"Knegsverhinderang" und "Verteidigung" in der militärischen Doktrin und Strategie der UdSSR

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"Knegsverhinderang" und "Verteidigung" in der militärischen Doktrin und Strategie der UdSSR

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Berichte des Bundesinstituts für ostwisseiischaffliche und internationale Studien

„Knegsverhinderang" und Verteidigung" in dei militärischen Doktrin und Strategie der UdSSR Anton Krakau

30-198!

Die Meinungen, die in den vom BUNDESINSTITUT FUR OSTWISSENSCHAFTLICHE UND INTERNATIONALE STUDIEN herausgegebenen Veröffentlichungen geäußert werden, geben ausschließlich die Auffassung der Autoren wieder. © 1988 by Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln Abdruck und sonstige publizistische Nutzung - auch auszugsweise nur mit vorheriger Zustimmung des Bundesinstituts sowie mit Angabe des Verfassers und der Quelle gestattet Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien Lindenbornstraße 22, D-5000 Köln 30, Telefon 0221/5747-0

INHALT Seite Kurzfassung

1

1. Zentrale Begriffe und Inhalte der sowjetischen Militärdoktrin

5

2. Kriegsverhinderung und Verteidigung - die politische Zielsetzung der Militärdoktrin

....

8

3. Kriegsverhinderung im Ost-West-Verhältnis

....

11

3.1. Unter "den Bedingungen der nuklearen Konfrontation" 3.2. Krieg als Mittel der Politik 3.3. Die Überwindung der nuklearen Abschreckung und das sowjetische Kriegsverhinderungskonzept

12 14 16

4. Die Verteidigung des Sozialismus

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5. "Zuverlässige" bzw. "ausreichende Verteidigung" - die militärisch-technische Realisierung einer vorgegebenen Zielsetzung

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5.1. Das sowjetische Verständnis von Aggression 5.2. Der Zusammenhang von "ausreichender Verteidigung" und "zuverlässiger Sicherheit" 5.3. Zuverlässige Verteidigung - die Hauptaufgabe der Militärstrategie

25 26 34

6. Fazit und Ausblick Anmerkungen . . . . . .

41 .

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Abkürzungsverzeichnis

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Dokumentation - Enzyklopädisches Militär-Lexikon der UdSSR -

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Summary

75 Juli 1988



Anton Krakau "Kriegsverhinderung" und "Verteidigung" in schen Doktrin und Strategie der UdSSR

der militäri-

Bericht des BlOst Nr. 30/1988 Kurzfassung Die vorliegende Analyse befaßt sich mit dem sowjetischen Verständnis von "Kriegsverhinderung" und "Verteidigung", wobei letztere angesichts des Umstandes, daß die UdSSR von vornherein einen VerteidigungsCharakter für alle ihre militärischen Aktionen beansprucht, praktisch mit Kriegführung gleichbedeutend ist. Die sowjetische Militärdoktrin und Militärstrategie sind bisher in ihrer Gesamtheit noch nicht amtlich dargestellt worden. Dies macht die Analyse zu einer Gratwanderung zwischen der Wiedergabe bloßer Fakten und der Interpretation von Aussagen thematisch einschlägiger sowjetischer Texte. In den vorliegenden Materialien sind aber zweifellos wesentliche Feststellungen über die Militärdoktrin und Militärstrategie der Führungsmacht des östlichen Bündnisses enthalten. Ein großer Teil davon dürfte offiziellen Charakter haben. Dieser Studie wurden im wesentlichen Publikationen sowjetischer Autoren zugrundegelegt. Dabei handelt es sich um Schriften und Aussagen führender Politiker und Militärs, von Wissenschaftlern aus Instituten, die sich mit Westforschung befassen, sowie um offizielle Erklärungen und um die zweite und bisher letzte Ausgabe des Enzyklopädischen Militärlexikons von 1986 (siehe Dokumentation im Anhang). Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Die sowjetische Militärdoktrin ist ein politischer Rahmen, in den die Führung ihr Handeln stellt. Sie unterliegt dem Primat der Politik. Ihre jeweils gültige Formulierung wird vom Verteidigungsrat unter Vorsitz des Generalsekretärs erarbeitet und vom Politbüro festgelegt. Die Militärdoktrin gilt in ihren politischen Grundsätzen als unveränderlich. Hinsichtlich ihrer militärischen Aussagen jedoch unterliegt sie ausdrücklich Veränderungen und ist somit als dynamisches Konzept zu bewerten.

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2. In der politischen Argumentation der sowjetischen Führung spielen der Defensivcharakter der möglichen Kriegführung und Kriegsverhinderung neuerdings eine zunehmend bedeutsame Rolle. Dennoch ist ein grundlegender Wandel der Militärdoktrin nicht festzustellen, allenfalls eine begrenzte Anpassung an die Erfordernisse des Nuklearzeitalters. 3. Kriegsverhinderung ist im Atomzeitalter zur primären und maßgeblichen Leitlinie des sowjetischen Sicherheitsdenkens geworden. 4. "Verteidigung" hat auf der Ebene der Militärdoktrin als rein politische Kategorie zu gelten, insofern der Schutz der sozialistischen Errungenschaften als die Grundlage jedweden militärischen Vorgehens bezeichnet wird. 5. Das sowjetische Verlangen nach Kriegsverhinderung richtet sich auf die Verhütung insbesondere eines nuklearstrategischen Schlagabtausches mit den USA. Die besonderen Bedingungen des Nuklearzeitalters - die Nichtgewinnbarkeit eines Kernwaffenkrieges und die mit einer solchen Auseinandersetzung verbundenen katastrophalen Folgen - haben das sowjetische Bestreben zur Vermeidung eines Ost-West-Krieges maßgeblich bestimmt. 6. Die von Clausewitz übernommene Lenin-These vom Krieg als der Fortsetzung der Klassenpolitik mit gewaltsamen Mitteln wurde relativiert. Der Krieg gilt unter den Bedingungen der nuklearen Abschreckung als nicht mehr instrumentalisierbar. 7. Nach Ansicht Gorbatschows widerspricht die nukleare Abschreckung der NATO den Forderungen der UdSSR nach einer "zuverlässigen Sicherheit" und einer "kernwaffenfreien Welt". In diesem Kontext spricht er von einer neuen "Dialektik von Stärke und Sicherheit." In der Abschaffung der Nuklearwaffen und anderer "Massenvernichtungswaffen" liege der Schlüssel zur Lösung des bestehenden Sicherheitsproblems . 8. Im sowjetischen Verständnis wird Kriegsverhinderung durch die Aufrechterhaltung der Fähigkeit gewährleistet, den bereits im vorhinein als Aggressor feststehenden Gegner auf dessen Territorium zu schlagen. Angestrebt wird im Sinne der Dialektik Sicherheit bzw. Kriegsverhinderung durch Kriegführungsfähigkeit möglichst auf konventioneller Ebene. 9• Die militärischen Fähigkeiten und Optionen der UdSSR bzw. des Warschauer Pakts insgesamt gehen derzeit weit über das für eine ausschließlich defensive Zielsetzung erforderliche Maß hinaus. Aktuelle Stellungnahmen sowjeti-

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scher Militärs befassen sich aber auch mit dem Prinzip der Hinlänglichkeit der Kräfte für Verteidigung und verknüpfen es meist mit der traditionellen Zielsetzung der Gewährleistung einer "zuverlässigen Sicherheit" durch "zuverlässige Verteidigung." 10. Während die sozialistischen Staaten als stets friedliebend charakterisiert werden und demzufolge niemals aggressiv sein können, wird der Imperialismus (d.h. die USA und ihre Verbündeten) als aggressiv, als Initiator und Organisator friedensbedrohender Handlungen bezeichnet. Den USA und der NATO wird auch unterstellt, daß ihre politischen und militärischen "Doktrinen" aggressive Ziele verfolgen. 11. Führende sowjetische Militärs differenzieren zwischen der Fähigkeit zu nuklearer Vergeltung und einer Kriegführungsfähigkeit auf konventioneller Ebene. Die wiederholt proklamierte Beschränkung der Rüstung auf "vernünftige Hinlänglichkeit" ist bisher über das Stadium von Erklärungen noch nicht hinausgekommen. Es scheint allerdings eine lebhafte und kontroverse innersowjetische Diskussion in Gang gekommen zu sein insbesondere über die "Verteidigung" als eine Art von Kampfhandlungen, über die stärker defensive Ausrichtung der Streitkräfte und zur Frage der Verwirklichung des Prinzips der Hinlänglichkeit aufseiten des Warschauer Pakts. 12. Einem tatsächlichen sowjetischen Verzicht auf militärische Überlegenheit und einer Verwirklichung defensiver Streitkräftestrukturen steht in erster Linie die These entgegen, daß die - als Norm akzeptierte - militärische Parität bereits Realität sei und somit die bestehende Situation nicht grundlegend verändert werden dürfe. 13. Die proklamierte hinlängliche Verteidigung gilt nach offiziellen Verlautbarungen nicht nur als Zielsetzung, sondern in Bezug auf den Warschauer Pakt auch als bereits bestehendes Faktum, das augenscheinlich am Konzept der "zuverlässigen Verteidigung" orientiert ist und an dessen Postulaten ausgerichtet werden muß. 14. Die derzeitige Struktur des Streitkräftedispositivs der UdSSR soll "zuverlässige Verteidigung" gewährleisten. Letztere wird im Rahmen der "Kriegskunst" als ein Verbund offensiver und defensiver Kampfhandlungen gesehen und im Kriegsfalle operativ in eine zeitliche Abfolge von Verteidigung-Gegenangriff-Offensive umgesetzt. 15. Es dürfte ein schwieriges Unterfangen sein, die offensiv ausgerichtete militärstrategische Konzeption der UdSSR in Richtung auf eine "Nichtinvasionsfähigkeit" hin zu verändern. Hierzu müßten zunächst die Asymmetrien der Militär-

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Strategien in Ost und West herausgearbeitet, gemeinsame Obergrenzen für bestimmte Streitkräftekomponenten festgelegt und erhebliche strukturelle Veränderungen vorgenommen werden. Dies würde insbesondere bedeuten, daß die Militärstrategie der UdSSR - wenn auch nicht ohne gewisse Zugeständnisse der NATO - nicht nur hinsichtlich der (intentions) sondern vor allem bezüglich der Fähigkeiten (capabilities) eine Neuorientierung erfahren müßte.

1. Zentrale Begriffe und doktrin

Inhalte

der sowjetischen Militär-

Die sowjetische Militärdoktrin ist ein politischer Rahmen, in den die Führung ihr Handeln stellt. Als wissenschaftliche Grundlagen gelten der Marxismus-Leninismus, die darauf bezogene Militärwissenschaft und die amtliche Lehre von Krieg und Armee. Die jeweils gültige Formulierung wird vom Verteidigungsrat unter Vorsitz des Generalsekretärs erarbeitet und vom Politbüro festgelegt. Das Enzyklopädische Militär-Lexikon definiert die Militärdoktrin als "das in einem Staat für eine bestimmte Zeit geltende System von Ansichten über das Wesen, die Ziele und den Charakter eines möglichen zukünftigen Krieges, über die Vorbereitung des Landes und seiner Streitkräfte auf ihn und über die Methoden seiner Führung".! Unter Betonung ihres defensiven Charakters werden der Militärdoktrin zwei Aufgaben zugeordnet: - "die Gewährleistung der Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes" und - "die Verhinderung eines Weltkrieges".2 Grundlegend für das sowjetische Verständnis der Militärdoktrin ist, daß sie in ihren politischen Grundsätzen als "unveränderlich" gilt. Hinsichtlich ihrer militärischen Aussage erscheint sie dagegen als ein dynamisches Konzept, das sich mit der Entwicklung des Gesellschaftssystems und seiner Streitkräfte ändern kann. In der Sicht Moskaus spiegelt die Militärdoktrin eines Landes dessen innen- und außenpolitischen Charakter wider. Die sowjetische Militärdoktrin hat zwei Bestandteile, einen gesellschaftlich-politischen und

s einen militärisch-technischen. Beide Elemente werden in einem engen dialektischen Zusammenhang gesehen und erscheinen wechselseitig aufeinander bezogen. Nach sowjetischer Auffassung steht der politische Teil in seinen Grundlagen ein für allemal fest und ist allein entscheidend. Er enthält Aussagen über die politischen Zielsetzungen und die für notwendig erachteten Vorbereitungen auf den Kriegsfall, die zugleich als die bestmögliche Chance der Kriegsverhinderung angesehen werden. Darüber hinaus heißt es im politischen Teil, die UdSSR sei als sozialistischer Staat stets friedliebend und könne unter keinerlei Umständen anders als dieser Maxime entsprechend handeln. Diese grundsätzliche Aussage ist faktisch ein ideologischer Anspruch, der vor aller Realitätsbetrachtung erhoben wird. Die Sowjetunion hegt demnach aufgrund ihrer "sozialen Natur" keine aggressiven Absichten. Die Streitkräfte der UdSSR und ihrer Verbündeten dienen demzufolge unter allen Umständen nur "der objektiven Notwendigkeit der kollektiven Verteidigung der Länder der sozialistischen Gemeinschaft gegen die aggressiven Bestrebungen von Imperialismus und Reaktion".3 Der militärisch-technische Teil der Militärdoktrin betrifft den Aufbau der Streitkräfte, die Methoden und Mittel der Kriegführung, das Kriegsbild, die Vervollkommnung der Streitkräfte und die Weiterentwicklung der sowjetischen Kriegskunst auf strategischer, operativer und taktischer Ebene (Abb. 1). Zur entscheidenden Aufgabe wird erklärt, für die militärische Verwirklichung der politischen Zielsetzung, für die "zuverlässige Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes" zu sorgen.4

7 Abb. 1 Sowjetische Militärdoktrin und -Strategie

Politik

r Gesellschaftswissenschaften andere Bereiche

if Militärwissenschaft ™..,.-~

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Theorie der Kriegskunst H i l l .'•M'WH'W « * •

Theorie der Strategie

Theorie der operativen Kunst

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Militärstrategi rategie > W f * f TfW^'i^'W> i W f

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operative Kunst

Taktik

Strukturelle und materielle Konsequenzen

(entnommen aus: Kujat, Harald, Europa bewahren, Herford 1985, S. 91)

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2. Kriegsverhinderung und Verteidigung Zielsetzung der Militärdoktrin

-

die

politische

In der politischen Argumentation der sowjetischen Führung spielt seit jeher die "Verteidigung" (zas'c'ita, oborona) die zentrale Rolle. Neuerdings wird das Erfordernis der "Kriegsverhinderung" (predotvraMcenie vojny) jedoch stärker als jemals zuvor betont. Die Militärdoktrin, als deren primäre Zielsetzung herkömmlicherweise die "Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes" galt, wurde im Mai 1987 im Dokument "Über die Militärdoktrin der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages" (Ost-Berliner Erklärung) vor allem anderen auf Kriegsverhinderung abgestellt, ohne daß freilich der frühere Akzent - die Forderung nach der Fähigkeit, dem Aggressor eine "vernichtende Abfuhr" zu erteilen - aufgegeben worden wäre. Mit dieser Erklärung wurde erstmalig offiziell eine gemeinsame Militärdoktrin des Warschauer Pakts verlautbart und ausdrücklich verbindlich gemacht. Als oberste Aufgabe der verbündeten Staaten wurde genannt, "keinen Krieg - weder einen mit nuklearen noch mit konventionellen Kräften geführten - zuzulassen".5 Die Militärdoktrin habe - wie betont wird - "ausschließlich Verteidigungscharakter" und gehe davon aus, daß "unter den heutigen Bedingungen die Regelung von Streitfragen mit militärischen Mitteln in keinem Fall zulässig" sei.6 Der sowjetische Generalstabschef Achromejew weist der Militärdoktrin nicht nur das Ziel der Kriegsverhütung, sondern im Bedarfsfall auch das der Kriegführung zu. Wie er sagte, gehe es darum, einen "Krieg nicht zuzulassen" und weiterhin den "zuverlässigen Schutz des Sozialismus zu gewährleisten", falls es doch zu einem Krieg käme.7 Nach Auffassung von Verteidigungsminister Jasow handelt es sich bei der Militär-

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doktrin des Warschauer Pakts um ein "System grundlegender Ansichten zur Verhinderung eines Krieges, zum militärischen Aufbau, zur Vorbereitung der ... Länder und ihrer Streitkräfte zur Abwehr einer Aggression sowie zu den Methoden der Führung eines bewaffneten Kampfes zur Verteidigung des Sozialismus" .8 Die Präsentation der Militärdoktrin in der Öffentlichkeit hat sich damit deutlich gewandelt. Während noch vor wenigen Jahren die Kriegführungsfähigkeit - in sowjetischer Terminologie also die "zuverlässige Verteidigung" - im Vordergrund der Zielsetzungen stand, wird neuerdings die Aufgabe der Kriegsverhinderung herausgestellt und zur primären Zielsetzung erhoben. Ein grundlegender oder gar ein revolutionärer Wandel der Militärdoktrin ist dennoch nicht festzustellen. Allenfalls kann von einer Evolution - oder von einer begrenzten Anpassung an die Erfordernisses des Nuklearzeitalters - die Rede sein. Geblieben ist, daß der friedliche Charakter des Sozialismus ideologisch behauptet wird (These der automatischen Identität der Sache von Sozialismus und Frieden) und daß aus der "sozialen Natur" der USA und der anderen NATO-Staaten (die als "imperialistisch" bezeichnet werden) eine ständige, zumindest latente Kriegsgefahr hergeleitet wird. Auch die Unterteilung der Militärdoktrin in zwei Bestandteile wird beibehalten. Dabei wird zwar auch auf militärisch-technische Aspekte verwiesen, aber als allein maßgebende Grundsätze gelten nach wie vor die ideologischen Fixierungen des politischen Teils, die auf eine verhaltensunabhängige Bewertung der militärischen Verhältnisse und der militärischen Aktionen abzielen. Das geforderte "aktive" Vorgehen zur "Zerschlagung (razgrom) des Aggressors" ist somit nur ideolo-

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gisch als "Verteidigung" klassifizierbar.9 In Wirklichkeit aber steht dahinter das Streben nach Kriegführungs- und Siegfähigkeit durch entschlossene raumgreifende Angriffshandlungen im strategischen Maßstab (Invasionsfähigkeit). Die Ost-Berliner Erklärung hat zweifelsohne - nicht zuletzt aufgrund der Mitwirkung Gorbatschows - im Westen große Aufmerksamkeit gefunden. Sie bildet für die sowjetischen Militärs die Grundlage und den Rahmen für alle Überlegungen zur "Kriegsverhinderung" und zur "zuverlässigen Verteidigung". Die militärischen Führer der UdSSR stellen den militärischtechnischen Teil der Militärdoktrin besonders stark heraus. Ihre Argumente lassen vermuten, daß "zuverlässige Verteidigung" mit der Fähigkeit zur strategischen Offensive gleichgesetzt wird.10 Wie Achromejew nachdrücklich betont hat, sind die "Hauptmerkmale der Militärdoktrin des Warschauer Vertrages ... bis heute gleichgeblieben". Aufgrund der "in der militärischpolitischen Situation" eingetretenen Veränderungen seien jedoch einige Grundsätze weiterentwickelt und präzisiert worden. Die heutige Doktrin gehe von den "Realitäten des nuklear-kosmischen Zeitalters" aus, sei "durchdrungen vom Geist des neuen politischen Denkens" und reflektiere das "neue Herangehen an die Verteidigung".11 Die bisherigen Ausführungen lassen sich in zwei Thesen zusammenfassen, die noch näher zu untersuchen sind: - Kriegsverhinderung ist im Atomzeitalter offenbar zur primären und maßgeblichen Leitlinie des sowjetischen Sicherheitsdenkens und der Militärdoktrin geworden.

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- Verteidigung hat auf der Ebene der Militärdoktrin als rein politische Kategorie zu gelten, insofern der Schutz der sozialistischen Errungenschaften respektive des sozialistischen Vaterlandes jedwedem militärischen Vorgehen von östlicher Seite zugrunde liegt. Damit verbinden sich zwei Fragen: Ist Krieg kein Mittel der Politik mehr? Wie ist die politisch definierte Verteidigung militärisch zu verwirklichen und wie werden "zuverlässige Sicherheit" und "Hinlänglichkeit der Verteidigung" in Übereinstimmung gebracht? i

3. Kriegsverhinderung im Ost-West-Verhältnis Seit 1956 gilt in der UdSSR der Grundsatz, "daß in der gegenwärtigen Epoche ein neuer Weltkrieg abgewendet werden kann".12 Die Konsequenz dieser Vorstellung ist seither die Politik der friedlichen Koexistenz mit westlichen Staaten auf Regierungsebene. Gleichzeitig aber wird die ideologische Auseinandersetzung auf gesellschaftlicher Ebene fortgesetzt. Diese Auseinandersetzung wird als internationaler Klassenkampf bezeichnet und geführt. Im Rahmen des neuen Denkens, im Zeichen wachsender globaler Interdependenzen wird jedoch betont, daß dieser Wettbewerb der Systeme ausschließlich mit nicht-militärischen Mitteln ausgetragen werden solle. Dieser Standpunkt ist das Ergebnis einer längeren Entwicklung. Im Jahre 1977 erteilte Breshnew der These der Gewinnbarkeit eines Kernwaffenkrieges öffentlich eine klare Absage. Seitdem sprachen auch führende Militärs davon, daß die Verhinderung des Nuklearkrieges geboten sei. Ihren Ausdruck fand diese Erkenntnis in einem Umschwenken der militärischen

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Führung auf die Präferenz einer rein konventionellen Kriegführung auch im strategischen Maßstab. Dabei wurde aber auch berücksichtigt, daß - solange die Drohung der Möglichkeit eines Kernwaffeneinsatzes fortbesteht - die eigenen Streitkräfte in der Lage sein müßten, auch unter diesen Bedingungen erfolgreich zu kämpfen. Obwohl der Kernwaffenkrieg als "globale Katastrophe" gilt, in der es "weder Sieger noch Verlierer geben würde", so heißt es dennoch, daß man ihn gleichwohl möglicherweise führen müsse.13 In der militärischen Planung des sowjetischen Generalstabs für den Fall einer militärischen Auseinandersetzung dürfte im übrigen bereits etwa seit Mitte der sechziger Jahre der Gedanke einer rein konventionellen Kriegführung maßgeblichen Einfluß gewonnen haben.14

3.1. Unter "den Bedingungen der nuklearen Konfrontation" Die Aussagen führender sowjetischer Politiker und Militärs zur Militärdoktrin beziehen sich bezeichnenderweise vorwiegend auf das Ost-West-Verhältnis. Kriegsverhinderung, so erklärte Achromejew 1985, sei unter den gegebenen Bedingungen der verstärkten "Aggressivität des Imperialismus" die aktuelle Hauptaufgabe. Damit werde auch die "Hauptlehre des vergangenen Krieges" befolgt.15 Die Vermeidung eines Krieges unabhängig davon, ob er in nuklearer oder konventioneller Form droht, wird als das unter "den Bedingungen der nuklearen Konfrontation" vordringlichste Gebot bezeichnet.16 Die Kriegsverhütung, so fügte Achromejew 1987 hinzu, sei zur "Hauptaufgabe der ganzen Menschheit" geworden.17 "Obwohl die Ursache für Kriege im imperialistischen System ständig existiert und nach gewaltsamer Lösung von Konflikten

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drängt", so erläuterte der damalige Sektorleiter der Internationalen Abteilung des ZK-Apparates Wolkogonow, seien Kriege nicht unausweichlich. Als das Zentralerfordernis für die Aufrechterhaltung des Friedens bezeichnete er in Übernahme der von Gorbatschow im Januar 1986 vorgetragenen Konzeption die "Beseitigung der Kernwaffen auf der Erde bis zum Jahre 2000".18 Jasow und Achromejew treten, wie beispielsweise auch A. Kokoschin (stellvertretender Direktor des ISKAN), unter den konkreten Bedingungen des nuklear-kosmischen Zeitalters für die Verhütung jedweden Krieges zwischen Ost und West ein. Sie erklären, es gelte, "weder einen nuklearen noch einen konventionellen Krieg zuzulassen".19 Dabei fällt auf, daß ihr Verlangen nach Kriegsverhinderung in Sonderheit auf die Vermeidung einer militärischen Auseinandersetzung mit den USA gerichtet und entscheidend von dem Umstand des Vorhandenseins von Nuklearwaffen motiviert ist. Immer wieder sprechen sie einschränkend davon, daß der Krieg "unter den heutigen Bedingungen" verhütet werden müsse.20 Daneben fällt auf, daß sie sich weiterhin an der Vorstellung orientieren, der Krieg könnte Realität werden. Weil der Krieg aber in seiner nuklearen Form nicht zu gewinnen wäre und katastrophale Folgen nach sich zöge, gilt er nicht mehr als Mittel der Politik. Die kriegsverhindernde Wirkung des Vorhandenseins von Nuklearwaffen wird dabei außer Betracht gelassen. Die sowjetische Führung scheint sogar mit Nachdruck bestrebt zu sein, zuallererst diejenigen Waffen und "Bedingungen" abzuschaffen, die einen Ost-West-Krieg "unzulässig" gemacht haben. Mit der geäußerten Absicht zur Verhinderung eines Nuklearkrieges bzw. auch eines konventionellen Krieges zwischen den Super-

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mächten geht meist auch der Hinweis einher, der "Imperialismus" verfolge friedensbedrohende und destabilisierende Zielsetzungen. 21 Abgesehen davon, daß mit derartigen Formulierungen dem Westen direkt oder indirekt konkrete Kriegführungsabsichten unterstellt werden, scheint das Interesse der UdSSR an Kriegsverhinderung - über den für sie beanspruchten jederzeitigen Friedenswillen hinaus - zuvörderst eine Funktion der nuklearen Konfrontation bzw. der Wirkung der wechselseitig gesicherten nuklearen Vernichtungsfähigkeit zu sein. Die Bedingungen des Atomzeitalters haben somit maßgeblichen Einfluß auf das sowjetische Bestreben, einen Krieg zwischen Ost und West tunlichst zu verhindern. Gorbatschows "neues Denken" in der Außen- und Sicherheitspolitik kann als ebenfalls hiervon geprägt gelten.

3.2. Krieg als Mittel der Politik Ist die Clausewitz-These vom Krieg als der Fortsetzung der Politik mit gewaltsamen Mitteln noch gültig? Oder ist die Vorstellung vom Krieg als Mittel der "Klassenpolitik" (Lenin) durch das "neue Denken" Gorbatschows "tiefgreifend verändert" 22 worden? Nach amtlicher sowjetischer Auffassung besteht weiterhin grundsätzlich die Gefahr, daß ein Krieg zwischen West und Ost ausbrechen könnte, obwohl er "als Mittel zur Erreichung politischer Ziele" mittlerweile "unannehmbar geworden" sei.23 Ei n Atomkrieg gilt als "sinnlos" und "irrational". "Die für ihre Zeit klassische Formel von Clausewitz" ist, wie Gorbatschow erklärte, "hoffnungslos veraltet". Wie der sowjetische Generalsekretär erläuterte, lautet das Grundprinzip des neuen Denkens: "Ein Atomkrieg kann kein Mittel

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zur Erreichung politischer, wirtschaftlicher, ideologischer oder überhaupt irgendwelcher Ziele sein." Auch ein konventioneller Krieg in der Form eines bewaffneten Zusammenstoßes der Großmächte sei heute "in seinen zerstörerischen Folgen einem Atomkrieg vergleichbar".24 *

Insgesamt lautet der Tenor der sowjetischen Verlautbarungen, ein Ost-West-Krieg sei unter den derzeitigen Bedingungen schwer kalkulierbar. Er bedeute eine immense Gefahr für das Überleben der Menschheit und könne demzufolge nicht mehr als taugliches Mittel zur Lösung internationaler Widersprüche angesehen werden, jedenfalls nicht zwischen Atommächten, die über eine gesicherte Zweitschlagfähigkeit verfügen. Sicherlich möchte die Sowjetunion "ihre politischen Ziele gegenüber dem Westen mit allen möglichen Mitteln erreichen", "aber eben nicht mit einem Krieg gegen Europa", geschweige denn gegen die strategische Nuklearmacht USA.25 Diese zentrale Feststellung Wolfgang Pfeilers gilt zumindest so lange, wie im Falle eines Krieges in Europa die Gefahr besteht, daß es zu einer nuklearen Eskalation kommt, die sowjetisches Territorium einbeziehen würde. Auch wenn man der sowjetischen Führung grundsätzlich den Willen zur Kriegsvermeidung zubilligt, muß man auf die bereits erwähnte Bezugnahme dieses Willens auf die von den "Bedingungen der nuklearen Konfrontation" bestimmte Situation hinweisen. Die Fragen, die sich daraus ergeben, sind von sowjetischer Seite bisher nicht hinreichend geklärt worden. Wäre die heutige Absage an den Ost-West-Krieg als Mittel der Politik auch dann noch gültig, wenn die mit Nachdruck geforderte

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Abschaffung der Nuklearwaffen vollzogen wäre? Gilt diese Absage auch außerhalb des geographischen Geltungsbereichs der nuklearen Abschreckung? Oder könnte der Krieg, sofern bzw. soweit die nukleare Abschreckung unwirksam wäre, weiterhin als Mittel der Politik benutzt werden? Die bisherigen amtlichen sowjetischen Ausführungen zu diesem Problembereich lassen den Schluß zu, daß die Clausewitz-These, der Krieg sei als ein Instrument der Politik zu behandeln, lediglich unter den Bedingungen des NuklearZeitalters, d.h. im Blick auf die nukleare Abschreckung, als nicht mehr anwendbar gilt. Sie wurde demzufolge zwar relativiert, aber keineswegs völlig ausgegrenzt oder gar aus der ideologischen Programmatik genommen. Bräche aber ein Nuklearkrieg irrationalerweise doch aus, so wäre er aber weiterhin als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln im Sinne einer Faktenfeststellung - zu werten. Außerhalb des Wirkungsbereichs der nuklearen Abschreckung kann es nach wie vor "gerechte Kriege", beispielsweise von "Befreiungskräften" in der Dritten Welt geführte "lokale Kriege" geben, die wie bisher als Mittel der Politik verwendbar sind. Grundsätzlich gilt weiterhin, daß Kriege sozialistischer Staaten gegen eine "imperialistische Aggression" "gerecht" sind, aber nur dann instrumentierbar sind, wenn sie kein nukleares Risiko bergen bzw. herbeiführen.

3.3. Die Überwindung der nuklearen Abschreckung sowjetische Kriegsverhinderunqskonzept

und das

Die NATO-Konzeption der "nuklearen Abschreckung" wird in sowjetischen Stellungnahmen als amoralisch und gefährlich, als Relikt des "Kalten Krieges", bewertet. Sie soll - so

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eine der auch von den Militärs immer wieder betonten Leitideen Gorbatschows - beseitigt werden, vor allem darum, weil sie den Forderungen der UdSSR für "zuverlässige Sicherheit" und eine "kernwaffenfreie Welt" widerspricht. Nach Ansicht Gorbatschows gibt es eine "neue Dialektik von Stärke und Sicherheit". Demzufolge liegt in der Abschaffung der "Nuklearwaffen und anderer Massenvernichtungswaffen" der Schlüssel zur Lösung des sowjetischen Sicherheitsproblems. Diese Kategorien von Waffen gelten als Ursache für das Wettrüsten und würden letztlich "zur DeStabilisierung der internationalen Beziehungen und letzten Endes zum nuklearen Konflikt" führen.26 Allem Anschein nach geht es der Kremlführung dabei zuvörderst um die Ausschaltung der nuklearen Optionen der NATO in Europa. Wenn die sowjetische Führung für die Abschaffung der nuklearen Abschreckung eintritt, muß sie dafür Alternativen haben bzw. anbieten. Wenn sie überdies dem "Imperialismus", d.h. den USA und ihren Verbündeten, wie bisher aggressive Absichten unterstellt, muß sie auch ein Konzept dafür haben, daß eine derartige Aggression von vornherein verhindert und ggf. zerschlagen werden kann. Zum politischen Prinzip der friedlichen Koexistenz der antagonistischen Systeme in Ost und West gibt es nach sowjetischer Auffassung derzeit keine Alternative. Nach Jasow ist "unter den gegenwärtigen Bedingungen" die bestehende "militärisch-strategische Parität" zwischen der UdSSR und den USA, zwischen Warschauer Pakt und NATO ein weiterer entscheidender "Faktor der Kriegsverhinderung".27 Die Parität gewährleiste "die Möglichkeit, daß Gegenaktionen der UdSSR unter allen denkbaren Umständen und in jeder Lage durchgeführt werden können und dabei dem Aggressor unan-

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nehmbarer Schaden zugefügt wird."28 Die gewählte Argumentation bezieht sich einerseits ausschließlich auf die derzeitige Situation, die jedoch überwunden werden soll. Andererseits zeigt sie auch in aller Deutlichkeit die dem sowjetischen Paritätsdenken innewohnende Einseitigkeit: - Das jeweils vorhandene Kräfteverhältnis zwischen Ost und West wird seit Jahren unabhängig von der tatsächlichen Stärkerelation stets als insgesamt paritätisch bezeichnet. (Westliche Darstellungen der militärischen Kräfteverhältnisse zeigen demgegenüber eine erhebliche Überlegenheit des östlichen Bündnisses, vor allem im konventionellen Bereich.) - Obwohl weder der nukleare Rüstungswettlauf noch der Kernwaffenkrieg per se für gewinnbar gehalten werden, ist die sowjetische Führung stets bestrebt, zumindest ein nukleares Patt zu gewährleisten, partiell sogar Übergewichte zu schaffen, um Eskalationsdominanz zu erreichen. - Die vorgesehenen militärischen Gegenaktionen (otvetny udar/otvetnye dejstvija) sind in letzter Konsequenz offensiv ausgerichtete Handlungen, die aus der als überlegen bezeichneten Kriegskunst und deren Konsequenzen resultieren. Hieraus ergibt sich fast zwangsläufig auch eine entsprechend einseitige Abschreckungslogik. Die dem Imperialismus unterstellten Kriegsneigungen können demnach nur durch eine starke Verteidigungsmacht und eine hohe Kampf- bzw. Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte blockiert werden.29 Der Terminus für dieses Konzept lautet "sderz'ivanie aggressora", d.h. "Abschreckung des [westlichen] Aggressors"

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durch die Verteidigungsmacht des Sozialismus. Früher wurde in diesem Zusammenhang von der Zügelung des Imperialismus" (obuzdanie imperializma) gesprochen.30 Die gegenwärtige Lage verlange, daß die Kampfkraft der Streitkräfte "auf einem solchen Niveau gehalten (wird), wie es für die Verhinderung einer Aggression erforderlich ist."31 Für die Zielsetzung der Kriegsverhinderung wird demnach eine Schwächung der militärischen Macht der UdSSR nicht in Kauf genommen. Mit Vorrang sollen die Kernwaffen und andere "Massenvernichtungswaffen" aus einem möglichen niedrigeren Niveau der strategischen "Parität" entfernt werden. Abschreckungskonzeptionen, die auf Gegenseitigkeit, also auf etwa gleichen militärischen Fähigkeiten bzw. Optionen beruhen, werden von der Kremlführung abgelehnt. Im sowjetischen Verständnis wird Kriegsverhinderung also dadurch gewährleistet, daß die im Grunde offensiv ausgerichtete Militärstrategie die Drohung und Fähigkeit "zur Abwehr des Angriffs eines Aggressors und zu seiner nachfolgenden Zerschlagung durch entschlossene Handlungen" sicherstellen soll.32 Dies bedeutet im Klartext die Aufrechterhaltung der Fähigkeit, den bereits im vorhinein als Aggressor feststehenden Gegner auf dessen Territorium vernichtend zu schlagen. Nichts anderes ist gemeint, wenn Achromejew ausführt: "Welchen Krieg ein Aggressor auch entfesseln würde - einen nuklearen oder einen mit konventionellen Waffen geführten - er würde der Vergeltung nicht entgehen."33 Diese Feststellung des sowjetischen Generalstabschefs impliziert die für den Fall des Scheiterns der Kriegsverhinderung allseitig notwendige Vorbereitung der sowjetischen Streitkräfte sowohl auf die Führbarkeit des präferierten

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konventionellen Krieges als auch auf eine eventuell notwendig werdende nukleare Auseinandersetzung. Zur Verwirklichung dieser einseitigen Abschreckungskonzeption wird eine effektive Kriegführungsfähigkeit offensiver Ausrichtung und ein Streitkräftedispositiv von entsprechender Quantität, Qualität, Struktur und Dislozierung für erforderlich gehalten, das zwar insgesamt auf ein niedrigeres und möglichst kernwaffenfreies Niveau gebracht werden soll, an seiner Wirkung gegenüber dem Gegner jedoch keine Einbußen erleiden dürfe. Angestrebt wird gemäß sowjetischer Dialektik Sicherheit bzw. Kriegsverhinderung durch Kriegführungsfähigkeit, bevorzugt auf konventioneller Ebene.

4. Die Verteidigung des Sozialismus "Die Aussagen der sowjetischen Militärdoktrin gründen sich auf die Gesetze und Prinzipien des dialektischen und historischen Materialismus und auf Lenins Lehre von der Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes."34 Diese These postuliert eine Pflicht zur Verteidigung der sozialistischen Errungenschaften und des Vaterlandes. Sozialismus und Friedenspolitik gelten als die Grundlage der Militärdoktrin.35 Deren Festlegung auf das Prinzip der Defensive, auf die "Unwandelbarkeit ihres ausgesprochenen Verteidigungscharakters", ist eine ideologisch-politische Festlegung mit einer langen Tradition.36 Bereits in den dreißiger Jahren habe die sowjetische Doktrin "einen deutlich ausgeprägten defensiven Charakter" gehabt. Gleichzeitig aber wurde die Kriegsplanung keineswegs auf defensive Operationen ausgerichtet. In der Felddienstvorschrift der

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Roten Armee von 1939 hieß es unmißverständlich: "Wir werden den Krieg offensiv führen und ihn auf das Territorium des Gegners tragen."37 Diese Differenzierung zwischen dem politischen Anspruch der Militärdoktrin und den praktischen militärischen Grundsätzen wird bis heute aufrechterhalten. 1981 erklärte etwa Sawjalow, daß die UdSSR, wenn sie "ihre Streitkräfte entwickelt und vervollkommnet" nur "Verteidigungsziele" verfolge.38 Die Stärkung der "Verteidigungskraft der sozialistischen Länder" ist nach Achromejews Darlegungen neben der Politik der friedlichen Koexistenz, der Lösung internationaler Probleme mit politischen Mitteln und der Wahrung des militärischen Gleichgewichts zwischen UdSSR und USA, WVO und NATO, eines der Hauptprinzipien der politischen Seite der Militärdoktrin.39 Immer wieder wird in den aktuellen Veröffentlichungen versucht, den Verteidigungscharakter der Militärdoktrin bzw. ihre defensive Ausrichtung ins rechte Licht zu rücken und sie besonders herauszuheben.40 Der Verteidigungscharakter bestimmt, wie angeführt wird, sowohl die politische als auch die militärisch-technische Seite der Doktrin. Er besitze Gültigkeit für beide Seiten. Mehr noch, "gerade in der militärisch-technischen Seite der Doktrin", d.h in den strategischen Plänen und Maßnahmen, in der Entwicklung und im Aufbau der Streitkräfte, ebenso in ihrer technischen Ausrüstung sowie in der praktischen Ausbildung, finde "die Verteidigungsorientierung ihre praktische Verwirklichung. "41 Damit wird der militärisch-technische Teil als derjenige apostrophiert, der "ausgehend von den grundsätzlichen militärisch-politischen Zielsetzungen" die Maßnahmen zur Kriegsverhinderung und zur Abwehr einer eventuellen Aggression festlegt.42 j n diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie diese Defensivorientierung offiziell begrün-

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det wird, steht sie doch in nachgerade eklatantem Widerspruch - zumindest hinsichtlich ihrer praktischen Konsequenzen und Differenzierungen - zu westlichen Einschätzungen der Gegebenheiten. Bevorzugt werden folgende Absichtserklärungen als praktischer Ausdruck des Verteidigungscharakters der Doktrin genannt, sofern nicht allein schon die politische Zielsetzung "Verteidigung" als Beweis dafür hergenommen wird: - "Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages werden niemals und unter keinen Umständen militärische Handlungen gegen einen beliebigen Staat oder ein Staatenbündnis beginnen, wenn sie nicht selbst einem bewaffneten Überfall ausgesetzt sind." - "Sie werden niemals als erste Kernwaffen einsetzen." - "Sie erheben keinerlei territoriale Ansprüche..." - "Sie betrachten keinen Staat und kein Volk als ihren Feind." - Sie "treten für die Verwirklichung von Abrüstungsmaßnahmen ein. Zugleich sind sie jedoch gezwungen, ihre Streitkräfte in einem solchen Bestand und auf einem solchen Niveau zu halten, die es ihnen ermöglichen, jeden Angriff von außen gegen einen der Teilnehmerstaaten des Vertrages abzuwehren."43 Diese Erklärungen können als das gelten, was sie sein sollen, nämlich durchaus wohlmeinende Absichten. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß sie unter geänderten Rahmenbedingungen auch wieder verworfen werden könnten. Deshalb ist es aus westlicher Sicht notwendig, sich zudem an den jeweiligen militärischen Fähigkeiten des Warschauer Pakts insgesamt, insbesondere aber an denen der UdSSR, zu t

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orientieren. Diese Fähigkeiten und Optionen gehen derzeit weit über das für eine ausschließlich defensive Zielsetzung erforderliche Maß hinaus.

5• "Zuverlässige" bzw. "ausreichende Verteidigung" - die militärisch-technische Realisierung einer vorgegebenen Zielsetzung In neueren Stellungnahmen sowjetischer Militärs zur Verteidigung und Sicherheit wird immer wieder das Prinzip der "Hinlänglichkeit" bzw. der "Ausreichendheit" (dostatocnost) der Kräfte und Mittel betont. Damit verknüpft wird ausdrücklich auch die Zielsetzung der Gewährleistung der "zuverlässigen Sicherheit" bzw. der "zuverlässigen Verteidigung" (nade^naja oborona). Achromejew beispielsweise orientiert sich eng am Inhalt der Ost-Berliner Erklärung, wenn er ausführt, das Streitkräftepotential des Warschauer Paktes müsse "strikt dem Niveau der militärischen Gefahr angemessen und von den realen Erfordernissen eines zuverlässigen Schutzes und der Gewährleistung der Sicherheit unserer Länder bestimmt sein". Der Sinn des Prinzips der Hinlänglichkeit sei, "nur so viel Kräfte zu haben, wie für die Erreichung dieses Ziels erforderlich sind".44 "Zuverlässige Verteidigung" ist zunächst also eine politische Zielsetzung der Doktrin, die sodann innerhalb der Kriegskunst und gemäß den geltenden Rahmenbedingungen vorbereitet und gegebenenfalls durchgeführt wird. Wie Gorbatschow formuliert hat, muß der Aufbau der "Verteidigung" "die zuverlässige Sicherheit des Sowjetstaates und seiner Bündnispartner garantieren und in genauer Übereinstimmung mit unserer defensiven Doktrin erfolgen".45

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Hinlänglichkeit und Zuverlässigkeit sind nach bekannter sowjetischer Auffassung an folgenden Prämissen auszurichten: 1. Die Gefechtsbereitschaft und die Fähigkeiten der eigenen Streitkräfte müßten sich "streng nach dem Grad der militärischen Bedrohung und dem Charakter und der Intensität der Kriegsvorbereitungen des Imperialismus richten".46 2. Die USA und die NATO (die "imperialistischen Kräfte") werden als möglicher Aggressor bezeichnet, wenn auch wohl nicht immer insgesamt und stetig als solcher eingeschätzt. Ihre Militärstrategie jedenfalls sei auf die Führung eines Nuklearkrieges bzw. eines langdauernden konventionellen Krieges ausgerichtet. Die Gefahr eines Überraschungsangriffs der NATO habe zugenommen. 3. Aggressionsabsichten bzw. militärische Präventivschläge sozialistischer Staaten werden grundsätzlich und von vornherein ausgeschlossen. Die Warschauer-Pakt-Streitkräfte würden einer Aggression mit "Gegenaktionen" begegnen die, beginnend mit der Operationsform Verteidigung, über Gegenangriff schließlich möglichst rasch zur raumgreifenden Offensive im strategischen Maßstab übergehen dürften. 4. Hauptsächliche Zielsetzung der Militärdoktrin sei "die Verwirklichung einer Politik der friedlichen Koexistenz" und die Stärkung der Verteidigungskraft der sozialistischen Länder", ausgehend vom Prinzip der Aufrechterhaltung der militärischen Parität zwischen der UdSSR und den USA, zwischen der WVO und der NATO.47 Die Forderung

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nach vernünftiger Hinlänglichkeit orientiert sich demzufolge hauptsächlich am Paritätsprinzip.

5.1. Das sowjetische Verständnis von Aggression Von grundlegender Bedeutung für die Frage des Zusammenhangs von "ausreichender Verteidigung" und "zuverlässiger Sicherheit" ist das sowjetische Verständnis von "Aggression". In der militärpolitischen Literatur werden die Begriffe "Aggression" (aggressija) und "Angriff" bzw. Offensive (nastuplenie) klar unterschieden. Der Terminus Aggression ist dabei eindeutig negativ besetzt und wird entsprechend verwendet. Die Operationsform Angriff dagegen gilt als die Grundart militärischer Handlungen. Während die sozialistischen Staaten - ausgehend vom ideologischen Dogma der Identität von Sozialismus und Frieden als stets friedliebend charakterisiert werden und demzufolge niemals aggressiv sein können, wird der "Imperialismus" als die "Quelle der Aggression", als "Initiator" und "Organisator" friedensbedrohender Handlungen bezeichnet. Den USA und der NATO wird unterstellt, daß ihre politischen und militärischen "Doktrinen" aggressive Ziele verfolgen.48 Eine Aggression ist im sowjetischen Sprachgebrauch nicht nur jeder gemäß UN-Charta ungerechtfertigte Einsatz von Streitkräften, sondern sie schließt auch das Merkmal des Zuvorkommens, der Initiative, des Vorsatzes und der Absicht ein. Mit einer derartigen Festlegung ist jederzeit die Möglichkeit einer Vorweg-Schuldzuweisung an den Westen gegeben. Zudem beinhaltet sie eine Eigenrechtfertigung bereits im voraus, die um so deutlicher zu Tage tritt, wenn die

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gewählte Differenzierung zu offensiven Handlungen der Streitkräfte in Betracht gezogen wird: "Eine bewaffnete Aggression liefert einen Grund zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung, wie sie in Artikel 51 der UNCharta vorgesehen ist. Dabei können die Handlungen des Staates, gegen den der Angriff gerichtet ist und der den Aggressor zum Zweck der Selbstverteidigung mit bewaffneter Macht zurückschlägt, auch dann, wenn diese Handlungen offensiv sind, nicht als Aggression gelten."49

5.2. Der Zusammenhang von "ausreichender Verteidigung" und "zuverlässiger Sicherheit" Gorbatschow hat seit seiner Amtsübernahme immer wieder Ansatzpunkte für einen Wandel auch in der Militärpolitik seines Landes genannt. So erklärt er in seinem Buch "Perestrojka", es sei an der Zeit, "daß die beiden militärischen Bündnisse ihre strategischen Konzepte ändern, um sie mehr auf die Ziele der Verteidigung abzustimmen". Er spricht in diesem Kontext von einer "für Verteidigungszwecke notwendigen Hinlänglichkeit" der Rüstung.50 Nach Jasow baue die "UdSSR ihre Streitkräfte nach dem Prinzip des für die Verteidigung ausreichenden Niveaus auf". Für die strategischen Kernwaffenkräfte sei dieses "ausreichende Niveau heute von der Fähigkeit bestimmt in keiner Situation - auch nicht in der ungünstigsten - einen ungestraften Kernwaffenüberfall ... zuzulassen. Für die konventionellen Kräfte sieht das ausreichende Niveau die erforderliche Mindeststärke und eine hohe Qualität der Streitkräfte und Rüstungen vor, die in der Lage sind, die Verteidigung des Landes zuverlässig zu gewährleisten".51

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Diese Aussage des sowjetischen Verteidigungsministers enthält eine neuerdings häufiger gebrauchte Differenzierung hinsichtlich der Fähigkeit zur nuklearen Vergeltung und einer Kriegführungsfähigkeit auf konventioneller Ebene. Ausgehend von der These, daß eine annähernde militärische Parität zwischen den beiden Bündnissen bestehe, plädiert Jasow zudem für eine Senkung des "Niveaus der Konfrontation" und für eine wechselseitige Reduzierung der militärischen Potentiale dergestalt, "daß dem Westen wie dem Osten lediglich die für die Verteidigung notwendigen Kräfte und Mittel verbleiben".52 i n der Ost-Berliner Erklärung findet sich der deutliche Hinweis, daß die Staaten des Warschauer Vertrages bereits heute "streng den Rahmen des für die Verteidigung, für die Abwehr einer möglichen Aggression ausreichenden Niveaus" einhalten, um "die Sicherheit ihrer Völker zuverlässig zu gewährleisten".53 Gleichzeitig heißt es dort aber auch, das Ziel sei neben der Abschaffung aller nuklearen und chemischen Waffen die "Verminderung der Streitkräfte und konventionellen Rüstungen in Europa auf ein Niveau, auf dem jede Seite bei Gewährleistung der eigenen Verteidigung über keine Mittel für einen Überraschungsangriff ... sowie für Angriffsoperationen überhaupt verfügt ".5 4 Das klingt so, als wenn Anlaß zu der Hoffnung bestünde, daß die UdSSR bzw. der Warschauer Pakt insgesamt den militärischen Überhang abzubauen willens ist. Wenn aber gleichzeitig von führenden Militärs erklärt wird, das Prinzip der "Hinlänglichkeit für Verteidigung" sei bereits heute im Warschauer Pakt verwirklicht, so werden die genannten Thesen fragwürdig. Zumal wenn dabei noch der Eindruck erweckt wird, als sei die militärische Ausrichtung der NATO im Gegensatz zu der des Warschauer Paktes offensiv. Die

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tatsächlichen Gegebenheiten der militärische Lage in Europa werden damit in ihr Gegenteil verkehrt und Strukturveränderungen bei der NATO zur Bedingung erhoben. Gorbatschows wiederholt proklamierte Beschränkung der Rüstung auf "vernünftige Hinlänglichkeit" hat bisher weder zu einer erkennbaren Verringerung der Rüstung und der Streitkräfte noch zu einer unmißverständlichen Differenzierung der Termini "ausreichend" und "zuverlässig" (bezogen auf die Verteidigung) geführt. Bevorzugt wird seitens der UdSSR offenbar auch eine zeitliche Abfolge der beiderseitigen Rüstungsreduzierung, die erst nach Abschaffung aller nuklearen und chemischen Waffen konkrete und wesentliche Schritte im konventionellen Bereich zuließe. Ein derartiges Vorgehen würde die NATO-Strategie der flexible response ad absurdum führen sowie die Sicherheit und die militärische Stabilität in Europa untergraben. Dem sowjetischen Sicherheitsanspruch hingegen wäre damit Genüge getan, zumal beim Fortbestehen der Hegemonie über die kleineren Warschauer-Pakt-Staaten ein entsprechendes Glacis auch für eine zunächst defensive Operationsführung vorhanden wäre, aus der heraus dann rasch zur Offensive und zur gänzlichen Zerschlagung des Gegners übergegangen werden könnte. Über die Verwirklichung des Prinzips der "Hinlänglichkeit" (Suffizienz) sind in jüngster Zeit innersowjetische Meinungsverschiedenheiten zwischen den etablierten Militärs und Wissenschaftlern aus Instituten der Westforschung (wie IMEMO, ISKAN) evident geworden. Die dabei erkennbaren Positionsunterschiede hinsichtlich der sowjetischen Militärstrategie und Militärdoktrin ranken sich vor allem um die

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Frage, ob die defensive Ausrichtung der sowjetischen Streitkräfte und das Prinzip der "ausreichenden Verteidigung" bereits verwirklicht sind oder erst noch realisiert werden müssen. Bei aller Strittigkeit der Thematik und trotz gewisser Unterschiede in der Argumentation haben beide Positionen jedoch grundlegende Gemeinsamkeiten: - Die Militärdoktrin der WVO habe VerteidigungsCharakter. - Zwischen Ost und West bestehe eine annähernde militärische Parität bzw. ein generelles militärisches Gleichgewicht . - Die Abschaffung der nuklearen Abschreckung der NATO bzw. der Nuklearwaffen überhaupt sei erforderlich. - Die NATO-Struktur sei offensiv ausgerichtet, ihre Militärstrategie habe aggressiven Charakter. - Die Fähigkeit zur Erteilung einer entschiedenen Abfuhr müsse aufrechterhalten werden. - Die Korrelation von Angriff und Verteidigung müsse im Atomzeitalter neu überdacht und analysiert werden. Die Position der Wissenschaftler55 beinhaltet u.a. die Forderung, der Verteidigungscharakter der Militärdoktrin müsse sich in den konkreten militärischen Fakten niederschlagen. Dies bedeutet, Stärke, Struktur, Dislozierung, Gliederung und Ausbildung der Streitkräfte hätten erkennbar defensiv zu sein. Ein "ausgesprochen defensiver Charakter der Militärdoktrinen" erfordere "entsprechende Maßnahmen auf dem Gebiet des Aufbaus der Streitkräfte".56 Parallel zum vorgeschlagenen wechselseitigen Abbau der Asymmetrien der nuklearen und konventionellen Kräfte - innerhalb eines als insgesamt paritätisch bezeichneten Kräfteverhältnisses - könnten laut Kokoschin und Larionow "die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß die Möglichkeiten der Vertei-

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digung jeder Seite offenkundig größer sind als die Möglichkeiten zur Führung von Angriffsoperationen".57 Dies stellt nicht nur eine Absage an die ausschließliche Vorbereitung auf die Offensive dar, sondern augenscheinlich auch ein Plädoyer für die Beschränkung auf Defensivoperationen. Die Streitkräfte sollen wechselseitig lediglich zur Abwehr einer Aggression ausreichen und keinen Überraschungsangriff zulassen. Die Argumentation von Kokoschin und Larionow beinhaltet allerdings noch keine konkrete Einschätzung der derzeitigen Struktur und Ausrichtung der Streitkräfte des Warschauer Paktes. Vielmehr handelt es sich dabei um hypothetische Überlegungen. Dennoch, die Forderung nach Verringerung der "offensiven" Bewaffnungen sowie das Verlangen nach einer faktischen Verwirklichung des Verteidigungscharakters der Militärdoktrin im Sinne einer dementsprechenden Hinlänglichkeit der Kräfte dürften auch auf den Warschauer Pakt gemünzt sein. Demzufolge müßte auch dort die gewünschte Defensivausrichtung erst noch realisiert werden. Diese Autoren stehen außerhalb der offiziellen Hierarchie. Zwar gibt es Anzeichen dafür, daß ihr Stellenwert und ihre Bedeutung für den sicherheitspolitischen Kurs der UdSSR gewachsen sein könnte. Dennoch ist ihr tatsächlicher Einfluß und der Hintergrund ihrer interessanten Thesen derzeit noch nicht einschätzbar. Die bisherigen militärischen Fakten sprechen nach wie vor eher gegen die aufkeimende Hoffnung, daß diese Wissenschaftler die Ansichten der politischen und militärischen Führung dahingehend ändern könnten, die weit klaffende Lücke zwischen verbalen Äußerungen und tatsächlichem Verhalten ein Stück weit zu schließen. Die Position führender Militärs ist hauptsächlich an der Zweckbestimmung des Streitkräftepotentials orientiert und

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unterscheidet sich in der Frage der Hinlänglichkeit für Verteidigung von derjenigen der Autoren aus den genannten Forschungseinrichtungen. Nach Achromejew's Auffassung ist die defensive politische Zielsetzung der Doktrin bereits heute sowohl in ihrem militärisch-technischen Aspekt als auch im bestehenden Streitkräftedispositiv des Warschauer Pakts verwirklicht. Was das Prinzip der "Ausreichendheit" jeweils an militärischen Kapazitäten konkret erfordere, sei abhängig von der Bedrohung durch die imperialistischen Kräfte. Demzufolge müsse die Kampfkraft der eigenen Streitkräfte auf einem Niveau gehalten werden, das der Aggressionsgefahr entspreche. Damit wird eine flexibel anwendbare und stets zur Eigenrechtfertigung dienliche Argumentationsgrundlage geschaffen, mit deren Hilfe die sowjetische Seite mit dem Hinweis auf das Prinzip der "Hinlänglichkeit" ihre Streitkräfte sogar noch stärker ausbauen könnte. Genauso könnte mit dem neuerdings verstärkten Hinweis auf die Verhinderung von Überraschungsangriffen die eigene Fähigkeit zu jederzeitiger Einsatzfähigkeit weiter verbessert werden. Das entscheidende Kriterium der hinlänglichen Verteidigungsfähigkeit bleibt demzufolge die Entschlossenheit die sozialistischen Errungenschaften "unter allen Umständen zuverlässig militärisch zu schützen".58 Dem von sowjetischer Seite erklärten Verzicht auf militärische Überlegenheit und der tatsächlichen Verwirklichung des Prinzips der vernünftigen Hinlänglichkeit der Streitkräfte und Rüstungen steht in erster Linie entgegen, daß das bestehende militärische Kräfteverhältnis zwischen Ost und West als angebliche Parität allen Vereinbarungen zugrunde gelegt werden soll. Mittlerweile wird zwar eingeräumt, daß Ungleichgewichte vorhanden sind. Diese "Asymmetrien" bestünden nach sowjetischer These aber auf beiden Seiten und

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laufen insgesamt auf ein Gleichgewicht hinaus. Sie dürfen somit nur wechselseitig und unter Aufrechterhaltung der bestehenden Gesamtrelation beseitigt werden. Einseitige Vorleistungen der UdSSR außerhalb von Verhandlungen sind demzufolge nicht zu erwarten. Das Konzept einer vom derzeitigen Kräfteverhältnis ausgehenden wechselseitigen und in etwa gleichem Verhältnis vorzunehmenden Abrüstung würde aus westlicher Sicht an der für Europa bedrohlichen konventionellen Überlegenheit und Invasionsfähigkeit des Warschauer Pakts nichts Entscheidendes ändern. Im Gegenteil, das westliche Prinzip der Vorneverteidigung würde dadurch zunehmend außer Kraft gesetzt werden. Der sowjetische Druck auf weitere Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung würde voraussichtlich weiter zunehmen. Erst wenn in der leidigen Datenproblematik (siehe die MBFRVerhandlungen) und in der sowjetischen Position zur "Parität" durchgängig ein Umdenken, ein Zugrundelegen der Realitäten der bestehenden Kräfteverhältnisse möglich würde, wären auch Fortschritte zu erwarten, die langfristig zum Abbau des destabilisierenden Faktors der Invasionsfähigkeit des Warschauer Paktes führen könnten. Der Weg hierzu könnte über die Akzeptanz des westlichen Vorschlags annähernd gleicher bzw. ausgewogener Obergrenzen der Rüstungen und Streitkräfte führen. Falls es gelingen würde, in der heiklen Datenfrage entscheidende Durchbrüche zu erzielen, könnte der Weg frei werden zur Beseitigung der bestehenden Ungleichgewichte und einer anschließenden Senkung des Niveaus der Rüstungen.59 Trotz aller positiven Ansätze licher Seite ist die erklärte

und Verlautbarungen von östDefensivität der Militärdok-

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trin nach wie vor lediglich eine politische Deklaration. Wie einschlägige westliche Analysen der militärischen Kräfteverhältnisse zeigen, und wie auch aus den Unterredungen des amerikanischen Verteidigungsministers Carlucci mit Jasow (im April und Mai 1988) bekannt wurde, sind bisher jedenfalls entscheidende Veränderungen der sowjetischen Militärstrategie und des Streitkräftedispositivs, geschweige denn eine Verlangsamung der Modernsierung der Ausrüstung weder erkennbar noch prognostizierbar. "Hinlänglichkeit für Verteidigung" gilt nach offiziellen Verlautbarungen führender sowjetischer Militärs nicht nur als Zielsetzung, sondern in Bezug auf den Warschauer Pakt auch als bereits bestehendes Faktum. Das Prinzip der Hinlänglichkeit wird dabei augenscheinlich stets am Konzept der "zuverlässigen Verteidigung" orientiert und diesem untergeordnet. Die reale Verwirklichung einer militärischen Defensivorientierung auch des östlichen Bündnisses ist, wenn überhaupt, nur auf lange Sicht möglich und denkbar. Erste Ansätze von Wissenschaftlern zu einer Neuorientierung des sowjetischen Kriegführungsdenkens hinsichtlich einer stärkeren Betonung der Defensive sind vorhanden. Sie könnten auch der militärischen Führung der UdSSR wichtige Anregungen zum Überdenken ihrer traditionellen Vorstellungen von "Verteidigung" geben. Eine weitergehende Konkretisierung und Differenzierung des Verständnisses von "Hinlänglichkeit" bzw. "Zuverlässigkeit" und der damit verbundenen Zwecksetzungen wäre in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Damit könnten gegebenenfalls Entwicklungstendenzen oder aber auch die Festschreibung der derzeitigen amtlichen Vorstellungen verdeutlicht werden und als Grundlage von Ost-West-Gesprä-

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chen über die sicherheitspolitischen Konzepte und Militärstrategien dienen. Die Rede Schewardnadses vor der UN-Vollversammlung im Juni 1988 könnte als Hinweis darauf gedeutet werden, daß einige Thesen der genannten Wissenschaftler von der politischen Führung geteilt werden. Der Außenminister bezeichnete das Prinzip der Hinlänglichkeit als anzustrebendes Ziel und nicht als bestehende Realität. Er führte aus: "Die Defensivstrategie und die militärische Hinlänglichkeit erfordern nicht nur eine Reduzierung der Rüstungen, sondern auch eine tiefgreifende Umgestaltung ihrer Strukturen und Dislozierungen ."60

5.3. Zuverlässige Verteidigung - die Hauptaufgabe der Militärstrategie Der militärisch-technische Teil der Militärdoktrin steht nach sowjetischer Auffassung in direktem Zusammenhang mit der Militärstrategie bzw. mit dem, was darüber öffentlich verlautbart wird. Während die Doktrin die maßgebliche Richtlinie für die Vorbereitung eines Krieges ist, befaßt sich die sowjetische "Kriegskunst" hauptsächlich mit dessen Durchführung. Die Kriegskunst umfaßt die drei Ebenen der Strategie, der operativen Kunst und der Taktik (vgl. Abb. 1). Als höchste Ebene der Kriegskunst gilt die Militärstrategie, die als politikausführendes Instrument in den Verantwortungsbereich des Militärs, insbesondere des Generalstabs fällt. Strategie ist gleichwohl auch ein Teilgebiet der Militärwissenschaft. Als wichtigstes Element der Kriegskunst befaßt sie sich über die Theorie hinaus mit der Praxis der großräumigen, übergeordneten und entscheidenden

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militärischen Maßnahmen vor dem Krieg und im Krieg. Dies bedeutet, daß die Planung und gegebenenfalls die Durchführung der militärischen Operationen in den strategischen Operationsgebieten (TVD) als die Hauptaufgabe der Strategie gelten kann. In der Militärstrategie sollen die Richtlinien der Militärdoktrin in konkrete strategische Zielsetzungen umgesetzt werden. Die geltende Leitvorstellung und Hauptaufgabe der sowjetischen Militärstrategie ist "die Ausarbeitung von Methoden zur Abwehr des Angriffs eines Aggressors und zu seiner nachfolgenden Zerschlagung durch entschlossene Aktionen". 61 Zwischen der "Abwehr eines Angriffs" durch weitestgehend defensive Maßnahmen und der darauffolgenden "Zerschlagung" des Gegners mittels offensiver Kampfhandlungen strategischer Dimension wird demzufolge klar und deutlich unterschieden. Die "Hauptart der strategischen Handlungen" ist - lt. EML - nach wie vor die Offensive. Gleichzeitig aber wird etwa seit Mitte der achtziger Jahre verstärkt "auch die wichtige Rolle der Verteidigung" anerkannt, die u.a. zum Zweck der "Abwehr eines Angriffs" des Gegners, "zum Zeitgewinn zur notwendigen Konzentration der Kräfte und zum sparsamen Kräfteeinsatz in den einen Richtungen und zur Herstellung der Überlegenheit über den Gegner in den anderen Richtungen angewandt wird".62 Diese Aussagen zeigen, daß die Verteidigung (oborona) als eine Art von Kampfhandlungen eine nicht zu vernachlässigende und wichtige Rolle spielt. Im wesentlichen aber wird sie als vorbereitende bzw. auch als direkt unterstützende Funktion (z.B. an den Flanken der Hauptangriffsachsen) verstanden für die als grundlegend und entscheidend bezeichnete Offensive (nastuplenie). Die "Strategische Offensive" gilt

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als die "Grundart der strategischen Handlungen der Streitkräfte", die die Zerschlagung der gegnerischen Kräfte und die Inbesitznahme "strategischer Räume" gewährleisten soll.63 Jüngste Erörterungen Jasows, Achromejews und Garejews enthalten zwar eine verstärkte Heraushebung defensiver Maßnahmen, lassen in ihrem Kern aber nach wie vor eine offensiv ausgerichtete Zielsetzung der "zuverlässigen Verteidigung" vermuten. Die damit verbundenen Fragen lassen sich allerdings nur mit großen Schwierigkeiten klären, denn die Konkretisierung in den militärischen Planungen unterliegt in der UdSSR bekanntlich strengster Geheimhaltung. Garejew, einer der Stellvertreter des Generalstabschefs, hat im Juni 1987 auf einer Pressekonferenz "defensive Operationen und Kampfhandlungen" zur "grundlegenden Vorgehensweise der sowjetischen Streitkräfte bei der Abwehr einer Aggression" erklärt.64 Dies braucht dem weiter oben Gesagten nicht zu widersprechen, da Garejew sich nur unmittelbar auf die Abwehr der Aggression bezogen hat und keine Angaben darüber machte, ob er auch von der bisher obligatorischen nachfolgenden Zerschlagung des Aggressors abrückte. Nach Achromejew sind militärische "Gegenaktionen" die "Hauptform des Handelns der Streitkräfte". Diese Gegenaktionen sind jedoch politisch-ideologisch definiert und entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Kombination von defensiven und vor allem offensiven Operationen zur Erteilung einer "vernichtenden Abfuhr".65 Jasow bringt diese Aussage auf den Punkt, wenn er erklärt, daß die erforderliche "Zerschlagung des Aggressors" nicht

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mit ausschließlich defensiven Maßnahmen durchführbar sei: Seiner Auffassung nach müssen die sowjetischen Streitkräfte daher in der Lage sein, die Aggression zunächst mittels Verteidigung und Gegenangriff zurückzuschlagen und anschließend eine "entscheidende Offensive" durchzuführen. Dem Zurückschlagen des unterstellten Angriffs würde somit stets die entschiedene Offensive in das gegnerische Territorium hinein zu folgen haben. Wie Jasow erläuterte, widersprechen diese Angriffshandlungen zum politischen Zweck der Verteidigung nicht der postulierten defensiven Ausrichtung, da es sich dabei um offensive Aktionen (Gegenaktionen!) gegen einen Aggressor handeln werde, der zuerst angegriffen haben würde.66 Mit anderen Worten, die UdSSR wäre nach dieser Darstellung im Falle eines Ost-West-Krieges stets Opfer einer Aggression und könnte zu deren Abwehr und Beendigung alle Kampfformen namentlich auch die Offensive im strategischen Maßstab einsetzen. Nur die "Strategische Offensive" könne die erforderliche militärische Handlungsfähigkeit und den angestrebten Verteidigungserfolg im Kriege gewährleisten. Dennoch wird auch die derzeitige Struktur des Streitkräftedispositivs der UdSSR und des Warschauer Paktes als Verwirklichung des Defensivprinzips dargestellt.67 Bei näherer Betrachtung derartiger Aussagen sowjetischer Militärs verdichtet sich der Eindruck, daß sie "zuverlässige Verteidigung" (nadesÜnaja oborona) als einen Verbund offensiver und defensiver Kampfhandlungen sehen und auf eine zeitliche Abfolge von Verteidigung-Gegenangriff-Offensive abheben. Mit grundlegenden defensiven Maßnahmen sind konkret diejenigen gemeint, die zunächst und unmittelbar zur Abwehr einer Aggression angewandt werden. Die sich daran

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anschließende "vernichtende Abfuhr" für den Gegner würde im Rahmen raumgreifender Offensivoperationen durchgeführt werden. Zum Zwecke der "zuverlässigen Verteidigung" erscheint es notwendig, wie gerade in letzter Zeit betont wird, die Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte auf einem hohen Niveau zu halten, um vor allem Überraschungsangriffen wirksam begegnen zu können. Eine hohe Gefechtsbereitschaft wird mithin als maßgeblicher Faktor zur Eindämmung des Imperialismus eingeschätzt. Sie wird beschrieben als ein Zustand, bei dem Streitkräfte "unverzüglich genutzt werden können" und jederzeit auf den Überfall eines Aggressors vorbereitet und "zu seiner bedingungslosen Zerschlagung bereit" sind.68 Nach Sawjalow schließt der Verteidigungscharakter der Militärdoktrin "weder hohe Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte noch aktiven Angriff bei ihren Handlungen gegen einen Aggressor aus". Die UdSSR entwickelt demnach im Sinne Lenins "jene Mittel der Kriegführung und erarbeitet jene Handlungsmethoden der Streitkräfte, die sie im Falle einer Aggression dem Gegner entgegenstellen könnte, um ihm die gebührende Abfuhr zu erteilen".69 Die geforderte Zuverlässigkeit besagt, wie G. Wettig ausgeführt hat, "daß der Schutz der Sowjetunion auch im Falle eines Krieges zwischen Ost und West uneingeschränkt gewährleistet werden soll".70 Der entscheidende Terminus "zuverlässig" hat demnach im sowjetischen Verständnis eine genau feststehende Bedeutung. Sie wird mit entsprechenden Formulierungen umrissen. Es gelte: - "dem Aggressor eine vernichtende Abfuhr ... erteilen", - dem Gegner "unannehmbaren Schaden" zuzufügen und - "die sozialistischen Errungenschaften mit aller Entschlossenheit ... zu verteidigen".7!

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Derartige Formulierungen dienen als Synonyme für ein völliges Niederringen des Gegners im Kriege. Die Fähigkeit zu weiträumigen strategischen Offensivhandlungen wird ebenfalls mit bestimmten Formeln ausgedrückt. Danach will die sowjetische Seite - "aktive und entschlossene Handlungen gegen den Aggressor ... führen", - "entschiedenes" bzw. "entschlossenes Handeln" an den Tag legen und - "mit äußerster Entschlossenheit und Aktivität han72 deln" . Es besteht demzufolge ein klarer Zusammenhang zwischen "zuverlässiger Verteidigung" und der Fähigkeit zur Erteilung einer "vernichtenden Abfuhr". Die eigentlich logische Konsequenz, den Krieg offensiv auf dem Territorium des Gegners zu führen, wird zwar in letzter Zeit nicht mehr ausdrücklich gezogen, doch kann davon ausgegangen werden, daß die Formel von der "Zerschlagung des Aggressors" weiterhin bedeutet, ihn "sofort in die Tiefe seines Territoriums zurückzudrängen und die >Aggression< durch die dort vorzunehmende Vernichtung des Gegners zu beenden".73 Die entscheidende Voraussetzung für die Gewährleistung "zuverlässiger Sicherheit" wird vom Kreml nicht zuletzt in der Beseitigung bzw. Aushebelung der nuklearen Abschreckung der NATO gesehen. Diese wird augenscheinlich als Hauptbedrohung für die erstrebte Kriegführungsfähigkeit angesehen. Die Gegnerschaft zur nuklearen Abschreckung gewinnt aktuelle Relevanz, wenn man sich das gleichzeitige sowjetische Streben nach Kriegführungsfähigkeit mit ausschließlich konventionellen Mitteln vor Augen hält.74

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Wenn sowjetische Autoren die Frage erörtern, ob die Verteidigung als grundsätzliche und hauptsächliche Art von Kampfhandlungen anerkannt werden könne, und eine entsprechende Umstrukturierung der Streitkräfte theoretisch in Erwägung ziehen, wird immer wieder eine Abschaffung der Kernwaffen und sonstigen Massenvernichtungswaffen als Voraussetzung gefordert. Aus Sicht der NATO dürfte dabei während einer langen Übergangsphase die größte Gefahr und Bedrohung entstehen. Diese Phase würde sich vom Verzicht auf nukleare Abschreckung gegenüber einer konventionell überlegenen Militärmacht bis zur sehr zeitaufwendigen Umstrukturierung der Warschauer-Pakt-Streitkräfte auf eine rein defensive Option erstrecken. Während dieser Übergangsphase könnte die militärische Macht der UdSSR in besonders ausgeprägter Weise zu einem dominierenden und politisch nutzbaren Werkzeug werden. Die bisherigen Feststellungen geben insgesamt wenig Anlaß zu der Hoffnung, daß sich der militärisch-technische" Teil der Doktrin oder gar die sowjetische Militärstrategie grundlegend gewandelt habe oder in absehbarer Zukunft entscheidend wandeln könne. Die militärstrategische Konzeption der UdSSR ist größtenteils unter dem Schleier der militärischen Geheimhaltung verborgen. Dennoch lassen die vorhandenen offenen Quellen durchaus Rückschlüsse zu. Solange beispielsweise die These der Parität insbesondere für den konventionellen Bereich aufrechterhalten wird und solange einseitig von den USA und den anderen Mitgliedern der NATO "Zurückhaltung im militärischen Bereich" gefordert wird, ist eine Selbstblockierung der UdSSR hinsichtlich eines Wandels ihrer Militärstrategie gegeben.75 Die Gretchenfrage lautet demzufolge, ob und wie es gelingen kann, die derzeit nach westlichen Erkenntnissen faktisch offensiv ausge-

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richtete militärstrategische Konzeption der UdSSR in Richtung auf eine ausschließlich defensive Option analog zu derjenigen der NATO zu verändern. Hierzu müßten zunächst die Asymmetrien der Militärstrategien in Ost und West offengelegt und herausgearbeitet werden. Dies würde bedeuten, daß die Militärstrategie der UdSSR und des Warschauer Pakts nicht nur hinsichtlich der Absichten (intentions), sondern vor allem bezüglich der Fähigkeiten (capabilities) eine Neuorientierung erfahren müßte. "Strukturelle Nichtangriffsfähigkeit" als Leitlinie zu fordern, ist in diesem Kontext und unter den derzeitigen Rahmenbedingungen genau so wenig realistisch wie die Absicht, dies alles in kurzer Zeit zu verwirklichen. Ein Abbau der quantitativen Überlegenheit des Ostens in Europa auf annähernd gleiche Obergrenzen und strukturelle Veränderungen in Richtung auf die Beseitigung der für den Westen bedrohlichen Invasionsfähigkeit wäre das Entscheidende. Anders als es die sowjetische Führung wünscht, würde die Beibehaltung der nuklearen Abschreckung - zumindest bis zum faktischen Vollzug einer realen und überprüfbaren Hinlänglichkeit der Kräfte für bloße Verteidigung - die von Ost und West angestrebte Stabilität in Europa fördern.

6. Fazit und Ausblick Die Bedeutung der gegenseitigen Wahrnehmung (perception) im Ost-West-Verhältnis hat seit Mitte der achtziger Jahre größeres Gewicht bekommen. Die sowjetische Absicht einer Stabilisierung des Ost-West-Verhältnisses auf einem insgesamt niedrigeren Niveau der Rüstung ist erkennbar geworden. Auch die Inhalte der Militärdoktrin der UdSSR bzw. des Warschauer Pakts, maßgeblich ihrer politischen Seite, haben

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zwar keine grundlegende, aber eine teilweise Veränderung hinsichtlich der nun herausgehobenen Betonung ihrer Defensivität und vor allem ihrer Kriegsverhinderungsabsicht erfahren . Dennoch läßt sich in der sowjetischen Militärstrategie und bezüglich ihrer praktischen Konsequenzen, d.h. im Einsatzkonzept und in der Struktur der Streitkräfte, kein substantieller Wandel feststellen. Zwar gibt es seit Gorbatschows Amtsantritt eine Fülle von Aussagen, die durchaus Hoffnungen geweckt haben, daß sich in der Militärpolitik der UdSSR weitgehende Veränderungen vollziehen könnten. Termini, wie z.B. "ausreichende" bzw. "hinlängliche Verteidigung", der erklärte Verzicht auf das Streben nach militärischer Überlegenheit, die bekundete Bereitschaft zu asymmetrischen Abrüstungsschritten und die Absage an den Krieg als Mittel der Politik, sind bei näherer Betrachtung weithin unbestimmt, ausdeutbar und mißverständlich formuliert. Sie lediglich als semantisches oder propagandistisches Geplänkel oder als Täuschungsmanöver abzutun, wäre wohl trotz alledem verfehlt. Es dürften ganz konkrete Beweggründe für ein sowjetisches Umdenken in der Militärpolitik vorliegen. Beispielsweise dürfte ein echtes Interesse daran bestehen, den kostspieligen Rüstungswettlauf zu drosseln und aus dem militärischen Bereich Ressourcen für die Ankurbelung der Wirtschaft und für eine Technikinnovation (einschließlich des militärischen Bereichs) freizusetzen. Solange sich die Funktion der militärischen Macht der UdSSR, das offensiv ausgerichtete Streitkräftedispositiv und das ideologisch fixierte Feindbild nicht wandeln, steht die demonstrative Betonung des VerteidigungsCharakters der Militärdoktrin im Widerspruch zu der damit bezeichneten

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realen Orientierung. Wenn man die defensive Ausrichtung der Militärdoktrin allein mit ideologischen Setzungen zu begründen sucht, ist damit kein Indikator und kein Kriterium für eine Abwendung des Warschauer Pakts von der bisherigen offensiven militärisch-technischen Konzeption gegeben. Mit den Absichten müssen sich, wenn der Intentionswandel glaubwürdig sein soll, auch die realen Fähigkeiten ändern. Die sicherheitspolitischen Zielvorgaben der sowjetischen Führung können, wie Wulf Lapins treffend formuliert hat, "nur über eine Veränderung der militärstrategischen Dispositive eingelöst werden".76 Stärke, Struktur und Dislozierung des östlichen Streitkräftedispositivs in Europa stehen in einem eklatanten Widerspruch zur deklarierten defensiven Zielsetzung und zur ebenfalls erklärten Beschränkung auf "Hinlänglichkeit für Verteidigung". Ein grundlegender Wandel der östlichen Militärstrategie scheint auch so lange fragwürdig, wie der Kreml an der Absicht festhält, die eigene Seite einseitig zu stärken, die Herrschaft der KPdSU militärisch abzusichern und die sozialistischen Länder vor allen Herausforderungen, einschließlich den aus der Prämisse des Antagonismus von Sozialismus und "Imperialismus" resultierenden Bedrohungswahrnehmungen, zu schützen. Die östliche Seite bleibt angesichts der fehlenden Erweise ihrer ausschließlichen Defensivität aufgefordert, ihre Erklärungen zu konkretisieren, um ihre Absichten der negativen Deutung zu entziehen. Damit würde der postulierte Verteidigungscharakter der Strategie klargestellt und deutlich gemacht. Dann wäre auch der erklärte Wandel in der Funktion der sowjetischen Militärmacht real vollzogen. Dies könnte geschehen beispielsweise durch den wechselseitigen Abbau der vorhandenen Potentiale von Warschauer Pakt

(

i

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und NATO bis zu gemeinsamen Obergrenzen, durch Veränderungen in der Dislozierung der Warschauer-Pakt-Streitkräfte, namentlich durch Reduzierung der Vorfeldstationierungen, und durch Teilverzichte auf ihre insgesamt überdimensionierte Panzerwaffe und Artillerie sowie auf den hohen Mechanisierungsgrad. Auch Rückführungen des Kriegsbrückengerätes, deutliche Veränderungen im logistischen System und die Festlegung von Obergrenzen für die Rüstungsproduktion könnten die defensive Ausrichtung der östlichen Seite dartun. Vor allem die realen praktischen Konsequenzen geben Aufschluß über die Frage, ob das Kriegführungskonzept des sowjetischen Generalstabs offensiv oder defensiv orientiert ist. Bisher jedenfalls hat der Kreml keine konkrete Anhaltspunkte genannt wie seine bisherige Offensivstrategie in eine Defensivform neuer Qualität umgewandelt werden soll. Reale militärische Maßnahmen stehen nach wie vor aus. Solange sie nicht als entscheidendes Kriterium für die als umwandelbar defensiv bezeichnete Politik zur Verteidigung des Sozialismus gelten, steht der Verteidigungsanspruch auf schwachen Füßen. Die interne sowjetische Diskussion über die Frage des ausreichenden Niveaus für die Verteidigung läßt erkennen, daß einige Autoren der offiziellen Ansicht entgegentreten, die geforderte Zielsetzung sei bereits mit der derzeitigen Struktur der Streitkräfte des Warschauer Pakts verwirklicht. Sie verfolgen konstruktive Ansätze und interpretieren Sicherheit und Stabilität in Europa auf neue Weise. Eine der wichtigsten Anregungen von dieser Seite lautet, daß Struktur und Operationskonzept der Streitkräfte mit dem erklärten Defensivcharakter der zugrundeliegenden Absicht

35

in Übereinstimmung gebracht werden müssen. Die Einstellung dieser Autoren zum Problem der Hinlänglichkeit ist, gewisser Vorbehalte ungeachtet, auch im Westen diskussionsfähig. Angesichts der Tatsache, daß gegenwärtig die politischen Signale im Ost-West-Verhältnis weit deutlicher als noch vor wenigen Jahren die Botschaft der Entspannung, Kooperation und Vertrauensbildung ausdrücken, gilt es, in naher Zukunft die Weichen zu stellen auf konkrete praktische Schritte, die zu militärischer Stabilität und Sicherheit in Europa auf einem möglichst niedrigen, aber ausgewogenen Niveau der Rüstung führen. Ist die sowjetische Führung bereit, in dieser Richtung voranzuschreiten? Bei aller Schwierigkeit und Sensibilität der Abrüstung erscheint es unter den geltenden Rahmenbedingungen unerläßlich, die UdSSR auf die Diskrepanz zwischen ihren Worten und Taten hinzuweisen. Neben der Militärdoktrin und der Militärstrategie stehen dabei die Fragen der wirtschaftlichen Kooperation und der Menschenrechte im Mittelpunkt des Interesses. Gefahren und Risiken, Unwägbarkeiten und Hindernisse bestehen nach wie vor. Zu überschäumendem Optimismus besteht nach Lage der Dinge genauso wenig Anlaß wie zu übersteigertem Mißtrauen und zum Verharren in überholten Positionen. Realistische Vorschläge auf der Basis bisheriger Zugeständnisse, als da sind Anerkennung der Überlegenheit bei Kampfpanzern, Bereitschaft zu asymmetrischen Rüstungsreduzierungen, Akzeptanz des Prinzips gemeinsamer Obergrenzen, Verifikationsvereinbarungen und ein sich abzeichnendes differenzierteres Herangehen an das Prinzip der Hinlänglichkeit77 - und vor allem ein entsprechendes Verhalten von seiten des Warschauer Pakts sind dringend notwendig. Die NATO benötigt für die kommenden Jahre ein ini-

46

tiatives, flexibles, realitätsbezogenes und nicht nur militärisch fundiertes Verhandlungskonzept.

37

Anmerkungen Enzyklopädisches Militär-Lexikon (im weiteren mit EML abgekürzt), Moskau 1986, S. 240. Siehe auch Dokument 5. 2

Ebenda.

3

Ebenda.

4

Ebenda.

5

Erklärung des Politischen Beratenden Ausschusses der WVO vom 29.5.1987, Über die Militärdoktrin der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages (im weiteren OstBerliner Erklärung), in: Militärwesen, 8/1987, S. 3.

6

Ebenda.

7

Achromeev, S., Doktrin zur Verhütung eines Krieges, zum Schutze des Friedens und des Sozialismus, in: Probleme des Friedens und des Sozialismus, 12/1987, S. 1617. Jazov, D.T., Voennaja doktrina Vars'avskogo dogovoradoktrina zas'c'ity mira i socializma, in: Pravda, 27.7.1987.

9

Vgl. EML, a.a.O., S. 711-712.

10

Vgl. EML, a.a.O., S. 711.

1

Achromeev, a.a.O., S. 1617. Jasjukov, M., Evolution der sowjetischen Militärdoktrin, in: NOWOSTI, 6/1988, 11.4.1988. S. 1. Vgl. auch ders., Koncepcija zas'c'ity socializma i sovremennost', in: Kommunist vooruzennych sil, 19/1987, S. 18-25.

13

Cervov, N., Mogucij faktor 2izn, 2/1988, S. 11.

mira,

in:

Me£dunarodnaja

Näheres hierzu in: A. Krakau, Die sowjetische Präferenz für konventionelle Kriegführung, Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln (fortan: BlOst), Nr. 4 und 8/1988. XJ

Achromeev, Überlegene Militärwissenschaft und Kriegskunst - Faktoren des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg, in: Militärwesen 7/1985, S. 22. Vgl. hierzu den inhaltlich identischen Artikel in Kommunist, 3/1985, S. 49-63.

48

16

Jazov, a.a.O.

17

18 9

Achromeev, Doktrin zur Verhütung eines Krieges a.a.O., S. 1614. Volkogonov, D.A., Militärische Fragen im Programm der KPdSU, in: Militärwesen 4/1987, S. 11. Kokos'in, A., Militärpolitische Aspekte der Sicherheit in den Ost-West-Beziehungen, in: Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament", B 45/1987, vom 7.11.1987, S. 51. Vgl. hierzu auch bei Achromeev, Doktrin zur Verhütung eines Krieges..., a.a.O., S. 1617; Jazov, a.a.O.

20 Vgl. hierzu auch die 1987, a.a.O., S. 13.

Ost-Berliner Erklärung

vom 29.5

Vgl. hierzu Gorbacev, M.S., Perestrojka i novoe mys'lenie, Moskau 1987, S. 143; vgl. auch in seiner Rede vor der 19. Allunionskonferenz der KPdSU am 28. Juni 1988. 22 Vgl. Proektor, D.M., Clausewitz und die Gegenwart, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, 2/1988, S. 142. 23 Rede von Verteidigungsminister Jazov zu Fragen der sowjetischen Militärdoktrin am 29.4.1988, Auszüge davon in BPA-Ostinformationen, 2.5.1988, S. 30. 24 GorbacW, Perestrojka, a.a.O., S. 143. 25

Pfeiler, W. Hat das sowjetische "neue politische Denken" auch zu einem neuen militärischen Denken geführt?, in: Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament", B 44/1987, v. 31.10.1987, S. 29.

26

GorbacW, Perestrojka, a.a.O., S. 144; vgl. hierzu beispielsweise Achromeev, Doktrin zur Verhütung eines Krieges..., a.a.O., S. 1616; Rede Jazovs am 29.4.1988, a.a.O., S. 30.

27

Vgl. die Rede Jazovs am 29.4.1988, a.a.O., S. 32.

28

Jazov, in: Pravda vom 27.7.1987.

29

Vgl. u.a. bei Lus'ev, Vysokaja boevaja gotovnost' Sovetskich Vooruzennych Sil - vaz'nejs'ij faktor zas'c'ity socializma (Eine hohe Kampfbereitschaft der sowjetischen Streitkräfte ist der wichtigste Faktor bei der Verteidigung des Sozialismus), in: Voenno-istoric'eskij gurnal 6/1987, S. 13.

49

30

Vgl. hierzu auch Skorodenko, P., Voennyj paritet i princip razumnoj dostatoc'nosti, in: Kommunist vooru^ennych Sil, 10/1987, S. 14f.

31

Achromeev, Überlegene Militärwissenschaft kunst..., a.a.O., S. 22.

32

EML, a.a.O., S. 712. Vgl hierzu auch Jazov, Na strafe socializma i mira, Moskau 1987, S. 26-38.

33

Achromeev, Doktrin a.a.O., S. 1619.

34

Kostev, G., a.a.O., S. 10.

35

Jazov-Rede am 29.4.1988, a.a.O., S. 31

36

Vgl. Savjalov, I., Der VerteidigungsCharakter der sowjetischen Militärdoktrin, in: Militärwesen 9/1981, S. 6.

37

Vgl. hierzu bei Jasjukov, a.a.O., S. If.

38

Savjalov, a.a.O., S. 9.

39

Vgl. bei Achromeev, Doktrin zur Verhütung eines ges..., a.a.O., S. 1618f.

40

Vgl. hierzu die o.a. Achromeev, Gareev.

41

Achromeev, Doktrin a.a.O., S. 1619.

42

Ebenda.

43

Ost-Berliner Erklärung vom 29.5.1987, S. 3f. Vgl. hierzu auch Kokos'in, a.a.O., S. 51-52; Achromeev, Doktrin zur Verhütung eines Krieges..., a.a.O., S. 1618.

44

Achromeev, Doktrin a.a.O., S. 1619.

45

Vgl. Bericht des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, M.S. GorbacW, auf der XIX. Unionskonferenz der KPdSU, 28.6.1988.

46

Jazov, in: Pravda, 27.7.1987.

zur

Verhütung

zur

Verhütung

Verhütung

Kriegs-

eines Krieges...,

Veröffentlichungen

zur

und

von

KrieJazov,

eines Krieges...,

eines Krieges...,

50

47

Achromeev, Doktrin a.a.O., S. 1618.

48

Vgl. EML, a.a.O., S. 20; Kostev, G., Two Policies - Two Doctrines, in: Soviet Military Review, 5/1988, S. 4.

49

EML, a.a.O., S. 20.

50

GorbacW, Perestrojka, a.a.O., S. 214.

zur Verhütung

eines Krieges...,

*** Jazov, Über das militärische Kräftegleichgewicht und die Raketenkernwaffen-Parität, in: Neues Deutschland, 10.2.1988; vgl. ders., in: Pravda, 8.2.1988. 52 Ebenda. 53 54

Ost-Berliner Erklärung, a.a.O., S. 4 Ebenda, S. 5 Vgl. hierzu Zurkin/Karagonov/Kortunov, Ausreichende Verteidigungsfähigkeit oder Wie kommt man aus dem Teufelskreis?, in: Neue Zeit, 40/1987, S. 13-15; Rundtischgespräch mit Mil's'tein/Makarevskij/No^in/Astaf 'ev, Über vernünftige Obergrenzen, unstabile Parität und die internationale Sicherheit, in: Neue Zeit, 27/1987, S. 18-21; Kokos'in/Larionov, Kurskaja bitva v svete sovremennoj oboronitel'noj doktriny, in: MEMO 8/1987, S. 3240; Kokos'in, Militärpolitische Aspekte der Sicherheit in den Ost-West-Beziehungen, in: Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament", B 45/1987, S. 45-52.

56

Kokos'in/Larionov, a.a.O., S. 32. Ebenda, S. 40. Vgl. zur Person von Kokos'in und Larionov den Beitrag von H.-H. Schröder, Gelesen, kommentiert... 7/1988, BlOst v. 4.7.1988. In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, daß Larionov Generalmajor und Doktor der historischen Wissenschaften ist und als Professor an der Generalstabsakademie der sowjetischen Streitkräfte lehrt.

58

Vgl. Armeegeneral Heinz Keßler, zitiert nach Volksarmee 22/1988; Vgl. Achromeev, Doktrin zur Verhütung eines Krieges..., a.a.O.

59

Siehe hierzu auch die Erklärung des Warschauer Paktes zu den Verhandlungen über die Reduzierung der Streitkräfte und konventionellen Rüstungen in Europa vom Juli 1988 bei der Gipfelkonferenz in Warschau.

51

60

Rede Schewardnadses vor der UN-Vollversammlung am 8.6.1988, zitiert nach BPA/Ostinformationen, 10.6.1988, S.13. Vgl. hierzu auch die Erklärungen GorbacWs in seiner Rede vor dem polnischen Parlament am 11.7.1988.

61

EML, a.a.O., S. 711-712 auch ebenda, S. 425-426.

62

Ebenda.

63

EML, a.a.O., S. 711 (Strategische Offensive).

64

Gareev, M.A., in: Krasnaja zvezda, 23.6.1987.

(siehe

Dokumentation); vgl.

65

Achromeev, Doktrin a.a.O., S. 1622.

66

Vgl. hierzu Volksarmee 13/1988, Zitate aus Jazov, Na straz'e socializma i mira (Auf Wacht für Sozialismus und Frieden), Moskau 1987, S. 26-38.

67

Vgl. hierzu u.a. Jazov, in: Pravda, 27.7.1988.

68

Volkogonov, a.a.O., S. 15.

69

Savjalov, a.a.O., S. 10; vgl. hierzu Lenin, Werke, Bd. 31, Ost-Berlin 1974, S. 517.

70

Wettig, G., Gorbatschows "ausreichende Verteidigung" in der sowjetischen Sicherheitspolitik, Bericht des BlOst 42/1987, Köln, S. 18.

71

Vgl. hierzu Ost-Berliner Erklärung, a.a.O., S. 4; Jazov, in: Pravda, 27.7.1987.

72

Vgl. hierzu Kostev, a.a.O., S. 14; Achromeev, Doktrin zur Verhütung eines Krieges..., a.a.O., S. 1619; Stichwort "Strategische Offensive", in: EML, a.a.O., S. 711; Achromeev, Überlegene Militärwissenschaft und Kriegskunst..., a.a.O., S. 24.

73

Wettig, Zur gegenwärtigen Entwicklung der sowjetischen Militärdoktrin, Bericht des BlOst Nr. 3/1988, S. 4.

74

Vgl. hierzu Krakau, Die sowjetische Präferenz für konventionelle Kriegführung in Europa, Berichte des BlOst Nr. 4/1988 und 8/1988.

75

Siehe die Rede Jazovs, 29.4.1988, a.a.O., S. 33.

76

Lapins, W., Die Auswirkung der sowjetischen Militärdoktrin/Strategie und Abrüstungspolitik auf das Ziel kon-

zur

Verhütung

eines Krieges...,

52

ventioneller Stabilität in Europa, Studie Nr. 29 der Abteilung Außenpolitik- und DDR-Forschung im Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 1988, S. 49. Vgl. hierzu Achromeevs Aussage bei einer Pressekonferenz in Washington am 11.7.1988, in: BPA/Ostinformationen vom 12.7.1988, S. 38.

53

Abkürzungsverzeichnis EML

-

Enzyklopädisches Militär-Lexikon (Voennyj klopedicWkij Slovar, Moskva 1986)

Enci-

IMEMO

-

Institut für Weltwirtschaft und Beziehungen

ISKAN

-

Institut für die USA und Kanada der Akademie der Wissenschaften der UdSSR

MBFR

-

Mutual Balanced Forces Reductions

NATO

-

North Atlantic Treaty Organization

WVO

-

Warschauer Vertrags-Organisation

TVD

-

teatr voennych dejstvij, Strategisches Operationsgebiet bzw. Schauplatz von Kriegshandlungen

internationale

Dokumentation

Ausgewählte Stichworte aus dem Enzyklopädischen Militär-Lexikon der UdSSR (Voennyj Enciklopedic'eskij Slovar)

Moskau 1986

Übersetzung aus dem Russischen: Bernd Bentlin

55

Dokument 1 Voennyj enciklopdiceskij slovar'/Enzyklopädisches MilitärLexikon/2. Ausgabe, Moskau: Militärverlag, 1986 (hinfort: VES), S. 426 MARXISTISCH-LENINISTISCHE LEHRE VON KRIEG UND FRIEDEN, System der philosophisch-ökonomischen und gesellschaftlichpolitischen wissenschaftlichen Kenntnisse, die vom Standpunkt der Arbeiterklasse das Wesen von Krieg und Frieden und die Gesetzmäßigkeiten ihres Funktionierens und ihrer Entwicklung als spezifische Zustände des Lebens und der Gesellschaft sowie ihrer Beziehung untereinander und zu anderen sozialen Prozessen widerspiegeln. Dient als theoretische Grundlage für die Erarbeitung von Wegen und Mitteln zur Aufrechterhaltung eines dauerhaften Friedens auf der Erde und Ausschluß des Krieges aus dem Leben der Gesellschaft. Die Begründer dieser Lehre sind K. Marx und F. Engels. Unter neuen historischen Bedingungen wurde ein wissenschaftliches System von Ansichten zu den Problemen von Krieg und Frieden von W.I. Lenin erarbeitet. Eine weitere schöpferische Entwicklung erhielten sie in den Beschlüssen der Kommunistischen Partei, in der Neufassung des Programms und anderen Materialien und Beschlüssen des XXVII. Parteitags der KPdSU, in den Dokumenten der marxistisch-leninistischen Bruderparteien und in den Vorträgen und Reden M.S. Gorbatschows. Die marxistisch-leninistische Lehre von Krieg und Frieden untersucht die aktuellen Probleme von Krieg und Frieden und der Verhütung eines Weltkrieges mit Atomraketen mit Hilfe ökonomischer, diplomatischer, ideologischer und militärischer Mittel, das Verhältnis von Krieg, Frieden und sozialen Revolutionen, die Prinzipien der friedlichen Koexistenz von Staaten mit unterschiedlicher gesellschaftlich-

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politischer Ordnung u.a. Diese Lehre bildet die unmittelbare weltanschauliche und methodologische Grundlage für die Erarbeitung des außenpolitischen Programms der Kommunistischen Partei. Sie ist ein wichtiges Mittel im Kampf um Frieden und sozialen Fortschritt und ein zuverlässiges Instrument gegen die bürgerliche Militärideologie und den Militarismus.

/

\

57

Dokument 2

VES, S. 425-426 MARXISTISCH-LENINISTISCHE LEHRE VON KRIEG UND ARMEE, wissenschaftliches System philosophischer, ökonomischer und gesellschaftlich-politischer Anschauungen zum Krieg und zum Hauptinstrument der Kriegführung, den Streitkräften. Vermittelt allseitige Kenntnisse über den Ursprung, den sozialen Charakter, die Typen und die Rolle von Kriegen in der Geschichte und über die Gesetze, die ihre Entstehung, ihren Verlauf und ihren Ausgang bedingen; legt die Gesetzmäßigkeiten des Auftretens, der sozialen Natur und der Funktion der Streitkräfte dar. Sie entwickelt sich auf der Grundlage aller Bestandteile des Marxismus-Leninismus und ist die unmittelbare weltanschauliche und methodologische Grundlage der militärischen Theorie und Praxis in den sozialistischen Ländern. Sie findet auch breite Anwendung bei den Kräften, die den Kampf gegen den Imperialismus und für soziale und nationale Befreiung führen. Die Lehre des Proletariats von Krieg und Armee wurde von K. Marx und F. Engels geschaffen. W.I. Lenin hob sie auf eine neue, höhere Stufe, indem er sie um geniale Untersuchungen der Kriege in der Epoche des Imperialismus und um die Verallgemeinerung der Erfahrungen des militärischen Aufbaus und des Bürgerkriegs in Sowjetrußland - des ersten Krieges zur Verteidigung des sozialistischen Vaterlands - bereicherte. Ein wichtiger Beitrag zur weiteren Entwicklung der Lehre sind die von der Kommunistischen Partei in den nachfolgenden Jahren, vor allem während des Großen Vaterländischen Krieges sowie auch in der Nachkriegszeit unter den Bedingungen der Revolution im Militärwesen ausgearbeiteten theoretischen «Thesen. Eine

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weitere Entwicklung nahm die Lehre von Krieg und Armee in der vom XXVII. Parteitag der KPdSU verabschiedeten Neufassung des Programms der KPdSU. Von besonderer Bedeutung ist in der gegenwärtigen Etappe die Aussage über die führende und lenkende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei beim militärischen Aufbau des sozialistischen Staates. Die Lehre von Krieg und Armee zeigt die Notwendigkeit, die Verteidungsmacht der UdSSR und der anderen Länder des Sozialismus und die Kampfkraft ihrer Streitkräfte auf einem Niveau aufrechtzuerhalten, das die entschlossene und vollständige Zerschlagung der imperialistischen Aggressoren gewährleistet. Ihre Aussagen liegen dem Inhalt der Militärdoktrinen der sozialistischen Staaten zugrunde. Sie ist ein wichtiges Mittel im Kampf gegen die idealistische Weltanschauung und das metaphysische Herangehen an die Erscheinungen des Krieges und für die Entlarvung des reaktionären Wesens der Militärtheorien und -doktrinen des modernen Imperialismus .

59

Dokument 3 i

VES, S. 20 AGGRESSION (von lat. aggressio - Angriff), jede im Sinne der UN-Charta ungesetzliche Anwendung bewaffneter Gewalt durch einen Staat gegen die Souveränität, territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates oder Volkes (Nation). Ein schweres internationales Verbrechen gegen Frieden und Sicherheit. Enthält als zwingendes Kriterium das der Erstanwendung bzw. Initiative, des Vorsatzes und der aggressiven Absicht. In der völkerrechtlichen Doktrin gibt es auch die Begriffe indirekte, ökonomische und ideologische Aggression. Die Frage nach der Notwendigkeit, eine allgemeingültige Definition der Aggression auszuarbeiten, wurde erstmals 1933 in der UdSSR gestellt. Die 29. UNO-Vollversammlung (1974) verabschiedete eine Definition der Aggression, in der die Grundthesen der Vorschläge der UdSSR ihren Niederschlag fanden. Die Charta verpflichtet die Mitglieder der UNO, Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beizulegen und sich der Drohung mit und der Anwendung von Gewalt zu enthalten. Eine bewaffnete Aggression liefert einen Grund zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung, wie sie in Artikel 51 der UNCharta vorgesehen ist. Dabei können die Handlungen des Staates, gegen den der Angriff gerichtet ist und der den Aggressor zum Zweck der Selbstverteidigung mit bewaffneter Macht zurückschlägt, auch dann, wenn diese Handlungen offensiv sind, nicht als Aggression gelten. Im Völkerrecht ist die politische, materielle und strafrechtliche Verantwortung für die Aggression vorgesehen. Trotz Ächtung und völkerrechtlicher Beschränkung der Aggression bleibt diese

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ein Instrument der Politik der imperialistischen Staaten in deren Kampf um die Erhaltung ihrer wirtschaftlichen und politischen Positionen auf der Welt und gegen die sozialistischen Staaten und die nationalen Befreiungsbewegungen. Der Imperialismus war und bleibt die Quelle der Aggression. Seine Aggressivität hat sich insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg unter den Bedingungen der Vertiefung der allgemeinen Krise des Kapitalismus und der Einengung von dessen Herrschaftssphäre verschärft. Als Initiatoren und Organisatoren aggressiver Handlungen treten vor allem die großen imperialistischen Staaten mit den USA an der Spitze auf, sowie die von ihnen ermunterten Länder des "kleinen" Imperialismus: Israel, Südafrika u.a. Der aggressiven Politik des Imperialismus dienen ein System von militärisch-politischen Blöcken (NATO u.a.), das sich auf ein weitverzweigtes Netz von Militärbasen stützt, die Militarisierung der Wirtschaft, das Wettrüsten, das Anheizen der internationalen Spannung, sowie verstärkte ideologische Bearbeitung des Personals der Streitkräfte und der gesamten Bevölkerung im Geiste des Antikommunismus, des Chauvinismus, des Rassismus und des Hegemonismus. Die UdSSR, die anderen Länder der sozialistischen Gemeinschaft und die progressiven Kräfte der Welt bekämpfen die imperialistische Aggression und treten für die Schaffung eines wirksamen Systems der kollektiven Sicherheit, für allgemeine und vollständige Abrüstung und für internationale Entspannung ein. Die Ausarbeitung und Verabschiedung einer allgemeingültigen Definition der Aggression entzieht einem potentiellen Aggressor weitgehend die Möglichkeit, einen bewaffneten Angriff und andere aggressive Handlungen unter erfundenen Vorwänden zu rechtfertigen.

61

Dokument 4

VES, S. 301 QUELLEN VON KRIEGEN, die wesentlichen Ursachen und Triebkräfte für das Entstehen von Kriegen; liegen in der antagonistischen Produktionsweise begründet. Die Quellen der Kriege bringen nicht automatisch Kriege hervor. Ihr Entstehen hängt mit den konkreten Widersprüchen zwischen den Staaten und Klassen zusammen. Die Quelle der modernen Kriege ist der Imperialismus. Durch seine Schuld wurden zwei Weltkriege und eine Vielzahl sogenannter lokaler Kriege entfesselt, und es bleibt die reale Gefahr bestehen, daß der Imperialismus einen neuen Weltkrieg entfesselt. Die Vertiefung der allgemeinen Krise des Kapitalismus, die Ungleichmäßigkeit seiner ökonomischen und politischen Entwicklung und die Verschärfung der zwischenimperialistischen Widersprüche und inneren Antagonismen der bürgerlichen Gesellschaft verstärken die Aggressivität des Imperialismus, der bestrebt ist, den Vorwärtsgang der Geschichte mit Hilfe von Waffengewalt aufzuhalten.

33

Dokument 5

VES, S. 240 MILITÄRDOKTRIN, das in einem Staat für eine bestimmte Zeit geltende System von Ansichten über das Wesen, die Ziele und den Charakter eines möglichen künftigen Krieges, über die Vorbereitung des Landes und seiner Streitkräfte auf ihn und über die Methoden seiner Führung. Die Grundaussagen der Militärdoktrin ergeben sich aus der gesellschaftlich-politischen und ökonomischen Struktur des Staates, aus dem Entwicklungsstand der Wirtschaft, der Kriegführungsmittel und der Militärtechnik sowie auch aus der geographischen Lage des eigenen Landes und des Landes (der Länder) des mutmaßlichen Gegners. Die Militärdoktrin hat zwei eng miteinander verbundene und sich gegenseitig bedingende Seiten: die gesellschaftlichpolitische und die militärisch-technische. Die gesellschaftlich-politische Seite umfaßt Fragen, die die methodologischen, ökonomischen, sozialen und juristischen Grundlagen für die Erreichung der Ziele in einem möglichen zukünftigen Krieg betreffen. Sie ist die bestimmende Seite und besitzt die größte Beständigkeit, denn sie spiegelt das Klassenwesen und die politischen Ziele des Staates wider, die über eine lange Zeit relativ beständig sind. Die militärisch-technische Seite beinhaltet entsprechend den gesellschaftlich-politischen Zielen Fragen des unmittelbaren militärischen Aufbaus, der technischen Ausrüstung der Streitkräfte und ihrer Vorbereitung sowie der Bestimmung von Formen und Methoden der Durchführung von Operationen und des Krieges insgesamt durch die Streitkräfte.

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Die Militärdoktrin der führenden kapitalistischen Staaten und vor allem der USA hat einen deutlich ausgeprägten aggressiven Charakter, der die reaktionären politischen Ziele des Imperialismus widerspiegelt. Mit ihrer antisowjetischen, antidemokratischen Ausrichtung zielt sie auf die Lösung der Aufgaben zur Festigung der Herrschaft der Ausbeuterklassen innerhalb der eigenen Länder, auf die Erreichung militärischer Überlegenheit gegenüber der Sowjetunion und der anderen Länder der sozialistischen Gemeinschaft und auf die Ausarbeitung von Methoden zum Führen von Aggressionskriegen zur Eroberung fremder Länder und zur Versklavung und Unterjochung der Völker anderer Staaten. Die sowjetische Militärdoktrin unterscheidet sich inhaltlich grundlegend von der Militärdoktrin der kapitalistischen Staaten. Die gesellschaft-politische Seite der sowjetischen Militärdoktrin fußt auf der marxistisch-leninistischen Lehre und entspringt dem Charakter der Staats- und Gesellschaftsordnung der UdSSR, ihrer leninschen Friedenspolitik, den Grundinteressen des Sowjetvolks und der objektiven Notwendigkeit der kollektiven Verteidigung der Länder der sozialistischen Gemeinschaft gegen die aggressiven Bestrebungen der Kräfte von Imperialismus und Reaktion. Dem Sowjetstaat sind Eroberungskriege aufgrund der Natur des Sozialismus fremd. Deshalb hat die sowjetische Militärdoktrin einen ausgesprochen defensiven Charakter und ist auf die Gewährleistung der Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes und auf die Verhinderung eines Weltkriegs gerichtet. Ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichpolitischen Inhalts der sowjetischen Militärdoktrin sind die wissenschaftlich begründeten Aussagen zur moralisch-

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politischen und psychologischen Vorbereitung der Sowjetmenschen. Der militärisch-technische Inhalt der sowjetischen Militärdoktrin umfaßt einen weiten Fragenkomplex zum Aufbau und zur Vorbereitung der sowjetischen Streitkräfte, zu ihrer Erhaltung in hoher Kampfbereitschaft, zur Vervollkommnung ihrer technischen Ausrüstung und ihres Führungssystems und zur Weiterentwicklung der sowjetischen Kriegskunst, d.h. er definiert die Wege, Mittel und Methoden, mit denen die Streitkräfte die Aufgaben zur zuverlässigen Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes in einem zukünftigen Krieg, falls ein Aggressor ihn entfesseln sollte, vorbereiten und erfüllen. In der Militärdoktrin der UdSSR sind der friedliche Charakter der Außenpolitik des Sowjetstaats und seine ständige Bereitschaft, jedem Aggressor eine entschlossene Abfuhr zu erteilen, miteinander verschmolzen.

65 Dokument 6 VES, S. 711-712 MILITÄRSTRATEGIE (von griech. Stratos - Truppe und ägo -ich führe), Bestandteil der Kriegskunst, deren höchste Ebene, die die Theorie und Praxis der Vorbereitung des Landes und der Streitkräfte auf den Krieg und die Planung und Durchführung strategischer Operationen und des Krieges insgesamt umfaßt. Die Theorie der Militärstrategie untersucht die Gesetzmäßigkeiten und den Charakter des Krieges und die Methoden seiner Führung; sie erarbeitet die theoretischen Grundlagen für die Planung, Vorbereitung und Durchführung strategischer Operationen und des Krieges insgesamt. In der Praxis befaßt sich die Militärstrategie mit der Bestimmung der strategischen Aufgaben der Streitkräfte und der für ihre Durchführung erforderlichen Kräfte und Mittel; ferner befaßt sie sich mit der Ausarbeitung und Verwirklichung von Maßnahmen zur Vorbereitung der Streitkräfte, der Kriegsschauplätze, der Wirtschaft und der Bevölkerung des Landes auf den Krieg, mit der Planung strategischer Operationen, mit der Organisation der Aufstellung der Streitkräfte und ihrer Leitung im Verlauf des Krieges sowie mit der Untersuchung der Möglichkeiten des mutmaßlichen Gegners zum Führen des Krieges und strategischer Operationen. Die Militärstrategie entspringt der Politik und dient ihr. Ihrerseits übt die Militärstrategie einen Einfluß auf die Politik aus. In Kriegszeiten äußert sich die Verknüpfung von Politik und Militärstrategie insbesondere in der Schaffung einheitlicher Organe der militärisch-politischen Führung. Entscheidenden Einfluß auf den Charakter und den Inhalt der Militärstratregie haben die Wirtschaft und die gesellschaftlich-politische Ordnung des Staates.

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Die sowjetische Militärstrategie wird von der Politik der KPdSU und der Sowjetregierung bestimmt und geht von den in der Verfassung der UdSSR gestellten Aufgaben zur bewaffneten Verteidigung der sozialistischen Errungenschaften aus. Ihre Aussagen werden auf der Grundlage der Theorie des Marxismus-Leninismus ausgearbeitet. Die unmittelbare theoretische und methodologische Grundlage der sowjetischen Militärstrategie ist die marxistisch leninistische Lehre von Krieg und Armee. Die bürgerliche Militärstrategie ist von der Politik der herrschenden Kreise bestimmt und dient den Klasseninteressen der Bourgeoisie und den Zwecken der Vorbereitung und Führung von Aggressionskriegen. Ihrem politischen Wesen und ihrer geistig-theoretischen philosophischen Grundlage nach ist sie reaktionär. Die Militärstrategie steht in einem engen Wechselverhältnis mit der Militärdoktrin des Staates und richtet sich bei der Lösung der praktischen Aufgaben nach deren Aussagen. Die Theorie der Militärstrategie stützt sich auf die Angaben der Militärwissenschaft sowie auf die Erkenntnisse und Thesen der Gesellschaftswissenschaften, der Naturwissenschaften und der technischen Wissenschaften zur militärischen Problematik. Gegenüber den anderen Bestandteilen der Kriegskunst - der operativen Kunst und der Taktik - nimmt die Militärstrategie eine übergeordnete Stellung ein. Gleichzeitig berücksichtigt sie die Möglichkeiten der operativen Kunst und der Taktik und nutzt die erzielten operativen und taktischen Erfolge zur Lösung der strategischen Aufgaben. /•••

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Die sozialistische Natur des aus der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution hervorgegangenen Sowjetstaates und seiner Armee sowie der zutiefst gerechte Charakter von Kriegen zur Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes haben zum Auftreten einer neuen, wirklich wissenschaftlichen sowjetischen Militärstrategie geführt. Sie bildete sich unter Berücksichtigung der Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und besonders der Erfahrungen beim Kampf gegen die ausländischen Interventen und die innere Konterrevolution heraus. Die Hauptaussagen der sowjetischen Militärstrategie wurden von W.I. Lenin ausgearbeitet. Die Hauptrolle bei der Entwicklung der sowjetischen Militärstrategie spielte die Leitung der Organisation der Landesverteidigung, des militärischen Aufbaus und des strategischen Einsatzes der sowjetischen Streitkräfte durch die Kommunistische Partei. Charakterzüge der sowjetischen Militärstrategie in dieser Periode waren: Entschiedenheit der strategischen Ziele, aktiver offensiver Charakter, sorgfältige Bestimmung der entscheidenden Richtungen und Konzentration der Hauptanstrengungen auf sie sowie die Fähigkeit, die Arten strategischer Handlungen entsprechend der Situation auszuwählen und sie in verschiedenen Kombinationen anzuwenden. Nach dem Bürgerkrieg war die sowjetische Militärstrategie von der Notwendigkeit bestimmt, das Land, das erfolgreich den Sozialismus aufbaute, vor einem drohenden militärischen Angriff von Seiten der imperialistischen Aggressoren zu schützen. Dabei ging die sowjetische Militärstrategie davon aus, daß der Krieg der Verteidigung des sozialistischen Vaterlands die Unversöhnlichkeit und Entschiedenheit des bewaffneten Kampfes bedingen werde, daß der Krieg eventuell langdauernd und von hoher Beweglichkeit sein könne und daß er gegen eine Koalition imperialistischer Staaten geführt werde. Als die

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entscheidende Form strategischer Aktionen wurde der strategische Angriff in Form konsequenter Frontoperationen angesehen, wobei diese in enger Interaktion aller Teilstreitkräfte bei einer entscheidenden Rolle der Landstreitkräfte durchgeführt werden. Diese Ansichten fanden ihren Ausdruck in der Theorie der tiefen Operation. Die bürgerliche Militärstrategie zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich unter den Bediagungen der Verschärfung der allgemeinen Krise des Kapitalismus und des revolutionierenden Einflusses der Existenz des sozialistischen Sowjetstaates auf die Volksmassen. Die Furcht vor einer breiten Teilnahme des Volkes an einem Krieg ließ das Bestreben entstehen, den Sieg durch kleine, bis zum Äußersten mit moderner Kriegstechnik ausgestattete Berufsarmeen zu erringen. Die Militärstrategie des faschistischen Deutschland gründete sich auf die abenteuerliche Theorie vom "Blitzkrieg". In den USA und in Großbritannien ging die Militärstrategie von der entscheidenden Rolle von Kriegshandlungen zur See und in der Luft aus. In Frankreich herrschten in der Militärstrategie ausgesprochen defensive Tendenzen vor. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs bewiesen die völlige Inkonsistenz dieser Konzeptionen. Der Zweite Weltkrieg und der Große Vaterländische Krieg des sowjetischen Volkes bestätigten insgesamt die Richtigkeit der militärischen Theorie und der praktischen Empfehlungen der sowjetischen Militärstrategie. Im Verlauf des Krieges wurde die sowjetische Militärstrategie um die Erfahrung der strategischen Führung von Massenstreitkräften bei der Durchführung von Kriegshandlungen an Fronten von gewaltiger Ausdehnung bereichert. In der ersten Kriegsperiode löste die sowjetische Militärstrategie vor allem Aufgaben der

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Organisation der strategischen Verteidigung. In der zweiten Kriegsperiode ergriff und konsolidierte die Sowjetarmee die strategische Initiative. Die gesamte nachfolgende Entwicklung der sowjetischen Militärstrategie war verbunden mit der Hauptart strategischer Handlungen, nämlich dem strategischen Angriff, der durch aufeinanderfolgende und gleichzeitige Operationen der Gruppen der Fronten durchgeführt wurde, wobei diese eine neue Form der strategischen Handlungen der sowjetischen Streitkräfte waren. Durch diese Operationen wurde die Einkreisung und Vernichtung der Heeresgruppierungen des Gegners vorgenommen und das Endziel des Krieges, die völlige Zerschlagung des Aggressors, erreicht. Die strategische Führung der Streitkräfte erfolgte über das Hauptquartier des Kommandos des Obersten Befehlshabers und den ihm unterstellten Generalstab. Die sowjetische Militärstrategie hat in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges ihre Überlegenheit über die bürgerliche Militärstrategie bewiesen. Seit der Beendigung des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich die Militärstrategie in allen Staaten unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus diesem Krieg und der Neukonstellation der militärisch-politischen Kräfte in der Wert. Von größter Bedeutung für die Entwicklung der Militärstrategie war der weitere militärtechnische Fortschritt. Je nach der sozialen Natur und den politischen Zielen des Staates löste und löst die Militärstrategie unterschiedliche Aufgaben. In den USA, dem führenden Land der kapitalistischen Welt, unterliegt sie dem Ziel der Aufrechterhaltung des Diktats der USA in den internationalen Beziehungen und der Vorbereitung eines Aggressionskrieges gegen die UdSSR und die anderen sozialistischen Staaten. Diesem Ziel diente die Strategie der "massiven Vergeltung", die allein das Führen eines all-

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umfassenden Atomkrieges vorsah. In den sechziger Jahren wurde sie durch die Strategie der "flexible response" abgelöst, die neben strategischen Nuklearwaffen die Schaffung mächtiger konventioneller Streitkräfte vorsah und laut der die Möglichkeit anerkannt wurde, nicht nur einen allumfassenden Atomkrieg zu führen, sondern auch einen begrenzten Krieg mit und ohne Einsatz von Nuklearwaffen. Zu Beginn der siebziger Jahre, als im quantitativen Verhältnis der strategischen Rüstungen der USA und der UdSSR die Parität erreicht war, wurde in den USA die Strategie der "realistischen Abschreckung" (der "realistischen Eindämmung") ausgearbeitet. Zu Beginn der achtziger Jahre schlug die neue amerikanische Administration einen noch gefährlicheren reaktionären Kurs ein, der auf dem Gebiet der Militärstrategie seinen Ausdruck in der sogenannten Strategie des "direkten Gegeneinanders" der USA und der UdSSR auf globaler und regionaler Ebene fand. Ihr Hauptziel ist die Erreichung eines völligen militärstrategischen Übergewichts der USA über die Sowjetunion. Während die USA die Aufstockung ihrer strategischen Angriffskräfte fortsetzen, entwickeln sie in den letzten Jahren forciert konventionelle Waffen und arbeiten neue Methoden für ihren Einsatz aus, wobei sie das Schwergewicht auf die Entwicklung hochpräziser automatisch lenkbarer Waffen legen, die in ihrer Effektivität Massenvernichtungswaffen nahekommen. Die sowjetische Militärstrategie dient entsprechend der Politik der KPdSU und der Sowjetregierung der Sache des Friedens und der Sicherheit der Völker. In ihr fließen der friedliebende Charakter des Sowjetstaates, der Kampf um die Verhinderung eines Weltkriegs und die Bereitschaft, jeden Aggressor entschlossen abzuwehren und die sozialistischen Errungenschaften des Sowjetvolks und der Völker der be-

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freundeten sozialistischen Länder zuverlässig zu verteidigen , zusammen. Entsprechend der sowjetischen Militärdoktrin, die einen ausgesprochen defensiven Charakter hat, ist die Hauptaufgabe der sowjetischen Militärstrategie die Ausarbeitung von Methoden zur Abwehr des Angriffs eines Aggressors und zu seiner nachfolgenden Zerschlagung durch entschlossene Aktionen. Die sowjetische Militärstrategie ist für alle Teilstreitkräfte einheitlich. Sie geht davon aus, daß der Krieg aus einem komplizierten System von untereinander verbundenen strategischen Operationen bestehen kann, darunter Operationen auf kontinentalen und ozeanischen Schauplätzen von Kriegshandlungen, in deren Rahmen Front- und Flottenoperationen, Luft-, Luftverteidigungs-, Luftlande-, Seelande-, Landeabwehr- und andere Operationen durchgeführt werden können. Das Erreichen der Operationsziele ist nur mit vereinten Anstrengungen aller Teilstreitkräfte und Truppengattungen möglich, die in enger Verbindung untereinander vorgehen. Während die sowjetische Militärstrategie den Angriff als die wesentliche Kriegshandlung im Verlauf des Krieges ansieht, anerkennt sie gleichzeitig auch die wichtige Rolle der Verteidigung, darunter der strategischen, die zum Zwekke der Verhinderung oder Abwehr des Angriffs des Gegners, zum Halten bestimmter Territorien, zum Zeitgewinn zur notwendigen Konzentration der Kräfte und zum sparsamen Kräfteeinsatz in den einen Richtungen und zur Herstellung der Überlegenheit über den Gegner in den anderen Richtungen angewandt wird. Für eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg im Krieg hält die sowjetische Militärstrategie auch die allseitige Gewährleistung der Aktionen der Streitkräfte und deren feste zentrale Leitung. Die sowjetische Militärstrategie entwickelt sich entsprechend den Veränderungen



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der militärisch-politischen Lage in der Welt und entsprechend den zunehmenden wirtschaftlichen und moralisch-politischen Möglichkeiten der Sowjetunion und der Länder der sozialistischen Gemeinschaft. Die wichtigste Aufgabe der sowjetischen Militärstrategie unter den gegenwärtigen Bedingungen ist die Ausarbeitung der Probleme der Verhinderung eines Krieges.

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Dokument 7 VES, S. 711 STRATEGISCHE OFFENSIVE, Grundart der strategischen Handlungen der Streitkräfte, die zur Erreichung strategischer Ziele angewendet wird. Wird durch strategische Offensivoperationen der operativ-strategischen und operativen Einheiten und Verbände aller Teilstreitkräfte auf einem oder mehreren Kriegsschauplätzen (strategischen Richtungen) nach einem Plan des Oberkommandos durchgeführt. Durch die strategische Offensive wird die Zerschlagung der strategischen Truppengruppierungen (Kräfte) des Gegners, zuweilen auch das Ausscheiden eines oder mehrer Staaten aus dem Krieg sowie die Einnahme strategischer Räume erreicht, was zu grundlegenden Veränderungen der militärisch-politischen Lage oder zur Beendigung des Krieges führt.

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Anton Krakau "Prevention of War" and "Defence" in the Military Doctrine and Strategy of the USSR Bericht des BlOst Nr. 30/1988 Summary The present analysis deals with the Soviet understanding of "prevention of war" and "defence", the latter being, in the light of the fact that the USSR claims an a priori defensive nature for all its military actions, identical for all practical purposes with the waging of war. Soviet military doctrine and military strategy have never yet been officially presented in their totality. This makes their analysis a tightrope walk between the presentation of straight facts and the interpretation of comments made in Soviet texts pertinent to the topic. The available material does, however, without doubt contain some essential statements on the military doctrine and military strategy of the leading power in the Eastern alliance. A significant part of these may be taken to be of an official nature. The present study is based essentially on publications by Soviet authors, primarily the writings and comments of prominent politicians and military personnel and of experts from institutes involved in Western studies, on official statements, and on the 2nd and latest (1986) edition of the Encyclopaedic Military Lexicon (cf. the documentation in the Appendix). The findings can be summarized as follows: 1. Soviet military doctrine is a political framework into which the leadership sets its actions. It is subject to the dictates of politics. Its formulation in any given period is elaborated by the Defence Council under the chairmanship of the General Secretary and endorsed by the Politburo. Military doctrine is seen as being immutable in its political principles. In terms of its military message, however, it is explicitly subject to change and is thus to be assessed as a dynamic concept. 2. The defensive character of military doctrine and the objective of the prevention of war have recently been playing a more and more important part in the political argumentation of the Soviet leadership. Nevertheless, there is no fundamental transformation of military doctrine to be discerned, at most a qualified adaptation to the requirements of the nuclear age.

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3. The prevention of war has advanced to become the primary and determinant guideline of Soviet security thinking in the nuclear age. 4. "Defence" is to be seen at the military doctrine level as a purely political category in that the basis of all military action is defined as the protection of the USSR's socialist achievements. 5. The Soviet desire to prevent war is directed in particular towards avoiding a strategic nuclear exchange with the U.S. The special conditions of the nuclear age - the realisation that a nuclear war cannot be won and the disastrous consequences that such a conflict would entail - have been the major factor governing Soviet endeavours to obviate a war between East and West. 6. Lenin's theory, borrowed from Clausewitz, that war is the continuation of class politics by violent means, has been modified. Under the conditions of nuclear deterrence, war is seen as no longer being instrumentalizable. 7. In Gorbachev's view, NATO's nuclear deterrent is incompatible with the USSR's demand for "reliable security" and a "world free of nuclear weapons". In this context he speaks of a new "dialectics of strength and security". For Gorbachev, the scrapping of nuclear weapons and other "weapons of mass destruction" is the key to the solution of the present-day security problem. 8. In the Soviet understanding, the prevention of war is assured by the maintenance of the capability to defeat the adversary, defined a priori as the aggressor, on his own territory. In the dialectic context, security and the prevention of war by maintenance of the ability to wage war are to be attained, if possible, at the conventional level. 9. The military capabilities and options of the USSR and of the Warsaw Pact as a whole at present go far beyond those actually required for the pursuit of an exclusively defensive objective. More recent comments by Soviet military staff, however, also refer to the principle of the adequacy of forces for defence, in most cases linking that principle with the traditional objective of assuring "reliable security" by means of "reliable defence". 10. While the socialist ing peace-loving by aggressors, imperialism typified as aggressive,

countries are characterized as benature and thus incapable of being (i.e. the U.S. and its allies) is as the initiator and organiser of

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peace-jeopardizing activities. It is also imputed that the political and military "doctrines" of the U.S. and NATO are geared towards aggressive objectives. 11. Leading Soviet military personalities draw a distinction between the capability of nuclear retaliation and the ability to wage war at the conventional level. The frequently proclaimed restriction of armouries to "reasonable sufficiency" has as yet not progressed past the stage of declarations of intent. It would, however, appear that there is a lively and controversial discussion under way within the Soviet Union, in particular on the subject of "defence" as a form of combat action, on a more strongly defensive orientation of the armed forces, and on the question as to how the principle of "sufficiency" can be implemented on the part of the Warsaw Pact. 12. The main obstacle in the way of any real Soviet renunciation of military superiority and conversion of Soviet armed forces to defensive structures is the theory that military parity - accepted as the norm - is already a reality and that thus the existing situation should not be significantly changed. 13. It would appear from official comments that the proclaimed concept of adequate defence is regarded not just as an objective but also, with reference to the Warsaw Pact, as an already established fact which evidently takes its bearings from the concept of "reliable defence" and must therefore be orientated towards the postulates of that concept. 14. The present-day dispositional structure of the USSR's armed forces is intended to assure "reliable defence". The latter is seen within the terms of reference of the "art of warfare" as a composite of offensive and defensive combat actions to be converted, in terms of operations in the event of a war, into a defence/counter-attack/offensive sequence. 15. It is likely to be difficult to change the USSR's offensive-orientated military strategy conceptions in the direction of a "non-invasion capability". For this purpose/ it would first be necessary to elaborate the asymmetries between the military strategies in East and West, to establish common upper limits for certain components of the armed forces, and to implement radical structural changes. This would» in particular, require the military strategy of the USSR to undergo - though not without certain concessions on the part of NATO - a re-orientation not only in terms of intentions but also in terms of capabilities.

Neuere Arbeiten aus dem Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien Sowjetunion 1986/87 Ereignisse, Probleme, Perspektiven. Carl Hanser Verlag, München/Wien 1987, 379 S. The Soviet Union 1984/85 Events, Problems, Perspectives. Westview Press, Boulder/London 1986, 349 S. Helmut Dahm Sozialistische Krisentheorie. Die sowjetische Wende - ein Trugbild. Erich Wewel Verlag, München 1987, 292 S. Hans-Hermann Höhmann/Gertraud Seidenstecher (Hg.) Die Wirtschaft Osteuropas und der VR China 1980 - 1990. Bilanz und Perspektiven. Verlag Weltarchiv, Hamburg 1988, 648 S. Gerhard Simon (Hg.) Weltmacht Sowjetunion. Umbrüche - Kontinuitäten - Perspektiven. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1987, 260 S. Heinz Timmermann The Decline of the World Communist Movement. Moscow, Beijing, and Communist Parties in the West. Westview Press, Boulder/London 1987,275 S. Osteuropa und der internationale Kommunismus: Band 17: Benjamin Pinkus/Ingeborg Fleischhauer Die Deutschen in der Sowjetunion. Geschichte einer nationalen Minderheit im 20. Jahrhundert. Bearbeitet und herausgegeben von Karl-Heinz Ruffmann. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1987, 599 S. Band 18: Joachim Glaubitz/Dieter Heinzig (Hg.) Die Sowjetunion und Asien in den 80er Jahren. Ziele und Grenzen sowjetischer Politik zwischen Indischem Ozean und Pazifik. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1988, 370 S.