beiden .Zeitaltern' genannt hat, einschließlich jenes Bruches, vor dem der große Abbau Jahwes und hinter dem das Neue, von Jahwe Gewirkte Hegen«, so »daß das Neue . . . nicht mehr als Fortsetzung des Bisherigen verstanden werden kann«, obwohl dieses Neue (c) »mehr oder minder in Analogie zu dem bisherigen Handeln Gottes« verwirklicht wird. Solche Eschatologie findet von Rad vor allem in der Verkündigung der vorexilischen Propheten bis einschließlich Dtjes, weil sie »ein neues Handeln Jahwes auf Israel zukommen sahen, das die alten heilsgeschichtlichen Setzungen mehr und mehr entaktualisierte, weil sich von jetzt ab Leben und Tod für Israel an dem Kommenden entschied«. (a) Zum Begriff des Endgültigen in seiner für das Eschatologische konstitutiven Bedeutung weist von Rad auf die Arbeiten von W. Vollborn14 und H.-J. Grönbaek15 hin, deren Verständnis von Eschatologie sich von dem lange Zeit vorher herrschenden Eschatologiebegriff J. Wellhausens und seiner Schule abhebt. Wellhausen wollte von Eschatologie nur reden, wenn im kosmologischen Sinne an ein Ende der Welt und der Geschichte gedacht ist. So findet er »das erste und klassische Beispiel der Metamorphose von 10 11 12

13 14

15

A. a. O. 246. Messias 472. BaaiAsia TOO 6EOÜ, eine religionsgeschichtliche Studie zur vorkirchlichen Eschatologie, 1926. A. a. 0.125. 127 fi. Innerzeitliche oder endzeitliche Gerichtserwartung ? Ein Beitrag zu Arnos und Jesaja, 1938. Zur Frage der Eschatologie in der Verkündigung der Gerichtspropheten, SEÂ 24 (1959), Bff.

3

Begriff, Aufgabe und Methode

Prophetie in Eschatologie« in Ez 38 f. Als eschatologische specifica erkennt er dabei (1) den literarischen Ursprung solcher Weissagungen — der Vf. von Ez 38f. kennt »ältere Weissagungen, die den Einbruch eines wilden nordischen Reitervolkes in Juda gedroht haben, aber unerfüllt gebheben sind; er verkündet, daß jene bis jetzt noch unerfüllten Weissagungen am Ende der Zeiten sich erfüllen werden« — (2) ihren dogmatischen Charakter »mit für alle Zeit giltigen, fest ausgebildeten Zügen«16 sowie (3) die aus solcher Zeitlosigkeit des Angekündigten sich notwendig ergebende Entleerung der Gegenwart — obwohl die Zeitgeschichte der jüdischen Eschatologie »einen wechselnden Einschlag« Meierte, so daß diese »noch immer einigermaßen an die Zeitverhältnisse gebunden« blieb, empfindet sie doch nicht »wie die alte echte Prophetie das schon im Werden Begriffene voraus« und stellt darum auch »keine Ziele für das menschliche Handeln auf, die schon in der Gegenwart Geltung haben oder haben sollten«17. K. Marti erhebt neben dem Vf. von Ez 38 f. noch — wenn auch eingeschränkt — Dtjes zum Vater der Eschatologie18, findet aber ebenso wie Wellhausen Eschatologie nur da, wo »Weissagungen auf das Ende der Welt, auf die große Krisis des Weltgerichts« gegeben werden19. Geradezu klassisch für diese Auffassung aber ist die Definition G. Hölschers: »Unter .Eschatologie' verstehen wir . . . die Vorstellung von jenem großen Drama der Endzeit, mit dem nach jüdischem und christlichem Glauben diese Weltzeit endet und eine neue ewige Zeit des Heils anbricht«. Bei Am findet er — im kritischen Anschluß an S. Mowinckel — »einen ersten Schritt zur Eschatologie«; »aber eine wirkliche Eschatologie haben weder Arnos noch seine Nachfolger . . . was sie weissagten, war eine einmalige geschichtliche Katastrophe durch Assur«. So gilt auch von Jes, daß er »sich die glücklichere Zukunft Judas ganz im Rahmen dieser Weltgeschichte denkt«20. Entsprechend lautet Hölschers kategorisches Urteil: »Eine altisraelitische Eschatologie und Erlöserhoffnung existiert, ebenso wie eine altbabylonische oder gar altorientalische, nur in der Phantasie einiger moderner Gelehrter«21. Ähnlich will auch S. Mowinckel in »He That Cometh« nur da von Eschatologie sprechen, wo die erwartete Wendung »a universal cosmic character« hat und »by supernatural, divine or demonic powers« verursacht wird, also in Ez 38 f. und bei Dtsach, während Dt j es noch von einem »purely this-worldly futurism « herkomme 16 17 18

19 20 21

Die kleinen Propheten, 19634, 166—167. Israelitische und jüdische Geschichte, 19589, 195f. Die Ereignisse der letzten Zeit nach dem AT, in: Orientalische Studien Th. Nöldeke zum 70. Geburtstag, II 1906, 681 ff. Die Religion des AT, 1906, 61. Die Ursprünge der jüdischen Eschatologie, 1926,1. 13f. Geschichte der israelitisch-jüdischen Religion, 1922, 1542. 1*

4

Begriff, Aufgabe und Methode

und darum auch noch nicht »the connection with concrete historical reality« verliere22. C. Steuernagel 23 und J. Lindblom24 endlich unterscheiden eine »universale Eschatologie«, die die Erwartung einer neuen Menschheit bzw. Welt beinhaltet, von einer »nationalen Eschatologie«, in der es nur um ein neues Israel geht. Demgegenüber ist nach Vollborn für den Begriff des Eschatologischen lediglich der Umstand konstitutiv, daß es bei dem ins Auge gefaßten Ereignis »um ein endgültiges Handeln Gottes mit Israel« geht, um eine »letzte Entscheidung über dies Volk, nach deren Vollzug es keine Möglichkeit mehr gibt für das Volk, in gewohnter Weise wieder von vorn anzufangen«. Das Eschaton ist als solches also nicht auf den Kosmos, sondern auf die Geschichte Israels als Gottesvolk bezogen. Um dabei die »Andersartigkeit« des angekündigten Kommenden gegenüber allem Bisherigen nachzuweisen, halten die Propheten »Rückschau . . . in die Vergangenheit des Volkes«; so erscheint das angekündigte Gericht im Blick auf Israel als »Abschluß des zielstrebigen Handelns Gottes«. Eschatologie in diesem Sinne findet Vollborn schon bei Am und Jes 25 . — In ähnlichem Sinne spricht auch Grönbaek schon für die vorexilische Prophetie vom »Abschluß-Aspekt« des angekündigten Geschehens als von demjenigen, das seinen eschatologischen Charakter konstituiert. Dementsprechend versteht er auch die Universalität des Kommenden: »das Gericht ist bei Arnos insofern schon universell, als die ganze dem Propheten bekannte ,Welt', die Aramäer, die Philister, Tyros, die Edomiter, die Ammoniter und die Moabiter getroffen werden«26. Für diese Betrachtungsweise sind Geschichte und Eschatologie keine inkommensurablen Größen mehr. Soll es einerseits wirklich um das Ende der Geschichte gehen, kann sich dieses Ende nicht außerhalb der Geschichte, ja nicht einmal außerhalb der konkreten Geschichte Israels abspielen. Haben wir es andererseits im Ernst mit dem Ende der Geschichte zu tun, muß solches Ereignis freilich seine konkrete 22

He That Cometh, 1959, 126. 150. Der Eschatologiebegriff Wellhausens und seiner Nachfolger ist im großen und ganzen auch noch für S. Herrmann (Die prophetischen Heilserwartungen im AT, 1965) bestimmend; er will den Begriff »auf die letzten fernen Möglichkeiten des .Kommenden', also auf das eigentlich .Letzte'« beschränken, d. h. auf die »Vorstellungen von der Endvollendung Israels, wie sie erst die Apokalyptik eindeutig erkennen läßt«. Auch Dtjes habe nur »den Weg frei gemacht für die weltumspannenden Geschichtskonzeptionen, die innerhalb der Apokalyptik zur eigentlichen .Eschatologie' hinführten« (303f., vgl. 202. 240). 23 Die Strukturlinien der Entwicklung der jüdischen Eschatologie, in: Festschrift A. Bertholet, 1950, 479ff. 24 Gibt es eine Eschatologie bei den alttestamentlichen Propheten ?, StTh 6 (1952), 79fi. 25 A. a. O. 14. 13. 23. 26 A. a. O. 12.

Begriff, Aufgabe und Methode

5

Zeit und seinen begrenzten Raum aufbrechen und sich in irgendeiner Weise zu universalen Dimensionen weiten. Auch wenn der konkrete Bereich des Angekündigten eine geschichtlich einmalige Auseinandersetzung Israels mit einem einzelnen Fremdvolk ist, muß die dabei auf dem Spiel stehende Entscheidung doch irgendwie für alle Zukunft und im Blick auf das Verhältnis Israels zu allen Völkern wirksam werden. Ein solches Ende der Geschichte haben, wie wir sehen werden, in der Tat schon die vorexilischen Propheten erwartet. Der u. a. in Ez 38 f. zu bemerkende Übergang ist dann nicht das Einsetzen von Eschatologie überhaupt, sondern vielmehr ein Strukturwandel innerhalb der eschatologischen Erwartung. Nun wird die eine Seite der eben bezeichneten Dialektik auf Kosten der anderen betont: die Endgültigkeit des Endes droht seine Geschichtlichkeit zu verschlingen. Der konkrete Ort des Endes innerhalb der Geschichte Israels steht für die Erwartung im Hintergrund; die Universalität des Endes tritt dafür in den Vordergrund. Es sind nun, ohne daß eine konkrete Auseinandersetzung Israels mit einem einzelnen Feindvolk ins Auge gefaßt wird, von vornherein alle Völker bzw. der ganze Kosmos, an denen sich Jahwes letzte Verherrlichung, die endgültige Entscheidung nach allem Geschehen vollzieht. Dabei tritt auch die für die ältere Prophetie so entscheidende Naherwartung zum großen Teil zurück. Insofern scheint Wellhausen die Art dieses Wandels gleichwohl richtig erkannt zu haben, wenn er die mit Ez 38 f. neu einsetzende Weise der Prophetie als »literarisch« und »dogmatisch« charakterisiert. »Sie malt sich auf dem Papier ein Ideal, zu dem von der Wirklichkeit keine Brücke hinüberführt, welches plötzlich durch das Eingreifen eines deus ex machina in die Welt gesetzt werden soll«27. Eine gewisse Konstanz des Geschichtlichen wird freilich immer noch dadurch gewahrt, daß aus Zwang heilsgeschichtlichen Denkens dies wirklichkeitsfremde Ende aller Dinge doch noch am fernen Ende der Zeitlinie gesucht wird. Gleichwohl aber gilt von der Apokalyptik, zu der hin sich die Prophetie in ihren Spätformen öffnet, daß ihre Eschatologie durch den Verlust des konkreten, geschichtlichen Gegenstandsbezuges des erwarteten Eingreifens Gottes von der der klassischen Prophetie unterschieden ist. Und so rückt das Ende, obwohl es auf der Zeitlinie gesucht wird, faktisch doch in eine überzeitliche Schwebe. (b) Zu dem zweiten für die prophetische Eschatologie konstitutiven Element, der von ihm sog. »dualistischen Konzeption der Geschichte« verweist von Rad auf S. Mowinckels Werk »He That Cometh« sowie auf die o. g. Arbeit von J. Lindblom. Mowinckel definiert Eschatologie als »a doctrine or a complex of ideas about the last things«, wobei »a dualistic conception of the course of history« vorausgesetzt ist, so 27

Israel, und jüd. Geschichte, 195.

6

Begriff, Aufgabe und Methode

daß »the present State of things . . . will suddenly come to an end«28. Freilich verbindet Mowinckel mit dieser Bestimmung die kosmologisch orientierte Begriffssetzung der Wellhausen-Schule. Für Lindbloms Eschatologiebegriff ist »der Gedanke von den zwei Zeitaltern« bestimmend; eschatologisch ist eine Ankündigung, »wenn die Propheten von einer Zukunft reden, die nicht nur eine Fortsetzung der in dieser Zeit waltenden Verhältnisse bedeutet, sondern etwas Neues und ganz anderes mit sich bringt«29. Die Begriffssetzung der Wellhausen-Schule durchbricht er, wie gesagt, durch die Unterscheidung von universaler und nationaler Eschatologie, wobei er einerseits universale Eschatologie schon bei Jes findet und andererseits z. T. auch für die nationale Eschatologie voraussetzt, daß »das kommende Schicksal Israels mit dem zukünftigen Schicksal der Menschheit und der Welt irgendwie verknüpft« werden kann 30 . Mit Recht zieht v. Rad daraus den Schluß, daß »den heilsgeschichtlichen Vorstellungen Israels ihr Ort und Recht auch innerhalb des eschatologischen Horizonts zurückgegeben werden« muß 31 ; allein das, was an Israel als Gottesvolk geschah, bestimmte sein Geschichtsbild und konnte darum auch für einen etwaigen Begriff vom Ende der Geschichte in Frage kommen, nicht eine abstrakt-objektive Vorstellung von Universalgeschichte, für die erst die Apokalyptik die Voraussetzungen brachte. (c) Innerhalb dieses Rahmens wird nun das Neue, obwohl es einen Abbruch des Bisherigen bedeutet, »mehr oder minder in Analogie zu dem bisherigen Heilshandeln Gottes« verwirklicht. Dazu nennt v. Rad die Dissertation von E. Rohland 32 , die als traditionsgeschichtlichen Hintergrund vorexilischer eschatologischer Ankündigungen (1) für den aus dem Nordreich stammenden Hos die Exodusüberlieferung, (2) für die Jerusalemer Jes und Zeph die Überlieferung von der Erwählung des Zion und (3) für die in bäuerlichen Kreisen des Südreichs verhafteten Propheten Am und Mi (neben Jes) die Überlieferung von der Erwählung Davids und seiner Dynastie bestimmt hat. Eschatologisch sind die Ankündigungen darum, weil die in diesen Überlieferungen zur Sprache gebrachte vergangene Erwählung in der Gegenwart aufgehoben ist, um in dem angekündigten neuen Handeln Jahwes erneuert und erfüllt zu werden. So wird, »vom israelitischen Standpunkt« aus gesehen, »ein neues Zeitalter« anbrechen, das »einen 28 29 30 31 32

A. a. o. 125. A. a. O. 88. A. a. O. 100. A. a. O. 125. Die Bedeutung der Erwählungstraditionen Israels für die Eschatologie der alttestamentlichen Propheten, Diss. theol. Heidelberg 1966.

Begriff, Aufgabe und Methode

7

letzten unüberbietbaren Zustand heraufführen« soll, »ein Eschaton, über das hinaus mit weiteren, für die Geschichte Jahwes mit seinem Volk wesentlichen Ereignissen nicht gerechnet wurde«33. Die Multiplizität der als Modell für das Kommende verwendeten Heilstraditionen aber gibt der These v. Rads recht, daß das eschatologische specificum nicht in besonderen Vorstellungsinhalten zu suchen ist, sondern in der den verschiedenen Propheten trotz der Mannigfaltigkeit ihrer eschatologischen Anschauungen gemeinsamen Einschätzung der bisherigen Geschichte angesichts der von Gott her in radikaler Unausweichlichkeit andrängenden Zukunft, welche gemeinsame Einschätzung von der ebenfalls gemeinsamen kritischen Funktion aller vorexilischen Propheten gegenüber ihrer Zeit her zu verstehen ist. 2. Lassen wir zunächst die Begriffsbestimmung v. Rads für unsere Arbeit wegweisend sein, so fragen wir darüber hinaus, ob an Endgültiges wirklich erst in den prophetischen Ankündigungen selber gedacht sei, oder ob nicht vielmehr schon jene »alten heilsgeschichtlichen Setzungen«, von deren Wirkungslos-Werden die Propheten ausgingen, auf Endgültigkeit hin tendierten. Setzt die Erwartung einer zukünftigen Erfüllung nicht das Erlebnis einer alle Dimensionen überschreitenden Erfüllung bereits voraus? Steht nicht bereits am Anfang des religiösen Bewußtseins Israels — auf Grund der Betroffenheit von der Überlegenheit Gottes über alles Irdische — ein Endgültigkeitserlebnis, und zwar ein solches, das sich auf gegenwärtiges Geschehen, nicht auf zukünftiges bezieht ? Das präsentische Endgültigkeitserlebnis wäre — auf Grund einer Aporie, der es als solches unterliegen muß — in die Erwartung eines kommenden Endgültigen umgeschlagen, so daß die Zukünftigkeit des Endgültigen das eigentlich Neue des prophetischen Zeugnisses ausmachte. Damit ist in gewisser Weise die Frage nach den vorprophetischen Voraussetzungen der prophetischen Eschatologie wieder aufgenommen, nur daß sie nicht wie bei Meyer, Gunkel, Greßmann u. a. mit dem Aufweis vorprophetischer eschatologischer Anschauungsinhalte beantwortet wird, sondern mit der Analyse einer allgemeineren Erlebnisstruktur, die die Propheten umformend erneuert hätten. Dabei ist freilich zu fragen, wo innerhalb dieser allgemeinen Erlebnisstruktur das spezifisch Israelitische liegt. Geschieht das präsentische Endgültigkeitserlebnis auf Grund der Betroffenheit von der Überlegenheit Gottes über alles Irdische, wird solches specificum zweifellos im Umkreis der israelitischen Gottesvorstellung zu suchen sein. Aus der Besonderheit der israelitischen Gottesvorstellung wurde die alttesta-

83

A. a. O. 273.

8

Begriff, Aufgabe und Methode

mentliche Eschatologie u. a. auch von E. Sellin34, L. Dürr 35 , W. Eichrodt 36 , L. Cerny37, O. Procksch38 und Th. C. Vriezen39 abgeleitet. Etwas unserer Vermutung Ähnliches hat auch Mowinckel in »Psalmenstudien II« vorgeschwebt40. Das dort von ihm postulierte Neujahrsfest mit der kult-dramatischen Darstellung des Schöpfungsund Drachenkampfmythos in historisierter Form soll ja ebenfalls ein präsentisches Endgültigkeitserlebnis auslösen. Solche jährlich erfahrene Endgültigkeit sei dann unter eine Aporie geraten, die sich aus den politischen Enttäuschungen der späteren Königszeit, der Erstarrung des Kultes und dem Schwinden der diesem zugrunde liegenden primitiven Geisteshaltung ergab. Das Umschlagen der Gegenwartserfahrung in Erwartung, der Vorgang also, der die prophetische Eschatologie hervorbringt, gründet dabei in einer Vitalität und Widerstandskraft der religiösen Volksseele, die Israel vor seinen Nachbarvölkern auszeichnet. Suchen wir das präsentische Endgültigkeitserlebnis, das die Voraussetzung der alttestamentlichen Eschatologie darstellt, auch nicht primär im Raum des Kultus, sondern in dem der konkreten Geschichte, so lassen wir uns doch gern auf Erfahrungsbereiche hinweisen, in denen ein ähnliches Endgültigkeitserlebnis stattfinden konnte. Denn nicht nur ein neues Eingreifen Gottes in die Geschichte wird im eschatologischen Zukunftsglauben erwartet, sondern auch ein Entbergen nie dagewesenen Segens und ein neuer Bundesschluß zwischen Gott und seinem Volk bzw. einzelnen Repräsentanten desselben, wie ihn zum Beispiel die Messiashoffnung beinhaltet. Segen und Bundesschluß aber stehen zweifellos im Zusammenhang mit dem Kult; insbesondere war die Proklamation der Bundesgebote, wie M. Noth 41 und G. v. Rad 42 im Anschluß an Mowinckel gezeigt haben, Gegenstand einer regelmäßigen Feier, die für Israel als Gottesvolk konstitutive Bedeutung hatte. Das Eingreifen Gottes in die Geschichte, der Segen und der Bundesschluß bezeichnen die drei Erfahrungsbereiche, innerhalb derer 31

36 36 37 33 39 40

41

42

Alter, Wesen und Ursprung der alttestamentlichen Eschatologie, in: Der alttestamentliche Prophetismus, 1912, 102£f., bes. 183f. Ursprung und Aufbau der israelitisch-jüdischen Heilandserwartung, 1925, 52ff. Theologie des AT, I 19627, 341. The Day of Yahweh and Some Relevant Problems, 1948, 53 ff. Theologie des AT, 1950, 596. Theologie des AT in Grundzügen, 1956, 320. Psalmenstudien II, das Thronbesteigungsfest Jahwäs und der Ursprung der Eschatologie, 1922. Das System der 12 Stämme Israels, 1930; Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 6311. Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch, in: Gesammelte Studien zum AT, 1958, 9fi.

Begriff, Aufgabe und Methode

9

die folgende Untersuchung jeweils das präsentische Endgültigkeitserlebnis, seine Aporie und das Umschlagen in die Erwartung eines zukünftigen Endgültigen aufzuweisen sucht. Dabei behalten wir den Terminus »eschatologisch«, der exegetischen Tradition entsprechend, für die Erwartung eines kommenden Endgültigen vor. Die Aporie aber, die sie gleichzeitig voraussetzt und aus dem Spiel bringt, führt den von von Rad bezeichneten »Bruch« herbei, »vor dem der große Abbau Jahwes und hinter dem das Neue, von Jahwe Gewirkte liegen«. Die Substitution des präsentischen Endgültigkeitserlebnisses durch die Erwartung eines zukünftigen Endgültigen ist es, die dies Neue in den Bück treten läßt, dies Neue, das zwar einerseits »nicht mehr als Fortsetzung des Bisherigen verstanden werden kann«, andererseits aber auch »mehr oder minder in Analogie zu dem bisherigen Heilshandeln Gottes « verwirklicht wird43. Die im Rahmen der Apokalyptik auftauchende individuelle Eschatologie lassen wir unerörtert. 3. Die Methode, deren wir uns bei der Analyse der soeben bezeichneten Erfahrungen bzw. Erwartungen bedienen, ist vorwiegend die formgeschichtliche. Wir suchen die Gattungen und Untergattungen auf, in denen sich solche Erfahrungen bzw. Erwartungen aussprechen und untersuchen sie nach den ihnen zugrunde liegenden typischen Verstehensstrukturen. Unser Interesse ist dabei also, wenn man so will, eher ein »problemgeschichtliches« als ein im engeren Sinne »literaturgeschichtliches«. H. Gunkel hat bekanntlich das Anliegen der Formgeschichte bei den Psalmen darin gesehen, »die ganze vielgestaltige Welt der Frömmigkeit, die sich in den Psalmen ausspricht, nach ihrer eigenen Natur anordnen zu können«. Dem lag die Erkenntnis zugrunde, »daß den Gattungen religiöse Typen entsprechen«44. Diese Problemstellung übertragen wir auf unseren Bereich und fragen nach den religiösen Verstehenstypen, die das präsentische Endgültigkeitserlebnis, das Sich-Geltend-Machen seiner Aporie sowie das Umschlagen in die Erwartung eines zukünftigen Endgültigen in den drei genannten Erfahrungsbereichen begleiten. Den typischen Verstehensstrukturen aber entsprechen typische Situationen. Die Formanalyse führt zur Bestimmung des »Sitzes im Leben«. Dabei wollen wir diesen Begriff nicht einseitig soziologisch fassen, sondern die für die einzelnen Gattungen konstitutiven ganzheitlich-existentiellen Situationen zu bestimmen suchen, d. h. nach den typischen geschichtlichen Befindlichkeiten des auf Gott und die Welt bezogenen Menschen fragen, aus denen heraus in den einzelnen « von Rad, Theologie des AT, II 125. 127. 44 H. Gunkel—J. Beglich, Einleitung in die Psalmen, 1933, 26.

10

Begriff, Aufgabe und Methode

Gattungen geredet wird. Wie solche Befindlichkeiten etwa für Klage und Lob herausgestellt werden können, so auch für alle anderen Gattungen, die einem unmittelbar mit dem menschlichen Gott-WeltBezug befaßten Reden zugehören. Von typischen Verstehensstrukturen und Situationen können wir dabei im Bück auf das biblische Material um so eher sprechen, als man im Bereich des Alten Orients mehr als bei uns ein Interesse daran hatte, sich im Wechsel des Geschehens an das Analoge zu halten und so das Leben in Typen zu binden, wie es in Gattungen und Formen gültiger zur Sprache kommt als im individuell-einmaligen Ausdruck. Daß allerdings gerade das Endgültigkeitserlebnis von einer typischen Verstehensstruktur in einer typischen Situation begleitet wird, kennzeichnet bereits seine Aporie; denn gerade das Endgültige sollte als das schlechthin Einmalige seinem Begriff nach den Zwang des Analogen, Typischen durchbrechen. Geht es aber in dieser Untersuchung um beides — um das Endgültigkeitserlebnis und seine In-Frage-Stellung —, so vermag gerade die formgeschichtliche Methode, da sie es mit dem Typischen zu tun hat, an den Kern der Sache zu führen. Bedingen Verstehen und Situation einander, so sind sie doch miteinander in einem von aller Jeweiligkeit unabhängigen Horizont gehalten, innerhalb dessen der Gott-Welt-Bezug, um den es in allen einzelnen Äußerungen geht, konstant ist. Die Kontinuität der Verkündigungsgeschichte des Alten Testaments beruht auf dieser Konstanz des Horizontes, in welchem Gott als Herr der Geschichte mit sich selbst identisch bleibt und so auch den Menschen trotz allen geschichtlichen Wandels bei sich selbst hält, was beides zur Folge hat, daß ebenso die Welt, die Gott dem von seinem geschichtlichen Eingreifen betroffenen Menschen als Gabe verleiht oder im Gericht entzieht, ihre Selbigkeit durchhält. Insofern berührt unsere Untersuchung, indem sie jenen Horizont des menschlichen Gott-WeltBezuges ins Auge faßt, die Frage nach der Gottheit Gottes. Aber noch eine letzte Rechtfertigung ist nötig. Wir bestimmen die von uns untersuchten Verstehensstrukturen mit den Mitteln des begrifflichen Denkens, welche den Trägern jenes Verstehens noch nicht in der gleichen Weise zur Verfügung standen. Israel kannte den Begriff des Eschatologischen natürlich noch nicht; es wußte weder Endgültiges als solches begrifflich zu bestimmen, noch dualistische Konzeptionen zu formulieren, wie denn ja auch noch nicht einmal ein eindeutiges Wort für »Geschichte« vorhanden war. Die Äußerungen des alten Israel zu den genannten Zusammenhängen mußten also der gedanklichen Schärfe entbehren; die Abgrenzungen, die sein Verstehen vollzog, mußten fließend bleiben. Und doch blieb auch dieses Verstehen nicht ohne eine Gestalt, die sich begrifflich nachzeichnen

Begriff, Aufgabe und Methode

11

ließe; es handelt sich wirklich um Yerstehensstrukturen, wenn auch von einer noch nicht bewußt gewordenen Logik. Freilich wird eine begriffliche Nachzeichnung dieser Strukturen nicht umhin können, solche Logik mit gelegentlich gewagt anmutenden Konturen aufzuweisen; die Sprache der Untersuchung muß sich etwa in ihrer Abstraktheit weit von der Sprache, die ihr Gegenstand ist, entfernen. Dabei ist das Prinzip der begrifflichen Klarheit nur das Zeichen einer »sachlichen« Strenge, die die Untersuchimg den Texten abfordert. Man mag historisch urteilen, daß die Texte damit überfordert sind. Die Untersuchung setzt sich aber zum Ziel, mit den Texten den ihnen je zugeordneten Fortgang der biblischen Verkündigungsgeschichte, ja der allgemeinen Geistesgeschichte zu Gehör zu bringen, in der die dort oft nur eben auftauchenden Anliegen je und dann größere Klarheit gewannen; sie befragt die Texte auf ihre Zukunft und hofft ihnen gerade so nach ihrer Intention gerecht zu werden. In diesem Sinne geht es um Begegnung mit vergangener Sprache, nicht um bloße Bestandsaufnahme, die der Bewegtheit der Texte durch die Geschichte zu uns hin nicht gerecht werden kann. Es geht um eine Zwiesprache, die so lange durchgehalten werden muß, bis sich vergangene und gegenwärtige Sprache zu der »Sache« fügen, um die es der Verkündigung und dem Menschen, an den sie sich richtet, gehen muß, nämlich der Gegenwart Gottes im Wort, womit freilich zugleich die Grenze aller hermeneutischen Bemühung bezeichnet ist.

1. Teil Das Eingreifen Gottes in die Geschichte

1. Kapitel

Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Eingreifens Gottes in die Geschichte In welchen Gattungen kommt das präsentische Endgültigkeitserlebnis im Erfahrungsbereich des Eingreifens Gottes in die Geschichte zur Sprache ? In welcher Situation gründet es ? Lassen wir uns von der Frage nach den »alten heilsgeschichtlichen Setzungen« leiten, von denen von Rad sprach, so mag es sich zunächst nahelegen, die Spuren solchen Erlebens in den großen literarischen Heilsgeschichtsentwürfen zu suchen, in denen jene ausführlich behandelt werden. Und doch wäre das ein methodischer Fehlgriff. Denn gerade jene Entwürfe ordnen alles, was zu seiner Zeit ein solches Endgültigkeitserlebnis ausgelöst haben kann, in den Gang eines kontinuierlichen Ablaufs, versetzen den Hörer in Abstand vom berichteten Geschehen und relativieren so das Einmalige zur Historie. Prinzipiell schließt ja schon die Reihung von Ereignissen die Endgültigkeit jedes einzelnen (freilich nicht eines einzelnen) aus. Dagegen haben wir es je mit einem Einzelereignis, das als solches die Qualität des Endgültigen in Anspruch nehmen kann, in dem von C. Westermann 1 sog. »berichtenden Gotteslob« zu tun. Das berichtende Lob erwächst aus der unmittelbaren Betroffenheit von einem Geschehen, das in dem von solcher Betroffenheit affizierten Bewußtsein zu universalen Dimensionen auswachsen kann. Das Entsprechende gilt von der Klage, die unter dem Eindruck seines Ausbleibens ein solches Geschehen erflehen kann. Zwar haben es die überlieferten Lob- und Klagepsalmen — von gelegentlichen Ausnahmen wie vielleicht E x 15 21 abgesehen — nicht unmittelbar mit jenen »alten heilsgeschichtlichen Setzungen« zu tun; wohl aber begegnen wir gerade dort einem typischen Erleben, das von diesen Setzungen geprägt wurde. Denn diese haben den Gott-Welt-Bezug Israels ein für allemal gestaltet, einen Gott-Welt-Bezug, in dessen Horizont Verstehen und Situation allen folgenden Lobs und aller folgenden Klage ihre Strukturen empfingen. Alles Eingreifen Gottes in die Geschichte wurde nach dem Modell jenes urbildlichen Eingreifens am Anfang der Geschichte Israels erlebt. So läßt sich von späterem Lob und späterer 1

Das Loben Gottes in den Psalmen, 19633, 61 ff. Diesem Buch entnehmen wir die Terminologie zur Formanalyse der Psalmen.

16

Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

Klage auf jenes Modell zurückschließen. Dabei können wir im großen und ganzen sogar von der Unterscheidung von Volkspsalmen und Psalmen des einzelnen absehen: auch für die Gotteserfahrung des einzelnen war ja die der Gemeinde, zu der er gehörte, bestimmend. Dies kommt uns insofern zustatten, als Lobpsalmen des Volkes in viel geringerer Zahl überliefert sind als Lobpsalmen des einzelnen2. Dabei ordnen wir das Material nach einem Gesichtspunkt, der u. E. im Geschehen selber begründet ist. Dem Handeln Gottes, das sich seinerseits in dessen Kommen und dessen Eingreifen strukturiert 3 , entspricht die Lobantwort des Menschen. So analysieren wir nacheinander (1) die universalen Auswirkungen des Kommens Gottes, (2) die universalen Auswirkungen seines Eingreifens und (3) die universale Ausweitung des vom Kommen und Eingreifen Gottes entfachten Lobes. Den Begriff »universal« verstehen wir dabei hier wie überall im zeitlichen und räumlichen Sinne, also als Inbegriff von »unendlich« und »ewig«.

I. DIE UNIVERSALEN AUSWIRKUNGEN DES KOMMENS GOTTES

Das Kommen Gottes zur Rettung der (des) Bedrängten bringt das Gotteslob gern in typisierten Epiphanieschilderungen zur Sprache. Diese begegnen häufig im Umkreis von Siegesliedern Jdc 5 4f. Ps 18 8-ie 68 2f. 8f. Judith 16 15 a4; denn offenbar hatte man das Kommen Gottes zuerst im Kriege erlebt. Im weiteren Sinne gehören die Epiphanieschilderungen zur Topik des berichtenden Lobes, wo sich weitere Beispiele finden Ex 15 4-10 Ps 114 3f. Von dort sind sie vor allem in das »beschreibende Lob« (Hymnus) Jer 10 10.13 Am 9 5 Ps 29 3-9 104 7f. 32 Hi 9 5 26 5f. 11 Sir 16 i8f. und in eine Reihe anderer Gattungen hinübergewandert. 2

3

4

F. Mand (Die Eigenständigkeit der Danklieder des Psalters als Bekenntnislieder, ZAW 70 [1958], 185ff.) will das Vorhandensein der Gattung »berichtendes Lob« überhaupt bestreiten, formuliert dann aber, daß das »Danklied Israels« eine »thematisch ausgezeichnete Form des Hymnus« sei. Tatsächlich sind beschreibendes und berichtendes Lob (Hymnus und Danklied) wurzelverwandt; in den urtümlichen "Spill-Sätzen (vgl. 156 f.) z. B. stehen beide noch aufs engste beieinander (Gen 1420 Ex 18 10 I Sam 2532. 39). Vgl. Westermann a. a. O. 64f.; anders E. Sellin—G. Fohrer, Einleitung in das AT, 196510, 283f. Für das Nebeneinander von Gottes Kommen und Eingreifen ist das Nebeneinander der Motive »er hörte« und »er zog mich heraus« im berichtenden Lob des einzelnen und das Nebeneinander von Bitte um Zuwendung und Bitte um Rettung in der Klage zu beachten; vgl. Westermann a. a. O. 40. 50. 77. Westermann a. a. O. 71. Vgl. J. Jeremias, Theophanie, die Geschichte einer alttestamentlichen Gattung, 1965, 136 fi.

17

Die universalen Auswirkungen des Kommens Gottes

Ursprünglich ist die Epiphanieschilderung, wie man wohl am deutlichsten Jdc 5 4f. ablesen kann, zweigliedrig: sie berichtet (1) das Kommen Gottes von einem festen benannten Ort an den Schauplatz seines Eingreifens sowie (2) den Aufruhr der Natur, der sich meist in Reaktion auf dieses Kommen abspielt5. Nun ist der Schauplatz des Kommens Gottes zunächst naturgemäß begrenzt. Jdc 5 4f. hat den in v. i9ff. geschilderten Krieg gegen Sisera im Auge, E x 15 4-10 die Szenerie der Verfolgung durch die Ägypter usw. Begrenzt sind innerhalb des Aufruhrs der Natur auch die gegenständlichen Phänomene, mit deren Hilfe Jahwe seine Feinde zu Fall bringt. Das gilt etwa von dem Regen von Jdc 5 20, mit dem der Hörer im Sinne der späteren psalmistischen Anreicherung des ursprünglich rein episch-rhapsodischen Deboraliedes6 die Epiphanie von v. 4f. in Verbindung bringen soll, ebenso von der Ebbe, die nach E x 15 8-10 (Ps 114 3a. 5a) den Ägyptern zum Verhängnis wurde. Gleichzeitig aber zeigt dieser Aufruhr der Natur deutlich die Tendenz, sich universal auszuweiten. Vom Ort des Erscheinens Gottes ergeht die Bewegung seiner Wirkungen ins Unendliche. Nach Jdc 5 4f. erbebt die Erde, während Himmel und Wolken triefen und selbst die Berge »vor Jahwe, dem Gott Israels«, versinken6". In Ps 114 3-6 fliehen nicht nur (Schilf-) Meer und Jordan vor dem an Stelle Jahwes »ausziehenden« Israel, sondern es springen auch wiederum die Berge. In Ps 18 werden vom Aufruhr der Natur neben der Erde 8aa die cnn Hpia 8 aß sowie DI» und Van nnpia ie betroffen. Bedeutsam ist dabei die Variante von II Sam 22 zu Ps 18 s: hier sind an die Stelle der Dnn HOto die D?öfn nntpi» getreten, so daß mit Erde und Himmel der ganze Kosmos erfaßt ist (vgl. Ps 68 9). Ähnlich verallgemeinert Judith 1615a. In Ps 68 2f. schließlich hören wir — wie auch in dem Ladespruch Num 10 35 —, daß beim Sich-Erheben Jahwes »seine Feinde zerstieben und seine Hasser vor seinem Angesicht fliehen«, wie denn auch »die Frevler vor 'Jahwes' Angesicht vergehen«7; die Gesamtheit aller möglichen Feinde tritt hier an die Stelle des von Gottes Erscheinen erschütterten Kosmos. Kosmos und Feinde treten nebeneinander in einer Bitte um die Epiphanie Jahwes innerhalb der Klage des Volkes (Jes 6319 b 641): Jeremias a. a. O. 15. • Zu Aufbau und Entstehung des Deboraliedes vgl. meinen Aufsatz: Der Aufbau des Deboraliedes, VT 16 (1966), 446ff. «» Zu Vtt »versinken« vgl. arab. nazala (E. Lipinski, Juges 6,4—6 et Psaume 68,8 — 11, Bibl 48 [1967], 185ff., bes. 195). 1 Übersetzung der Psalmentexte und einschlägige Konjekturen nach H.-J. Kraus, Psalmen, 1966*. Sonst lehnen wir uns in der Ubersetzung von Bibeltexten an die Zürcher Bibel an. 5

M a l l e r , Eschatologie

2

18

Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Eingreifens Gottes in die Geschichte Ach daß du den Himmel zerrissest und herabführest, daß vor dir die Berge zerflössen . . . damit dein Name deinen Feinden kundwerde und vor dir die Völker erzittern.

Entsprechendes findet sich auch innerhalb der Klage des einzelnen (Ps 144 5): Jahwe, neige deinen Himmel und fahre herab, rühre die Berge an, daß sie rauchen. Vgl. für den Rückblick auf Gottes früheres Heilshandeln Ps 77 I7f.

So ist die Epiphanie Gottes einerseits gegenstandsbezogen, insofern Gott im begrenzten Raum gegen bestimmte Feinde mit begrenzten Mitteln vorgeht; andererseits aber erweist sich in ihr der kommende Gott als schlechthin weltüberlegen, insofern er nicht nur da und dort ein paar gegenständliche Veränderungen hervorruft, sondern darüber hinaus Natur und Menschen in einem Ausmaß in Erschütterung versetzt, daß dabei die Kategorien des gegenständlich Begrenzten durchbrochen werden. Gottes Kommen rafft die Wirklichkeit gleichsam zu einem Ganzen, obwohl solche Ganzheit nur in deren Zerbrochenwerden vor ihm in Erscheinung tritt. In bezug auf den Geschehenszusammenhang aber, in den es tritt, erweist sich das Kommen Gottes als ein Ereignis von strenger Kontingenz, so daß es aus diesem Zusammenhang in keiner Weise notwendig folgt oder als notwendig verstanden werden kann. Im letzten liegt in diesem seinem Charakter schon ein Moment des Endgültigen: ein Ereignis, das so die Welt erschüttert und die Kontinuität der Ereignisabfolge sprengt, kann streng genommen weder rückgängig gemacht noch übertroffen werden. Dieses Endgültigkeitserlebnis, wie es ursprünglich die Erfahrung des Kommens Gottes im Heiligen Kriege auslöste, ist ein characteristicum des Jahweglaubens. Man denkt an den bekannten Satz Wellhausens: »Das Kriegslager, die Wiege der Nation, war auch das älteste Heiligtum. Da war Israel und da war Jahwe«8. Entsprechend ist nach R. Smend der Jahwekrieg »das Urelement dessen gewesen, was einmal Religion Israels werden sollte«9. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich mit Epiphanieschilderungen aus dem sumerisch-akkadischen Sprachraum. Auch hier wußte man vom Eingreifen der Götter in die Geschichte, insbesondere von ihrem Eingreifen in irdische Schlachten mannigfaltig zu reden. So z. B. in einem assyrischen Siegeslied nach der Schlacht Sargons gegen Urscha von Urartu: Adad, der Starke, der tapfere Sohn des Anu, hat seine schreckenerregende Stimme auf sie geworfen: 8 9

Israelitische und jüdische Geschichte, 24. Jahwekrieg und Stämmebund, 1966 2 , 97.

19

Die universalen Auswirkungen des Kommens Gottes mit niederströmenden Regenwolken und mit Hagelsteinen vernichtete er den Rest 10 .

Oder in einem sumerischen Beispiel beschreibenden Lobs auf Tammuz: Wenn er gegen das aufsässige Land, das ferne Bergland, auszieht, verbringt er die Tage im Kampfesgetümmel, wenn Ama'uschumgalanna gegen das ferne Bergland auszieht, verbringt er die Tage im Kampfesgetümmel 11 . Auch hier ist die Epiphanie gegenstandsbezogen: bestimmte Feinde werden vernichtet, Urscha von Urartu bzw. die Leute des »Berglandes«. Andererseits wissen auch die sumerisch-akkadischen Hymnen von universalen Erschütterungen, die dem Kommen des Gottes folgen. In diese Richtung weist schon ein sumerischer Selbstpreis der Inanna, der Götter und Fürsten des »Berglandes« vor der Göttin erbeben läßt: Wenn ich, die Herrin, in die Schlacht rufe, wenn ich im Bergland rufe, taumeln die Götter des Berglandes, kommen die Götter des Berglandes auf den Wegen des Berglandes vor mich, zittern die Fürsten vor mir, gehen mir die Fürsten in einer Spur 12 . Aber schon dies steht nicht im berichtenden, sondern in dem von der Konkretheit des geschichtlich Einmaligen entfernteren beschreibenden Lob. Ähnlich liegen die Dinge in einem ebenfalls sumerischen Hymnus auf den Esikil-Tempel des Ninazu in Eschnunna, wo es in der Aretalogie für den Gott heißt: . . . der dem Feindland den Tod bringt, der gegen das gesamte Feindland wie ein Südsturm anspringt, der wie ein Drache Gift gegen das aufsässige Land spritzt. der den Unbotmäßigen wie ein Orkan zudeckt, den Feindlichen zermalmt (?), dessen weitausholendem Schritt der Böse nicht entgeht, der in Kampfeslust das aufsässige Land wie ein Sturmwind vernichtet, der in seinem Zorn die Menschen in den Staub wirft: Haus, dein Fürst ist der große Löwe, der die Feinde insgesamt packt, dein König ist das wilde Wetter, der Orkan (?), das Herz der Schlacht. Ins Schlachtgetümmel zieht er aus, sein starker Arm hält die Schleuder, das Fangnetz [wirft] er, kein Feind entgeht seiner Hand, mit ihm, dem hohen Herren, der leuchtend erstrahlt, mißt sich niemand13. Vor allem aber wäre der Mardukhymnus K 3351 zu nennen, dessen Aretalogie sagt: . . . bei dessen Schlacht der Himmel erbebt, bei dessen Zorn die Tiefe aufgerührt wird, vor dessen Waffenspitze die Götter umkehren. Im Sturmwind erglänzen seine Waffen, 10 11

12 13

Zitiert nach Jeremias a. a. O. 80. A. Falkenstein—W. von Soden, Sumerische und akkadische Hymnen und Gebete, 1953, Nr. 10, 251. Falkenstein—von Soden a. a. O. Nr. 46, 22f. Falkenstein—von Soden a. a. O. Nr. 29, 8—19. 2*

20

Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

durch seine Flamme werden die unzugänglichen Berge zerstört, stürmt aufgeregt das wogende Meeru. Das Berichten, in dem der Gegenstandsbezug des Kommens und Eingreifens der Götter ausführlich zur Sprache kommen müßte, wird in den genannten Beispielen nicht gattungsbestimmend und gelangt insofern nicht zu eigenem Gewicht. War schon im biblischen Bereich die Epiphanieschilderung alsbald aus dem berichtenden in das beschreibende Lob hinübergewandert, so scheint sie in Mesopotamien überhaupt nur in diesem vorzukommen. So macht die große Gruppe von Epiphanieschilderungen, die J . Jeremias 15 aus sumerischen und akkadischen Hymnen zusammengestellt hat, die betreffenden Götter zwar im Augenblick ihres Kommens — allem Polytheismus zum Trotz — zu Erschütterern des Kosmos, vernachlässigt dafür aber die Geschichtlichkeit der Gotteserfahrung. Klassisch dafür ist der bekannte Adadhymnus IV R 28, Nr. 2: Der Herr, wenn er voll Zorn ist, erzittern die Himmel vor ihm, Adad, wenn er ergrimmt ist, erbebt die Erde vor ihm. Die großen Berge stürzen vor ihm nieder, vor seinem Zorn, vor seinem Grollen, vor seinem Brüllen, vor seinem Donnern fliehen die Himmelsgötter zum Himmel hinauf, steigen die Erdgötter in die Erde hinein, geht die Sonne in des Himmels Grund hinein, verschwindet der Mond in des Himmels Höhe 18 . Eindeutiger auf Veränderungen im natürlichen Bereich zielt das Kommen Baals in I I AB V I I 27ff., wo freilich ein epischer Zusammenhang vorliegt: Es [öffnete] Baal die Spalten der [Wolken], E s ließ der Heilige, Baal, seine Stimme [erschal]len. E s wiederholte Baal die Ä u s s e r u n g seiner Lip]pen; Seine Stimme ertfönte und es be]bte die Erde; . . . die Berge, Es jagten (?) die dichten Wolken . . . Ost und West (?), Die Hügel der Er [de ?] hüpften. Die Feinde Baals verkrochen sich in die Wälder 17 . Wie die Erschütterung, in die das Kommen des Gottes versetzt, die Kategorien des gegenständlich Begrenzten durchbricht, wird durch diese Stellen eindrucksvoll deutlich. Aber solche Deutlichkeit geschieht — aufs Ganze gesehen — auf Kosten des Gegenstandsbezuges des göttlichen Kommens. Auch in der Epiphanie bleiben die Götter in einer eigentümlichen überzeitlichen Schwebe. Die spezifisch geschichtliche Gotteserfahrung vermochte das religiöse Bewußtsein nicht bis in die Tiefe zu bestimmen. II. D I E U N I V E R S A L E N A U S W I R K U N G E N DES E I N G R E I F E N S GOTTES

Ist schon das Kommen Gottes von so unbegrenzbarer Auswirkung, so muß das in noch viel stärkerem Maße von seinem Eingreifen 14 15 16 17

Jeremias a. a. O. 81. A. a. O. 73 fi. Jeremias a. a. O. 79. J . Aistleitner, Die mythologischen und kultischen Texte aus Ras Schamra, 1964, 45.

Die universalen Auswirkungen des Eingreifens Gottes

21

gelten, in dem sein Kommen sein Ziel hat. Das muß im Bericht von solchem Eingreifen zur Sprache kommen, aber auch in den Folgerungen, die aus dem Berichteten gezogen werden. a) Der verallgemeinernde Bericht18 Der Bericht innerhalb des berichtenden Lobpsalms läßt die mit dem Gegenstandsbezug der Rettung gegebene Begrenztheit des Geschehens zeitweise wenigstens ahnen, wenn auch die geschichtliche Konkretion oft nur angedeutet ist, um die Worte des Psalms für eine Verwendung in vielen möglichen Situationen offen zu halten. Ein Beispiel dafür ist Ps 124 6f. Doch gibt es daneben Berichte, die das einmal Erfahrene, ohne den Bezug des Geschehens auf den begrenzten betroffenen Personenkreis bzw. auf die betroffene Einzelperson aus dem Auge zu verlieren, dahingehend verallgemeinern, daß das eine Geschehen für diese Betroffenen eine grundsätzliche Bedeutung bekommt. Es entscheidet über ihre ganze Zukunft und weitet sich dazu auch in gewisser Weise auf einen unbegrenzten Raum aus. So zerdehnt schon der noch rein episch-rhapsodische Kriegsbericht Jdc 5 19 die Siseraschlacht zu einem Kampf gegen die ""jV?. Ebenso ergibt sich Ex 15 6f. aus der Erfahrung der einen Rettung beim Auszug »ein allgemeiner Lobpreis von Jahwes überwältigender, für seine und Israels Feinde schrecklicher Kraft« 19 . Auf derselben Ebene liegt es, wenn Mesa' auf seiner Inschrift behauptet, mit der einen Niederlage sei Israel »für immer zugrunde gegangen«20. Das Entsprechende im Lobpreis des einzelnen findet sich Ps 9 6f., wo die Verallgemeinerung einerseits durch die Objekte und SJtth, andererseits durch die Temporalbestimmungen "T?J oVis?1? und nsi1? bezeichnet wird. Weniger deutlich bieten dasselbe die Verse 16-19. Auffällig ist diese Tendenz auch in Ps 18: während der erste Bericht von der Errettung (5-20) nur die Rettung von Feinden 21 und Hassern im Auge hat, die den Beter überfielen isf., wird er nach dem zweiten Bericht (36-46) sogar zum 0?lä SfriT 44, zu dem die zitternd aus ihren Kerkern kommen 46; »es ist eine totale Wende geschehen«22. Der verallgemeinernde Bericht geht zwar von einem einmaligen person- und gegenstandsbezogenen Geschehen aus, lockert aber, was seine Auswirkungen im Blick auf die Zukunft anbetrifft, den Gegenstandsbezug bereits, indem er die Auswirkungen des Geschehens eine Bewegung zum räumlich und zeitlich Unbegrenzten vollziehen läßt. 18 19 20 21 22

Hierzu und zum Folgenden Mand a. a. O. 192 ff. M. Noth, Das 2. Buch Mose/Exodus, 19612, 99. H. Donner—W. Röllig, Kanaanäische und aramäische Inschriften, 1964, Nr. 181, 7. In v. 18 a wird mit LXX, Syr, Targ und Hier z u lesen sein. Kraus a. a. O. 149.

22

Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

Einige Male geschehen diese Verallgemeinerungen im Aussagestil des forensisch bezeugenden Berichts Jdc 5 19 Ps 9 16-19 Mesa'-Inschrift 7; die Aussage beansprucht das Interesse von Hörern, will also eine Art Verkündigung sein. In anderen Fällen geschieht sie in der Anrede an Gott Ex 15 6f. Ps 9 6f. 18 44. 46; dann will sie Gott gleichsam auf seine jetzt getroffene Entscheidung auch für die Zukunft festlegen. b) Der Ausblick auf die Zukunft

Eine etwas andere Weise der Verallgemeinerung hegt da vor, wo der Betende zwar nicht im Bericht selbst die gegenständliche Begrenztheit des Geschehenen lockert, wohl aber — oft im Anschluß an den Bericht — aus ihm verallgemeinernde Folgerungen zieht. Auch so entscheidet das einmal Erfahrene über alle Zukunft, und darum im Blick auf die Zukunft auch über allen Raum. Innerhalb des Lobs des Volkes geschehen solche Ausblicke wohl ursprünglich in Form von Fluch und Segen. Nach der zugrunde liegenden archaischen Vorstellung haben die Erretteten im Vorgang der Errettung die magische Segensmacht der Gottheit erfahren; der dem Menschen zur Verfügung gestellte Machtbesitz der Gottheit steht noch stärker im Vordergrund als ihr persönlicher Rettungswille. Nun gilt es, diese Macht für die Zukunft durch Aussprechen von Fluch und Segen — zur Vernichtung der Feinde und zum weiteren Heil des eigenen Volkes — zu festigen und zu stärken. Im Sinne des magischen pars pro toto soll das eine Ereignis für alle kommenden gültig werden. Dem dienen die Doppelformel Jdc 5 31a (vgl. Dtn 33 29 b) und der Fluch Ps 129 5-8a23. Wird aber über alle Zukunft entschieden, dann damit auch über alle Feinde; daher Tpa'iif'iS Jdc Ö3ia (T??*1 Dtn 33 29b) und Ii"? Ps 129 524. Freilich widerstreitet die Anrede an Jahwe in Jdc 5 31 a bereits einer magischen Intention: der angeredete Gott soll bei seiner Zuwendung gehalten werden. Solche Anrede findet sich auch im ersten Teil einer Jdc 5 31 a entsprechenden Doppelformel Judith 16 15b. 16b. 17, während der zweite Teil (16b. 17) weisheitlichen Aussagecharakter hat. Im Selbstgespräch der Gemeinde kommt dieselbe Bewegung in die Zukunft Ps 124 s zur Sprache; solches Selbstgespräch dient der Selbstvergewisserung der Beter. Im Lob des einzelnen finden sich solche Ausblicke in die Zukunft noch ausgiebiger. Die Stellen sind im folgenden unter Hervorhebung der Ausdrücke, die auf ein zeitlich oder räumlich Unbegrenztes wei23

24

Zu Unrecht sieht Gunkel-Begrich (a. a. O. 323) in der Anfügung der von ihm sog. »Wunschbitte« in Ps 129 5-8a ein Zeichen der Gattungsauflösung. Ein entsprechender Ausblick in einer Ankündigung nach einem Siege findet sich Jos 10 25. Die Endgültigkeit eines bevorstehenden Sieges verheißt Ex 1413.

Die universalen Auswirkungen des Eingreifens Gottes

23

sen, ohne weitere Erörterung aufgeführt. Alle zitierten Worte sind Anreden Gottes. Ps 1 0 l 7 i . : Das Begehren der Armen hast du vernommen, Jahwe, machst fest ihr Herz, neigst dein Ohr, um Recht zu schaffen Waisen und Bedrückten, daß nicht ferner Gewalt übt ein Mensch von der Erde. Ps 4012: Du, Jahwe, wirst nicht verschließen dein Erbarmen vor mir; deine Gnade und Wahrheit werden stets mich behüten. Ps 4113: Mich aber stützt du ob meiner Unschuld, läßt mich stehen vor deinem Antlitz für immer. Ps 138 7f.: Muß ich auch mitten in der Bedrängnis wandeln, du gibst mir Leben . . . Jahwe, deine Huld währt ewig25.

c) Die Entfaltung zum beschreibenden Lob Oft läuft das berichtende Lob in kleinere oder größere Stücke beschreibenden Lobes aus. Aus dem Lob für das einmal erfahrene Retten Gottes wird dabei das Lob im Hinblick auf das in diesem Retten geoffenbarte Wesen Gottes: die zeitlich und räumlich universal bezogene Größe und Güte Gottes wird zum Hintergrund des in zeitlicher und räumlicher Begrenzung einmal Erlebten. Von der(n) Person (en) des(r) Betroffenen kann in diesen Sätzen natürlich ganz abgesehen werden. Im Lob des Volkes finden sich solche Sätze als Anrede an Gott: E x 15 l l : Wer ist wie du unter den Göttern, Jahwe ? Wer ist wie du verherrlicht unter 'den Heiligen'™, furchtbar in Ruhmestaten, Wunder tuend ? Vgl. Judith 1613-15».

in der Form verkündigender Aussage: E x 1518: Jahwe herrscht als König für immer und ewig. E x 18 l l innerhalb des Lobrufes V. iof.: J e t z t weiß ich, daß Jahwe größer ist als alle Götter. 25

M

Ähnliche Ausblicke ohne Universalismen finden sich: in Form der Anrede an Gott Ps 18 29t. 32 7, in Form des Selbstgesprächs Ps 118 6f. 14.17. Mit L X X und Syrt wird B ^ j ? ? zu lesen sein.

24

Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Eingreifens Gottes in die Geschichte Dtn 33 26.27a: Keiner ist wie der Gott Jesuruns, der über den Himmel fährt zu deiner Hilfe in seiner Hoheit auf den Wolken. Eine Zuflucht ist der Gott der Urzeit, und drunten sind ewige Arme.

I m Lob des einzelnen finden sich solche Sätze als Anrede an G o t t : Ps 18 50f.: Darum, will ich dich preisen unter den Völkern, Jahwe, und deinem Namen singen, der seinem König große Hilfe verleiht und seinem Gesalbten Huld erweist, David und seinem Samen für immer. Vgl. Ps 18 26-28 40 6 6 6 3t. 10-12 138 4-6.

als verkündigende Aussage: Ps 30 e: Ja, nur kurz ist sein Zorn, lebenslang seine Huld. Am Abend ' ' Weinen, doch am Morgen Jubel. Vgl. Ps 9 8 f . 1 2 f . 10 1 6 18 3 1 - 3 5 . 4 7 - 4 9 66 lf. 5 - 9 116 5 118 1 - 4 13851.

Ist in solchen Sätzen mit dem Gegenstandsbezug des Eingreifens Gottes auch der Personbezug aus den Augen verloren, mag m a n freilich im Ansatz die Geschichtlichkeit des göttlichen Handelns überh a u p t gefährdet sehen. Trennen sich die Sätze vom berichtenden Lob, m u ß t e es naheliegen, das Wesen Jahwes unter Absehung von seinem Handeln, wie es je in der Geschichte erfahren wurde, der Anschauung darzubieten. Bleiben sie dagegen im Zusammenhang des berichtenden Lobs, ist ihr Anliegen, sofern sie als Anrede an Gott ausgesprochen werden, wiederum das Festlegen Gottes auf die einmal getroffene Entscheidung bzw., sofern sie in der Aussageform ausgesprochen werden, die Verkündigung des in seinem Handeln offenbaren SoSeins Jahwes an die ganze Gemeinschaft, ja an alle Welt, was besonders die Aufforderungen zum Lob P s 912 66 1. 4. 8 138 427 zeigen 28 . d) Weisheitliche

Verallgemeinerungen

Ganz im Sinne der Belehrung des einzelnen wird die einmalige E r f a h r u n g in den weisheitlichen Erweiterungen des berichtenden Lobs verwendet. Das Erfahrene wird dabei zum Beispiel für die Gültigkeit einer sittlichen Weltordnung, die in ihrer Allgemeinheit von dem Erlebnis des Redenden völlig unabhängig ist; das Erfahrene setzt 27 28

Sofern rpiV als Jussiv aufzufassen ist. Zu den entsprechenden Aufforderungen im beschreibenden Lob (Hymnus) vgl. Gunkel-Begrich a. a. O. 36.

Die universalen Auswirkungen des Eingreifens Gottes

25

keine neue Ordnung, sondern bestätigt die längst vorhandene. Nun braucht sich der einzelne Angeredete nur erkennend in sie einzufügen. Auch die Anrede an Gott kann zurücktreten; der Erkenntnisvorgang bezieht sich auf konstatierende Aussagen. Beispiele dafür finden sich Ps 32 lf. 6. 8-1129 34 6.8-23 40 5 41 2-4 118 8f. 14415 Judith 16 16b. 17. Die Makarismen Ps 321 349b 40 5 412 14415, welche selbst abgeschwächte Segensformeln darstellen, verbinden diese Sätze formal mit den Fluch- und Segensworten in Ausblicken auf die Zukunft; sie konstatieren aber nur das Gesegnet-Sein dessen, von dem das in der folgenden Näherbestimmung Gesagte gilt, bekräftigen also wiederum nur die Ordnung, ohne selbst Segen zu setzen 30 .

e)

Zusammenfassung

Auch das Eingreifen Gottes ist zunächst gegenstandsbezogen, insofern Gott bestimmte Menschen, bzw. einen bestimmten Menschen aus einer ebenso bestimmten gegenständlichen Not rettet; andererseits zeigen die verschiedenen besprochenen Ausweitungen des Berichts im berichtenden Lob, daß das Eingreifen Gottes die Kategorien gegenständlicher Begrenztheit durchbricht. Das Berichtete wächst (a) selbst über seine gegenständlichen Dimensionen hinaus; infolge des Berichteten erschließt sich für die Betroffenen (b) alle Zukunft und im Blick auf die Zukunft auch aller Raum; in dem Berichteten geschieht (c) das Offenbarwerden des in seiner Größe und Güte über die begrenzte Zeit und den begrenzten Raum erhabenen Gottes; oder das Berichtete wird (d) zum Beispiel, das die allgemeine Gültigkeit einer Gott, Mensch und Welt umspannenden sittlichen Weltordnung belegt. Sehen wir einmal von den weisheitlichen Anwendungen ab, so erweist sich das Eingreifen Gottes als streng kontingentes Ereignis, das den sonst geschlossenen Kreis des Welt-Mensch-Zusammenhanges durchbricht und so die Betroffenen in ein eigentlich geschichtliches Sein versetzt. Denn das Eingreifen Gottes bringt das im absoluten Sinne Neue, Einmalige, das über Mensch und Welt universal entscheidet. So hegt im Eingreifen Gottes fast noch deutlicher als in seinem bloßen Kommen ein Moment des Endgültigen: ein über dies Neue, Einmalige Hinausgehendes ist, wenn das im Umkreis des berichtenden Lobes über es Gesagte ernst genommen wird, nicht zu erwarten. Die Geschichte wird durch es eröffnet und gleichzeitig abgeschlossen. 29

30

Sehr treffend nennt Sellin-Fohrer (a. a. O. 290) Ps 32 als Beispiel dafür, »daß manches Danklied geradezu zu einem Lehrgedicht geworden ist«. Zum Makarismus vgl. 133 f.

26

Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

Gehen dagegen Gegenstands- und Personbezug des einmal Erfahrenen dem Bewußtsein verloren, wird es — wie es sich dem beschreibenden Lob und vor allem der weisheitlichen Verallgemeinerung nahelegt — zur »allgemeinen Wahrheit«, so tritt an die Stelle des geschichtlich erfahrenen Endgültigen ein zeitlos Ewiges, womit der Bereich geschichtüchen Verstehens verlassen ist.

III. D I E U N I V E R S A L E AUSWEITUNG D E S LOBES GOTTES

Geht vom Jetzt und Hier des Eingreifens Gottes in die Geschichte die Bewegung seiner Wirkungen zum zeitlich und räumlich Unendlichen, wird das Entsprechende auch von dem auf dieses Eingreifen Gottes antwortenden Lob des Menschen gelten: Nun muß das Lob der(s) Geretteten bis in Ewigkeit währen; es muß vor allen Menschen geschehen, ja alle Menschen mit ergreifen. Dies ist um so eher zu erwarten, als sich ein geschichtliches Widerfahrnis nicht einfach auf Grund seiner »Tatsächlichkeit« als Ergebnis des Kommens und Eingreifens Gottes erweist, sondern als solches erst durch ein Verstehen, wie es im Lob zum Ausdruck kommt, erlebt werden kann; auch seine Endgültigkeit konstituiert sich ja erst in dem damit bezeichneten Ineinander von Widerfahrnis und Antwort. a) Das Lobgelübde in der Klage

Ein ewiges, alle Menschen angehendes Lob wird zunächst in der Klage für die mit Gewißheit erwartete Rettung versprochen. So in der Klage des Volkes: Ps 7913: Wir aber sind dein Volk, Schafe deiner Weide ; wir wollen dir ewiglich danken, deinen Ruhm verkünden von Geschlecht zu Geschlecht. Vgl. Ps 8019.

In der Klage des einzelnen: Ps 35 28: Meine Zunge soll deine Gerechtigkeit künden, dein Lob den ganzen Tag. Vgl. Ps 5211 61 9 63 5 7114a. 15.18f. 24 86 12 Jes 38 20.

Während Ps 63 5 (7118 Jes 38 20) das Lobgelübde, von jedem Überschwang frei, auf die eigene Lebenszeit beschränkt, bezieht Ps 22 30f. ausdrücklich die Toten und die folgenden Generationen mit ein. Der zeitlichen Entschränkung kann dann die räumliche entsprechen. Nach Ps 57 10 wird das Lob vor dem Forum von Göttern und

Die universale Ausweitung des Lobes Gottes

27

Völkern geschehen, während Ps 22 28 »alle Enden der Erde« und »alle Geschlechter der Völker« sogar aktiv einbezieht. »Himmel und Erde, die Meere und alles, was in ihnen sich regt« werden Ps 69 35 in einer hymnischen Erweiterung des Lobgelübdes zum Lob aufgefordert31. Eine außerordentlich große Rolle spielen solche Gelübde in sumerischen und akkadischen Klagen 32 . Ein ewiges Lob der Iätar kündet z. B. Assurnasirpal I. in einem Klagegebet an die Göttin an: Für alle Zukunft will ich (dann) deine Gottheit preisen, [deinen Namen] hoch erheben unter den [Göttern] von Himmel und Erde 33 . In der Fürbitte kann entsprechend das Lob dessen versprochen werden, für den die Fürbitte geschieht; so in einem sumerischen Paukenlied auf Baba, das Bitten für Gudea von Lagasch enthält: Mutter Baba, in deiner Stadt Lagasch wird er (seil. Gudea) dich immerdar preisen 34 ! Schließlich kann der Betende das ewige Lob derer in Aussicht stellen, die die an ihm geschehene Rettung wahrnehmen; so in einem kleinen akkadischen Gebet an Schamasch aus Anlaß des Schrecks über die Feststellung eines bewohnten Schlangennestes im Hause: An diesem Übel laß mich (gesund) vorbeikommen, daß ich deine Großtaten verherrlichen, dir die Huldigungen darbringen k a n n ! Die mich sehen, mögen für alle Zeiten dir die Huldigungen darbringen 3 5 ! Der zeitlichen Ausweitung entspricht wieder die räumliche. So kann der Betende ein Lob vor allen Völkern versprechen, etwa in einem Gebete an Marduk: Ich will berichten deine Größe den weiten Völkern3*. Daß als Forum für solches Lob auch die Götter in Frage kommen, zeigt das oben zitierte Gebet Assurnasirpals I., dessen diesbezügliche Ergänzung sicher keinen Zweifel leidet. Aber auch vor einem einzelnen Gott kann die Verherrlichung stattfinden, etwa in einer Gebetsbeschwörung an Nusku: Nusku (?), vollkommener Herr (?), der du Einsicht hast, deine Großtaten will ich verherrlichen vor (?) Schamasch täglich 3 7 ! Das Lob ihres Klienten »in allen Wohnstätten« sagen die Priester dem Gotte Nabu zu, an den sie f ü r einen Büßer die Klage richten: [Herr, er]greife seine Hand, daß er deine Gottheit ehre, [in allen] Wohnstätten stets deine Großtaten verherrliche 38 ! 31

32 33 34 35 36 37 38

Zur »Universalität der Verkündigung« in den Psalmen vgl. H. Zirker, Die kultische Vergegenwärtigung der Vergangenheit in den Psalmen, 1964, 65ff. Vgl. Zirker a. a. O. 77 ff. Falkenstein—von Soden a. a. O. Nr. B 14, Rücks. 26 f. Falkenstein—von Soden a. a. O. Nr. 16, 42. Falkenstein—von Soden a. a. O. Nr. B 55, 11—13. W. G. Kunstmann, Die babylonische Gebetsbeschwörung, 1932, 40. Falkenstein—von Soden a. a. O. Nr. B 78, 13f. Falkenstein—von Soden a. a. O. Nr. B 13, IV l f .

28

Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

Oder der Betende stellt das vor den Völkern dargebrachte Lob derer in Aussicht, die die an ihm geschehene Rettung wahrnehmen, so in einem Gebet an Iätar: Die mich sehen, mögen deine Güte bekannt machen den weiten Völkern. Auch andere Menschen können aktiv in dieses Lob einbezogen werden, so in einem Gebet an Marduk: Das zahlreiche Volk, das Land, das dort liegt, möge dich rühmen39.

b) Das Lobgelübde im berichtenden Lob Das Lobgelübde kann nun aus der Klage in das berichtende Lob übernommen werden, und zwar entweder an den Anfang des Psalms als Ankündigung des nunmehr erfolgenden Gotteslobes treten oder an sein Ende als eine Erneuerung des schon in der Klage vorgebrachten Lobgelübdes. Auch hier weitet sich das Lob zeitlich wie räumlich aus. Am Anfang des Psalms finden sich solche Sätze innerhalb eines Lobs des Volkes Jdc 5 3 als Ankündigung seitens des Vorbeters: Hört, ihr Könige, lauscht, ihr Fürsten, ich, ich will Jahwe singen, ich will spielen für Jahwe, den Gott Israels.

Das Entsprechende begegnet Ps 34 2 im Lob des einzelnen: Preisen will ich Jahwe allezeit, sein Lob soll stets in meinem Munde sein. Vgl. Ps 1162 138 l. Parallelen aus dem mesopotamischen Raum finden sich, da das berichtende Lob überhaupt fehlt, nur in Hymnen. Doch wird auch hier der Bezug auf ein einzelnes Erleben vorauszusetzen sein; die ebenfalls auf eine einzelne Not bezogenen Klagepsalmen legen das nahe. Wir bringen ein Beispiel aus einem Hymnus Assurbanipals an Aschschur (Anschar): [Ständig ?] will ich (es) immer wieder aussprechen, huldigen dem Kriegertum [dessen, der] in Escharra wohnt, Anschars, des Bestimmers der Geschicke! [Um es] die Menschen sehen zu lassen, will ich für später Aufschluß geben, [will] eine Mahnung hinterlassen, daß die Nachfahren es hören! Das Götterherrentum [des Anschar] will ich für alle Zeiten hoch erheben10.

Am Schluß bringen wir noch ein biblisches Beispiel für das erneuerte Lobgelübde am Ende eines Lobpsalms: Ps 1850: Darum will ich dich preisen unter den Völkern, Jahwe, und deinem Namen will ich singen. Vgl. Ps 3013. 38 40

Die beiden zuletzt genannten Stellen bei Kunstmann a. a. O. 41. Falkenstein—von Soden a. a. O. Nr. B 8, 9—13.

Zusammenfassung

29

c) Das »Jetzt« des Eingreifens Gottes als Augenblick der Eröffnung des Lobes Geht vom Jetzt und Hier des Eingreifens Gottes in die Geschichte auch in bezug auf das Lob des Menschen eine Bewegung zum zeitlich und räumlich Unendlichen aus, so ist zu erwarten, daß die Bedeutung, die dieses »Jetzt« in seiner damit gegebenen Endgültigkeit hat, wenigstens gelegentlich auch bezeichnet wird. So betont E x 18 11 das nri» des Hierher gehört es auch, wenn das auf Grund des göttlichen Eingreifens gesungene Lied hin und wieder ein »neues Lied« genannt wird41, so im Lob des einzelnen Ps 40 4, sowie im Lobgelübde der Klage des einzelnen Ps 144 942. Entsprechend kann auch von einem Lob aViVt»"! nnva gesprochen werden Ps 113 2 115 18 145 21, wobei das nn?? den Augenblick der Heilserfahrung bezeichnet, obwohl die Wendungen jetzt nur in den nicht unmittelbar auf einzelne Heilserfahrungen bezogenen beschreibenden Lobpsalmen vorkommen. Schließlich wäre auf die Betonung des »Heute« in einigen Lobworten mit der "splS-Formel hinzuweisen: I Sam 2532: Gepriesen sei Jahwe, der Gott Israels, der dich heute mir entgegengeführt hat. Vgl. I Reg 1 48. I Reg 5 21: Gepriesen sei Jahwe heute, der dem David einen weisen Sohn gegeben hat über dieses große Volk.

IV. ZUSAMMENFASSUNG

Im Bewußtsein der Betroffenen weiten sich nach den beigebrachten Zeugnissen die Wirkungen des Kommens und Eingreifens Gottes — insbesondere im Blick auf die Zukunft — derartig aus, daß die Kategorien des gegenständlich Begrenzten durchbrochen werden. Vom Jetzt und Hier des Kommens und Eingreifens Gottes in die Geschichte ergeht die Bewegung der Wirkungen zum zeitlich und räumlich Unendlichen, wobei ihr die Bewegung des menschlichen Lobes gleichsam zu folgen sucht. Das zeitlich und räumlich Unendliche kommt dabei mit Hilfe von Grenzwerten und Ganzheitsbegriffen zum Ausdruck. Unter den zeitlichen Grenzwerten ragt vor allem üVlS? hervor, dessen Bedeutung E. Jenni 43 mit »fernste Zeit« wiedergibt. An den angeführten Stellen begegnet adverbielles oVlS?: Ps 1016 667 Dtn 33 27 Meäa' 7 41 42 13

Zum »neuen Lied« vgl. Zirker a. a. O. 79fl. Weiteres Vorkommen: Ps 33 8 961 981 Jes 4210 Apc Joh 5 9 148. Das Wort 'öläm im AT, ZAW 64 (1952), 197ff.; 65 (1953), lff.

30

Die Endgültigkeit des gegenwärtigen Eingreifens Gottes in die Geschichte D^ÌSTI»:

P s l 8 s i 7119 cj.

D?!»/»: Ps 9 6 . 8 3 0 i s 41 ib 5211 7913 8612 138s E x 1517. Den gleichen Sinn wie D^IS hat wohl "TS, wie die Kombination IVI OVÌS PS 10 16 und T ? } nVi^V Ps 9 6 E x 1517 zeigt, und wohl auch die Konstruktion des mit 7, die die Bewegung zum »fernsten Zeitpunkt« andeutet. Mit beiden Ausdrücken ist zu vergleichen : "ITJ "lì 1 ? : ns£:

Ps 7913 (parallel zu OVl»1?) ps 7118 cj. P s 9 7.19

ÌlJRt-1?: Ps 7 18. Temporale Ganzheitsbegriffe sind trÌD: Ps 30 6 Tina: Ps 635 ^ ä : Ps 116 2 Win Jes 38 20 Oi*?" 1 ??: Ps 3528 7115.24 n » h'ba : Ps 34 2 Tön: Ps 4012 7114 sowie negativ TS? Ps 10 18. Räumliche Grenzbegriffe sind n^nnoia: psi8saa VarinnpiD: psi8ie n ^ a f n n i i p i a : n sam 22 s»p Q:?"^^: T1S-DS8:

PS 1816 Ps 22 28.

Räumliche Ganzheitsbegriffe schließlich wären »Himmel und Erde« I I Sam 22 8a und ähnliche Kombinationen, die ja nicht einfach die Addition kosmischer Größen, sondern das erlebte Weltganze bezeichnen wollen. Eine große Rolle spielt an den angeführten Stellen überhaupt der Begriff VI Ps 18 31 2228 32 6 661.4 71 18 129 5 138 4 Jdc 5 31, der auch nicht einfach »die Vorstellung einer vollständigen Sammlung der einzelnen Exemplare einer Art« in sich schließt, sondern ».Gesamtheit', »Ganzheit' bedeutet und . . . deshalb nie in der Mehrzaftl steht«44.

Solches Durchbrechen der Kategorien des gegenständlich Begrenzten bezeichnet das Kommen und Eingreifen Gottes in seiner Ungegenständlichkeit und bezeugt damit den kommenden und eingreifenden Gott selbst in seiner schlechthinnigen Weltüberlegenheit und Transzendenz. Und doch liegt darin allein noch nicht das Spezifische des alttestamentlichen Gottesbegriffs gegenüber den Gottesvorstellungen seiner Umwelt. Dieselbe Weltüberlegenheit des jeweils gelobten Gottes äußerte sich auch in den angeführten mesopotamischen Psalmen. Das spezifisch Israelitische ist vielmehr der Charakter des Gotteslobes als berichtendes Lob, womit der Gegenstandsbezug des Ungegenständ44

Th. Boman, Das hebräische Denken im Vergleich mit dem griechischen, 19654, 145 f.

Zusammenfassung

31

liehen, die Konkretheit des Kommens und Eingreifens Gottes in der begrenzten Zeit und im begrenzten Raum hervorgehoben wird. So wird Gottes Kommen und Eingreifen in, mit und unter einem geschichtlichen Geschehen artikuliert; das Daß seines Handelns ist nicht ohne das Was einer konkreten Ereignung. Während die Götter der mesopotamischen Psalmen auch bei ihrer Epiphanie in einer eigentümlichen überzeitlichen Schwebe bleiben, liegt die Einzigkeit Jahwes — nach einer Formulierung K. H. Miskottes — darin, daß er sich in der Welt von der Welt unterscheidet45. Damit ist zugleich jener Horizont menschlichen Gott-Welt-Bezuges umrissen, der — die verschiedenen Verstehensstrukturen in den verschiedenen Situationen umgreifend — sich auch in der ganzen übrigen alttestamentlichen Verkündigungsgeschichte durchzuhalten sucht. Die beobachtete Umwandlung des geschichtlich erfahrenen Endgültigen in ein zeitlos Ewiges bezeichnet freilich im Ansatz ein Fortgehen vom spezifisch biblischen Anliegen. Wird dies biblische Anliegen dagegen durchgehalten, so konstituiert die gegenstandsbezogene Ungegenständlichkeit des Kommens und Eingreifens Gottes die Endgültigkeit des Geschehens, in dem dieser Gott erfahren wird. Mit ihm bringt das Gotteslob ein ¿epenra^ zur Sprache. Dies zielt einerseits auf die jeweilige Zukunft, insofern es die zukünftige Wirklichkeit ist, welche durch solches Geschehen bis zu ihren äußersten Grenzen eröffnet wird. Andererseits ist ein neues einzelnes Zukunftsgeschehen durch das gegenwärtige Ereignis, das wegen seiner unendlichen Reichweite weder widerrufen noch überboten werden kann, prinzipiell ausgeschlossen. Die von dem &pattoc^ der Gegenwart hervorgerufene Bewegung hat, als ins Unendliche gerichtet, zwar einen Ausgangspunkt, aber keinen gegenständlichen Zielpunkt. Freilich ist in den letzten Sätzen auch schon das Problem angedeutet, das uns im nächsten Abschnitt beschäftigen muß: Mit welchem Recht sprechen wir hier von einer jeweiligen Zukunft? Was bedeutet die Multiplizität der Offenbarungsakte für das Verständnis jedes einzelnen von ihnen? Wie konnte es im Licht eines gegenwärtigen bzw. vergangenen §n der ätiologischen Erzählung anzuklingen, bei der die Vergegenwärtigung durch die in der Gegenwart fortbestehende Gegebenheit angeregt wird, die die Ätiologie erklärt48. Gegenstand der Vergegenwärtigung ist primär das heilsgeschichtliche Einzelereignis. So weiß das älteste und für die ganze Folgezeit entscheidende Bekenntnis Israels nur von dem einen Ereignis der Ausführung aus Ägypten. Auszug aus Ägypten und Einzug in Kanaan werden auch später noch als zwei Seiten eines einzigen Geschehens 47

48

Vgl. M. Noth, Die Vergegenwärtigung des AT in der Verkündigung, in: Probleme alttestamentlicher Hermeneutik, ed. C. Westermann, 1960, 61. Während im Alten Testament also »der Zeitabstand zwischen dem einstigen Ereignis und der gegenwärtigen Wiedergabe . . . im Erzählen nicht gelöscht« wird (C. Westermann, Vergegenwärtigung der Geschichte in den Psalmen, in: Forschung am AT, 1964, 315), geschieht im homerischen Epos »das Vorübergehen der Erscheinungen . . . im Vordergrund, das heißt stets in voller örtlicher und zeitlicher Gegenwart« . . . Ein»subjektivistisch-perspektivisches Verfahren, welches Vordergrund und Hintergrund schafft, so daß die Gegenwart sich nach der Vergangenheitstiefe öffnet, ist dem homerischen Stil völlig fremd; er kennt nur Vordergrund, eine gleichmäßig beleuchtete, gleichmäßig objektive Gegenwart«. Das gilt auch da, wo der Erzähler — wie im Fall der Narbe des Odysseus (Od 19393fr.) — Vergangenes in die ablaufende Erzählung einblendet (E. Auerbach, Die Narbe des Odysseus, in: Mimesis, 19592, 6ff.). Die Flächenhaftigkeit, mit der die Darbietung Vergangenes und Gegenwärtiges auf gleicher Ebene nebeneinanderstellt, gründet in einer Naivität in bezug auf das Zeitbewußtsein, der das Wissen um zeitliche Ferne noch ebenso fehlt wie das um den eigenen geschichtlichen Ort; die »Rückblende« geschieht darum mit der Selbstverständlichkeit des Filmapparats. 3*

36

Die Aporie der Endgültigkeit

angesehen49. Und schließlich wird bei J, am Ende der Traditionsgeschichte, der ganze durch das Werk ins Auge gefaßte Ereignisablauf auf das eine Abschlußgeschehen in der Davidszeit, bei dem die Volkwerdung und die Landnahme ihr Ziel erreichen, konzentriert50. Derselbe Bezug auf ein einzelnes vergangenes Geschehen erfolgt ja auch überall, wo das aus dem Erleben einer einmaligen Errettung erwachsende berichtende Lob später bei anderer Gelegenheit wiederholt wird51. Doch kann damit nicht ausgeschlossen sein, daß — entsprechend der Selbigkeit des Gottes Israels — die zu vergegenwärtigenden Ereignisse auswechselbar sind: so fließen Ps 114 3. 5 Schilfmeerereignis und Jordanübergang ineinander über52. Sind sie aber auswechselbar, so können sie auch aneinandergereiht werden: die eine gleiche Zuwendung Gottes wechselt dann den Gegenstandsbezug bzw. erscheint in einer Multiplizität von Gegenstandsbezügen. Dann ist aber nicht die gegenständliche Abfolge der einzelnen Ereignisse als solche, sondern die in jedem einzelnen von ihnen gleichermaßen erfahrene Zuwendung Gottes der eigentliche Gegenstand der Vergegenwärtigung. So sind wohl die Aufzählungen des »geschichtlichen Credo« zu verstehen, in denen die häufige Verwendung der 1. Person Plural für die Betroffenen (Dtn 6 20ff. 26 6ff. I Sam 12 8 Ps 95 7) nicht von der kollektiven Einheit der Generationen eines Volkes, sondern als Ausdruck der F. Mildenberger: Gottes Tat im Wort, Erwägungen zur alttestamentlichen Hermeneutik als Frage nach der Einheit der Testamente, 1964, 50. 60 Vgl. 50 ff. 61 Vergegenwärtigung von Geschichte ist also in Israel nicht, wie Westermann sagt, »Vergegenwärtigung eines Geschehensablaufs, eines Geschehens in Kontinuität« (a. a. O. 31Ü). Zwar wird ein Geschehen nur im Spannungsbogen »von Ankündigung und Eintreffen des Angekündigten einerseits, von Lobgelübde und berichtendem Lob andererseits« (a. a. O. 316) als Heilsereignis erkennbar. In der Vergegenwärtigung aber geht es nicht um das Oíí&vibaxwerden, sondern um das Offenbarst« eines Geschehens als Heilsereignis: nur das Eintreffen des Angekündigten, nicht der dahin führende Spannungsbogen wird Dtn 6 20-24 2 6 5b-9 im vergegenwärtigenden Bekenntnis festgehalten; auch die Vätergeschichte ist Jos 242b-i3 (anders als bei J) nicht als Geschichte der Ankündigung verstanden, die etwa in Exodus und Landnahme ihre Erfüllung fände. Tatsächlich reihen die Texte des »geschichtlichen Credo« einzelne Augenblicke, einzelne Ereignisse aneinander. Vergegenwärtigung ist also wirklich nur, wie Westermann an anderer Stelle seines Aufsatzes andeutet, ein Geschehen »zwischen zwei Zeitpunkten, zwischen deren die Erzählung bzw. der Bericht eine Brücke bildet« (a. a. O. 315). 49

62

G. von Rad (Theologie des AT, I I 11410) meint, daß sich solches Ineinanderfließen von Ereignissen »nur aus der Vorstellungswelt des Kultus heraus erklären« lasse. Ob man das so grundsätzlich sagen kann, bleibe dahingestellt; tatsächlich findet sich Ähnliches, und zwar in bezug auf Urzeit- und (typisierte) Geschichtsereignisse, bei den sogleich zu besprechenden kultisch verwurzelten Zionspsalmen.

Die verbale Vergegenwärtigung

37

Gegenwart des Vergangenen zu verstehen ist53. Die Aufzählung mehrerer Heilstaten beherrscht meist auch den Rückblick auf Gottes früheres Heilshandeln in den Klagepsalmen (z. B. Ps 80 9-12). In solchen Rückblicken kann die Vergegenwärtigung entweder den Widerspruch zwischen Gottes bisherigem und seinem jetzigen Handeln aufbrechen lassen (z. B. Ps 77 uff.) oder aber das Bekenntnis der Zuversicht begründen (z. B. Ps 44 2-4)54. Auch hier soll nicht eine Reihe gegenständlicher Fakten, sondern die in ihnen erfahrene Zuwendung Gottes in die Gegenwart geholt werden, eine Zuwendung, die in allen Ereignissen letztlich dieselbe ist. Freilich: Die Vielzahl der Gegenstandsbezüge relativiert die einzelnen göttlichen Zuwendungen in bezug auf ihre Gültigkeit; inwieweit das bewußt wurde, bleibe dahingestellt. Macht also die Vergegenwärtigung die gegenstandsbezogene Ungegenständlichkeit vergangenen Gotteshandelns für die jeweilige Gegenwart geltend, so muß ihr Ermöglichungsgrund in der bleibenden Zuwendung Gottes liegen, derer sich etwa Ps 102 13. 27f. im Bekenntnis der Zuwendung versichert. Es ist klar, daß es dabei nicht das menschliche Subjekt ist, welches seine Geschichtsüberlegenheit ins Spiel bringt, um sich in das Vergangene zu »versetzen«; vielmehr wird ein Bewußtsein davon bestanden haben, daß das Überbrücken des Zeitabstandes von dem Gott ausgeht, dessen Handeln vergegenwärtigt wird. Er, der damals gehandelt hat, schafft jetzt die Gewißheit seiner gegenwärtigen Zuwendung. Insofern überholt echte Vergegenwärtigung den Versuch, über das Handeln Gottes menschlicherseits zu verfügen; seine Vergegenwärtigung geschieht, ubi et quando visum est Deo. Sie stellt aber auch die Verzweiflung in den Schatten, die über seine Wirkungslosigkeit klagt. Ist schließlich der Gott, in dessen bleibend-wiederholter Zuwendung der Ermöglichungsgrund der Vergegenwärtigung seines Tuns liegt, der Gott Israels, so bildet die Geschichte Israels ihren notwendigen Rahmen. Dabei müssen freilich in gewissen Grenzen auch die gegenständlichen Gegebenheiten des Vergangenen in geschichtlicher Kontinuität durchgehalten werden, wenn die Vergegenwärtigung ihre Anschaulichkeit behalten soll. Welche Zeitanschauung liegt solcher verbalen Vergegenwärtigung zugrunde ? — Weil das aller gegenständlichen Zeitdistanz zum Trotz geschehende Mächtigwerden des Vergangenen in Kontingenz geschieht, also nicht etwa den Höhepunkt eines kontinuierlichen Ablaufes darstellt, obwohl es andererseits von der linearen, unumkehrbaren Zeit, der es trotzt, mit strukturiert wird, kann man die Augenblicke der 63 64

Noth, Vergegenwärtigung, in: Gesammelte Studien 61 f. Zu dieser Ambivalenz des Rückblicks auf Gottes früheres Heilshandeln vgl. Zirker a. a. O. 118 ff.

38

Die Aporie der Endgültigkeit

Vergegenwärtigung als Punkte auf einer geraden Linie darstellen. Etwas Derartiges scheint Boman56 vorgeschwebt zu haben, wenn er das hebräische Zeitgefühl als durch »Zeitrhythmen« bestimmt kennzeichnet. Freilich muß dabei die Vorstellung eines regelmäßigen Rhythmus, wie er bekanntlich auch der Musik nicht notwendig eignet, ferngehalten werden. Daß dabei die Punkte auf einer geraden, unumkehrbaren Linie liegen, zeigt einerseits, daß der Vergegenwärtigung bei größerem Zeitabstand wegen der geringer werdenden gegenständlichen Kontinuität größere Schwierigkeiten entgegenstehen, andererseits, daß das Vergegenwärtigte in seinen Vergegenwärtigungen durch die nötige Rücksicht auf die je veränderte Gegenwartssituation des Vergegenwärtigenden selber wieder einer Geschichte unterliegt. In der Anschauung einer Zeitlinie meldet sich also gewissermaßen der Gehorsam gegen das Element des Gegenstandsbezuges des Eingreifens Gottes. In der Geschichte wird der Mensch durch das Eingreifen Gottes und seine Vergegenwärtigung von der Geschichte befreit. Daß es dabei andererseits aber um Punkte auf der Linie geht, will besagen, daß das lineare Element immer wieder in die Augenblicke, die es konstituieren, zurückgeholt werden muß, damit die lineare Zeitanschauung nicht die Unumkehrbarkeit der Zeit so in den Vordergrund rückt, daß die Vergegenwärtigung unmöglich wird.

III. D I E KULTISCHE VERGEGENWÄRTIGUNG

Verbale und kultische Vergegenwärtigung werden im alten Israel oft eng beieinander gestanden haben. Einerseits ist es für die meisten der oben angeführten Beispiele wahrscheinlich, daß sie zu einem kultischen »Sitz im Leben« gehören: so für das Bekenntnis von der Ausführung aus Ägypten, für das »geschichtliche Credo« und für die berichtenden Lobpsalmen (wenigstens was ihre fortlaufende Überlieferung anbetrifft) und vor allem für die Homilien, die den »Mose«reden des Dtn zugrunde liegen. Andererseits zeigt Ex 12 26f., welche Rolle die verbale Vergegenwärtigung bei der doch mehr kultischen Gelegenheit des Passah spielte. Die Unterscheidung von verbaler und kultischer Vergegenwärtigung hat also mehr phänomenologischen als eigentlich historischen Charakter. Von kultischer Vergegenwärtigung wollen wir dort reden, wo (1) die regelmäßige Wiederkehr der Vergegenwärtigung im liturgischen Zyklus das Bewußtsein eines temporalen Abstandes des Vergegenwärtigten vom Akt der Vergegenwärtigung zugunsten des Bewußtseins einer sakramentalen Präsenz verdrängte und (2) mit Hilfe ritueller Darstellungsmittel das Vergangene 56

A. a. o . 144ff.

39

Die kultische Vergegenwärtigung

unmittelbar erlebbar gemacht, ja über alle bloße Demonstration hinaus letztlich im magischen Sinne hervorgerufen wird. Anlaß zu entsprechenden Versuchen bot sich, wofern er nicht mit der primitiven Wirklichkeitsauffassung des ältesten Israel von vornherein gegeben war, bereits durch die Zuordnung der einzelnen Topoi der Heilsüberlieferung zu kanaanäischen Ackerbaufesten (z. B. Ex 12iff. Lev 23 43 Dtn 16iff.). Hier konnte das Moment ritueller Demonstration, wie besonders Ex 12 n-14 zeigt, nicht fehlen. Und doch können wir nicht sehen, daß Inhalt und Intention der geschichtlich ausgerichteten Überlieferung durch diese Weise der Vergegenwärtigung im Ganzen modifiziert worden wären. Dagegen scheint ein starker Einstrom mythischer und kultischer Strukturelemente bei derjenigen Überlieferung stattgefunden zu haben, die hinter den Zionspsalmen 46 48 76 87 steht56. Hier sind auch — wenn überhaupt irgendwo — die Kennzeichen einer kultischen Vergegenwärtigung hinreichend deutlich. Für unsere Untersuchung aber sind diese Psalmen auch darum wichtig, weil sie im Blick auf ihre berichtenden Teile (46 7 48 4-9a[io] 76 4. 6f. 9f.) mit den vorher behandelten berichtenden Lobpsalmen vergleichbar sind, wie zum großen Teil auch diese Kriegsvorgänge widerspiegeln und dazu den Stoff für eine große Gruppe eschatologischer Ankündigungen geliefert haben, die wir unten behandeln werden. Die erste Frage, die in diesem Zusammenhang zu stellen ist, lautet:

a) Was wird in den Zionspsalmen

vergegenwärtigt

?

Wir untersuchen dazu die o.g. berichtenden Teile, die hier wie im berichtenden Lob des Volkes, in dessen Kategorie die Ps 46 48 76 im weiteren Sinne gehören, im Mittelpunkt stehen. Denn die Psalmengruppe mit Gunkel57 zu den Hymnen zu rechnen, empfiehlt sich eben wegen ihres berichtenden Charakters nicht. Günstiger ist es schon, wie Rohland58 und H. J. Kraus 59 in bezug auf Ps 46 tun, von »Vertrauenspsalmen des Volkes« bzw. »kollektiven Vertrauenspsalmen« M

w

Die von Gunkel, Kraus, Sellin-Fohrer u. a. ebenfalls zu den Zionsliedern gerechneten Psalmen 84 und 122 enthalten die für die Psalmen 46 48 76 (87) typischen erzählenden Partien und mythischen Motive nicht und sind daher für unsere Erörterung unergiebig. G. Wanke (Die Zionstheologie der Korachiten, 1966, 6ff.) stellt Ps 42/3 46 48 84 und 87 als »Zionspsalmen der Korachiten« zusammen und erfaßt den mit Ps 46 und 48 inhaltlich so eng verwandten Ps 76 nicht, während er den formal und inhaltlich ganz anders gearteten Ps 42/3 behandelt. Offenbar also ist die Zuordnung von Psalmen zu den Korachiten durch die Psalmenüberschriften für die Auswahl und Charakterisierung von »Zionspsalmen« im traditionsgeschichtlichen Sinne doch kein verläßlicher Orientierungspunkt. 68 A. a. O. 124. 69 A. a. O. 340. Die Psalmen, 1926, 197. 205.

40

Die Aporie der Endgültigkeit

zu reden, und zwar vor allem wegen der umfänglichen Ausblicke auf die Zukunft, auf die wir sogleich aufmerksam werden. Doch dürfte dafür als »Sitz im Leben«, wie wir ebenfalls noch sehen werden, nicht gerade die Volksklagefeier in Frage kommen60. Lediglich der in mancher Hinsicht problematische Ps 87 bringt keinen Erzählstoff und läßt sich gattungsmäßig überhaupt schwer bestimmen. Was nun die Topik der berichtenden Teile anbetrifft, so treten zunächst diejenigen Züge hervor, die an das rettende Eingreifen Gottes im Heiligen Kriege erinnern. Das Geschehen läßt sich nämlich in drei Akte aufgliedern: (1) »Völker toben, Königreiche wanken« 46 7; »die Könige versammeln sich, ziehen miteinander heran« 48 5. Dabei bringen sie Bogen, Schild und Schwert mit 76 4. Beherzte Recken 76 6, ja 010} 7 (wie E x 15 21!) sind auf dem Schlachtfeld. (2) Aber da erhebt der epiphane Jahwe seine Stimme, daß die Erde erbebt 46 7. Vom Himmel herab verkündet er Gericht 76 9. (3) Dies offenbar ist es, was die Könige sehen, um sogleich erschreckt und bestürzt zu erstarren 48 6, so daß sie Zittern und Angst ergreift »wie eine Gebärende« i. Die beherzten Recken versinken in Schlaf, keiner der Helden »findet seine Hand« 76 6. 0101 a ? ! werden betäubt 76 7, Jahwe selber zerstört die Kriegswaffen 76 4 46 10. Alles in allem: Jahwe sendet wieder wie einst seinen Gottesschrecken flifitf nip 46 9. Nicht in diesen Zusammenhang paßt freilich, daß Jahwe nach 48 8 Tharsisschiffe zerstört. Daß die drei Akte des Berichts einer im Siegeslied beheimateten festen Topik angehören, zeigt ein Vergleich mit dem entsprechenden Stück des Deboraliedes: Jdc 5 19-22. (1) Da wird zunächst das Heranrücken der »Könige Kanaans« vor Augen geführt 19 a. V. 19 b nimmt sodann kurz das Ende vorweg. (2) Dann ist von der Wende die Rede, die ursprünglich — vor der Voranstellung von v. 4f.61 — als durch einen von den Sternen hervorgerufenen Regen62 herbeigeführt gedacht ist 20. 2ia63, und schließlich 60 61 62

So Rohland (a. a. O. 124f.) zu Ps 46. Vgl. meine 17 Anm. 6 genannte Arbeit. Die Vorstellung, daß Sterne Regen hervorrufen, läßt sich jetzt auch aus dem ugaritischen Text V A B - B 40f. (V AB-C/D 87f.) (vgl. die Parallelsätze unter den Epitheta der Pgt I D 50—52, 55f., 199f.) belegen, worauf J . Blenkinsopp (Ballad Style and Psalm Style in the Song of Deborah, Bibl 42 [1961], 73) aufmerksam gemacht hat. Vgl. ferner W. Gundel, Sternglaube, Sternreligion und Sternorakel, 6 3 Auf das Verständnis von v. 21 b müssen wir verzichten. 1959, 41 f.

41

Die kultische Vergegenwärtigung

(3) von der panischen Flucht der Feinde 2264. So weit also entspricht alles der Topik des heiligen Krieges; ein solcher Krieg wäre hier lediglich um Jerusalem entbrannt. Die Besonderheit der Zionspsalmen fällt aber sofort ins Auge, wenn wir uns nun einer zweiten Frage zuwenden: b) Inwieweit

erscheint das so Vergegenwärtigte als ein

Endgültiges?

Finden sich in den Zionspsalmen Motive wie diejenigen, die im berichtenden Lob das mit dem Eingreifen Jahwes verbundene Endgültigkeitserlebnis zur Sprache brachten ? Auf die Epiphanie Jahwes reagiert die Erde durch Wanken 46 7 und ängstliches Verstummen 76 9. Auffälliger aber sind die Verallgemeinerungen innerhalb des Berichts. Als Gegner werden von vornherein D?iä 46 7, niDVpa 46 7, 48 5 und 76 6 genannt, wie denn auch der Kampf für 76 10 geführt wird. Ein konkreter Anlaß, ein wirklicher geschichtlicher Gegenstandsbezug ist neben diesen Verallgemeinerungen überhaupt nicht zu erkennen65. Hatte der verallgemeinernde Bericht im berichtenden Lob den Gegenstandsbezug des Berichteten nur leicht gelöst, so verschwindet der Gegenstandsbezug hier überhaupt : Das Geschehen erscheint von vornherein in universalen Dimensionen. Darin liegt ein erster Schritt zu seiner Mythisierung. Die in Form eines Selbstgesprächs der Gemeinde gehaltenen Ausblicke auf die Zukunft 46 2-4. 8.12 treten durch den Kehrvers in den Vordergrund. Die zeitliche Unbegrenztheit göttlicher Treue betont 4815. — Die Form der Aussage hat der Ausblick 48 9 b, der die zeitliche Unbegrenztheit der göttlichen Bestehensgarantie für den Zion betont. Das räumliche Pendant liegt vor, wenn das Gotteslob des »grimmen Edom« und des »Rests von Hamat« als der Vertreter von Süd und Nord vorgesehen wird 76 1166. — Von den entsprechenden Worten in den berichtenden Lobpsalmen unterscheiden sich diese Ausblicke z. T. durch ihren mythischen Stoff. Als möglicher Gegner 64

Weil sich 0D"1J (v. 21 a) nicht auf das ganze Heer zu beziehen braucht, müssen die Verse 21a und 22 nicht, wie viele vorschlagen, umgestellt werden. 45 Die zeitgeschichtliche Deutung der Zionspsalmen dürfte als gescheitert anzusehen sein. Neuerdings hat L. Krinetzki (Zur Poetik und Exegese von Ps 48, BZ 4 [1960], 70ff.) Ps 48 wieder auf das Ereignis von 701 bezogen. O. Eißfeldt (Ps 76, in: Kleine Schriften III, 1966, 448 ff.) hat eine historische Deutung von Ps 76 versucht, während ihr A. Weiser (Die Psalmen, 1963", 356ff.) im Rahmen der kultischen Deutung des Psalms einen Platz gönnt. " Das gilt, sofern mit H. Schmidt und Kraus (a. a. O. 525) im ersten Versteil statt im zweiten J"lön statt flöH gelesen wird.

42

Die Aporie der Endgültigkeit

erscheint das Meer, vor dessen die Erde erbebt wie vor dem Kommen eines Gottes 46 3f. Rückt so der Völkerkrieg in die Nachbarschaft des Chaoskampfes, so wird er damit — anders als der Stoff der Passahlegende oder die Daten des »geschichtlichen Credo« — aus dem Bereich der Geschichte in die mythische Urzeit verlegt. Das beschreibende Lob, das an vielen Stellen in die Zionspsalmen eingestreut ist, hat einerseits Jahwe zum Gegenstand 46 9f.(n) 4811 76 2. 5. 8.12, andererseits — was für uns wieder neu ist — den Zion bzw. den Tempel 46 5f. 48 2 76 3 87 l. 3. Jahwe erweist sich durch sein kriegerisches Eingreifen als universaler Herr 46io(f.) 48 n 76 13; der Zion aber erscheint als unüberwindlich 46 6 (vgl. 125 l). Im beschreibenden Lob des Zion begegnen uns als mythische Motive die Erwähnung des wundersamen Stromes mit seinen Armen und das Wohnen Gottes daselbst 46 5, die Identifikation des Zion, »der Wonne der ganzen Welt«, mit fto? ""i??"!- a ls »Stadt eines Großkönigs« 48 3 sowie 48 9b 76 3 87 ib. 5b eine Anspielung auf die wiederum in der Urzeit zu denkende Gründung des Zion durch Jahwe. Unter die mythischen Motive mag man auch die Benennung Jahwes als li^V 46 5 87 5 rechnen. So ergeht vom Sieg auf dem Zion, wie es scheint, genau wie von dem Eingreifen Gottes — etwa im Heiligen Kriege — die Bewegung der Wirkungen ins zeitlich und räumlich Unendliche. Doch darf der Unterschied nicht übersehen werden: der Ausgangspunkt dieser Bewegung ist nicht in Zeit und Raum der konkreten Geschichte, sondern am Fest und im Heiligtum. Die Endgültigkeit des Erfahrenen ist die des mythisch-kultisch ausgezeichneten Zeit-Raum-Punktes. Solche Ausdrücke mythisch-kultischer Endgültigkeit finden sich auch im ugaritischen AB-Mythos und weisen von da aus zurück auf das unmittelbarer oder mittelbarer hinter ihnen zu vermutende Kulterlebnis der sich im Jahreszyklus wiederholenden Götterschicksale. So wird I I I AB-A 7—10 vor dem Entscheidungskampf Baals gegen Jam jenem durch Ktr-w-hss eine Königsherrschaft zugesprochen, »die zu einer bestimmten Zeit — eben mit dem Sieg über Jam — ihren Anfang nimmt und für die Zukunft unabänderlich ist« 67 : »(Dann) übernimmst du deine Herrschaft auf ewig, deine Herrschergewalt auf Generationen«68. — Freilich ist die periodisch wiederkehrende Niederlage Baals von der gleichen Endgültigkeit: so läßt Baal I* AB II 10 dem Mut bei seinem Eintritt in die Unterwelt bestellen: »Dein Diener bin ich und dein auf ewig«69. Damit kommen wir zu unserer nächsten Frage: W. Schmidt, Königtum Gottes in Ugarit und Israel, 1966a, 63. Aistleitner a. a. O. 51. «9 Vgl. C. H. Gordon, Ugaritic Textbook, 1966, Glossary Nr. 632.

68

Die kultische Vergegenwärtigung

43

c) Wie wurde der Kampf gegen den Zion vergegenwärtigt? Daß das vergangene Geschehen vor unseren Augen immer stärker den Charakter des Mythischen annahm, bedeutet nun freilich nicht, daß dem Akt der Vergegenwärtigung das Moment eines gewichtigen Jetzt und Hier fehlen müßte. Im Gegenteil: Im Mittelpunkt der Psalmen steht das Berichten. Darüber hinaus aber finden sich einige deutliche Hinweise auf aktuales Erleben. Nicht nur die Aufforderung mir Wl'iD1? 46 9 gehört hierher70, sondern vor allem der Satz des Berichts Ps 48 9, nach dem die Redenden »in der Stadt unseres Gottes« sehen konnten, was sie offenbar zuvor nur gehört hatten. Dafür, daß das WH1?« T»? * ' Wia 48 9 wörtlich zu nehmen ist71, scheint mir vor allem 48 4 zu sprechen, wo von Machterweisen Jahwes ¡VC^3?*]*?? die Rede ist, sowie das ähnlich bezogene, auf und Ii*? zurückweisende, also lokale nötf von 76 472. Offenbar also konnte man in den »Palästen« des Zion wirklich irgendwie »sehen«, wie Jahwe sich als ajfpö erweist 48 4 und die Kriegswerkzeuge der Völker zerbricht 76 4. Daher scheint mir das umstrittene i ^ T 4810 mit Kraus im Sinne einer »paradigmatischen Demonstration« interpretiert werden zu müssen73, wozu die dabei stehende Ortsangabe a^j?.?, die ganz denen von 48 4. 9 76 4 entspricht, vorzüglich paßt 74 . Dem sakralen Ort des Kampfes aber entspricht die sakrale Zeit: als eine solche scheint das "lf»3 niJBV 46 6 aufzufassen zu sein. So ist zu vermuten, daß man an einem bestimmten Tag des Jahres vor Morgengrauen den urzeitlichen Kampf Jahwes gegen das Meer und die Völker in der andeutenden Anschaulichkeit ritueller Manifestation miterleben konnte, und zwar im Tempel auf dem Zion, dessen Gründung im Anschluß an den Kampf vielleicht in derselben Weise begangen wurde75. Fragen wir, welcher dieser bestimmte Tag des Jahres war, so wird man im Blick auf den allgemeinen altorientalischen 70

71

72 73 74 76

Rohland (a. a. O. 1251) findet hier wie in der ganz ähnlich lautenden Aufforderung Ps 66 5 die Mahnung, »in der kommenden Schlacht die Taten Jahwes zu schauen«— schwerlich zu Recht; denn an beiden Stellen verbietet der aretalogische Stil der folgenden Wendung, sie als Ankündigung oder Ausblick auf die Zukunft zu verstehen. Zu Ps 66 5 vgl. Kraus a. a. O. 458. Figurativ will Zirker (a. a. O. 98/9) das »Sehen« verstehen. Die Ps 48 4. 9.10 begegnenden Lokalbestimmungen mit ? scheinen mir einander so klar zu entsprechen, daß dadurch ein Verständnis des 9 als präpositionales Objekt ausgeschlossen wird (gegen Rohland a. a. O. 205). Vgl. die entsprechende Verwendung von Ps 48 7 (66 o). A. a. O. 359. Zur kultischen Darstellung der Epiphanie vgl. meinen Aufsatz VT 14 (1964), 183S. Für eine solche oder ähnliche kultische Interpretation der Zionspsalmen sind u. a. S. Mowinckel, G. Widengren, A. Bentzen, H. Schmid, A. Weiser und H.-J. Kraus (a. a. O. 339ff. 355ff. 524ff.) eingetreten.

44

Die Aporie der Endgültigkeit

Habitus, in den Israel seit der Landnahme verflochten war, sowie im Blick auf den Charakter des Kampfes als Chaoskampf an einen Höhepunkt des jährlichen sakralen Fruchtbarkeitszyklus denken76. Welches der bekannten Feste speziell in Frage kommt, wird sich allerdings erst im weiteren Gang unserer Untersuchung ausmachen lassen77. Kehren wir nun noch einmal zur Frage der Gattungszugehörigkeit der Zionspsalmen zurück, so bestätigt sich die Zuordnung von Ps 46 48 und 76 zu den »Vertrauenspsalmen des Volkes«, wenn man diese Gattung nicht einseitig vom Bekenntnis der Zuversicht innerhalb der Klage her versteht. Tatsächlich lassen sich die Vertrauenspsalmen ja auch vom Ausblick auf die Zukunft im berichtenden Lob her begreifen. Geht es dabei gewöhnlich um das Vertrauen, das die geschichtliche Rettungserfahrung schenkt, so baut es sich in den Zionspsalmen vom Kulterlebnis des Jahwekampfes im Tempel her auf. Es gilt nun, dieses Ergebnis noch einmal am d) traditionsgeschichtlichen

Zusammenhang der Zionspsalmen

nachzuprüfen. Den Zionspsalmen Hegt, wie wir sahen, zunächst die Topik des Heiligen Krieges zugrunde. Die Verallgemeinerung, welche an die Stelle des je konkreten Feindes Völker und Königreiche setzt, muß demgegenüber noch nicht auf fremden Traditionseinfluß zurückgehen. Sie ließe sich aus einer Verabsolutierung jener Tendenz erklären, die wir schon im verallgemeinernden Bericht des berichtenden Lobes fanden; es sei nur noch einmal an die »Könige Kanaans« von Jdc 5 19a erinnert78. Anders ist es schon mit der Bezeichnung Jahwes als »Groß78

Anlaß anzunehmen, daß die Zionspsalmen zu »völlig verschiedenen kultischen Anlässen« geschrieben seien, kann ich ebensowenig finden wie dazu, Ps 46 48 76 verschiedenen Gattungen zuzuordnen (gegen Rohland a. a. O. 143).

77

Vgl. 93 f. Daß es für das Völkerkampfmotiv keine außerisraelitischen Parallelen gibt, hat Wanke (a. a. O. 72) gegen Rohland (a. a. O. 140) u. a. mit Recht betont. Es handele sich um »ein eigenständiges, aus dem israelitischen Raum stammendes Motiv« (Wanke a. a. O. 77), wobei insbesondere Ps 46 und 48 an »ein Ereignis« denken, »das sich im Raum der Geschichte abspielt« (a. a. O. 75). Trotz der Verbalparallelen, die Wanke u. a. in E x 16 I4f. findet, sucht er den Ursprung des Motivs dann aber doch nicht in dem für die specifica israelitischer Religion so weitgehend konstitutiven Heiligen Krieg, sondern in der sagenhaften Vorstellung eines Feindes aus dem Norden. Diese begegnet aber in den Zionspsalmen gar nicht, findet sich dagegen einerseits im Zusammenhang der Hin1 OV-Ankündigungen und andererseits in den von der Zionstradition abhängigen eschatologi sehen Ankündigungen, von denen auf 86ff. die Rede sein wird; offenbar ist sie von beiden ursprünglich unabhängig

78

Die kultische Vergegenwärtigung

45

könig« Ps 48 3, IT1/"? 46 5 87 5, mit der Anspielung auf den Chaoskampf 46 3f. und den speziell an den Zion geknüpften Motiven, die wir oben aufzählten. Hier vermischen sich die Jahwekriegstraditionen mit den u. a. von A. R. Johnson79, H. Schmid80, E. Rohland81, H.-J. Kraus82 und J. Schreiner83 erschlossenen Überlieferungen über den nach Gen 14i8-20. 22 im vorisraelitischen Jerusalem verehrten Stadtgott TV1?? *?S84, der nicht wenige Züge mit den ugaritischen Göttern El und Baal gemeinsam hat. Speziell aus den Zionspsalmen lassen sich die folgenden Merkmale des Vx erschließen: Er ist König (genauer: »Großkönig«) Ps 48 3 wie El und Baal85, während die Bezeichnung »der Höchste« speziell Baal eigen gewesen zu sein scheint86. Er kämpft gegen das Meer Ps 46 3, wie Baal gegen Jam kämpft87. Seine Wohnung ist wie die Baals und nur hier und da sekundär zugeflossen. Wenn Wanke (a. a. O. 93 ff.) darüber hinaus in dem Ereignis von 701 einen »geschichtlichen Anknüpfungspunkt« für das Völkerkampfmotiv findet, so ist zu sagen, daß dieses durchaus nicht wunderbare Geschehen einer vorgegebenen Tradition bedurfte, um als Rettungswunder interpretiert werden zu können: der Engel, welcher 185000 Assyrer erschlägt, muß im Gedankengut derer, die die Legende bildeten, bereits irgendwie angelegt gewesen sein, wenn er das unrühmliche Ereignis von 701 verklären sollte. 79 The Rôle of the King in the Jerusalem Cultus, in: The Labyrinth, 1933, 71 ff.; Sacral Kingship in Ancient Israel, 1955, 43ff.; The Hebrew Conception of Kingship, in: Myth, Ritual and Kingship, 1958, 228. 80 Jahwe und die Kulttraditionen von Jerusalem, ZAW 67 (1955), 168ff. 81 A. a. O. 119ff. 82 A. a. O. 197 ff. 83 Sion — Jerusalem, Jahwes Königssitz, Theologie der Heiligen Stadt im AT, 1963, 217ff. 64 jrVs? scheint neben mit dem er in der alttestamentlichen Überlieferung verwächst (Gen 1418-20.22 Ps 78 35, ferner Num 2416 Ps 73 n 77 17 107 n), ursprünglich eine selbständige Gottheit gewesen zu sein, wie eine Götterliste der ersten Sfireinschrift (Z. n ) und die Überlieferung bei Philo Byblius zeigen (G. Levi della Vida: El 'Elion in Gen 1418-20, J B L 63 [1944], l f i . ; M. H. Pope, El in Ugaritic Texts, VT Suppl. 2 [1955], 55ff.; R. Rendtorff, El, Ba'al und Jahwe, ZAW 78 [1966], 280—282). Vermutlich ist die Verbindung Eis mit 'Äljon spezifisch Jerusalemer Tradition. 85

86

87

Zur Verschiedenartigkeit der Königtümer Eis und Baals im ugaritischen Mythos vgl. W. Schmidt a. a. O. Für Ugarit vgl. I I K I I I 5—8 (Rendtorff a. a. O. 282). Für Phönizien R . Lack, Les Origines de 'Elyôn, le Très-Haut, dans la Tradition Cultuelle d'Israël, CBQ 24 (1962), US., bes. 48. Baal kämpft freilich nicht nur als solarer Frühlingsgott des Marduktypus gegen Jam, sondern darüber hinaus auch als kriegerischer Sturm- und Wettergott des Hadadtypus gegen Mot, der die Sommerdürre bringt (vgl. A. S. Kapelrud: Baal in the Ras-Shamra-Texts, 1952, 105ff.). Letzterer Zug scheint'Äljon bzw. E l ' ä l j o n nicht eigen gewesen zu sein.

46

Die Apone der Endgültigkeit

auf dem ps? 88 (vgl. Jes 14i3f., wo der f s s freilich p'''?? zugehört), welcher seinerseits als heiliger und schöner Ort gilt Ps 48 2f. und durch die Identifizierung mit dem Zion zur Gottessterff wird 48 2f. (vgl. 46 5 48 9 87 3)89. Dazu hat der Mythos von der Gründung des Zion berichtet 48 9b 76 3 87 ib. 5b, die im Motiv vom Tempelbau für Baal im AB-Mythos ihre Entsprechung hat. Daß es für den Zion einen Gründungsmythos gegeben hat, zeigt wohl auch noch der Name »Jerusalem«, sofern er nämlich »Gründung des Salem« bedeutet 90 . Den Strom von 46 5 mit seinen Armen vergleichen Schmid und Kraus 91 mit der »Quelle der beiden Ströme« bzw. dem »Brunnen der zwei Tiefen«, wo sich nach ugaritischer Vorstellung der Sitz des El befindet. Diese Vermischung der Jahwekriegstradition mit der Überlieferung hat nun zur Mythisierung der ersteren geführt. Dieser Ausdruck scheint mir den überlieferungsgeschichtlichen Tatbeständen eher gerecht zu werden als der der »Historisierung des Mythos«92. Ermöglicht wurde die Vermischung dadurch, daß die Jahwekriegstraditionen zuletzt wenigstens, wie die Erzählungen am Anfang des I Sam zeigen, mit der Lade verbunden waren und so nach Jerusalem kamen. Auf diese Weise wird auch die Anreicherung des ursprünglich rein episch-rhapsodischen Deboraliedes mit psalmistischen Motiven zustande gekommen sein93 sowie die noch stärkere Überlagerung der Kriegstraditionen durch Kultmotive in Ps 68, wo der Schluß (v. 29f.) ja ausdrücklich auf Jerusalem hinweist94. In den Zionspsalmen hat 88 89

80

91 92 93 94

W. Schmidt a. a. O. 32 ff. Wanke (a. a. O. 33ff. 100S.) sieht in der Ausdehnung der Vorstellung vom Wohnen Jahwes auf die ganze Stadt Jerusalem »eine verhältnismäßig späte Entwicklungsstufe der an Zion-Jerusalem orientierten Theologie«. Doch ist m. E. die Bezeichnung Jerusalems als m n , - T 5 ? Ps 101 8 ein gewichtiger vorexilischer Beleg für die Vorstellung. Wanke selbst stellt fest, daß es nur »eines kleinen Schrittes« bedurfte, »um auch von der ganzen Stadt Jerusalem und nicht bloß einem Teil von ihr alles das auszusagen, was man von Zion bereits sagte« (104). G. Fohrer (Art.: Zicov . . ., ThWBNT 7 [1964], 291 ff.) leitet den ersten Teil des Namens »Jerusalem« von m 1 ab und findet in einen Gottesnamen, der mit dem ugaritischen Salim zu vergleichen ist. Selbst wenn Salem nicht mit El 'äljon identisch ist, zeigt der Name, daß in Jerusalem ein Gründungsmythos eine Rolle gespielt hat. Schmid a. a. O. 187f.; Kraus a. a. O. 343. So Kraus a. a. O. 344, u. v. a. Vgl. meine 17 Anm. 6 genannte Arbeit. Kraus (a. a. O. 471) stellt zur Erklärung von Ps 68 die Hypothese auf, »daß die Überlieferung von der Schlacht gegen Sisera auf dem Thabor lokalisiert war« und erst in einer »Phase späterer Rezeption« in die Kulttradition Jerusalems übernommen worden ist. Auf dem Tabor vermutet Kraus nach dem Vorgang von O. Eißfeldt (Der Gott des Tabor und seine Verbreitung, in: Kleine Schriften, II 1963, 29 ff.) ein altisraelitisches Heiligtum.

Die kultische Vergegenwärtigung

47

sich der Jerusalemer Einfluß noch stärker geltend gemacht. Hier werden die Jahwekriege, deren Vielfalt in der ältesten Überlieferung wohl noch reicher war, als wir wissen, zu einem einzigen Geschehen kontrahiert. Dem geht ihre Universalisierung, ihre Projektion in die Urzeit und die Anreicherung des Stoffes mit neuen, mythischen Topoi parallel. In Jerusalem wurde auch das Fest vorgefunden, in dessen Rahmen die periodische Vergegenwärtigung der Kriegstraditionen stattfand. Das Motiv von den Tharsisschiffen läßt sich allerdings auch von dem p1"?^ Jerusalems her nicht verstehen. Es muß vielmehr schon im vorisraelitischen Jerusalem aus der Fremde übernommen worden sein. Vermutlich war es am dschebel el-aqra' als dem ursprünglichen •pss zu Hause96. Damit ergibt sich als wahrscheinlich, daß die Topik — und das heißt bis zu einem gewissen Grade auch der Wortschatz — der Zionspsalmen vorexilisch, und zwar früh vorexilisch ist. Damit ist freilich über den Ursprung der vorliegenden literarischen Gestalt der Psalmen nichts gesagt. Für Ps 87 ist die Annahme nachexilischer Entstehung unerläßlich96. Abschließend stellt sich die Frage: ®6 Kraus a. a. O. 359; vgl. Rohland a. a. O. 136. 96 Wanke (a. a. O. 107 f.) kommt zu dem Ergebnis, daß die »korachitische Zionstheologie und mit ihr die Psalmen 46 48 84 87 der nachexilischen Zeit zuzuordnen sind«, ja daß überhaupt »die aus alten kanaanäischen oder mesopotamischen Mythen übernommenen Motive im Alten Testament erst in sehr später Zeit zur literarischen Ausgestaltung gewisser Sachverhalte verwendet wurden«. Das entscheidende Glied seiner Beweiskette ist dabei die traditionsgeschichtliche Herleitung des Völkerkampfmotivs, mit der wir uns 44 Anm. 78 kurz auseinandersetzten. Darüber hinaus scheint mir Wanke die Bedeutung von Staatsgründung und Königtum samt der Übernahme einer kanaanäischen Stadt als Metropole des davidischen Reiches für die Ermöglichung eines frühen »Synkretismus« zu unterschätzen (vgl. dazu jetzt J . A. Soggin, Der offiziell geförderte Synkretismus in Israel während des 10. Jahrhunderts, ZAW 78 [1966], 179ff.). I n bezug auf die Gottesbezeichnung gibt er die Möglichkeit, daß es sich hier um die vorisraelitische Gottheit Jerusalems gehandelt haben mag, durchaus zu: »es ist nicht zu leugnen, daß . . . ein Teil dieser Vorstellungen (seil, die Vorstellung vom Gottesberg und die Chaoskampftradition) aus der Jerusalemer El-Religion, die durch den Eläljon repräsentiert wird, in den Jahweglauben übernommen wurde und in ihm aufgegangen ist« (109). Wenn Wanke dennoch die »Hypothese von einer vorisraelitischen Jerusalemer Kulttradition« ablehnt, weil »für die Zeit zwischen der Eroberung Jerusalems durch David und der Exilszeit überlieferungsgeschichtliche Belege für die Existenz einer solchen Tradition« fehlen (112), so ist auf die 86ff. zu behandelnden Ankündigungen der Rettung auf dem Zion seitens vorexiüscher Propheten wie Jes zu verweisen, deren Echtheit nicht grundsätzlich bezweifelt werden kann.

48

Die Aporie der Endgültigkeit

e) Wie verhält sich die kultische Vergegenwärtigung zur verbalen ? Auch hier kann man, wenn man ein anschauliches Bild von der dem Text zugrunde hegenden Auffassung gewinnen will, nicht umhin, die Verstehensstrukturen, die er erkennen läßt, mit Hilfe einer phänomenologischen Verdichtung zu konturieren. Das Vergegenwärtigte, so haben wir festgestellt, ist nicht eigentlich ein gegenstandsbezogenes Eingreifen Gottes in die konkrete Geschichte, sondern ein Geschehen von übergeschichtlich-universaler Allgemeinheit, das in der Urzeit angesiedelt wird. So hat sich die Ungegenständlichkeit des Eingreifens Gottes gegenüber seinem Gegenstandsbezug emanzipiert: um nicht dem Abbruch durch die gegenständliche Zeit zu verfallen, wurde das Eingreifen Gottes aus der Zeit heraus versetzt. Daß die Urzeit wirklich geschichtslos ist, d. h. auch nicht als ein Grenzwert gegenständlich-linearer Zeit die geschichtliche Dimension berührt, hängt damit zusammen, daß die von Kultus und Mythos geprägte Wirklichkeitsauffassung kein lineares Zeitverständnis entwickelt. Erst wo die kultische Vergegenwärtigung versagt, kann man sich nach einer fernen aurea aetas sehnen und die Urzeit — wie es bei J geschieht — an den Anfang einer Weltgeschichte stellen. Wo sie dagegen lebendig ist, ist die Urzeit im Fest sakramental präsent. Zwar ist sie deshalb nicht einfach frei verfügbar: nicht immer ist ja Festzeit. Wohl aber ist ihre Gegenwart bzw. Nichtgegenwart einer Ordnung unterworfen, durch deren Beachtung man sich ihrer Wirklichkeit vergewissern kann. Insofern stellt die kultische Vergegenwärtigung den Versuch dar, über die Präsenz des urzeitlichen Seins in der Gegenwart zu verfügen. Auf den Augenblick der verbalen Vergegenwärtigung kann man streng genommen immer nur warten. Daß der Rückblick auf Gottes früheres Heilshandeln das Bekenntnis der Zuversicht entlockt, ist nicht kultisch garantierbar; es muß dem vergangenen Ereignis selbst überlassen werden, ob es in der Stunde der Not lebendig wird oder nicht. Den Augenblick der kultischen Vergegenwärtigung dagegen führt man durch Begehen des Kultus innerhalb der festliegenden liturgischen Ordnung selber herbei. Man bemächtigt sich des vergangenen Geschehens, indem man es aus eigener magischer Macht neu hervorruft, statt es zu empfangen, ubi et quando visum est Deo. Wollte man also die Ungegenständlichkeit des Eingreifens Gottes gegen die von seinem Gegenstandsbezug her drohende Vergegenständlichung in Schutz nehmen, so droht nun gerade von diesem Versuch her eine neue Vergegenständlichung. Denn letztlich behauptet der mythisch fundierte Kult doch nur die Überlegenheit eines Endlichen über anderes Endliche. Eine bestimmte Zeit — die in der Urzeit fundierte begrenzte Festzeit — und ein bestimmter Raum — das

49

Die Heilsgeschichte

Heiligtum als Stätte seiner sakramentalen Präsenz — erlangen letztgültigen Wert und letztgültige Würde. Liegt schon darin etwas zutiefst Heidnisches, so hat darüber hinaus die Ansiedlung des berichteten Geschehens in der Urzeit in jenem Verschweben des Gotteshandelns im Zeitlosen seine Parallele, das die Epiphanien der sumerisch-akkadischen Hymnen charakterisierte. Insofern haben wir in den Zionspsalmen eine Ethnisierung des biblischen Betens vor uns, die das für Israel bezeichnende religiöse Geschichtserleben gefährdet.

IV. DIE HEILSGESCHICHTE

Ein anderer Weg, die Aporie der Endgültigkeit des Eingreifens Gottes zu überwinden, scheint sich in der Möglichkeit anzubieten, die Vergegenständlichung des Gotteshandelns, wie sie aus der Situation des Betrachtenden geschieht, gleichsam bewußt durchzuführen. Das geschichtliche Was, in dem das Kommen und Eingreifen Gottes erfahren wurde, gewinnt dann für sich Bedeutung; das Stück Welt, an dem Gott sich verherrlichte, wird in seiner Gegenständlichkeit heilhaft. Der Glaube an die Gegenwart Gottes im Jetzt und Hier jeweiliger Geschichte wird zum Für-Wahr-Halten eines Vergangenen. Und doch bleibt die Unsicherheit: Wird solche Vergegenständlichung einem Heilsereignis seine Heilsrelevanz nicht gerade rauben? So muß die Quantität die unendliche Qualität des einen ersetzen; verschiedene einzelne Heilsereignisse, die je für sich ihren absoluten Anspruch eingebüßt haben, werden nun in einer Reihe miteinander verbunden. Zwar gehorcht solche Aneinanderreihung in ihrer Weise dem Gegenstandsbezug des göttlichen Eingreifens, weil mit der Konkretheit des Gegenstandsbezuges die Möglichkeit seiner Vielfalt gegeben ist; aber es ist andererseits selbstverständlich, daß sie die Relativierung des einzelnen nur noch vorantreibt: Mehrere endgültige Ereignisse hintereinander kann es nun einmal nicht geben97. So entsteht die auf der Zeit-Linie eingetragene »Heilsgeschichte«. Allerdings hängt das Wirksamwerden der heilsgeschichtlichen Relativierung des einzelnen noch davon ab, wie die Frage nach dem Ziel des heilsgeschichtlichen Weges beantwortet wird. Diese Frage stellt sich bei der Vorstellung einer linear verlaufenden Zeit automatisch: eine unbegrenzte gerade Linie kann es nicht geben. Ist der 9?

Die von O. Cullmann (Christus und die Zeit, 19623, 136) vertretene Fähigkeit des Glaubens, »die ganze Heilslinie zu übersehen und an ihren Früchten teilzuhaben«, ist eine in sich widersprüchliche Vorstellung; denn der Glaube kann keine Position außerhalb der Geschichte einnehmen. Müller, Eschatologie

4

50

Die Aporie der Endgültigkeit

Anfang der Linie mit dem ersten Heilsereignis gesetzt, so bleibt die Frage nach ihrem Ende doch zunächst offen. Dieses kann im gegenwärtigen Augenblick gesucht werden; dann ist dessen Funktion der des Jetzt im Akt der verbalen Vergegenwärtigung entsprechend: die Gegenwart wird durch die ungegenständliche Macht des Vergangenen •— durch die eine und selbe göttliche Zuwendung, die von jedem Einzelereignis her mächtig ist — voll in Anspruch genommen. So mag es, wie bereits angedeutet, in der aufzählenden Vergegenwärtigung der Heilsereignisse durch das »geschichtliche Credo« geschehen sein. Dementsprechend führt, wie wir jetzt hinzufügen können, die Aufzählung in Jos 24 2-13 zum gegenwärtigen Bundesschluß, die von Dtn 6 21-23 zur gegenwärtigen Aufstellung der Bundesforderungen und die von Dtn 26 5-9 zur gegenwärtigen Danksagung. Ebenso der Rückblick auf Gottes früheres Heilshandeln: E r verschärft Ps 7711 ff. 80 9-12 die gegenwärtige Klage oder begründet Ps 44 2-4 das gegenwärtige Bekenntnis der Zuversicht bzw. die gegenwärtige Bitte Ps 106 2-46. — Das Ziel des heilsgeschichtlichen Weges kann aber auch an einem vergangenen Zeitpunkt gefunden werden; dann wird der Heilsgeschichtsablauf zum Gegenstand objektivierender Betrachtung, und die Relativierung des einzelnen Heilsereignisses kann nicht ausbleiben — ja im Grenzfall muß diese Sicht zum Gegenstandsloswerden des Heilsgeschehens überhaupt ausschlagen. Zunächst freilich tritt an die Stelle des einmaligen Eingreifens Gottes seine Führung und Vorsehung auf einem geschichtlichen Wege: Je mehr die Irrationalität des Einmaligen zurücktritt, um so mehr wird die Rationalität des göttlichen Handelns im Ereignisablauf aufgezeigt. Die Vielzahl der Daten muß sich in eine rational manipulierbare Ordnung fügen; die daraus erwachsende Ideologie führt zu einem Pragmatismus, der mit den Fakten immer willkürlicher verfährt. Eine so begriffene Geschehenskette füllt einen streng begrenzten Raum und eine streng begrenzte Zeit im Unterschied zu anderen Zeiten und Räumen. Pragmatismus und Partikularismus fordern einander: Wieder wird ein Endliches über anderes Endliche gesetzt. Dabei wächst der objektive Abstand zwischen Gott und Mensch im allgemeinen. Mit dem irrationalen Geheimnis des Einmaligen weicht die unmittelbare Präsenz der Gottheit. — Die allseitige Objektivierung hat schließlich zur Folge, daß auch das Heilsgut immer gegenständlicher gefaßt wird. Dem entspricht die Vergegenständlichung auch des menschlichen Tuns, das sich auf solches Heilsgut bezieht: Menschliches Tun wird zum »Werk«. a) Der Jahwist Der Jahwist hat den soeben bezeichneten Ideenweg noch nicht beschritten. Er sucht das Ziel des heilsgeschichtlichen Weges noch

51

Die Heilsgeschichte

im gegenwärtigen Augenblick bzw. der unmittelbaren Vergangenheit. Das Ziel des heilsgeschichtlichen Ablaufs ist für ihn die davidische Staatsgründung98. In diesem Ereignis waren Volkwerdung und Landnahme zu erneuter und, wie es schien, endgültiger Vollendung gekommen. Was die Volkwerdung anbetrifft, so war Israel ursprünglich ein lediglich in der Jahweverehrung geeinter Sakralverband politisch selbständiger, in dieser Selbständigkeit nicht gerade schlagkräftiger Stämme; nun aber konnte dank der davidischen Staatsgründung auf ein Zusammenwachsen dieser Stämme zu einer politisch-militärischen Einheit zurückgeblickt werden, die selbstverständlich als heilvolles Ziel auf dem Wege verstanden wurde, den der Bundesgott sein Volk geführt hatte. Zur Volkwerdung aber gehört die Landnahme: Bei den einzelnen Stämmen scheinen nach Ausweis des Systems der Stammesgrenzen im Buche Jos und in Jdc 1 bereits uralte, auf sakralen Festlegungen begründete Gebietsansprüche bestanden zu haben", die jetzt ebenfalls durch das Werk Davids ihre Erfüllung gefunden hatten. Dieser Abschluß von Volkwerdung und Landnahme in der Davidszeit ist es, was der Jahwist feiert. So weist er in Gen 28 14 auf die unerwartete Ausweitung des davidischen Reiches sowie in Gen 25 23 Num 2418 auf die offenbar besonders eindrucksvolle Unterwerfung Edoms durch David. Neben den Stämmen Israels aber haben die nach I I Sam 8 dem davidischen Großreich einverleibten Völker in der jahwistischen Erzählung — insbesondere der Genesis — ihren Platz gefunden100. David selbst ist nach Gen 49 8-12, wenn in 10b zu lesen und dieses als personales Subjekt zu zu verstehen ist, der, dem Szepter und Herrscherstab zukommen und der Gehorsam der Völker zuteil wird101; er heißt Num 2417 3p??!» 33Í3 und 98

Aus der davidisch-salomonischen Zeit wurde J u. a. hergeleitet von O. Procksch, Die Genesis, 1924, 1 5 f . ; G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch, i n : Gesammelte Studien zum AT, 1958, 75ff. (vgl. Das erste Buch Mose, 1964 7 , 1 6 ) ; E . Sellin—L. Rost, Einleitung in das AT, 1959 9 , 59ff.; M. Noth, Das zweite Buch Mose, 1961 a , 5; A. Weiser, Einleitung in das AT, 1966 6 , 1 0 1 / 1 0 2 , und H. W . Wolff, Das Kerygma des Jahwisten, i n : Gesammelte Studien zum AT, 1964, 348.

A. Alt, Das System der Stammesgrenzen im Buche Jos, i n : Kleine Schriften, I 1959 2 , 19311.; von Rad, Das formgeschichtliche Problem, 79f. 1 0 0 L . Rost, Zum geschichtlichen Ort der Pentateuchquellen, Z T h K 53 (1956), 1fr'.; Wolff a. a. O. 349. 1 0 1 So u. a. H. Holzinger, O. Procksch, H. Junker, R . de Vaux. Diese Auffassung kann neben einigen Handschriften der L X X , Symmachus (beide: £> ÓTTÓKEiToa), dem Cod. Lugdun. der Vetus Latina [cui reposita sunt] und Peschitto vor allem die Anspielung in E z 21 32 für sich geltend machen, wo das für eintretende 99

mit dem Subjekt

verbunden ist; außerdem ist auf die inter-

pretierenden Paraphrasen in 4Q Patriarchal Blessings 3 f.: pHXÍl r W D K13 "75? I S » n-D 1 ?» JV-Q n i n j isnrt>1 "O TTT n a x ( J . M. Allegro, Further Messianic 4*

52

Die Aporie der Endgültigkeit

Vx'lf?». So ist es, wie mir scheint, eindeutig, daß J noch ganz unter dem Eindruck jenes ersten (und einzigen) umfassenden geschichtlichen Triumphes steht, der Israel zuteil wurde102. Daß Volkwerdung und Landnahme tatsächlich die Themen des jahwistischen Werkes sind, zeigt sein Aufbau. Seine Strukturierung empfängt es durch zwei an zentralen Stellen eingeschalteten Ankündigungen: Gen 12 1-3 und E x 3 7f.(i6f.). Dabei ist Gen 12 1-3 eine Segensankündigung, die ihren Schwerpunkt in den Worten Vnä 2aa hat, während E x 3 7f.(i6f.) Auszug, Führung und Landnahme umfaßt. Die Erfüllung dieser Ankündigungen will der Jahwist erzählen, d. h. er will den Blick auf jenes Geschehen lenken, dessen Endgültigkeit die diesbezügliche Erfüllung im Blick auf alle Zukunft und alle Israel zugeordneten Völker erwarten läßt. Gen 12 1-3 hat für das Ganze des jahwistischen Werkes eine weiter ausgreifende Bedeutung. References in Qumran Literature, J B L 75 [1956], 174f.) und im Targum Onkelos: 8T1 i p V ' m KPITÖ hinzuweisen. 102 p ü r (ji e Ansetzung von J in der davidisch-salomonischen Ära sprechen noch die folgenden Einzelmerkmale: 1. J zeigt besonderes Interesse für die judäische Stammesgeschichte (Gen 38) und bevorzugt Juda in der Josephsgeschichte vor dem älteren Rüben Gen 37 26 4 3 3. 8-10 4414-34 46 28; das entspricht dem Bedeutungszuwachs des Stammes seit der Davidszeit. Charakteristischerweise wird die Überlegenheit Josephs zwar nicht bestritten, wohl aber 37 8 problematisiert. 2. Während Gen 29 3lff. noch Juda zusammen mit Rüben, Simeon und Levi an die Spitze des Stammbaumes Israels rückt, erklärt Gen 34 30f. die Katastrophen Simeons und Levis, 35 21 die Rubens; alle drei Stämme waren wohl z. Z. Davids als politische Größen vernichtet. 3. Das in der Geschichte Davids so wichtige Hebron wird sichtlich hervorgehoben Gen 13 18 18 l (37 14) Num 13 22. 4. Gen 27 40b setzt den I Reg 11 14. 22.25a berichteten Befreiungsversuch Hadads voraus (gehört der Vers ursprünglich zum Bestand von J , so wäre J in der späteren salomonischen Zeit anzusetzen; ist er ein jüngerer Zusatz, muß J noch ein wenig älter sein). 5. E x 1413 muß vor dem 4. J a h r Rehabeams geschrieben sein, in dem Pharao Schoschenk I. plündernd und mordend durch Syrien zog (H. Schmökel, Zur Datierung der Pentateuchqueile J , ZAW 62 [1950], 319—321). 6. Nach den kultischen Maßnahmen Jerobeams I. wäre wohl die unbefangene Hervorhebung nordisraelitischer Heiligtümer wie Sichern Gen 12 6, Bethel 12 8 28 19 Pniel 32 3lf. nicht mehr möglich gewesen. 7. Die schiedlich-friedliche Grenzfestlegung gegenüber den Aramäern Gen 31 46 ff. kann nicht erst in der Zeit der seit den Omriden so heftig geführten Aramäerkriegen erzählt worden sein. Der Versuch, J nicht nur in der Urgeschichte (K. Budde), sondern in seinem ganzen Umfang in zwei Erzählstränge, etwa J 1 und J 2 (R. Smend), L und J (O. Eißfeldt),

Die Heilsgeschichte

53

Zunächst nach rückwärts! Das Stück stellt nach der Beobachtung von Rads 103 den Abschluß und zugleich den Schlüssel der Urgeschichte dar. Schon rein äußerlich steht dem fünfmaligen Gebrauch der Wurzel in Gen 121-8 eine fünfmalige Erwähnung des Fluches Gottes in der Urgeschichte gegenüber 3 14.17 4 l l 5 29 9 25104. Die in Gen 2—11* J erzählte Fluchgeschichte der Menschheit ist Folie für die Segensgeschichte Israels, wobei der universalen Auswirkung dieser Flüche die ebenso universale Auswirkung des Segens über Israel entspricht: nHBtPÖ werden nach Gen 12 3b durch Israel Segen finden 105 . Dabei ist wohl daran gedacht, daß die fluchbeladene Menschheit einstweilen im Blick auf den ihr endlich zuteil werdenden Segen durch Jahwes Langmut am Leben erhalten wird 106 . Vor allem aber beherrscht Gen 12 1-3 die jahwistische Yätergeschichte. — Zunächst werden die Ankündigungen von Gen 121-3 in der Vätergeschichte vielfach wiederholt. Zu Gen 12 2aa, dem zentralen Satz, sind Gen 18 18107 24 6010S und 26 24 (?) 109 zu vergleichen. Eine Hegemonie Israels unter den Völkern, wie sie Gen 12 2a(3.b. 3a ins

103 104 105

106 107

108 109

N und J (G. Fohrer), aufzuteilen, scheint mir angesichts der Verschiedenheit der Begründungen und Ergebnisse problematisch zu sein. Das formgeschichtliche Problem 61; Das erste Buch Mose 129. Wolff a. a. O. 360. Das Gen 12 3 b ist eine crux interpretum. Vier Möglichkeiten der Erklärung stehen zur Debatte: 1. die passivische: »sie werden gesegnet werden« (so von Rad, Das erste Buch Mose 131 ff., in der Übersetzung, während der Kommentar unentschieden bleibt), 2. die mediale: »sie werden sich Segen verschaffen« (so J . Schreiner: Segen für die Völker in der Verheißung an die Väter, BZ 6 [1962], 7), 3. die reflexive: »sie werden sich Segen wünschen« (so H. Gunkel, Die Genesis, 1964 6 , 165) und 4. die aktivische: »sie werden glücklich preisen« (so F. Ceuppens, De prophetiis messianicis in VT, 1935, 48ff.). Die letzte Erklärung hat kaum Nachfolge gefunden. Aber auch gegen die Deutung Gunkels erheben sich Bedenken: V. 3 a erklärt die Heiden bedingt zu Segensempfängern, und v. 3b entfaltet diesen Satz, muß also, was den Aussageinhalt anbetrifft, auf derselben Ebene bleiben; bei einer reflexiven Deutung von steht der Segensempfang aber nicht im Vordergrund. I m reflexiven Sinne deutlicher wäre auch das Hitpa'el. Dann blieben die passivische und die mediale Deutung. Aber es fragt sich, ob es sachgemäß ist, zwischen ihnen zu entscheiden. Besteht für hebräisches Denken hier wirklich ein Gegensatz ? Vermutlich wird man im Sinne von Gen 12 3 gerade dadurch gesegnet, daß man dem Segnen Gottes entspricht und sich so Segen verschafft. So bleibt unsere Übersetzung in der Schwebe zwischen den Alternativen. Noth, Überlieferungsgeschichte, 257. Gunkel (a. a. O. 202) versteht 18 17-19 nach dem Vorgang Wellhausens als Zusatz zu J ; Procksch ( a . a . O . 122f.) streicht v. I8f. Vgl. dagegen Eißfeldt, Hexateuchsynopse, 1962 2 , 2 8 * ; Noth a. a. O. 259 827 ; von Rad a. a. O. 178; Wolff a. a. O. 362. Eißfeldt (a. a. O. 41*) rechnet das Stück allerdings zu E . Auch hier findet Gunkel (a. a. O. 303) einen Zusatz; anders Procksch (a. a. 0 . 1 6 0 f . ) , der wohl mit größerem Recht an eine »freie Schöpfung von J mit Rücksicht auf c. 121-3 1314ff. 151« denkt.

54

Die Aporie der Endgültigkeit

Auge faßt, sehen neben Gen 9 26 auch 24 60 2 5 23 und 27 29ao110 vor. Gen 12 3a entsprechen außerdem Gen 27 29b und Num 24 9 sogar fast wörtlich. Das abschließende Wort Gen 12 3b schließlich wird Gen 18 18 28 14 111 wiederholt. — Sodann aber weiß die Vätergeschichte des J auch schon von der beginnenden Erfüllung dieser Ankündigungen zu sagen. Allgemein vom Gesegnet-Sein Abrahams spricht Gen 24 35, von dem Isaaks 26 12. 29. Gen 12 2aß.b. 3a aber findet eine Modellerfüllung, wenn »Jahwe um Abrahams willen Pharao und Abimelech schlug . . . J a q o b gegen Laban half . . . das Haus des Ägypters um Josephs willen segnete« und »Moab, dessen König Israel verfluchen wollte, durch eben den Seher, den er herbeigeholt hatte, selber verfluchen ließ« 112 . Damit haben wir den Bereich der Vätergeschichte bereits verlassen. Seine eigentliche Verwirklichung findet Gen 12 1-3 naturgemäß erst im weiteren Ablauf. Die Verheißung, daß Israel zum großen Volk werden solle, erfüllt sich — dem »Credo« Dtn 26 5 entsprechend — in Ägypten E x 1 flf. 20 5 5 (?) 1 1 3 . Ihre endgültige Verwirklichung findet aber auch sie erst in der Landnahme, deren Paradigma für J die Begegnung mit den Moabitern zu sein scheint: Hier kommt Israel als großes Volk kräftig zur Wirkung Num 22 3 a 1 1 4 ; die seiner zahlenmäßigen Überlegenheit entsprechende militärisch-politische Stärke vermerken die Bileamsprüche Num 247b. 8.19 1 1 5 ausdrücklich. Diese aber verweisen eindeutig auf die Davidszeit, in der an die Stelle aller vorangehenden Modellerfüllungen die Realerfüllung getreten ist. Nur der letzte Ausblick der Ankündigung, die Heilsschilderung Gen 12 3b 116 kann noch nicht als real verwirklicht gedacht worden sein: Das n s n i w n n s t p a sprengt j a auch den Rahmen des Erzählbaren 1 1 7 . Aus der Sicht des jahwistischen 110

111

112 113

Gegen Versuche der Quellenscheidung innerhalb Gen 27 Noth a. a. O. 30 9 3 ; vgl. von R a d a. a. O. 240. Gunkel (a. a. O. 318f.) hält auch dieses Wort wie 18 18 22 18 26 4 für einen Zusatz. Anders Procksch a . a . O . 171; Eißfeldt a . a . O . 5 2 / 3 * ; Schreiner a . a . O . 3ff.; Wolff a. a. O. 362. Gunkel a. a. O. 165. I n E x 5 5 ist vielleicht statt 05? mit Sam ¡ 3 ? ? zu lesen. Für Zugehörigkeit des Verses zu J sind u. a. H. Holzinger (Exodus, 1900, 17) und W . Rudolph (Der »Elohist« von E x bis Jos, 1938, 16) eingetreten. H. Greßmann (Die Anfänge Israels, 1922, 35) hält v. 5 für Zusatz, Eißfeldt (a. a. O. 116*) denkt an E . Ganz anders Noth, Das zweite Buch Mose, 40.

114

Noth (Überlieferungsgeschichte 39) rechnet den Satz freilich zu E .

115

Die beiden letzten Bileamsprüche werden nach dem Vorgang von J . Wellhausen, B . Baentsch, R . Smend für jahwistisch gehalten von: S. Mowinckel, Der Ursprung der Bileamsage, ZAW 48 (1930), 244ff.; Rudolph a . a . O . 98ff.; Eißfeldt, Die Komposition der Bileamerzählung, in: Kleine Schriften, I I 1963, 200; Sellin—Rost a. a. O. 48; Weiser a. a. O. 99; Noth, Das vierte Buch Mose, 1966, 165. Anders Greßmann a. a. O. 117 ff. und G. Hölscher, Geschichtsschreibung in Israel, 1952, 330 ff.

116

Zum Begriff »Heilsschilderung« vgl. 106. 140. 170f. Daß Gen 12 3b noch nicht verwirklicht sei, betont Procksch (a. a. O. 97) gegen Gunkel (a. a. O. 165). Auch von einer modellhaften Erfüllung dieses Ausblicks, wie sie Wolff (a. a. O. 361 ff.) vorschwebt, kann m. E . nicht die Rede sein. Fürbitte, wie sie nach Gen 18 22b-33 geübt wird, ist nicht dasselbe wie Segenspendung. Auch in der Isaakerzählung heißt es nie ausdrücklich, daß andere Menschen durch

117

Die Heilsgeschichte

55

Erzählers hat Gen 12 3 b die Funktion des aus dem berichtenden Lob bekannten Ausblicks auf die Zukunft: Die in der Volkwerdung Israels durch David erfahrene Erfüllung soll in der nun anbrechenden Zukunft zu universaler Wirkung kommen. E x 3?f. (l6f.) beherrscht den zweiten Teil der jahwistischen Erzählung. Wie bereits angedeutet, werden in der Ankündigung drei Themen genannt: 1. die Rettung aus Ägypten (D?*!?» T ö iV'Sn 1 ?), 2. die Führung bei der Wanderung durch die Wüste sowie 3. die Landnahme, die in der Zielangabe ( . . . r n n - } ! n a i ü " n ? " ^ ) 'impliziert ist. Mit dem letzten Element der Ankündigung hat E x 3 7f. (l6f.) ein Motiv aufgenommen, das schon in der Vätergeschichte eine Rolle spielt. Entsprechende Ankündigungen sind: Gen 12 7 13 I4f. 15 18 247 und 28 13. Weissagenden Charakter haben auch die präfigurativen Begründungen von Heiligtümern durch die Väter (Sichern Gen 12 6, Bethel 12 8 28 19, Hebron 13 18 18lff., Beerseba 26 23.33 und Pniel 323lf.) und vor allem die israelitisch-aramäische Grenzfestlegung Gen 3146tf. Dennoch wird man sagen müssen, daß die Landverheißung innerhalb der Vätererzählung hinter der Segensankündigung an Bedeutung zurücktritt 1 1 8 ; erst mit dem Anfang des Exodusbuches, wo sich die Ankündigung der Volkwerdung zu erfüllen beginnt, wird die Landnahmeverheißung beherrschend. Daß die Landnahme, in der j a in bestimmtem Sinne auch die Gen 121-3 ins Auge gefaßte Volkwerdung zu ihrer Vollendung kommt, thematisch das Ziel der jahwistischen Erzählung darstellt, wird man wohl doch nicht bestreiten können 119 . Diese Feststellung ist unabhängig von der Entscheidung der strittigen Frage, bis wohin sich der Erzählungsfaden des J verfolgen läßt. E . Meyer 120 , G. von Rad 1 2 1 , Sellin-Rost 122 , A. Weiser 123 , S. Mowinckel 124 u. a. suchen in Jdc 2 5 den Abschluß der Quelle 125 . Dagegen meint M. Noth — entsprechend seiner These, daß P für den letzten Pentateuchredaktor den literarischen Rahmen abgegeben habe —, daß die LandnahmeIsaak gesegnet werden. Im Jakob-Joseph-Kreis ist es zweimal nur ein einzelnen der durch den Segensträger gesegnet wird, nämlich Laban Gen 3027. 30 und Potiphar 39 5. E x 12 3lf. zeigt im Zusammenhang eher, daß Pharao und die Ägypter keinen Segen empfangen. 118

119

120 121 122 123 124 126

G. von Rad (Das erste Buch Mose 14f.) scheint mir die Vätergeschichte des J zu ausschließlich von der Landnahmeverheißung her zu verstehen. Was vom Ganzen des J gilt, braucht nicht im gleichen Maße von der Vätererzählung als einem ihrer Teile zu gelten, auch wenn historisch die Landverheißung ein Urdatum der Väterreligion zu sein scheint. So scheint mir Wolff (a. a. O. 347) zu weit zu gehen, wenn er in bezug auf den Verkündigungswillen des J von einem »auffälligen Rücktritt des Interesses an der Landnahme« spricht und dementsprechend die Landverheißungen der Vätergeschichte und E x 3 7f. (l6f.) in seiner Analyse des Aufbaus von J nicht berücksichtigt. Kritik der Berichte über die Eroberung Palästinas, ZAW 1 (1881), 135. Das formgeschichtliche Problem 80 f. A. a. O. 57 fi. A. a. O. 133. 137. Tetrateuch, Pentateuch, Hexateuch, 1964, 32. Sellin—Fohrer (a. a. O. 219) findet die Schlußnotiz des J in Jos 1 9 s i b 21 43-45; Jdc 1 1 — 2 5 gehört danach zu N (a. a. O. 214f.).

56

Die Aporie der Endgültigkeit

erzählung des J hinter Num 33 42 abgebrochen sei 126 . Daran anknüpfend hat H. W. Wolff in Num 25 1-5 das letzte erhaltene Stück des J erkennen wollen 127 . Aber auch schon vor Num 251-5 ist eindeutig von der Landnahme die Rede: Das zeigen nicht nur die Landnahmeberichte Num 21 2lff., soweit sie J angehören, sondern vor allem die so hervorgehobenen Bileamsprüche Num 24 J . Die uns hier entgegentretende seherische Antezipation des Kommenden malt die Gegenwart des Verfassers, in der durch die Staatsgründung die Landnahme besiegelt ist, in leuchtenden Farben 1 2 8 . Dabei zielt die Ankündigung der Landnahme deutlicher auf ein Endgültiges, als es bei der Ankündigung der Volkwerdung der Fall ist. Das kommt zwar nicht so sehr in E x 3 7f. (l6f.) zum Ausdruck als vielmehr in den Landnahmeankündigungen der Vätererzählung: Sie haben unzweifelhaft die unwiderrufliche Zuteilung Kanaans an Israel im Auge. So richtet sich Gen 12 7 (15 18129) 24 7 an den »Samen« Abrahams, bzw. Gen 13 15 28 13 an Abraham/Jakob und seinen »Samen«; Gen 13 15 aber sagt darüber hinaus noch ausdrücklich, daß es sich bei dieser Verheißung um eine Setzung DViSJ'TS? handele (vgl. zur Sache E x 32 13 J e r 7 7 IX Chr 20 7). Darin spricht sich wohl nicht nur ein ephemeres Interesse des nationalistisch eingestellten Jahwisten am ewigen Anrecht Israels auf Kanaan aus; vielmehr stoßen wir hier, wie es scheint, auf eine spätnomadische Verheißungstradition, wobei die Landverheißung der jahwistischen Vätergeschichte einerseits und die Ankündigung E x 3 7f. (l6f.) andererseits traditionsgeschichtlich auf zwei verschiedene Stränge zurückgehen 130 . Sieht J also im ganzen auf die Landnahme als auf ein abgeschlossenes Geschehen zurück, so enthält doch auch E x 3 7f. (l6f.) noch so etwas wie einen Ausblick auf die Zukunft: Als ein tfa-n aVn rat f * ^ hatte sich Kanaan bislang wohl schwerlich schon erwiesen; auch hierin sollte die Zukunft den letzten unermeßlichen Heilsinhalt des gegenwärtig Empfangenen noch entbergen. An die Stelle der Universalität der Wirkung göttlichen Handelns träte dann eine unerschöpfliche Intensität.

So spiegelt sich im Werk des J ein Endgültigkeitserlebnis, das durch das gegenwärtig geschenkte Heil, die Vollendung der VolkwerUberlieferungsgeschichte 5f. 11 ff. A. a. O. 347 f. 128 Werden die Verheißungen Gen 12 1-3 und E x 3 7f. (l6f.) als für das Gesamtwerk des J konstitutiv angesehen, scheidet die Möglichkeit aus, daß J noch über den Bericht von der Landnahme hinausreicht (so etwa C. A. Simpson, The Early Traditions of Israel, 1948), dabei etwa die sog. Reichsteilung I Reg 12 als abschließendes Geschehnis mit umfasse (Hölscher a. a. O.) oder gar bis zur Gefangennahme des letzten nordisraelitischen Königs I I Reg 17 3 (I. Benzinger) bzw. bis zum Ende der Königsbücher (R. Smend, O. Eißfeldt) reiche. Hätte J eine irgendwie geartete Einschränkung oder gar Rückgängigmachung der o.g. Verheißungen vorgesehen, hätte diese bereits im Zusammenhang mit den Verheißungen motiviert werden müssen, wenn nicht das in ihnen zur Sprache gebrachte Kerygma mit der gegenwärtigen Wirklichkeit des Verfassers in Widerspruch geraten sollte. Gegen die Annahme mehrerer durchlaufender Erzählfäden in Jdc vgl. jetzt W. Richter, Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zum Richterbuch, 1963.

126 127

Gen 15 18 fällt insofern aus dem Rahmen der anderen Landverheißungen heraus, als die Verleihung des Landes hier Gegenstand eines im Augenblick des Ergehens des Wortes gültig werdenden Bundesschlusses ist (vgl. 185 f). Vermutlich liegt gerade darin ein traditionsgeschichtliches Urdatum (vgl. 185 Anm. 40). 130 Ygi g Herrmann, Die prophetischen Heilserwartungen im AT, 1965, 64ff.

129

Die Heilsgeschichte

57

dung und Landnahme z. Z. Davids, ausgelöst wurde. Dessen Endgültigkeit wird noch dadurch unterstrichen, daß es am Ende einer Geschichte zu stehen kommt, die mit der Schöpfung der Welt beginnt. Vom Ort des jetzt erfahrenen Handelns Gottes in der Geschichte geht dabei die Bewegung seiner Wirkungen ins räumlich Unendliche: nöTlCT nn?tfto Vs IS"!??} Gen 12 3b; dazu wird das Land, das Israel jetzt empfangen hat, sich als ein solches herausstellen, »das von Milch und Honig überfließt« Ex 3 7f.(i6f.). Beides erinnert an die Ausblicke auf die Zukunft im berichtenden Lob; das Sich-Öffnen der Zukunft vom Jetzt und Hier der gegenwärtigen Heilserfahrung aus ist dasselbe, das auch dort zur Sprache kommt. Ob dabei für J -— seinem pessimistischen Menschenbilde entsprechend — der Gedanke eine Rolle spielt, daß das noch Ausstehende nicht ohne Israels Bewährung im Gehorsam verwirklicht werden wird131, wäre weiter zu fragen. Einen eigentlichen Heilsgeschichtsentwurf im Sinne des auf S. 49f. gegebenen Begriffs bringt J also noch nicht. Er schreitet den Weg zu dem einen Ereignis der Gegenwart ab, in dessen Schatten alle bisherigen treten. Anders mußte das freilich werden, wenn das von J ins Auge gefaßte Ziel im Blick seiner Hörer bzw. Leser in die Vergangenheit entrückte, die Gegenwart also nicht mehr so unmittelbar unter dem Eindruck des von David erzielten geschichtlichen Triumphes stand. Dann mußte die Betroffenheit einer Betrachtung weichen, der sich das Berichtete mehr und mehr vergegenständlichte und relativierte. Damit aber wären die Voraussetzungen gegeben für ein heilsgeschichtliches Denken mit den oben bezeichneten Strukturmomenten. b) Der Elohist

Beim Elohisten endet die ins Auge gefaßte Heilsgeschichte an einem von der Gegenwart weit abliegenden Zeitpunkt; an die Stelle eines präsentischen Endgültigkeitserlebnisses in der Betroffenheit von dem darin beschlossenen Einmaligen tritt nun wirklich das Überblicken der Heilsgeschichte in ihrem objektiven Verlauf. Dabei äußert sich die rationale Durchdringung des Geschehensablaufs schon darin, daß die Heilsgeschichte nach dem Gebrauch des Gottesnamens in zwei Perioden zerfällt132. Das sich darin anmeldende Ordnungsdenken versteift sich zum Geschichtspragmatismus, wo — wie in Gen 15 16 20 Ex 32 34 — die innere Logik göttlichen Handelns 131 132

So M. L. Henry, Jahwist und Priesterschrift, 1960. Sellin—Fohrer (a.a.O. 170) verweist noch auf Jos 24 a, wonach den genannten zwei Geschichtsabschnitten »als weiterer die Periode der Urväter voranging, die fremden Göttern dienten«.

58

Die Aporie der Endgültigkeit

im Sinne des Theodizeegedankens allgemein einsichtig aufgewiesen werden soll133. Der Vergegenständlichung des Heilsgeschehens entspricht auch ein strengerer Partikularismus. So entfällt die universalistische Vorgeschichte sowie ein Gen 12 3 b zu vergleichender universalistischer Skopos. Israel ist »Jahwes Eigentum vor allen Völkern« E x 19 5b134, »ein Volk, das abgesondert wohnt und sich nicht zu den Heiden rechnet« Num 23 9 (vgl. 23 21-23). Zwischen Gott und Mensch wächst ein objektiver Abstand. Bekanntlich läßt E statt Jahwes nur noch seinen Engel auf Erden erscheinen Gen 2117 28 12 u. ö.; Mittel der Offenbarung ist daneben vor allem der Traum Gen 20 3. 6 28 12 3111. An der Gestalt des Mose tritt die Mittlerfunktion stark hervor E x 4 16. Ihm wird der Jahwename offenbart E x 3 i 4 f . ; er ist der Führer des Exodus E x 3 1 0 . 1 2 ; er tritt bei der Sinaioffenbarung zwischen Gott und das Volk E x 20 i 8 b ß - 2 i und fungiert als Fürbitter E x 18 19 32 11-13. 32 Num 12 1 1 ; auf ihn schließlich werden auch die Stammessprüche des Mosesegens zurückgeführt Dtn 33 135 . Gegenständlich wird zuletzt auch das Tun des Menschen; es wird zum »Werk«. Was an der Überlieferung ethisch anstößig ist, muß abgemildert und umgedeutet werden: »von E stammt vorwiegend die Zeichnung der Patriarchen als Vorbilder für die Menschen, die ihm erbaulich-mahnend nahe gebracht . . . werden«136. Göttliche Forderung und Heilszusicherung treten demgemäß E x 19 5f. in ein Bedingungsverhältnis zueinander. Nicht zufällig ist es auch, wenn die Proklamation des elohistischen Dekalogs betont feierlich gestaltet wird: Jahwe redet nach E x 20 1 — trotz E x 20 i8bß-2i — öffentlich zum ganzen Volke. c) Das Deuteronomium Das Deuteronomium geht auf dem Wege heilsgeschichtlicher Entwürfe, sofern man davon bei ihm sprechen kann 137 , wieder einen Schritt zurück. 133 Vgl. Weiser a. a. O. 108 und Sellin—Fohrer a. a. O. 172. 134

135

136 137

Eißfeldt (Hexateuchsynopse 47. 146*) rechnet E x 19 3 b ß - 8 zu E ; vgl. Weiser a. a. O. 107. Dagegen wird das Stück von Noth (Überlieferungsgeschichte 33 1 1 2 ; Das zweite Buch Mose 126 f.) nach dem Vorgang von Holzinger, Steuernagel u. a. für deuteronomistisch gehalten. Ganz anders Sellin—Fohrer a. a. O. 205 f. Zu Mose als Mittler bei E vgl. von Rad, Theologie des AT, I 305f.; Weiser a. a. O. 106; Sellin—Fohrer a. a. O. 170. Sellin—Fohrer a. a. O. 171. Dtn kann vor allem wegen der in seine Paränesen eingeflochtenen Geschichtsüberblicken zu den Heilsgeschichtsentwürfen gerechnet werden, obwohl darin nur ein Aspekt seines theologischen Denkens liegt.

Die Heilsgeschichte

59

Zunächst freilich scheint es nicht so. Insbesondere exilische Stücke vertreten im Bück auf die zurückliegende Unheilsgeschichte Israels das Anliegen der Theodizee 9 7ff. 29 22ff. Der Partikularismus wird betont: Vokabel und Gedanke der Erwählung treten in den Vordergrund; Israel ist Jahwes »Eigentumsvolk« 4 20 7 6 14 2 (vgl. 7 iff. 9 iff. 10 uf.); in den Gesetzen wird die schroffe Abgrenzung Israels nach außen gefordert 13 2-6.9-12.13-19 17 2-7 18 9-13.14. 21 23 i8f. u. ö.138; die Ausrottung der Urbevölkerung ist 7 lff. 9 iff. u. ö. unabdingbarer Programmpunkt. Wieder ist der Abstand zwischen Gott und Mensch groß: Zwar siedelt Dtn Jahwes »Namen« im Tempel an; ihn selbst aber läßt er im Himmel wohnen 12 s. 11.21 2615. Neben nationalkriegerischen Elementen und den damit verbundenen prophetischen Ideen ist der mittlerische Kult und das Priestertum für die dtn Religion entscheidend. Im Mittelpunkt des Interesses aber steht die Mittlergestalt des Mose: Jahwe redet im Dtn nur noch über Mose zu Israel, wobei zu Ex 20 i8bß-2i E Dtn 5 5. 20-26 zu vergleichen ist. Im Amt des Fürbitters fungiert er Dtn 9 i8ff. 25ff.; die sekundäre Einleitung schwingt sich sogar zu dem Gedanken seines stellvertretenden Leidens für Israel auf 1 37 4 2if. 1 3 9 . Auch sonst läßt sich ein Drang zur Objektivierung feststellen. Über den materiellen Charakter der von Dtn verheißenen Heilsgüter ist oft gesprochen worden. Jüngere Zusätze zu Dtn machen das lebendige Wort Gottes zur »Schrift« 17 18 28 58. 61 29 i9f., womit Israel bekanntlich den Weg zur Buchreligion beschreitet. Schließlich treten Forderung und Verheißung oft in ein klares Bedingungsverhältnis — so an den auf den Bund bezogenen Stellen 7 12 28 9 3016 —, oder Gebot und Segensankündigung werden final aufeinander bezogen 5 16. 29 6 18 81 11 8f. 12 28 16 20. Israels »Leben« hängt mithin von der Gebotserfüllung ab 3015-20 u. ö.140. Andererseits aber kann man den Zeit- und Geschichtsbegriff von Dtn geradezu aktualistisch nennen. Aus Dtn stammen die beiden wichtigsten Stellen, welche eine Reflexion über das Geschehen der verbalen Vergegenwärtigung erkennen lassen 5 3 29 i4f. Doch kann natürlich gerade die Tatsache der Reflexion bezeichnend dafür sein, daß das Geschehen selbst nicht mehr selbstverständlich ist. Immerhin versetzt das Buch seine Leser mit seinem dauernd wiederholten »Heute« auf eindrucksvolle Weise in die Zeit unmittelbar vor der Landnahme, also in die Situation zwischen Verheißung und Erfüllung141. Die faktische Gegenwart der Hörer ist dann aber Zeit der 138 139 140

141

von Rad a. a. O. 241. von Rad a. a. O. 307. Zum »nomistischen« Charakter des Dtn vgl. F. Baumgärtel, Verheißung. Zur Frage des evangelischen Verständnisses des AT, 19B2, 66 f. Zum Folgenden H. H. Schmid, Das Verständnis der Geschichte im Dtn, ZThK 64 (1967), lff.

60

Die Aporie der Endgültigkeit

Erfüllung, die Endstation einer linearen Heilsgeschichte wie bei J . Dem entspricht die immer wiederholte Motivierung der Gebotserfüllung mit der Mahnung zu Dankbarkeit und an Gott gerichteter Gegenliebe 4 37-40 620-25 7 7-11 u. ö., wobei häufig betont wird, daß der Gehorsam »von ganzem Herzen und von ganzer Seele« o. ä. erfolgen soll 65 10 12 1113 13 4 u. ö. Aber mit dem Hinweis auf eine »realized eschatology« ist nicht alles gesagt: Ähnlich wie in Ex 3 8.17 wird Dtn 7 13-15 2811 u. ö. die nVr]!, die Israel an seinem Lande besitzt, in Farben geschildert, die die Wirklichkeit weit hinter sich lassen. Wieder hat die gegenwärtige Gabe ihren vollen Verheißungsinhalt noch nicht entborgen; der Raum, in dem Israel lebt, ist durch »die Qualitätsdifferenz zwischen faktischer und von der Verheißung intendierter Gegenwart« bestimmt 142 . Wie sich dazu die o.g. bedingten Verheißungen und finalen Forderungen, insbesondere die häufigen Mahnungen, Jahwe und sein geschichtliches Handeln nicht zu vergessen 4 9ff.23 6 12 8 11.14.19 9 7 u. ö., verhalten, ist weiter zu fragen. Offenbar ist hier noch eher als bei J daran zu denken, daß die noch ausstehenden Verheißungsinhalte nicht ohne Israels Bewährung in neuem Gehorsam Verwirklichung finden; den naiven Gegenwartsoptimismus, der den Entwurf des J weithin bestimmt, wird Dtn angesichts der prophetischen Anklagen seiner Zeit nicht mehr geteilt haben. d) Das deuteronomistische

Geschichtswerk

Die Vergegenständlichung der Heilsgeschichte führt beim Deuteronomisten zum ersten Male zu ihrer Entleerung: Insbesondere unter den leidvollen Erfahrungen der Gegenwart werden die vergangenen Taten Jahwes so, wie sie einst geschehen sind, zunächst einmal als wirkungslos erkannt; von ihnen schien nichts übrig geblieben, und so mochte man auch nichts mehr von ihnen erwarten. Auszug und Landnahme, die beiden großen Heilsereignisse am Anfang, aber auch die bei Dtr stärker hervortretende Erwählung des Zion und der Davidsbund sowie die immer neuen Versuche ephemerer Rettung durch Richter, Könige und Propheten, waren der Schuld Israels zum Opfer gefallen, wie das Werk in breiter Entfaltung bekennt. G. v. Rad hat darin mit Recht ein »Echo auf den Radikalismus der Botschaft der Propheten« gesehen143. Dabei wird die Katastrophe, mit der die Geschichte des Dtr endet, zu einer in ihrer Notwendigkeit rational einsichtigen Konsequenz des Geschehensablaufes: Das Handeln Gottes und das Handeln des Menschen werden in ihrer Interdependenz verrech enbar, so daß das Heilloswerden der Heilsgeschichte als unerbitt142 143

Schmid a. a. O. 13. von Rad, Theologie des AT, II 429.

Die Heilsgeschichte

61

liches Ergebnis deduziert werden kann. Wieder muß also die Irrationalität des je einmaligen göttlichen Eingreifens und die ihr entsprechende, alle Dimensionen durchbrechende Betroffenheit einem heilsgeschichtlichen Ordnungsgefüge Platz machen und seinen Theodizeemotiven Material liefern — selbst um den Preis, daß die Heilsrelevanz des Geschehens ausgelöscht wird und an die Stelle des Gotteslobes und der ausdrücklich auf ein neues Rettungshandeln Gottes ausgerichteten Klage und B i t t e die bloße »Gerichtsdoxologie« 144 tritt. Und dabei hat D t r zunächst »in dem göttlichen Gericht, das sich in dem von ihm dargestellten äußeren Zusammenbruch des Volkes Israel vollzog, offenbar etwas Endgültiges gesehen und eine Zukunftshoffnung nicht einmal in der bescheidensten und einfachsten F o r m einer Erwartung der künftigen Sammlung der zerstreuten Deportierten zum Ausdruck gebracht«; er hat »in der Geschichte des Volkes Israel einen in sich geschlossenen Vorgang gesehen, der mit bestimmten göttlichen Machterweisen einsetzte und mit der Zerstörung von Jerusalem einen definitiven Abschluß gefunden hat« 1 4 5 . Und doch kann der Glaube, auch wenn er sich nur noch in einer »Gerichtsdoxologie« äußert, in solcher Resignation nicht sein letztes Wort sprechen. Wie sich die Klage, solange sie irgend an Gott gerichtet ist, nicht in einem nihil erschöpfen kann, so muß eine »Doxologie«, die die Gerechtigkeit Jahwes über dem erfahrenen Gericht preist, zu einer wenn auch noch so zaghaften Hoffnung führen. Ganz im Hintergrund des Werkes ist denn auch davon etwas zu spüren. »So erscheint das Thema .Umkehr' an wichtigen Höhepunkten der dtr. Geschichtsdarstellung und demonstriert damit an verschiedenartigen Exempeln, was Israel im Gericht des Exils zu hören und zu tun hat«. »Die dtr Geschichtstheologen führen ihre Zeitgenossen mit dem gewaltigen und mit großer Geduld gezeichneten Bild der Heilsgeschichte der erwarteten Umkehr entgegen als dem, wozu der Gott der Gerichte und Rettungen jetzt Israel zubereitet« 1 4 6 . Ganz deutlich kommt das innerhalb des mit Leitgedanken des dtr Werkes überfrachteten Tempelweihgebets im Blick auf die Exilssituation I Reg 8 33f. 50 zum Ausdruck. In diesem Sinne setzt auch die Befreiung Jojachins aus dem Kerker I I Reg 25 27-30 ein Licht, das ein letztes Gültigbleiben des Nathanorakels I I Sam 7 I Reg 2 4 8 20. 25 9 s erhoffen läßt. Doch ist zu betonen, daß diese Hoffnung keine feste Formen anzunehmen oder deutliche Vorstellungen zu bilden vermochte; sie macht lediglich eine »Möglichkeit« sichtbar, »an die Jahwe wieder anknüpfen kann« 1 4 7 . 144 145 146

147

Zu Dtr als Gerichtsdoxologie vgl. von Rad, Theologie des AT, I 340. M. Noth, Uberlieferungsgeschichtliche Studien, 1957 2 , 108. 103. H. W. Wolff, Das Kerygma des dtr Geschichtswerkes, in: Gesammelte Studien zum AT, 1964, 316. 322. von Rad, Theologie des AT, I 355.

62

Die Aporie der Endgültigkeit

e) Die

Priesterschri/t

Der Heilsgeschichtsentwurf von P steht demgegenüber unter einem wesentlich optimistischeren Vorzeichen; er knüpft in vieler Hinsicht an E und Dtn an. Wieder endet die Heilsgeschichte an einem weit zurückliegenden Zeitpunkt. P beginnt mit der Weltschöpfung und läßt zunächst (Gen 1 und 9) noch der ganzen Menschheit göttliche Weisung zukommen. Die eigentliche Mitte seiner Heilsgeschichte aber ist der Abrahamsbund (Gen 17), von dem her der Weg über die Einsetzung des Passah (Ex 12) zur Sinaioffenbarung führt. Dabei ist der traditionelle Sinaibund in den Abrahambund hinein antezipiert148, so daß sich schon Gen 17 7 b die für den Sinaibund bezeichnende Formel crfrx 1 ? tJ1? rn,!71? Tl-H** 'l^H-'?1 findet. Das Ziel des Weges aber ist die am Sinai erfolgte Übermittlung der das Leben des Gottesvolkes tragenden Institutionen E x 25—31* 35—40* Lev 8(—10)* 16* Num 1—9*. So konnte P — im Gegensatz zu Dtr, aber ebenso wie Dtn — die ganze auf die Mosezeit folgende Geschichte übergehen. Daß die Ereignisse noch bis zum Tode des Mose149 und vielleicht bis zur Landnahme 150 weitergeführt werden, geschieht wohl lediglich unter dem Druck der Tradition; vom Tode des Mose zu erzählen, lag zudem wegen dessen wichtiger Rolle beim Sinaigeschehen nahe. Ein kerygmatisches Motiv jedenfalls scheint in diesem Ausklang nicht mehr zu suchen zu sein. Nach der Sinaioffenbarung hat sich ein eigentlich strukturierender Wandel in der Geschichte Israels nicht mehr abgespielt. Alle Institutionen, die es für den Gebrauch des Gottesvolkes zu legitimieren galt, stammen aus der Zeit Abrahams und Moses. Der vorausgesetzte Fortbestand dieser Institutionen seit besagter Zeit überbrückt den weiten chronologischen Abstand bis zur Gegenwart des Verfassers. Der rationale Pragmatismus, der auch dieser Konstruktion zugrunde liegt, kann die wirkliche Machtlosigkeit, der das geschichtlich Einmalige in ihr verfällt, nur schwer ausgleichen. Denn wo dieses unter die Funktion tritt, Gebote und Institutionen in stufenweiser Entfaltung aus sich zu entlassen, ist es wieder seiner die Dimensionen durchbrechenden Kraft beraubt und einem Ordnungsgefüge einverleibt. Mit Recht vergleicht darum A. Weiser die DarstellungsfoTn von P »mit den typisierten Bildern auf orientalischen Stelen, denen eben148

149 150

W. Zimmerli (Sinaibund und Abrahambund, in: Gottes Offenbarung, 1964, 205if.) will nach dem ähnlichen Vorgang von von Rad (Die Priesterschrift im Hexateuch, 1934, 176. 178f.) geradezu von einer Erfüllung des Abrahambundes im Sinaigeschehen sprechen. So M. Noth a. a. O. 182 ff. So nach dem Vorgang von R. Smend, O. Eißfeldt u. a. Weiser a. a. O. 133 und Sellin—Fohrer a. a. O. 220f.

Die Heilsgeschichte

63

falls der Sinn für das Einmalige, Besondere und Lebendige der geschichtlichen Wirklichkeit abgeht«151. Entsprechend der Vergegenständlichung des Heilsgeschehens ist der Partikularismus strenger denn je. Die Heilsgeschichte zerfällt in genau begrenzte Perioden mit Adam, Noah, Abraham und Mose als epochalen Figuren. Als Gerüst der Periodisierung enthält P eine durchreflektierte Chronologie152 sowie das — vielleicht auf ein besonderes Buch zurückgehende153 — Schema der Toledoth. Dabei wird der Schauplatz des göttlichen Handelns von Stufe zu Stufe stärker beschränkt; weist die erste Toledoth-Formel auf den weitesten Kreis von »Himmel und Erde« Gen 2 4a, so hat die letzte als engsten Kreis »Aaron und Mose« im Auge Num 3 l 154 . Die unmittelbare Jahwebeziehung ist auf die Priesterschaft beschränkt. Freilich sieht P in solcher extremen Partikularität wohl bloß eine Notordnung im Blick auf die Sünde der nachnoachitischen Menschheit. Aber selbst hier noch macht sich die objektive Distanz zwischen Gott und dem Menschen bemerkbar. Nach der Lagerordnung Num 2 »lagern die Priester und Leviten als Trenn- und Schutzwall zwischen dem Heiligtum und dem Volk«155. Zwar dürfen Priester und Leviten den VftN, wo Gott begegnet bzw. sogar wohnt (Ex 29 42f. — v. 45!), in der von P vorgeschriebenen Weise handhaben. Aber auch beim "T??to VtlX erscheint nicht Gott selbst, sondern nur sein Er selbst bleibt im Himmel in unerreichbarer Ferne, wie denn auch das irdische Heiligtum, die Stiftshütte, nur Nachbildung eines himmlischen Modells ist, das Mose schauen darf E x 25 40 26 30 27 8. Das Heilsgut, das P in den Mittelpunkt stellt, sind die mit den Institutionen vom Sinai gegebenen kultischen Mittel, durch die das Heil des Anfangs laufend verfügbar erhalten wird. Daß die gott-menschliche Ordnung, die durch solche Institutionen gesetzt war, durch die Sünde Israels oder durch neue heilsgeschichtliche Setzungen in Frage gestellt werden könnte, scheint undenkbar156. Der Abrahamsbund, in dem die Sinaioffenbarung grundgelegt war, beruht ja zunächst allein auf der Leistung Gottes157, und Gott hat sich auf ewig gebunden. Eine Aporie der Endgültigkeit des Bundes wird nicht empfunden. Und doch konnte es gar nicht ausbleiben, daß bei solchem Verständnis des Heilsgutes das Schwergewicht vom göttlichen auf das 151

Glaube und Geschichte im AT, 1931, 65.

162

A. Jepsen, Zur Chronologie des Priesterkodex, Z A W 47 (1929), 251ff.

153

von Rad, Die Priesterschrift, 33 ff.

164

O. Eißfeldt, Biblos geneseos, in : Kleine Schriften, I I I 1966, 468ff.

155

Selün—Fohrer a. a. O. 201.

16« Ygi m. Noth, Die Gesetze im Pentateuch, in: Gesammelte Studien zum AT, 1960, 112. 157

Vgl. 185 f.

64

Die Aporie der Endgültigkeit

menschliche Tun fiel. Der Mensch war es, der die kultischen Mittel handhabte und sich so seines Heils sicher machte. Sein Tun mußte dabei um so mehr zum »Werk« werden, je stärker das Bewußtsein hervortrat, daß über die Sünde des Menschen einfach nicht hinwegzureden war. Die Gemeinde stand doch auch nach der Sinaioffenbarung — unzuverlässig wie ihre Treue nun einmal war — ständig unter der Drohung des Zornes (^¡7.) Jahwes Lev 10 6 Num 1 53 17 n 18 5. Gegen Sünde und Zorn nun boten die kultischen Institutionen die Möglichkeit an, die das völkisch-menschliche Dasein tragende »Heiligkeit« aufrechtzuerhalten158. Dementsprechend traten fast alle kultischen Begehungen, insbesondere die Opfer, in den Dienst der Herbeischaffung von Sühne; sie waren es, die den Menschen vor Gott »wohlgefällig« machten Lev 1 3f. 7 18 19 s 22 19.21. 29 23 11. Große Bedeutung gewinnt das Sündopfer (HKön), und unter den Festen ragt der Versöhnungstag besonders hervor. Zwar war es Jahwe selbst, der mit dem umfassenden kultisch-rituellen Apparat »eine Einrichtung geschaffen« hatte, »die Israel einen ständigen Lebensverkehr mit ihm ermöglichte«, wie es denn letztlich auch Jahwe war, der im sühneschaffenden Akt die zerstörende Unheilswirkung einer Tat aufhob. Dennoch mußte »die durch keine Geistigkeit auflösbare Materialität solcher Begehungen« einer Tendenz Vorschub leisten, die schwindende Gottunmittelbarkeit durch gegenständliches Tun festzuhalten159. Aber auch P hat seine Weise der heilsgeschichtlichen Objektivation nicht konsequent durchgeführt. Die Erwartung ist über dem Rückblick auf das zu konservierende Vergangene nicht ganz erloschen. Mit Recht fragt M. Noth im Blick auf »die am .idealen' Heiligtum orientierte Theologie von P«, »ob er nicht . . . den Blick hat richten wollen auf ein zukünftiges Handeln Gottes, das das Heiligtum, so wie es sein sollte, wiederherstellen würde mit den um es versammelten zwölf Stämmen als Kultgemeinde«160. Vor allem gälte das dann, wenn P doch schon weitgehend oder gar ganz von Diasporajuden in Babylon geformt worden ist und so »ein Programm für den gottgewollten Wiederaufbau der Gemeinde nach dem Exil oder für eine Reform der Gemeinde in der nachexilischen Zeit« darstellt 161 . Läge so auf jeden Fall in den Aufstellungen von P ein Element der Hoffnung, so wird man allerdings nicht übersehen dürfen, daß diese Hoffnung in keiner 158 ygi k . Koch, Die Eigenart der priesterschriftlichen Sinaigesetzgebung, ZThK 55 (1958), 36ff. 159 160

181

von Rad, Theologie des AT, I 273. Überlieferungsgeschichte 267. — Dagegen scheint mir H.-J. Kraus (Schöpfung und Weltvollendung, EvTh 24 [1964], 470) zu weit zu gehen, wenn er nach dem Vorgang von L. Köhler beim priesterschriftlichen Schöpfungsbericht »in der Kunde vom vollkommenen Ersten zugleich das Zielbild des vollendeten Letzten« sehen will. Sellin—Fohrer a. a. O. 200.

65

Die Heilsgeschichte

Weise über das als vergangen Vorausgesetzte hinausweist, sondern ausschließlich dessen Wiederherstellung meint. f ) Das chronistische

Geschichtswerk

Das chronistische Geschichtswerk beginnt wie P bei Adam, bringt aber insofern einen umfassenderen Geschichtsentwurf, als es bis in die nachexilische Zeit hinunterführt, wo das Handeln Gottes an Israel in der Restitution des Jerusalemer Kultus zum Ziel kommt (zu beachten ist der Bezug auf Jer 25 nf. 29 10 in II Chr 36 2i)162. Anders als bei P endet also die Heilsgeschichte nicht weit von der Gegenwart des Verfassers. Der Geschichtspragmatismus erreicht beim Chronisten seinen Höhepunkt. Zwar können die universalen Auswirkungen eines einzelnen Eingreifens Gottes einmal (I Chr 14 17) kräftig herausgestrichen werden, wie sein Wundercharakter ein andermal bis zur Absurdität gesteigert wird (II Chr 20 1-30). In den Mittelpunkt aber tritt nicht das Ereignis als solches, sondern die rational überschaubare Bezogenheit der Einzelbegebenheiten aufeinander, ihre Funktion als Beweismittel einer sich immer und überall bewährenden Gott und Mensch umspannenden Ordnung. Dabei wird wieder das Handeln Gottes mit dem Handeln des Menschen rational verrechnet, wobei nun freilich als dritter Faktor die selbständige Macht Satans hinzutritt, durch deren Vergegenständlichung »,das radikal Böse' von der göttlichen Kausalität« getrennt wird163. Und doch vermag diese Ideologie nicht mehr das die Einzelgenerationen verbindende Ganze der Geschichte zu umgreifen; daran mag das Wirksamwerden von Gedanken, wie sie Ez 18 zugrunde liegen, schuld sein. So zerfällt die Geschichte doch wieder in atomisierte Begebenheitsfolgen, die für das chronistische Vergeltungsdogma Paradigmen bilden. Auf solchen paradigmatischen Charakter der Begebenheiten weisen oft die eingefügten Stücke levitischer Predigt hin164. Dabei ist es das Ziel des Chronisten, zu zeigen, »daß das Gericht oder das Heil Jahwes noch immer jede Generation ganz individuell erreicht hat . . . jede Generation steht und fällt mit ihrem Gesalbten«165. Seinen Höhepunkt erreicht auch der heilsgeschichtliche Partikularismus. »Das Ziel dieser Gesamtdarstellung ist der Nachweis, daß im Gegensatz zum gottlosen Nordstaat nur der Südstaat Juda mit 162 163 184

1,5

Vgl. O. Plöger, Theokratie und Eschatologie, 19622, 56. G. von Rad, Das Geschichtsbild des chronistischen Werkes, 1930, 8. G. von Rad, Die levitische Predigt in den Büchern der Chronik, in: Gesammelte Studien zum AT, 1958, 248 ff. von Rad, Theologie des AT, I 361. M a l l e r , Eschatologie

5

66

Die Aporie der Endgültigkeit

seiner Davidischen Dynastie und seinem Jerusalemischen Tempel als das wahre Israel der legitime Träger der im Reich Davids verwirklichten Gottesherrschaft ist und daß allein die Gemeinschaft der aus dem Exil zurückgekehrten Juden, nicht etwa die zur Zeit des Chronisten im Entstehen begriffene Religionsgemeinschaft der Samaritaner, diese Tradition treulich aufrechterhält und fortsetzt« 166 . Denn wenn David in Ewigkeit über Jahwes Haus und Königtum gesetzt ist I Chr 17 14, ja der Thron Salomos mit dem »Thron des Königtums Jahwes über Israel« identisch ist I Chr 28 s (vgl. 29 23 II Chr 9 s), so daß II Chr 13 8 geradezu von einer T H ->13 T 3 n w nsVpa die Rede sein kann, mußte die Geschichte des Nordreiches notwendig übergangen werden. Daneben mag in der vorliegenden Fassung des Werkes noch das Interesse der levitischen Tempelsänger an der besonderen Legitimität ihres Amtes gegenüber dem der aaronitischen Priester eine Rolle spielen167. Weg und Schicksal der Heiden sind jedenfalls ohne jeden Belang. Die objektive Distanz, die sich zwischen Gott und Mensch auftut, kommt zum Ausdruck in der Tendenz, den Gottesnamen mn1 durch zu ersetzen, sowie in den Ansätzen zum Ausbau einer Angelologie I Chr 2112.16 II Chr 1412 20 22168. Formell wie bei P steht auch hier der Kult als das die Religionsund Volksgemeinschaft Tragende im Mittelpunkt. Freilich fungiert nicht Mose und Aaron, sondern David als Kultinitiator. Vor allem aber wird der Inhalt des Kults im Gotteslob gesucht, bei dem die levitischen Sänger eine tragende Rolle spielen169. Darüber hinaus fällt auf die Lebenshaltung und praktische Frömmigkeit Gewicht, auf das mrr-ns (tfpa) als auf einen Vertrauensakt, der sich freilich in sichtbaren Äußerungen manifestieren muß, so daß er als ein »Werk« des Menschen einwandfrei konstatiert werden kann I Chr 5 20 II Chr 13 14 14 8ff. 18 31 20 iff. 31 9f. Vor allem aber erweist sich »das Festhalten an Jahwe . . . in der Anerkennung und in dem Festhalten an seinem Kultort Jerusalem und in der Wahrung der altüberkommenen Kultordnungen« 170 . Daß Kult und Frömmigkeit trotz des Versagens einzelner Davididen fortbestanden, garantiert die Kontinuität der 168 1,7

168 1,9

170

O. Eißfeldt, Einleitung in das AT, 1963®, 721. Ähnlich die meisten. Levitische Interessen finden in den vorliegenden Chronikbüchern im besonderen von Rad (Geschichtsbüd 119; Theologie des AT, I 363f.), Eißfeldt (a. a. O. 728f.) und W. Rudolph (Chronikbücher, 1955, XV). Anders Noth, Uberlieferungsgeschichtliche Studien, 173f. Einzelheiten dazu bei von Rad, Geschichtsbild, 3 ff. Rudolph (a. a. O. XV) betont mit Recht, daß »der fröhliche Charakter des Gottesdienstes« sehr viel stärker in den Vordergrund tritt als der Sühnegedanke, den P so hervorhebt. von Rad, Theologie des AT, I 365.

67

Die Heilsgeschichte

Heilsgeschichte, die nachzuweisen für den Chronisten ein dringendes Anliegen war. Entsprechend fehlt in der chronistischen Fassung des Nathanorakels I Chr 17 der Hinweis auf eine mögliche Verschuldung der Davididen (II Sam 7 14b). Die »Schande der Heiligen« Judas wird, wie J. Wellhausen eindrucksvoll gezeigt hat, nach Kräften zugedeckt; immer nur zeitweilig konnte das Gesetz als »Lebensprinzip der Theokratie von schlechten Königen niedergehalten werden, um nach dem Aufhören des Druckes sofort wieder wirksam und mächtig zu werden«171. Dazu wird durch Esr 11-4 (II Chr 36 22f.) die judäische Königszeit eng mit der der nachexilischen Kultgemeinde verbunden, wobei II Chr 36 20 ausdrücklich bemerkt wird, daß alle dem Schwert entronnenen Judäer in die Verbannung geführt worden seien. Damit ist die Kontinuität der Heilsgeschichte gleichsam auch mit genealogischen Mitteln vergegenständlicht. Die Genealogien des I Chr müssen denn auch dazu herhalten, halbbürtige Volkselemente, die in nachexilischer Zeit mit Juda verwachsen waren, in den Bereich des göttlichen Heilsplans zu rücken172. Dabei dienen diese Bemühungen mit dazu, die äußerste Krisis, in die solche Kontinuität durch das Exil geführt worden ist, zu übermalen — ganz im Gegensatz zu Dtr, den Chr doch so fleißig ausgeschrieben hat. Am bezeichnendsten für den Geschichtsverlust des Chronisten ist aber sein Schweigen über die vordavidische Frühgeschichte Israels, die doch in den älteren Heilsgeschichtsentwürfen geradezu kanonisch war. Darin unterscheidet sich Chr von Dtn und Dtr in gleicher Weise, obwohl er, wie G. von Rad gezeigt hat 173 , weitgehend in deren Tradition steht; ja, er befindet sich mit sich selbst in einem gewissen Widerspruch, weil er gelegentlich eine offenkundige Wertschätzung des Mose an den Tag legt174. Mag der Grund für dieses Schweigen zunächst darin zu suchen sein, daß »die der Jerusalemer und samaritanischen Gemeinde gemeinsamen Überlieferungen . . . noch kein Argument für die Auseinandersetzung der beiden späteren Kultgemeinden« hergaben175, wie denn auch das besondere Amt der Leviten angesichts des von P beherrschten Pentateuch schwerlich auf Mose zurückgeführt werden konnte, so muß man doch fragen, wie die Verfasser dazu kamen, die Ereignisse der Väter-, Mose- und Richterzeit in einem Werk, das mit Adam beginnt, zu übergehen. Haben die vorangehenden heilsgeschichtlichen Entwürfe — J, E, Dtn und P, sowie für die Nach-Mose-Zeit Dtr — das immer wieder in die Erinnerung Gerufene doch nicht vor der wachsenden Gegenstands171 172 173 174 176

Prolegomena zur Geschichte Israels, 1927", 166fl., Zitat 197. von Rad, Geschichtsbild, 27—29. A. a. O. passim. A. a. O. 75. Noth a. a. O. 176; vgl. Rudolph a. a. O. IX. 5*

68

Die Aporie der Endgültigkeit

losigkeit und dem Vergessen bewahrt? Ja, hat am Ende gerade die heilsgeschichtliche Weise des Erinnerns das Vergessen befördert ? Hat die fortgesetzte Vergegenständlichung des Zurückliegenden diesem die Substanz geraubt, so daß die Heilsgeschichte selbst heillos wurde ? Die etwa gleichzeitig einsetzende Apokalyptik, der es ja auch um eine gegenständliche Universalgeschichte ging176, hat die Heilsgeschichte noch vollständiger eingebüßt. Daß aber auch der Chronist die heilsgeschichtliche Objektivation des Heilshandelns Gottes nicht bis zur letzten Konsequenz durchführen konnte, zeigt wiederum das Hoffnungselement, das auch in seiner Darstellung nicht fehlt. Auch sein Werk ist ja eine Art Programmschrift für das nachexilische Israel und als solche wie jeder Appell von der Aussicht auf eine mögliche Besserung gegenwärtiger Verhältnisse getragen, wenn auch »die Zukunftshoffnung nirgends einen grundsätzlichen Bruch, eine Aufhebungen der gegenwärtigen schon vorhandenen gottgegebenen Ordnung« sieht177. Das von David und seinem Reich gezeichnete Idealbild tendiert auf eine Erwartung, und zwar doch wohl nicht zuletzt auf eine solche politischer Art, mag das Bild von David auch noch so sehr durch kultisch-priesterliche Postulate überzeichnet sein178. Das zeigt vor allem die eindrucksvolle Klage Neh 9 32. 36f., die die ganze politische Not Israels »seit der Zeit der Könige von Assyrien«, so wie sie der Verfasser und seine Zeitgenossen empfanden, zusammenschaut, um deren Behebung herbeizubitten (vgl. II Chr 6 42). 176 177 178

Vgl. 123 ff. von Rad a. a. O. 128. Zum Erwartungsaspekt des chronistischen Werkes vgl. u. a. Noth a. a. O. 179f.; von Rad a. a. O. 126fE.; Theologie des AT, I 362f.; W. F. Stinespring, Eschatology in Chronicles, J B L 80 (1961), 209ff. Anders Rudolph a. a. O. X X I I I und vor allem Plöger a. a. O. 52f. 54.

3. Kapitel Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte Überblicken wir die Versuche, die durch seinen Gegenstandsbezug ermöglichte Vergegenständlichung des Eingreifens Gottes in die Geschichte zu vermeiden, so zeigt sich, daß nur die verbale Vergegenwärtigung dem Verstehen aus unmittelbarer Betroffenheit wirklich gemäß ist: nur hier kommt die in seiner gegenstandsbezogenen Ungegenständlichkeit gründende Endgültigkeit des Eingreifens Gottes uneingeschränkt zur Geltung. Allerdings: was vom Eingreifen Gottes selber gilt, gilt auch von seiner verbalen Vergegenwärtigung. Auch beim vergegenwärtigten Eingreifen Gottes kann der Gegenstandsbezug zur Vergegenständlichung führen. Ja, hier wirkt sich nicht nur der Gegenstandsbezug des Vergegenwärtigten selbst aus; die Vergegenwärtigung geschieht dazu auch als solche an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit. Tritt der vom Akt der Vergegenwärtigung Betroffene aus dem Hier und Jetzt der Betroffenheit in die Distanz des Betrachtenden zurück — was er wegen der Unausgedehntheit des Akts immer schon tut —, vergegenständlicht sich ihm das Vergegenwärtigte wie das unmittelbar Erlebte. Nun kann er, wenn er nicht den Ausweg in die Zeitlosigkeit von Mythos und Kultus wählt, entweder im Sinne der Heilsgeschichte eine bewußte Vergegenständlichung des Vergangenen durchführen, bis es darüber seine Substanz verliert und heillos wird, oder von vornherein an der Wirksamkeit des damals Gewesenen für die Gegenwart verzweifeln. Die verbale Vergegenwärtigung bringt die Aporie der Endgültigkeit des vergangenen Eingreifens Gottes jedenfalls nicht besser aus dem Spiel als das Icp&TTa^ Gottes selbst. Insbesondere muß der Widerspruch zwischen dem Vergegenwärtigten und einer notvollen Gegenwart die Macht der Vergegenwärtigung brechen und schließlich zu ihrem Ausbleiben führen. Solches Ausbleiben führt dann in die von G. v. Rad so genannte »Nullpunktsituation«, aus der heraus ein Neues, wie es die Propheten verkündigten, »nicht mehr als Fortsetzung des Bisherigen verstanden werden kann«179. Inwieweit aber kann solches neue Eingreifen Gottes in die Geschichte der Aporie des Vergangenen wirklich entgehen? 179

Theologie des AT, II 125.

70

Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

Kann im Raum der Erwartung des Zukünftigen die Ungegenständlichkeit des göttlichen Eingreifens samt seinem Gegenstandsbezug durchgehalten werden ? Kann hier so etwas wie eine »reine« Betroffenheit jenseits aller bloßen Betrachtung statthaben? Kann das erwartete Eingreifen Gottes in die Geschichte ungebrochen endgültig sein ? Erst dann wäre es ja im eigentlichen Sinne eschatologisch. Somit stehen wir mit diesen Fragen zum ersten Male am Zentrum unserer Untersuchung. Um den Fragen nähertreten zu können, müssen wir aus dem biblischen Ankündigungsmaterial solches herausgreifen, das tatsächlich das rettende Eingreifen Gottes zum Gegenstand hat und sich darum mit dem oben aus den Psalmen gesammelten Material vergleichen läßt. Denn das Eingreifen Gottes in die Geschichte ist nicht der einzige Topos prophetischer Ankündigung. Wir gingen von der Epiphanieschilderung aus, die offenbar im Siegeslied ihren ursprünglichen Ort hat und so in den Zusammenhang des Heiligen Krieges gehört. Des weiteren bezogen wir uns auf die Gattung des berichtenden Lobs, die es im etwas weiteren Sinne mit dem Eingreifen Gottes in die Geschichte zu tun hat. Im Zusammenhang unseres Fragens nach der kultischen Vergegenwärtigung stießen wir auf die Mythisierung des Eingreifens Gottes in den Zionspsalmen. Wo finden sich nun prophetische Ankündigungen, die ein dem in diesen Gattungen zur Sprache kommenden entsprechendes Eingreifen meinen ? Fanden wir die genannten Psalmgattungen auf formgeschichtlichem Wege, so das Ankündigungsmaterial auf traditionsgeschichtlichem. Wo werden die in diesen Gattungen begegnenden Erfahrungsinhalte in die Erwartung projiziert? (1) Als erste sind die mir DiAnkündigungen zu nennen, die nach G. v. Rad die künftige Wiederholung und Überbietung eines Eingreifens Jahwes, wie es im Kriege geschieht, vorsehen180. (2) Aus der kultischen Vergegenwärtigung eines mythisierThe Origin of the Concept of the Day of Yahweh, JSS 4 (1959), 97ff.; Theologie des AT, II 129ff. Ähnlich vorher J . M. P. Smith, The Day of Yahweh, AJTh 5 (1901), 505fl.; S. R. Driver, The Books of Joel and Amos, 1915, 185; W. W. Cannon, The Day of the Lord, ChQR 103 (1927), 50. — G. von Rad haben sich angeschlossen: H. W. Wolff, Dodekapropheton II, 1963, 38f. 89; K.-D. Schunck, Strukturlinien in der Entwicklung der Vorstellung vom »Tag Jahwes«, VT 14 (1964), 319ff., sowie mit Modifikation F. J . Héléwa, L'Origine du Concept prophétique du Jour de Yahvé, Ephemerides Carmeliticae cura Pontificiae Facultatis Theologiae S. Theresiae a Jesu et Joannis a Cruce 15 (1964), 3fi. Neuerdings hat M. Weiß (The Origin of the »Day of the Lord« — Reconsidered, HUCA 27 [1966], 29fi.) die These von Rads in ausführlicher Untersuchung bestritten. »The Day of the Lord has a wider meaning and context than the pure event of war . . . The factor common to all the prophecies about the Day of the Lord, i. e. the essential element in them, is the theophany« (40). Sodann bestreitet Weiß

Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

71

ten, mit der VN-Tradition verbundenen Kriegsgeschehens, wie wir es in den Zionspsahnen fanden, hat sich sodann eine besondere auf den Zion bezogene Erwartung des Eingreifens Jahwes ergeben. (3) Ferner gehört die Erwartung eines neuen Exodus hierher, die sich besonders bei Dtjes findet181. An diesen drei Komplexen soll paradigmatisch die Struktur einer Erwartung aufgezeigt werden, die auf dem Hintergrund der Vergegenständlichung vergangener Gottestaten ein neues Endgültiges ins Auge faßt. Natürlich gibt es auch außerhalb dieser Komplexe Material für die Hoffnung auf ein zukünftiges göttliches Eingreifen. Daß dieses nicht erfaßt wird, dürfte aber unserer Untersuchung nicht wesentlich schaden. Die Struktur der erfragten Erwartung wird aus den genannten Komplexen hinreichend deutlich werden182. überhaupt, daß der Terminus m r P Di 1 eine irgendwie geschlossene Vorstellung bezeichne: »It is a .neutral' concept, a formal one of a changing content which adapts itself to the nature of the individual Day of the Lord implied b y it . . . The D a y of the Lord in its original and main significance meant an event in which the awareness of the Lord would gain a concrete and sensory expression« (47). Der Terminus stamme von Am (618): ».the Day of the Lord' in whatever form it took in prophetical literature is connected directly or indirectly with the discussed prophecy of Amos« (S. 48). — Ist es aber richtig, daß der niíT' DV\ wie Weiß am Schluß seiner Arbeit wieder feststellt, »has its roots in the ancient motif-complex of the theophany-description« (60), so stellt sich die Frage nach dem Ursprung des míT 1 Dt 1 im Kriege von neuem, sofern man zugesteht, daß die von uns 16 ff. untersuchten Epiphanieschilderungen häufig im Umkreis von Siegesliedern begegnen und somit eben das im Kriege erlebte Kommen Gottes widerspiegeln. Ob es ferner möglich ist, einen Terminus oder gar Topos, der immerhin in weitläufiger Streuung begegnet, aus dem Einfluß einer einzigen prophetischen Äußerung wie Am 618 auf alle anderen Zeugen dieses Terminus abzuleiten, scheint mir grundsätzlich fraglich, obgleich hier nicht R a u m ist, die Argumente von Weiß im einzelnen nachzuprüfen. 181

182

Die Ankündigung eines neuen Exodus findet sich darüber hinaus Hos 11 11 J e r 16 u f . 23 7f. 24e 31 äff. Ez 20 (vgl. 1117-21 28 25*. 36f. 3925-29). Doch ist Dtjes der einzige Prophet, bei dem die Ankündigung des neuen Exodus die ganze Verkündigung beherrscht. S. Herrmann (a. a. O.) rekurriert auf die den Propheten vorgegebenen »Verheißungstraditionen« und findet dabei (1) die Kulturlandverheißung, (2) den in der Bundestheologie verankerten Erwählungsgedanken und (3) die a n das H a u s Davids ergangene Verheißung. Wichtiger als die den Propheten vorgegebenen Erwartungen erscheinen uns dagegen die Erfüllungen, soweit sie durch den weiteren Verlauf der Geschichte in Frage gestellt wurden: etwa f ü r den neuen Exodus des Dtjes war ganz eindeutig das Modell des stattgehabten Auszugs, nicht dessen Ankündigung prägend. Zur Bundestheologie und zum Davidsbund vgl. den 3. Teil unserer Arbeit.

72

Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte I . D I E A N K Ü N D I G U N G D E S nifT DT»

a) Die Form der niiT UV-Ankündigung Ankündigungen des ffi/T QV finden sich in folgenden Texten: Jes 2 12-17 131-22 341-17 Jer 46 2-12 Ez 7 183 30 1-8 Joel 2 1-11 1 8 4 3 3-5 4 9-14 Am 5 I8-20 Ob 12-15 bzw. 15a. 16-18185 Zeph 1 2-I8 186 2 1-3 3 6-8187 Sach 141-5 Mal 3 1-5.13-21 1 8 8 . 23f. Das Stichwort m?P Di1 und nahe verwandte Wendungen begegnen freilich auch in bezug auf vergangene Ereignisse: Jes 22 5 1 8 9 Ez 13 5 34 2 Joel 115 190 Thr 1 1 2 2 1. 21. 22; doch interessieren uns diese Belege hier, wo wir es mit dem angekündigten und erwarteten mrr DV zu tun haben, nur am Rande. In welchen Gattungen begegnen diese Ankündigungen ? Zunächst finden wir einige Unheilsankündigungen gegen einzelne Fremdvölker: Ägypten Jer 46 2-12 E z 30 1-8 Edom Jes 34 Ob 15a (sofern der Vers 183

184

Zu E z 7 als iT)7r DV-Ankündigung vgl. von Rad, Origin, 100; Theologie des AT, I I 130 f. E s ist doch wohl das einfachste, in Joel 2 l - l l die Schilderung einer bereits anbrechenden, mit ihrem Höhepunkt aber noch bevorstehenden Not zu sehen und die Heuschrecken wörtlich, nicht figurativ zu nehmen. Näheres dazu in meinem Aufsatz: Prophetie und Apokalyptik bei Joel, i n : Theologia viatorum 10 (1965/66), 231 ff.; anders Wolff a. a. O. 5f. 48f.

Die Frage, ob Ob 15a zu 12-14.15b oder zu 16-18 gehört, wage ich nicht zu entscheiden. F ü r die Zugehörigkeit zu 12-14.15b (Th. H. Robinson, A. Weiser) spräche, daß so ein wirksames Gegenüber der zahlreichen DV-Ausdrücke in 12-14 zu Hin* OV 15a entstünde; mit 16-18 verbindet 15a das i6a und doch wohl auch das "'S, mit dem 16 beginnt ( J . Wellhausen, E . Sellin, Sellin—Rost, W . Rudolph, B . M. Vellas, O. Eißfeldt, G. Fohrer, Die Sprüche Obadjas, in: Studia biblica et semitica Th. C. Vriezen dedicata, 1966, 81 ff.). 18« y o n d e r früher beliebten Aufteilung von Zeph 1 in zwei Fäden (etwa 2-6. 8-13 einerseits, 7.14-18 andererseits — E . Sellin, H. Schmidt, O. Eißfeldt) kommt man mehr und mehr ab. K . Eiliger (Das Buch der 12 Kleinen Propheten I I , 1964 6 , 58ff.) bezeichnet das Ganze als »redaktionelle Einheit« aus einer Anzahl kleinerer Einzelstücke, wobei er 2f. 6. 8acc. lOaoc. I2act. 171. auf den Redaktor zurückführt. F . Horst (Die 12 Kleinen Propheten, 1964 3 , 191 f.) ist ihm darin gefolgt, ohne die Bedenken gegen (2f.) 6.17f. vorbehaltlos zu teilen. Sellin—Fohrer (a. a. O. 502) hält it. 7-9.12f. 14-16 mit Sicherheit für echt. Vgl. 82 Anm. 227.

185

187

An die Stelle von m i T Di' ist Zeph 2 a ( ? ) . 3b n U T " ^ DV, 3 s mit L X X und Syr) getreten.

188

An die Stelle von n i ? r Dt' ist Mal 3 2 1X13 D r , 17.21 ¡"ifcrä , 1 S DV und 19 -|«ri3 -1573 . . . ni»n bzw. NSn Di»n getreten. Zum präteritalen Sinn von m r P an dieser Stelle vgl. H. Schmidt, Die großen Propheten, 1915, 125f.; von Rad, Origin, 106. Dagegen stehen freilich viele andere Stimmen. Joel 115a ist ein abwehrender Klageruf, den der Prophet im Namen der Gemeinde angesichts einer bereits eintretenden Heuschreckenplage ausstößt, nachdem er vorher (5.11.13) die Gemeinde zur Klage aufgefordert hatte.

189

190

" ^ p OT1 (so

Die Ankündigung des n W Di1'

73

zu 12-15 gehört), Babel Jes 13. In einer Reihe jüngerer Texte tritt an die Stelle einzelner Fremdvölker die Gesamtheit der Völker Zeph 3e-8MT 191 Joel 4 9-14 Sach 141-5. Den Charakter der Heilsankündigung für Israel nimmt die Unheilsankündigung gegen die Völker Ob 15a an (sofern der Vers zu 16-18 gehört), ebenso das Teilstück Joel 4 i3f. Eine Art apokalyptischer Schilderung ist Joel 3 3-5. — Auf der anderen Seite steht eine große Gruppe von mir1 OV-Ankündigungen, die sich als Unheilsankündigungen gegen Israel richten: Jes 2 12-17 Am 5 I8-20 Zeph 1 2-18 3 6-8 cj. 191 Ez 7 Joel 2 1-11. Gegen den abtrünnigen Teil des nachexilischen Israel wendet sich Mal 3 1-5. 23f.; dieselbe Ausrichtung hat faktisch auch die Heilsankündigung an das observante Israel Mal 3 13-21. In der prophetischen Mahnung erscheint die Drohung eines gegen Israel gerichteten Jahwetages Zeph 2 1-3. Welche dieser Gattungen hat die mir D^-Ankündigung ursprünglich beheimatet ? Die Heilsankündigung an Israel, die apokalyptische Schilderung und die prophetische Mahnung beherbergen den mrr Dr nur gelegentlich. Aber auch die Unheilsankündigung an Israel wird nicht sein ursprünglicher Ort sein. Schon der älteste Beleg Am 5 18-20 scheint mir deutlich zu zeigen, daß der Prophet hier nur die Umkehrung einer seinen Hörern geläufigen Erwartung vornimmt. Auch sonst geschehen ja solche Umkehrungen überkommener Heilstraditionen bei den älteren Propheten häufig; in nachexilischer Zeit dagegen, als die Umkehrungen gleichsam durch die Ereignisse überholt waren, wird auch die m/T Di•>-Ankündigung nur noch einmal gegen ganz Israel gerichtet Joel 2 1-11. Dann bliebe als ursprünglicher Ort nur die (für Israel faktisch heilvolle) Unheilsankündigung an Fremdvölker, die auch Am 5 18-20 polemisch im Auge gehabt haben kann. Sie wird dann aber primär in der konkreteren Form der Ankündigung gegen einzelne Fremdvölker ergangen sein. Das paßt vorzüglich zu der von v. Rad angenommenen Herkunft des Topos aus dem Heiligen Kriege, bei dem die Entscheidung ja auch jeweils gegen ein einzelnes Volk erging. Dieses Ergebnis erfährt eine Bestätigung, wenn wir die Struktur der Hin 1 01'Ankündigung im einzelnen ins Auge fassen. 181

Das v. 8 b ist sicher erst in nachexilischer Zeit für ursprüngliches eingetreten: nur das letztere paßt in den Zusammenhang innerhalb des Wortes und entspricht der gegen Israel gerichteten nirP DY1-Verkündigung von Kap. 1 21-3 (so K. H. Cornill, H.Schmidt, K. Elliger; anders J. Wellhausen, E.Sellin, F. Horst, Sellin—Fohrer). Zum Motiv der Korrektur Elliger a. a. O. 78. Der schon korrigierte Text, wie ihn MT bietet, gestattete es, das Wort an dieser Stelle der Sammlung anzuordnen. In der Korrektur zeigt sich diejenige Sicht des Tages Jahwes, die für die nachexilische Zeit bestimmend war; insofern ist es sinnvoll, an dieser Stelle auch MT zu zitieren.

74

Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

Im Mittelpunkt steht meist die Ansage der Nähe des Jahwetages, die mit gerin1'2> gefaßt ist Jes 13 6 Joel 414 Ob 15a gen Varianten in die Formel ÎTIÎP Dr Zeph 17.14 (vgl. Ez 7 7 30 3192). Joel 115 ist die Formel aus der Ankündigung in die Klage hinübergewandelt. Vergleichbare Nominalsätze mit dem Partizipium N3 finden sich Jes 13 9 Ez 7 7 Joel 21 Sach 141, ohne Verb Jes 212 Ez 7 10 Jer 4610. Eine entsprechende Funktion hat der Verbalsatz Ez 712. — Wohl schon ursprünglich gehört zu der Formel die Bezeichnung des Gegners, gegen den sich der Jahwetag richtet; sie wird mit an die Formel angeschlossen. In diesem Sinne wird zweimal Israel angeredet: Ez 7 3.6. Sonst ist die Konkretion in den überkommenen Texten allerdings gering. Zeph 1 16 lesen wir die verallgemeinernde Angabe Ü^SH VS n i r p j n niäsn V»} n m a n . Daneben finden sich ausdrücklich universale Wendungen wie Jes 2 12 : « r n i v NfM- 1 « * ? s n a n n x s r V s Vsi*» e z 7 2 : n x n n i s i s • s n - i i ? - 1 ? » und Ob 15a: Denselben Sinn hat der Genitiv in dem Ausdruck Ez 30 3: 01» fiS? : er bezeichnet das Objekt des vernichtenden Geschehens in der DS lM . Ferner gehören hierher die finalen Infinitive Jes 13 9 : Qto1? und Jer 4610: Dj^jn'p. — Zu den Erweiterungen der formelhaften Ansage gehören beschreibende in Form V n s n zeph i Zusätze h , s n i a rzu i i niÎT b i i i nOT\ j o eund i (2zwar n ) 3entweder 4 Mai 2 23, n a r o von "lyaAdjektiven Mai 319, wie "15 Zeph 114, "HJ?® Jes 13 9 oder in Form nominaler Appositionen, wie sie sich Zeph l l 5 f . besonders zahlreich finden. — Aufs ganze gesehen ist es auffällig, daß diese Ansagen vorwiegend im Zusammenhang von Anreden an die unheilvoll Betroffenen ergehen, so in den Völkersprüchen Jer 46 10 Ez 303 Ob 15 a (wenn der Vers zu 12-14 gehört) Jes 13 6 sowie in den Israelsprüchen Ez 7 3.6.7 Joel 2 l . In der Anrede an den Bedrohenden findet sich die Formel nur Joel 414. Nehmen wir nun diesen Zusammenhang selber in den Blick, so stellen wir fest, daß die Ankündigungen, wie schon das häufige "'S an ihrem Anfang zeigt, einen Begründungssatz darstellen, und zwar meist für eine an die unheilvoll Betroffenen gerichtete Aufforderung. Diese kann sich auf deren Wehklage richten : Jes 13 6 Ez 30 2196. Dabei wird Ez 302 sogleich die geforderte Wehklage zitiert: Oi'l? Fin. Zu dieser Aufforderung ist noch das häufige in Joel 1 (v. 5.11.13) zu vergleichen, auf das in v. 15 die Klage antwortet: ni»!? a n s . Nun stellt die Aufforderung zur Wehklage mit Anrede und Begründung, wie H. W. Wolif gezeigt hat19*, eine eigene Gattung dar, nämlich den »Aufruf zur Volksklage«, mit dem die Ältesten zu einer kultischen Versammlung aus Anlaß öffentlichen Notstandes einzuberufen pflegen. Ist hier der Aufruf an Fremdvölker gerichtet, so hat er ironischen Charakter. Die Begründung — also das . . . m r r n r aiip T und seine Varianten — hätte dann die Funktion der Unheilsankündigung. — Gelegentlich werden die unheilvoll Betroffenen aber auch zum Kampf aufgefordert, so in den Fremdvölkersprüchen Jer 46 3t. 9 Joel 192 Die Formel kommt zwar zum ersten Male bei Zeph vor, ist aber zweifellos älter. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß eine so häufig gebrauchte Formel auf einen Propheten von so geringer Originalität und Strahlungskraft wie Zeph zurückgeht; vgl. 70 Anm. 180. Gegen Cannon, Horst und Schunck a. a. O. 326 f. 193 So mit L X X . im Olli IIS ist also wie Dt" Jes 9 3 zu verstehen. wird allerdings von L X X und Arab zu Ez 30 2 nicht bezeugt und darum von G. Fohrer (Ez, 1955, 169), W. Zimmerli (Ez, 1959A., 724) u. a. gestrichen. Doch kann eine Glossierung in Kenntnis der geläufigen Topik geschehen sein. 196 Der Aufruf zur Volksklage, ZAW 76 (1964), 48ff.

Die Ankündigung des 5110'' OY1

75

4 9-12, womit die Alarmbefehle an das betroffene Israel Ez 7i4aacj. 197 und Joel 2 l zu vergleichen sind. Auch die Aufforderung zum Kampf mit anschließender Siegesankündigung (?) ist eine vorgegebene Gattung188. Sie wurde im Heiligen Kriege an Israel gerichtet, um ihm Sieg zuzusprechen. Sind hier Fremdvölker die Adressaten, ist die Aufforderung wiederum ironisch zu verstehen. Auch sonst läßt sich zeigen, daß die Aufforderung zum Kampf »sich hier und dort . . . von ihrem ursprünglichen Sitz im Leben gelöst hat «und dann »denkbar verschiedenartig verwendet «worden ist199. An die Stelle der Siegesankündigung an Israel wäre hier also das . . . Vv nirr Dt» anp T als Unheilsankündigung an die Feinde getreten. Eine figurative Aufforderung zum Kampf an das im illrP DV siegreich gedachte Israel mit anschließender Ansage des Jahwetages findet sich Joel 4 l 3 f . Anderer Art ist die Aufforderung zum Kampf Jes 132; sie richtet sich an die von Jahwe zum Vollzug seines Gerichtes aufgebotenen 1DVI (v. 5), ist also insofern, der ursprünglichen Richtung der Aufforderung gemäß, Heilsankündigung an den Sieger. Die Ankündigung der Nähe des Jahwetages kann noch entfaltet werden durch: (1) die Ankündigung des gegen den Feind gerichteten Kommens und Eingreifens Jahwes Jes 13 5. 9f. cj.200 Joel 412a Sach 14 3-5 Mal 3 5. 20.24201 — stattdessen die Epiphanie des Schwertes Jes 34 5 Ez 30 4; eine isolierte Epiphaniereaktionserscheinung findet sich noch Jes 34 4 — (2) die Ankündigung der Panik unter den Betroffenen Jes 13 7f. 14-16 Jer 46 5f. Ez 7 I7f. 27 3 0 4 (s) — vgl. Sach 1412.15 und isf. im weiteren Zusammenh a n g v o n S a c h 1 4 1-5202 —

(3) die Ankündigung der Verwüstung des Landes Jes 13 20-22 Ez 30

34s-l5

7,

(4) die Anklage gegen die Betroffenen Jes 34 8 Ez 7 3aß.b. 4ba. 8aß.b. 9ba. 7 l 0 b ß . 1 1 . 1 2 b . 13b. 14b. 16b. 1 9 b . 20a. 23b. 2 7 b a 2 0 3 J o e l 4 l 3 b Z e p h 3 (6-) 7 b O b 12-14 2 0 4 .

Von einigen weiteren selteneren Topoi soll hier abgesehen werden. Nun wird diese Struktur leicht unter der bereits oben angedeuteten Annahme verständlich, daß sich die ¡Tlrt, DV-Ankündigungen ursprünglich gegen einen einzelnen Feind richteten. Dafür ist bezeichnend: (1) die enge Verbindung der Ankündigungsformel mit der Bezeichnung des Gegners, die sicher ursprünglich konkreter war, als wir sie in den zufällig W Lies p n i r o n } »ipn Wp»ri (Fohrer a. a. O. 45) oder tt-OHl » l p M Wp>l? nipnVl? (Zimmerli a. a. O. 163f.). 198 R. Bach, Die Aufforderung zur Flucht und zum Kampf im alttestamentlichen Prophetenspruch, 1962, 51 ff. 199 Bach a. a. O. 71. 200 q^i j n 8 a a w i r d z u streichen sein. 201 Joel 412 (und Mal 3 8) ist an die Stelle des Kommens und Eingreifens Jahwes das Sitzen als Richter getreten, Zeph 3 8 und Mal 3 5 das Aufstehen 202 Hierher gehört wohl auch das Motiv, daß die Betroffenen ihr nutzlos gewordenes Geld etc. wegwerfen Jes 2 20 Ez 7 19f. Zeph 118. 203 Die meisten dieser Stellen hält Zimmerli (a. a. O. 168ff.) freilich nach dem Vorgang anderer für Zusätze, was hier aber nichts zur Sache tut; vgl. Anm. 195. 204 Die Anklage hat Ob 12-14 die Form der Aufforderung angenommen —• eine »tragische Ironie, in der überall unausgesprochen das ,zu spät' durchklingt« (A. Weiser, Das Buch der 12 Kleinen Propheten I, 19634, 212).

76

Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte überkommenen, meist späten Texten vorfinden (wie wir sehen werden, geht die Ausrichtung auf alle Völker erst auf den Einfluß der Zionstradition zurück), (2) die Anrede an die unheilvoll Betroffenen, insbesondere die mit den Ankündigungen verbundenen ironischen Aufforderungen zur Klage und zum Kampf, und (3) die Anklage, welche deutlich macht, inwiefern der Jahwetag ein Dl'' (ilttft?) DJ?J Jes 34 8 J e r 4610, ein 1 « DV Zeph 2 2.3 Thr 21.21.22 bzw. ein 1 S 8 li-in DT" Jes 1313 Thr 112 etc. ist, wobei ursprünglich daran gedacht wäre, daß Jahwe für das seinem Volk angetane Unrecht Rache nimmt (vgl. p » ? a n 1 ? Jes 34 8).

Gehört so die nin"1 Di ''-Ankündigung wahrscheinlich zu den Unheilsankündigungen gegen einzelne Fremdvölker, so hegt die Vermutung nahe, daß sie als solche schon in den alten Heiligen Kriegen selber laut wurde. Zu einem Teil ist die Prophetie ja zweifellos im Heiligen Krieg verwurzelt: mehr als eine der für die Prophetie bezeichnenden Sprachformen werden hier ihren Ursprung haben205. Empfing der charismatische Führer ursprünglich selber das Wort der Gottheit206, um es alsdann an den Heerbann weiterzugeben207, so tritt später der prophetische Sprecher zwischen die Gottheit und ihn208. Auch an Träumen, technischen Orakeln und anderwärtigen Zeichen wird es nicht gefehlt haben209. Die Fülle der hierbei verwendeten Redeformen spiegelt sich wohl auch noch in den von uns behandelten Gruppen der Fremdvölkersprüche wider, die sich einer Reihe spezieller Formen und Motive bedienen, um ihr Anliegen zu verlebendigen, z. B. des Aufrufs zur Volksklage und der Aufforderung zum Kampf. Daß dabei Abwesende angeredet werden, bezeugt eine letzte magische Verwurzelung dieses Redens: durch die Unheil ankündigende (ironische) Anrede will man den Gegner, noch bevor der Kampf beginnt, entmachten 210 . Daß ferner von Jahwe vorwiegend in der 3. Person 205

206 207 208

209

210

R . Rendtorff, Erwägungen zur Frühgeschichte des Prophetentums in Israel, ZThK 59 (1962), 145ff. Entsprechende Heilsorakel sind J o s 6 2-5 8 lf. 18 11 6 J d c 7 9f. (6 14). E x 14 l 3 f . Jos 6 1 6 10 l 8 f . J d c 3 28 7 15. Das kennzeichnet die Rolle der Debora gegenüber Barak. Derartige Sprüche von Wortcharismatikern an Könige finden sich I Sam 15 2f. 22 s I Reg 20l3f. 28 2 2 e . i i . l 2 . i 5 I I Reg 317-20 1315-19. I I Reg 39-20 scheint vorauszusetzen, daß Elisa das Heer Israels, Judas und Edoms begleitet. Zum Traum J d c 7 I3f. An technische Orakel mag J d c 1 2 18 6 2 0 23. 28 I Sam 23 2. 4 30 7 I I Sam 2 l 519. 23 gedacht sein. Zu anderweitigen Zeichen J d c 6 36-40 I Sam 1412. — I Sam 28 6.15 kennt drei Weisen göttlicher Mitteilung an den Heerführer: Träume, Losorakel und Propheten. A. Bentzen (The Ritual Background of Am 1 1 — 2 16, OTS 8 [1950], 85ff.) hat den Sitz im Leben der Am l f . zugrunde liegenden Form und der Fremdvölkersprüche überhaupt in Ächtungsriten gesucht, wie sie auch den bekannten ägyptischen Ächtungstexten zugrunde liegen. Freilich findet er den Ort solcher Ächtungsriten im Zusammenhang mit dem von S. Mowinckel postulierten Thronbesteigungsfest.

Die Ankündigung des ffliP DV

77

gesprochen wird211, mag darüber hinaus auf eine Nähe solchen Redens zum Sehertum weisen 212 ; entsprechend wird der Seher Bileam um Fluchworte gegen Israel gebeten, und die dann faktisch ergehenden Segensworte werden als Sehersprüche eingeleitet Num 24 3f. i5f. 213 . Aus den Fremdvölkersprüchen ist die mrP OV-Ankündigung sekundär in die Unheilsankündigung gegen Israel hinübergewandert 214 , wie sich denn das Stichwort und Teile der Topik gelegentlich auch in der Heilsankündigung an Israel, der apokalyptischen Schilderung und der prophetischen Mahnung finden, j a sogar in Texten, die es gar nicht mit dem Kommenden zu tun haben.

b) Die Traditionsgeschichte der ¡Tiff1 Di"»-Ankündigung Hat somit auch die traditionsgeschichtliche Ableitung des Qi'' n w aus dem Heiligen Kriege durch die Formanalyse einige BestätiDoch liegt es gerade von den ägyptischen Parallelen her nahe, die Fremdvölkersprüche mit dem Krieg und den dabei vollzogenen magischen Riten in Zusammenhang zu bringen. Später mögen solche Vorgänge dann allerdings auch Bestandteile des regelmäßigen Kultus geworden sein. Zur kultprophetischen Verwurzelung der Völkersprüche vgl. E . Würthwein (Der Ursprung der prophetischen Gerichtsrede, ZThK 49 [1962], 12.14) und vor allem F. Hesse (Wurzelt die prophetische Gerichtsrede im israelitischen Kult ?, ZAW 65 [1953], 45fl.), der anders als Würthwein nur die Unheilsankündigungen gegen Fremdvölker, nicht auch die gegen Israel im Kult verwurzelt sieht. Zur Beziehung der Fremdvölkersprüche zu Segen und Fluch vor der Schlacht vgl. G. Fohrer (Prophetie und Magie, ZAW 78 [1966], 37. 40ff.), der u. a. auch noch auf Jes 14—23 Jer 46 1—49 27 Ez 25 und Zeph 2 4-15 als Formparallelen zu Am l f . hinweist. 211

212

213

214

Auffällig ist, daß innerhalb von Zeph 1 die göttliche Ich-Rede außer in v. lof. nur in den Stücken fehlt, in denen das Stichwort m i f DV vorkommt: 7.14-16.18b; die Form war also offenbar auf die Rede in der 3. Person festgelegt. Besonders bezeichnend ist der Umbruch von der Ich-Rede Gottes zur Prophetenrede in v. 18. Beachtenswert ist auch das nirP DT* Mal 3 23 statt des zu erwartenden Ausnahmen sind Zeph 3 8 Mal 317. 21. Zum Seherspruch D. Vetter, Untersuchungen zum Seherspruch im AT, Diss, theol. Heidelberg 1963. Die Ansiedlung des ¡Tin1 DT1 3 n p t in den Fremdvölkerorakeln schließt freilich von Rads (Origin 108) Ableitung der Formel aus »the old stereotyped call with which the troops were summoned to take the field in the holy wars« oder von »a cry with which they went into the battle with Yahweh« aus. Zu beachten ist dabei vielleicht, daß auch die ägyptischen Ächtungstexte »take special care of their own country, denouncing single traitors and other criminals and so purging the country of all sorts of iniquity« (Bentzen a. a. O. 91). Von daher erklärt Bentzen Am 2 6-16. Ist das richtig, so hätte auch der Übergang der mrp DV-Ankündigung in die Unheilsprophetie einen Hintergrund an dem vermuteten Sitz im Leben der Gattung. Vgl. J . A. Soggin, Der prophetische Gedanke über den Heiligen Krieg als Gericht gegen Israel, V T 10 (1960), 79 ff.

78

Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

gung erfahren, bedarf es zur traditionsgeschichtlichen Erfassung des Komplexes nur noch weniger ergänzender Bemerkungen. Die wichtigste Verbindung, die die mir DV-Erwartung eingegangen ist, ist die mit der Zionstradition. Von ihr soll im nächsten Abschnitt die Rede sein. Mit der miT' QV-Erwartung konnte sich aber auch leicht die Erwartung des sagenhaften Feindes aus dem Norden 215 zusammenfinden: so Joel 2 20 (vgl. v. 4-7 216 ), wo die Heuschrecken, die den mm Di1 bringen, ''lis^n heißen. Gelegentlich läßt sich beobachten, wie sich einzelne Motive der Kriegstopik aus ihrem Zusammenhang gelöst haben, um mehr oder weniger deutlich ein Eigenleben zu führen: (1) Im Blick auf das Opfer (Menschenopfer ?), das im Zusammenhang des Sieges dargebracht wurde, wird der Jahwetag zum Schlachttag Jes 342.5-8 J e r 4610 (vgl. 5140) Zeph 1 7 Thr 2 21. (2) Aus dem Feuer als Epiphaniebegleiterscheinung wird ein Erd- oder gar Weltbrand Jes 1319 34 9t. Joel 2 3 a. 5 aß217 Zeph 1 3.18 3 s Mal 3 19 (Ez 30 8) 218 . (3) Auch Epiphaniereaktionserscheinungen können als kosmische Endkatastrophen Eigenbedeutung bekommen Jes 34 4 Joel 3 3t. Sach 14 3 f . 2 1 9 . HierZum Ursprung der Erwartung des Feindes aus dem Norden vgl. A. Lauha, Zaphon. Der Norden und die Nordvölker im AT, 1943, 81 f.: »Die Vorstellung vom Norden als Ausgangspunkt der Unheilsmächte ist im AT von solcher Eigenart, daß man in ihr eine ganz freistehende und selbständige Gedankenreihe sehen muß«. Ihren Ursprung sucht Lauha wohl mit Recht in »der verschwommenen Uberlieferung eines grauenvollen Geschehnisses der Frühzeit«, vielleicht »der ägäischen Wanderung, der um 1200 die hethitisch-churrische Zivilisation zum Opfer fiel« (86). 2 1 i Zu Joel 2 4-7 in diesem Zusammenhang vgl. Wolff, Dodekapropheton I I , 46. 53f. 217 VIB7 Joel 2 3 scheint sich zwar zunächst nicht auf den epiphanen Jahwe, sondern auf den 2 2 ba erwähnten DS zu beziehen; doch erinnert die Verbindung mit ^Tllii} an die ähnlichen auf Jahwes Epiphanie bezogenen Ausdrücke V S ' S D i . . . "MS*? Ps 50 3 97 3 bzw. l ^ n V • • • 1"'??/' Hab 3 5. Noch deutlicher auf Jahwe bezogen ist das V3BQ (v. 6) und das T'JöV ( v . 10), das, wäre bei dem Suffix an die Heuschrecken gedacht, mit den auf sie bezogenen pluralischen Verbformen in 5 a. 9 kontrastieren würde. Vgl. E. Kutsch, Heuschreckenplage und Tag Jahwes in Joel

215

218

219

1 und 2, ThZ 18 (1962), 81fl.; Wolff a. a. O. 46. 52ff. Zum Zusammenhang der spärlichen Erd- und Weltbrandankündigungen des AT mit der Vorstellung vom Feuer als Epiphaniebegleiterscheinung vgl. R . Mayer, Ist die biblische Vorstellung vom Weltbrand eine Entlehnung aus dem Parsismus ?, Theol. Habil.-schrift München 1947, 68ff. Die kosmischen Katastrophen stammen also nicht, wie etwa H. Greßmann im Anschluß an H. Gunkel wollte, aus einer allgemein geläufigen, der Fremde entnommenen Theorie, die in den prophetischen Ankündigungen desintegriert worden wäre. Am Anfang stehen nicht Theorien, sondern Einzelmotive, nicht einmal Bilder. Die systematisch ausgeformten Endzeitanschauungen gehören jüngeren Texten an und stehen auch traditionsgeschichtlich am Ende.

Die Ankündigung des

¡TUT1 D P

79

unter fällt im besonderen die Verfinsterung der Gestirne Jes 1310 Joel 2 10 3 4220. (4) Hypostatische Abwandlungen der Epiphanie sind der als Vorbote des Kommens Jahwes Mal 3 l. 23221 sowie wohl auch der rätselhafte tfW? npT*n Mal 3 20222.

c) Der eschatologische

Charakter des m m Di"1

1. Da, wo die mm DV-Ankündigung als Unheilsankündigung gegen einen einzelnen Feind ergeht Jes 13 34 Jer 46 2-12 Ez 301-8 Ob 12-15 (?), kommt der konkrete Gegenstandsbezug des kommenden Eingreifens Gottes — abgesehen von Jes 34 — am deutlichsten zum Ausdruck: die Rettung bezieht sich auf eine bestimmte Not Israels, die von dem ins Auge gefaßten Feindvolk verursacht wird 223 . Seinen Gegenstandsbezug hat das künftige Eingreifen Gottes also vornehmlich im Blick auf sein Davor: es löst die Not ab, an der Israel unter den bestimmten gegenständlichen Gegebenheiten leidet. Aber das Wirken Gottes beschränkt sich in den Ankündigungen ebensowenig wie im berichtenden Lob auf den bloß vorläufigen Effekt der Vernichtung eines einzelnen Feindes. Das Kommen und Eingreifen des weltüberlegenen Gottes läßt sich auch hier nicht gegenständlich begrenzen. Wie die Ungegenständlichkeit des vergangenen Eingreifens Gottes da erfahren wurde, wo man von ihm als einem unmittelbar vorangehenden Geschehen betroffen war oder doch diese Unmittelbarkeit in der Vergegenwärtigung wiederholte, so wird nun die Ungegenständlichkeit des kommenden Eingreifens Gottes in Verbindung mit seiner unmittelbaren Zukünftigkeit erlebt. Das spricht sich schon darin aus, daß der mm OV exemplarisch »nahe« ist. Gegenüber seinem Kommen kann sich die gegenständliche Zeit, gerade wenn der Gegenstandsbezug des Geschehens betont wird, nicht hal220

221

222 223

Zum Zusammenhang solcher siderischen Phänomene mit der Epiphanie vgl. Ex 14 20 Jos 247. Der Gedanke an die Wiederkehr des Chaos braucht Jes 1310 Joel 210 3 4 nicht impliziert zu sein. Der ist in v. 1 a eindeutig bezeugt. Wer v. 1 ba ist und wie es sich mit dem iV-)?n v. lbp verhält, braucht uns hier nicht zu interessieren, ebensowenig, ob v. St. für echt zu halten ist. Vgl. Horst a. a. O. 274; dort weitere Lit. Th. H. Robinson (Die 12 Kleinen Propheten, 19643, 115) will auch bei Ob 12-15 an »Abfassung durch einen späteren Propheten denken, der seiner Dichtung den Anschein gegeben hat, als stamme sie aus den Tagen der chaldäischen Angriffe auf Jerusalem«. Die von uns angenommene Situation des unmittelbaren Gegenübers zu einer konkreten Not wäre dann fingiert, was eine andere Beurteilung des Wortes innerhalb unserer Fragestellung zur Folge haben müßte. Doch gibt Robinson für seine Ansetzung keine eigentliche Begründung.

80

Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

ten; die gegenständliche Not muß vor dem transzendenten Gott allemal sofort weichen. Interessanter noch sind eine Reihe von Universalismen, die ganz denen des verallgemeinernden Berichts und des Ausblicks auf die Zukunft im berichtenden Lob entsprechen. So redet Jer 46 12 von der weltweiten Wirkung der Niederlage Ägyptens, die seine weltweiten Eroberungspläne (v. 8) überholt. Noch weiter geht Ez 30 1-8: der gegen Ägypten gerichtete mrr Di'» ist nach v. 3 gleichzeitig riii, d. h. er bezieht die in die Vernichtung Ägyptens ein224. Ebenso ist, wenn Ob 15 a zu 12-14 gehört, der mir Dr über Edom gleichzeitig D^JrrbS"1?» miF~Di\ Nach Jes 13 5 ist es die Absicht Jahwes und der f^xn-Vs VanV, obwohl sich die Ankündigung primär gegen Babel richtet; nach v. 9 kommt Jahwe T^xn Dito1?, so daß auch die Sterne des Himmels, »Orione«, Sonne und Mond ihren Schein verlieren (v. 10) sowie Himmel und Erde erbeben (v. 13); v. 11 spricht von der Heimsuchung VlR"1?», und v. 12 denkt an die Dezimierung der Menschen auf der ganzen Erde. Daß der räumlichen Extension des Geschehens die zeitliche entspricht, zeigt v. 20: Babel bleibt nxjV und 1H1 TPI"!? unbesiedelt. Jes 34 2 spricht, obwohl es hier ausdrücklich primär um Edom geht, von ISj?. a^as-Vsi-1?» nan) ttfan-Vs-1?» mrr1?, so daß nach v. 4 nisnan-1??22® von Erschlagenen bedeckt sind und die Himmel sich wie eine Schriftrolle zusammenrollen. Der Brand des Landes Edom dauert nach v. 10 Dan 7f?f?, nnV -in» und a^s? nsjV, während Tiere und Dämonen das Land nach v. 17 D^iSJ'lV und 1H1 "in1? besitzen. — All diese Ausdrücke lassen das Eingreifen Gottes in seiner Ungegenständlichkeit erscheinen. Wie im berichtenden Lob durch die Rettung aus einer Not im Blick auf die Zukunft die ganze Wirklichkeit erschlossen schien, so ist hier mit der Vernichtung des einen Volkes für alle Zukunft über die Gesamtheit der Völker entschieden. Wie im berichtenden Lob kommt also in diesen Ankündigungen die gegenstandsbezogene Ungegenständlichkeit des Kommens und Eingreifens Gottes voll zur Sprache. Untersteht nun aber das Erwartete der gleichen Aporie wie das Vergangene? Die Universalismen bezogen sich hier und dort auf das Danach des Geschehens. Im Blick auf die Zukunft öffnete sich das Ganze der Wirklichkeit. Dieses Danach aber ist in der Erwartung gleichsam von dem einen Augenblick verdeckt, der die Wende bringt. Erst jenseits dieses Augenblicks würde sich zeigen, ob auch das kommende Eingreifen Gottes nur ein vorläufiges und wirkungsbegrenztes ist. Die Vergegenständlichung, die dem erwarteten Eingreifen Gottes von seinem Gegenstandsbezug her drohen könnte, würde erst jenseits seiner virulent werden. Während 224 225

Anders Zimmerli (a. a. O. 729f.), der an einen weltweiten Völkeraufbruch denkt. So wird mit B. Duhm (Das Buch Jes, 1902, 217) zu lesen sein.

81

Die Ankündigung des mrP Dt*

über das Danach des vergangenen Eingreifens Gottes nicht hinweggesehen werden kann, rückt der Augenblick des kommenden Eingreifens Gottes sein Danach gleichsam aus dem Blickfeld. So kann sich eine gegenständliche Begrenztheit dieses Eingreifens nicht enthüllen. Im Gegenteil, das Erwartete wird im Blick auf sein Danach bis zum Unendlichen überdehnt. Kam die gegenständliche Not, die sein Davor ausfüllte, deutlich in den Blick, insofern sich das Eingreifen Gottes gegen ein einzelnes Volk in einer bestimmten einmaligen Situation richtete, verschwindet die Gegenständlichkeit des Danach, insofern das eine Eingreifen Gottes über alle Völker und in Ewigkeit die Entscheidung bringt. So kann das erwartete Eingreifen ungebrochen endgültig sein. Aus der Perspektive der Erwartung betrachtet, ist es weder zu überbieten noch rückgängig zu machen. Es bezeichnet das Ende der Geschichte, auch wenn die Frage offen gelassen wird, was aus den einzelnen Nachbarvölkern Israels, die nach seinem Gegenstandsbezug von dem kommenden Eingreifen Gottes nicht erfaßt sind, werden wird. In jüngeren Texten wie Jes 13 und 34 scheint sich die Ungegenständlichkeit des Eingreifens Gottes von seinem Gegenstandsbezug allerdings schon leicht zu emanzipieren. In beiden Texten sind die Universalismen auffällig ausführlich. Jes 34 scheint darüber hinaus faktisch den Bezug zur konkreten Geschichte bereits verloren zu haben. Zwar ist Edom ein einzelnes konkretes Volk; aber das Eingreifen Gottes gegen es scheint doch nicht aus einer konkreten Not zu befreien, die Edom Israel zur Zeit der Weissagung bereitete. Der Bezug auf Edom wirkt darum in der universalistisch ausgerichteten Weissagung eher wie etwas Aufgesetztes, Fremdes. 2. Wenden wir uns nun den vorwiegend älteren Worten zu, in denen sich die Ankündigung des itlfr Di"' gegen Israel richtet: Jes 212-17 Ez 7 Joel 2 l - n Am 5 18-20 Zeph 12-18 21-3 3e-8cj. Mal 3 1-5.13-21. 23f. Hier hat der Jahwetag an dem schuldig gewordenen Gottesvolk bzw. Mal 3 an dessen abtrünnigem Teil seinen konkreten Gegenstandsbezug. Es ist auch meist an ein konkretes Volk gedacht, durch das der Jahwetag kommt; freilich treten Zeph 3 6-8 cj. schon verallgemeinernd Völker und Königreiche ins Blickfeld, Joel 2 finden sich anstelle des Kriegsvolks Heuschrecken, und Mal 3 verschwindet die diesbezügliche Konkretion ganz. Jahwe ist in allen diesen Texten nicht wie in den alten Heiligen Kriegen der Heerführer Israels, sondern er führt Fremde gegen sein Volk heran Ez 7 24 Zeph 3 s c j . (Sach 14 2); die Heuschrecken, die Joel 2 gegen Jerusalem ziehen, heißen »sein Heer«, und der epiphane Jahwe zieht vor ihnen aus und läßt seine Donnerstimme erschallen (v. 11). Daß Jahwe so auf die Seite der Fremden zu stehen kommt, ist neu: nicht daß sich seine Herrschaft auch auf die Umwelt Israels erstreckt, sondern daß einM ü l l e r , Eschatologie

6

82

Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

zelne Fremdvölker in einer Weise Partner bzw. Werkzeuge seines persönlichen Handelns werden, wie es vorher nur Israel war. Damit wären Stellen wie Am 9 7 sowie die Bezeichnung Nebukadnezars Jer 27e 4310 Ez 29i7ff. 30 10 und Kyros' Jes 44 28 45 iff. als »Hirte« oder »Gesalbter« Jahwes zu vergleichen. Aber auch hier geht es um das Kommen und Eingreifen des weltüberlegenen Gottes. Gerade in diesem Zusammenhang ist auch die Naherwartung besonders wichtig Ez 7 7.12 Joel 21 (Am 6 3) Zeph 1 7.14. Mal 3 1 betont mit seinem DiU^S noch stärker, daß die gegenständliche Zeit vor dem Einbruch des Transzendenten abbricht. Vor allem aber fallen wieder die Universalismen ins Auge. Schon Jes 212-17 ergeht der in der Unheilsankündigung an Israel angesagte Jahwetag gleichzeitig QT1 niC-173 V», und die durch ihn statthabende Erniedrigung trifft allgemein D^Nn und Q'tfJi? nn (v. 17). Zeph 12-I8 ist durch universale Ankündigungen gerahmt: »'Ich raffe' 226 alles fort vom Erdboden, ist der Spruch Jahwes. 'Ich raffe fort' Mensch und Tier . . .« (v. 2f.); »Am Tage des Zorns Jahwes und im Feuer seiner Leidenschaft wird die ganze Erde verzehrt; denn Vernichtung, ja jähen Schrecken wirkt er an allen Bewohnern der Erde« (v. 18)227. Zeph 3 8 cj. verbindet das Losbrechen von Völkern und Königreichen gegen Israel ebenfalls mit der Ankündigung, daß tfijt? n ? ? " 1 ? ? " ^ M R . Nach Ez 7 2 kommt mit dem Ende Israels rriB?? S73-]»-1?» Vi??228. Joel 2 10 schließlich läßt vor dem vor den Heuschrecken einherziehenden Jahwe Erde und Himmel erbeben und Sonne, Mond und Sterne ihren Schein verlieren. Die strenge Einmaligkeit, die solchem Geschehen notwendig eignet, wird Joel 2 2bß stark betont. Die entsprechende Endgültigkeit kommt Ez 7 in der reichlichen Verwendung des auf Israel und die Welt bezogenen fp_ — aus Am 82 — zum Ausdruck (v. 2. 3. e) 229 . 226 227

228

229

Lies mit den meisten Kommentatoren. Unter den Neueren hält J. Lindblom die Verse 2f. und 18 für ursprünglich (Gibt es eine Eschatologie bei den alttestamentlichen Propheten?, StTh 6 [1953], 91 f.); er verweist auf die »Weltgerichtsidee Jesajas«. Doch ergeben sich gewichtige Schwierigkeiten; Elliger a. a. O. 60. Vgl. 72 Anm. 186. Gleichwohl wird man sagen müssen, daß der Redaktor nur den in den mrp OV-Ankündigungen von jeher liegenden Universalismus kräftig hervorgehoben hat. Sofern f ^ l ? hier mit W. Eichrodt (Der Prophet Hes, 1959, 42) und Zimmerli (a. a. O. 169) als »Erde« und nicht mit Fohrer (Ez 42) als »Land« ( = Kanaan) zu fassen ist. Freilich reden Jes 212 E z 30 3 (vgl. Jes 34 8 Sach 141) von einem m n , t ? D1\ was streng genommen mit »ein Tag Jahwes« zu übersetzen wäre. Aber gerade an diesen Stellen finden sich deutlich Universalismen, die auf die Einzigkeit dieses Tages deuten. Sicher hat man im Blick auf die zurückliegende Heilsgeschichte von vielen Jahwetagen zu sagen gewußt; von daher mag der Ausdruck m r r 1 ? DV auch auf

83

Die Ankündigung des ¡TUT' DT1

Dennoch ist die Endgültigkeit des gegen Israel gerichteten DV flirr eine andere als die des gegen Fremdvölker gerichteten. Im letzteren Fall verkündet der Prophet etwas im Ratschluß Jahwes fest Beschlossenes, das den Betroffenen letztlich nur noch die Möglichkeit der Wehklage und des aussichtslosen Kampfes läßt. Zwar setzen auch die älteren gegen Israel gerichteten Unheilsankündigungen im allgemeinen nicht voraus, daß an dem Angekündigten noch etwas zu ändern ist. Aber schon Am 5 18-20 ist vielleicht im Blick auf Am 5 15 zu verstehen. Vor allem aber wird später die gegen Israel gerichtete Ankündigung des Jahwetages immer deutlicher zum Ruf zur Umkehr. Das wird explizit in der prophetischen Mahnung Zeph 2 1-3, aber auch in dem Alarmbefehl Joel 2 1, bei dem der "löl® das liturgische Instrument ist, mit dem die Gemeinde zur Bußversammlung gerufen wird, wie der Zusammenhang 2 i2f. 15-17 zeigt230. In diese Richtung weisen auch die warnenden Vorboten des Jahwetages Mal 3 i - 5 . 2 3 f . Folgt Israel dem Ruf zur Umkehr, kann es den verderbenbringenden Jahwetag noch in einen heilsamen umkehren. So stellt Zeph 2 3b ,.'U57~1?3 in Aussicht, daß sie »vielleicht« Bergung finden am Zorntage Jahwes. Joel 2 14 folgt auf den Ruf zur Umkehr (v. i2f.) eine ebenfalls durch »vielleicht« eingeschränkte Heilsankündigung, obwohl die Heuschreckenplage, von der die Rede geht, offensichtlich schon angebrochen ist; Joel 2 i9f. 25-27 folgen weitere Heilsankündigungen. Darüber hinaus will das Nebeneinander von 2 1-11 einerseits und 3 3-5 4 9-14 andererseits innerhalb eines Buches im Sinne der (vielleicht durch den Propheten selbst vorgenommenen) Redaktion vermutlich besagen, daß, nachdem der unheilvolle Jahwetag durch Israels Buße (115-20 2 12-17) im letzten Moment abgewehrt worden ist, ohne jedoch in das 2 19-27 angekündigte eschatologische Heilsereignis umzuschlagen, nunmehr in späterer Zeit ein heilvoller folgen wird231. Nach Mal 3 23f. schließlich sendet Jahwe den Propheten Elia zu dem Zweck, Qlü ; der Tag Jahwes kommt zwar auf jeden Fall — offen ist nur, ob er als Unheilstag oder als Heilstag kommt. So spielt neben dem kommenden Jetzt und Hier des Jahwetages das gegenwärtige Jetzt und Hier der ergehenden Ankündigung eine eigene Rolle. n r i 5 ? ~ D | kann man nach Joel 2 1 2 zu Jahwe zurückkehren. Im gegenwärtigen Augenblick wird über den kommenden Augenblick Gottes entschieden. Der zur Entscheidung herausgeforden zukünftigen Jahwetag bezogen worden sein. Zur Vielzahl von Jahwetagen vgl. L. terny, The Day of Yahweh and Some Relevant Problems, 1948, 79; H. Greßmann, Der Ursprung der israelitisch-jüdischen Eschatologie, 1905, 144; A. Gelin, Jours de Yahv6 et Jour de Yahv6, Lumiere et Vie 1953, 39 ff. 230 231

Vgl. E . Sellin, Das Zwölfprophetenbuch, 1929, 158; anders Wolff a. a. O. 45, 50. Vgl. meinen 72 Anm. 184 genannten Aufsatz. 6*

84

Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

derte Mensch befindet sich dabei mit dem künftig handelnden Gott in einem echten Dialog. 3. In einer letzten Gruppe von ÍTIÍP DR-Ankündigungen ist an die Stelle des einzelnen Feindvolkes, gegen das sich solche Ankündigungen ursprünglich richteten, von vornherein die Gesamtheit der Völker getreten: Zeph 3 6-8 MT Joel 4 9-14 (vgl. v. 1-3) Sach 141-5 und Ob 15a (sofern der Vers zu 16-18 gehört). In vielem ähnlich ist Joel 3 3-5, obwohl Völker hier nicht erwähnt werden. Faktisch ist schließlich noch Jes 34 hierher zu rechnen, wo der Bezug auf Edom aufgesetzt und fremd scheint. An allen diesen Stellen wirkt der Gegenstandsbezug des Eingreifens Gottes auch im Bück auf sein Davor recht inkonkret. Das Eingreifen Jahwes rettet aus keiner gegenwärtig brennenden Not 232 . Der Jahwetag rächt auch kein bestimmtes Unrecht, das Israel jetzt gerade widerführe. Ist von Unrecht die Rede, so liegt es in weiter Ferne: so das Trinken des Giftbechers, zu dem man Israel nach Ob 16 gezwungen hatte 233 , und vor allem die Joel 4 2f. genannten Verschuldungen der Völker234. Der mn1 DV von Joel 4 9-14 bringt nun so etwas wie eine Aufrechnung der Gesamtgeschichte als Geschichte des Unrechts der Heiden an Israel; das Gericht ergeht nach v. 13 über das So-Sein der Völker (0£isn HST 'S), die ihre »Bosheit« in kontinuierlicher Entwicklung ad peius wie eine Ernte reifen lassen. Das Interesse an den Weltuntergangsmotiven Joel 3 3f. (Jes 34 4. 9f.), in denen, wie wir sahen, ein Einzelzug der alten Epiphanieschilderungen isoliert wird, aber scheint darüber hinaus zu zeigen, daß es letztlich das In-derWelt-Sein des Frommen als solches ist, aus dem der kommende Jahwetag befreien soll. 232

Dieses nur an einer Gruppe von fllíT OV-Ankündigungen zu gewinnende Ergebnis scheint mir zu Unrecht auf die ganze Vorstellung verallgemeinert, wenn es bei Zimmerli (a. a. O. 167) heißt: »Die Neigung, in der Rede vom mrP DT" von den konkreten Zügen der geschichtlichen Lage und Örtlichkeit abzusehen, und die Fassungslosigkeit des Menschen angesichts dieses übergroßen Einbruchs göttlicher Nähe in menschheitlicher Allgemeinheit zu schildern, ist unverkennbar«. Ähnlich Kutsch a. a. O. 92.

Diejenigen Kommentatoren, die v. 15a zu 16-18 rechnen, sehen in 15a. 16-18 meist einen späteren Nachtrag zu den aus der Situation von 586 stammenden vorangehenden Worten. 234 Weiser (a. a. O. 123) erwägt, zu Joel 4 3 an die Bedrückung der jüdischen Gemeinde durch Artaxerxes I I I zu denken; Robinson (a. a. O. 67) will auch v. 2 von daher verstehen. Doch zeigt die Parallele in Jer 50 17, daß sich l l í ? wohl doch eher auf die Deportationen von (733, 721) 597 und 586 bezieht, wozu ja auch

233

paßt (vgl. II Reg 17 24 Thr 5 2). Die fortlaufende Konstruktion macht es unwahrscheinlich, daß v. 3 von etwas anderem als v. 2 redet. Die Parallele zu I T v. 3 in Ob 11 läßt an die Untaten Edoms an Jerusalem nach 586 denken (vgl. Wolff a. a. O. 92).

Die Ankündigung des JTliP Oi1"

85

All das läßt erkennen, daß die Erkenntnis eigener Schuld, in die die klassische Prophetie ihr Volk führen wollte, wenn sie zur Umkehr rief, nun nicht mehr das Anliegen ist. Zwar weiß Sach 14 lf. noch von einem kommenden Gericht an Jerusalem, aber sonst ist davon nicht mehr die Rede. Auch die vergangenen Katastrophen werden nicht mehr lebendig als Gericht empfunden. Im Gegenteil, Unrecht und Erniedrigung, wie sie das Exil brachte, werden nach Ob 16 Joel 4 2f. bald an ihren Verursachern heimgesucht werden. Ja, Gott selbst scheint sich durch solche Rache rechtfertigen zu müssen, weil sein Volk und Eigentum bisher nicht auch in seinem äußeren Ergehen als Gegenstand göttlicher Erwählung in Erscheinung trat Joel 4 2. Sich selbst ist Israel in seiner Sonderstellung nicht problematisch. In Antezipation des Kommenden sieht es sich Joel 4 13 aufgefordert, mit der »Ernte« an den Heiden zu beginnen. Von einer Entscheidung, zu der die Ankündigung riefe, kann nicht die Rede sein. Der künftige Jahwetag ist von vornherein als Heilstag determiniert. Gott kämpft nur noch um die Durchsetzung seines Ratschlusses gegen die ihm und Israel feindlichen Heiden. Darüber entschwindet die Naherwartung. Wo der Gegenstandsbezug des kommenden Eingreifens Gottes nicht mehr so streng betont wird, braucht sich die Transzendenz Gottes nicht mehr im Abbrechen der gegenständlichen Zeit zu äußern. nifT DV 3ilpT "'S Joel 414 ist, wie der Zusammenhang (v. 9-14) zeigt, nicht aus der Perspektive der Gegenwart, sondern in Antezipation des Kommenden gesprochen. Schon Joel 3 4 aber kennt (wie Mal 3 24) zukünftige Ereignisse m?r Di1» x i a VIS1?. Joel 1 2-4 will anscheinend andeuten, daß die erlebte Heuschreckenplage von 1 5 ff. als Vorzeichen eines kommenden Jahwetages über die Völker (3 iff.) überlieferungswürdig ist, nachdem die unmittelbar an sie geknüpften eschatologischen Erwartungen offenbar enttäuscht worden sind; so wird aus dem nahe bevorstehenden einzigen Jahwetag ein eschatologischer Ereignisablauf, wie ihn in sich auch die Anordnung der Stücke in Joel 3f. vor Augen hat 235 . Eine Glosse zu Sach 14 7 schließlich bemerkt — halb in Resignation, halb in Gewißheit — daß der Termin des ffirr DV niemand als Jahwe bekannt ist. Zwar wird dieser Tag weiter aus Zwang der Gewohnheit heilsgeschichtlich-linearen Denkens am Ende der Zeitlinie gesucht. Faktisch aber ist er, da er die Berührung mit der konkreten Geschichte verloren hat, zu einem übergeschichtlichen Datum geworden. Die vergegenständlichende Betrachtung hat nun im Blick auf das Kommende die Betroffenheit aus dem Spiel gedrängt und umfaßt mit der Zukunft die dahin führende Zeitlinie. 235

Vgl. meinen 72 Anm. 184 genannten Aufsatz.

86

Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte I I . D I E ANKÜNDIGUNG D E R R E T T U N G A U F DEM ZION

Während die für die JTiiP SV-Erwartung bezeichnenden Texte einfach an dem Stichwort oder nahe verwandten Wendungen kenntlich waren, bedarf schon die Begrenzung des Materials für die Erwartung der Rettung auf dem Zion der Anwendung traditionsgeschichtlicher Kriterien. Im großen und ganzen ist diese Arbeit von Rohland geleistet worden236. Mit ihm rechnen wir hierher solche Ankündigungen, die die von den Zionspsalmen her bekannte Topik oder wenigstens einige ihrer charakteristischen Wendungen und Vokabeln aufweisen. Das gilt von den folgenden Worten: Jes 8 9f.237 9 1-4238 14 24-27. 14 28-32 17 12-H239 28 14-22240 29 1-8241 30 27-33242 3 1 4f. 8f.243, sowie an 236

237

238

239

240

Die Bedeutung der Erwählungstraditionen für die Eschatologie der alttestamentlichen Propheten, Diss. theol. Heidelberg 1956, 145ff. Für unecht halten das Wort K. Marti und G. Fohrer. H. Donner (Israel unter den Völkern, 1964, 26) betrachtet »nicht Juda, sondern das neuassyrische Großreich als Gegenstand der Pläne und Rüstungen der Völker«; aber dagegen spricht m. E. der traditionsgeschichtliche Zusammenhang. Zur Frage der Echtheit und der Abgrenzung sowie zum traditionsgeschichtlichen Zusammenhang vgl. meinen Aufsatz: Uns ist ein Kind geboren, E v T h 21 (1961), 408 ff. Die Echtheit des Wortes wird heute vor allem von G. Fohrer (Das Buch Jes, 1960, 201; vgl. Sellin—Fohrer a. a. O. 406) bestritten. Dabei verweist er auf die Universalismen und denkt als Verfasser einen Kreis nachexilischer Propheten. Doch hält Fohrer 14 24-27 trotz des Universalismus in v. 26 a sowie die inhaltlich weitgehend parallelen Worte 29 1-8 3027-33 31 4f. 8f. für echt. Während Duhm und Fohrer an der Einheit von 28 14-22 festhalten, teilen Marti, Mowinckel und Donner (a. a. O. 147fi.) auf in 14-18 (19) und 20f. (22), Procksch ( J e s I , 1 9 3 0 , 3 5 6 f f . ) i n 1 6 - I 7 a u n d I4f. l7b-22 u n d H . S c h m i d t

(a. a . O . 9 4 ) i n I4f.

u n d 16-22. 241

242

243

Die Herkunft des Stücks von Jes ist nach Donner (a. a. O. 154f.) »nicht über allen Zweifel erhaben«. Insbesondere die Verse 5-8 hält er nach dem Vorgang anderer für »Zusätze, die vielleicht als vaticinia ex eventu unter dem Eindruck der Ereignisse von 701 stehen«. Aber auch als solche kämen sie für unsere Untersuchung in Frage. Während Donner zweifelt, hält Duhm und mit Einschränkung Procksch den Spruch für echt. Donner (a. a. O. 164) findet in HÖIIF! ein Zitat aus Jes 19 16 und hält v. 32f. für ein prosaisches Element, das allerdings »mit seinem Anklang an kultische Festfreude Elemente des eigentlichen Spruches aufnimmt«. Die Verse 6f. fallen nach Metrum und Gattungszugehörigkeit deutlich aus dem Zusammenhang. V. 5 dagegen muß nur dann gestrichen werden, wenn v. 4 trotz v. 8 notwendig für eine Unheilsankündigung gegen Israel gehalten werden muß, wozu aber m. E. weder das Bild von 4a, noch das Epiphaniemotiv mit dem von 4b zwingt; die leichte Divergenz der Bilder in v . 4 und v . 5 fällt wohl auch nicht so schwer ins Gewicht. Schließlich scheinen mir v. 8 a und 8 b. 9 nicht miteinander im Widerspruch zu stehen: 8b muß nicht die völlige Vernichtung Assurs im Auge haben; die längeren Verse 8a und 9b bilden auch mit den kürzeren Versen 8b und 9a eine metrische Einheit (gegen Donner a. a. O. 135ff.).

Die Ankündigung der Rettung auf dem Zion

87

sicher unechten Jesajaworten 4 2-6244 10 16-19245 24 21-23 33, ferner Ez 38f. 246 Joel 2 1-11 3 s 41-3. 9-14247.15-17.18-21 Mi 4 9-13248 Zeph 3 6-8 Cj. 249 . 16-18aot Ob 16-18 Sach 9 11-17 2 6 0 12 1—13 6 14 1-5. 8 . 1 1 . 1 2 . 14 15. i3f.251. Über den Zusammenhang dieser Stellen mit der Zionstradition mag in großen Zügen die folgende Tabelle unterrichten252. a) Die Form der

Ankündigung

Fragen wir zunächst wieder, in welchen Gattungen die Ankündigungen der Rettung auf dem Zion vorkommen, so fällt sofort auf, daß die meisten der hier zu nennenden Texte den Heilsankündigungen an Israel zufallen. Hierher gehören: Jes 9i(-4) 1432 253 17 12-14 29 5-8 30 27-33 31 4f. 8f., sowie an unechten Jesajaworten 4 2-6 24 21-23 244 245 246

247 248

249 250

251

252

253

Zur Unechtheit zuletzt O. Kaiser, Der Prophet Jes, Kap. 1—12, 19632, 41 f. Kaiser a. a. O. 116. Während R. Kraetzschmar, A. Bertholet u. a. innerhalb von Ez 38f. zwei Fäden unterscheiden wollten, gehen J. Herrmann, O. Eißfeldt, G. Fohrer und W. Zimmerli (a. a. O. 933ff.) von der Annahme eines echten Kerns aus, der mehr oder weniger umfangreiche Ergänzungen seitens verschiedener Redaktoren erfahren hat. Wir beziehen uns bei unserer vorwiegend form- und traditionsgeschichtlich orientierten Analyse auf das Ganze des vorliegenden Textes: auch die Glossierungen und Redaktionen sind zum großen Teil Bewegungen innerhalb der vorgegebenen Formen und Stoffe. Zur Traditionsgeschichte des Stückes vor allem Zimmerli a. a. O. 938ff. Das »Tal Josaphat« Joel 42.12 scheint ad hoc für Jerusalem eingetreten zu sein. Die Abgrenzung dieses Textes ist umstritten. Robinson (a. a. O. 143) versteht 11-13 als für sich bestehende Einheit. Weiser (a. a. O. 269 f.) stellt 9-13 zusammen, H.Schmidt ( a . a . O . 145) 6-13 und E.Sellin ( a . a . O . 331f.) sogar 4 8-13 5 8 414 51-5. Nun scheint allerdings das HF®} in v. n darauf hinzuweisen, daß 11-13 mit dem Vorhergehenden zu verbinden ist; dann aber ist die Verbindung mit der vorhergehenden Unheilsankündigung 9f., wie die auf 90 f. gegebenen Parallelen zeigen, doch das wahrscheinlichste, zumal die Unheilsankündigung am Ende, nämlich in lobß, selbst schon in eine Heilsankündigung übergeht. Vgl. 73 Anm. 191. Daß Sach 9 11-17 hierher gehört, ist vor allem an dem Verb |11 v. 15 zu erkennen, welches nur in der Zionstradition und innerhalb dieser nur in dem hier gebotenen Sinne begegnet. Offenbar meinen die Verse I4f., wie auch die Anspielungen in I2f. zeigen, die Epiphanie auf dem Zion, zu dem Jahwe l!?''?? rinS?D3 14 b kommt. Hinter 14 5 finden sich nur noch verstreute Motive der Zionstradition, bei denen die Abgrenzung von anderen Traditionskomplexen ungewiß bleiben muß. Einige der hier genannten Stellen sind schon im Zusammenhang des n i f P 01"'Komplexes behandelt worden; vgl. dazu 95. Auch 1430a wäre, genau genommen, an dieser Stelle zu nennen; J. Begrich (Jes 1428-32. Ein Beitrag zur Chronologie der israelitisch-judäischen Königszeit, in: Gesammelte Studien zum AT, 1964, 125) möchte den Satz zwischen 32 a und 32 b einreihen.

Die Endgültigkeit des zukünftigen Eingreifens Gottes in die Geschichte

88

t uO a 3 •fl ö

fc n c o M n S TVi S ss E w pi 3 o o

•fld 3

r; 5 r in tz r » n xi r J o pi n3r n _ O C1 in rfi r n r— n P rfi r rI n c X er? 5 nr ^ 7,9 ai-r Ii. r n rr ~f3 n Irt 0r -l to CO HCO t >D CO«d COe© C rO -rji0 [«OiOO > r- [>• TC tl Tt l>

O s "N öS c W

tC rH 3 O T-i C> O 0 5 ia— j a>»

O l

rH Ol (N i-H r - 00 l-i vi co a H->> iü—)

i c * Ol CO If —>

C o < CO O r3 H5 c Ol tM- ai « H 0l i r 0 1 ( rO H cq O o CO C rH » 1—>1o—) *—>

89

Die Ankündigung der Rettung auf dem Zion

f

n 0 V s "c3

d S> ff 3 •Ö d

CO

r r

CA

o N

-ja 1

r n

o

C *• n r n_ I-

n

S io e* -

colf£OL O

"w H O "n c> " CO CO 00 CO

•o a s» u

n r

r r c r n ri

fz X-

a n

c- « «

^^ s

£

5

x>

t> Ui Ift CO CD CO c- ^H

W W Ci CO CD ao

x n n n

O e .s w

¡=1

C3

n r

& r

c

as

C4

•d

pl

1= r

n i n r

r &

^ *

(0 9 ' 60 a TT>n (v. 3bß); wieder soll die Kontinuität des göttlichen Bundeswillens deutlich werden. Auch der Davidsbund wird nunmehr auf Israel übertragen. Insofern handelt es sich wieder um einen neuen Bund, der als D^i» 2VH3 neu angekündigt wird (v. 3ba). Und weil er wie der Davidsbund keine Forderungen an Israel enthält, kann er auch wirklich ewig währen. Der zeitlichen Unbegrenztheit entspricht dabei wieder eine räumliche Unbegrenztheit seiner Wirkung: snr'Ji1? 'lä |n «rn; ipiSiT-ifr •'III inp:n 5 a. Der Bundesankündigung geht in v. lf. eine (mit vielen Imperativen verbundene) Segensankündigung voran. Jes 42 6 49 8 erscheint darüber hinaus der Gottesknecht als von Gott bestellter Bundesmittler, wobei sich der ins Auge gefaßte Bund nach MT der erstgenannten Stelle auch auf die Heiden zu beziehen scheint. In diesem Zusammenhang ist die Frage Zimmeriis erwägenswert, ob hier nicht »das . . . Gegenbild zur Gestalt des Mose, der einst . . . zum Mittler des Bundes wurde«, zu finden sei. »Aus dem Gesetzgeber ist . . . der reine Verkündiger der Gnadenbotschaft 13

W. Zimmerli, Das Gesetz und die Propheten, 1963, 137.

208

Die Endgültigkeit des neuen Bundes

der Erlösung geworden. Von einer neuen Gesetzesverkündigung, neuen Tafeln des Gesetzes, ist auch gerade bei diesem Knecht gar nichts zu sehen . . . Ist danach an die Stelle des Mose, der Israel das Gesetz gab, hier im Geschehen des neuen Exodus die Gestalt des leidenden Knechtes, der das Leben für das Volk . . . gelassen hat, getreten ? «94 Die Ankündigung eines neuen Bundes findet sich noch in dem tritojesajanischen Wort 61 7-9. Weil wiederum keine Forderung an Israel als Bundespartner gestellt ist, kann der neue Bund ungebrochen a'j'itf n n ? sein. Die Heilsschilderung v. 9 enthält deutlich Segensmotive.

II. DIE UMWANDLUNG DER FORDERUNG IN VERHEISSUNG

Wo die Erfüllung der göttlichen Forderung, da sie vom Menschen allein nun einmal nicht zu erwarten ist, selbst zum Gegenstand göttlichen Handelns wird, Hegt als Modell des neuen Bundes meist der Sinaibund zugrunde, bei dem ja die fragliche Forderung im Mittelpunkt steht. Im neuen Bunde will Gott, weil der alte Sinaibund gebrochen ist, für den Gehorsam des Menschen selber geradestehen, indem er durch sein wunderbares Eingreifen das Wesen des Menschen wandelt. Die Erfüllung der Forderung, die einst Israel auferlegt war, fiel nach dessen Versagen an Gott zurück. Faktisch handelt es sich nun auch bei diesem Modell um eine einseitige Bindung Gottes. Hos scheint als erster auf diesen Weg der Verkündigung geführt worden zu sein. Die Aufhebung des alten Sinaibundes wird in den Namen der zwei Kinder »Nicht-Begnadet« 1 6 und »Nicht-mein-Volk« 1 9 ausgesprochen, wobei 1 9 deutlich auf die Sinaibundesformel hinweist (sowie auf die Deutung des Jahwenamens Ex 3 14). In dieselbe Richtung geht auch das Bild vom Ehebruch (Kap. 1 und 3; vgl. 67 8 1), da ja auch die Ehe als Bundesverhältnis gedacht wurde95. Das positive Pendant zu dieser Gerichtsverkündigung aber findet sich in 2 21: Danach hat die neue Verehelichung Gottes mit seinem Volk wieder den Charakter eines Bundesschlusses, wie denn auch in v. 20 von einer — freilich anders gearteten — IV "13 die Rede war96. Der nach dem Ehevertrag seitens des Bräutigams zu erbringende Brautpreis besteht in pl?, BStfa, *rpn, • i a r | l und nilöN97; wenn es nun Jahwe ist, der diesen Preis zahlt, so ist damit angedeutet, daß er selbst »das, was beim Volke fehlt, das neue Herz der Gerechtigkeit 91 95 96 97

Zimmerli a. a. O. 142 f. Vgl. von Rad a. a. O. 260 ff. Zur Ehe als Bund Ez 16 8 Mal 2 14 Prov 2 17. Vgl. 195. Vgl. H. W. Wolff, Dodekapropheton I, 64.

209

Die Umwandlung der Forderung in Verheißung

und Treue, schenken wird«98. So fällt auch das miTTiX in dem das mm ""tt? der Sinaioffenbarung anzuklingen scheint981, unter die Verpflichtung Gottes. Der in den Namen der Kinder ausgesprochene Bundeswiderruf wird dementsprechend zurückgenommen (2 25; vgl. 21). Die neue Ehe Jahwes mit seinem Volk kann so oViV1? gelten (v. 21). Im Buch Jer ist die Umwandlung der Forderung in Verheißung zuerst voll durchreflektiert. Vom Bundesbruch seitens Israels wird auch hier ausgegangen (2 2-6 3 i I i s . 10 34 18). Dem entspricht eine Abwertung der bisherigen Heilsgüter, z. B. der Lade 3 i6f. und der Beschneidung 4 4 (vgl. 23 7f.). Alle diese Motive sind zusammengefaßt und weitergeführt in der Ankündigung des neuen Bundes 31 31-34. Auf die den zukünftigen Termin bezeichnende Einleitungsformel n?