Michael. Imaginationen eines Erzengels 3856361782, 9783856361785

Von allen Engelwesen, die die christliche Überlieferung kennt, steht Michael dem Menschen am nächsten. Er trat durch Wun

529 107 50MB

German Pages 140 [142] Year 2007

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Michael. Imaginationen eines Erzengels
 3856361782, 9783856361785

  • Categories
  • Art

Citation preview

1A

~ 669

ed Krüger

508

Michael Imaginationen eines Erzengels

Von allen Engelwesen, die die christliche Überlieferung kennt, steht Michael dem Menschen am nächsten. Mit Schwert und Lanze kämpft er gegen den Drachen, verjagt die Dämonen der Furcht, die den Menschen überwältigen, fordert auf, Lähmung und Hindernisse zu überwinden, gibt Seelentrost und Lebensorientierung.

Manfred Krüger entfaltet die Facetten des Erzengels Michael als Drachenbezwinger, Seelenwäger und Weltenrichter in seiner historischen wie auch zukunftsweisenden Rolle für den Menschen auf seinem geistigen Entwicklungsweg. Illustriert wird dies durch eine Vielzahl bedeutender Kunstwerke aus nahezu zwei Jahrtausenden.

ISBN 978-3-85636-178-5

11111111111111111

III III III IIII

Manfred Krüger

Michael Imaginationen eines Erzengels

PFORTE

Für Ko rrekt uren und Hinweise danke ich meiner Frau Christine Krüger und besonders dem Lektor des Pforte Verlags, Manfred Ch rist, der auch dem Buch seine Ersche inungsform gegeben hat.

Umsch lagvorderseite : Raffael, Michael besiegt den Drachen, Paris, Musee du Louvre. Frontispiz: Erzengel Michael, Wandmosaik, um 545 . Ravenna , San Vitale, Apsis. Alle Rechte, besonders der Übersetzung sowie des auszugs weisen Nac hdrucks und der ·elektronischen und fotomech anischen Wiedergabe, vorbehalten . © 2007 Pfo rte Verlag, Dornach

Satz : Verlag Druck und Verarbeitung: Greiserdruck, Rastatt Printed in Germany ISBN 9 78-3-85636-178-5 www.pforteverlag.com

Inhalt

Vorwort Einleitung

7 9

Michael - Lenker der geistigen Hierarchien, Träger der göttlichen Weisheit

Michael - Herrscher im Herbst

9

13

Drachenbezwinger und Seelenwäger

13

Der Erzengel Michael in der freien Reichsstadt Nürnberg

19

Veit Stoß - Der Seelenwäger in der Nürnberger Lorenzkirche

19

Michael Wolgemut - Michael als Drachenkämpfer und Seelenwäger Albrecht Dürer - Michael in der Apokalypse Michael als Hüter der Schwelle

25

28

Michaelisches Denken - Aufbruch zur Freiheit Der innere Kampf mit dem Drachen

35

35

«Die Herzen beginnen, Gedanken zu haben»

37

Das Fest des Erzengels Michael im Jahreslauf

41

22

Das Wunder von Chonae

47

Die Erscheinungen am Monte Gargano Michael in der Kunst

51

57

M ichael, «princeps aetherius»

57

M ichael, den Drachen zu seinen Füßen

61

M ichael in der Apokalypse des Johannes M ichael und der Teufel

68

73

Brüder Limburg - Kampf über dem Mont-Saint-Michel

80

M ichael beim Jüngsten Gericht und der Weltgerichtsaltar von Rogier van der Weyden Perugino - Michael als jugendlicher Held Raffael - Feuer auf Erden

92

94

Tintoretto - Kampf um die himmlische Frau

98

Ti Iman Riemenschneider - Die Kraft der Verehrung Ernst Barlach - Der Geistkämpfer

101

104

Walther Kniebe - Kampf zwischen Licht und Finsternis Siegfried Pütz - Vom sozialen Wirken der Kunst

Überschau

115

Anmerkungen Literatur

83

121

128

Verzeichnis der Künstler und ihrer Werke

134

111

106

Vorwort

Michael ist neben Gabriel die bekannteste Wesenheit aus dem Reich der Himmel. In zahlreichen Kirchen findet man Darstellungen, zumeist im Westbereich. Im alten Israel sah man in ihm das Antlitz Jahwes. Nach der Zeitenwende wurde er zum Antlitz Christi. Im Mittelalter erblickte m~n in ihm den Führer aller himmlischen Heerscharen, den Drachenkämpfer und Seelenwäger. Solche Bilder werden in der Meditation zu lebendigen Imaginationen und rufen die Seele zur Geistorientierung - auch heute.

Wie auf Erden Johannes der Täufer, so schreitet Michael in der Geistwelt Christus voran. Suchenden Seelen weist er die Richtung. Der Blick auf den heiligen Erzengel Michael - im Denken und in der Kunst - kann die Empfänglichkeit für das im Neuen Testament angekündigte Ereignis der Wiederkehr Christi fördern. Dem möge dieses Buch dienen. Manfred Krüger

7

Einleitung

Michael - Lenker der geistigen Hierarchien, Träger der göttlichen Weisheit

Michael ist ein Erzengel. Erzengel sind Lenker der Völker. Daniel

erblickte in ihm den Volksgeist Israels. 1 Als Anführer der Heerscharen des Herrn erschien er vor J osua. Aber Michael ist nicht nur für ein Volk zuständig. Deutsche Könige und Kaiser haben ihn innig verehrt, und auch die Rede vom «deutschen Michel» legt eine besondere Nähe zum deutschen Volksgeist nahe. Otto der Große hat im Jahre 9 55 in der Schlacht auf dem Lechfeld mit Michael im Feldzeichen die Ungarn geschlagen. Die StadtJena gestaltete im 13.Jahrhundert mit dem heiligen Michael ihr Siegel.

In Frankreich wird Michael nicht weniger innig verehrt. Johanna, die Jungfrau von Orleans, hat ihn geschaut und seine Stimme vernommen. Durch sie hat Michael die Engländer während des Hundertjährigen Kriegs vom europäischen Festland vertrieben, sodass Frankreich zu sich selber erwachen konnte.

Ältestes Siegel der Stadt Jena, wohl Ende 13 . Jh.

Doch Michael ist mehr als ein Volksgeist; er ist auch Zeitgeist, aus dem Ursprung wirkend. 2 Als Zeitgeist wirkt er völkerübergreifend für die Freiheit als Menschheitsziel.

9

Erscheinung des Erzengels Michael vor Josua,

zweites Viertel 13. Jh . Uspenskij-Kathedrale des Moskauer Kreml (oben). Michael, Wandmosaik, circa 549 n. Chr. Ravenna,

Sant' Apollinare in (lasse (gegenüber links). Michael als Herrscher, Grubenschmelzplatte vom

Schrein des heiligen Maurinus, um 1170. Köln, St. Pantaleon (gegenüber rechts) .

10

Im Rang unter ihm befinden sich die Engel, die im Menschen Ideale wecken. Über ihm walten sieben höhere Hierarchien und die göttliche Trinität.3 Das sind zunächst die Archai (principatus), die als «Fürsten» die unterste Triade der Engelhierarchien anführen. Sie werden auch «Zeitgeister» und «Geister der Persönlichkeit» genannt, weil sie ursprünglich und wesenseinig mit dem Menschen verbunden sind. Die Exusiai (potestates - Gewalten) wirken aus ihrem Eigensein strukturbildend. Nach Rudolf Steiner verleihen sie dem Menschen die Ich-Organisation. In der Bibel heißen sie Elohim. Vor allem mit ihnen und durch sie hat Gott die Menschenform erschaffen. Mit den Dyn:imeis (virtutes Kraftgeister oder Tugendwächter) und den Kyriotetes (dominationes - Herrschaften) bilden sie die zweite Hierarchie. Im unmittelbaren Anblick der göttlichen Trinität walten _Throne als Willensgeister, Cherubim als Erkenntnismächte und Seraphim als Liebewesen. Michael als «Antlitz Christi» ist zugleich das «Antlitz» der drei mal drei Engelchöre.4 Obgleich dem Rang nach ein Erzengel, ist Michael nicht nur der Lenker der Engel, sondern auch der höheren Hierarchien, wie dies in mehreren mittelalterlichen Hymnen zum Ausdruck kommt. So heißt es in Alkuins Michael-Sequenz:

11

Du führest die himmlischen Scharen, erbatest zum Heile der Menschen die Führung der Engel von Gott 5 Und die Weihinschrift eines Altars beginnt mit den Worten: Der Führer im Reigen der Engel, der oberste Lehrer der Weisheit vom ewigen göttlichen Reiche, der Höchste in himmlischen Höhen, Michael[ ... ]

Alkuin, um 800 6 Michael kann Lenker aller Hierarchien sein, weil sich in ihm die Weisheit Gottes offenbart. Er verkörpert den Willen Christi. Als Träger der göttlichen Weisheit ist er «Verwalter der kosmischen Intelligenz». 7 Eine Hymne aus dem 10. Jahrhundert beginnt mit den Worten:

Niccolo di Liberatore, genannt Alumno (um 1430-1502), Michael als Herrscher, 1465 . Hannover, Landesmuseum.

12

Michael, hütender Träger verborgener himmlischer Weisheit! 8 Michael ist nicht die göttliche Weisheit, aber er trägt sie zum Menschen, damit der Mensch sich ihr angleiche. Michael ist nicht die kosmische Intelligenz, aber er verwaltet sie - für den Menschen, damit sich sein Denken wieder kosmisch orientiert. Im Blick auf Michael, im Bedenken der Frage «Wer ist wie Gott? » macht sich die Seele auf den Weg zu Gott. Der Weg ist der Logos. Michael ist sein Antlitz.

Michael Herrscher im Herbst Drachenbezwinger und Seelenwäger

Am Tor des Todes steht Michael, der Sonnenerzengel. Begrenzt von diesen Toren mit ihren himmlischen Wächtern spannt sich der Bogen des Lebens. Gabriel und Michael bezeichnen die Urpolarität der Seele. Am Tor der Geburt steht Gabriel, der Erzengel des Mondes.

Der Erzengel der Sonne steigt auf in seiner Macht, wenn die Kraft der Sonne abnimmt. Im Jahreslauf ist Michael der Lenker der Herbsteszeit. Mil seinem Lichtschwert deutet er auf die geistige Sonne (siehe s. 119). Blätter fallen. Die Natur zeigt vor allem Todesprozesse, wenn Michael den Jahreslauf beherrscht. In dieser Zeit ist der Mensch aufgerufen, mit dem Blick auf die Sterbeprozesse in der Natur erhöhtes IchBewusstsein auszubilden. Das Ich hat aber zwei Seiten: ein niederes und eine höheres Wesen. Die Doppelheit ist im zweischneidigen Schwert Michaels symbolisiert. Michael weiß den Weg zum höheren Ich. Der erkennende Mensch bildet in Winterstimmung: Geistbewusstsein, in Frühlingsstimmung: Selbstbewusstsein, in Sommerstimmung: Naturbewusstsein und in Herbstesstimmung: Ichbewusstsein.

13

Michael als Drachenkämpfer, Perikopenbuch,

St. Erentrud, Salzburg, um 1140. München, Bayerische Staatsbibliothek.

Das Ich umgreift Geist, Selbst und Natur. Geist, Selbst und Natur sind gegeben; das Ich ist auszubilden. Diese Bildung beginnt mit Selbsterkenntnis. Darum stand am Tempel zu Delphi als Leitsatz der Philosophie: «Erkenne dich selbst.» Die Selbsterkenntnis zeigt: Die vier Erkenntnisstimmungen sind nicht naturnotwendig an die entsprechende Jahreszeit gebunden. Die Seele kann auch im Sommer Geistbewusstsein entfalten und Winterstimmung erleben. 9 Der Blick auf die Sterbeprozesse im Herbst kann im Menschen Furcht erzeugen. Als Erzeuger der Furcht gilt schon immer der Drache als Geist der Hindernisse. Der Drache bleckt die Zähne. Aber Michael hat ihn unter seine Füße gebracht. Und der Mensch? 14

Im Sommer wirkt der Drache im Verborgenen. Mit der Schönheit der sich entfaltenden Natur täuscht sich der Mensch darüber hinweg. Das menschliche Sommerbewusstsein ist Naturbewusstsein, das sich in den Kosmos weitet. Das Selbst verliert sich. Die Furchtstimmung im Herbst ist Folge der sommerlichen Drachenwirkung. Michael stößt dem Widersacher die Lanze in den Rachen. Mit ihr hält er ihn am Boden. Aber er tötet ihn nicht. In älteren Darstellungen der bildenden Kunst schaut er meistens über ihn hinweg, beispielsweise in Saint-Gilles-du-Gard oder in der Vorhalle der Michaelskirche zu Schwäbisch Hall (siehe S. 65). Der füitrachter solcher Bilder mag daraus für seine eigene Lebensorientierung lernen, weniger aufVerfehlungen zu blicken (woraus Lähmung entstehen kann) als auf Ideale, um mit deren Hilfe die Verfehlung künftig zu vermeiden - also nicht den Drachen anzustarren, sondern auf Michael zu blicken, wie es folgender Spruch zum Ausdruck bringt:

Michael als Drachenbezwinger. Abteikirche

Saint-Gilles-du-Gard, 12. Jh.

Kämpfen sollen und wollen wir. Aber es ist ein Unterschied, Ob wir gegen das Böse, Oder für das Gute kämpfen. Ob man im Kampf gegen die Medusa Ihr ins Auge sieht Und durch ihren Blick erstarrt, Oder ob man Apollo ins Antlitz schaut Und von ihm die Kraft empfängt, Die Medusa zu bezwingen. 10

15

Die Herbst-Imagination - Michael, der den Drachen besiegt- ist aus alten Zeiten überliefert. Die Griechen blickten auf Apollon, der den Python-Drachen zu Delphi getötet hat. Rudolf Steiner hat gezeigt, wie dem mythischen Bild im Erdgeschehen der Meteoreisenfall im Spätsommer entspricht. 11 Der Prozess spielt sich aber auch mikrokosmisch ab, bei der Eisenbildung im Blut. In beiden Fällen ist Michaels Schwert wirksam. Schwert und Lanze weisen auf das höhere Ich in der Seele. Andrea della Robbia

(1435- 1 525); Michael als Seelenwäger, Terracotta,

um 1475 . Prag, Nationalmuseum.

16

In der äußeren menschlichen Kultur hat das Eisen - neben mancherlei Annehmlichkeiten - noch immer Tod und Verderben gebracht. Eisen bewirkt Furcht. Als Schwert und als Lanze Michaels, als das vom Geist gezähmte Eisen, bewirkt es das Gegenteil. Es macht Mut.

Michael wirkt nicht, wie in alten Zeiten Jahwe, auf den Willen, sondern auf das selbständige Denken. Denn er hat sich gewandelt vom «Antlitz Jahwes» zum «Antlitz Christi». Als Diener des Logos möchte er das Geist-Ich im Menschen entzünden, zunächst im Denken, von wo dann Gefühl und Wille ergriffen werden. Michael-Zeit ist DenkZeit. Michaelisches Denken ist aber nicht bloßes Gedanken-Haben, sondern selbständiges, kraftvolles Denken. Nur ein Denken, das vom Willen befeuert ist, kann auf den Willen zurückwirken und den Geist zum Selbst bilden. Der Name des Erzengels ist zu verstehen als fortwährender Frageruf an den Menschen: Wer ist wie Gott? Diese Frage, die aus seinem Wesen spricht, ist für ihn der Maßstab, wenn er die Seelen wägt. Das ist die andere Imagination Michaels: der Erzengel mit der Waage. Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde. Der Verführer rückte ihn aus der Wesensmitte. Wenn er der Weisung Michaels folgt und sich selbst wieder in die innere Mitte rückt, wird er die Gewichte auf der anderen Waagschale hochdrücken können. Der heilige Michael verkörpert die Gerechtigkeit Christi, des Weltenrichters. Das zeigen die zahlreichen Bilder des Erzengels mit der Seelenwaage: am Lebensende, beim Jüngsten Gericht oder als Hüter der Schwelle, wie etwa bei Veit Stoß in seiner Darstellung des Erzengels in der Nürnberger Lorenzkirche (siehe S. 20f.). In der einen Hand hält er die Waage, in der anderen das Schwert, mit dem er die dämonischen Mächte bedroht. Die Seelenwaage ist als Imagination schon aus dem alten Ägypten überliefert. 12 Wer die Wägung übersteht, wird von Michael ins göttliche Licht geführt. Das gilt aber nicht erst beim Tode oder für das Jüngste Gericht. Es gilt jetzt schon im Erkenntnisleben auf Erden. In christlicher Zeit tritt Michael an die Stelle des Hierophanten. Dieser führte in alter Zeit unfreie Seelen. Michael- als Hüter der Schwelle -

Michael als Seelenwäger,

schwäbisch, um 1500. Frankfurt am Main, St. Bartholomäus (Dom). Die Personifikation der Laster ist mit einem Mühlrad beschwert, die

schwerer.

17

führt, indem er den Weg eröffnet. Er ist den Menschen Vorbild, sofern sie in selbständigem Denken und Handeln auf dem Wege zur Freiheit sind und in sich - zu den drei Seelenkräften Denken, Fühlen und Wollen - das vierte Prinzip ausbilden: das Ich im Denken als «Kraft der Liebe in geistiger Art». 13

Herbst

Sprachlos Stirbt die Natur Feuer auf den Feldern. Eh' die Nacht kommt:

Michael als Seelenwäger, Fresko im Chor der

Denk Figuren. 14

Basilika St. Michael in Altenstadt, 13./14. Jh. Auf der Waagschale des Guten befinden sich zwei Seelen, wohl ein Ehepaar (Adam und Eva?). Die beiden Teufel auf der anderen Seite bemühen sich vergeblich, die Waagschale der

Spuren

Gedanken hinterlassen Spuren im Gehirn.

Laster zu ihren Gunsten zu beeinflus sen.

Engel hinterlassen Spuren in Gedanken.

18

Der Erzengel Michael in der Freien Reichsstadt Nürnberg

Veit Stoß - Der Seelenwäger in der Nürnberger Lorenzkirche

Zum Frühwerk von Veit Stoß (um 1447-1533) gehört der Erzengel

Michael, entstanden vor 1477, an einem Pfeiler der St. Lorenzkirche zu Nürnberg. 15 Die Figur aus Lindenholz, mit Flügeln und Schwert 1,80 m hoch, zeigt sich in ihrer originalen farbigen Fassung und ist aus einem Stamm geschnitzt. Vielleicht befand sie sich ursprünglich auf der Westempore, 16 jedenfalls aber im Westbereich der Kirche, wo die Gläubigen den Erzengel als Beschützer von Reich und Kirche verehrten. Heute hat sie ihren Platz am siebten nördlichen Pfeiler des Mittelschiffs. Der Künstler dürfte etwa 28 Jahre alt gewesen sein, als er sie schuf, also in der Entfaltung seines Ich-Bewusstseins in der an der Sinneswelt erwachenden Seele. Seine Individualität kommt zum Durchbruch. Michael steht auf einer schlanken Säule mit Kapitell, die aus dem späten 15. Jahrhundert stammt. Er holt zum Schlag aus. Daraus ergibt sich eine Drehung der Gestalt mit einem Schritt nach vorne. Der Umhang, das Pluviale, wird dabei hoch gerissen und staut sich unter dem rechten Arm. Über der Brust wird er von einer Fibel zusammengehalten. 19

20

Das Antlitz, rundlich, mit Doppelkinn, hat eine sanfte, kindlich-reine Ausstrahlung. Die Augenlider sind halb geschlossen und um den Mund spielt ein feines Lächeln. Veit Stoß hat Michael mit Schwert und Waage dargestellt. Die Waage ist abhanden gekommen. Das Schwert hält Michael fast waagrecht über dem Haupt. Er holt aus zum Schlag, aber er schlägt nicht. Er ist hier nicht Drachenkämpfer, sondern Seelenwäger im Sinne der Skaldenstrophe: Michael der weise wäget, was sich zeigt als schlecht getan, und all das Gute.

Arn6n~ 1050 17 Die Waage kann man sich so vorstellen, dass sich in der einen Waagschale die Seele mit ihren Tugenden, in der anderen das personifizierte Laster befindet. Das Laster wird oft von einem Teufel unterstützt, der sich an den Schalenrand gehängt hat, um sie zu beschweren. Das erhobene Schwert Michaels bedroht diesen Teufel. Der Teufel oder Dämon wird nicht getötet, sondern verjagt.

Veit Stoß (um 1447-1533) zugeschrieben, Michael als Seelenwäger, vor 1477.

Nürnberg, St. Lorenz .

21

Michael Wolgemut Michael als Drachenkämpfer und Seelenwäger Michael Wolgemut (1433/34-1519), der Lehrer von Albrecht Dürer,

malte um 1490 ein Michael-Epitaph für den Küchenmeister Kaiser Maximilians, Michael Raphael, der 1489 in Nürnberg gestorben war. Das Bild befindet sich in der Nürnberger Frauenkirche. Die Holztafel ist gerundet, das heißt speziell für einen Rundpfeiler angefertigt. Es handelt sich um ein memento mori, denn unten ist ein Leichnam zu sehen, der von allerlei Gewürm zerfressen wird. Über der lateinischen Inschrift kniet links der anbetende Stifter, Michael Raphael. Er ist dem kämpfenden Erzengel ganz nah. Das rechte Knie Michaels scheint ihn zu berühren. Dass er den Namen des Erzengels trägt, wurde von ihm sicher als Verpflichtung empfunden. Der Erzengel ist gemäß seiner doppelten Aufgabe zweimal abgebildet: als Drachenüberwinder und als Seelenwäger. In beiden Fällen sind seine Gesichtszüge eher weiblich als männlich, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt wie bei Veit Stoß. Michael trägt ein langes, weißes Untergewand und einen reich bestickten Umhang. Man erkennt deutlich, dass es sich um nur eine Wesenheit in zwei Situationen handelt. Es gibt aber beachtliche Unterschiede. Das Gewand des Drachenbezwingers hat einen deutlich rötlichen Schimmer. Auch die Flügel sind auf der Unterseite rötlich, während bei dem einen sichtbaren Flügel des Seelenwägers und auf seinem Kleid Grün dominiert. Gibt er im Grün der Hoffnung Ausdruck, dass die Seele erlöst werden kann? Das Rot des Drachenkämpfers deutet vielleicht auf die Anwesenheit der Liebeskraft des Heiligen Geistes. Auch der Gesichtsausdruck der beiden Michaeldarstellungen ist unterschiedlich. Vom Blick des Drachenbezwingers kann sich nicht der Drache, wohl aber der Bildbetrachter getroffen fühlen. Der Seelenwäger

22

schaut nach unten auf die Seele, die in der einen Waagschale sitzt und schwerer ist als der kleine Teufel in der anderen Schale . Direkt unterhalb der teuflischen Schale ist der Kopf des rotgeflügelten Drachen zu sehen, dem Michael die kreuzbewehrte Lanze in den Rachen steckt. Die Zunge windet sich wie eine kleine, rote Schlange um die Lanzenspitze. Der Drache wird nicht getötet. Er wird nicht einmal verletzt. Aber er ist für die geistige Welt besiegt. Der Betrachter möge sich rüsten für den Kampf auf Erden.

Michael Wolgemut (1433/34 - 1519), Epitaph für Michael Raphael, um 1490.

Nürnberg, Frauenkirche .

23

24

Albrecht Dürer Michael in der Apokalypse 1m Jahre 1498 erschien Albrecht Dürers Apokalypse-Zyklus: 15 Holzschnitte, darunter Michaels Kampf mit dem Drachen. Dürer gab sie selbst als Buch heraus mit dem vollständigen Text auf der Rückseite der Blätter - in einer deutschen und in einer lateinischen Fassung. Damit hat er in der Kunstgeschichte ein unübersehbares Zeichen gesetzt. Denn der Holzschnitt erscheint erstmals nicht nur als Illustration eines Textes. Das Bild tritt gleichwertig n_eben den Text. Die Schrift gelangt nicht ins Bild und es gibt auch keine erläuternden Unterschriften.

Die Bilderfolge kann als Einheit betrachtet werden. Das erste Bild zeigt das Martyrium des Johannes. In den vierzehn folgenden Holzschnitten fasst Dürer alle wesentlichen Szenen der Apokalypse zusammen. Da es ihm nicht auf Vollständigkeit, sondern auf das Ganze ankommt, kann er auf die im Mittelalter übliche «addierende» Darstellung weitgehend verzichten. Jedes Blatt steht selbständig für sich und alle vierzehn bilden die höhere Einheit des Zyklus. Dürers Formenreichtum diente Generationen von Künstlern als Anregung. Die virtuose Linienführung hat Heinrich Wölfflin mit einer «Flammenschrift» verglichen. 18 Der Kampf Michaels mit dem Drachen (Offb 12) ist klar und übersichtlich aufgebaut im Spannungsfeld von oben und unten. Gegensätzlich zum «Engelskampf», der auf Erden tobt (Offb 9, sechste Posaune), kämpft Michael in der geistigen Welt. Der geistige Himmel ist dunkel, die Erde, eine heitere Landschaft, hell. Die Teufel werden auf die Erde geworfen. Der Erdbereich samt irdischem Himmel nimmt ein Drittel des Bildes ein und erstreckt sich in die Tiefe hinein. Der übersinnliche Bereich umfasst zwei Drittel. Er wirkt bedrohlich, vor allem durch die gedrängte Fülle im Vordergrund. Dürer betont das Kampfgetümmel. Er zeichnet und schneidet Dramen ins Holz.

Albrecht Dürer (14711528), Michaels Kampf mit dem Drachen aus dem Apokalypse-Zyklus

von 1498.

25

Mit Michael kämpfen drei weitere Engel, davon zwei mit Schwert und Schild, einer mit Pfeil und Bogen. Der Engelsfürst erinnert in seiner Haltung ein wenig an die Darstellung seines Lehrers Wolgemut. Der führende Drache zu Füßen Michaels reißt sein Lügenmaul weit auf und streckt seine spitze, schlangenartige Zunge heraus. Aber der Erzengel durchbohrt seine Kehle mit der langen Lanze, die er mit beiden H änden umfasst, sodass sich die Lüge wohl künftig als Röcheln verbreitet. Im Unterschied zu seinen Mitstreitern zeigt Michael, in weißem Gewand, ein ernstes, sorgenvolles Antlitz. Er blickt über den Drachen hinweg ins Weite. Am Sieg gibt es auch für ihn keinen Zweifel: Alle fünf Drachen stürzen. Die Sorge betrifft den so lichten und friedlichen Erdbereich, auf dem das Teufelsgezücht künftig sein Unwesen entfalten wird. Sind die Menschen für diesen Kampf gerüstet? Man sieht keine Menschen, wohl aber ihre Werke. Die Landschaft mit Bauten, Baumgruppen und Bergen in der Ferne ist durchgestaltet, eine Voralpenszenerie. Die rechte Hälfte nimmt ein großer See ein, auf dem drei Boote mit gerefften Segeln zu erkennen sind. Das erste liegt vor Anker, beim zweiten sieht man deutlich die Ruder. Es ist windstill. Von links ergießt sich ein Fluss in den See. Eine Brücke führt hinüber in eine Ansiedlung, die von einer großen Kirche dominiert wird. Ein Weg führt über einen Hügel zu einer weiteren Kirche, an einem weiten Feld vorbei, in dessen Mitte ein einsamer Baum steht, dem Wind ausgesetzt - Symbol für die auf sich gestellte menschliche Individualität in der Auseinandersetzung mit dem Bösen. Die Perspektive ist von oben gewählt. Der Betrachter darf sich auf der Höhe wähnen. Vertraut, aber fern ist die Landschaft. Ganz anders der Drachenkampf: Er spielt sich ganz in der Nähe ab und ist im Aufblick zu sehen - in innerer Erhebung. Das Bild macht betroffen - mehr noch: Gerade der Kontrast zur fernen Landschaft macht den Drachenkampf 26

zum visionären Erlebnis. Der Betrachter wird solchermaßen einbezogen in die Schau des Johannes auf Patmos. Er spürt: Der Sturm tobt in der geistigen Welt. Der See zeigt das Gegenteil: Flaute. Der Baum im Vordergrund ist von früheren Stürmen gebeugt. Nur Michael ist ganzfigurig gezeichnet. Dennoch hat man von den drei Mitstreitern nicht den Eindruck, als ob sie bloß dienende Engel wären. Man denkt an Gabriel, Raphael und Uriel, die im gleichen Rang stehen. Die großen Vier kämpfen unter der Führung Michaels gegen eine teuflische Fünfheit, die deutlich in Anlehnung an den bekannten Kupferstich von Martin Schongauer konzipiert ist. Vor Dürer gab es niemanden, der Schongauer in der Kunst des Kupferstichs übertroffen hätte. Der junge Dürer hatte sich 1492 - im Zuge seiner vierjährigen Wanderschaft- nach Colmar begeben. Den dort ansässigen Meister traf er nicht mehr an: Er war 1491 gestorben. Aber seine Werke konnte er eingehend studieren. Schongauer gibt der Drachennatur insektenhafte Züge. Sein Drache ist der Herr der Verhärtung, den Rudolf Steiner mit dem altpersischen Namen Ahriman bezeichnet.

Martin Schongauer (um 1450-1491), Michael und der Teufelsdrache, Kupferstich . - Michael

trägt ein Kreuz auf dem Haupt . Die insektenartige Gestaltung des Ungeheuers hat Dürer beeinflusst .

27

Dürer bläht die Körperlichkeit der Drachenwesen gegenüber Schongauer etwas auf. Besonders der mittlere, zweigehörnte Kopf macht eher einen schlaffen, weichlichen Eindruck. Vor allem aber liegt der Drache bei Schongauer besiegt am Boden. Dürer zeigt die Dynamik des Kampfes. Schongauer wendet sich an Zuschauer, Dürer an Mitkämpfer. Erwin Panofsky hat Dürers Apokalypse an die Seite von Leonardos Abendmahl gerückt. Das Werk, schreibt er, «gehört, wie Leonardos Abendmahl, zu den Kunstwerken, die als die unausweichlichen bezeichnet werden können. Diese Werke üben dadurch, dass sie die Überlieferung von Zeitaltern zusammenfassen und weit überschreiten, eine Macht aus, die kein späterer Künstler ignorieren konnte.» 19

Michael als Hüter der Schwelle Da im Westen die Sonne untergeht, wurde von dort schon immer

der Angriff der Mächte der Finsternis erwartet. Der Westbereich romanischer und auch noch gotischer Kirchen wurde daher unter den besonderen Schutz des Erzengels Michael gestellt, in der Romanik teilweise unterstützt durch vorgelagerte«Westwerke», ausgehend von Centula und Corvey. 20 Im westlichen Eingangsbereich hatte Michael demgemäß die Aufgabe eines Hüters der Schwelle. Dies fand Ausdruck nicht nur in Malerei und Plastik, sondern auch in der Architektur: in Chören, die dem Erzengel Michael geweiht sind. An der Stelle der Nürnberger Sebalduskirche stand ursprünglich, seit etwa 1050, eine Peterskapelle. Darum ist Petrus neben Sebaldus der zweite Patron der Kirche. Diese wurde von 1230 bis 1274, also ungefähr zu Lebzeiten des Thomas von Aquin, als spätromanische Pfeilerbasilika errichtet, wobei der Bamberger Dom (geweiht 12 37) teilweise als Vorbild diente.

28

Nach einigen gotischen Umbauten wurde 1361 bis 1372 der spätgotische Hallenchor errichtet. Damit zeigt die Kirche ihre charakteristische Doppelung: den romanischen Westchor und den gotischen Ostchor - und im Langhaus den harmonischen Übergang. In der Vertikalen ist auch der Westchor in sich gedoppelt: Der obere Teil hat im Chorschluss drei Rundbogenfenster und seitlich zwei Rundfenster. Er trägt den Namen Engelschor. Damit war von Anfang an der Erzengel Michael gemeint, der als Schutzgeist des Reichs angese-

hen wurde. Nürnberg war kaiserlich gesinnt. Über die Funktion des Engelschores ist viel gerätselt worden, da er kaum nutzbar ist, und er wurde auch nicht genutzt. Man kommt nur mit Mühe hinauf über eine sehr schmale dunkle Treppe, die verschlossen gehalten wird. In dem kanzelartigen Vorsprung der Brüstung befand sich einst ein Michaelsaltar. Der war aber von unten kaum zu sehen und es heißt, dass an ihm niemals eine Messe oder eine andere heilige Handlung vollzogen worden wäre. Eine Verbildlichung Michaels gab es offenbar nicht, aber die Architektur des Engelschores ist eher reicher als jene des darunterliegenden Westchores, in dem sich ein Katharinenaltar befindet. Es ist nicht unwesentlich, dass dem Erzengel Michael hier ein Chor mit einem Altar errichtet wurde, der offenbar nicht für Menschen geschaffen war. Der Altar war schon im 16. Jahrhundert in Vergessenheit geraten. Aber der Chor wird von jedem Kirchenbesucher wahrgenommen. Man blickt auf - in einen erhöhten sakralen Raum, in dem der Erzengel als anwesend zu denken ist. Da er nicht

St. Sebald in Nürnberg, Engelschor, circa 1253 (oben) .

J. A. Delsenbach, St. Sebald in Nürnberg mit Blick auf den Engelschor, 1715 (gegenüber).

29

Peter Parler (1330 oder

1333 - 1399) zugeschrieben, Westfassade der Frauenkirche in Nürnberg,

1350-1361, mit dem Michaelschor über der Vorhalle (links). Innenraum der Frauenkirche (rechts).

30

im Bilde zu sehen ist, fordert er zum Denken auf: zum lauschenden Denken. Haben wir das innere Gehör für die himmlische Musik, die der Erzengel mit seiner Fanfare und die vielen Engel um ihn herum auf unterschiedlichen Instrumenten erzeugen? Man fühlt sich an den Monte Gargano erinnert, wo nachts in der Michaelsgrotte der Erzengel selbst mit seinen Scharen den Gottesdienst feiert- ebenfalls ohne Teilnahme der Menschen (siehe S. 54). 21 Ein Michaelschor befindet sich auch in der nur wenige Schritte von St. Sebald entfernten Frauenkirche, die als «kayserliche capelle» von Karl rv: (1316- 1378) gestiftet und wohl von Peter Parler (1330 oder 13 33- 13 99) entworfen wurde - ursprünglich als Heiltumsschrein für die Reichskleinodien und -reliquien.

Dieser Michaelschor wurde - traditionell im Westen - als kaiserliche Empore konzipiert, von wo aus der Kaiser am Gottesdienst teilnehmen konnte und von wo aus die Reichskleinodien dem Volk gezeigt werden sollten. Das geschah von hier aus nur einmal: anlässlich der Taufe von Karls rv: Sohn Wenzel im Jahre 1361. In der Mitte der Brüstung ist eine Marienkrönung dargestellt. Der Jungfrau Maria ist die Kirche geweiht. Michael beschützt das Reich, im Besonderen aber auch die Jungfrau mit dem Kinde, die ihrerseits den Menschen Schutz und Fürbitte gewährt.

Peter Pari er (1330 oder

1333-1399) zugeschrieben, Michaelschor der Nürnberger Frauenkirche.

Der Michaelschor in der Frauenkirche dient der kaiserlichen Macht. Gerade aus dieser Sicht gewinnt der Michaelschor in der Sebalduskirche 31

seine esoterische Bedeutung. Er dient weder der kaiserlichen Macht noch dem Zeremoniell der Kirche. Hier lenkt Michael als Hüter der Schwelle den Blick der Menschen aufwärts, in die geistige Welt. Das Reich und die Kirche - Kaiser und Papst: Beide blickten auf Michael als ihren Lenker. Der Architekt des Engelschors von St. Sebald mag an die Pfalzkapelle zu Aachen gedacht haben, wo dem Michaelaltar eine besondere Bedeutung zugeschrieben wurde; im Vordergrund steht diese Tradition in Nürnberg aber nicht. In Corvey diente der Michaelschor dem Kirchengesang. Auch daran hat der Architekt vielleicht gedacht. Aber in St. Sebald blieb es allem Anschein nach beim Gesang der Engel. Der Erzengel Michael in der Nürnberger Sebalduskirche ist hintergründig wohl auch Beschützer von Reich und Kirche; seine Hauptaufgabe hat er aber als Hüter der Schwelle - wie in St. Lorenz und an anderen Orten, an denen er im Westen verehrt wird. Darüber hinaus ist er, in seiner Unsichtbarkeit, vor allem der freilassend Weisende. Seine Weisung lautet: Der menschliche Verstand suche die göttliche Weisheit. - Wer ist wie Gott?

St. Lorenz in Nürnberg, Fensterrad, 1360.

32

Um 13 53, rund achtzig Jahre nach Fertigstellung der spätromanischen Basilika von St. Sebald nördlich der Pegnitz war der gotische Westbau von St. Lorenz südlich der Pegnitz v_ollendet: ohne Chor, aber mit einer Empore, auf die das Licht der untergehenden Sonne durch die große achtgliedrige Rose fällt. Diese Fensterrose ist genau genommen ein Rad, das an die «Räder» der Cherubim erinnert, die Ezechiel geschaut hat. Das dargestellte «Viergetier>> (Adler, Löwe, Stier und Mensch) deutet ebenso darauf hin wie auf die Vierheit der Evangelien. Oben ist das mystische Lamm zu sehen, in der Mitte aber Christus Pantokrator. Auf dieser Westempore, auf der wohl einst gesungen wurde und heute Orgel gespielt wird, befand sich lange Zeit ein Michaelsaltar. Es ist die Vermutung geäußert worden, dass die Michael-Figur des jungen Veit

Stoß (siehe S. 20f.) dort ihren angestammten Platz hatte. M an kann sich die Skulptur in der Mitte der Empore vorstellen. Sie erhält dann ihr Licht vom Christus Pantokrator des Fensterrades. So wird für den Aufblickenden anschaulich, dass Michael Christi «Antlitz» ist. Man erinnert sich an das Weltgericht an der Außenfassade. Da thront Christus als Weltenrichter. Nach innen beleuchtet er als Allherrscher den Erzengel, der jede einzelne Seele wägt.

St. Lorenz in Nürnberg, Westfassade um 1353, nach einem Stich von

J. A. Delsenbach (rechts). Friedrich Geissler, St. Lorenz mit Blick zur Michaelsempore um 1353, Stahlstich, 1835 (links) .

33

Die Westempore von St. Lorenz wurde nicht für den Kaiser gebaut, dem neben der Burgkapelle die Frauenkirche. am nächsten stand, die 13 50 geplant und 13 58 geweiht wurde. Sie diente vor allem der Michaelverehrung, aber nicht so im Verborgenen wie in St. Se bald und nicht so eng mit der kaiserlichen Macht verbunden wie in der Marienkirche. Dennoch schmückt das Wappen Karls IV und seiner Gemahlin Anna von Schweidnitz die Außenseite der Westfassade. Es ist eine Huldigung an den Kaiser, der die Kirche von außen zu schützen hat. Der Kaiser schützt die Kirche, aber Michael schützt die Kirche und den Kaiser. Darüber hinaus sah man in Michael auch den Seelengeleiter: beim Gang über die Schwelle des Todes und so auch schon im Leben beim Gang über die Schwelle der Kirche. In St. Lorenz ist dies wohl seine Hauptaufgabe. Unmittelbar über dem Haupteingang leitet Michael die Eintretenden in den himmlischen Bereich: als Seelenwäger und als Hüter der Schwelle.

34

Michaelisch es Denken Aufbruch zur Freiheit

Der innere Kampf mit dem Drachen Von Rudolf Stein er ist ein Wort über den Erzengel Michael überlie-

fert, das dem Denken als «Stein des Anstoßes» dienen mag: «Im Menschen lebt ein ätherisches Abbild des Michael, das den eigentlichen Kampf im Menschen ausführt, wodurch der Mensch im Michael-Kampfe allmählich frei werden kann, weil nicht Michael den Kampf ausführt, sondern die menschliche Hingabe und das dadurch hervorgerufene Abbild des Michael. In dem kosmischen Michael bleibt immer noch jenes Wesen leben, zu dem der Mensch aufschauen kann und das den ursprünglichen kosmischen Kampf mit dem Drachen eingeleitet hat. » 22 Als «Antlitz Christi» steht Michael von allen himmlischen Wesenheiten den Menschen am nächsten. Er ist selbst «wie der Mensch», weil der Mensch danach strebt, «wie Gott» zu sein. Das Streben, «wie Gott zu sein», ist die einzig angemessene Antwort des Menschen, wenn er dem Erzengel begegnet, dessen Wesen eine Frage ist - die Frage aller Fragen. Die Begegnung erfolgt in wechselseitiger Selbsterkenntnis: «Wer ist wie Gott? » - «Ich bin.» Moses hörte die Antwort noch in den Elementen: «Ich bin der Ich bin». Nach der Hingabe des Sohnes auf Golgatha kann die Antwort nur noch aus der innersten Seele des Menschen kommen: aus dem Ich als Seelenkern.

35

Das Abbild des Michael im Menschen ist keine blasse Vorstellung. Es lebt, mehr noch: Es kämpft. Aber nicht Michael kämpft, sondern die menschliche Hingabe, die Hingabe als Wesen. Es kämpft nicht das «irdische Ich», sondern das Ich in «selbstlosem Selbstbewusstsein», das Ich in der Seele, das Hingabe übt an das makrokosmische Bild des Michael, der den Drachen im Himmel besiegt. Im Himmel ist der Drache besiegt, im Menschen noch nicht. Wo sollte er sich denn hinwenden nach seinem Sturz? Die Natur konnte ihn nicht aufuehmen: Sie ist unschuldig. Die Natur bietet ihm keine Wrrkensmöglichkeit, wohl aber die «gefallene» Natur des Menschen. Der eigentliche Kampf Michaels mit dem Drachen findet daher jetzt im Menschen statt, Tag für Tag und Stunde um Stunde, in denen Entscheidungen für das Gute gefordert sind. Solche Entscheidungen setzen die Hingabe voraus, deren Kraft in der Hingabe Christi ihren Ursprung hat. Weil im Menschen nicht Michael kämpft, sondern sein ätherisches Abbild, wird der Mensch in diesem Kampf frei. Denn die Hingabe an das Bild Michaels kann nur das Ich selbst üben. Über das Bild wird die Kraft des Urbildes im Abbild erlebbar. Das Urbild ist Christus. In Michaellebt Christus als Bild. Der Erzengel ist sein Antlitz. Das Abbild im Menschen lebt in der menschlichen Hingabe als absolut freie Tat, denn es drängt sich nicht auf, sondern wird vom denkenden Ich immer erst hen;orgerufen: Im Aufblick zu jenem großen, zu Herzen gehenden Bild: «Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen.» Offenbarung 12, 7-9 36

«Die Herzen beginnen, Gedanken zu haben» zur Wesenheit des Erzengels Michael haben ihren - fragmentarischen -Abschluss gefunden in seinen Leitsatzbetrachtungen von 1924/25. 23 Sie bilden gewissermaßen sein geistiges Testament. Immer schon sah man in Michael die «Macht, aus der die Gedanken der Dinge erfließen», und Rudolf Steiner schreibt im ersten dieser Michaelbriefe: «Der Name kann beibehalten werden.» Er knüpft, wie immer, an die Tradition an. Rudolf Steiners Forschungen

Es war die Aufgabe Michaels, die kosmische Intelligenz zu verwalten, das bedeutet, die Ordnung im Verhalten der Wesen zueinander zu gewährleisten. Er verwaltete die Ideen, in denen Platon noch Wesenheiten erblickte. Diese Aufgabe hat er im Wesentlichen auch heute noch; aber sie hat sich gewandelt in dem Maße, als der Mensch begann, seine Gedanken als selbsterzeugt zu erleben. Noch im neunten Jahrhundert konnte Johannes Scotus Eriugena sagen: Der Mensch hat zwar Vernunft, aber wenn er denkt, denkt nicht eigentlich er selbst, sondern der Engd in ihm. 24 Und Rudolf Steiner sagte von den Menschen einer älteren Zeit: Sie waren «inspirierte Gedankenbesitzer». Dieses Verhältnis des Menschen zu seinen Gedanken, die er erlebte als von außen in ihn einfließend, änderte sich nicht plötzlich, sondern sehr langsam über Jahrhunderte hinweg, vorzugsweise aber seit dem neunten Jahrhundert und entscheidend dann in der Neuzeit seit dem fünfzehnten Jahrhundert. Immer mehr bekam der Mensch das Gefühl, er bilde selbst seine Gedanken - eine Entwicklung, die in dem berühmten Satz von Rene Descartes gipfelt: «Ich denke, also bin ich.» 25 Der neuzeitliche Denker gründet seine ganze Existenz auf das Selbsterzeugen von Gedanken. «Und dieses Bilden der Gedanken», schreibt Rudolf Steiner, «wurde das Überragende im Seelenleben, sodass die Denkenden das Wesen der Menschenseele im intelligenten Verhalten sahen». 26 37

Das bedeutet für Michael, dass er zusehen musste und wollte, wie die Menschen nach und nach von ihm abfielen. «Michaelabtrünnig» waren im Mittelalter vor allem jene Philosophen, die als Nominalisten bekannt sind: Denker, die das Selbsterzeugen der Gedanken besonders stark empfanden und daher in den Gedanken keinen objektiven Geistgehalt mehr erblicken konnten. Im Gegensatz zu den N ominalisten - unter ihnen Wilhelm von Ockham - hielten die Realisten - unter ihnen Thomas von Aquin - noch am alten Geistgehalt fest, obgleich sie das Selbsterzeugen der Gedanken kaum weniger stark erlebten.

Michael mit zwei Drachen in der

Krümme eines Bischofsstabes aus St. Martin de Mondonedo, Lugo, vergoldetes Kupfer mit Email -Einlage,

13. Jh.

Michael ist kein Geist, der die Entwicklung hemmt. Er folgt dem Strom geistigen Lebens und sucht dementsprechend nach einer Metamorphose seiner kosmischen Aufgabe. Diese Metamorphose hat das Denkerlebnis des Rene Descartes zur Voraussetzung. Daher kann Rudolf Stein er formulieren: «Gerade am Fortgang des Geistesstrebens von Augustinus zu Descartes kann man sehen, wie der kosmische Charakter der Gedankenkräfte sich verliert, und wie dieser dann in der Menschenseele wieder auftritt. Man schaut aber zugleich, wie Michael und die Menschenseele unter Schwierigkeiten sich so zusammenfinden, dass Michael im Menschen leiten kann, was er einst im Kosmos geleitet hat.» 27 Demnach sind Gedanken, die nur empfangen werden, in ihrer Erlebnisqualität für den Aufnehmenden keineswegs als michaelisch zu bezeichnen. Der Gedanke, der übernommen wird, muss erst anverwandelt werden, mehr noch: Er will neu geboren werden - in der Art, wie etwa die Ideen Platons im Werk Plotins zur Neugeburt kommen. 28 Michael fördert keine «inspirierten Gedankenbesitzer» mehr, sondern Selbstdenker. Er ist ein schweigender Geist.

38

Michael als Drachentöter und Seelenwäger, Sforza-Stundenbuch,

Ende 15 . Jh . London, British Museum . - Michael steht mit erhobenem Schwert auf einem großen grünen Drachen mit roten Flügeln und weißen Hörnern. Fünf michaelische Engel werfen eine Reihe weiterer Drachen, grüne und rote, vom Himmel auf die Erde. Die Drachen werden nur besiegt, nicht getötet.

Nur wenn der Mensch selbständig seine Gedanken hervorbringt, wobei er sich inhaltlich an andere Denker anlehnen mag, kann Michael «im Menschen leiten, was er einst im Kosmos geleitet hat».29 Im ersten Michaelbrief heißt es entsprechend: «Vom letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts an will er in den Menschenseelen leben, in denen die Gedanken gebildet werden. » 30

39

Heute käme es darauf an, dass die im Menschen gebildeten Gedanken wieder den Weg ins Spirituelle nehmen. In materialistisch gestimmten Seelen kann Michael nicht leben. Der Neonominalismus, der durch die neuere Naturwissenschaft und Technik gefördert wurde, nimmt ihm den seelischen Lebensraum. Und Michael hindert es nicht; denn er ist nur der «Weiser im höheren Gedankenwesen». 31 Der Weg der neuzeitlichen Entwicklung führte mit Notwendigkeit in den Materialismus. Der Mensch, der die Geistanschauung verlor, musste sich der Sinneswelt öffnen, die seinen Gedanken einen neuen Inhalt gaben. Dadurch gelangte der Mensch auf eine höhere Stufe, die einen Verlust an geistiger Realität bedeutet, aber durch Selbständigkeit und Freiheit gekennzeichnet ist. Die bloße Hingabe an die äußere Welt führt freilich ebenso wenig zur Freiheit wie die alte Hingabe an die höhere Geistwelt. Der Sturz ins Äußere ermöglicht indessen eine Stärkung des Inneren. Rudolf Steiner formuliert im zweiten Michaelbrief: «Aber während das Anschauen dieses Zeitalters sich auf die äußere physische Welt beschränken musste, entfaltete sich im Innern der Seele eine gereinigte, in sich selbst bestehende Geistigkeit des Menschen als Erleben. Diese Geistigkeit muss nun im Michael-Zeitalter nicht mehr unbewusstes Erleben bleiben, sondern sich ihrer Eigenart bewusst werden. Das bedeutet den Eintritt der Michael-Wesenheit in die menschliche Seele.» 32 Michael zwingt nicht. Er ist der Erzengel der Freiheit. Den Menschen aber, die seinen Winken von innen her folgen, befreit er «die Gedanken aus dem Bereich des Kopfes» - wo sie freilich immer erst als selbständige Gedanken erzeugt werden müssen, bevor Michael ihnen den Weg zum Herzen freimachen kann. 33 Der Weg zum Herzen beginnt im Kopfbereich. Nach Rudolf Steiner beginnt Anthroposophie daher immer als Wissenschaft. Aber sie bleibt nicht Wissenschaft. Sie wandelt sich in Kunst und führt schließlich zu religiöser Vertiefung. Das ist die Richtung, in die Michael, der Erzengel, weist. Wer dieser 40

Richtung folgt, kann in seelischer Hingabe leben «an alles, was sich im Gedankenlicht erfahren lässt», 34 und mit Rudolf Steiner empfinden:

«Das Michaelzeitalter ist angebrochen. Die Herzen beginnen, Gedanken zu haben; die Begeisterung entströmt nicht mehr bloß mystischem Dunkel, sondern gedankengetragener Seelenklarheit. Dies verstehen, heißt, Michael in sein Gemüt aufnehmen.»35

Das Fest des Erzengels Michael im Jahreslauf Grundlegend für das Verständnis der christlichen Feste im Jahreslauf ist der Atemrhythmus der Erde. 36 Naturgeistigkeit wird im Sommer von der Erde ausgeatmet, im Winter dann wieder eingeatmet. Im Sommer schläft die Erde, sie tritt nach außen in Erscheinung; geistig hat sie sich hingegeben an den Kosmos. Im Winter ist es umgekehrt: Da saugt sie Geistigkeit ein und wacht, während die Natur erstorben ist.

Im Blick auf diese natürliche Polarität ergeben sich neue Einsichten in die Beziehung der Feste, die mit Christi Erdenleben in Verbindung stehen, zum Jahreslauf. Bedingt durch das Wirken Christi ergibt sich als Festgestalt: Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten. Diese Vierheit umfasst die Zeitspanne der ersten Jahreshälfte. Der Bogen von Weihnachten bis Pfingsten repräsentiert aber im christlichen Festkalender das ganze Jahr, die Einheit der Drei: Aus dem Vatergott erfolgt die Geburt (Weihnachten). Im Gottessohn stirbt die Seele (Tod, Grablegung, Auferstehung, Himmelfahrt). Im Geist erfolgt die Wiedergeburt (Pfingsten). 41

Michael als Drachenkämpfer, Relief vom Tympanon

einer Kapelle von Notre Dame in Nevers, Burgund, zweites Viertel 12 . Jh . Paris, Louvre . - Michael und der Drache bilden ein Dreieck. Das geflügelte Untier liegt waagrecht am Boden . Sein Leib bildet einen Knoten . Michaels rechter Fuß steht auf dem Schwanz, der linke Fuß auf dem Hals des Drachen. Die Lanze steckt mit der Spitze im Maul. Der Erzengel trägt einen Nimbus .

Das Erleben dieser Feste macht die Seele allmählich unabhängig vom natürlichen Jahreslauf, weil sie zur jeweiligen Jahreszeit in einem eigentümlichen Spannungsverhältnis stehen. Der Mensch erlebt innerlich das Gegenteil von dem, was in der Natur geschieht. Im Winter, wenn die N atur erstorben ist, wird das Fest der Geburt gefeiert. Im Frühjahr, wenn neues Leben die Natur erfüllt, ist das Bewusstsein vom Mysterium des Todes erfüllt.37 Gerade wenn sich Christus von der Erde entfernt (Himmelfahrt), kommt die N atur kräftig hervor. Und die Ausgießung des Geistes erfolgt, wenn die natürliche Welt am wenigsten Geist und am meisten vergängliche Schönheit zeigt. Auf die Geburt folgt der Tod, der aber auf Golgatha überwunden wurde. Insofern fordert der im Frühjahr erfolgte Kreuzestod ein neues 42

Herbstfest, in dem der Tod als fruchtbar erfahren wird: Der Todüberwinder ist die Quelle jeglichen geistigen Schöpfertums. In der Auffahrt zum Vater wird Christus zum Geist der Erde. Und Pfingsten eröffnet Verständnis für Ostern als Auferstehungsfest: Der Tod kann mit dem Verstand erfasst werden; aber die Auferstehung versteht nur, wer den Geist im eigenen Geist, in wahrer Selbsterkenntnis denken kann. Michaeli, das Fest des Erzengels Michael, das am 29. September gefeiert wird, kann als umgekehrtes Osterfest gestaltet werden. Wie zu Ostern der Christus in die erblühende Natur stirbt, so kann zu Michaeli der mit Auferstehungskraft begabte Mensch gelassen deren Sterben im Bewusstsein mitvollziehen. Die Natur bedarf der Geisterkenntnis des Menschen, die im Aufblick zu Michael erfolgt. Weihnachten: Der Geist zieht in die Leibeshüllen wie der Erdengeist

im Winter in die Erdenmaterie. Ostern: Christus stirbt und die Erdengeistigkeit beginnt sich zu

lösen. Himmelfahrt: Christus «fährt auf gen Himmel» wie im Sommer die

Erdengeistigkeit in kosmische Weiten versprüht. Die Menschen fühlen sich verlassen. Sie können nur in Gemeinschaft warten. Pfingsten: Die einmütig beieinander sind, werden vom Geist erfüllt. Nur wer im Innersten vom Geist erfüllt ist, kann dem herbstlichen Sterben mit Auferstehungskraft begegnen. Das ist die Aufforderung zu emem neuen Michaelfest in der Stimmung geistigen Aufbruchs. Novalis hat an die

erlösungsbedürftige Natur erinnert. Wie Christus zum Erlöser des Menschen, so kann der Mensch zum «Erlöser der Natur» werden. Dazu bedarf es allerdings der seelenverwandelnden Kraft, die der Mensch im Blick auf das Bild Michaels, den Drachen zu seinen Füßen, gewinnen kann. 43

Der 29. September ist ein Tag der Erinnerung. Insofern aber das Michaelfest aus dem Geiste heraus zu schaffen ist, kann es nur vor dem Hintergrund des Pfingstfestes geschehen und entsprechend kann Johanni, das Sommermysterium - wenn es denn mehr sein soll als ein Erinnerungstag an den Täufer Johannes, wenn es ein christliches Fest sein soll- aus dem Himmelfahrtsbild heraus verstanden werden. Der Christus geht zum Vater, aber der andere Johannes bleibt bis zur Wiederkehr.Johanni ist das Fest der beiden Johannes, des Täufers und des Evangelisten und Apokalyptikers, die in Einheit wirken. 38 Die alte Vierheit der Winter-, Frühjahrs-, Sommer- und Herbstmysterien wird solchermaßen durch das Miterleben der christlichen Vierheit von Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten zum christlichen Jahreskreuz: Weihnachten, Ostern,Johanni und Michaeli. Weihnachten und Ostern sind vorgegeben durch das Erdenleben Christi.Johanni und Michaeli sind vom Menschen, der sich mit dem Christusgeist verbindet, als Feste erst zu schaffen. Dabei kann er hinblicken auf das Wirken Christi nach seinem Durchgang durch den Tod. Nach dem Tode ist der Christus den Seinen erschienen - als Auferstandener in physischem Habitus auf ätherischer Seinsebene. Nach der Apostelgeschichte des Lukas währte dies vierzig Tage lang. Dann ist er aufgefahren in den Himmel, nachdem er sie ermahnt hatte, in Jerusalem einmütig beieinander zü bleiben und den Tröster zu erwarten. Himmelfahrt bedeutet für das Bewusstsein der Menschen, dass Christus den physisch-ätherischen Erdenbereich verlässt. Die Seinen sind verlassen: «Eine Wolke nahm ihn auf, sodass er ihren Blicken entschwand.» Er hatte aber schon in den Abschiedsreden, unmittelbar vor dem Kreuzestod, die Sendung des Geistes angekündigt. Sie erfolgte, zehn Tage nach Himmelfahrt, zu Pfingsten. Die «feurigen Zungen» zu Pfingsten ermöglichen das neue Miterleben des Jahreslaufs, denn sie eröffnen Verständnis für die Menschheits-

44

wende von Golgatha. Ohne Verständnis kein neues Miterleben aus der geistigen Individualität. Im gewöhnlichen Sterben löst sich der Geist vom Erdenleib. Aber der Christusgeist hat sich im Sterben erst recht mit der Erde verbunden. Er hat durch seine Himmelfahrt die Seinen nicht einfach verlassen, sondern den Tröstergeist angekündigt. Und die Ausgießung des Geistes erfolgt noch vor Sommerbeginn, sodass der Mensch nicht mehr zwangsläufig mit der Natur in einen «Sommerschlaf» fällt. Er kann wachen, wenn die Erde schläft, und in Erwartungsstimmung- entsprechend dem Himmelfahrtsereignis ~ die individuelle Verwirklichung des Pfingstgeistes zu Michaeli vorbereiten. Der Aufbruch erfolgt zu Michaeli. Da möge der Mensch selbst einen neuen Anfang setzen, zu dem ihn die feurigen Zungen zu Pfingsten aufrufen - zur Individualisierung des Geistes durch Beherrschung des Drachen. Insofern er aber im Erleben der christlichen Feste vom natürlichen Jahreslauf unabhängig wird, kann der Mensch Michaelstimmung erzeugen, wann immer er will. Michaeli ist das Fest des vom Pfingstgeist erfüllten schaffenden Menschen.

45

46

Das Wunder von Chonae

Die Apostel Johannes und Philippus empfingen in der Nähe von

Laodicea eine Michael-Offenbarung. Sie verkündeten den Menschen ein Wunder des Erzengels und seitdem sprudelte an diesem Ort ein heiliger Quell. Viele Kranke wurden geheilt und später wurde ein kleiner Tempel zu Ehren Michaels errichtet. Einst kam ein zehnjähriger Knabe mit Namen Archippus zum Heiligtum und blieb dort über sechzig Jahre bis zu seinem Tod, um Michael zu dienen. Die Heiden aber versuchten immer wieder, das Heiligtum zu zerstören und das Wasser zu verschmutzen. Schließlich veränderten sie den Lauf zweier Flüsse, die oben im Gebirge entsprangen, um das Wasser zu stauen und dann das Michael-Heiligtum zu überschwemmen. Archippus, der das Ansinnen bemerkte, legte sich betend auf den Boden und harrte so zehn Tage aus, ohne zu essen und zu trinken. Dann wurde er vom Heiligen Geist berührt, stand auf und sang den donnernden Wassermassen einen Psalm entgegen: Herr, die Wasserströme erheben sich, die Wasserströme erheben ihr Brausen, die Wasserströme erheben empor die Wellen. Die Wasserwogen im Meer sind groß und brausen mächtig der Herr aber ist noch größer in der Höhe. Dein Wort ist eine rechte Lehre. Einigkeit ist die Zierde deines Hauses, o Herr, ewiglich. Psalm 93

Das Wunder von Chonae

aus der Sophien-Kathedrale in Nowgorod, um 1500 (restauriert beziehungsweise nachgemalt). Nowgorod, Kunstmuseum .

47

Dieser geistige Aufschwung des Heiligen ermöglicht das Erscheinen des Erzengels auf einem Felsen. Der Heilige sieht erst den Strahlenkranz, dann die Gestalt, zunächst ohne die Erscheinung deuten zu können. Und Michael gibt sich zu erkennen. Er sagt: «Wer ist wie Gott?» Der Name ist Wesensoffenbarung. Archippus nimmt etwas davon in sein Wesen auf. Er wird ansatzweise «wie Michael».Johannes W. Schneider hat an ihm drei Qualitäten als Willensübung erblickt: Vertrauen auf die göttliche Weltordnung, Treue zur übernommenen Aufgabe, Mut zur Geist-Erkenntnis. 39 Michael fordert ihn auf, sich neben ihn zu stellen. Dem Doppelstrom aber gebietet er zunächst stillzustehen und dem Fels auseinanderzubrechen. In den Felsspalt zwingt er die Wasserfluten mit dem Zeichen des Kreuzes und rettet so den heiligen Quell, den Tempel und seinen Hüter.

Das Wunder von Chonae, Gold-Pinsel-

Zeichnung auf Bronze, um 1230. Südportal der Kathedrale von Susdal, Mittelrussland.

Das ist das Wunder von Chonae, das sich etwa hundert Jahre nach Begründung der heiligen Stätte durch Johannes und Philippus ereignet hat. In der östlichen Christenheit spielte es eine bedeutende Rolle und gehört darum auch zu den großen Themen der Ikonen-Malerei. Gedenktag ist der 6. September. Das Wunder von Chonae ist in der Apokalypse des Johannes vorgezeichnet. Johannes schaut eine Frau, mit der Sonne bekleidet, den Mond zu Füßen «und einen Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt». Unter den gierigen Blicken des Drachen gebiert sie unter Schmerzen einen Sohn, der zu Gott entrückt wird. Sie selbst flieht in die Wüste, verfolgt vom Drachen. «Die Schlange spie einen Strom von Wasser aus ihrem Rachen hinter der Frau her, damit sie von den Fluten fortgerissen werde.

48

Das Wunder von Chonae,

Ikone, Konstantinopel, erste Hälfte 12. Jh . Katharinenkloster, Sinai . Die doppelte Kraft des Bösen bildet ein großes Ypsilon.

Aber die Erde kam der Frau zu Hilfe; sie öffnete sich und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Rachen gespien hatte.» In der Apokalypse öffnet sich die Erde von selbst, um die Wasserfluten zu verschlingen; im Wunder von Chonae ist es Michael, der mit seinem Speer die Erde öffnet. Der innere Zusammenhang ist deutlich. Schließlich war es auch der Apokalyptiker Johannes, der zusammen mit Philippus das Wunder vorausgesagt hatte. 49

Da in den Flussgewalten das Unwesen von Naturdämonen erblickt wurde, kann das Wunder von Chonae als eine Variante des Drachenkampfes angesehen werden. Vielleicht hat der Maler der Ikone aus der Sophienkathedrale in Nowgorod dem Fluss deshalb das Aussehen einer Schlange gegeben, die in der Form eines großen S in einen Erdspalt gezwungen wird. Dieser Drachenkampf spielt sich nicht im Himmel ab. Der Drache wütet bereits auf Erden. Es ist Aufgabe der Menschen, ihn zu besiegen. In diesem Kampf kann Michael als Helfer angerufen werden. Das Wunder von Chonae, die erste bekannt gewordene Michaeloffenbarung in christlicher Zeit, ist mit Heilungen verbunden. Auch an später entstandenen Michaelheiligtümern sind immer wieder Heilungen erfolgt, beispielsweise in Konstantinopel (Michaelion) und in Rom (Engelsburg).40

Der Erzengel Michael erscheint dem heiligen Gregor auf der Engelsburg,

1469. San Gregorio Magno, Rom.

Gottes Heilkraft wird vor allem vom Erzengel Raphael vermittelt. Sein Name sagt es: «Gott heilt.» Darum ist er der Oster-Erzengel. Ostern - Tod, Höllenfahrt und Auferstehung Christi - ist der zentrale Heilimpuls für die gesamte Erden- und Menschheitsentwicklung. Christus ist der «Heiland». Weil aber Michael das «Antlitz Christi» ist und den Menschen besonders nah, kann auch er Heilungsvorgänge bewirken. Nicht zufällig trägt er in der Darstellung der Brüder Limburg den Merkurstab (siehe S. 81).

so

Die Erscheinungen am Monte Gargano in der westlichen Christenheit beginnt im 5. Jahrhundert am Monte Gargano. Dort soll der Erzengel dreimal erschienen sein, zuletzt am 29. September 493. Dieser Tag wurde zu seinem Gedenktag. Die Michaelverehrung

Garganus war Herr über zahlreiche Herden, die an den Hängen des Berges grasten. Ein Stier war entlaufen, wurde gesucht und vor einer Höhle am Gipfel kniend entdeckt. Im Zorn schoss Garganus einen Pfeil auf ihn ab. Aber wie von unsichtbarer Hand gelenkt kehrte der Pfeil zurück und durchbohrte den Schützen. Die Nachricht von diesem Wunder kam vor den Bischof von Siponto, der, als ein Frommer Mann, ein dreitägiges Fasten anordnete und Rat von Gott erbat. In einer Vision erschien ihm der Erzengel Michael und sprach: «Ihr sollt wissen, dass jener Mensch durch meinen Willen von seinem Pfeil ist getroffen worden, denn ich bin Michael der Erzengel, und es hat mir gefallen, an diesem Ort auf Erden zu wohnen und sein zu hüten. Also wollte ich mit diesem Zeichen kundtun, dass ich selber dieses Ortes Hüter und Wächter will sein.»41 Die Höhle diente früher heidnischen Kulten. Das war wohl noch im Bewusstsein der Bewohner, denn sie wagten es nicht, sie zu betreten. Vielleicht handelte es sich um ein heimliches Stieropfer im Sinne alter Kulte, das durch die Umwendung des Pfeils vom Erzengel Michael beendet wurde. Der Fortgang der Legende kann als Bestätigung gelten.

51

Jacopo del Casentino (circa 1297-1358) zugeschrieben, Das Wunder vom Monte Gargano, Anfang 14. Jh . Florenz, Santa

Croce. - Garganus schießt einen Pfeil auf den entlaufenen Stier, den er in einer Höhle am Gipfel des Berges entdeckt. Die rechte Bildhälfte schildert den Zug des Bischofs und seines Gefolges zur heiligen Grotte, die ihm vom Erzengel für den Kult übergeben wurde.

52

Es wird von einem Angriff der Neapolitaner berichtet, die noch heidnischen Kulten anhingen. Der Bischof von Siponto erwirkte einen Waffenstillstand, währenddessen er wiederum ein dreitägiges Fasten anordnete und die Hilfe Michaels erflehte. In einer zweiten Vision wurde dem Bischof Hilfe zugesagt. Die Sipontiner griffen an und siegten, weil der Gargano von einem Erdbeben erschüttert wurde und Blitze in die Reihen der Feinde niederfuhren. Ihre Dankgebete verrichteten die Sipontiner an der Kultstätte, die sie immer noch nicht zu betreten wagten.

Nun war sie aber zum Michaelheiligtum geworden durch den Erzengel selber. Schließlich wurde der Bischof von Rom zu Rate gezogen, wie die Weihe der Mysterienstätte zu vollziehen sei. Dieser antwortete, man möge zum Gedenktag des Sieges abermals ein dreitägiges Fasten durchführen und den Erzengel selbst befragen. Der Bischof von Rom wolle das Gleiche tun. Und so geschah es.

In der letzten Fastennacht erschien der Erzengel dem Bischof von Siponto zum dritten Mal: «Es ist nicht not, dass ihr die Kirche weihet, die ich gebauet habe, denn ich selbst habe sie geweiht, der ich sie gegründet hab. Und gebot ihm, dass er des nächsten Tages mit dem Volk sollte kommen und zu der Höhle eingehen und zu ihm beten, und sollten ihn ganz zu ihrem sonderlichen Schutzherrn nehmen. Und zum Zeichen der Weihe so sollten sie von Osten her auf einem Seitenpfad zu der Höhle kommen, so würden sie da die Fußspuren eines Menschen finden in den Marmor eingedrückt. Des Morgens kam der Bischof und alles Volk zu dem Ort, und gingen in die Höhle, darinnen funden sie eine große Crypta mit drei Altären, von denen waren zween gen Mittag gerichtet, einer aber gen Aufgang, der war sonderlich würdig und mit einem roten Pallium gedeckt. Sie hielten daselbst die Messe feierlich und empfingen ein jeglicher das heilige Abendmahl; darnach kehrten sie heim mit großen Freuden. Der Bischof aber setzte Priester und Cleriker, die daselbst allezeit das heilige Amt vollbrächten. In derselben Höhle entspringt ein klar Wasser, das ist gar süß;

Michael, vergoldetes Kupfer, circa 600 n. Ch r. Monte Gargano, Monte Sant' Angelo, Michaelsgrotte. - Der erhobene Speer in der Rechten ist verloren gegangen. In der Linken trägt Michael die Weltkugel : Er repräsentiert den Kyrios, den Herrscher. Die Welt ist ihm untertan. Er steht auf einem die Erde repräsentierenden Rechteck. Sein Antlitz ist rund wie sein SonnenNimbus. Michael ist der Erzengel der Sonne.

53

daraus trinkt das Volk nach der Communion, und werden mancherlei Gebrechen davon geheilt. Als das dem Papste alles kund ward, gebot er, dass man diesen Tag hinfort sollte feiern zu Ehren Sauet Michaels und aller seligen Geister.>> 42 Die dreimalige Erscheinung des Erzengels erfolgte jeweils im Rahmen eines dreitägigen Fastens und intensiver Gebetsübung. Michael hilft im Kampf gegen heidnische Feinde. Michael selbst hat die alte Kultstätte zu seinem Heiligtum erwählt. Er hat sie geweiht und damit zu einer christlichen Kultstätte gemacht. Der dort entspringende Quell ist - wie in Chonae - heilkräftig. Den christlichen Kultus dürfen Menschen nur am Tage verrichten. Während der Nacht hat der Bischof die Offenbarung empfangen. Und während der Nacht leitet Michael in seinem Heiligtum einen himmlischen Kultus unter Ausschluss der Menschen. Darin darf das Besondere und wohl Einmalige an diesem Michaelheiligtum erblickt werden. Es hat einen späten Nachklang im Engelschor der Nürnberger Sebalduskirche (siehe S. 29). Der heilige Kaiser Heinrich II. hat es im Jahre 1022 gewagt, die Nacht im Michaelheiligtum zu verbringen. Er wurde vom Erzengel berührt: Als er den Tempel verließ, «erlahmte seine Hüfte - und von da an hinkte er zeitlebens». Aber er war: für würdig befunden worden, den himmlischen Kultus zu schauen. Er sah, wie zahlreiche Engelscharen das Heiligtum betraten. Sie erstrahlten wie die Sonne. Zwei von ihnen bereiteten feierlich den Altar. Dann kamen weitere Scharen himmlischer Wesen. Zuckende Blitze gingen von ihnen aus. Sie geleiteten ihren Führer im Lichterglanz. Zuletzt durfte er ihn selbst schauen, den Fürsten der Engel, wie er in gewaltiger Macht und Kraft voranschritt, ihn, dem alle himmlischen Hierarchien untertan sind. Dass sich die Wirkungen des Erzengels Michael bis in den physischen Seinsbereich erstrecken, hat auch der Bildhauer Andrea Sansovino

54

(um 1460-1529) erfahren. Bei der Arbeit an emer Michaelstatue fühlte er sich unvermögend, das Antlitz des Erzengels zu gestalten. Nach zahlreichen Versuchen träumte er eines Nachts, der Erzengel selbst sei in seiner Werkstatt erschienen und habe das Antlitz vollendet. Die Statue in der_Michaelsgrotte auf dem Monte Gargano offenbart nach dieser Legende Züge eines Selbstporträts Michaels.

Andrea Sansovino (um

1460- 1 529), Statue des heiligen Michael (mit späterer

Dekoration) . Monte Gargano, Michaelsgrotte. - Nach einer Legende hat der Erzengel das Antlitz der Statue selbst vollendet, nachdem der Künstler an dieser Aufgabe gescheitert war.

55

56

Michael in der Kunst

Michael, «princeps aetherius» Die umfassende Geisteskraft und Wirkensweise des Erzengels

Michael wurde immer von religiös empfindenden Menschen und vor allem auch von Künstlern wahrgenommen. Daher gibt es so viele Michaelsbilder. Wo Christus waltet, erscheint Michael. Als Führer des Volkes Israel tritt er schon im Alten Testament auf. In seinen Wundern kommt Christi Heilkraft zum Ausdruck: in Chonae, Konstantinopel, am Monte Gargano, in Rom und an anderen Orten. Auch als Drachenbezwinger ist er schon in frühchristlicher Zeit bezeugt. In den ersten christlichen Jahrhunderten hat man in Michael aber vor allem den Himmelsfürsten erblickt, den princeps aetherius, neben Gabriel, Raphael und Uriel als primus inter pares. Als Himmelsfürst kommt dem Erzengel Michael die Würde der Archai zu. Archai sind «Geister des Ursprungs», die im lateinischen Mittelalter Principatus (Fürstentümer) genannt wurden und in der Hierarchie über den Erzengeln stehen. 43 Oft wird Michael mit Herrscherstab und Weltkugel abgebildet. Der Herrscherstab kann auch als Botenstab aufgefasst werden. Das ändert nichts an der Machtfülle Michaels. Er ist der Bote Gottes. Als solcher bringt er Gottes Willen zum Ausdruck, und nur als Bote Gottes und Antlitz Christi ist er Herrscher in den Himmeln.

Brustbild des Erzengels Michael, Email-Ikone aus

Konstantinopel, Anfang 11 . Jh. Venedig, San Marco, Schatzkammer (gegenüber). - Mit der Rechten gebietet der in streng frontaler Darstellung gezeigte Erzengel konzentrierte Aufmerksamkeit.

57

Ein Elfenbeinrelief, das um 520 in Konstantinopel entstand, zeigt den Erzengel als Jüngling mit großen Flügeln und lockigem Haar, mit dem Herrscherstab in der linken und der Weltkugel mit dem Kreuz in der rechten Hand. Er ist nach attischen Vorbildern gestaltet. Aufrecht steht er, frontal dargestellt, leicht nach links blickend, zwischen zwei dorischen Säulen. Im Bogenfeld über seinem Haupt erkennt man einen Siegeskranz, in dessen Mitte wieder eine kleine Weltkugel mit einem großen Kreuz erscheint.

In der ersten Hälfte des elften Jahrhunderts entstand in Konstantinopel eine Email-Ikone, die in der Schatzkammer von San Marco in Venedig aufbewahrt wird. Sie zeigt den Erzengel ebenfalls mit Nimbus und frontal dargestellt. Mit ausgebreiteten Flügeln nimmt er nahezu das ganze Bildformat ein. Er steht breitbeinig auf einem Halbkreis, der wohl das Erdenrund symbolisiert. In der Linken hält er die Weltkugel mit dem Kreuz, in der Rechten das zweischneidige Schwert, das nahezu senkrecht nach oben weist. Sein Antlitz ist in inkarnatfarbenem Email plastiziert. Das ganze Bild ist symmetrisch durchgeometrisiert. Erzengel Michael als «princeps aetherius», Diptychonfragment aus

Konstantinopel, Elfenbein, um 520. London, British Museum. - In der Rechten hält Michael, der nach attischen Vorbildern dargestellt ist, die Weltkugel mit dem Kreuz, in der Linken den Herrscherstab.

58

Erzengel Michael, Email-Ikone aus Konstan-

Erzengel Michael, Wandmalerei in Sant' Angelo

tinopel, erste Hälfte 11 . Jh . Venedig, San Marco,

in Formis bei Capua, Kampanien, um 1080. - Der

Schatzkammer. - Der nimbierte Erzengel ist

Erzengel Michael als Herrscher über die Welt, den

frontal dargestellt . Er steht breitbeinig auf

Herrscherstab in der Rechten, die Weltkugel in der

einem Halbkreis . In der Linken hält er die Welt -

Linken. Die dreischiffige Kirche, in der sich die Dar-

kugel mit dem Kreuz, in der Rechten das zwei-

stellung befindet, erhebt sich auf einem ursprüng-

schneidige Schwert, das senkrecht nach oben

lich - bis ins 6. Jahrhundert - der Göttin Diana

weist. Sein Antlitz ist aus inkarnatfarbenem

geweihten Ort. Abt Desiderius (t 1087) von Monte

Email plastiziert .

Cassino ließ die Kirche ausmalen .

59

Das Wandgemälde von Sant' Angela in Formis, um 1080 entstanden, zeigt demgegenüber Bewegung in der Form. Das rechte Knie des Erzengels ist angewinkelt. Die weit ausgebreiteten Flügel sind in schwungvollen Linien gezeichnet. Auch auf der Weltkugel sind Wellenlinien zu sehen. Michael blickt leicht nach rechts. Der Typus des Herrschers wird im ostkirchlichen Bereich mit geringen Varianten durch alle Jahrhunderte tradiert. Dieser Michael kämpft nicht; er lenkt den Blick des Betrachters vom Irdischen weg in die Ewigkeit. Ein besonders schönes Beispiel ist die große Michaeldarstellung aus dem Kloster Spaski, J aroslawl, aus dem Jahre 1516. Das Bild wirkt harmonisierend auf die Seele des Betrachters. Dieser Michael verkörpert Gottes Güte. Im Westen dominiert der handelnde Erzengel: als Drachenbezwinger, Seelenwäger und Sieger über den Teufel.

Erzengel Michael, Ikone aus der Kathedrale

des Klosters Spaski in Jaroslawl, 1516. St . Petersburg, Russisches Museum. Michaels Haupt ist der nur noch schwach wahrnehmbaren Weltkugel zugeneigt .

60

Michael, den Drachen zu seinen Füßen war den Babyloniern unter dem Namen Marduk bekannt. Den Griechen ist er als Apollon erschienen, der den Python-Drachen zu Delphi tötet. So nimmt es nicht Wunder, dass das Bild auch in frühchristlicher Zeit auftaucht, etwa auf einem Stoff-Fragment aus Achmim-Panopolis: 44 Aufrecht steht Michael und schaut mit weit geöffneten Augen über den zu seinen Füßen liegenden Drachen hinweg, in der Rechten das Kreuz des Siegers, in der Linken das Kreuz des Herrschers. Michael als Drachenbezwinger

Seit dem neunten Jahrhundert tritt dieser Typus häufiger auf, zunächst vor allem bei Elfenbeinskulpturen. Ein besonders schönes Beispiel aus der Hofschule Karls des Großen (Adagruppe)45 wird im Leipziger Museum für Kunsthandwerk aufbewahrt. Der kleine Drache mit dem Speer im Maul liegt zu Füßen Michaels, der mit großen Augen

frühchristliches Gewand-Fragment aus Achmim-Panopolis, Ägypten (oben) . - Michael steckt seinen kreuzbewehrten Speer in das geöffnete Maul des Drachen. Er hat üppiges Haar, in der Linken hält er ein Kreuz. Er steht aufrecht und schaut mit großen Augen über den Drachen hinweg. Michael und der Drache, Elfenbeinskulptur (Adagruppe), 9. Jh. Leipzig,

Museum des Kunsthandwerks (links). - Michael blickt mit leichter Kopfneigung aufwärts in die Weite. Er trägt in der Linken einen Schild; mit der Rechten hält er seine Lanze in das geöffnete Maul des kleinen Drachen . Mit dem rechten Fuß drückt er ihn nieder.

61

aufwärts blickt. Michael ist römisch gekleidet und trägt einen Schild. Von einem Kampf ist in diesen frühen Darstellungen nichts zu spüren. In der schwäbischen Buchmaler~i aus Zwiefalten - Mitte zwölftes Jahrhundert - sieht man dagegen deutlich, wie Blut aus der vom Erzengel geschlagenen Wunde entweicht: ein realistischer Zug in einer sonst noch ganz unrealistischen Zeichnung von der Weltschöpfung. Unten ist die Verführung durch die Schlange, oben der Sturz des Drachen dargestellt, der wohl durch die Apokalypse angeregt ist. Das Bild aus dem Ratmann-Sakramentar von 1159 zeigt-im Unterschied zu den frühen Darstellungeneinen Erzengel mit stark geneigtem Haupt. Damit kommt er nicht nur dem Drachen, sondern auch den Menschen näher. Michaels Sorge gilt den Menschen. Er hat den Drachen besiegt - im Himmel. Was wird dieser aber unter den Menschen anrichten?

Michael stürzt den Drachen, Abraham-Engel-Teppich

im Domschatz zu Halberstadt, um 1150 (oben). - Der Drache stürzt senkrecht aus dem Himmel. Michael trägt einen großen Schild . Seine Augen sind noch wie in früheren Jahrhunderten in die Weite gerichtet. Michael als Drachenkämpfer, Ratmann-Sakramentar,

1159. Hildesheim, Dom-Museum (unten). - Ratmann war Presbyter und Buchmaler. Auf seiner Darstellung ist der Drache besiegt. Michael hält das Haupt geneigt, nach unten blickend . Wird auch der Mensch den Drachen unter die Füße bekommen?

62

Schwäbische Buchmalerei aus Zwiefalten, Mitte 12. Jh. Stuttgart, Landesbibliothek. - Der Kampf Michaels mit dem Drachen ist rechts oben dargestellt. Sowohl Michael als auch der Drache ragen über den Bildrand hinaus. Michael sticht mit seiner Lanze durch das offene Maul in die Seite des Drachen . Die Lanzenspitze bildet ein Kreuz. Blut entweicht nach zwei Seiten .

63

Michael als Drachenkämpfer, Tympanonrelief, 12. Jh.

Sa i nt-M ichel-d 'Entraigues, Charente. - Mit großem Schritt und weit ausgebreiteten Flügeln geht Michael wie schwebend über den lang ausgestreckten, gewundenen Drachen hinweg, dessen Kopf von der Lanze des Erzengels durchbohrt wird.

Auch in der Plastik gibt es aus allen Epochen zahlreiche Beispiele für diesen Bildtyp. Herausragend ist die um 1290 entstandene Michaelskulptur in der Vorhalle der Michaelskirche zu Schwäbisch Hall. Der Erzengel hat strahlende, aufwärts weisende Flügel, die zugleich die Kreisform evozieren, sodass der Eindruck eines großen SonnenNimbus entsteht. Sein Blick geht, wie in der Frühzeit, in die Weite. Den kleinen Drachen zu seinen Füßen beachtet er nicht. Er hat ihm die Lanze in den Rachen gestoßen: Das hält ihn ruhig. Michael ist der strahlende Sieger. In dieser Tradition stehen noch Ernst Barlachs Geistkämpfer in Kiel und Walther Kniebes Gefallenendenkmal in Rheydt (siehe S. 104ff.). Im Kampf mit dem Drachen wird Michael fast immer im Halbprofil wiedergegeben. Im Profil und über den Drachen schreitend zeigt ihn das Tympanonreliefvon Saint-Michel-d'Entraigues aus dem zwölften Jahrhundert und die Glasmalerei um 13 30/40 im Kloster Wienhausen. Das Relief vermittelt den Eindruck einer starken Bewegung. Auch der Glasmaler zeigt den Erzengel in Bewegung, vor allem aber betont er die Senkrechte. Die hohe Gestalt Michaels wird noch hervorgehoben 64

Michael, den Drachen zu seinen Füßen, um 1290.

Schwäbisch Hall, Vorhalle der Michaelskirche . Michael hat strahlende, nach oben weisende Flügel. Sein Blick geht in die Weite. Den kleinen Drachen zu seinen Füßen scheint er nicht zu beachten.

65

Michael, den Drachen zu seinen Füßen, Glasmalerei um

1330/40. Kloster Wienhausen (links) . - Der Glasmaler betont die Senkrechte, zum Beispiel durch die blaue Fläche über dem roten Nimbus. Michael ist über den Drachen schreitend und im Profil dargestellt. Benedikt Dreyer (um 1480-nach 1555), Michael stürzt den Drachen, Eiche, 1510-20, ehemals Lettnerbrüstung

der Marienkirche zu Lübeck, 1942 verbrannt (unten). Michael hält in der Rechten das Schwert, in der Linken die kreuzbewehrte Lanze, die er dem fantasievoll gestalteten Untier in den Rachen stößt .

66

durch die senkrechte blaue Fläche, die an den Nimbus angrenzt. Sein Speer steckt im Rachen des Untiers, in der Linken hält er einen Schild. Michael, den Drachen zu seinen Füßen: diese Bilder sind Vorbild für die Menschenseele, die den Kampf im eigenen Wesen spürt. Die Geistseele möge die leidenschaftliche Seele bezwingen. In diesem Sinne hat Ernst Barlach das Bild urbildlich als Selbstüberwindung interpretiert (siehe S. 104ff.).

Piero della Francesca (zwischen 1419 und

1420-1492), Sankt Michael, um 1469. London, National Gallery. - Michael, ein junger siegreicher Held, steht sehr ruhig auf dem schlangenartigen Drachen. In der Linken hält er den Kopf, den er ihm abgeschlagen hat. Seinem Gesichtsausdruck nach ist er aber nicht glücklich über den Sieg . Er blickt eher traurig, zumindest sehr ernst.

67

Michael in der Apokalypse des Johannes Michaels Kampf mit dem Drachen liegt die Vision des Johannes auf Patmos zugrunde: «Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen [.. .].»46 Den Darstellungen von

Beatus von Liebana hat schon im achten Jahrhundert einen Apokalypse-Zyklus gestaltet, der in mehreren Handschriften überliefert ist. 47 Sehr bekannt geworden ist die Bamberger Apokalypse, entstanden auf der Reichenau zu Anfang des elften Jahrhunderts. Der Drachenkampf ist hier auf demselben Bild gleich zweimal dargestellt. Es sind jedoch nicht zwei verschiedene Engel, 48 wenn auch die Farben variieren: links grüne Flügel, hellviolettes Obergewand, grüner Schild; rechts blaugraue Flügel, hellgrünes Obergewand, roter Schild. Die beiden Drachen - halb grün, halb violett-braun - sind ebenfalls gleichartig gestaltet und treten spiegelbildlich in Erscheinung. Michael hat den Drachen im Himmel besiegt und.auf die Erde geworfen. Der Drache tritt ein zweites Mal auf, wird wieder besiegt und auf die Erde geworfen. Nun kommt der Drache einmal von links und einmal von rechts und deutet somit auf die zwei Aspekte der Widersetzlichkeit: Überhebung und Verkrampfung im Abgrund. Der Schwanz zielt jedes Mal in die Mitte. Aus dieser Mitte heraus rüttelt der Drache jetzt zweifach an der Himmelssphäre und wird jedes Mal durch den Speer Michaels zurückgehalten. Michaels Kampf mit dem Drachen, Bamberger Apokalypse, Reichenau, Anfang

11 . Jh . Bamberg, Staatsbibliothek.

68

Die beiden Michaeldarstellungen sind nicht vollkommen spiegelbildlieh, da in beiden Fällen Michael den Speer in der rechten Hand hält. Bei der rechten Gestalt verstärkt der nach rückwärts gebogene Flügel die ebenfalls nach hinten gerichtete Armbewegung. Die linke Gestalt zeigt die gleiche Flügelbewegung, nicht aber die gleiche Armbewe-

69

gung. Der kreuzbewehrte Speer wird schräg in das geöffuete Maul des Drachen gehalten. Rechts stößt Michael den Speer senkrecht in den Rachen des Untiers. Getötet wird der Drache nicht. Daher kann er immer wieder seine Macht entfalten. Dargestellt ist ein rein kosmisches Geschehen. Stein, Pflanze, Tier und Mensch treten nicht in Erscheinung, wohl aber die entsprechenden Sphären: der Erdbereich erdfarben, grün und stahlblau; der Himmel hellblau, fliederfarben und golden. Der Drache befindet sich bereits im irdischen Bereich, reicht jedoch mit Schnauze und Klauen an die

Drachenkampf, um 1090. Civate, San Pietro al Monte, Ostwand der Eingangshalle (Detail). - Michael bekämpft den sieben köpfigen Drachen, der die Frau mit dem Kind verfolgt. Die Frau flieht in die Wüste, das Kind wird in den Himmel entrückt .

70

Drachenkampf aus der Apokalypse von Angers,

Teppichwirkerei nach einem Entwurf von Jean Bondol , 14. Jh . Angers, Chateau du Roi Rene.

ätherische Sphäre heran. Michael kämpft im dreigegliederten Himmel. Nur die kreuzbewehrte Speerspitze ragt in den oberen Erdbereich. Der Drache, die alte Schlange, wurde durch das Opfer und die Kraft Christi besiegt. Die Suche nach Christus führt über die Auseinandersetzung mit dem Bösen. Zu den eindrucksvollsten Bildteppichen gehören jene in Angers aus dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts. Die Teppichfolge der Apokalypse von Angers ist insgesamt 103 Meter lang und 4,50 m hoch (ursprünglich 130 m lang und 5,50 m hoch). 49 Die Teppiche wurden nach einem Entwurf des Hofmalers Jean Bondol (Hennequin von Brügge) im Auftrag des Herzogs Ludwig von Anjou gewebt. Der Seher Johannes steht aufrecht in einem Gehäuse. Ein Engel reicht ihm ein Schriftband; dies bedeutet: Er hat nicht nur eine Vision; er ist aus der geistigen Welt inspiriert. Dass Johannes sich «im Hause» befindet, verweist sogar auf die höchste Erkenntnisstufe, die Intuition. Er ist nicht «außer sich». 50 Der Apokalyptiker schaut, liest und erlebt 71

den michaelischen Kampf im eigenen Wesen. Er hört den Hymnus mit dem Geistgehör: «Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus; denn der Verkläger unserer Brüder ist verworfen, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserm Gott. Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt, bis hin zum Tod. Darum freut euch, ihr Himmel, und die darin wohnen! Weh aber der Erde und dem Meer! Denn der Teufel kommt zu euch hinab und hat einen großen Zorn und weiß, dass er wenig Zeit hat. » 51 Die Engel befinden sich im Himmel, die Drachen auf der Erde, wo sie eigentlich nicht hingehören. Drachen sind in sich widersprüchliche Wesen. Sie waren einst Engel. Wegen Widersetzlichkeit mussten sie Tierformen annehmen, die den Tieren aber nicht wesentlich sind und insofern auf Erden keinen Ausdruck finden können. Nachdem sie aus dem Himmel verbannt worden waren, fanden sie ihr Betätigungsfeld in menschlichen Leidenschaften, übersteigertem Genuss, Wollust, Neid, Eifersucht, Machtmissbrauch, Hass, Hochmut, Hohn und Spott. Johannes schaut zwei Drachen: ein großes, siebenköpfiges Ungeheuer mit einem kleineren einhörnigen Begleiter. Der große Drache liegt schon besiegt am Boden. Michael hält seine kreuzbewehrte Lanze in eines seiner geöffneten Mäuler. Er wird unterstützt durch zwei Engel, von denen der eine ebenfalls eine Lanze benutzt, der andere ein Schwert. Ein dritter Engel durchbohrt mit seinem Speer den Hals des kleineren Drachen, der noch mit den Flügeln flattert, sich aber nicht erheben kann. Ein vierter Engel hält ihm einen Schild entgegen und droht mit dem Schwert. Der fünfte Engel wendet sich mit seinem Schriftband an den Seher Johannes.

72

Die fünf Engel sind kleiner als Michael. Sie bilden um den Erzengel einen schützenden Halbkreis. Alle sechs kommen auf einer großen Wolke herab. Den Hintergrund bildet ein geometrisches Muster, in dem die Kreuzform dominiert. Das Kreuz ist aber eine Blüte. Damit ist auf das neue Leben hingewiesen, das aus Christi Sterben am Kreuz erblüht.

Michael und der Teufel Im Mittelalter tritt als Gegner Michaels neben dem Drachen vielfach

der Teufel auf, vor allem in den zahlreichen Weltgerichtstympana romanischer und gotischer Kirchen und auf den Tafelgemälden dieser Zeit. Da erscheint Michael als Seelenwäger und der Teufel hat das Nachsehen, weil die Tugenden zumeist schwerer wiegen als die Laster. Das wird besonders deutlich auf dem Relief am Freiburger Münster (13. Jh.). Der Teufel ringt vor Erbitterung die Hände, weil ihm die Macht über die Seele entgleitet. Michaels Geste mit der rechten Hand

Michael als Seelenwäger in Auseinandersetzung mit dem Teufel, 1260-1280.

Freiburg im Breisgau, Münster, Tympanon der Vorhalle des Westportals.

73

Detail aus dem Jüngsten Gericht, venezianisch-byzantini-

sches Mosaik in der Basilika Santa Maria Assunta , Torcello, 12. Jh . - Michael mit der Seelenwaage und zwei Teufel , die mit Sünden gefüllte Säcke anschleppen . Die Teufel haben Hörner und Flügel.

Meister von Soriguerola , Michael mit der Waage, Altar-

flügel , Katalonien , 13. Jh . Vieh, Bischöfliches Museum . Michael diskutiert mit dem Teufel über Tugenden und Laster der Seele.

74

Guariento (circa 1320-circa 1370), Michael als Seelenwäger, um 1354. Padua, Museo Civico . Der Teufel versucht, die Schale mit den Lastern zu sich herunterzuziehen. Dabei wird er aber von Michael am Oberschenkel verletzt, sodass er wohl im Kampf um die Seele das Nachsehen hat.

besagt: Die Seelenwaage ist unbestechlich, auch wenn der Unterteufel sich an die Schale der Laster hängt, um das Gewicht der Lasterseite schwerer zu machen. Ein Vorspiel zum Jüngsten Gericht findet bereits an jedem Lebensende statt; daher wirkt die Seelenwaage wie ein memento mori. Auf der Tafel des Meisters von Soriguerola (13. Jh.) in 75

Katalonien erscheint der Teufel als nahezu gleich starker Kontrahent im Kampf um die Seele, deren Tugendseite aber doch etwas gewichtiger ist. Der Teufel mit zwei Hörnern und großen, kreisrunden Augen steht aufrecht und redet auf Michael ein, während ein zweiter, kleinerer Teufel sich-wie in der Freiburger Darstellung - abmüht, die Waagschale der Laster nach unten zu ziehen. Bei Guariento (circa 1320-circa 1370) scheint durch die Einwirkung des Teufels die Waage zu seinen Gunsten zu sinken: Er wird aber durch die Lanze des Erzengels am Oberschenkel verletzt. Man sieht deutlich Blutstropfen. Der Teufel wird den Kampf gegen Michael verlieren. Hans Pleydenwurff (um 1420-1472) malte den

Hans Pleydenwurff (um 1420-1472), Erzengel Michael, Hofer Altar, Außenseite des

linken Flügels vom äußeren Flügelpaar, 1465. München, Alte Pinakothek. - Michael pac kt mit der Linken einen Teufel beim Genick und bedroht ihn mit dem Schwert. Drei weitere Teufel verstecken sich in den Falten seines großen Umhangs.

76

Hofer Altar im Jahre 1465. Eine der Tafeln, die sich in der Alten Pinakothek in München befinden, zeigt den Erzengel mit vier Teufeln. 52 Mit der Linken packt Michael einen Teufel beim Genick und bedroht ihn mit dem Schwert. Drei weitere Teufel verstecken sich in den Falten seines großen Umhangs. Diese Falten nennt Alfred Stange «eines der packendsten Gewandmotive der deutschen Spätgotik».53 Der Drache ist ein Bild für Luzifer, den gestürzten Engel. Das kann vom Teufel so nicht gesagt werden. Der Teufel ist dem Tode verwandt. In der Kunstgeschichte können die Formen allerdings ineinander übergehen. Bei Schongauer (siehe S. 27) beispielsweise ist der Gegner Michaels Drache und Teufel zugleich.

Beim Meister E. S. 54 trägt der Teufel eine Maske. Das kennzeichnet sein Wesen. Er ist der Herr der Verstellung und des Maskenspiels, der Geist der Lüge und des Spotts. Der Teufel kann seine Verstellung so weit treiben, dass er nicht mehr ernst genommen wird, wie auf dem Hofer Altar von Hans Pleydenwurff. Somit ist er weit gefährlicher als der Drache, die alte Schlange der Versuchung, die dem Menschen zur ersten Ich-Geburt verhalf - wenn auch unter Verlust des Paradieses. Wenn er nicht ernst genommen und unterschätzt wird, kann der Teufel seine Ziele

Meister E.S. (circa 1420-circa 1468), Michael als Bezwinger zweier Teufel, Kupferstich,

1467 (links). - Der rechte Teufel trägt einen Harnisch mit einer Teufelsmaske. Michael blickt aufwärts. Hans Holbein d. J. (1497-1543), Michael als Seelenwäger, Federzeichnung, um 1522. -

Auf der einen Waagschale liegt der Teufel, auf der anderen steht ein Kind mit Heiligenschein, das wohl die Seele in ihrem unsterblichen Wesen darstellt. Basel, Kunstmuseum.

77

Frans Floris (1516-1570), Sturz der Engel, 1554 .

Corrado Giaquinto (1703-1765) , Der Enge/sturz,

Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone

1720-1725 . Rom, Vatikanische Museen , Pinakothek. -

Kunsten . - Im manieristischen Realismus des

Michael trägt Schwert und Schild . Die Gestürzten

Frans Floris, der in Rom das Jüngste Gericht

sind Menschen . Luzifer hat keine Flügel. Er liegt be-

Michelangelos kopierte, geht die spiritue lle

siegt auf dem Rücken, den Dreizack in der Rechten .

Dimension des michaelischen Kampfes verloren . Frans Floris malt im Grunde nur noch irdisches Kampfgetümmel.

Peter Paul Rubens, Der Enge/sturz, 1622 . München , Alte Pinakothek (gegenüber). - Rubens verbindet den Kampf gegen den siebenköpfigen Drachen der Apokalypse mit dem Engelsturz, wie er im Alten Testament im Zusammenhang mit der Schöpfung erzählt wird .

78

79

leichter verfolgen. «Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte.» 55 Manche dieser Teufelsdarstellungen sind vielleicht angeregt von der apokalyptischen Schau des Johannes auf Patmos. Nach dem Kampf mit dem roten, siebenköpfigen Drachen sieht er zwei Tiere. Das erste Tier hat zehn Hörner und sieben Köpfe und steigt aus dem Meer auf. Das zweite Tier erhebt sich aus der Erde: «Und ich sah ein zweites Tier aufsteigen aus der Erde; das hatte zwei Hörner wie ein Lamm und redete wie ein Drache.» 56 Im Baro~k verliert der Teufel seine fratzenhaften Züge. Corrado Giaquinto (1703-1765) verleiht ihm einen muskulösen menschlichen Körper. Als Teufel ist er im Grunde nur durch den Dreizack ausgewiesen. Stürzend ist er zugleich der Nachkomme des alten Drachen. In diese Richtung bewegten sich auch schon Frans Floris ( 1516 - 1570) und Peter Paul Rubens (1577-1640), die Michaels Kampf gegen den siebenköpfigen Drachen der Apokalypse zusammensehen mit dem «Engelsturz», von dem im Alten Testament und in Apokryphen berichtet wird.

Brüder Limburg Kampf über dem Mont-Saint-Michel (um 1340-1416) war nicht nur ein bedeutender Bauherr und Kunstmäzen. Er liebte auch den vertraulichen Umgang mit Künstlern. Kunstverständig wie er war, dürfte er in der Lage gewesen sein, den Künstlern Anregungen zu geben, sie also nicht nur materiell, sondern auch geistig zu fördern. Um 1413 bekamen die Brüder Limburg- Paul, Herman und] an - den Auftrag zu den Tres Riches Heures ausdrücklich mit der Zielsetzung, alles bisher Bekannte auf dem Gebiet der Buchmalerei zu übertreffen. Dies heißt nichts anderes als sich selbst zu übertreffen, denn ein früheres Stundenbuch, die Beiles Jean Duc de Berry

Brüder Limburg (tl 416), Michaels Kampf mit dem Drachen über dem MontSaint-Michel aus den Tres Riches Heures des Herzogs

Jean de Berry, 1413-1416. Musee Conde, Chantilly.

80

Uffl>lllltCUtS tlO tUtl)ttnlli' .__.~ ~unmfctlltOltUtltrutS ~. 7ill~ rr.

cn@ttamman,~al!)

81

Heures, waren bereits um 1408 entstanden.57 Die drei Brüder starben

1416, wohl im Verlauf einer Epidemie. Paul, der ältere und Vorsteher der Werkstatt, war erst um die dreißig] ahre alt. Im gleichen Jahr starb auch der Auftraggeber und Freund,Jean Duc de Berry. Die Neuerung der Tres Riches Heures besteht vor allem in der naturalistischen Landschaftsdarstellung. Das betrifft in erster Linie die Monatsblätter, aber auch Michaels Kampf mit dem Drachen. Es ist gut vorstellbar, dass der Herzog die Brüder auf den Mont-Saint-Michel, eine Felseninsel vor der Küste der Normandie, aufmerksam gemacht hat - als geeignete Kulisse für den Drachenkampf. Der Erzengel war dort am 16. Oktober des Jahres 708 erschienen. Das führte auf dem Mons Tumba, wie er damals hieß, zur Gründung des Klosters «S. Michaelis Archangeli in periculo maris». Das Michael-Heiligtum war ein vielbesuchter Wallfahrtsort, also weithin bekannt. Aber die Genauigkeit der Zeichnung ist doch überraschend: Die große Kirche mit allen Einzelheiten, die Umfassungsmauer, die Häuser des Dorfes, die sich den Felshang hinaufziehen-der Anblick hat sich bis heute erhalten. Die Kähne liegen auf dem Sand. Es ist Ebbe. Links im Hintergrund liegt ein größeres Segelschiff auf dem Trockenen. Rechts erkennt man eine weitere kleine Insel im Wasser. Aber wo sind die Menschen? Di~ Tore stehen weit offen. Sind sie geflohen? Haben sie sich in ihre Häuser zurückgezogen - angesichts des Kampfes, der sich am hellichten Tag direkt über der Kirche abspielt? Das Untier ist erstaunlicherweise mit dem gleichen Gold gemalt, in dem auch Michael glänzt. Zum Unterschied trägt dieser ein leuchtend blaues, lang wallendes Unterkleid und seine Flügel strahlen in Weiß und Gold. Der Erzengel steht in Flammen. Er ist der feurige Fürst der Himmel. In der Linken trägt er den Herrscherstab, um den sich eine Schlange windet. Mit der Rechten schwingt er das zweischneidige

82

Schwert. Mit ihm hat er den Drachen am Hals verwundet. Große Blutstropfen fallen auf die Wohnungen der Menschen. Der Kopf des Drachen neigt sich zur Erde. Die Schlange ist Symbol der Erkenntnis als Folge des «Sündenfalls». Indem sie sich um den Stab windet, wird sie zum Zeichen der Heilkraft. Die Schlange wurde überwunden, erhöht und verwandelt. Michael bedroht hier nicht nur den Drachen mit dem Schwert, er hält ihm den Merkurstab entgegen. Auch die Kraft des Drachen bedarf der Umwandlung. Das bringt dieser selbst mit seinem Goldglanz zum Ausdruck.

Michael beim Jüngsten Gericht und der Weltgerichtsaltar von Rogier van der Weyden Die zahlreichen Bilder vom Jüngsten Gericht haben - abgesehen von vorchristlichen Traditionen - ihren Ursprung in der Botschaft des Matthäus und der Schau des Johannes, die beide Jünger des Herrn waren. Matthäus berichtet ausführlich von Jesu Reden über die Endzeit, die er auf dem Ölberg gehalten hat, kurz vor Beginn der Passionswoche (Mt 24-25).

Christus spricht zu seinen Jüngern von Kriegen und Hungersnöten als dem «Anfang der Wehen», vom Auftreten falscher Propheten, von zunehmender Ungerechtigkeit, von der großen Bedrängnis: «Sogleich aber nach der Bedrängnis jener Zeit wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren und die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen, und dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohnes am Himmel. Und dann werden wehklagen alle Geschlechter auf Erden und werden sehen den Menschensohn kommen auf den Wolken

83

Jüngstes Gericht, Codex Parisinus, 11 . Jh. Paris,

Bibliotheque nationale de France.

des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und er wird seine Engel senden mit hellen Posaunen, und sie werden seine Auserwählten sammeln von den vier Winden von einem Ende des Himmels bis zum anderen. » 58 Schließlich kommt der Tag des Gerichts: «Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit, und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit und alle Völker werden vor ihm versammelt werden und er wird sie voneinander scheiden.» Jene zu seiner Rechten hören die Worte: «Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt. » Jene zu seiner Linken aber trifft das Wort: «Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! » 59

84

Michael mit der Seelenwaage beim Jüngsten

Gericht, Tympanon des Hauptportals der Kathedrale von Amiens, erste Hälfte 13 . Jh .

Johannes auf Patmos schaute den Thronenden mit dem Buch des Lebens - ein Bild vom Ende der Menschheitsgeschichte. Er beschrieb, wie auch das Meer die Toten herausgibt und wie der Tod selbst in den feurigen Pfuhl geworfen wird. Auf der Gegenseite ersteht das Neue Jerusalem. 60 Diese Bilder sind vorgebildet im neunten Psalm: Der Herr aber bleibt ewiglich; Er hat seinen Thron bereitet zum Gericht. Er wird den Erdkreis richten [... ]. In frühchristlicher Zeit wurde das Weltgericht nur sehr selten dargestellt. 61 Seit dem neunten Jahrhundert trat das Thema vermehrt

ins Bewusstsein, vor allem vom 12. bis zum 15. Jahrhundert durch

85

die Darstellung an den Portalen zahlreicher Kirchen. Im fünfzehnten Jahrhundert fand es durch Jan van Eyck (um 1430), Rogier van der Weyden (um 1450) und Hans Memling (1472) seinen unübertrefflichen Ausdruck. Rogier van der Weyden hat viel von Robert Campin und ' Jan van Eyck gelernt, dann aber selbst die Malerei seines Jahrhunderts geprägt. Alle Großen des fünfzehnten Jahrhunderts haben ihn verehrt. Nikolaus von Kues nennt ihn in seiner Schrift Von Gottes Sehen «maximus pictor», den größten Maler. 62

Gislebertus, Michael als Seelenwäger, 1225-35. Ausschnitt aus dem Weltgerichtstympanon der Kathedrale 5t-Lazare in Autun .

Den Auftrag zum Weltgerichtsaltar erhielt Rogier van der Weyden einige Jahre vor seiner Romreise im heiligen Jahr 14 50 vom Kanzler des Herzogs von Burgund, Nicolas Rolin. Dieser war zu großem Reichtum gekommen, der in unübersehbarem Kontrast zum Elend vor allem der Landbevölkerung stand, die unter Plünderung und Brandschatzung, Missernten, Hungersnot und Pest zu leiden hatte. Nicht zuletzt um sein Gewissen zu entlasten, engagierte er sich als Stifter und Mäzen. Dazu bemerkte König Ludwig XI.: «Der Mann, der zu Lebzeiten die Armut so vieler Menschen verursacht hat, ist es sich wohl schuldig, ihnen-nach seinem Tod eine Zuflucht zu hinterlassen.» 63 Das Hötel-Dieu in Beaune, ein Hospital für Arme, die hier kostenlos gepflegt wurden, war seine bedeutendste Stiftung (1443). Der große Krankensaal war zu einer Kapelle mit dem Weltgerichtsaltar hin orientiert. Das Altarbild zeigt im geöffneten Zustand neun Tafeln, im geschlossenen sechs. Das geöffnete Polyptychon, 2,25 m hoch, zeigt auf 5,46 m Breite nur ein Bild: Das Jüngste Gericht. 64 An diesem Bild sollten die Kranken sich inner-

86

lieh aufrichten und Selbsterkenntnis üben. Seine meditative Betrachtung gehörte zur Therapie, ähnlich wie beim lsenheimer Altar von Matthias Grunewald. Die Anregung zu dieser bedeutenden Stiftung kam wohl von seiner dritten Frau Guigone de Salins, einer zutiefst frommen Frau, die sich vor allem nach dem Tod des Gatten ganz dem Dienst an den Armen widmete. Es darf angenommen werden, dass der Kanzler ihr außergewöhnliche Liebe und Verehrung entgegenbrachte, denn überall im Hötel-Dieu begegnet man seinem Leitwort «Seulle» - der Einzigen. Vielleicht hat sie in ihm eine wirkliche Einkehr und Umkehr bewirkt im Blick auf das Lebensende, an dem Michael mit der Seelenwaage nicht zu umgehen ist. In der Seele auf Michaels Waage können sich nicht nur die Kranken selbst erkennen, sondern auch und vielleicht vor allem der Stifter: Die

Seite der Laster und schlechten Taten ist deutlich schwerer als die der Tugenden und Wohltätigkeiten. Dies ist ungewöhnlich und verhielt sich ursprünglich auch umgekehrt. Was den Meister zur Änderung bewogen hat, ist unbekannt. Jedenfalls wird die Eindringlichkeit des

Rogier van der Weyden (Roger de la Pa sture;

1399/1400-1464), Das Jüngste Gericht (Altar in

vollständig geöffnetem Zustand), 1448-1451 . Beaune, H6tel-Dieu .

87

memento mori dadurch erheblich verschärft. Um

ein mögliches Missverständnis, als ob gute gegen schlechte Menschen gewogen werden, von vornherein auszuschließen, hat der Maler an die linke Waagschale das Wort virtutes (Tugenden) und an die rechte Waagschale peccata (Sünden) geschrieben. Gewogen werden immer nur einzelne Menschen mit ihren guten und schlechten Eigenschaften, die personifiziert dargestellt werden. Im Übrigen zeigt das Bild das traditionelle Schema. Um die Mittelachse komponiert wandern die Erlösten nach links, wo sie von einem Engel in die Himmlische Stadt, das Neue Jerusalem, eingelassen werden, die Verdammten nach rechts, wo sie in den finsteren Abgrund stürzen, aus dem Flammen emporzüngeln im Anklang an Dantes Divina Comedia. Auf die Darstellung von Drachen, Teufeln und Dämonen verzichtet Rogier van der Weyden. Auch das ist ungewöhnlich für seine Zeit. Christus thront als Weltenrichter auf einem Regenbogen, der sich über drei Felder erstreckt. Seine Füße ruhen auf der Weltkugel. Direkt unter ihm steht der Erzengel Michael, leicht bewegt, im Antlitz Christus angeglichen. Die Ähnlichkeit vor allem der Augenpartie ist auffällig. Michael trägt ein weißes Gewand mit einem kostbaren rot-goldenen Umhang, der mit einer Fibel zusammengehalten wird. Diese Fibel ist als Symbol der Dreieinigkeit gestaltet. Michael hält mit der Rechten zwischen Daumen und Zeigefinger die Waage. Neben ihm blasen vier rote Engel die Posaune zum Tag des Gerichts: Die Toten kommen aus 88

ihren Gräbern zur Seelenwaage. Dann wandern sie in die Neue Stadt oder- in größerer Zahl - in den Abgrund der ewigen Verdammnis. Christus, dessen Gestalt die Senkrechte betont, ist rot gewandet. Er deutet mit der Rechten auf eine weiße Lilie und den Spruch: «Kornmet her, ihr Gesegneten meines Vaters, das Königreich in Besitz zu nehmen, das euch von Anbeginn der Welt bereitet ist», mit der Linken auf das Schwert und den Spruch: «Gehet weg von mir, ihr Verdammten; gehet in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bereitet ist.» Zu beiden Seiten des Thronenden, auf den benachbarten Tafeln, tragen vier weiß gewandete Engel die Marterwerkzeuge Christi.

Jan van Eyck (um 1390-1441) zugeschrieben, Jüngstes Gericht, um 1430. New York, The Metropolitan Museum of Art (gegenüber). Rogier van der Weyden, Das Jüngste Gericht, Mitteltafel (rechts). - Christus

als Weltenrichter und Michael mit der Seelenwaage .

89

Der linke Flügel des geschlossenen Altars zeigt den Kanzler Nicolas Rolin als Stifter und eine in Grisaille gemalte Statue des heiligen Sebastian. Der Kanzler und der heilige Sebastian sind einander zugewandt. Bedenkt man den Zeithintergrund, die Anhäufung von Reichtum auf Kosten anderer, das Vorbild der Gattin des Kanzlers und die Stimmung des memento mori, so wird der von Pfeilen durchbohrte Sebastian zum Symbol derer, die unter Nicolas Rolin zu leiden hatten. Das Antlitz des Kanzlers ist dementsprechend keineswegs - wie zu erwarten wäre - idealisierend dargestellt, sondern besorgt blickend mit etwas zu langer Nase und in die Breite gezogenem Mund. Der Stifter bittet: Der Herr sei meiner Seele gnädig. - Er war vielleicht ein Gerechter. Vom Recht verstand er jedenfalls sehr viel. Aber wer recht hat, handelt darum noch lange nicht gütig.

Der Regenbogen verbindet Christus mit Maria und Johannes dem Täufer. Sie bilden, angeordnet im gleichseitigen Dreieck, eine Deesis. 65 Hinter Maria undJohannes sind weitere Heilige Zeugen des Jüngsten Gerichts: Die zwölf Apostel, darunter Paulus auf der rechten Seite im grünen Gewand, hinter ihm drei Vertreter der Weiblichkeit: eine Jungfrau, eine Prinzessin und eine verheiratete Frau. Auf der linken Seite, zur Rechten Christi, erkennt man Petrus und Johannes den Evangelisten. Hinter ihnen sitzen, die irdische Hierarchie repräsentierend, ein Papst, ein König, ein Bischof und ein Mönch. 66 Die innere und auch äußere Mitte des monumentalen Gemäldes ist der Erzengel Michael mit der Seelenwaage in gerader Linie unter dem Weltenrichter. Das Antlitz des Seelenwägers ist ähnlich gestaltet wie dasjenige des

90

Thronenden. Die Augen der Pfauenfedern auf seinen Flügeln sind Kennzeichen der Cherubim: Michael hat deren Erkenntniskraft. Er sieht alles - auch den Betrachter. Die Sünden wiegen schwerer als die guten Taten. Dazu mag eine theologische Erwägung geführt haben: Auch wenn jemand viele gute Werke tut - und die Stiftung des Hötel-Dieu in Beaune war zweifellos eine Großtat, die mit Recht in die Geschichte eingegangen ist-, ohne die Gnade Christi kommt niemand in den Himmel. Der

Hans Memling (um 1433-

1494), Michael beim Jüngsten Gericht, um 1472. Danzig,

Muzeum Narodowe. Rechter Außenflügel: Die Gattin des Stifters, Katharina Tani. Darüber : Michael bedroht einen Teufel.

91

Himmel ist nicht käuflich. Weil Michaels Seelenwaage auf diesem Weltgerichtsbild zeigt, dass die Seite der Laster schwerer wiegt als die der Tugenden, vermittelt es etwas von jener düsteren Stimmung, die Cyrill von Jerusalem beim Lesen der apokalyptischen Prophetie des Matthäus befiel: «Wahrhaft furchtbar wird das Gericht sein, und Furcht ist gegenüber dem, was angekündigt ist, am Platze. Das Reich der Himmel ist in Aussicht gestellt und ewiges Feuer ist bereitet.»67 Im Hötel-Dieu in Beaune fiel der Blick der Kranken zu bestimmten Zeiten, in rhythmischer Wiederkehr, auf den Erzengel Michael mit der Seelenwaage. Dem Gericht, das Michael verkörpert, kann am Ende keiner entkommen. Aber über Michael thront der Weltenrichter, der zugleich der Weltenheiland ist.

Perugino - Michael als jugendlicher Held Pietro di Cristoforo Vannucci, genannt Perugino (um 1445/48-

1523), wird gelegentlich als «Schüler des Botticelli» bezeichnet. Vasari berichtet, er habe vor allem bei Andrea del Verrocchio gelernt. 1472 trat er in die Künstlergilde der Compagnia di San Luca ein. Seitdem war er als Meister selbständig und-stilprägend in den großen Kunstzentren Italiens tätig: Perugia, Florenz, Rom und Venedig. Ständige Werkstätten unterhielt er Perugia und Florenz. Als Kind hatte er die Armut kennen gelernt. Vasari meint, dies sei seiner Kunst förderlich gewesen. Reichtum kann lähmend wirken - und eben dies hat Vasari am späten Schaffen Peruginos beobachtet, der sich zu oft wiederholte. Seine Gesichter wurden, trotz allen Feingefühls in der Ausführung, stereotyp. Vor allem in Florenz musste er sogar Schmähungen ertragen. Das unersättliche Streben nach Reichtum war der Entfaltung seines Geistes hinderlich. 92

Perugino hat sich in jungen Jahren eine vorzügliche Technik erarbeitet, die seinen religiösen Bildern einen unnachahmlichen Liebreiz verleiht, der aber nur die seelische Ebene erreicht. Seiner Glaubenswelt fehlt die Erkenntnisgrundlage. Vasari hat dies - scharf blickend - erkannt. Er hält ihn sogar für einen Materialisten: «Pietro war eine Persönlichkeit mit wenig Religion; zum Glauben an die Unsterblichkeit konnte er nicht gebracht werden.» 68 Und so fehlte ihm auch die geistige Beziehung zum Erzengel Michael. Gleichwohl hat er ihn gemalt - menschlich, liebreizend: als jugendlichen Helden. Peruginos Michael ist circa 1511 entstanden und befindet sich heute in der National Gallery in London. Die Tafel gehörte ursprünglich zu einem Altar. Sie ist unten abgesägt: Zu Füßen Michaels ist der besiegte Drache zu denken, dessen Reste übermalt wurden. Links an einem abgestorbenen Bäumchen hängen die Waagschalen, in denen Michael einst die Seelen wägen wird.

Pietro Perugino (um 1445/48-1523),

Michael, circa 1511. London, National Gallery.

93

Michael ist gerüstet. Den Helm hat er aber mit einem reich geschmückten Barett vertauscht. In der Rechten hält er den Herrscherstab, die Linke ruht auf einem großen, schmalen Schild. An seiner Seite hängt das Schwert. Das Antlitz wirkt jugendlich, fast kindlich. Breitbeinig steht er im Vordergrund auf der Wiese: keine Wesenheit aus dem Reich der Himmel! Die Landschaft erstreckt sich unter wolkenlosem Himmel weit in den Hintergrund. Das Übersinnliche wird von Perugino sehr irdisch dargestellt. Er malt Engelwesen, glaubt aber wohl nicht mehr an ihre Existenz. Er malt liebenswerte religiöse Bilder, die das Gefühl ansprechen, aber der geistigen Dimension ermangeln: Sie führen zur Rührung, kaum zur Erschütterung. Der Geist wird Seele.

Raffael - Feuer auf Erden hat bei Perugino gelernt. 69 Der Schüler hat den Meister bald übertroffen. Der Einfluss blieb gleichwohl wirksam. Entscheidend ist jedoch Raffaels neue Wendung zur Verklärung der Sinneswelt. In der Renaissance wurde die sinnlich erfahrbare Wirklichkeit von den Künstlern «entdeckt», von Perugino in besonderem Maße. Auch Raffael hat sie gemalt, aber in Verklärung. Im Vergänglichen leuchtet das Ewige auf. 70 Raffael {1483-1520)

Raffael (1483-1520),

Michael besiegt den Drachen, 1504. Paris,

Musee du Louvre.

94

Raffael hat Michaels Drachenkampf zweimal in Öl gemalt. Beide Bilder befinden sich im Louvre in Paris. Auf dem kleineren Bild von 1504 steht Michael schwergewichtig auf dem Hals des besiegten Drachen, der noch seinen Schwanz um Michaels rechtes Bein windet. Ein zweiter, ähnlich gearteter Drache schleicht von links heran. Auf ihm reitet einer von drei Dämonen, die an Geschöpfe von Hieronymus Bosch erinnern.

95

Raffael (und Werkstatt), Michaels Drachenkampf,

1518. Paris, Musee du Louvre.

96

Im Hintergrund links brennt eine Stadt. Davor sieht man einen Zug der Heuchler und am rechten Bildrand eine Gruppe von Räubern, um die sich Schlangen winden: Imaginationen aus Dantes Inferno - als Vorspiel zum Jüngsten Gericht. Raffael hat auch Paulus gelesen, der an die Korinther schrieb: «Der Tag des Gerichts wird's klar machen, denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.» 71 Zwei Jahre vor seinem Tod gestaltete Raffael erneut den Drachenkampf des Michael, diesmal im Monumentalformat (268 x 160 cm).72 Das Bild war ein Geschenk des Papstes an K_önig Franz I. von Frankreich. Der zweigehörnte Drache liegt besiegt bäuchlings auf glühenden Felsen. Feuer dringt von unten herauf. Raffael, Vorstudie zu

Michael steht mit dem rechten Fuß auf dem Drachen. Aber er berührt ihn nur ganz leicht. Er scheint zu schweben - im Unterschied zu jenem niederdrückenden Michael von 1504. Konrad Oberhuber hat die eigentümliche Spannung zwischen der äußeren Abwärtsbewegung und der inneren Aufwärtsbewegung hervorgehoben, 73 die in der Farbgebung dem starken Helldunkel entspricht, das den späten Raffael mit Leonardo verbindet.74 Mit beiden Händen umfasst der Erzengel seine Lanze, mit der er den Drachen bedroht. Sein Antlitz erinnert an Apollon, der ja vor Zeiten auch schon den Drachen besiegt hat.75

Michaels Drachenkampf,

1518. Paris, Musee du Louvre.

Bei beiden Bildern spielt das Feuer eine wichtige Rolle. Auf dem Frühwerk brennt eine Stadt. Auf dem Spätwerk kommt Feuer aus dem Erdinnern. Das Feuer wird als Höllenfeuer in seiner zerstörerischen Wirkung gezeigt. Es dient aber auch der Reinigung. Feuer ist das Element, das von sich aus schon ins Übersinnliche weist. Es hat zwei Seiten - wie das Ich. Es ist sinnlich und übersinnlich zugleich. Darum wirkt es auch in zwei Richtungen. Aus Feuer entsteht Rauch - aber auch Licht: Die Welt in Verklärung. Das Feuer oder die Wärme ist das Element des Ich. Luft, Wasser und Erde sind zu grob für die unmittelbare Ich-Wirkung.Nach Aristoteles 97

geht der Geist keine Verbindung mit der Materie ein. Die Wärme ist materiell und ätherisch zugleich. Daher kann sie die drei unteren Elemente durchdringen. So kann das Ich über die Wärme in der Erdenwelt wirken. Wenn Raffael bei Michaels Kampf mit dem Drachen das Feuerelement hervorhebt, bringt er damit zum Ausdruck: Dieser Kampf ist ein Kampf um das Ich.

Raffae l, Heilige Margarete, 1518. Paris, Musee du Louvre.

Luzifer hat das Feuer des Ich entzündet, aber zur Unzeit, gegen die Weltordnung; so wurde es zum niederen Ich. Christus ist der wahre Lichtbringer. Darauf weist der Erzengel Michael. Raffaels Bilderzeigen den michaelischen Weg zu Christus - zum wahren Ich. In der Meditation dieser Bilder spürt der Betrachter deren reinigende Wirkung in der eigenen Seele. Perugino bewegt sich vom Geistigen ins Irdische. Raffael führt die Seele zum Geist, ohne die Erde zu verlieren. Die Auseinandersetzung mit dem Bösen war für Raffael ein zentrales Thema, das ihn lebenslang beschäftigt hat. Im Zusammenhang mit dem Erzengel Michael steht die heilige Margarete, die von ihm zweimal gemalt wurde, wie sie ein gewaltiges Ungeheuer zähmt (1518). Auch die männliche Repräsentanz Michaels auf Erden, der heilige Georg, wurde von Raffael zweimal dargestellt (1505 und 1506). Georg tötet den Drachen, Michael und Margarete beherrschen ihn.

Tintoretto - Kampf um die himmlische Frau wurdeJacopo Robusti (1518-1594) genannt7 6 und so nannte er sich dann selber: Tintoretto. Ein Freund spricht ihn als «Adoptivsohn des Apell es» an und bescheinigt ihm eine ausgeglichene Lebensweise. Giorgio Vasari charakterisiert ihn 15 68 als «wunderlich, bizarr, flink und kühn», ja als «gewaltigsten Geist, den die Malerei je besessen».77 Tintoretto hat es vermocht, seine Vorstellungskraft ins Visionäre zu steigern. «Kleiner Färber»

98

Tintoretto (Jacopo Robusti; 1518-1594), Michaels Kampf mit dem Drachen, um 1590.

Dresden, Gemäldegalerie alter Meister.

In der Dresdener Gemäldegalerie befindet sich - aus seinem Spätwerk, um 1590 entstanden - die Darstellung des Drachenkampfes nach der Apokalypse des Johannes. Die Madonna auf der Mondsichel schaut zu:

99

«Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen. Und sie war schwanger und schrie in Kindsnöten und hatte große Qual bei der Geburt. Und es erschien ein anderes Zeichen am Himmel, und siehe, ein großer roter Drache, der hatte sieben Häupter». 78 Der Drache ist demgemäß als siebenköpfige Schlange dargestellt. Der führende Kopf taucht in der linken unteren Ecke auf. Ihr Schwanz windet sich senkrecht nach oben bis über die Madonna auf der Mondsichel. Nach Johannes gelingt es dem Schlangendrachen, mit seinem Schwanz ein Drittel der Sterne vom Himmel zu reißen. Oben rechts erscheint Gottvater in der Gloriole. Mit ausgebreiteten Armen wirft er Lichtstrahlen auf das Drachengezücht. Drei gestürzte Engel kämpfen auf Seiten des siebenköpfigen Untiers: «Und der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel.» 79 Die Lanze des Erzengels - als Diagonale von rechts oben nach links unten - teilt das Bild in zwei Hälften. Aber auch die Bewegungsrichtung Michaels und seiner Engel hin zur Mondsichelmadonna bilden eine Diagonale, sodass im Blick des Betrachters ein Andreaskreuz entsteht. Das Bild zeigt starke Farbkontraste, Bewegung und verkürzende Zeichnung, die eine starke Tiefenwirkung erzeugen. Das kann als Merkmal des «Manierismus» und Ankündigung des Barockzeitalters verstanden werden. 80

100

Tilman Riemenschneider Die Kraft der Verehrung

Am Freitag, den 9. September 1513, wurden im Bamberger Dom

die Gebeine von Kaiser Heinrich II. und seiner Gemahlin Kunigunde umgebettet in das neue Hochgrab, an dem Tilman Riemenschneider (um 1460-1531) in Würzburg zwei mal sieben Jahre gearbeitet hatte. Dem heiligen Kaiserpaar wurde nicht nur in Bamberg, sondern in der ganzen Christenheit besondere Verehrung entgegengebracht, zweifellos auch von Tilman Riemenschneider, der sich mit ungefähr 40 Jahren auf der Höhe seiner Schaffenskraft befand. Das Grabmal befand sich lange Zeit in der Mitte des Doms, von wo aus der Blick auf den «Bamberger Reiter» fällt. In diesem Reiter kann man das Idealbild eines Ritters erblicken. Das Kaiserpaar wurde im gleichen Sinne idealisiert. Riemenschneider hat die Tumba geschaf-

Tilman Riemenschneider (um 1460-1531), Kaisergrab im Dom zu Bamberg,

1499-1513. Alte Aufstellung in der Mitte des Doms mit Blick auf den Bamberger Reiter.

101

fen, wobei ihm der Reiter wohl auch vor dem inneren Auge stand. Sie besteht aus einer Deckplatte mit der Darstellung des Kaiserpaars und fünf Seitenreliefs, weitgehend nach Motiven aus der Legenda aurea, darunter die Feuerprobe und des Kaisers Seelenwägung durch den Erzengel Michael. Heute befindet sich das Kaisergrab neben einer Treppe, die zum Ostchor führt. Der Erzengel Michael, mit der Rechten das Schwert schwingend und in der Linken eine große Eisenwaage haltend, nimmt die rechte Bildhälfte ein. Den Hintergrund bildet eine nach links ansteigende baum- und strauchlose Landschaft. Die beiden Gestalten auf der linken Bildhälfte sind deutlich kleiner als der Erzengel. An den Rand gedrückt, reich gekleidet, die Krone auf dem Haupt, aber im Gebet bescheiden um Gnade bittend, steht aufrecht der Kaiser, der am 13 .Juli 1024 gestorben war. Er berührt den heiligen Laurentius, der ihm beim Wiegen seiner guten und schlechten Taten zu Hilfe kommt. Von allen Heiligen stand Laurentius dem Kaiser wohl am nächsten. Am Laurentiustag (10. August) des Jahres 1002 war seine Gattin Kunigunde in Paderborn gekrönt worden. Am Laurentiustag 95 5 hatte Otto I. die Ungarn auf dem Lechfeld geschlagen. Die Geste seines rechten Armes deutet an, dass er soeben einen schweren goldenen Kelch auf die Waagschale gelegt hat, den der Kaiser Sankt Laurentius zu Ehren hatte anfertigen lassen. Dieser zieht die Waagschale nach unten, denn die Kraft der Verehrung wiegt schwer. Nach der Legende halten die Teufel ihn für einen Krug. In ihrem Zorn schlägt einer der Teufel von diesem «Krug» ein «Ohr» ab. Der Kelch ist Zeichen des Opfertodes Christi. Mit dem Abendmahlsgefäß hat Joseph von Arimathia das Blut aus den Wunden Christi aufgefangen. Damit wurde er zur Schale des heiligen Grals. 81 Die Waagschale der guten Taten neigt sich zur Erde, berührt sie wohl schon. Auch das Schwert Michaels weist zur Erde. Es nimmt die Linie

102

Ti/man Riemenschneider

(um 1460-1531), Traum Kaiser Heinrichs II. von der Seelenwägung am Kaiser-

grab im Dom zu Bamberg,

um 1510.

des hügeligen Hintergrunds auf. Auf der anderen Seite bemühen sich drei Teufel, die Waagschale der schlechten Taten herunterzudrücken. In ihr liegt- pars pro toto - eine der glühenden Pflugscharen, über die auf Geheiß des Kaisers Kunigunde gehen musste, um ihre Unschuld zu beweisen. Im Zorn hatte er sie obendrein noch geschlagen. Er musste Abbitte leisten und die Teufel konnten Hoffnung schöpfen.

103

Kaiser Heinrich II. brachte dem Erzengel Michael große Verehrung entgegen. So war er imJ ahre 1022 zum Monte Gargano gezogen, wo Michael dreimal erschienen war, zuletzt am 29. September 493 . Nach der Legende durften die Menschen den Gottesdienst nur am Tage verrichten; nachts vollzogen Michael und die Seinen einen übersinnlichen Kultus, von dem die Menschen ausgeschlossen waren. Kaiser Heinrich II. aber blieb, betend, die ganze Nacht über allein in der Grotte, wurde einer Schau Michaels und seiner Scharen gewürdigt und schließlich von Michael an der Hüfte verletzt. Er hatte also eine wirkliche Berührung mit dem princeps aetherius, vergleichbar dem RingenJ akobs mit dem Engel, das im Alten Testament beschrieben ist. Tatsächlich hat Kaiser Heinrich II. dem Erzengel Michael mehrere Kirchen geweiht, in seinem geliebten Bamberg das Michaelskloster. Die enge geistige Verbindung des Kaisers zum heiligen Laurentius und zum Erzengel Michael bringt Riemenschneider dadurch zum Ausdruck, dass er die drei Gestalten eng aneinanderrückt. - Mehr noch: Der Kaiser berührt Laurentius, dessen Verbindung mit dem Erzengel offenbar noch enger ist. Das Bild zeigt: Die guten Taten sind ·deutlich gewichtiger als die bösen. Die Kraft der Verehrung, die Riemenschneider an Heinrich und Kunigunde wahrgenommen hat, wirkt auch in seiner Kunst. Sie ergreift den Betrachter noch heute unvermindert.

Ernst Barlach - Der Geistkämpfer Zu den überzeugenden Darstellungen aus neuerer Zeit gehört

zweifellos Ernst Barlachs Bronzeskulptur des Geistkämpfersvon 1928, dessen Höhe nahezu fünf Meter beträgt. Es handelt sich um eine Auftragsarbeit, für die er selbst in der Stadt Kiel den Ort der Aufstellung wählen durfte. Im Februar 1927 entschied er sich für einen Platz vor 104

Ernst Barlach (1870-1938). Der Geistkämpfer, 4,80 m

hoch (ohne Sockel), Bronzeguss, 1928. Alte Aufstellung vor der HeiliggeistKirche, Kiel.

105 .

der Heiliggeist-Kirche (Universitätskirche). Das erklärt die Namensgebung: Michael ist hier nicht nur Christuskünder, sondern auch Kämpfer für den Heiligen Geist. 193 7 wurde das Werk als «entartet» diffamiert und beschlagnahmt. Der Michael, den Walter Kniebe 1928 bis 1932 für die Stadt Rheydt am Niederrhein geschaffen hatte, wurde zerstört. Das gleiche Schicksal drohte dem Geistkiimpfer von Barlach. ·Es konnte gerade noch abgewendet werden. 1954 fand das Werk an der Nikolaikirche einen neuen Standort. Ernst Barlach, Entwurfszeichnung zum Geist-

kämpfer, 1927. Güstrow, Ernst Barlach Stiftung.

Beim Geistkämpfer ist die Senkrechte betont. Er steht gerade und hält das Schwert senkrecht nach oben weisend, mit beiden Händen vor der Brust. Das Tier, auf dem er steht, betont dagegen die Waagrechte. Das Haupt des Geistkämpfers ist leicht zu jenem Tier hin geneigt. Sein Blick ist voller Sorge: nicht wegen des Untiers, halb Hund, halb Löwe, das ihm nichts anhaben kann. -Aber wird der Betrachter dieses «Aufrichten» in sich nach seinem Vorbild verwirklichen können? Barlach selbst hat in seinem Brief an den Kieler Stadtrat Willi H ahn vom 25. November 1928 das Werk «als Gruppe der Überwindung, Selbstüberwindung» bezeichnet: «Dieses darzustellen ist exakt meine Meinung gewesen. Das nach oben strebende trennt sich vom ErdigHorizontalen.»82

Walther Kniebe Kampf zwischen Licht und Finsternis 1932, hundert Jahre nach Goethes Tod, wurde in Rheydt (Mön-

chengladbach) ein Ehrenmal für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen der Stadt eingeweiht: Es zeigte den Erzengel Michael und den besiegten Drachen, in Kupfer getrieben, fünfzehn Meter hoch, auf einem sechs Meter hohen pyramidalen Sockel, der eine Krypta barg. Der 106

Erzengel, flügellos, das Flammenschwert in beiden Händen, schreitet über den Drachen hinweg. Walther Kniebe (1884---1970) fertigte zunächst ein etwa drei Meter hohes Modell, nach dessen Vorbild ein fünfzehn Meter hohes Holzmodell erstellt und mit 1,5 mm starkem Kupferblech umgeben wurde. Dann begann die eigentliche Arbeit des Bildhauers: die künstlerische Durchgestaltung des Kupferblechs. Danach wurden die Bleche wieder abgenommen, auf dem Sockel vernietet und beim Aufbau innen mit einem System von Eisenträgern stabilisiert: Das Holzmodell diente als Brennholz. 83

Walther Kniebe, Michael hilf!, Gefallenendenkmal, circa 1s m hoch (ohne Sockel), 1932 (1940 vernichtet).

107

Diese Gedenkstätte war Walther Kniebes erster und zugleich letzter öffentlicher Großauftrag. Er hatte ihn von der Stadt Rheydt im Jahre 1928 erhalten - als in Kiel Ernst Barlach seinen Geistkämpfer vollendete und in Dornach bei Basel das zweite Goetheanum entstanden war. Kniebes nächste Geistverwandte sind Goethe, Barlach und Steiner. Walther Knie bes Michaeldarstellung ist nach Aussage des Künstlers in ihrer Grundkonzeption aus dem Studium von Goethes Farbenlehre entstanden. Der Maler und Zeichner hat- in der Nachfolge Goethes - zunächst auf Papier den Kampf von Licht und Finsternis erlebt. Das führte ihn zum Thema «Michael und der Drache» im Räumlich-Dynamischen - denn er war bis 1933 noch in erster Linie Bildhauer. 84 Es zeigte sich ihm, dass es im Grunde genommen nur die Möglichkeit gibt, «das lebendige Spiel der dynamischen Raumeskräfte so darzustellen, dass sich daran der Kampf zwischen Licht und Finsternis ausleben kann. So etwa, wie wachstums-dynamisch die Pflanze sich im Raume ausbreitet.» 85 Zu Barlach besteht eine auffällige Koinzidenz. Beide bekamen ungefähr gleichzeitig einen öffentlichen Auftrag zu einer Monumentalplastik. Beide sind frei in der Wahl des Motivs. Beide entscheiden sich für das Thema «Michael und der Drache» und beide gestalten keinen äußeren Kampf. Dies ist bei Kniebe besonders bemerkenswert, denn es handelt sich um ein Gefallenendenkmal: Der Kampf hat auf Erden stattgefunden. Der Kampf hat aber auch im Geiste stattgefunden: Der Drache liegt besiegt am Boden - in Bezug auf Michael, noch nicht in Bezug zum Menschen. Zu beachten ist in diesem Zusammen108

hang die Bezeichnung, die Kniebe dem Denkmal gab: nicht «Michael hilft», sondern «Michael hilf!». Der Erzengel möge helfen; er kann es aber nur, wenn der Mensch sich zum Geist erhebt. Genau dies bringt Ernst Barlach zum Ausdruck mit der unmissverständlichen Bezeichnung «Geistkämpfer». Wer den «Geistkämpfer» verstehen will, muss seiner Weisung folgen. Der Weisende wird dann zum Helfer. Beide Michaeldarstellungen sollten mit gleichen Verlautbarungen vernichtet werden: Barlachs «Geistkämpfer» konnte mit Mühe gerettet werden, Kniebes Gefallenendenkmal wurde 1940 eingerissen, das Kupfer der Kriegsindustrie zugeführt. Walther Kniebes Beziehung zum Goetheanum und zu Rudolf Steiners Kunstimpuls zeigt sich in der dynamischen - am Wachstum der Pflanze orientierten - Formgebung und in der Deutung der Menschheitswende auf Golgatha. In Kniebes Mahnmal wirkt der Formimpuls des zweiten Goetheanum, das von Rudolf Steiner nur noch entworfen, und des Menschheitsrepriisentanten, der von ihm nicht mehr vollendet werden konnte.86 - Offensichtlich ist auch Kniebes Beziehung zum Jugendstil 87 und zum Expressionismus. 88

Walther Kniebe (1884-1970), Antlitz Michaels vom Gefallenendenkmal in Rheydt (oben) und Detail des Drachen (gegenüber) .

Der Sockel barg eine Krypta: einen Weiheraum, der mit Mosaiken ausgestaltet war. Eines dieser Mosaike trug die Inschrift: «Was suchet ihr den Lebendigen bei den Toten, Er ist nicht hier, er ist auferstanden.» Das sind - nach Lukas - die Worte der Engel am Grabe Christi. 89 Daneben waren zwei Holzplastiken aufgestellt: weibliche Gestalten, eine aufblickend, die andere abwärts 109

blickend. Heinz Häußler sieht in ihnen die «Engel am Grabe». 90 Ein weiteres Mosaik an der Wand gegenüber zeigte den Auferstandenen. Die Wände waren aus Sichtbeton, die Mosaike aus edlen Natursteinen. Auf einem Altar lag ein in Kupfer gebundenes Buch mit den Namen der 1200 Gefallenen der Stadt Rheydt. Wer sich als Hinzutretender abwärts wandte, wurde hingewiesen auf die Auferstehung Christi, die allen Toten gilt. Die Auferstehung ist zunächst ein Abstieg in die Unterwelt. Die Erde hat die Leiber der Toten aufgenommen. Weil aber Christus hinabgestiegen ist, können die Toten aufsteigen, denn er ist der Lebendige, der Teilhabe ermöglicht.

Walther Kniebe, Michael

hilf!, Modell, 1928.

Wer aufwärts blickte, wurde durch Michael auf den Drachen aufmerksam, der durch ihn auf die Erde geworfen wurde, wo er nun sein Unwesen treibt. Michael hilft, wenn der Mensch den Drachen in seinen verschiedenen Wirkensweisen erkennt. Der Künstler hat einen entscheidenden Hinweis gegeben, indem er den Drachen im Wesentlichen aus Kopf und Gliedmaßen gestaltet: Das Untier ermangelt der Mitte. Es sperrt den Rachen auf: Er ist zahnlos. Die Michaelgestalt ist in Drehung und schwebenden Schrittes dargestellt. Der linke Fuß berührt die Erde und wohl auch den ohnmächtigen Drachen. Dieser Michael kämpft nicht: Er hat gekämpft. Er verkörpert den sieghaften Geist. Sein Flammenschwert weist aufwärts. Feuer ist Ausdruck des Geistes. Aber in den drei Flammen seines Schwertes, das er mit beiden Händen hält, ist die göttliche Dreieinigkeit wirksam. Das Flammenschwert wirft Licht auf den Herrn der Finsternis. Vernichtet wird er damit nicht, aber unschädlich, denn Licht ist Liebe ... Michael hilf! - damit das Licht der Erkenntnis die Finsternis aufhellt. Nicht nur das Flammenschwert - die Gesamtgestaltung im Schwung der dynamischen Formgebung regt den Betrachter an, in sich selbst den Geist zu erwecken, um mit Michaels Hilfe die Drachenkräfte zu

110

erkennen und durch die Erkenntniskraft zu besiegen: im Wollen des Guten. Vom Schöpfer dieser Michaelgruppe wird gesagt, er habe heilkräftige Hände gehabt. Die Bibel war seine ständige Lektüre. H eilkraft in plastischer Formgebung zum Ausdruck zu bringen, war sein innerstes Kunstwollen. Aus dem Antlitz dieses Michael spricht der Christus als «Heiland». 9 1 So gesehen kann Walther Kniebes Gefallenendenkmal als ein Mahnmal zum Frieden verstanden werden. Physisch wurde es ein Opfer der vielfältig wütenden Drachenkräfte. Die vierjährige Arbeit des Künstlers und die Tatsache, dass es acht Jahre lang von vielen Menschen betrachtet wurde, kann nicht ausgelöscht werden.

Siegfried Pütz Vom sozialen Wirken der Kunst wuchs zunächst in Berlin auf und besuchte später die erste Freie Waldorfschule in Stuttgart. Begegnungen mit Rudolf Steiner wurden für ihn wegweisend. Da er tags zumeist sozialen Impulsen folgte, die 1967 in der Gründung einer Freien Kunststudienstätte gipfelten, 92 entstand sein bildhauerisches CEuvre nicht selten zu nächtlicher Stunde. Im Dritten Reich erhielt er wie Barlach und Kniebe Ausstellungs- und Berufsverbot. Siegfried Pütz (1907-1979)

«Kunst zu den Arbeitern zu tragen, sie im therapeutischen Sinne einzusetzen», war das Herzensanliegen des Bildhauers. In den Sechzigerjahren notierte er: «Es gehört mit zu den eindrucksvollsten Erfahrungen, dass gerade auch diejenigen seelischen Schäden, die von der heute so weit verbreiteten pragmatisch-materiellen Weltanschauung, von einer ungeistigen Lebensauffassung, hervorgerufen werden, ganz unmittelbar aus einer geistig bemühten Kunsthaltung ausgeglichen werden können.» 93

111

Die Wissenschaft bedarf der Erlösung durch die Kunst, aber auch die Kunst kann nur sozial fruchtbar werden, wenn sie ihre Kräfte aus dem Erkenntnisringen gewinnt. Niemals dient Kunst einem äußeren «Zweck» - ebenso wenig wie wahre Wissenschaft. Das soziale Wirken ist aber kein «Zweck», sondern - im Sinne Schillers das Wesen der Kunst selbst. Kunst, die den Menschen nicht mehr erreicht, gibt sich selbst auf; das Gleiche gilt für die Wissenschaft. In diesem Sinne schuf Siegfried Pütz seine Leitbilder aus der Ästhetik Schillers. 94 Siegfried Pütz gehört zu jenen Künstlern, die um Erkenntnis der geistigen Welt ringen und darum die Not der Erdenwelt umso tiefer erleben, wissend, dass keine vordergründige Zeitkritik, kein fruchtloser Protest, sondern Gestaltungskraft wirkt. Diese Kraft zur Gestaltung entfaltete er in besonderem Maße im Blick auf die Sterbeprozesse in der herbstlichen Natur und zugleich im Blick auf den weisenden Erzengel mit dem ernsten Antlitz: «Wie ich sie brauche», schreibt er im Oktober 1947, «diese trüben, feuchten, verhangenen und vom Sterben der Natur erfüllten Herbsttage [... J».9 ; Immer wieder hat er den Erzengel Michael gestaltet - in immer wieder neuem Ansatz, unter anderem: Siegfried Pütz (19071979), Erzengel Michael,

193 5 in Rüster (U1me), als Menschengestalt, nicht nur siegend, sondern auch bergend. Dieser Michael hat keine Flügel. Er ist sehr menschlich, aber vorbildhaft. Der Drache krümmt sich zu seinen Füßen.

Rüster, 85 cm hoch, 1935.

1955 als Kupferrelief, in rhythmischen Formen abstrahiert. Der Drache ist nur als spitze Form angedeutet, die an den Stachel des Skorpions erinnert. 1956 ebenfalls als Kupferrelief, noch stärker abstrahiert in rundlichpflanzenhafter Formgebung. 1968 als Eschenplastik, nun als gänzlich abstrakte Form. Der Drache ist nicht mehr zu sehen: Der Betrachter mag ihn im eigenen Wesen 112

Siegfried Pütz, Michael, 1955, Kupfer, getrieben, 11 O cm hoch (links). Siegfried Pütz, Michael, 1956, Kupfer, getrieben, 110 cm hoch (rechts).

erspüren. Der Blick auf Michael gibt ihm Richtkraft, selbst gegen ihn zu bestehen. Alle vier Darstellungen zeigen eine starke innere Dynamik und gar nichts Kämpferisches. Michael arbeitet mit dem Erzengel Raphael zusammen, der heilkräftig wirkt. Er möchte den Menschen aufrichten zur freien Tat. Die Aufrichtekraft Michaels und die therapeutische Kraft Raphaels sprechen aus diesen plastischen Bildwerken. Siegfried Pütz ist ein Künstler, der pädagogisches und therapeutisches Wirken nicht «bezweckt», aber in seiner Kunst erscheinen lässt.

113

In dieser Vierheit spiegelt sich der Weg der Kunst im zwanzigsten Jahrhundert: der Weg in die Abstraktion. Die Abstraktion ist aber kein Endpunkt, nur Durchgang zu neuen Motiven aus geistiger Anschauung.

Siegfried Pütz, Erzengel Michael, Esche, 70 cm hoch, 1968.

114

Überschau

Michael ist viel mehr als ein Erzengel. Er erteilt Weisung wie die

Engel, lenkt Völker, das Sonnenjahr und Zeitenkreise als Erzengel und ist Wunder wirkend, heilkräftig, der Persönlichkeit des Menschen verbunden wie sonst nur die Archai (p rincipatus - Fürstentümer). Michael bekämpft die Drachen und Dämonen mit der Kraft der Exusiai (potestates - Gewalten) und er regiert das Weltgeschehen mit der Kraft der Dynameis (virtutes - Mächte, Tugenden). Zusammen mit den Kyri6tetes (dominationes - Herrschaften) erweist er der höchsten Hierarchie, die im unmittelbaren Anblick der Gottheit steht, tiefste Verehrung: als Seelenwäger repräsentiert er den Willen der Throne, die gerechte Urteile fällen, in der Erkenntniskraft ist er den Cherubim nahe und im Liebesfeuer den Seraphim. Michaels Flammenschwert kündet von der Kraft des Geistes. Als «Antlitz Christi» verkörpert er die Weisheit des Logos und erteilt Rat im Schweigen. In seinem ernsten, sorgenvoll liebenden Blick erglänzt das Ursein des Vaters. Vor der Zeitenwende, der Menschwerdung Christi, waren nur Michael und die erste Hierarchie unmittelbar zu Gott. Seit Gott in Christus Mensch wurde, ist der «Fall» des Menschen insofern «aufgehoben», als er zumindest im Ansatz befähigt ist, diese Unmittelbarkeit selbst zu erleben. Dafür steht Michael. Er gibt die Weisung, die, weil sie aus der Hierarchie der Erzengel kommt, für den Menschen erreichbar ist: «Wer ist wie Gott? »

115

Michael überstrahlt die Herbsteszeit. Sein Bild ist hilfreich bei aufkommender Furcht vor den Mächten der Finsternis - und er verkörpert die Gerechtigkeit des Herrn. Im Westen - dem Eingangsbereich- romanischer und gotischer Kirchen waltet er als Hüter der Schwelle.

Michael als Herrscher, Deckenfresko im

Parekklesion der Chora-Kirche, Istanbul, 132 0/21 . Der Erzengel Michael besiegt den Teufelsdrachen,

aus den Tres Beiles Heures des Duc de Berry, frühes 15. Jh. Museo Civico, Turin (gegenüber). - Außer einem Schild trägt der Erzengel weder Rü stung noch Waffen; nur mit seinem Kreuzstab überwindet er den Teufel, dessen Krone ihn als Höllenfürsten ausweist. Die Initiale zeigt die Seelenwägung; im unteren Teil des Bildes wird der Engelsturz in den vier Elementen geschildert.

116

In den Schönen Künsten wird Michael in den ersten christlichen Jahrhunderten als princeps aetherius, als Repräsentant der Himmel und als Führer der himmlischen Heerscharen dargestellt. Er trägt die Erdkugel in der einen Hand, Herrscherstab, manchmal auch Schwert oder Lanze in der anderen Hand. Stab oder Lanze sind oft kreuzbewehrt, denn Michael ist « Träger der christlichen Königsgewalt». Der Kampf mit dem Drachen tritt früh auf, wird aber vor allem seit dem neunten Jahrhundert thematisiert. Das karolingische Elfenbeinrelief in Leipzig steht für viele ähnliche Darstellungen: Michael steht auf dem Drachen, blickt über ihn hinweg und hält den heiligen Speer in seinen geöffneten Rachen. Der Kampf wird erst später dargestellt, beispielsweise im Liber floridus des Lambertvon Saint-Omer (12.Jh.), vor allem aber in den Apokalypse-Zyklen, die mit Beatus im achten Jahrhundert einsetzen. Höhepunkte sind die Bamberger Apokalypse (Anfang 11. Jh.), die Teppiche von Angers (14. Jh.) und die Holzschnitt-Apokalypse Albrecht Dürers (1498).

117

Michael als Seelenwäger tritt seit dem zwölften Jahrhundert

auf, zumeist im Zusammenhang mit Weltgerichtsdarstellungen, im Kampf mit dem Teufel: am Freiburger Münster, in Beaune (Rogier van der Weyden) und an zahlreichen anderen Orten. Dieser Kampf ist vom Drachenkampf zunächst deutlich unterschieden. Der Drache wird vom Himmel auf die Erde geworfen. Der Teufel erinnert demgegenüber an das zweigehörnte Tier, das Johannes aus der Erde aufsteigen sah.

Lambert von Saint-Omer (t 1121), Michael und seine Engel kämpfen gegen den Drachen, Illustration

aus dem Liber floridus, 2. Hälfte 12 . Jh . Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek (oben). Arild Rosenkrantz (1870-1964), Michael, 1950er-Jahre. Schloss

Rosenholm, Hornslet, Dänemark (gegenüber) .

118

Der Kampf mit dem Teufel findet nicht erst am Jüngsten Tag, sondern an jedem Lebensende statt. Dies zeigt Tilman Riemenschneider am Kaisergrab in Bamberg. Seit dem 15. Jahrhundert findet der Kampf mit dem Teufel gelegentlich auch ohne Seelenwägung statt: bei Hans Pleydenwurff und beim Meister E.S. (15. Jh.). Corrado Giaquinto (1703-1766) sieht Drachensturz und Kampf mit dem Teufel als eins. Bei Ernst Barlach und Walther Kniebe wird Michael als Geistkämpfer zum Vorbild für die menschliche Seele, die ihre eigene Triebnatur beherrschen möge. Siegfried Pütz lag vor allem die soziale und therapeutische Wirkung von Michaeldarstellungen am Herzen. Die ätherische Manifestation des Erzengels als Geistgestalt wird nirgends so deutlich wie bei Arild Rosenkrantz. Man vergleiche die «menschlichen» Darstellungen der Renaissance!

In der Neuzeit werden Drache und Teufel oft zusammengeschaut. Michael und der Drache, Michael und der Teufel: In beiden Fällen ist es ein Kampf um das Ich. Die Seele blicke auf Michael, der ihr Weisung geben kann und Schutz.

119

Raoul Ratnowsky (1912-

1999), Bergplastik neben dem Staudamm von Zervreila , Graubünden , Schweiz, Bronze, 4,40 m hoch, 1956-59. - Diese Darstellung Michaels war von Ratnowsky ausdrücklich als Schutz für das Tal gedacht, das durch den Staudamm bedroht ist. «Das Kreuz ist Ende und Anfang jeder Form » (Ratnowsky) .

120

Anmerkungen Dan 10,13 und 21; 12,1. 2 Vgl. Christine Krüger: Der Erzengel und Zeitgeist Michael. In Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, 3, 1997. 3 Die Lehre von den geistigen Hierarchien stammt aus altjüdischer Überlieferung und wurde von Paulus, dem griechisch gebildeten Juden, in Athen an Dionysius Areopagita vermittelt. Unter seinem Namen wurde sie um 500 aufgeschrieben, im 9. Jahrhundert von Johannes Scotus Eriugena ins Lateinische übersetzt, von Alanus ab lnsulis im 12. und von Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert weitergebildet und wesentlich ausgestaltet von Rudolf Steiner (1861-1925). 4 Vgl. gotische Hymne, zitiert nach] ohannes W. Schneider: Michael und seine Verehrung im Abendland, Dornach 1981, S. 160. 5 Alkuin (circa 735-804), zitiert nach Johannes W. Schneider: Michael und seine Verehrung im Abendland, Dornach 1981, S. 142. - Vgl. auch Christine Krüger: Der Erzengel und Zeitgeist Michael, 1997. 6 Johannes W. Schneider: Michael und seine Verehrung im Abendland, Dornach 1981, 144.

s.

7 RudolfSteiner:Anthroposophische Leitsätze. Der Erkenntnisweg der Anthroposophie - Das Michael-Mysterium (GA 26), Dornach 10 1998, S. 90.

8 Johannes W. Schneider: Michael und seine Verehrung im Abendland, Dornach 1981, S. 148. 9 Zum Seelenkalender vgl. Manfred Krüger: Die Seele im Jahreslauf, Dornach 32002. 10 Michael Brestowsky, in Lynkeus, 3, 1954, S. 25, mit Korrektur von M. Brestowsky (Brief zum 23. Februar 2006). 11 Rudolf Steiner: Das Miterleben des Jahreslaufes in vier kosmischen Imaginationen, 1923 (GA 229), Dornach 8 1999. 12 Vgl. Beat Brenk: Tradition und Neuerung in der christlichen Kunst des ersten Jahrtausends, Wien 1966, S. 20. - Waagemeister war im alten Ägypten der schakalköpfige Totengott Anubis. Vgl. Das ägyptische Totenbuch, Kapitel 125 .

121

13 Vgl. Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit (GA 4), 8. Kapitel, Zusatz von 1918, Dornach 16 1995, S. 143 . 14 Aus Manfred Krüger: Wortspuren, St.Michael 1980, S.13. 15 Die Zuschreibung ist nicht gesichert. Dagegen hat sich zum Beispiel Rainer Kahsnitz ausgesprochen in Nürnberg 1300-1550. Kunst der Gotik und Renaissance, München 1986, S. 160ff. Auf die Diskussion kann hier nicht weiter eingegangen werden. Ich schließe mich Ulrich Schneider an (siehe Veit Stoß in Nürnberg. Werke des Meisters und seiner Schule in Nürnberg und Umgebung, München 1983, S. 182ff.). 16 Vorschlag von Georg Stolz, Baumeister von Sankt Lorenz. Vgl. U. Schneider, in: Veit Stoß in Nürnberg, 1983, S. 182. 17 Johannes W. Schneider: Michael, Dornach 1981, S. 15 3. 18 Heinrich Wölfflin: Die Kunst Albrecht Dürers, München 1963, S. 67. 19 Erwin Panofsky: Das Leben und die Kunst Albrecht Dürers, Hamburg 1995, s. 79f. 20 Wilhelm Effmann: Centula - St. Riquier. Eine Untersuchung zur Geschichte der kirchlichen Baukunst in der Karolingerzeit, Münster 1912; E. Lehmann: Zur Deutung des karolingischen Westwerkes. In Forschungen und Fortschritte, 5, 1963, S. 144-147; F. Kreusch: Beobachtungen an der Westanlage der Klosterkirche zu Corvey. Ein Beitrag zur Frage ihrer Form und Zweckbestimmung, Köln und Graz 1963 . 21 Am Monte Gargano soll Michael gegen Ende des fünften Jahrhunderts dreimal erschienen sein. Vgl. Adalbert Graf von Keyserlingk: Vergessene Kulturen am Monte Gargano, Nürnberg 1968. 22 Rudolf Steiner: Der Jahreskreis/auf als Atmungsvorgang der Erde und die vier großen Festeszeiten. Die Anthroposophie und das menschliche Gemüt (GA 223), Dornach 7 1990, S. 102. 23 RudolfSteiner:Anthroposophische Leitsätze. Der Erkenntnisweg der Anthroposophie - Das Michael-Mysterium (GA 26), Dornach 10 1998. 24 Vgl. hierzu Wolf-Ulrich Klünker: Johannes Scotus Eriugena. Denken im Gespräch mit dem Engel, Stuttgart 1988. 25 Vgl. Manfred Krüger: Ichgeburt, Hildesheim 1996, S. 244ff. 26 Rudolf Steiner: Anthroposophische Leitsätze (GA 26), Dornach 10 1998, S. 59. 27 Ebenda, S. 138.

122

28 Vgl. Manfred Krüger: Ichgeburt, Hildesheim 1996, S. 135ff. 29 Rudolf Steiner: Anthroposophische Leitsätze (GA 26), Dornach 10 1998, S. 138. 30 Ebenda, S. 61. - Nach der Kulturepochenlehre Rudolf Steiners hat der Erzengel Michael 1879 die Lenkung der gegenwärtigen Epoche übernommen. 31 Ebenda, S. 62. 32 Ebenda, S. 66. 33 Vgl. Christine Krüger: «Die Herzen beginnen, Gedanken zu haben». In Das Goetheanum, 44, 1988. 34 Rudolf Steiner: Anthroposophische Leitsätze (GA 26), Dornach 10 1998, S. 62. 35 Ebenda. 36 Dies ist eine alte Einsicht, die Rudolf Steiner wieder ins Bewusstsein gerückt hat. Vgl. Manfred Krüger: Die Seele im Jahreslauf, Dornach 22002. 37 Christus ist auferstanden. Für den Menschen ist dies aber Verheißung, auch wenn das Auferstehungsleben, wie Origenes sagt, bereits begonnen hat. Vorerst - bis zum Jüngsten Tage -wird der Tod immer wieder Sieger über das Leben. 38 Vgl. das Bild von AlbrechtAltdorfer im Historischen Museum zu Regensburg, Abbildung in Manfred Krüger: Die Verklärung auf dem Berge, Hildesheim 2003. 39 Johannes W. Schneider: Michael, Dornach 1981, S. 25. 40 Vgl. hierzu Johannes Peter Rohland: Der Erzengel Michael, Arzt und Feldherr, Leiden 1977, und Johannes W Schneider: Michael, Dornach 1981. 41 Jacobus de Voragine: Legenda aurea, Jena 1925, Bd. II, S. 213. 42 Ebenda, S. 222. 43 Es gibt eine andere Überlieferung, nach der Archai und Dynameis in ihrer lateinischen Übersetzung vertauscht erscheinen. Sie geht wohl auf Gregor den Großen zurück und findet sich beispielsweise bei Alanus ab lnsulis. Die Archai heißen bei Alanus Virtutes, die Dynameis heißen Principatus. Vgl. Alanus ab lnsulis: Predigten zum Jahreslauf, hrsg. und übers. von Bruno Sandkühler, Stuttgart 1998, S. 128. 44 Beat Brenk: Tradition und Neuerung in der christlichen Kunst des ersten Jahrtausends. Studien zur Geschichte des Weltgerichtsbildes (Wiener Byzantinische Studien, Band 3), Wien 1966.

123

45 Adolph Goldschmidt: Die Elfenbeinskulpturen aus der Zeit der karolingischen und siichsischen Kaiser. VIII. bis XI. Jahrhundert, Berlin 1914. 46 Offb 12,9. 47 Vgl.John Williams: Beatus-Apokalypse der Pierpont Morgan Library, Stuttgart und Zürich 1991. 48 Heinrich Wölfflin spricht von Michael und seinem Gehilfen; siehe Heinrich Wölfflin: Die Bamberger Apokalypse. Eine Reichenauer Bilderhandschrift vom Jahre 1000, München 2 1921, S. 26. Der Unterschied zwischen Herr und Gehilfe müsste in der Gestaltung zum Ausdruck kommen. Dies ist nicht der Fall. - Der zweite Kampf könnte möglicherweise auf den endgültigen Sturz am Weltende vorausdeuten. 49 Vgl. Pierre-Marie Auzas et al.: Die Apokalypse von Angers, München 1985. Rene Planchenault: Les Tapisseries d'Angers, Paris 1963. 50 Vgl. Manfred Krüger: Die Verkliirung auf dem Berge, Hildesheim 2003, s. 37ff. 51 Offb 12,10-12. 52 Vgl. die ähnliche Darstellung von Gerard David (um 1460- 15 2 3) im Kunsthistorischen Museum Wien. - Zum Hafer Altar gehörte ein Schrein mit fünf geschnitzten Standfiguren, darunter auch ein Erzengel Michael, der den Teufelsdrachen besiegt. Die Figur befindet sich heute in St. Jakob zu Nürnberg. Vgl. Heinz Stafski: Zur Auffindung der Statue des Hl. Michael aus dem «Hafer Altar». In Anzeiger des ·Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1988, S. l l 7ff. 53 Alfred Stange: Deutsche Malerei der Gotik, Bd. 9, München 1958, S. 49. 54 Bezeichnet nach dem Kürzel E.S., mit dem der namentlich nicht bekannte oberrheinische Zeichner und Kupferstecher der Spätgotik zahlreiche seiner Werke signierte. Ihm werden mehr als 300 Kupferstiche zugeschrieben eine Technik, um deren Weiterentwicklung und Perfektionierung er sich verdient machte. Zahlreiche Werke süddeutscher Künstler wurden erst durch Reproduktionen aus seiner Hand bekannt. 55 Johann Wolfgang Goethe: Faust. Der Tragodie erster Teil (Auerbachs Keller). 56 Offb 13, 11. 57 Siehe Die Beiles Heures des Jean Duc de Berry in The Cloisters New York, München 1974; Die Tres Riches Heures des Jean Duc de Berry im Musee Conde Chantilly, München 1989, Abb. 128.

124

58 Mt 24,29-31. 59 Mt. 25,31ff. 60 Offb 20 und 21. 61 Siehe Wilhelm Paeseler: Die riimische Weltgerichtstafel im Vatikan. Ihre Stellung in der Geschichte des Weltgerichtsbildes und in der riimischen Malerei des 13. Jahrhunderts, Tübingen 193 8; Beat Brenk: Tradition und Neuerung in der christlichen Kunst des ersten Jahrtausends. Studien zur Geschichte des Weltgerichtsbildes, Wien 1966; Martin Zlatohlavek: Das Jüngste Gericht. Fresken, Bilder und Gemälde, Düsseldorf 2001. 62 Nikolaus von Kues: Von Gottes Sehen (De Visione Dei, 1453). 63 Zitiert nach Odile Delenda: Rogier van der Weyden. Das Gesamtwerk, Stuttgart und Zürich 1997, S. 95. 64 Zweifellos haben an dem Altar Gesellen mitgewirkt wie auch sonst in größeren Werkstätten bei vielbeschäftigten Meistern; aber Dirk de Vos übertreibt, wenn er meint, dass der Altar «vor allem von Gehilfen nach gezeichneten Modellen des Meisters ausgeführt» wurde. Vgl. Dirk de Vos: Rogier van der Weyden. Das Gesamtwerk, München 1999, S. 107, auch S. 110. 65 Seit dem frühen Mittelalter in der byzantinischen Kunst übliche Bildkomposition, die Ende des 10. Jahrhunderts auch in der westlichen Kunst übernommen wurde. Dargestellt sind Maria und Johannes der Täufer als Fürbitter zwischen dem thronenden Christus. 66 Hierin folge ich der Interpretation von Erwin Panofsky: Early Netherlandish Painting, Bd. 1, S. 270; gleichermaßen Odile Delenda: Rogier van der Weyden. Das Gesamtwerk, Stuttgart und Zürich 1997, S. 117. 67 Cyrill von Jerusalem: Katechesen, 15, 26; siehe Beat Brenk: Tradition und Neuerung in der christlichen Kunst des ersten Jahrtausends, Wien 1966, S. 29. 68 «Fu Pietro persona di assai poca religione e non se gli pote mai far credere l'immortalita de!' anima.» Giorgio Vasari: Le Vite (1568), 2., erweiterte Ausgabe, Florenz 1967, Bd. III, S. 322. 69 Rudolf Fhr. Hiller von Gaertringen: Raffaels Lerneifahrungen in der Werkstatt Peruginos. Kartonverwendung und Motivübernahme im Wandel, München und Berlin 1999. 70 Vgl. Manfred Krüger: Die Verklärung auf dem Berge, Hildesheim 2003, s. 196-236.

125

71 lKor 3,13. 72 Einige Forscher vermuten erhebliche Mitarbeit von Giulio Romano. Vgl. Ernst Ullmann: Rajfael, Leipzig 31997, S. 246. 73 «Es ist die Leichtigkeit, die spiralförmige Aufwärtsbewegung, in der das Besondere dieser Engelsgestalt begründet liegt. In der Balance zwischen Schwere und Leichtigkeit, zwischen Aufwärts- und Abwärtsbewegung erleben wir einen flüchtigen zeitlichen Augenblick, der dennoch ewig ist.» (Konrad Oberhuber: Raffael, Mailand und München 1999, S. 221). 74 Vgl. Kathleen Weil und Garris Posner: Leonardo and central ltalian art. 1515-1550, New York 1974. 75 Konrad Oberhuber bemerkt, dass das goldene Haar Michaels «in der gleichen Art gebunden ist wie das des antiken Gottes». (Rajfael, Mailand und München 1999, S. 220.) 76 Tintoretto war der Sohn eines Färbers.

77 Zitiert nach Roland Krischel: Jacopo Robusti, genannt Tintoretto, Köln 2000,

s. 13. 78 Offb 12,1-3. 79 Offb 12,7-8. 80 In einem früher entstandenen Bild Tintorettos hält der Erzengel in Rüstung in der Linken die Waage und bedroht mit dem Speer in der Rechten den zweigehörnten Teufel (Venedig, San Giuseppe di Castello). Vgl. Erich von der Bercken: Die Gemälde des Jacopo Tintoretto, München 1942, Abb. 191; Hans Tietze: Tintoretto . Gemälde und Zeichnungen, London 1948, Abb. 269. Es sei auch an das große Jüngste Gericht erinnert, das um 1560 entstanden ist (Venedig, Chiesa di Madonna dell'Orto). Michael mit der Waage steht hier allerdings nicht im Mittelpunkt (vgl. Roland Krischel: Jacopo Robusti, genannt Tintoretto, Köln 2000, S. 67f.). 81 Vgl. Christine Krüger: Gralswege, Dornach 2002. 82 Ernst Barlach: Die Briefe, Bd. 2, München 1969, S. 138. 83 Über den Ablauf der Arbeiten hat Kniebe selbst berichtet. Vgl. Michael. Walther Kniebe und sein Denkmal «Michael hilf!», Dornach 1984, S. 52f. 84 Nach seinem Michael entstanden noch einige kleinere Skulpturen, aber die Arbeit als Bildhauer wurde von den damaligen Machthabern erschwert und schließlich unmöglich gemacht. Das Gefallenendenkmal wurde 1940 vernichtet. Georg Kniebe berichtet, dass sich der Bildhauer aber auch aus 126

inneren Gründen seit seinem 49. Geburtstag mehr und mehr der Malerei zugewandt hat. Daneben war er auch alchimistisch-pharmazeutisch tätig. Bei der Farbenherstellung orientierte er sich an Matthias Grünewald. 85 Walther Kniebe: Rede anlässlich der Einweihung des Gefallenendenkmals, zur Eröffnung einer Begleitausstellung in der Stadthalle. In Walther Kniebe und sein Denkmal «Michael hilf!», Dornach 1984, S. 46. 86 Rudolf Steiner war am 30. März 192 5 gestorben. Kniebe hat für den Ausbau des großen Goetheanum-Saals in den Fünfzigerjahren einen Entwurf gemacht, bei dem der Bühnenraum so konzipiert war, dass dort-wie ursprünglich vorgesehen - Rudolf Steiners Plastik des Menschheitsrepräsentanten hätte aufgestellt werden können. Die Bühne war als Mysterienbühne gedacht, ausschließlich für Mysterienkunst. Heute steht der Menschheitsrepräsentant in einem eigens dafür geschaffenen, aber angesichts der Größe des Bildwerks (9 m hoch) viel zu kleinen Raum unter dem Dach des Goetheanum. Der Betrachter spürt: Dafür ist er nicht geschaffen. 87 Den Jugendstil nennt er selbst «das Bedeutendste, das seit dem Barock an künstlerischer Willensäußerung aufgestiegen ist» (Walther Kniebe und sein Denkmal «Michael hilf!», Dornach 1984, S. 44). 88 In Dresden gab es in den Zwanzigerjahren eine gemeinsame Ausstellung mit Karl Schmidt-Rottluff und Max Pechstein. 89 Lk 24,5-6. 90 Walther Kniebe und sein Denkmal «Michael hilf!», Dornach 1984, S. 15. 91 Eine Zweitfassung vom Antlitz des Erzengels kann noch heute im Original betrachtet werden. Sie befindet sich im Goetheanum in Dornach . 92 Die Freie Kunststudienstätte Ottersberg als «Freie Hochschule für das soziale Wirken der Kunst», seit 1984 als Fachhochschule staatlich anerkannt. 93 Rose-Maria Pütz: Siegfried Pütz. Sein Schaffen, Bielefeld 1990, S. 65. 94 Vgl. Manfred Krüger: Asthetik der Freiheit. Rede zur Eröffnung der Freien Kunststudienstätte Ottersberg als staatlich anerkannte Fachhochschule in freier Trägerschaft, Ottersberg 1984. 95 Ebenda, S. 65.

127

Literatur Adam, Ernst, et al. : Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800-1400, 2 Bände, Ausst.-Kat., Köln 1972. Ainaud,Juan: Romanische Malereien in Spanien, UNESCO Taschenbücher der Kunst, 3, München 1963. Alanus ab lnsulis: Predigten zum Jahreslauf, hrsg. und übersetzt von Bruno Sandkühler, Stuttgart 1998. Albrecht Dürer. 1471-1971, Ausst. -Kat., München 1971. Alte Pinakothek München . Katalog, hrsg. von der Generaldirektion der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München 1983 .

Angerer, Martin, et al. : Nürnberg 1300-1550. Kunst der Gotik und Renaissance, Ausst.-Kat., München 1986. Appuhn, H orst: Kloster Wienhausen, Hamburg 1986. Auzas, Pierre-Marie, et al.: Die Apokalypse von Angers. Ein Meisterwerk mittelalterlicher Teppichwirkerei, München 1985. Baldass, Ludwig von: Hans Memling, Wien 1942. Barlach, Ernst: Die Briefe, 2 Bände, München 1969. Baudot, Marcel (Hrsg.): Culte de Sain Michel et pelerinages au mont, inMilli naire monastique du Mont Saint-Michel, Band 3, Paris 1993. Beck, Heinrich: Wer ist Michael? Zur Geschichtsmetaphysik des Engels, Innsbruck 1983. Bercken, Erich von der: Die Gemiilde des Jacopo Tintoretto, München 1942. Bernhard, Marianne (Hrsg.): Martin Schongauer und sein Kreis. Druckgraphik und Handz eichnungen, München 1980. Bertelli, Carlo: Piero della Francesca. Leben und Werk des Meisters der Frührenaissance, Köln 1992. Betz, Gerhard: Der Nürnberger Maler Michael Wolgemut (1434-1519) und seine Werkstatt. Beitriige zur Geschichte der spiitgotischen Malerei in Franken, 3 Bände, Diss., Freiburg 1955. Brenk, Beat: Tradition und Neuerung in der christlichen Kunst des ersten Jahrtausends. Studien zur Geschichte des Weltgerichtsbildes, Wiener Byzantinische Studien, Band 3, Wien 1966.

128

Castellaneta, Carlo, und Ettore Camesasca: L'opera completa de! Perugino, Mailand 1969. Causa, Raffaello: Gli affreschi di Sant'Angelo in Formis, Mailand 1965. Clark, Kenneth: Piero della Francesca, Köln 1970. Cues, Nikolaus von: Die Kunst der Vermutung. Auswahl aus den Schriften, hrsg. von Hans Blumenberg, Bremen 1957. Davies, Martin: Rogier van der Weyden, München 197 2. Dehio, Georg: Franken, Darmstadt 1972. Delenda, Odile: Rogier van der Weyden. Das Gesamtwerk, Smttgart 1997. Demmler, Theodor: Die Meisterwerke Tilman Riemenschneiders, Berlin 1936. Dionysius Areopagita: Die Hierarchien der Engel und der Kirche, München und Planegg 1955. Döring, Thomas: Dürers Apokalypse und ihre Wirkung, Herzog Anton Ulrich Museum, Braunschweig 1994. Dörrer, Anton: Michael. In Lexikon für Theologie und Kirche, Band 7, Freiburg 1962. Drost, Willi: Das Jüngste Gericht des Hans Memling in der Marienkirche zu Danzig, Wien 1941. Dürer, Albrecht: Die Apokalypse, Faksimile der deutschen Urausgabe von 1498 (Die heimlich Offenbarung Johannis), hrsg. von Ludwig Grote, München 1970. Freeden, Max H. von: Tilman Riemenschneider, Frankfurt am Main 1954. Friedländer, Max].: Rogier van der Weyden, in Die altniederländische Malerei, Bd. 2, Berlin 1924. Forrer, Robert: Die frühchristlichen Alterthümer aus dem Gräberfelde von Achmim-Panopolis, Straßburg 1893. Galle, Maja: Der Erzengel Michael in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts, Diss., München 2002. Geisberg, Max: Der Meister E.S., Leipzig 2 1924. Goldschmidt, Adolph: Die Elfenbeinskulpturen aus der Zeit der karolingischen und sächsischen Kaiser. VIII. bis XI. Jh. , Berlin 1914. Gruber, Otto: Das Westwerk - Symbol und Baugestaltung germanischen Christentums. In Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, Band 3, 1936, S. 149-173.

129

Harbison, Craig: Realism and Symbolism in Early Flemish Painting. In: The Art Bulletin, New York 1984, S. 588-602. Harnischfeger, Ernst: Die Bamberger Apokalypse, Stuttgart 1981. Hendy, Philip: Die National-Galerie London, München und Zürich 1959. Hiller von Gaertringen, Rudolf Freiherr: Raffaels Lernerfahrungen in der Werkstatt Peruginos, München und Berlin 1999. Höhn, Heinrich: Nürnberger gotische Plastik, Nürnberg 1922. Huyghe, Rene (Hrsg.): Malerei der Welt. Der Louvre in Paris, Köln 1960. Jacobus de Voragine: Legenda aurea, übers. von Richard Benz, Jena 1925. Juraschek, Franz: Das Rätsel in Dürers Gottesschau. Die Holzschnittapokalypse und Nikolaus von Cues, Salzburg 19 55. Kacer-Bock, Gundhild: Das Michael-Thema im Lebensgang Rudolf Steiners. In Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, 213, Michaeli 2000, S. 169-178. Kehnscherper, Günther: Michael - Geist und Gestalt. Ein Zeugnis christlicher Friimmigkeit aus 15 Jahrhunderten, Berlin 1957. Kemperdick, Stephan: Rogier van der Weyden, Köln 1999. Keyserlingk, Adalbert Graf von: Vergessene Kulturen im Monte Gargano, Nürnberg 1968 . Kirsch, Hans-Christian: Ti/man Riemenschneider. Ein deutsches Schicksal, München 1983. Klünker, Wolf-Ulrich: Alanus ab Insulis. Entwicklung des Geistes als MichaelPrinzip, Stuttgart 1993. Knackfuß, Hermann: Raffael, Bielefeld und Leipzig 12 1912. Michael. Walther Kniebe und sein Denkmal «Michael hilf!», mit Beiträgen von Heinz Georg Häußler und Georg Kniebe, Dornach 1984.

Kolpaktchy, Gregoire (Hrsg.): Agyptisches Totenbuch, Weilheim 2 1970. Kretzenbacher, Leopold: Die Seelenwaage. Zur religiiisen Idee vom Jenseitsgericht auf der Schicksalswaage in Hochreligion, Bildkunst und Volksglaube, Klagenfurt 1958. Kreusch, Felix: Beobachtungen an der Westanlage der Klosterkirche zu Corvey. Ein Beitrag zur Frage ihrer Form und Zweckbestimmung, Köln und Graz 1963. Krischel, Roland: Jacopo Robusti, genannt Tintoretto. 1519-1594, Köln 2000.

130

Krüger, Christine: «Die Herzen beginnen, Gedanken zu haben.» In Das Goetheanum, 44, 1988, S. 355f. Krüger, Christine: Der Erzengel und Zeitgeist Michael. In Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, 3, 1997, S. 186-194. Krüger, Christine: Gralswege, Dornach 2002. Krüger, Manfred: Ichgeburt. Origenes und die Entstehung der christlichen Idee der Wiederverkiirperung in der Denkbewegung von Pythagoras bis Lessing, Hildesheim 1996. Krüger, Manfred: Die Seele im Jahreslauf Versuch, den anthroposophischen Seelenkalender zu meditieren, Dornach 22002. Krüger, Manfred: Die Verklärung auf dem Berge. Erkenntnis und Kunst, Hildesheim 2003. Krüger, Manfred: Versuch über Realismus und Nominalismus. In Anthroposophie, 227, Ostern 2004, S. 1-4. Krüger, Manfred: Lazarus - Johannes. In Mysteriengeheimnisse. Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist, hrsg. von Martina Maria Sam und Christiane Haid, Dornach 2004, S. 11-51. Ladwein, Michael: Chartres. Ein Führer durch die Kathedrale, Stuttgart 22000. Laurina, Vera K., und W. A. Puschkarjow: Nowgoroder Ikonen des 12. bis 17. Jahrhunderts, Leningrad 1981. Lehmann, Edgar: Zur Deutung des karolingischen Westwerkes. In Forschungen und Fortschritte, 5, 37, 1963, S. 144-147. Leyh, Robert: Die Frauenkirche zu Nürnberg, München und Zürich 1992. Longnon, Jean, et al. (Hrsg.): Die Tres Riches Heures des Jean Duc de Berry im Musee Conde, Chantilly, München 1973 und 1989. Menz, Renner: Die Dresden er Gemäldegalerie, München und Zürich 1962. Neundorfer, Bruno: Leben und Legende. Die Bildwerke am Grab des Kaiserpaares Heinrich und Kunigunde im Bamberger Dom, Veröffentlichungen des Diözesanmuseums Bamberg, 3, Bamberg 1985. Oberhuber, Konrad: Raffael. Das malerische Werk, München 1999. Omont, Henri: Evangiles avec peintures Byzantines du XIe siede, Paris 1908. Paeseler, Wilhelm: Die ro·mische Weltgerichtstafel im Vatikan. In Kunstgeschichtliches Jahrbuch der Bibliothek Hertziana, Leipzig 1938, S. 311-394.

131

Panofsky, Erwin: Early Netherlandish painting. Its origins and character, 2 Bände, London 1971. Panofsky, Erwin: Das Leben und die Kunst Albrecht Dürers, Hamburg 199 5. Pietrangeli, Carlo: Die Gemälde des Vatikan, München 1996. Pörnbacher, Karl: Basilika St. Michael Altenstadt, Regensburg !32000. Pütz, Rose-Maria: Siegfried Pütz. Sein Schaffen, Bielefeld 1990. Raoul Ratnowsky. Plastiken, Modelle, Skizzen, Aphorismen, mit Texten von Johannes Anderegg und lnge Thöns, Stuttgart 1979.

Reinkowski, Eva: Der Hofer Altar von 1465 in der Alten Pinakothek zu München, Magisterarbeit, Erlangen 1985. Rohland,Johannes Peter: Der Erzengel Michael. Arzt und Feldherr. Zwei Aspekte des vor- und frühbyzantinischen Michaelskultes, Leiden 1977. Rojdestvensky, Olga: Le culte de Saint-Michel et le moyen-ftge latin, Paris 1922. Sandkühler, Martin: Sankt Michael der Gottesheld. Der Erzengel in Mythen, Legenden, Sagen und Erzählungen, in Hymnen, Liedern und Gedichten, Stuttgart 1989. Santi, Bruno: Rajfael, Königstein 1991. Schiller, Gertrud: Ikonographie der christlichen Kunst, 4 in 5 Bänden, Gütersloh l 966ff. Schmidt, Adolf: Westwerke und Doppelcho·re. Höfische und liturgische Einflüsse auf die Kirchenbauten des frühen Mittelalters, Diss., 2 Bände, Göttingen 1950. Schneider,Johannes W.: Michael und seine Verehrung im Abendland. Eine Studie zur Bewusstseinsentwicklung der Vblkerwanderungszeit und des Mittelalters, Dornach 1981. Schneider, Reinhold : Das Weltgericht, Freiburg im Breisgau 2 1958. Schult, Friedrich: Ernst Bar/ach. Das plastische Werk, Band 1, Hamburg 1960. Schwemmer, Wilhelm: Die Sebalduskirche zu Nürnberg, Nürnberg 2 1989. Smit, Peer de: Siegfried Pütz. In Anthroposophie im 20. Jahrhundert. Ein Kulturimpuls in biografischen Porträts, hrsg. von Bodo von Plato, Dornach 2003, S. 623-625. Speiser, William: Sankt Michael in der Kunst, Basel 194 7.

132

Stafski, Heinz: Zur Auffindung der Statue des Hl. Michael aus dem «Hofer Altar». In Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1988, S. 117-125. Stange, Alfred: Deutsche Malerei der Gotik. Bd. 9: Franken, Biihmen und Thüringen-Sachsen in der Zeit von 1400 bis 1500, München und Berlin 1958. Stein, Nora: Aus Michaels Wirken. Eine Legendensammlung, Stuttgart 1929. Steinen, Wolfram von den: Homo Caelestis. Das Wort der Kunst im Mittelalter, 2 Bände, Bern und München 1965. Steiner, Rudolf: Anthroposophische Leitsätze. Der Erkenntnisweg der Anthroposophie - Das Michael-Mysterium (GA 26), Dornach 10 1998. Steiner, Rudolf: Der Jahreskreis/auf als Atmungsvorgang der Erde und die vier großen Festeszeiten. Die Anthroposophie und das menschliche Gemüt (GA 223), Dornach 7 1990. Steiner, Rudolf: Das Miterleben des Jahreslaufes in vier kosmischen Imaginationen (GA 229), Dornach 8 1999. Stuhlfauth, Georg: Die Engel in der altchristlichen Kunst. In Archäologische Studien zum christlichen Altertum und Mittelalter, Bd. 3, Freiburg im Breisgau, Leipzig und Tübingen 1897. Suckale-Redlefsen, Gude, et al.: Das Buch mit sieben Siegeln - Die Bamberger Apoblypse, Ausst.-Kat., Luzern 2000. Swarzenski, Hanns: Vorgotische Miniaturen. Die ersten Jahrhunderte deutscher Malerei, Königstein und Leipzig 2 1931. Tietze, Hans: Tintoretto. Gemälde und Zeichnungen, London 1948. Ullmann, Ernst: Raffael, Leipzig 3 1997. Vasari, Giorgio: Le Vite de' piit eccelenti pittori, scultori e architettori, 2., erweiterte Ausgabe, Florenz 1568. Veronee-Verhaegen, Nicole: L'H8tel-Dieu de Beaune, Brüssel 1973. Veit Stoß in Nürnberg. Werke des Meisters und seiner Schule in Nürnberg und Umgebung, hrsg. vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Ausst.Kat., München 1983.

Viebig, Johannes: Die Lorenzkirche in Nürnberg, Königstein 31990. Vos, Dirk de: Rogier van der Weyden. Das Gesamtwerk, München 1999.

133

Walther, Angelo (Hrsg.): Gemäldegalerie Alte Meister Dresden. Katalog der ausgestellten Werke, Dresden 31983. Weil, Kathleen, und Garris Posner: Leonardo and central Italian art. 1515-1550, New York 1974. Weitzmann, Kurt, et al.: Die Ikonen, Freiburg 1982. Wiegand, Friedrich: Der Erzengel Michael unter Berücksichtigung der byzantinischen, alt-italischen und romanischen Kunst ikonographisch dargestellt, Diss., Stuttgart 1886. Williams, John, et al.: Beatus-Apokalypse der Pierpont Morgan Library. Ein Hauptwerk der spanischen Buchmalerei des 10. Jahrhunderts, Stuttgart und Zürich 1991. Wolfenbütteler Cimelien. Das Evangeliar Heinrichs des Liiwen in der HerzogAugust-Bibliothek, Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek, 58, Weinheim 1989.

Wölfflin, Heinrich: Die Bamberger Apokalypse. Eine Reichenauer Bilderhandschrift vom Jahre 1000, München 2 1921. Wölfflin, Heinrich: Die Kunst Albrecht Dürers, München 1963. Zlatohlavek, Martin, et al.: Das Jüngste Gericht, Düsseldorf und Zürich 2001.

Verzeichnis der Künstler und ihrer Werke Anonym (nach Entstehungszeit geordnet) Frühchristliches Gewand-Fragment aus Achmim-Panopolis, Ägypten (S. 61). Michael als «princeps aetherius», Diptychonfragment aus Konstantinopel, Elfenbein, 43 x 14,3 cm, um 520. London, British Museum (S. 58). Michael, Wandmosaik, circa 545 n. Chr. Ravenna, San Vitale (Frontispiz). Michael, Wandmosaik, circa 549 n. Chr. Ravenna, Sant' Apollinare in Classe (S. 10). Michael, circa 600 n. Chr., vergoldetes Kupfer, 60 cm hoch. Monte Gargano, Monte Sant' Angelo, Michaelsgrotte (S. 53). 134

Michael und der Drache, Elfenbeinskulptur (Adagruppe), 9. Jh. Leipzig, Museum des Kunsthandwerks (S. 61). Jüngstes Gericht, Codex Parisinus, 11. Jh. Paris, Bibliotheque nationale de France (S. 84). Brustbild des Erzengels Michael, Email-Ikone aus Konstantinopel, Anfang 11. Jh. Venedig, San Marco, Schatzkammer (S. 56). Michaels Kampf mit dem Drachen, Bamberger Apokalypse, Reichenau, Anfang 11. Jh. Bamberg, Staatsbibliothek (S. 69). Erzengel Michael, Teil einer Email-Ikone aus Konstantinopel, erste Hälfte 11. Jh, 46 x 35 cm. Venedig, San Marco, Schatzkammer (S. 59). Erzengel Michael, Wandmalerei in Sant' Angelo in Formis bei Capua (Kampanien), um 1080 (S. 59). Drachenkampf, um 1090. Civate, San Pietro al Monte, Ostwand der Eingangshalle (S. 70). Michael als Drachenkiimpfer, Tympanonrelief, 12 . Jh. Saint-Micheld'Entraigues, Charente (S. 64).

Detail aus dem Jüngsten Gericht, venezianisch-byzantinisches Mosaik in der Basilika Santa Maria Assunta, Torcello, 12 . Jh. (S. 74). Michael als Drachenbezwinger, Abteikirche Saint-Gilles-du-Gard, Languedoc, Frankreich, 12.Jh. (S. 15). Michael als Drachenbezwingei; Relief vom Tympanon einer Kapelle von Notre Dame in Nevers, Burgund, zweites Viertel 12. Jh. Paris, Louvre (S. 42). Das Wunder von Chonae, Ikone, Konstantinopel, erste Hälfte 12.Jh. Katharinenkloster, Sinai (S. 49). Michael als Drachenkiimpfei; Perikopenbuch, St. Erentrud, Salzburg, um 1140. München, Bayerische Staatsbibliothek (S. 14).

Schwäbische Buchmalerei aus Zwiefalten, Mitte 12 . Jh. Stuttgart, Landesbibliothek (S. 63). Michael stürzt den Drachen, Abraham-Engel-Teppich im Domschatz zu Halberstadt, um 1150 (S. 62). Michael als Drachenkiimpfer, Ratmann-Sakramentar, 1159. Hildesheim, DomMuseum (S. 62).

135

Michael als Herrscher, Grubenschmelzplatte vom Schrein des heiligen Maurinus, um 1170. Köln, St. Pantaleon (S. 9, 11). Michael mit zwei Drachen in der Krümme eines Bischofsstabes, vergoldetes Kupfer mit Email-Einlage aus St. Martin de Mondoiiedo, Lugo. 13. Jh. (S. 38). Michael mit der Seelenwaage beim Jüngsten Gericht, Tympanon des Hauptportals der Kathedrale von Amiens, erste Hälfte 13. Jh (S. 85). Erscheinung des Erzengels Michael vor Josua, 2. Viertel des 13. Jh. UspenskijKathedrale des Moskauer Kreml (S. 10). Das Wunder von Chonae, um 1230, Gold-Pinsel-Zeichnung auf Bronze. Südportal (Bronze) der Kathedrale von Susdal, Mittelrussland (S. 48). Michael als Seelenwiiger in Auseinandersetzung mit dem Teufel, 1260-1280. Freiburg im Breisgau, Münster, Tympanon der Vorhalle des Westportals (S. 73).

St. Sebald in Nürnberg, circa 1253 (S. 28, 29). Michael, den Drachen zu seinen Füßen, um 1290. Schwäbisch Hall, Vorhalle der Michaelskirche (S . 65).

Siegel der Stadt Jena, vermutlich Ende 13. Jh. (S. 9). Michael als Seelenwiiger, Fresko im Chor der Basilika St. Michael in Altenstadt, 13./14. Jh. (S. 18). Apokalypse von Angers, Teppichwirkerei n:ich einem Entwurf von] ean Bondol, circa 4,50 m hoch, 14.Jh. Angers, Chateau du Roi Rene (S. 71). Michael als Herrscher, Deckenfresko, 1320/21. Parekklesion der ChoraKirche, Istanbul (S. 116). Michael, den Drachen zu seinen Füßen, Glasmalerei um 1330/40. Kloster Wienhausen (S. 66).

St. Lorenz in Nürnberg, Fensterrad, 1360 (S. 32). Der Erzengel Michael erscheint dem heiligen Gregor auf der Engelsburg, Marmor, 1469. San Gregorio Magno, Rom (S. 50). Das Wunder von Chonae aus der Sophien-Kathedrale in Nowgorod, um 1500 (restauriert bzw. nachgemalt). Nowgorod, Kunstmuseum (S. 46). Michael als Drachentiiter und Seelenwiiger, Sforza-Stundenbuch, Ende 15. Jh. London, British Museum (S. 35, 39).

136

Michael als Seelenwäger, schwäbisch, um 1500. Frankfurt am Main, St. Bartholomäus (Dom) (S. 17). Der Erzengel Michael besiegt den Teufelsdrachen, Tres Beiles Heures des Duc de Berry, frühes 15. Jh. Museo Civico, Turin (S. 117). Erzengel Michael, Ikone aus der Kathedrale des Klosters Spaski inJaroslawl, 1516. St. Petersburg, Russisches Museum (S. 60).

Ernst Barlach (1870-1938), Der Geistkämpfer, 480 cm hoch (ohne Sockel), Bronzeguss, 1928. Alte Aufstellung vor der Heiliggeist-Kirche, Kiel (heute an der Nikolaikirche) (S. 105). Entwurfszeichnung zum Geistkämpfer, Kohle, 192 7. Güstrow, Ernst Barlach Stiftung (S. 106). Jacopo de! Casentino (circa 1297-1358) zugeschrieben, Das Wunder vom Monte Gargano, Fresko, Anfang 14. Jh. Santa Croce, Florenz (S. 51, 52). Benedikt Dreyer (um 1480-nach 15 55), Michael stürzt den Drachen, Eiche, 1510-20, ehemals Lettnerbrüstung der Marienkirche zu Lübeck, 1942 verbrannt (S. 66). Albrecht Dürer (1471-1528), Michaels Kampf mit dem Drachen aus dem Apokalypse-Zyklus von 1498, Holzschnitt (S. 24). Jan van Eyck (um 1390-1441) zugeschrieben, Jüngstes Gericht, Tafelbild, auf Leinwand übertragen, um 1430. New York, Metropolitan Museum of Art (S. 88). Frans Floris (1516-1570), Sturz der Engel, 308 x 220 cm, 1554. Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten (S. 78). Friedrich Geissler, St. Lorenz mit Blick zur Michaelsempore um 13 53, Stahlstich, 1835 (S. 33). Corrado Giaquinto (1703-1765), Der Engelsturz, 135 x 98 cm, circa 1720-1725. Rom, Vatikanische Museen, Pinakothek (S. 78). Gislebertus, Michael als Seelenwäger, 122 5-3 5, Ausschnitt aus dem Weltgerichtstympanon der Kathedrale St-Lazare in Autun (S. 86). Guariento (circa 1320-circa 1370), Michael als Seelenwäger, um 1354. Padua, Museo Civico (S. 75). Hans Holbein der Jüngere (1497-154 3), Michael als Seelenwäger, Federzeichnung, grau laviert, um 1522. Basel, Kunstmuseum, Kupferstichkabinett (S. 77).

137

Walther Kniebe (1884-1970), Michael hilf!, Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs der Stadt Rheydt (Niederrhein), circa 15 m hoch (ohne Sockel), 1932 (1940 vernichtet) (S. 107, 108, 109). Modell zum Gefallenendenkmal der Stadt Reydt, 1928 (S. 110). Lambert von Saint-Omer (t 1121), Michael und seine Engel kämpfen gegen den Drachen, Illustration aus dem Liber floridus, 2. Hälfte 12. Jh. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek (S. 118). Niccolo di Liberatore, genannt Alumno (um 14 30-15 02), Michael als Herrscher, 1465. Hannover, Landesmuseum (S. 12). Brüder Limburg (t 1416), Michaels Kampf mit dem Drachen über dem Mont-SaintMichel, aus den Tres Riches Heitres des Herzogs Jean de Berry, 1413-1416. Musee Conde, Chantilly (S. 80). Meister E.S. (circa 1420-circa 1468), Michael als Bezwinger zweier Teufel, Kupferstich, 1467 (S. 77). Meister von Soriguerola, Michael mit der Waage, Altarflügel, Katalonien, 13 .Jh. Vieh, Bischöfliches Museum (S. 74). Hans Memling (um 143 3-1494), Michael beim Jüngsten Gericht, um 14 72. Danzig, Muzeum Narodowe (Nationalmuseum), früher Marienkirche (S. 91). Peter Parler (1330 oder 1333-1399) zugeschrieben, Frauenkirche in Nürnberg, 1350-1361 (S. 30, 31). Pietro Perugino (um 1445/48-1523), Michael, circa 1511. London, National Gallery (S. 93). Piero della Francesca (zwischen 1419 und 1420-1492), Der heilige Michael, Tafelbild aus dem Polyptychon der Augustiner von Borgo San Sepolcro, um 1469. London, National Gallery (S. 67). Hans Pleydenwurff (um 1420-1472), Erzengel Michael, Hofer Altar, Außenseite des linken Flügels vom äußeren Flügelpaar, 1465. München, Alte Pinakothek (S. 76). Siegfried Pütz (1907-1979), Erzengel Michael, 193 5, Rüster, 85 cm hoch. Privatbesitz (S. 112). Michael, 1955, Kupfer, getrieben, 110 cm hoch. Privatbesitz (S. 113). Michael, 1956, Kupfer, getrieben, 110 cm hoch. Privatbesitz (S. 113). Erzengel Michael, Esche, 70 cm hoch, 1968. Privatbesitz (S. 114). Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Beate Pütz-Mol/er, Morsum.

138

Raffael (Raffaello Santi; 1483-1520), Michael besiegt den Drachen, 31 x 27 cm, 1504. Paris, Musee du Louvre (S. 95). Vorstudie zu Michaels Drachenkampf, 1518. Paris, Musee du Louvre (S. 7, 97). Heilige Margarete, 1518. Paris, Musee du Louvre (S. 98).

Raffael (und Werkstatt), Michaels Drachenkampf, 268 x 160 cm, ursprünglich Öl auf Holz, später auf Leinwand übertragen, 1518. Paris, Musee du Louvre (S. 96). Raoul Ramowsky (1912-1999), Bergplastik beim Staudamm von Zervreila, Graubünden, Schweiz, 1959 (S. 120). Tilman Riemenschneider (um 1460-1531), Traum Kaiser Heinrichs II. von der Seelenwägung am Kaisergrab in der Domkirche St. Peter und Georg zu Bamberg, Solnhofener Stein, 240 x 142 cm, um 1510 (S. 101, 103). Andrea della Robbia (1435-1525), Michael als Seelenwäger, Terracotta, um 1475 (Umrahmung von Giovanni della Robbia). Prag, Nationalmuseum (eine weitere Fassung befindet sich im Metropolitan Museum, New York (S. 13, 16). Arild Rosenkrantz (1870-1964), Michael, l 950er-Jahre. Schloss Rosenholm, Hornslet, Dänemark (S. 119). Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Bente Arendrup, Horns/et. Peter Paul Rubens, Der Engelsturz, 433 x 288 cm, 1622. München, Alte Pinakothek (S. 79). Andrea Sansovino (um 1460-1529), Statue des heiligen Michael. Monte Gargano, Michaelsgrotte (S. 55). Martin Schongauer (um 1450-1491), Michael und der Teufelsdrache, Kupferstich (S. 27).

Veit Stoß (um 1447-1533) zugeschrieben, Michael als Seelenwäger, vor 1477, Linde, 180 cm hoch. Nürnberg, St. Lorenz (S. 19, 20, 21). Tintoretto Gacopo Robusti; 1518-1594), Michaels Kampf mit dem Drachen, 318 x 220 cm, um 1590. Dresden, Gemäldegalerie alter Meister (S. 99). Rogier van der Weyden (Roger de la Pasture; 1399/1400-1464), Das Jüngste Gericht, 215 cm hoch, 1448-1451. Beaune, Hötel-Dieu (S. 57, 87, 89, 90). Michael Wolgemut (14 33/34-1519), Epitaph für Michael Raphael, um 1490. Nürnberg, Frauenkirche (S . 23).

139

Der Autor Manfred Krüger, 1938 in Köslin (Pommern) geboren.1965 Promotion in Tübingen, 1986 Professur für Philosophie (Fachhochschule Ottersberg) . Seit 1969 Mitarbeit in der Sektion für Schöne Wissenschaften am Goetheanum. Buchveröffentlichungen zu Philosophie, Anthroposophie, Literatur und Kunst, unter anderem Gerard de Nerval (1966), Wandlungen des Tragischen (1973), Bilder und Gegenbilder (1978), Denkbilder (1981 ), Literatur und Geschichte (1982), Meditation . Erkenntnis als Kunst (1983), Meditation und Karma (1988), Anthroposophie und Kunst (1988), Die Seele im Jahres/auf

(1992), lchgeburt (1996), Das Ich und seine Masken (1997), Die Verklärung auf dem Berge (2003) .

KAJSKAGEN Der Baum des Lebens

Legenden Aus dem Norwegischen von Taja Gut 127 Seiten, Leinen . ISBN 978-3-85636-162-4

Kaj Skagen hat mit seinem Legendenzyklus ein zauberhaftes Lesebuch für Jung und Alt geschaffen, das, angeregt von apokryphen Quellen,jüdischen Sagen und der Bibel, die Schöpfungs- und Entwicklungsgeschichte von Erde und Mensch noch einmal neu erzählt und mancher scheinbar längst bekannten Geschichte eine neue, ungeahnte Tiefe zu verleihen vermag. Es sind die ewigen Geschichten vom Paradies und der Verstoßung, von Schuld und Leiden, Hybris und Liebe, von Kain und Abel, von den verborgenen Kön igen, vom Großen, das klein ist, und vom Kleinen, das groß wird. Es sind unsere Geschichten . Kaj Skagen stellt in seinem Legendenzyklus die vertrauten urbildhaften Motive in ein neues Licht. So ist ein Lese- un.d Vorlesebuch von großer Sprachkraft entstanden .

Inhalt: Das Himmelskind · Die Heckenrose· Der Goldfürst · Gegen jede Krankheit ein Kraut· Der Lichtträger · Der Baum des Lebens· Das große Feuer · Der Fall· Der neue Garten· Kain und Abel· Seths Reise· Das Adam-Buch · Die Sintflut· Der Turm zu Babel · Abram und Sarai · Das Amulett · Die Tempellegende · Die Erzählung· Marienlegenden · Die Königslegende · Die drei Kinder · Da s Rosenkreuz· Der Verworfene · Wo hört der Himmel auf?

PFORTE VERLAG

MICHAEL LADWEIN

Leonardo. Das Abendmahl Weltendrama und Erlösungstat 140 Seiten, viele farbige Abbildungen, kartoniert ISBN 978-3-85636-153-2

Di e chri stlich e Kunst hat viele unsterbl iche Meisterwerke aufzuwei sen , doch keines hat das Mysterium de s Chri stentums ergreifender zur Darstel lung gebracht als Leonardos Abendmahl. Nach der jüngsten Re staurierung, bei der die originale Bildsubstanz freigelegt wurde, ist es heute, mehr als 500 Jahre nach der Entstehung , erstmals wieder möglich , das Bi ld ,mit den Augen Leonardos , zu betrachten . Trotz seines fragmentarische n Zu stands vermittelt es jetzt wieder einen Eindruck seiner ursprünglichen atmosphärischen Dichte . Insbesondere das verwandelte Erscheinungsbild der zentralen Gestalten , Christus und Judas, fordert dazu auf, ältere Deut ungen des Bildes gründlich auf den Prüfstand zu stellen . Michael Ladwein bietet einen fundierten Zugang zu diesem Werk m itsamt seiner Entstehungs- und Wirkungsgeschichte , dessen künstleri sche und spirituelle Botschaft nichts von ihrer Eindringlichkeit verloren hat .

Aus dem Inhalt:

Ent st ehung, Verlu st und Wiedergewinnung des Abendmahls · Die Motivge schichte und ihre Fortführung bei Leonardo· Realer und imaginärer Raum · Bedeutung selemente in Leonardos Bildkomposition · Irdische Gemein schaft und kos mis che s Urbild · Umfangreicher Anhang mit weiterfü hrende n Texte n und Quellen .

PFORTE VERLAG